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Hiffiigm.
of Mr. William Wreden
ÜBER DEN
WISSENSCHAFTLICHEN
MISSBRAUCH DER VIVISECTION.
lANE i/ßSSy. sta:'jg:b "-vrrjss^
„Die Zeit des Schweigens ist vergangen, und die Zeit zu reden ist
gekommen, wie Prediger Salomo (3, 7.) sagt Ich habe, unserem Vomehmeu
nach, zusammengetragen euiche Stftclce, christlichen Standes Besserung belangend,
dem christlichen Adel deutscher Nation vorsulegen : ob Gott wolle doch durch den
Laienstand seiner Kirche helfen; sintemal der geistliche Stand, dem es billiger ge-
bührte, ist gans unachtsam geworden. Ich bedenke wohl, dass mir's nicht wird unver-
wiesen bleiben, als yermease ich mich zu hoch .... Ich lass meine Entschuldigung
anstehen, verweis mir's, wer da will ; ich bin vielleicht meinem Gott und der Welt
noch eine Thorheit schuldig, die hab ich mir jetzt vorgenommen, so mir's gelingen
mag, redlich zu bezahlen, und auch einmal Hofnarr zu werden .... Es hat wohl
mehrmals ein Narr weislich geredet und vielmal weise Leute gröblich genarret, wie
Paulus (1 Kor. 8, 17.) sagt: „„wer da will weise sein, der muss ein Narr
werden."" . . . . Ich bitte, wollet mich entschuldigen bei den massig Verstän-
digen: denn der Ueberhochverständigen Gunst und Gnade weiss ich nicht zu
verdienen, welches ich so oft mit grosser Mühe gesucht, nun fortan auch nicht
mehr haken noch achten will. Gott helfe uns, dass wir nicht unsere, son-
dern allein seine Ehre suchen!"
Dr. Martin Luther.
„An den christlichen Adel deutscher Hation von des christlichen
Standes Besserung." (Geschrieben su Wittenberg Anno l62o.)
„Wenn ich nicht an eine göttliche Ordnung glaubte, welche diese deutsche
Nation zu etwas Gutem und Grossem bestimmt hätte, so würde ich das
Diplomatengewerbe gleich aufgeben oder das Geschäft gar nicht übernommen haben.
Orden und Titel reizen mich nicht. — Ich bin bereit zu erklären, dass die fortschrei-
tende Vervollkommnung der menschlichen Einsicht und Bildung, alle Güter der Civili-
Bation, die wir mit BMht rühmen hören, und das Fortschreiten der Gesittung nicht
ohne Antheil an der Sache ist. Es ist das Fortschreiten derjenigen Gesittung, deren
Grundlage sich auf das Christenthum unserer V&ter zurüekfUiren lässt. —
Wollte Gott, dass ich ausser dem, was der Welt bekannt wird, nicht andere Sünden
auf meiner Seele hätte, für die ich nur im Vertrauen auf Christi Blut Vergebung hoffe.
... Es ist nicht leicht, in den Fragen, die an mich herantreten, immer die Klarheit
zu gewinnen, auf deren Boden das Gottvertrauen erwächst. Wer mich einen gewissen-
losen Politiker schilt, thut mir UnrecM; er soll sein Gewissen auf diesem Kampf-
platz erst selbst einmal versuchen. — Wenn ich mein Leben an eine Sache setze, so
thue ich es in denjenigen Glauben, den ich mir in langem und schwerem Kampfe,
aber in ehrlichem und demüthigem Gebet vor Gott gestärkt habe, und den mir
Menschenwort, auch das eines Freundes im Herrn und eines Dieners seiner Kirche,
nicht umstösst. Ich habe die Standhafti^keit, die ich zehn Jahre lang an den Tag
gelegt habe gegen alle möglichen Absurditäten, nur aus meinem entschlossenen Glau-
ben. Nehmen Sie mir diesen Glauben, und Sie nehmen mir das Vaterland."
„Wenn ich mir als Repräsentanten der geheiligten Majestät des Königs gegenüber
einen Juden denke, dem ich gehorchen soll, so muss ich bekennen, dass ich mich
tief niedergedrückt und gebeugt fühlen würde, dass mich die Freudigkeit und das
aufrechte Ehrgefühl verlassen würden, mit welchen ich jetzt meine Pilichten gegen
den Staat zu erfüllen bemüht bin."
„Ich werde den Weg unbedingt gehen bis an*8 Ende, den ich für recht und
gedeihlich halte, mag ich nun Hass oder Liebe ernten — das ist mir gleich-
gültig."
Fürst von Bismarck.
(1847 - 1879.)
Alle Rechte vorbehalten.
ÜBER DEN
WISSENSCHAFTLICHEN
MI88BRAÜCH DER VIVI8ECTI0N
MIT
HISTORISCHEN DOCÜMENTEN
ÜBKi« DIE
YIVISECTION VON MENSCHEN
VON
Ma.mi U rl FRIEDRICH [ZÖLLNER, /S 3- .'• ■ , •y<'?'^ ■
Tröfessor der Astrupliysik sii; -Wr TTiiversität zn Leipzig.
„Und bfti diesen schreiuudeu Thatsaclien sollen
wir nuch die hergebrachte akademische Leisetreterei
weiter üben und. um gute Cullegen zu bleiben,
der Schändung des deuts<!hen Namens fernerhin
geduldig zusehen?"
Theodor Mommsen.
Profcnsor a. d. UniversitKt und Mitglied
der KUnigl. Akademie zu Hei-lia.
„Wo's Noth thut, lässt sich Alles wagen."*
von Manteuffel,
GenuralfuIdmarRoltall und Statthalter
vun El<iasH - Luthringen.
LEIPZIG. : '•
COMMISSIONSVERLAG VON L. STAACKMANN.
1880.
,jAl8 ich in Oöttingen studirte, sprach Blnmenbach, im Collegio der
Physiologie, sehr ernstlich zu uns über das Schreckliche der Virisectionen,
nnd stellte um vor, was für eine grausame und entsetzliche Sache sie wären ; . .
Heutzutage hingeg^en hält jeder Medicaster sich beftigt, in seiner Marter-
kammer 4ie gransamste Thierqnälerei zu treiben, um Probleme zu entscheiden,
deren Lösung- längst in Büchern steht, in welche seine Nase zu stecken er
zu faul und unwissend ist. Unsere Aerzte haben nicht mehr die klassische
Bildung wie ehemals, wo sie ihnen eine gewisse Humanität und einen edlen
Anstrich verlieh. Das geht jetzt möglichst flrtth auf die Universität , wo es
eben nur sein Pflasterschmieren lernen will, um dann damit auf Erden zu
prosperiren. ..^u Vivise et Ionen ist Keiner berechtigt, der nicht
schon Alles, was über das zu untersuchende Verhältniss in
Büchern steht, kennt und weiss. Die französischen Biologen scheinen
hier mit dem Beispiel vorangegangen zu sein und die Deutschen eifern
ihnen nach im Verhängen der grausamsten Martern über unschuldige Thiere,
oft in grosser Anzahl, um rein theoretische, oft sehr Aitile Fragen zu ent-
scheiden. Zu den Beispielen, die mich besonders empört haben, gehört auch
dieses: Professor Ludwig Fick in Marburg in seinem Buche „über die
Ursachen der Knochenformen" (1857) berichtet, dass er jungen Thieren die
Augäpfel exstirpirt liabe, um eine Bestätigung seiner Hypothese da<ftirch zu
erhalten, dass die Knochen in die Lücke hineinwachsen! (S. Centralblatt
V. 24. Oct. 1857.) — Offenbar ist es an der Zeit, dass der jüdischen
Naturauffassung in Europa, wenigstens hinsichtlich der
Thiere, ein Ende gemacht werde. Man muss an allen Sinnen
blind oder durch den foetor judaieus völlig chloroformirt
sein, um nicht einzusehen, dass das Thier im Wesentlichen
und in der Hauptsache durchausdas Selbe ist, was wir sind."
Arthur Schopenhauer.
Parerga II. S. 400 - 408.
„Unter den Tadlern der demonstrativen Vivisection befindet sich leider
auch der berühmte Physiker Sir William Thomson." (VgL S. 13.)
Dr. L. Hermann,
Professor der Physiologie und Vivisector
a. d. UniversitKt zu Zürich.
(Vgl. „ Die Vivisectionüfrage *'. Leipzig
(Vogel) 1877. 8. 55.)
Anmerkung,
Die auf dem Titelblatte citirten Worte Momrasen's befinden sich in den „ Preussischen
Jahrbüchern" 1876. April-Heft IV. S. .315. Die Worte Mante uff eTs sind als Autograph
in einem zum Besten der Ueberschwemmten in Murcia herausgegebenen Festblatte ver*
öflTentlicht. (Vgl. Leipziger Nacbrichten v. 24. Dec. 1879. Beilage.)
/8^0
Einleitung.
,,Es schadet uns Nicht«, wenn man uns fttr unbändig und ungezof en iiä It
Den Deutschen mnss man die Wahrheit so derb sagen als müglich.**
Schiller an Goethe.
Briefwechsel I. 7u., II. 80«.
Es wird in neuerer Zeit von den Vertheidigem der un-
beschränkten Vivisection mit nicht zu verkennender Absicht
versucht, den entbrannten Kampf von der Discussion über
den Missbrauch auf die Frage nach der Berechtigung
der Vivisection hinüberzuspielen. Es wäre eine solche
Verlegung des Kampfplatzes eine eben so wenig berechtigte,
wie wenn man die Frage nach dem Missbrauch einer fiir
den Handelsverkehr so wichtigen Institution wie der Börse
mit der Frage nach ihrer Berechtigung vermischen wollte,
um alsdann unter dem Schutze des durch solche Kriegslist
künstlich aufgewirbelten Staubes einer sogenannten „sittlichen'*
Entrüstung die Gegner des Missbrauchs als Gegner der
Institution in der öffentlichen Achtung des Volkes her-
abzusetzen. Da nun aber doch erfahrungsmässig alle mensch-
lichen Institutionen, sowohl auf dem Gebiete des Staates als
der Kirche, den Gefahren eines Missbrauches ausgesetzt
sind, wie z, B, Parlamentarismus, Pressfreiheit, Versamm-
lungsrecht, Freizügigkeit, Jesuitenorden u. dgl. m., so werden
Vertheidiger und Gegner der Vivisection wenigstens darin
friedlich mit einander übereinstimmen müssen, dass auch die
Vivisection, als wissenschaftliche Forschungsmethode in
der Experimentalphysiologie, von der Möglichkeit eines
Missbrauches nicht von vornherein auszuschliessen sei.
Diese Frage ist nun aber bereits seit mehr als zwei Jahren
in vollkommen bündiger und ganz unzweideutiger Weise von
einem der ersten Physiologen und Hauptvertheidiger der Vivi-
1 *
w
^
— 4 —
section öffentlich bejaht worden. Der Königl. Preussische
Geheime Medicinalrath und Professor der Physiologie, Herr
Emil du Bois-Reymond hat in seiner feierlichen „Rede
bei Eröffnung des neuen physiologischen Institutes der KönigL
Friedrich - Wilhelms - Universität zu Berlin am 6. November
1877" wörtlich erklärt:
„Gewiss kann die Vivisection missbraucht werden. Denn kann dies
nicht sogar die Religion? Auch meine ich allerdings, dass Vivisectionen
zum alleinigen Zwecke der Demonstration, namentlich in stark besuchton
Vorlesungen vor Anfängern, möglichst einzuschränken sind."^)
Nachdem also die vorstehende Frage nach der Möglich-
keit eines wissenschaftlichen Missbrauches der Vivisection
von Freund und Feind derselben in vollkommenster und höchst
befriedigender Weise übereinstimmend bejaht ist, kann ea
sich ferner nur noch um Entscheidung der Frage handeln,
ob thatsächlich die Vivisection innerhalb und ausserhalb
der unter „Aufsicht des Staates" stehenden physiologi-
schen Institute missbraucht worden sei.
Zur Beantwortung dieser Frage ist nun vor mehreren
Jahren auf Anregung der Königin Victoria eine aus sach-
kundigen „Männern der Wissenschaft" zusammenge^
setzte Commission gebildet worden und dieselbe „von Staats-
wegen" mit einer sorgfältigen persönlichen Besichtigung
aller englischen und continentalen physiologischen Institute
beauftragt worden.
Der über diese Untersuchunor an die enorlische Kegierunor
erstattete Commissionsbericht umfasst 388 eng gedruckte Fo-
lioseiten mit 6551 Paragraphen. Der berühmte Afrikareisende
Hr. Ernst von Weber in Dresden hat sich nun das grosse
Verdienst um Deutschland erworben, dass er durch eine wört-
liche Uebersetzung der hauptsächlichsten Paragraphen^) jene*
englischen Commissions-Berichts die Resultate desselben auch
') ,J)er physiologische Untemcht sonst und jetzt. Kedc bei Eröffnung
des neuen physiologischen Instituts der Königl. Friedrich-Wilhelm s-Univer-^
sität zu Berlin am 6. November 1877 gehalten von Emil du Bois-
Kcymond." Berlin lS7b. (Hirschwald.) S. 22.
*) Vgl. „Die Folterkammern der Wissenschaft". 6. Aufl. 1879. Bei
Hugo Voigt (Berlin und Leipzig 1879). 12 Exemplare für 6 Mark —
1000 Exemplare für 300 Mark.
— 5 —
<Ien deutschen Kegierungen zugänglich gemacht und hier-
durch diesen sowohl wie dem deutschen Volke bedeutende
Kosten erspart hat, die nothwendig durch „Reisediäten^' und
„Bureau-Utensilien" einer solchen „von Staatswegen" ernannten
Commission absorbirt worden wären. Denn dass die deut-
-5chen Regierungen, deren intellectueller und moralischer Leiter
Fürst von Bismarck ist, es ohne lebhafte Erregung des
nationalen Schamgefühls hätten über sich gewinnen können,
den Engländern allein die Initiative zur Entscheidung einer
so wichtigen Frage zu überlassen, daran war doch gewiss
nicht zu denken, wenn man den edlen nationalen Wetteifer
berücksichtigt, mit welchem bei dem letzten Venusdurchgange
und den sonstigen Verfinsterungen der Sonne so ungeheuere
Geldsummen bewilligt wurden, um „vom Staate" ernannte
Commissionen von „Männern der Wissenschaft" nach allen
Punkten der Erde — bis zu unsern Antipoden — zu entsenden.
Der internationale Commissionsbericht über das Durchschnitts-
Resultat aller Venus- Expeditionen, aus dem sich der für die
Wissenschaft erzielte Gewinn ersehen Hesse, ist meines Wissens
noch nicht erschienen. Meine Leser w^erden mich nun aber
wissbegierig fragen, ob ich ihnen denn nicht wenigstens
einige Resultate jener wissenschaftlichen Untersuchung über
die Vivisection mittheilen könnte. Denn da dieselbe von
„Männern der Wissenschaft" angestellt worden ist, so werden
die „gebildeten" und dem „Fortschritt" huldigenden Gesell-
schaftsklassen des deutschen Volkes sich der Worte des be-
rühmten Naturforschers und „guten Revolutionärs" Virchow
erinnern, welche er am 22. September 1877 auf der Natur-
forscherversammlung in München über „die Freiheit der
Wissenschaft im modernen Staat^) unter donnerndem
Beifall der versammelten Naturforscher und Aerzte gespro-
chen hat. Derselbe sagte nämlich wörtlich Folgendes:
.,Die Hauptaufgabe, welche die Wissenschaft seit Jahrhun-
derten verfolgt hat, ist die gewesen, die rechte, die conservative
Seite immer mehr zu stärken." (S. 24).
„Die practischen Fragen, welche sich daran knüpfen, sind sehr nahe-
liegend. Es ist selbstverständlich, dass für das, was wir als gesicherte,
^) Im Druck ersclüenen in Berlin, 1S77. Verlag von Wieg and,
Hempel & Parey.
— 6 —
wissenschaftliche Wahrheit betrachten, auch die vollkommene
Aufnahme in den Wissensschatz der Nation verlangen müssen. Da&
muss die Nation in sich aufnehmen, das muss sie verzehren
und verdauen, daran muss sie nachher weiter arbeiten. Gerade darin
liegt ja die doppelte Förderjng, welche die Naturwissenschaft der Nation
bietet. . . . Alles dieses basirt wesentlich darauf, dass wir Männer der
Wissenschaft die Lehrsätze vollkommen fertig machen und wenn sie ganz
fertig und sicher sind, so dass wir ganz bestimmt wissen, dies ist natur-
wissenschaftliche Wahrheit, sie der Gesammtheit übergeben; dann können
auch Andere damit arbeiten und neue Dinge J schaffen, von denen vorher
Niemand eine Ahnung hatte, die sich Niemand träumen Hess, die ganz
neu in die Welt treten und die den Zustand der Gesellschaft
und der Staaten umwandeln." (S. 8.)
„Das, was mich ziert, ist eben die Eenntniss meiner
Unwissenheit*). . . Da ich aber, wie ich «mir einbilde, ziemlich genau
*) Hr. Dr. Eduard Lasker gibt in seiner anonymen, von Bert-
hold Auerbach mit einer Vorrede versehenen Schrift „Erlebnisse einer
Mannesseele" (Stuttgart, bei Cotta 1873) auf Seite 104 wörtlich folgendes
Heilmittel gegen die oben von Hm. Virchow an sich selber constatirte
Unwissenheit. Hr. Dr. Lasker sagt nämlich wörtlich:
„Vor der völligen Leerheit des Geistes gibt es nur die beiden Wege :
zum Wahnsinn, welcher mildert, oder zurück zur Arbeit, welche den
Geist zum Ueberwinden übt und zum Schaffen erstarkt. Mir war die
Kückkehr beschieden und eine lange Vorübung zeigte mir
die rechte Weise. Von Kindheit an war ich gewöhnt, aus Irrungen
mich mit einem bestimmten Vorsatz zu retten, welcher der Irrung an
Kraft und Inhalt entsprach."
Ich begreife nicht, wie man dem armen Lasker wegen dieser un-
schuldigen literarischen Herzenserleichterung so arg mitspielen konnte^
Kennt denn Jemand die Qualen eines Junggesellen, der ein Dutzend Mal
nahe daran war, sich zu verlieben und, wenn er sich dann einmal mit
Unterdrückung aller parlamentarischen Bedenken wirklich verlobt hatte,
die Entdeckung zu machen glaubte, dass er sich versprochen habe?
Wie viele schöne Töchter Israels mögen über Hm. Lasker' s „Veränder-
lichkeit" am gebrochenen Herzen gestorben sein, so dass Hr. Lasker
unter Gewissensqualen in jener anonymen Schrift, wie Heinrich Heine
in den „Hebräischen Melodien" klagend in die Worte ausbricht: „Ver-
änderlichkeit, die ewige Schwäche, welche den Menschen der Voll-
kommenheit entrückt und zahllose Fäden des Glückes durchschneidet —
mit demselben Werkzeug verwundet und heilt die Natur!" — Sind denn
solche Selbstbekenntnisse eines verflossenen Parlamentariers nicht rührend
und, im Vergleich zuKousseau's ^^Covfeasions''^ von einer mädchenhaften
Decenz? Und wer hat denn eigentlich Hm. Lasker zu dieser Schrift;
verleitet? Nun wer anders als der zudringliche, aufdringliche, unaus-
sprechlich schreib- und schwatzhafte Bauer — Hauer — Lauer — Schauer —
— 7 —
weiss, was ich nicht weiss, so sage ich mir jedesmal, wenn ich genöthigt
bin, in ein für mich noch verschlossenes Gebiet einzutreten: „ „jetzt muist
du wieder anfangen zu lernen, jetzt musst du neu studiren, jetzt mnsst
du es machen, wie Jemand, der in die Wissenschaft eintritt/*" (S. 14.)
Da nun bekanntlich die Resultate der Wissenschaft inter-
nationales Eigenthum sind und die Mitglieder der unter
„Controle des Staates" von der englischen Regierung beru-
fenen Commission natürlich die Resultate ihrer Unter-
suchung über die Existenz von Missbräuchen der Vivisection
„als gesicherte, wissenschaftliche Wahrheit" be-
trachten, welche das Volk nach dem von Hm. Virchow zum
Schutze der „Freiheit der Wissenschaft" erlassenen Befehl
„verzehren und verdauen muss", so hat auch das deut-
sche Volk ein Anrecht auf diese Speise. Trotzdem ich mich
eines sehr guten Magens erfreue, hat mir doch die Ver-
Auei^bach, — dass mir doch der Name eines so berühmten Schriftstellers
und Dichters nicht gleich einfallen wollte! Bcwusster Auerbach sagt
nun wörtlich in der Vorrede: „Nur Herausgeber der nachfolgenden Auf-
zeichnungen bin ich; nichts als die Titelworte habe ich hinzugefügt. Ge-
drungen und knapp in der Form , edel und reif im Gehalt , werden diese
Blätter nach meiner üeberzeugung von dauerndem Werth in der deutschen
Literatur sein. Berlin, 27. Febr. 1873". — Wie kann nach solchem
Urtheil eines solchen Mannes noch ein verbissener Antisemit die Eück-
sichtslosigkeit haben, zu behaupten:
„Noch inuner ist ein Theil der Juden unverschämt genug, für den
moralisch und politisch todten Herrn Lask er den Tam-Tam zu schlagen.
Moralisch ist er todt seit März 1873 , wo das unendlich seichte, frivol-
indiskrete Buch von ihm: ,3ekenntnisse einer Mannessoele" erschien,
um bald zu verschwinden. Seine Freunde und Anhänger hatten so viel
Taktgefühl, dasselbe schleunigst zu unterdrücken und auch dem kleinen,
an der Monomanie der „Volkserrettung" leidenden „grossen" Lasker
begreiflich zu machen, dass er sich durch dieses Buch in jeder anstän-
digen Familie unmöglich mache." (Vgl. „Neu-Palästina oder das ver-
judete Deutschland", von einem Konservativen. Berlin, Otto Henze.)
Da ich überhaupt niemals anonyme Bücher schreibe, sondern für
meine üeberzeugung überall öffentlich mit meinem vollen Namen ein-
trete, so wird man mich hoffentlich nicht als den anonymen Verfasser
dieser von Verbitterung erfüllten Schrift verdächtigen wollen. Mir hat die
Natur glücklicherweise einen so unverwüstlichen Humor mit auf die Lebens^
reise gegeben, dass ich vor solchem Ingrimm geschützt bin. Auch glaube
ich, dass alle erschaffenen Wesen — also auch die Juden — „am Web-
stuhl der Zeit, der Gottheit lebendiges Kleid weben". Aber freilich geht
dies nicht ganz ohne Frictionen und Geräusch ab, so dass der Webstuhl
und die Weltaxe zuweilen geschmiert werden müssen.
— s —
dauung der in Hrn. Ernst von Weber's Folterkammern
mitgetheüten Thatsachen der Beobachtung grosse
Schmerzen bereitet. Da ich nun in der vorliegenden Schrift
noch andere, gleichfalls sehr schwer verdauliche^ Speisen meinen
geehrten Lesern auftischen werde, und wir Deutsche nicht
ebenso leicht wie die Engländer ihren berühmten Plumppud-
ding mit Binderfett ohne Indigestionen verdauen können, so
halte ich es für meine Pflicht, hier in der Vorrede bereits
einige kleine Proben jener Speisen als hors d'oeuvre zu ser-
viren, damit die geneigten Leser, welche an Magenschwäche
leiden und bereits diese Proben nicht vertragen können, lieber
die ganze Schrift ungelesen bei Seite legen mögen. Sollte
nun aber ein solcher magenschwacher Leser mir darüber
zürnen, dass ich ihm durch den piquanten Titel dieser
Schrift sein Geld nutzlos aus der Tasche gelockt habe, so
erlaube ich mir ihm denselben Vorschlag zu machen, welchen
in ähnlicher Lage bereits der berühmte deutsche Philosoph
Arthur Schopenhauer vor 62 Jahren, am Schlüsse seiner
zu Dresden im August 1818 geschriebenen Vorrede seines
Hauptwerkes,^) den gehim- und nervenschwachen Lesern
seiner Schriften gemacht hat. Schopenhauer sagt:
„Der bis zur Vorrede, die ihn abweist, gelangte Leser hat das Buch
für baares Geld gekauft und fragt, was ihn schadlos hält V — Meine letzte
Zuflucht ist jetzt, ihn zu erinnern, dass er ein Buch, auch ohne es gerade
zu lesen, doch auf mancherlei Art zu benutzen weiss. Es kann, so gut
wie viele andere, eine Lücke seiner Bibliothek ausfüllen, wo es sich, saubor
gebunden, gewiss gut ausnehmen wird. Oder auch, er kann es seiner ge-
lehrten Freundin auf die Toilette oder denTheetisch legen. Oder endUcli,
er kann ja , was gewiss das Beste von Allem ist und ich besonders rathe,
es recensiren."
Doch ehe ich an die Mittheilung einiger Beispiele von
Vivisectionen gehe, möchte ich meine Heben Mitbürger in
Leipzig in eine hierzu „empfängliche" Stimmung versetzen.
Ich kenne ja den hypnotischen oder biomagnetischen Einfluss,
welchen des Morgens bei der berühmten „Tasse KafFe" das
Leipziger Tageblatt auf uns alle ausübt. Wenn in dämmern-
der Morgenstunde der Leipziger Bürger „mit tiefer nationaler
1) Die Welt als Wüle und Vorstellung. S. XIV. Bd. I. Brock«
haus 1859.
— 9 —
'Wie liberaler Befriedigung" — wie Professor Alfred Dovc
sagt^) — sein Tageblatt zur Hand nimmt, sich eine Cigarre
ansteckt und dann gewissenhaft das ihm dargebotene lite-
rarische Frühstück verspeist, so hängt „die Störung des Gleich-
gewichtes in den seelischen Kräften, auf welchem die An-
griffe gegen die Vivisection erwachsen sind",^) ganz davon ab,
welche psychische Illusion der mächtige Magnetiseur und ver-
antwortliche Eedacteur des Leipziger Tageblatts auf seine
16000 Abonnenten ausübt. Während Herr Professor Hansen
nur einzelne Individuen vorübergehend „hypnotisirte" und dann
im Stande war, ihnen alles Mögliche vorzureden, was sie
allen Ernstes für wahr hielten — z. B. Kartoffeln für Birnen,
einen zusammengefalteten Ueberzieher für ein Kind an ihrer
Brust u. dgl. m.^) — so wiederholt der Schwarzkünstler des
Tageblattes diese biomagnetischen Experimente Tag für Tag
mit derselben souveränen Machtfülle, die den Kräften des
thierischen Magnetiseurs innewohnt. Mit Rücksicht auf die
merkwürdige Thatsache, dass derartige Opfer des Biomagne-
tismus die ihnen eingeprägten Vorstellungen ganz nach Be-
lieben des Magnetismus vergessen und in ihr Gegentheil ver-
wandeln können, kümmert sich auch ein Redacteur gar nicht
darum, ob sein Blatt heute diese, oder nach ein paar Monaten
die entgegengesetzte Vorstellung in den Köpfen seiner „Em-
pfänglichen" hervorruft. Hier ein kleines Beispiel auf dem
Gebiete der Vivisectionsfrage. Am 10. März 1879 enthielt
das Leipziger Tageblatt No. 69 in seinem redactionellen Theile
wördich Folgendes:
,^ie Qualen iind Martern, welchen die Thiere durch die Vivise(;tion
ausgesetzt sind, müssen jeden fühlenden Menschen mit Entsetzen erfüllen,
und es ist Herrn von Weber aufrichtig? dafür zu danken, dass er diese
*) „Der Spiritismus in Leipzig." AnonMii von Pi-ofessor Alfred
Dove. Separatabdruck aus der Wochenschrift „Im neuen Keich" 1S7^.
Xr. 19. Verlag von S..Hirzel in I^ipzig.
^ „Die wissenschaftliche Thätigkeit in den physiologi-
schen Instituten." Vortrag, gehalten im Kaufmännischen Vereine zu
Leipzig am 27. März 1879 von C. Ludwig. Separatabdruck aus der
Wochenschrift „Im neuen Keich" JS79. Nr. 14.
*) Vgl. meine Wissenschaftlichen Abhandlungen, Bd. 111. „Die TraUv^een-
dentalphysik und die sogenannte Philosophie".
\
- 10 -
Angelegenheit in gewandter und beredter Weise vor das licht der Oeffent-
lichkeit gezogen hat. Wir sind der Ansicht, dass der Streit nicht
ruhen d(arf, dass er aber dahin geführt werde, wo er allein
practischen Erfolg haben kann: vor die Eegierungen, vor
die Ständeversaramlungen!" (Die entgegengesetzte Ansicht vertritt
gegenwärtig das Leipziger Tageblatt vgl. S. 21 ff. und Anhang.)
Als ich diese Worte des verantwortlichen Redacteurs des
Leipziger Tageblattes las und mir seine edle, stolze Gestalt
vergegenwärtigte, jene Hoheit und Würde seines athletischen
Körperbaues, von welchem schon Schiller sagte: „eine Ho-
heit, eine Würde entfernte die Vertraulichkeit" — da dachte
ich, es gibt noch ganze Männer in Deutschland! In Er-
innerung, dass wir am Ende des 19. Jahrhunderts stehen^
war ich durch jene schönen Worte, die so ganz meine An-
schauungen ausdrückten, tief ergriffen. Meine Phantasie ver-
setzte mich mit einem Palmenzweige vor den Redacteur des
Tageblattes und ihm denselben ehrerbietig überreichend, sprach
ich zu ihm, wie Schiller zum „Künstler":
„Wie schön, o Mensch, mit deinem Palmenzweige
Stehst du an des Jahrhunderts Neige
In edler stolzer Männlichkeit,
Mit aufgeschlossenem Sinn, mit Geistesfulle
Voll milden Emst's, in thatenreicher Stille,
Der reifste Sohn der Zeit,
Frei durch Vernunft, stark durch Gesetze,
Durch Sanftmuth gross und reich durch Schätze,
Die lange Zeit dein Busen dir verschwieg,
Herr der Natur, die deine Fesseln liehet.
Die deine Kraft in tausend Kämpfen ühet.
Und prangend unter dir aus der Verwildrung stieg."
Die angenehme Stimmung, welche ich. hoffentlich bei
meinen Lesern durch das hier nachgewiesene Erwachen der
ersten Liebe für Hm. Ernst von Weber beim Kedacteur
des Leipziger Tageblattes hervorgerufen habe — und nur die
erste Liebe ist ja bekanntlich eine wahre — erlaube ich
mir nun sogleich zu benutzen, um einige Fälle von Vivisec-
tionen aus Weber's „Folterkammern" hier mitzutheilen.
Auf Seite 23 (6. Auflage) dieser Schrift befindet sich wört^
lieh folgende Angabe:
„Hr. Dr. Gustav Wertheim in Wien übergoss im Jahre 1867 von
30 narkotisirten Hunden fünf von ihnen 9 Mal mit siedendem Wasser, die
— 11 —
übrigen 25 mit Terpentmöl , das er 9 Mal hintereinander anbrannte. £»
wurden dadurch Brust und Bauch bei den 5 ersten Thieren gesotten,
bei den 25 anderen gebraten. Die empörende Grausamkeit dieser Ver-
suche lag nun darin, dass ein Theil der Hunde noch bis 5 Tage nach der
Verbrennung leben blieb, ohne dass Dr. Wertheim daran gedacht hätte,
den aus der Narkose wieder erwachton und über und über mit den schmerz-
vollsten Brandwunden bedeckten Thieren die Wohlthat eines raschen Todes
zuzuwenden." (S. Jahresbericht der k. k. Eudolfstiftung von 1867, S. 172
bis 183.)
„Warum ferner die grausame Wiederholung solcher Vorsuche, der
„„zum Tode Abkühlung**" warmblütiger Thiere, da doch deren Resultate
längst genau bekannt sind? Haben nicht der durch seine abscheulichen
Verbrennungs- und Erfrierungsexperimente bekannt gewordene Dr. Gustav
Wertheim in Wien^) und so viele Andere längst festgestellt, dass Hunde
im Eiskasten „ „unter den lebhaftesten Schmerzensäusserungen" " in so viel
Stunden sterben, dass man ihr Leben bei nur periodischem Verweilen im
Eiskasten noch bis 6 Tage vorlängorn kann u. s. w. (s. Jahresbericht der
k. k. Rudolfstiftung für 1869. S. 112). S. 58 a. a. 0."
Das flesultat des englischen Commissionsberichtes hat
also in unzweifelhafter Weise die Frage nach der Existenz
von Missbräuchen der Vivisection bejaht, und auf Grund
dieses, nicht von Laien sondern von Männern der
Wissenschaft gefällten, Urtheils ist von der englischen Re-
^erung ein Gesetz zur Beschränkung der Vivisectionsfreiheit
erlassen w^orden. Bis zum 11. Januar 1877 waren dem Par-
lamente bereits 772 Petitionen mit 145,774 Unterschriften
gegen die Vivisection übergeben worden.
Denjenigen meiner Leser, welchen der Glaube an eine
göttliche Vorsehung und ewige Gerechtigkeit noch nicht ab-
handen gekommen ist, erlaube ich mir hier noch folgende»
Geständniss eines sterbenden Vivisectors mitzutheilen:
*) Im „Deutschen Universitätskalender" von Dr. F. Ascherson
(Wintersemester 1879/80) wird S. 176 Hr. G. Wertheim unter den
„ausserordentlichen Professoren" angeführt, welche „ausser dem Professoren-
Collegium" stehen; der angekündigte Gegenstand seiner Vorlesungen ist
zweunal wöchentlich: „Hautkrankheiten und Syphilis". Es wird jedenfalls
vom Publicum hieraus entnommen werden können, dass auch Mediciner,
welche diese Classe von Krankheiten sogar „brieflich" behandeln, Vivi-
sectionen der oben mitgetheilten Art für nothwendig halten. Sollten denn
die medicinischen Facultäten der deutschen Universitäten nicht
lieber ihre Ehre auf dem Gebiete der Hautkrankheiten gefährdet sehen^
als auf demjenigen der Vivisectionsfrage, wenn sie z. B. Anzeigen
— 12 —
„Der bekannte Vivisector Dr. Reid starb unter fürchterlichen
Qualen an einem Zungenkrebs. Er gestand zerknirscht den sein Kranken-
lager Umstehenden, dass er diese Krankheit als eine Strafe Gottes
betrachten müsse, da er gerade an den Zungennerven von Hunderten von
ihm zu Tode gemarterten Hunden seine gi*ausamen Studien gemacht hätte."
(Vgl. Web er' s Folterkammer S. 21.)
wie die folgenden lesen, die ich wörtlich dem „Leipziger Tageblatt" vom
3. Dec. 1S79 entnehme:
„Dr. Deutsch, Specialarzt für geheime Krankheiten, Berlin,
Friedrichstrasse 3. Mitglied der Wiener medicinischen Facultät, heilt
auch brieflich und ohne Berufsstörung: alle Geschlechts- und Haut-
krankheiten u. s. w."
Ebenso zeigt daselbst Dr. Hirsch, Berlin, Schützenstrasse 18, an:
„auch brieflich heilt etc." Dagegen lässt „Specialarzt Dr. med. Meyer,
Berlin, Leipziger Str. 91", bereits das „auch" fort und zeigt an: „heilt
brieflich Geschlechts- und Hautkrankheiten, sowie Schwächezustände selbst
in den hartnäckigsten Fällen mit stets sicherem Erfolge".
Schämen sich denn die „medicinischen Faciütäten" der deutschen
Universitäten nicht, solche Doctoren noch länger im Besitze ihrer Diplome
zu lassen und „anständige Blätter" nicht, durch Aufnahme solcher An-
zeigen die „Ehre des ärztlichen Standes" leichtsinnig zu untergraben?
Sind jene „Opfer der Wissenschaft" schon gezählt, welche in die Fall-
stricke solcher „Doctoren" auch „brieflich" fallen, und haben die Herrn
Mediciner ein Kecht, dem Volke zu verbieten, in seiner Hülflosigkeit zu
magnetischen und Wunderkuren seine Zuflucht zu nehmen?
Herr Prof. G. Wertheim hatte offenbar bei den 30 Hunden durch
Uebergiessen mit siedendem Wasser und brennendem Terpentinöl nur
„Hautkrankheiten" und „Schwächezustände" erzeugen wollen, um die hier-
bei gewonnenen „Ergebnisse der Wissenschaft" den „Mitgliedern der Wiener
medicinischen Facultät" „auch -brieflich" zum „Heile der leidenden
Menschheit" zur Verfügimg zu stellen.
Bereits vor anderthalb Jahren erhob die „Neue Stettiner Zeitung"
unter der Ueberschrift „Eine Ehrensache der deutschen Presse" folgenden
Mahnruf :
„Die Zeit ist ernst und fordert ganze Männer; wenn wir aber
Männer erziehen wollen, müssen wir schonungslos Radicalmittel an-
wenden gegen ein Uebel, eine Krankheit, einen Krebs, man nenne es wie
man wolle, ein Uebel, das in imverantwortlichster Weise bei ims leider
durch die Presse gross gezogen wird — gegen den Cynismus in Be-
handlung sexueller Dinge. ... Es wäre furchtbar, müsste man
zugeben, dass die Moralität unseres Volkes so ist, wie sie nach dem
abscheulichen Annoncencynismus erscheint. Vorläufig dürfen wir hoffen,
dass es ein Giftgewächs ist, das man aus Lässigkeit hat gross
werden lassen; aber gerade Giftgewächse wachsen mit erstaunlicher
Ueppigkeit, und wenn wir nicht wollen, dass unsere beste Lebensluft ver-
giftet und mit Verderben geschwängert werde, — dann fort mit
diesem Unwesen!" (Nach der „Post" v. 26. Juli 1878, No. 203.)
— 13 —
Es ist ein grosses Verdienst der englischen Nation und
ein Beweis ihrer ungebrochenen moralischen Kraft, dass bei
ihr zuerst das germanische Volksgewissen erwacht ist,
um den grausamen Verimmgen der Physiologen bei ihren
überhandnehmenden Vivisectionen ein kräftiges Veto! zuzurufen.
Es gereicht mir zu einer ganz besonderen Befriedigung,
unter den muthigen Vorkämpfern gegen diese nutzlosen wissen-
schaftlichen Grausamkeiten gerade denjenigen englischen Phy-
siker anzutreffen, dessen physikalische Hypothesen ich seit
acht Jahren als Rückschritte zum Cartesianismus und zur
Scholastik aufs Heftigste bekämpfe. Ich meine Sir William
Thomson, welcher im Jahre 1876 zu Glasgow im British
Medical Journal (No. 744, pp. 454 — 455) öffentlich erklärte:
„es sei eine Tendenz zur unnöthigen Ausbreitung der Vivi-
section vorhanden" und „es sei seine Ueberzeugung, dass die
Wiederholung von grausamen Experimenten an den niedrigen
Thieren, nur um Studenten das bisher Geleistete zu zeigen,
ganz und gar unnöthig" sei, (altogether unnccessary). In
dieser Ueberzeuoruncr stimme ich auf's Vollkommenste mit Sir
William Thomson überein und betrachte diese Harmonie
als ein schönes Unterpfand für das Band der Einheit und des
Friedens, mit welchem die gemeinsame Förderung wahrer
Humanität und Moral dereinst alle civilisirten Völker des Erd-
balles umschlingen wird. Erfüllt von diesem Ideale beginnen
auch allmälio^ dem weiblichen Geschlechte die Irrthümer und
Gefahren einzuleuchten, welche in der einseitigen Cultur des
Verstandes fiir ihre Mission auf Erden verborgen sind. Schon
werden von deutschen Frauen öffentlich folgende Fragen
aufgeworfen :
„Geht etwa Europa einer, mit einer gewissen Bildung und Aufklärung
überfimissten Barbarei entgegen? oder muss man die traurige Wahrheit
eingestehen, dass unsere sogenannte Gvilisation wirklich sehr fragwürdig
ist, und ihre sehr bedenklichen Schattenseiten hat ? Haben wir in der That
„„des Wissens Gut mit dem Herzen bezahlt?""
„Auf dem grossen internationalen Thierschutz-Congress in London 1874
liess die Königin Victoria einen Antrag stellen, dahin gehend, dass die
Vivisectionen durchaus und unter keinem Verwände mehr zu gestatten
seien, und dass ein Gesetz hierüber gegeben werden möge. Das ist einer
Frau aus germanischem Blute würdig und gemäss gehandelt und contrastirt
— 14 —
vortheilhaft mit den Neigungen und mit dem Verfahren einer anderen,
einst auch einen glänzenden Thron einnehmenden Dame, welche die Stier-
gefechte und Hahnenkärapfe ihres Heimathlandes in Paris einzuführen
wünschte . . . ."
„Auf der Medaille, welche mehrere deutsche Thierschutzvereine den-
jenigen Menschen anerkennend ertheilen, die sich durch eine gutp Behand-
lung, zunächst der Hausthiere, auszeichnen, steht geschriehen : „ „Grausam-
keit gegen die Thiere verhärtet das Herz auch gegen die Menschen" ". . . .
„Dieser so wesentliche Theil menschlicher Gemüthsbildung ist bisher
in Europa unbegreiflicher Weise vernachlässigt worden."
„Die Erreichung des Ideals einer brüderlich einträchtig mit einander
lebenden grossen Menschenfamilie kann nur angebahnt werden, wenn man
die Kinder zum Mitgefühl und zum Mitleid, d. h. zur Theilnahme an
Schmerz und Freude aller andern mitlebenden Wesen erzieht."*)
Die vorstehenden Worte einer deutschen Frau mögen
einen schwachen Beweis von der dankbaren Gesinnung und
dem tiefen Verständniss geben, mit welchem vom deutschen
Volke alle diejenigen grossen Bewegungen dieses Jahrhunderts
ergriffen, und mit Gottes Hülfe zum siegreichen Ausgang
geführt werden, welche zuerst angeregt zu haben das unver-
gängliche Verdienst des englischea Volkes ist und bleiben wird.
Die beiden Attentate auf unseren Kaiser im vorigen
Jahre haben sowohl in den unteren wie oberen Schichten
unseres Volkes einen Abgrund moralischer Verirrung und Er-
krankung beleuchtet, vor dessen Anblick alle Eücksichten im
Kampfe um die edelsten Güter unserer Nation schwinden
müssen. Zunächst muss rücksichtslos die Wahrheit ausge-
sprochen werden, um alsdann die Lüge und Tyrannei,
gleichgültig in welcher Gestalt sie den Fortschritt der Mensch-
heit zu hemmen droht, nachdrücklich und wirksam zu be-
kämpfen. Wolle man in diesem Sinne meinen Kampf gegen
die wissenschaftlichen und moralischen Gebrechen nicht nur
in meinem Vaterlande, sondern auch in England beurtheilen.
Jede Polemik, auch die gerechteste, hat etwas Unsympathi-
sches, wie der Anblick einerSchlachtodereines blutigen Schlacht-
feldes. Denn die Menschheit wird hierbei eindringlich an die
Unvollkommenheiten und Gebrechen ihrer irdischen Daseinsform
*) „Das Verhältniss des Kindes zur Thierwelt". Ein Beitrag zur
(jemüthsbildung von Meta Wellmer. Herausgegeben vom Münchener
Thierschutz -Verein. München 1878. S. 6. 23. 8.
— 15 —
erinnert. Und dennoch ranken sich die edelsten Blüthen des
menschlichen Gemüthes in selbstverleugnender Hingabe des
Theuersten für das Vaterland um die Gräber der gefallenen
Krieger. Die Poesie und Geschichte aller Völker verklärt
diese blutgetränkten Stätten mit ihrem edelsten Hauche und
der wiederkehrende Frühling erblickt dort mit Rosen und
Epheu umrankte Kreuze, wo ein Jahr zuvor die Feldschlacht
tobte. So wird auch dereinst dies literarische Schlachtfeld
der heranwachsenden Generation erscheinen. Sie wird die
moralische Nothwendigkeit des Kampfes einsehen und im
Morgenglanze einer neuen Culturepoche der Menschheit das
Unsympathische meiner Polemik vergessen haben.
Was schliesslich die so viel beklagte Persönlichkeit
meiner Polemik betrifft, so behaupte ich, dass sich allgemein
erkannte intellectuelle und moralische Schäden unserer
Gesellschaft erfolgreich nur in ihren hervorragenden per-
sönlichen Trägem bekämpfen lassen. Bereits vor 8 Jahren
habe ich in der vom 27. December 1871 datirten Vorrede zu
memem Buche „über die Natur der Cometen" (2. Aufl. 1872,
Leipzig bei W. Engelmann) diese Ansicht vertreten, indem
ich daselbst wörtlich erklärte:
„Ich halte solche psychologischenVivisectionen
nicht weniger als die schmerzvolleren physiologischen im
Dienste der Wahrheit und Erkenntniss für moralisch erlaubt
und sogar für geboten, wenn es sich nicht anders
thun lässt, (S. LVUI.) Ich bin mir des hierdurch be-
dingten Unterschiedes meiner Polemik von andern voll-
kommen bewusst; ich weiss, dass ich mir durch sie gerade
einen grossen Theil derjenigen für immer zu unversöhnlichen
Gegnern mache, welche bisher in England sowohl wie in
Deutschland meinen Arbeiten auf physikalischem und astro-
nomischem Gebiete eine wohlwollende und anerkennende
Theilnahme zollten. Ich weiss es, dass eine jede neue
Wahrheit, ehe sie zum fremden Kopfe Zutritt erhält, erst
beim Herzen anfragen muss, ob der Verstand auch zu
sprechen und zum Empfange des neuen Ankömmlings be-
reit sei. Nach der gewöhnlichen Meinung der Menge werde
ich mir daher durch dieses Buch einen ungeheuren Schaden
- 16 —
zufügen, indem ich mir die Engländer verfeinde und i
Deutschland ganze Schaaren erbitterter Gegnelr schaffe.
Um so besser! denn ich werde hierdurch vielleicht
sichersten gegen den Verdacht kleinlicher und eigennützig
Motive geschützt bleiben, welche man meiner Polemik
unterstellen von Herzen gern bereit sein wird ! "
„Mögen aber diejenigen, welche mir von diesem Stand-
punkte aus zu erwidern beabsichtigen, hier das offene Ge-
ständniss empfangen, dass mein Charakter kein händel-
süchtiger, sondern ein durchaus friedfertiger und milder ist
Heute noch kann ich, ohne die geringste Besorgniss vor
einer Widerlegung, mit gutem Gewissen behaupten, dass
ich weder in meinem privaTen noch wissenschalftichen Leben
einen einzigen Menschen als meinen Feind zu bezeichnen
vermöchte, noch einen solchen, welcher mir diesen Namen
auch nur entfernt beizulegen geneigt wäre."
„Ich liebe den Frieden aufrichtig und von ganzer ]
Seele — aber mehr noch die Wahrheit. Ist mir die ;
Wahl gelassen, kleine Wahrheiten für die Gegenwart oder
grössere für die Zukunft zu verkünden, so wähle ich ohne
Bedenken die Letzteren!"
„Sind die Motive, welche mich bei der Conception und
Vollendung dieses Werkes begeistert und geleitet haben,
eigennützige und selbstsüchtige gewesen, so wird es den
Weg vieler Tausende seines Gleichen gehen, die Wissen- '
Schaft wird weder gefördert noch in ihrer Entwickelung
gehemmt werden und meine mir hierdurch geschaffenen
Gegner werden frohlockend über mich triumphiren."
„Sind dagegen Ursprung und Motive meiner Gedanken
und Worte lauter und rein, ist das Gefundene die Wahr-
heit und nicht die Lüge, dann treffen auch dieses Buch
die prophetischen Worte Schiller's:
„Wahrheit, wo rettest du dich hin vor der wüthenden Jagd?
Dich zu fangen, ziehen sie aus mit Netzen und Stangen,
Aher mit Geistestritt schreitest du mitten hindurch!"
„Unerschütterlich lebt in mir der Glaube an eine bevor-
stehende Epoche der deductiven Erkenntniss der Welt, wie
sie schöner, herrlicher und reicher an Harmonien nie zuvor
v^
— 17 —
gesehen worden ist. Deutschland allein ist berufen, der
Träger und Schauplatz dieser Epoche zu werden, denn nur
der germanische Geist birgt in seinen Tiefen jene Fülle
deductiver Bedürfhisse und Pähigkeiten, welche zur erfolg-
reichen Bewältigung des durch die exacten Wissenschaften
aufgespeicherten inducüven Materials erforderlich sind."
Ein Berliner Freund und Fachgenosse, dem ich mein
Buch zugesandt hatte, machte mir Vorwürfe über die in dem-
selben zu stark hervortretende „Germanomanie^. Ich erwiderte
ihm hierauf am 20. März 1872 : i)
„dass es mir absolut unmöglich gewesen wäre, dies
Bach zu schreiben, wenn 1870 — 71 und seine Thaten nicht
existirten. Es hat mir von Anfang bis zu Ende beim
Schreiben dieses Buches eine innige Freude gemacht, in
meinem Kampfe . . ein Nachspiel im Reiche der Geister
zu dem grossen und siegreich vollendeten Kampfe der
Körper zu erblicken. Ich habe diese Analogie im Spiele
meiner Phantasie bis zu einzelnen Schlachten ausgedehnt
und glaubte im Charakter der Angegriffenen und ihrer
Handlungen etwas dem Napoleonismus Verwandtes zu er-
blicken, von dem die Welt zu befreien nur der deutschen
Waffe und der deutschen Zunge beschieden sei. — Wenn
ich früher von begeisterter Liebe zum Vaterlande sprechen
hörte, so klang auch mir das oft phrasenhaft, aber nach
1870 und vollends nach Beendigung meines nicht nur im
Kopfe, sondern auch im Herzen durchlebten Buches
fühle ich mich Eins mit dem Geiste unseres Volkes
und liebe es aufs Innigste. — Völker sind Individuen und
besitzen wie diese ihren moralischen Charakter, der je
nach seiner Beschaffenheit zu durchgreifenden Leistungen,
sei es im Reiche der Wissenschaft oder der Politik, befähigt.
So lange die wissenschaftliche Thätigkeit in geschäftsmässiger
Ansammlung von Material und im Ausbauen kühn von einer
früheren Zeit entworfener Pläne besteht, da mag der
Kosmopolitismus am Platze sein, aber in Zeiten der Con-
ception neuer Ideen ist die Individualität des Volks-
^) Vergl. meinen ausführlichen Brief in »»Wissenschaftliche Abhand-
lungen" Bd. I. S. 717.
2
— 18 —
Charakters von höchster Bedeutung. Das Gefühl diesi
befruchtenden Zusammenhanges lässt sich nicht beschreibe!
sondern nur, wie alle Gefühle, selbst empfinden. Nicfc^zi
ohne Absicht habe ich durch das Motto aus Kepler "^i
Werken ^), welches auf dem Dedicationsblatte steht, auf di €
Analogie im Erwachen dieses Nationalgefühles [anspiele xi
wollen Man findet ganz dieselbe Erscheinung b
allen anderen Schriftstellern aus jener Periode, in welch
sich eine neue Weltanschauung in's Dasein ringt, so daes
man schwerlich das alles als Affeetation und „deutschen
Chauvinismus'^ bezeichnen kann. Es kommt immer darauf
an, in wie weit der Ausdruck adäquat der Empfindung ist."
Als Antwort auf diese Worte erhielt ich bereits am
nächsten Tage einen Brief, der u. A. Folgendes enthält:
„Dein lieber, wanner Brief von heut Morgen hat mir innigst wohl-
gethan. Ich erkenne aus demselben wieder mit herzlicher Pietät den
grossen und edlen Sinn, welcher aus Deinem ganzen Buche spricht, und
ich muss Dir ausdrücklich erklären, dass ich an die segensvoUe Wirkung
Deines Buches, trotz seiner Mängel glaube, und dass ich mit Dir die
Faseleien von Thomson und Tyndall fär erbärmlich und keineswegs
für harmlos, sondern durchaus symptomatisch halte. Dass solche
Dinge bekämpft und mit feierlicher Energie bekämpft werden
müssen, darin bin ich vöUig einverstanden und fühle den lebhaftesten
Dank gegen einen so berufenen Keulenschwinger, wie Du bist" . . .*)
Es freut mich schliesslich, dass ich auch die Gelehrten
des Kladderadatsches bezüglich meiner persönlichen Pole-
mik zu meinen Freunden zählen darf, indem dieselben auf
Hrn. Dr. Lasker, als er hochstehende Gründer im Jahre
1873 persönlich angriff, die folgende Jubel-Hymne compo-
nirten und in ihrem Weltblatt am 13. April 1873 veröffent-
lichten. Es lautet diese Perle aus den hebräischen Melodien
des Kladderadatsches wörtlich wie folgt:
^) Scripsi haec homo Germanus ^ more et libertate Germanica quae quo
major est hoc plusfidei conciliat ingenuitati philosophantium*'*' . Zu deutsch :
„Ich habe dies als deutscher Mann geschrieben, mit deutschem
Geist und Freimuth, welcher ein desto grösseres Vertrauen zur Aufrichtig-
keit der philosophirenden Denker erweckt, je grösser er ist." (Kepler,
Harmonie des Weltalls.)
*) Vgl. „Wissenschaftliche Abhandlungen" Bd. n. 2. S. 975 „Zur
Abwehr."
- 19 -
Unpersönlich.
Wer ruhig leben will, dem gibt der Weise
Den weisen Eath, allzeit den Mund zu halten,
Er müsst' ihn öffnen denn zu Lob und Preise.
Das galt schon als das Beste bei den Alten,
Um sich zu sichern vor Grefahr und Känken
Und vor der Missgunst herrschender Gewalten.
Wer kühner ist, der möge sich beschränken
Zu wandeln auf dem ausgetretnen Pfade
Der milden Phrasen, welche Niemand kränken.
Er spreche, sicher, dass er Keinem schade:
Man müsse dem Bedürfhiss Kechnung tragen
Und nicht das Kind ausschütten mit dem Bade!
Auch dann noch wird er stolz und mit Behagen
Des Lebens Kaum durch wallen, von der Windel
Bis an das Bahrtuch — Niemand wird ihn schlagen.
Wenn aber Einer sich aus dem Gesindel
Herausgreift Einen, ihn dem Volk zu zeigen
Und auszurufen: „Seht! Der macht den Schwindel!*'
Dann wird sogleich, nachdem das erste Schweigen
Des Schrecks gebrochen ist, bis an die Sterne
Ein Lärm sich heben und ein Lästerreigen:
„Hört nur! Er sucht Scandal und hat ihn gerne!
Doch mög' er nicht Gehör zu finden hoffen —
Uns Edlen stehn Persönlichkeiten ferne!"
So rufen alle, die zugleich getroffen
Sich fühlen, wenn die schweren Worte schallen.
Und sich zu Füssen sehn den Abgrund offen.
Dann werfen in die Brust sich die Vasallen
Des Fürsten Gold, die höchst ehrbaren Leute;
Denn Ehrbarkeit ist eigen ihnen Allen!
Und aus gedungnen Blättern kläfft die Meute:
„Stopft ihm den Mund! Verjagt ihn von der Bühne!
Werft ihn uns hin als längst willkommne Beute!"
Dann liest man von Excessen der Tribüne,
Von Redefrechheit, von den bösen Zeichen
Der Zeit und von ernstlich erheischter Sühne.
2*
— 20 ^
Pharisäer, Heuchler ohne Gleichen,
Die ihr nicht kemit Scheu, Kücksicht oder Ehre,
Wenn's gilt gemeinen Vortheil zu erreichen —
Wie zittert in den Händen euch die Scheere!
legt sie hin, dass nicht sie eure Hände
Und, was noch wicht'ger, die Coupons versehre —
Und merkt: Dies ist der Anfang, nicht das Ende!
Zum Beweise, dass auch der Dichter des „Nathan der
Weise", jener Liebling aller Semiten, mit den obigen Worten
des Dichters des Kladderadatsches vollkommen einverstanden
ist und durch meinen „Anti- Götze" einen classischen Beweis
von dem Nutzen einer persönlichen Polemik geliefert hat,
erlaube ich mir hier noch folgende, im Jahre 1778 geschrie-
bene Worte Lessing 's zur Vertheidigung auch meiner per-
sönlichen Polemik anzuführen:
„0 ihr Thoren! Die ihr den Sturmwind gern aus der Natur ver-
bannen möchtet, weil er dort ein Schiff in die Sandbank vergräbt, und
hier ein anderes am felsigen Ufer zerschmettert. — ihrHeuchlerl
Denn wir kennen euch. Nicht um diese unglücklichen Schiffe ist e» euch
zu thun, ihr hättet sie denn versichert ; euch ist lediglich um euer eigenes
Gärtchen zu thun, um eure eigene kleine Bequemlichkeit, kleine Ergötzung.
Der böse Sturmwind! Da hat er euch ein Lusthäuschen abgedeckt; da
die vollen Bäume zu sehr geschüttelt; da eure ganze kostbare Orangerie:
in sieben irdenen Töpfen, umgeworfen. Was geht es euch an, wie viel
Gutes der Sturmwind sonst in der Natur befördert? Könnte er es nicht
auch befördern, ohne eurem Gärtchen zu schaden ? Warum blaset er nicht
bei eurem Zaume vorbei ? oder nimmt die Backen wenigstens weniger voll,
sobald er an euren Gärtchen anlangt?
Wenn Tertullian von denen, die sich zu seiner Zeit an den Ketzereien
so ärgerten, über deren Fortgang so wunderten, sagt : vane et inconsiderate
hoc ipso scandalizaniur , quod tantum haereses valeant, was würde er
von Ihnen sagen, Herr Hauptpastor, der Sie um die papieme Grundlage
einer möglichen Ketzerei so ein Tiärmen anfangen?"
Ueber den wissenschaftlichen Missbrauch
der Vivisection.
,, Bewahre Gott, dass der Mensch, dessen Lehnueisteriii die ganze Natur
ist, ein Wachsklnmpen werden soll, worin ein Professor sein erhabenes
Bildniss abdrückt ''
„Der Mensch ist so perfectibel und cormptibel, dass er aus Vernunft
ein Narr werden kann."
Lichtenberg. (1780.)
AVeiland Kofratli und Frofcssor der Physik
an der UnivercitlCt in ti-Uttingon.
(VermiKclite Schriften I. 2U. 217.)
Im „Leipziger Tageblatt" vom 29. November 1879
(1. Beilage) befindet sich ein umfangreicher anonymer Auf-
satz mit der Ueberschrift „Zur Vivisectionsfrage".
Derselbe beginnt mit folgenden Worten:
„Es ist eine merkwürdige Bewegung, von welcher gegenwärtig in
ganz Deutschland fast allein Sachsen und besonders Leipzig und
Dresden ergriffen sind „„Die Wissenschaft niuss umkehren"",
so lautet die Losung. Und wer sind die Kichter, welche dieses Urthoil
gefallt imd damit diesen sonderbaren Feldzug eröfihet haben ? Vermuthlich
doch Männer, welche der gleichen Wissenschaft ein ernstes Studium ge-
widmet, ihr neue Bahnen eröffnet haben, auf welchen sie fruchtbringend
fortschreitet; venuuthlich doch Kenner und Sachverständige desselben
Gebietes? Weit gefehlt, lieber Leser; du glaubst, um über eine Sache zu
reden, müsse man doch Etwas davon verstehen, oder es werde wenigstens
der ünkimdige nicht gehört werden. Welche naive Vorstellung! Als ob
es auf etwas Anderes ankäme, als Lärm zu schlagen! Die Leute,
welche durch Beruf und Kenntnisse in erster Linie zu einem Urtheil
befähigt erscheinen, stehen ja alle auf der angegriffenen Seite ; Deutschlands
medicinische Facultäten, eine Zahl von nicht weniger als 7000 Aerzten
haben sich ja entschieden für die Vivisection ausgesprochen."
Da ich mich, wie bekannt, bereits seit fast zwei Jahren
in voller Uebereinstimmung mit Herrn Ernst von Webe r^)
entschieden gegen die Freiheit der Vivisection in ihrem bis-
herigen Umfange als Lehrgegenstand an unseren Universi-
*) Die Folterkammern der Wissenschaft. Eine Sammlung von Tliat-
sachen für das Laienpublicum von Ernst von Weber. Berlin und
Leipzig. (Hugo Voigt.) 1879. (6., sehr vermehrte Stereotyp -Auflage.)
— 22 —
täten öffentlich ausgesprochen habe^), so halte ich mi
durch meine amtliche und wissenschaftliche Stellung an d
Universität Leipzig für berechtigt und verpflichtet, gegen den
obigen Vorwurf, über eine Angelegenheit geurtheilt zu haben^
von welcher ich „durch Beruf und Kenntnisse" nicht ,^zü
einem Urtheil befähigt sei", öffentlich zu protestiren.
Da die moderne Physiologie bekanntlich den thierischen
Organismus nur als eine sehr complicirte „Maschine" be-
trachtet*^), in welcher nur ganz dieselben physikalischen und
chemischen Kräfte wirksam sind, welche die Veränderungen
der unorganjischen Natur nach mechanischen Gesetzen
beherrschen, so sieht auch jeder Laie ein, dass ein modemer
Physiologe zunächst ein tüchtiger Physiker und
Chemiker sein muss, bevor er mit Hülfe der Vivisec-
tion erfolgreich Aufschluss über den physikalischen Zu-
sammenhang von Lebenseröcheinungen im thierischen Orga-
nismus erhalten kann. Geht also ein physikalisch un-
genügend vorbereiteter Physiologe oder Mediciner an eine
Vivisection, so wird er sich zwar stets subjectiv für
einen hinreichend gebildeten Physiker halten, und 'daher an
die Vivisection als „eine in ganz bestimmter Absicht
ausgeführte Operation gehen, welche mit Hülfe sich
daran schliessender physikalischer und chemischer Unter-
suchungen über die Function eines bestimmten Organs Auf-
schluss gibt".^) Keinem verständigen Menschen ist es je ein-
gefallen, die Vivisection als ein plan- und zielloses Zer-
schneiden und Zerstören eines lebenden Thieres aufzufassen;
es wäre dies eine ebenso grosse Absurdität, als wollte man
einem Anatomen zutrauen, er zerschnitte die menschlichen
Cadaver plan- und ziellos. Sollte indessen jemals eine
Vergl. „Wissenschaftliche Abhandlungen", Bd. IL Tbl 2. S. 1111:
„Ueber die Freiheit der Wissenschaft und die Nothwendigkeit einer sitt^
liehen Wiedergeburt des deutschen Geistes".
*) „Man kann doch eine Maschine nicht repariren, ohne das Inein-
andergreifen der Theüe und die Bedeutung des gerade schadhaft gewordenen
Stückes zu kennen", bemerkt der anonyme Vertheidiger der Vivisection im
Jjeipziger Tageblatt.
•) Vergl. den oben citirten Aufsatz im Leipziger Tageblatt.
f
— 23 —
solche Anschauung über die Anatomie öffentlich im Publi-
cnm verbreitet werden, so würden jedenfalls unsere berühmten
Leipziger Anatomen, Professor H i s und Professor Braune,
eine derartige Insinuation als eine Beleidigung betrachten und
sich im Interesse ihrer wissenschaftlichen Stellung für ver-
pflichtet halten, öffentlich solche, im Publicum von Un-
berufenen verbreiteten, Anschauungen über den Zweck und
die Aufgabe der Anatomie zu berichtigen.' Dennoch hat
sich der anonyme Verfasser des oben erwähnten Artikels einer
solchen Verbreitung von Irrthümern im Volke schuldig ge-
macht, denn er behauptet wörtlich:
„Die Vivisection ist nicht, wie leider vielfach geglauht wird, ein plan-
\md zielloses Zerschneiden und Zerstören, eine Zergliederung des lehendeii
Thieres, wie es an Leichen zur Erforschung anatomischer Ver-
hältnisse geschieht; sie ist vielmehr eine in ganz bestimmter Absicht
ausgeführte Operation, welche mit Hülfe sich daran schliessender physi-
kalischer und chemischer üntersuchimgen über die Fimction eines be-
stimmten Organes Aufschluss gibt."
Offenbar haben auch die Alchymisten Jahrhunderte lang
bei ihren Bestrebungen, aus unedlen Metallen Gold zu machen,
„in ganz bestimmter Absicht ausgeführte Opera-
tionen" vorgenommen, und sind hierbei durchaus nicht
„plan- und ziellos" zu Werke gegangen. ^) Allein die gänz-
liche Nutzlosigkeit ihrer zahllosen Opfer an Zeit und Geld
brachte ihnen erst eine fortgeschrittene Erkenntniss in der
Physik und Chemie zum Bewusstsein, so dass heute,
trotz der Freiheit der Wissenschaft, jeder deutsche Cultus-
minister sofort ein chemisches Universitätslaboratorium schliessen
und den Director desselben pensioniren würde, sobald sich be-
weisen Hesse, dass in jenem Laboratorium statt moderner
Chemie mittelalterliche Alchymie getrieben würde.
Hätten nun aber die Alchymisten vom Standpunkte ihrer
damaligen beschränkten physikalischen Erkenntniss zur
Förderung ihrer „wissenschaftlichen" Untersuchungen z. B.
das Herzblut lebendig zu Tode gequälter Thiere „theoretisch"
und „wissenschaftlich" für noth wendig gehalten, so würden
bereits damals die deutschen Universitäten „unter Controle
Vergl. Kopp, Creschichte der Chemie. Bd. II. S. 261
— 24. —
des Staates*^ mit Vivisections -Anstalten ausgestattet worden
sein, was um so weniger zweifelhaft erscheint, als damals
noch ohne Verletzung der öffentlichen Moral Menschen ge-
foltert und ,,zur Ehre Gottes'^ als Ketzer verbrannt werden
konnten^ Vom Standpunkte unserer heutigen fortgeschrittenen
physikalischen Erkenntniss würde alsdann „der moderne Staat^'
mitleidig auf die Finstemiss und Barbarei des Mittelalters
herabblicken und nicht begreifen können, wie Jahrhunderte
hindurch naturwissenschaftlich geschulte Männer an Him-
gespinnsten arbeiten und Werke betreiben konnten, die ohne
Sinn und Bedeutung sind, etwa aus Lust an der Thierquälerei
oder in purer thörichter Verkennung der wissenschaftlichen
Aufgaben. Diese Betrachtung wird eine ausreichende und
hoffentlich auch deutliche Antwort auf die folgende Frage
des anonymen Literaten im Leipziger Tageblatt (29. Nov. 1879)
sein, durch welche er die moderne Vivisection zu ver-
theldigen versucht:
„Sollen wir überhaupt es glaublich finden, dass viele Jahrzehnte hindurch
80 viele naturwissenschaftlich geschulte Männer an Hirngespinnsten arbeiten,
Werke betreiben, die ohne Sinn und Bedeutung sind, etwa aus Lust an
der Thierquälerei, oder in purer thörichter Verkennung der wissenschaft-
lichen Aufgaben? Es klingt zu abenteuerlich, um glaublich zu sein/^
Um dem anonymen Vertheidiger der Vivisection zunächst
hinsichtlich der „Lust" und des „Genusses", welchen „der
echte Vivisector" empfindet, Aidldärung zu verschaffen, er-
laube ich mir ihm folgende Worte einer Schrift zu citiren,
deren Verfasser einer der talentvollsten Zöglinge des Leipziger
physiologischen Vivisectoriums ist. Der Titel derselben lautet:
„Methodik der physiologischen Experimente und Vivisectionen
von E. Cyon." (Giessen und Petersburg beiEicker, 1876)
und trägt die Widmung:
„Seinem Lehrer und Freunde Carl Ludwig in Dankbarkeit und
Verehrung zugeeignet vom Verfasser".
„Der mr den letzten Theil erforderliche Atlas ist, Dank der gütigen
Willtahrigkeit des Herrn Professor Helm holt z, welcher dazu einen Theil
der Cliches aus seiner physiologischen Optik überlassen hat, schon der
Vollendung nahe . . . Die Abbildungen und die Beschreibungen der Appa-
rate sind so gehalten, dass sie auch von Nicht-Physiologen^) ohne
Schwierigkeiten benutzt werden können."
Was soll hier unter „Nicht -Physiologe" verstanden werden? Etwa
ein „Dr. Med.", der weder von Physiologie noch Physik Etwas versteht»
-- 25 —
Herr Professor Cyon, der, beiläufig bemerkt, ebenso wie
sein College Professor Hugo Kronecker (Assistent für
Yivisection am Berliner physiologischen Institut) auf den Rath
seines Lehrers Ludwig ein Colleg über mathematische Physik
bei mir gehört hat, spricht sich nun in jenem oben erwähnten
Werke für Studirende der Medicin und „Nicht-Physiologen"
auf S. 15 wörtlich wie folgt über die „freudige Auf-
regung" und den „höchsten Genuss des echten Vivi-
sectors" aus:
, J3er echte Vi\isector muss an eine Kchwierige Yivisection mit derselben
freudigen Aufregung, mit demselben Genüsse treten, wie der Chirurg an
eine schwierige Operation, von der er ausserordentlichen Erfolg erwartet.
Wer vor dem Seciren eines lebenden Thieres zurückscheucht, wer zu einer
Yiyisection wie zu einer unangenehmen Nothwendigkeit schreitet, der wird
wohl die eine oder die andere Yivisection wiederholen können, aber nie
ein Künstler im Yiviseciren werden. Wer nicht mit freudiger Spannung
stondenlang irgend einen feinen, kaum mit blossem Auge sichtbaren Nerven-
faden in die Tiefe, womöglich noch bis zu einer neuen Yerzweigung zu
verfolgen vermag, wer keinen Genuss empfindot, weim er ihn endlich, von
den Nachbartheilen getrermt und isolirt, der elektrischen Koizung untere
werfen kann, oder wenn er in einer tiefen Höhle, nur von dem Tastgefühle
der Fingerspitzen geleitet, ein ganz unsichtbares Gefäss unterbindet und
durchschneidet, dem fehlt das Nothwendigste zum erfolgreichen Yivi§ßctor.
Die Freude über die überwundenen, früher für unüberwind-
lich gehaltenen technischen Schwierigkeiten — bietet
immer einen der höchsten Genüsse des Yivisectors. Und das
Gefühl, welches der Physiologe empfindet, wenn er aus einer unheimlich
aussehenden, mit Blut und zerstörtem Gewebe gefüllten Wunde irgend
einen feinen Nervenzweig hervorholt und durch Erregung eine Function
ins Leben ruft, die schon erloschen war, — diese Empfindung hat Yieles
mit derjenigen gemein, welche den Bildhauer beseelt, wenn er aus einer
Uligeformten Marmormasse schöne lebendige Formen herausbildet. „Le
physiologüte^* sagt einer der ersten Yivisectoren , Claude Bernard,
in seiner „Indroductian ä Vetude de la medicine exphnmentaW' p. 180,
„A'e»£ pas un homnie du monde c'^est un savarU, c'est un komme gut est
aam et ahaorhe par wie Idie scieiUißque qu'il poursuit: iL n'entend plus
les cris des animaux, ü ne voit plus le saug qui coule, ü ne voit gue son
id^e et n^aperroit que des organismes qui lui cachent les probUtmes qu'ü
veut decouvrir. "
trotzdem aber das Doctor- Diplom besitzt, um in öfifentlichen Blättern
anzuzeigen: „Dr. med. Meyer heilt brieflich — geheime Krankheiten?"
— 26 —
Die letzten Wort« lauten auf Deutsch: „Der Physiologe ist nicht ein
gewöhnlicher Mensch, er ist ein Gelehrter, ein Mensch, der von einer
wissenschaftlichen Idee ergrijffen und vollständig von ihr absorbirt ist; er
hört nicht mehr das Schmerzensgeschrei der Thiere, er
sieht nicht mehr das Blut, welches vergossen wird, — er
sieht nichts weiter als seine Idee und Organismen, welche
ihm die Probleme verbergen, die er entdecken will." (S. 15.)
„Der Arzt, welcher mit Abscheu von der Thierquälerei bei physiolo-
gischen Versuchen spricht, möge sich nur erinnern, wie oft er den Kranken
höchst widerwärtige und nicht immer gefahrlose Mittel verschrieben, um
über deren Wirkung irgend welche Aufschlüsse zu erhalten.
Gar manche chirurgische Operation wird weniger zum Heile
des Kranken (!) als zum Nutzen der Wissenschaft vorge-
nommen, und nicht selten ist der so erzielte Nutzen viel winziger als
der durch eine am Thiere ausgeführte Vivisection gewonnene." (S. 8.)
„Von Hunden sind einfache Hof- und Schäferhunde, Buldoggen und
Pudel die vorzüglichsten für Vivisectionen." (S. 28.)
„„Die anorganische Physik"", sagt du Bois-Keymond, „„ver-
schmäht es nicht, sich mit den besten Vorschriften zur Verfertigung ihrer
Beobachtungswerkzeuge, Thermometer, Barometer etc. bis ins Einzelnste
zu befassen; ich halte es daher nicht unter der Würde der organischen
Physik, sich über das Verfahren Aufschluss zu verschajBTen, wie ihr abso-
lutes Organ der Frosch ... am leichtesten und besten, trotz dem Wechsel
der Jahreszeiten, das ganze Jahr hindurch in hinreichender Menge und
tauglichem Zustande zu erhalten sei." (S. 28.)
Der anonyme Freund und Vertheidiger der Vivisection
im Leipziger Tageblatt (29. Nov. 1879) wird aus den vor-
stehenden Worten meines ehemaligen Schülers ersehen, dass
heutzutage sogar dasjenige, was „zu abenteuerlich klingt, um
glaublich zu sein", volle und unzweifelhafte Wahr-
heit ist. Uebrigens ist Herr Professor Cyon schon seit
Jahren von der russischen Regierung unter sympathischer
Zustimmung der Studenten seiner Stellung an der „medicini-
schen Akademie** in Petersburg entsetzt Was die eigentliche
Veranlassung zu dieser Massregel des russischen Ministeriums
gewesen ist, vermag ich nicht anzugeben. Herr Professor
Cyon deutet dieselbe nur unbestimmt mit folgenden Worten
in seiner Vorrede (1876) an:
„Die widerwärtigen, von unsauberen Leidenschaften und blindem Fana-
tismus vorbereitet<?n Ereignisse, die sieli unlängst in dieser Akademie ab-
— 27 —
gespelt hab/T, Terhinderten mich daran, viele der getroffenen Einrichtungen
dieser Anstalt im Interesse dieses Werkes zu verwerthen."
Da Herr Cyon ein Israelit^) ist, so klingen diese Worte
fast so, als ob eine Demonstration aus confessionellen Motiven
^) Ob inzwischen, wie bei Hm. Professor Hugo K'ronecker, die
christliche Taufe stattgefunden hat, vermag ich nicht anzugeben. Dass
jedoch damals, vor etwa 12 Jahren, Hr. Ludwig in seinem Vivisectorium
die Juden wegen ihrer vorzüglichen Geistes- und Charaktereigenschaften
besonders schätzte, geht aus seinen Aeusserungen zu ilini nahe stehenden
Personen hervor, dass bei Anmeldungen junger Mediciner f(ir Arbeiten
im physiologischen Institut ihre Eigenschaft als Jude von vornherein
als Empfehlung betrachtet wurde. Ich würde diese scheinbar indiscrete
Mittheilung gar nicht machen, wenn nicht gegenwärtig bei Hrn. Lud-
wig die erwähnte Sympathie für die Juden in ihr Ge gentheil umge-
schlagen wäre, so dass dies bereits einigen Studenten aufgefallen und Be-
merkungen über confessionelle Bevorzugung christlicher Elemente herbei-
geführt hätte. Ich hoffe doch, dass mein College Lud w ig sich nicht durch
das verleumderisch als „Judenhatz" bezeichnete Erwachen des deutschen
Genius hat anstecken lassen und nur aus Opportunitätsgründen
gegenwärtig Antipathien gegen die Juden zur Schau trägt? —
Oder sollte er sich durch Herrn Professor Hein rieh von Treitschke
haben bekehren lassen, der seinen Anschauungen über die Judenfrage in
den ,J*reussischen Jahrbüchern" durch folgende Worte Ausdruck verleiht:
„Was jüdische Journalisten in Schmähungen und Witzeleien gegen
das Christenthum leisten, ist schlechthin empörend, und solche Lästerungen
werden unserem Volke in seiner Sprache als allerneuestc Errungenschaften
„deutscher" Aufklärung feil geboten! Täuschen wir uns nicht: die
Bewegung ist sehr tief und stark . . . Bis in die Kjeise der höchsten
Bildung hinauf, unter Männern, die jeden Gedanken kirchlicher Unduld-
samkeit oder nationalen Hochmuthes mit Abscheu von sieh weisen würden,
ertönt es heut wie aus einem Munde: die Juden sind unser Unglück!"
(VergL Post v. 29. Nov. 1879.)
Dass die russischen Nihilisten gute Psycliologen sind, indem sie wissen,
dass nationale Charakterfehler in Zeiten der sittlichen Corruption am
stärksten hervortreten (dass sich z. B. der Deutsche, wenn er sich einmal
stark betrinkt, tiefer zum Vieh herabsinkt als der Jude, dass aber dieser,
wenn er einmal das Schamgefühl abgestreift hat, schamloser als jeder
andere zur kaukasischen Ka9e gehörige Mensch werden kann) — das
wissen die russischen Nihilisten und wenden sich daher mit ihrer Agitation
vorzugsweise an das „jüdische Proletariat" und an jüdische Vivisectoren.
(Vgl. den ausführlichen Nachweis dieser Behauptung in der Vorrede zum
m. Bande meiner „Wissenschaftlichen Abhandlungen". S. LX.)
Bereits Schopenhauer (Parerga H. S. 2 SO) spricht über:
- 28 —
stattgefunden habe. Indessen halte ich hierzu die russischen
Studenten für viel zu aufgeklärt und tolerant und glaube
daher, dass sich bei ihnen lediglich eine sittliche Indignation
in Folge der obigen Aeusserung über „die höchsten Genüsse
des Vivisectors" practisch Befriedigung verschafft hat.
Unter der Annahme, dass diese Conjectur richtig sei,
werden sich dann auch die deutschen Studenten und alle
„Nicht-Physiologen", zu denen ja alle Gegner der Vivi-
section gehören, nicht an sittlichem Zart- und Schamgefühl
von russischen Studenten der Medicin übertreffen lassen wollen.
Sie werden daher durch Massenpetitionen den deutschen Eeichs«
tag um Erlass eines Gesetzes zur Aufhebung der Vivi-
section an den deutschen Universitäten ersuchen und gleich-
zeitig bemüht sein, ein Verbot medicinischer Schriften zu
bewirken, welche, wie die obige von Professor Cyon, ge-
eignet sind, sowohl bei „Nicht -Physiologen" als auch bei
unsem jungen Medicinern die Wollust der Grausamkeit
zu fordern und hierdurch den Boden vorzubereiten, auf dem
sich bei geeigneter Disposition Majestätsverbrecher und
Kaiser-Attentäter^) entwickeln.
Vivisectoren gegenüber, die, >vie die Herren E. du Bois-
Beymond in Berlin und C. Ludwig in Leipzig, nebst ihren
Assistenten Kronecker und Chris tiani, durch unwissen-
schaftliche und moralisch verletzende Demonstra-
tionen gegen verdiente und würdige deutsche Physiker, wie
Fechner und Wilhelm Weber, thatsächlich bewiesen
haben, dass ihnen wissenschaftlich und moralisch das
Verständniss für den Begriff der „Freiheit der Wissen-
schaft" abhanden gekommen ist, haben formell und mate-
riell all' und jedes Recht verloren, sich über eine Beschränkung
ihrer sogenannten „Freiheit der Wissenschaft" von „Oben"
„die dem Nationalcharakter der Juden anhängenden, bekannten
Fehler, worunter eine wundersame Abwesenheit alles dessen, was das
Wort verecundia ausdrückt, das hervorstechendste, wenn gleich ein
Mangel ist, der in der Welt besser weiter hilft, als vielleicht irgend eine
positive Eigenschaft".
*) Vgl. Ausführliches hierüber in der Vorrede zum dritten Bande der
„Wissenschaftlichen Abhandlungen".
— 29 —
zu beschweren. Unbekümmert um derartige Phrasen werden
die deutschen Begierungen verständnissvoll dem Impulse der
sittlich bewegten öffentlichen Meinung nachgeben und durch-
greifende und practische Massregeln zur Beseitigung einer
QueUe sittlicher Verirrungen für die heranwachsende akade-
mische Jugend sobald als möglich in Berathung ziehen.
Um nun aber dem deutschen Volke und seinen Pro-
fessoren zu beweisen, dass sie durch solche Kampfesmittel
und durch solche Sucht, alles zu bespötteln und zu verwirren,
den russischen Nihilismus vorbereiten helfen, sei es mir
gestattet, wörtlich einige Stellen aus einer kürzlich in Berlin
(B. Behr's Buchhandlung, 3. Unter den Linden, 1879) er-
schienenen kleinen Schrift anzuführen, betitelt: „Die Entwicke-
lung des 'Nihilismus, von Nicolai Karlowitsch". Der
Verfasser bemerkt dort S. 22 u. 23 zunächst Folgendes:
„Jeder Leser wird sich das mit Leichtigkeit vorstellen, wie die fort-
gesetzte und in unbegreiflicher Weise geduldete Tadel-Manie
auf die verwahrloste Intelligenz vieler junger Leute erst
wirken musste." (S. 24.)
„Um sich populär zu machen, Hessen die Professoren in Masse die
Aufiiahme so schlecht vorbereiteter junger Leute zu , welche in ihren
Studien daher gar nicht vorwärts kommen konnten. Die Ueberfluthung
mit arbeitsunfähigen Studenten, die eigentlich nur als Stipendien-Empfänger
und als Krawaller gegen die Obrigkeit, von welcher sie die Stipendien
empfingen, «ich geltend machten, — dauerte noch bis in die letzte Zeit
fort, obwohl Golowin's Nachfolger, Graf Tolstoi, den Classicismus
wieder zu allgemeiner Geltung zu bringen bemüht ist." (S. 23.)
„Unter dem Kaiser Nicolaus L und in der ersten Zeit unter Alexan-
der n. hat man mit Ausnahme des Dorpater lichrbezirkes (wo der
Classicismus fortwährend absolute Geltimg behalten) und einiger Gym-
nasien des Petersburger Lehrbezirkes in den alten Sprachen in der Eegel
nicht viel geleistet." (S. 22.)
„Die Naturwissenschaften als ebenbürtige Grundlage der G^nmasial-
bildung — das war so recht dasjenige, was die naseweise und zugleich
lemscheue Jugend in Kussland brauchte, es war Wasser auf die Mühle
der Aeltem, welche in den Jungen, die nichts lernten, aber Alles „„besser
als die grössten Gelehrten"" verstanden, das non plus ultra von Genia-
lität sahen. Die imabgerundeten , ewig wechselnden Theorien, dazu die
Aper^u's von Büchner in „Kraft und Stoff", das Bekanntwerden dos
Darwinismus — das war Alles den Jungen hochwillkommen, welche ihren
Tschernyschewski gelesen hatten. Sofort riss man sogar Virehow
— So-
und du Bois-Beymond als „Autoritätsgläubige'' und „Inconsequente^*
herunter, wie alle Gelehrten, welche das nicht acceptirten, was die Tscher-
nyschewski-Gläubigen als „letztes Wort der Wissenschaft" benannten."
(S. 23.)
Angenommen nun, imsere beiden deutschen- Vivisectoren j
Ludwig und E. du Bois-Reymond litten an jener „Tadel-
Manie*^ in solchem Maasse, dass sie sich zuweilen sogar in
ihrer „Verstandes- Verdunkelung" bis zu verletzenden Bemer-
kungen über die von allen Deutschen ohne Unterschied der
Parteien und Confessionen verehrte Person des deutschen
Kaisers verirrten — ich sage, gesetzt dieser Fall träte ein,
vielleicht in Gegenwart russischer oder deutscher Studenten
am Vivisecirtisch — unter jungen Leuten, bei denen, ähnlich
wie es uns Professor C y o n in seinen obigen Worten verrathen
hat, der Anblick eines gemarterten Thieres die Wollust der
Grausamkeit erweckt, die dann ihr unentwickeltes Sittlichkeits-
gefühl irrthümlich mit dem freudigen Gefühl einer erfolg-
reichen wissenschaftlichen Thätigkeit verwechselt, — ich
sage, gesetzt diese Fälle träten aus dem Bereich der Mög-
lichkeit in das der schrecklichen Wirklichkeit, — mit
welchen Gründen will man mich widerlegen, wenn ich im
vorigen Jahre, am Schlüsse des zweiten Bandes meiner „Wis-
senschaftlichen Abhandlungen" S. 1156 offen erklärte, ich sei
von der moralischen und wissenschaftlichen Nothwendigkeit
der gesetzlichen Aufhebung der Vivisection in Deutschland als
Unterrichtsgegenstand an unseren Universitäten so fest über-
zeugt, „da SS ich im Falle des Fortbestehens der Vivi-
section als Lehrgegenstand an unsern Universitä- •
ten den dritten Attentäter aus einem deutschen
Vivisectorium entspriessen sehe?" Diese Worte waren
unmittelbar unter dem erschütternden Eindruck des zweiten
Attentates von Dr. Nobiling auf unsern Kaiser niederge-
schrieben. Heute, nach anderthalb Jahren, schreibe ich diese
Worte unter dem Eindrucke des soeben erfolgten und von der
göttlichen Vorsehung gleichfalls vereitelten Attentates auf den
Kaiser Alexander, dem Neffen unseres Kaisers. Ich
würde es für überflüssig geh<en haben, meine Worte
hier noch einmal und ausführlicher zu begründen, wenn ich
— 31 —
hierzu nicht von memem CoUegen Heidenhain ^) in Breslau
öffentlich provocirt worden wäre. Derselbe bemerkt näm-
Uch auf S. 50 seiner unten citirten Schrift wörtlich:
„Einer der Herren sieht sogar aus den physiologischen Instituten
schon den dritten Kaiser -Mörder hervorgehen!'*
Ich erlaube mir, mich als diesen „einen Herren" öffent-
lich hier vorzustellen, und möchte meinen mir persönlich gänz-
lich unbekannten Herren Collegen in Breslau dringend er-
suchen, mich nicht weiter zu provociren. Ich spreche diese
Bitte ausschliesslich nur im Interesse seiner Freunde und Fach-
genossen aus, und bitte ihn und alle diejenigen meiner Col-
legen, welche sich mit mir in einen Kampf einlassen wollen,
zunächst meine Abhandlungen recht gründlich zu lesen,
da ich niemals Behauptungen ausspreche, die ich nicht zu be-
weisen im Stande bin und deren Argumente ich wenigstens
in meinen Abhandlungen bereits angedeutet habe. Was
meinen Blick in die Zukunft betrifft, so kann ich meinem Col-
legen die Versicherung geben, dass ich bereits vor 8 Jahren
bei Abfassung meines Cometenbuches Dinge vorausgesehen
habe, die erst jetzt, aber mit für mich selber überraschender
Genauigkeit, eingetroflfen sind. Ich verdanke diese Fähigkeit
. nur dem mir von Gott verliehenen Verstände, nicht etwa
einer besonderen Seher- oder Prophetengabe, wie ein kleiner
liebenswürdiger Freund und Dilettant von mir vermuthet.^)
Wenn übrigens Hr. Professor Heidenhain die Vivisec-
tion als „Dienerin der Medicin" dem grossen Publicum gegen-
über vertheidigen will, so wird er hiermit bei den wirklichen
wissenschaftlichen Vivisectoren , die wie Hr. Professor
Cyon „den höchsten Genuss des Vivisectors in der Ueber-
^) „Die Vivisoction im Dienste der Heilkunde. Von Dr. Kudolf
Heidenhain, ordentlichem Professor der Physiologie und Director des
physiologischen Institutes an der Universität Breslau." Leipzig, Breit-
kopf & Härtel, 1879.
*) Vgl. „lichthilder nach der Natur. Studien und Skizzen von
Hermann W. Vogel". Berlin 1879. Hof mann & Comp. S. 222. „So-
mit scheint sich Zöllner als Prophet zu fühlen." Es befindet sich in
diesem interessanten Schriftchen auch ein sehr empfehlenswerther Aufsatz
„über Dilettantismus". Dass mein Freund Vogel, Professor der Photo-
chemie an der Gewerbe-Akademie in Berlin, auf dem Gebiete des Spiritisnms
- 32 —
Windung technischer Schwierigkeiten" finden, wenig C
machen. Denn auch Professor L. H e r m a n n , der Vivis
in Zürich, welcher in seiner Schrift: „Die Vivisectionsf
Für das grössere Publikum beleuchtet" (Leipzig 1877),
entschieden für die Beibehaltung der Vivisection in i
vollsten Umfange eintritt, macht es gerade den Englär
zum Vorwurfe, dass bei ihnen die Physiologie
„bis vor Kurzem . . . durchaus als Dienerin der Medicin betrj
wurde. Erst neuerdings hat sich auch dort die deutsche ÄJischj
Bahn gebrochen, dass die Ph3^8iologie eine selbständige Naturwissem
ist, wie die Physik und die Chemie, die das Leben erforscht, u
kümmert darum, ob ihre Ergebnisse unmittelbar, und ol
überhaupt die Heilkunst fördern, obwohl letzteres schliesslich
immer der Fall sein wird." (S. 41 a. a. 0.)
Jedenfalls scheinen also zwischen den beiden Viviseci
Heidenhain in Breslau und Hermann in Zürich
ganz übereinstimmende Ansichten über die Nothwendigkei
Fortbestehens der Vivisection in ihrem bisherigen Um!
zu existiren. Was könnten doch diese Herren von dem ]
netiseur Hrn. Professor Carl Hansen lernen, und mit
chem Abscheu wird man nach 10 Jahren auf die „Verdi
lung des Verstandes" unserer heutigen Vivisectoren h<
blicken, die sie zu so herzlosen „Opfern der Wissensc!
macht und ihnen so widersinnige Worte*) wie die folge
als Antwort auf wahrhaft humane Regungen und Bestrebu
im Volke in die Feder dictiren konnte. Hr. Ludwig fr
„Woher mag es nun kommen, dass trotz des offenkundigen &
welchen unsere Anstalten dem Wohle des Kranken und der sittlichen
des Arztes bereiten, sich gerade aus den höchsten Kegionen der m<
liehen Gesellschaft die Anklage gegen sie erhebt?"
und Magnetismus ein kleiner Dilettant ist und daher eigentlich nicht
darüber schreiben sollen, wird ihm vielleicht der 3. Band meiner Ab
hingen beweisen, den er inzwischen gelesen hat. Ucbrigens bedanke icl
bestens für das freundliche Compliment, welches mir S. 213 in folg
Worten gemacht wird, die ich bereits oben freundlichst erwidert
„Wer den liebenswürdigen Charakter, den Zöllner im Umgange
aus eigener Erfahrung kennt . . . ."
^) „Die wissenschaftliche Thätigkeit in den physiologischen Insti
Vortrag gehalten im Kaufmännischen Vereine zu Leipzig am 27. März
von C. Ludwig. — Separatabdruck aus der Wochenschrift: „Im
Keich*' 1879. No. 14. S. 15.
w:
: ö
I
Di-
— 33 —
Hr. Ludwig antwortet:
„Gewiss nur, weil aus dem Wohlleben, welches der ererbte Reiciithum
gross zieht und aus der Noth, die mit dem täglichen Bedürfniss kämpft,
^ie gleiche Verdunkelung des Verstandes erwächst. Denn reichen
nicht der Bischof und der Nabob, die über den massigen Schmerz des
Thieres das unabsehbare Leid der Menschheit vergessen, dem Socialisten die
Hand, welcher in dem Vertheidiger des Vaterlandes nur den Mörder sieht?"
„Wenn dieses richtig, wenn aus der Stönmg des Gleichgewichtes in
den seelischen Kräften, wenn das Uebermass an Empfindsamkeit und der
Mangel an ruhiger Erwägung den Boden bilden, auf welchem die Angriffe
gegen die Vivisection erwachsen sind, so ist nicht zu fürchten, dass sie
in Deutschland festen Fuss fassen. "
Ich antworte meinem Collegen Ludwig und allen mit
gleichen Argumenten für die Vivisection eintretenden „Män-
nern der Wissenschaft" mit einem Citat aus der bereits oben
erwähnten Schrift : „Die Entwickelung des Nihilismus". Das-
selbe lautet wörtlich:
„Wie und womit sollte man auf einen Menschern wirken, der Hinmiel
tmd Hölle, Pflichtgefühl, Anstand \md2?om«ff7ionw«?ir nicht anerkennt? (S. 58.)
„Wie oft kommt in den Nihilisten -Processen die Thatsache zur Er-
wähnung: der junge Mann oder die junge Dame hat eine Zeit lang die
Universität, die medico- chirurgische Akademie hesucht — aber den Cursus
nicht vollendet. Auch dieSassulitsch hatte mehreres zu lernen begonnen
aber nichts zu Ende gelernt." (S. 40.)
„Im Jahre 1873 forderte die nissisclie Kegiorung aus bekannten Gründen
tue Entfernung der russischen Studentinnen aus Zürich. " (S. 32.)
„Die Professoren der Universitäten und der ihnen gleich geachteten
Anstalten stehen in Eussland auf einer ziemlich hohen Stufe der Kangtabelle."
„Um sich aber populär zu machon, hat eine grosso Mehrheit von ihnen
m dem Buhlen um die Gunst derjenigen Studenten, die die grössten Schreier
Traren, sich gegenseitig formlich überboten. Man wetteiferte miteinander,
nm ungenügend vorbereitete junge Leute zum Studiren zuzulassen — denn
das war freisinnig; man wetteiferte miteinander, um in die internen
Cabalen des Professorenthums die Studenten als Ausschlag gebende Factoren
hineinzuziehen." (S. 39, 40.)
„Natürlich darf es nicht so fortgehen, dass das treue Festhalten
an Thron und Altar in den Salons ungestraft lächerlich
«remacht wird, oder dass man aus Frivolität mit Vorliebe
eine Regierung bespöttelt, welche stets das Beste ihrer
Unterthanen gewollt und welche bei allen Mängeln, die in
der officiellen Welt vorgekommen, doch in Eussland die
einzigen leistungsfähigen Elemente in sich begreift."
Wenn diese hier geechilderten Verhältnisse zum Theil
auch in Deutschland zutreffend sind, so möchte man fast den
3
— 34 —
von der russischen Presse gegen uns eröffneten Presskrieg als
eine unbewusste Reaction gegen die sogenannte deutsche
Civilisation betrachten, welche man unter der Fabrikmarke
„Deutsche Wissenschaft" in Russland eingeschmuggelt hat und
die sich nun bei näherer Betrachtung als gefälschte und mit
einer gesundheitsschädlichen Farbe getünchte Waare erwiesen
hat. Das Heilmittel gegen den angerichteten Schaden erkenne
ich bereitwillig mit meinem Collegen Ludwig in der Wieder-
erneuerung des Christenthums und betrachte es als eine Art
moralischer Verpflichtung gegen das russische Volk, ihm auch
dieses Heilmittel aus Deutschland zu importiren. Herr Lud-
wig scheint hiermit, wie billig, durch folgende Worte a. a.
O. den Anfang machen zu wollen:
„Den Schritt, in welchem die Staatskunst die sicherste Bürgschaft
für die Stärkung des Beiches erkannte, that fast gleichzeitig aus einem
Bedürfniss des Herzens das Christenthum. Unbekümmert um
den Nutzen oder Schaden, erhob es die Liebe des Menschen zur
höchsten sittlichen Pflicht."
Nun wohlan denn, möge auch heute dem deutschen
Volke, wie zur Zeit der Reformation durch Luther, das
Christenthum aus einem Bedürfniss des Herzens wieder-
geboren werden, möge es uns, wie damals aus den Banden
einer entarteten und unsittlichen Pfaffen wirthschaft, so heute
von der Tyrannei eines sittlich und religiös gesunkenen Ge-
lehrten- und Literatenthums befreien! Dass die Nothwendig-
keit eines solchen Befreiungskampfes tief empfunden wird und
hierdurch die moderne Gesellschaft erneuert werden muss^
wird allgemein anerkannt. Die Worte eines andern meiner
Collegen, der über jeden Verdacht der Heuchelei erhaben ist,
bestärken mich in dieser Ueberzeugung. Der Professor de»
Criminalrechts an unserer Universität, Hr. Dr. Wach, be-
fand sich am 4. September in Basel unter den dort zahlreich
versammelten Mitgliedern der evangelischen Allianz. Die
„Post" vom 4. September d. J. berichtet über die daselbst
von ihm gehaltene Rede wörtlich Folgendes:
„Heut als am Donnerstag schilderte Professor Wach aus Leipzig in
glänzender Weise den Verfall der modernen Gesellschaft, die
durch ihre Abwendung von der religiösen, sittlichen und wissenschaftlichen
Selbstzucht die Hauptschuld an den Entartongen der Socialdemokratje^
- 35 —
trage. Wiedergeburt des ganzen Volkes, gläubige Neu-
erfassung der in Christo gegebenen Erlösung, Hingabe
an die volle rettende heilende Liebe, das allein könne und
werde die moderne Gesellschaft neu beleben."^
Solche tief empfundenen Worte aufrichtiger deutcher Pa-
trioten Hessen sieb heute zu Tausenden anführen. Aber icb
frage nun diejenigen, welche bei jeder Gelegenheit den ab-
stracten, scholastischen Begriff „Staat^^ im Munde fuhren, wo
denn die lebenden, con er eten Menschen sind, welche den
Inhalt des StaatsbegrifFs bilden und ihn praktisch durch
Gesetze und Handlungen bethätigen sollen? Die Ministerien
für Cultus und öffentlichen Unterricht holen sich doch Rath
und Belehrung bei den als Autoritäten allgemein anerkannten
Professoren und Akademikern. Soll nun „der Staat" die
Anschauungen des Professor Wach zu den seinigen machen,
und die „gläubige Neuerfassung der in Christo ge-
gebenen Erlösung" durch entsprechende Verordnungen
über Anstellung öffentlicher Gelehrten und Geistlichen von
gleichen Anschauungen befördern, oder soll „der Staat" die
Anschauungen des Professor E. du Bois-Reymond in
Berlin realisiren, welcher die „Aufhebung des Religions-
unterrichtes in der Prima" öffentlich mit der Frage be-
gründet:
„Man begreift nicht, was dieser solle in einer Classe, deren protestan-
tische Schüler alle schon eingesegnet sind."*)
Ich frage, was soll hier der scholastische Begriff „Staat"
für eine Wirkung erzeugen ? Hält man es denn flir eine Be-
schränkung der Freiheit der Wissenschaft, wenn der Staat
einen Mann, der die Richtigkeit des Copemikanischen Systems
Dicht begreifen kann, von der Bewerbung um das Directorat
dner Sternwarte ausschliesst , oder wenn er einen bereits in-
Btallirten Director einer Sternwarte absetzt, welcher öffent-
lich erklärt, das Copernikanische System sei nach seiner
^^nenesten" wissenschaftlichen Ueberzeugung falsch, man müsse
^eder zum Ptolemäischen oder Tychonischen System zurück-
*) „Colturgeschichte und Naturwissenschaft*'. Vortrag gehalten am
24. März 1877 im Verein für wissenschaftliche Vorlesungen zu Cöln von
Bmil du Bois-Keymond. S. 55.
3*
— 36 — •
kehren? Hat in diesen Fällen der Staat ein Recht , indivi-
duelle wissenschaftliche Ueberzeugungen bei den von ihm an-
gestellten und besoldeten öffentlichen Gelehrten zu corrigiren
und durch geeignete Mittel unschädlich zu machen, ohne
hierdurch die Freiheit der Wissenschaft zu beeinträch-
tigen, so muss man dem Staate auch das Recht einräimien,
in ähnlicher Weise den öffentlichen Ausdruck sittlicher und
religiöser Ueberzeugungen bei den von ihm angestellten
Geistlichen und Gelehrten zu beschränken. Hierdurch wird
die Freiheit der individuellen Ueberzeugung nicht be-
schränkt, sondern nur ihre Bedeutung als „individuelle" An-
schauung von Seiten des Staates gekennzeichnet. Man wende
mir nicht ein, dass Ich oben einen unmöglichen Fall statuirt
hätte. Ich habe gezeigt, dass unter Führung Sir William
Thomson's Hr. Helmholtz und E. du Bois-Reymond
bezüglich der Femewirkung mit vollem Bewusstsein zu dem
alten Satze der Scholastiker : „corpus ibi agere non potest tibi
non esif^ zurückgekehrt sind. Vor 50 Jahren hätten die her-
vorragendsten Physiker und Mathematiker Europas einen solchen
Rückschritt für ebenso unmöglich gehalten, als man heutzu-
tage die Rückkehr zum ptolemäischen System für unmög-
lich hält. Thomas von Aquino (geb. 1226, gest. 1274)
konnte natürlich noch nichts von Copernikus wissen, da
letzterer erst 1473 zu Thom geboren wurde. Dass aber heute
gegen Ende des 19. Jahrhunderts der unfehlbare Papst Leo
XIII. der „aufgeklärten" und „naturwissenschaftlich gebildeten"
modernen Gesellschaft die Philosophie dieses Scholastikers als
Leitfaden für den Universitätsunterricht empfehlen und sich
hierbei auf das Zeugniss „einiger der gegenwärtig hervor-
ragendsten Lehrer der Physik laut und öffentlich" berufen
kann, das ist nicht etwa eine Schmach, die der Papst der
cultivirten Menschheit angethan hat — nein, es ist eine Schmach,
die jene Menschheit sich selber angethan hat, indem sie
Männern wie C. Vogt, Büchner, Tyndall, Helmholtz,
E. du Bois-Reymond u. A. gestattete, ungehindert
ihre moralisch und wissenschaftlich verderblichen Lehren im
Volke zu verbreiten, und letzterem hierdurch den Verrath
seines protestantischen Christenthums an das Judenthum zu
— 37 —
erleichtern. In diesem Sinne vertheidige ich den Papst Leo XIII.
\md betrachte seine Encyclica als eine von der göttlichen Vor-
sehung unserem verjudeten und „liberal "-protestantischen
Deutschland ausgestellte Censur, welche die Besseren unsers
Volkes mit Erröthen ruhig betrachten werden, um mit der
klaren Erkenntniss des tiefen moralischen und wissenschaft-
lichen Verfalles die Einkehr in sich selbst zu vollziehen und
hieraus neue Kraft zur Erhebung und sittlichen Kräftigung
zu schöpfen.
Für meine, von jedem confessionellen Vorurtheile
freie, Stellung zu den Juden habe ich im soeben erschienenen
dritten Bande meiner „Wissenschaftlichen Abhandlungen"
gewiss keinen aufrichtigeren Beweis liefern können, als dass
ich ihnen in ihrem Verhalten zu meinen „Wissenschaftlichen
Abhandlungen" unumwunden einen moralisch höheren Stand-
punkt als unseren „liberalen" Protestanten einräumte. (Vergl.
Wissenschaft! . Abhandlungen 3. Band S. 348).
Wenn aber die Juden anspruchsvoll sich an dem inneren
Ausbau unseres christlich-germanischen Deutschlands bethei-
ligen wollen, so erlaube ich mir ihnen zu bemerken, dass
durch die Ka9enver8chiedenheit zwischen dem semitischen und
germanischen Volksstamme naturgesetzlich eine ebenso
unabänderliche Schranke für die transcendenten Aufgaben der
menschlichen Cultur gezogen ist, wie durch die Verschieden-
heit der allgemeinen Menschenra9en. Dass z. B. die kau-
kasische Ra^e eine von der Natur höher begabte als die mon-
golische ist, lässt sich doch durch keine noch so liberale Ge-
setzgebung beseitigen. Wenn nun aber trotzdem die jüdischen
Literaten und Gelehrten uns durch Worte wie die folgenden^)
provociren:
,fiie Federmacht ist die Weltmacht geworden, ohne die man sich
auf keinem Gebiete halten kann , und diese Macht geht euch Orthodoxen
fast gänzlich ab. Eure Gelehrten schreiben zwar schön, geistvoll, aber
doch nur für ihres Gleichen, während die Popularität das Schi-
*) Worte einer „bedeutenden jüdischen Stimme''. Vgl. „Modem" von
Richard Wagner „Bayreuther Blätter". März 1878 S. 59 ff. — Wiss.
Abhdl. n. Thl. 1. S. 398.
— 38 —
boleth unserer Zeit ist. Die moderne Journalistik und Bomantik hat
die freigesinnto Juden- und Christenwelt vollständig erobert. Ich sage
die freigesinnte Judenwelt — denn in der That arbeitet jetzt das deutsche
Judenthum so kräftig, so riesig, so unermüdet an der neuen Cultur und
Wissenschaft, dass der grösste Theil*des Christenthums bewusst oder un-
bewusst von dem Oeiste des modernen Judenthums geleitet wird. Gibt es
doch heut zu Tage fast keine Zeitschrift oder Leetüre , die nicht von Juden
direct oder indiiect geleitet wäre."
Ich sage, wenn das deutsche Volk durch solche jüdischen
Provocationen gegen seine Gelehrten herausgefordert wird, —
will es dann die Schmach über sich ergehen lassen, schwei-
gend seinen Nacken einem solchen fremden Joche zu beugen?
— Halten sich denn solchen Worten gegenüber unsere modernen
Salon-Professoren noch immer für zu vornehm, um einmal
dem Volke zu zeigen, dass sich auch unter ihnen noch Leute
finden, welche wie zu Luther's und Ullrich von Hutten^s
Zeiten die „Federmacht als Orthodoxe" zu gebrauchen den
Muth haben?
Wenn nun femer in so provocirender Weise uns Gelehr-
ten von christlich -germanischen Traditionen der Vorwurf von
Seiten der jüdischen Literaten gemacht wird, wir schrieben
„zwar schön und geistvoll" — „aber doch nur für unseres
Gleichen", wollen es mir denn da meine vornehmen Collegen
so übel nehmen, wenn ich auch einmal „für ihres Gleichen"
— ich meine für die jüdischen Literaten und Zeitungsschrei-
ber — verständlich und deutsch rede? Dass zu dieser
Verständlichkeit als erste Bedingung erforderlich ist, die scho-
lastische Heuchelei mit der sogenannten ünpersönlichkeit über
Bord zu werfen und die anonymen Franctireurs aus ihren
Verstecken auf freies Feld zu führen, um sie dort vor den
Augen der ganzen Welt öffentlich durchzuprügeln — das wird
mir gewiss jeder praktische jüdische Literat und Gelehrte be-
reitwilligst einräumen. Ich appellire hierbei speciell an die
jüdischen Gelehrten des Kladderadatsch, welche sicherlich so
viel Gerechtigkeitsgefühl besitzen werden, um mich und ihren
Glaubensgenossen Dr. Eduard Lasker bezüglich der An-
schauung vom Werthe des „Unpersönlichen" mit gleichem
Maasse zu messen. Hat der Kladderadatsch die persön-
lichen Angriffe Lasker's auf das finanzielle Gründer-
— 39 —
thum in Poesie und Prosa verherrlicht, so wird er auch mir
den Beifall, — wenigstens im stillen Kämmerlein — nicht
versagen wollen, wenn ich mir persönliche Angriffe auf
das wissenschaftliche Gründerthura gestatte, da ich eben-
sowenig wie die Gelehrten des Kladderadatsch der scholasti-
schen Philosophie des Thomas von Aquino huldige. Denn
den Schwindel und die moralische Corruption unpersön-
lich anzugreifen, würde nur dann vernünftig sein, wenn man
nach scholastischer Doctrin voraussetzte, es existire ein jenen
Begriffen correspondirendes £twas, unabhänig von dem
realen, lebendigen Schwindler oder Verleumder. —
Kraft meiner Autorität als Physiker beanspruche auch
ich das Recht , über die zur wiss enschaftlichen
Ausübung von Vivisectionen erforderliche physikalische Vor-
bildung mein Urtheil abgeben zu dürfen. Wenn ich nun hier
öiFentlich dasselbe dahin ausspreche, dass es gerade den Vivi-
sectoren und Medicinern, mit vielleicht drei Ausnahmen in
Deutschland, so vollständig an einer gründlichen physi-
kalischen Durchbildung gebricht, dass ich zuweilen mein
Erstaunen darüber vertraulich gegen CoUegen geäussert habe,
*ö zweifle ich nicht daran, dass die überwiegende Mehrzahl
*Iier deutschen Physiker meinem Urtheile öffentlich oder im
Stillen vollkommen beistimmen wird. Denn den Physikern
U'^d nicht den Physiologen und Medicinern gebührt in erster
Linie das Urtheil über den wissenschaftlich -physiologischen
W'erth der Vivisection in ihrem bisherigen Umfange. Die
^^gierungen haben daher zur Entscheidung über gesetzliche
M.a8sregeln gegen die Vivisection zunächst das Urtheil sach-
verständiger Physiker einzuholen.
Dass ich nun aber in der wissenschaftlichen Verur-
^^^eilung der bisherigen schrankenlosen Vivisection als Phy-
siker nicht allein dastehe, mag das Folgende beweisen.
Einer der berühmtesten und scharfsinnigsten unter den
j^tzt lebenden englischen Physikern , dessen Hypothesen
^^h zwar seit acht Jahren als Rückkehr zu scholastischen
^^^hümern bekämpfe, dessen hohe Competenz ich aber in der
Experimentalphysik, namentlich im Gebiete der Elek-
^'^cität und des Galvanismus (die bei der Vivisection eine so
— 40 —
grosse Holle spielen), um so rückhaltloser anerkenne, hat sein
wissenschaftliches Verdict gegen die Vivisection zur
Belehrung von Studenten wörtlich wie folgt ausgesprochen:
„Auf Anregung von Professor Sir William Thomson wurde auf
einer kürzlich zu Glasgow abgehaltenen Versammlung des Thierschutzverein»
beschlossen, eine Petition an das Parlament zu richten, um ein Gesetz
für besondere Beschränkungen bei Ausübung der Vivisection zu erlassen.
Sir William Thomson sagte, es sei eine Tendenz zur unnöthigen Aus-
breitung der Vivisection vorhanden. Es liege ihm die Absicht fem, sich
bei irgend einer Bewegung zu betheiligen, welche Männer der Wissenschaffe
von irgend welchen zum Fortschritt der Erkenntniss nothwendigen Opera-
tionen abhalten könnten ; aber es sei seine Ueberzeugung, dass die Wieder-
holung von grausamen Experimenten an den niedrigen Thieren, nur um
Studenten zu zeigen, was geleistet worden sei, ganz und gar nicht noth-
wendig sei. (was altogether unnecessaiyj.'^ (Medical Journal, No, 744
p, 4ö4.y)
Dass Sir William Thomson auch von anderen Phy-
sikern und Physiologen als hohe Autorität anerkannt wird,
mögen die folgenden Worte von Hm. Professor Helmholtz
in Berlin beweisen, der bekanntlich in Königsberg und in
Heidelberg noch Professor der Physiologie ohne demonstra-
tive Vivisection war und erst auf den Rath des Professors der
Physiologie mit Vivisection, E. duBois-Reymond, als
Physiker nach Berlin berufen wurde. Die betreffenden
Worte*) von Hm. Helmholtz lauten wie folgt:
„Sir William Thomson ist längst auch in Deutschland bekannt
als einer der durchdringendsten und erfindungsreichsten Denker, welche
sich unserer Wissenschaft je zugewendet haben. Wenn ein solcher es
unternimmt, uns gleichsam in die Werkstatt seiner Gedanken einzuführen
und die Anschauungsweisen zu enthüllen, . . . so sind wir ihm Alle
dafür den höchsten Dank schuldig."
Bereits im 3. Bande meiner „Wissenschaftlichen Abhand-
lungen" habe ich, sowohl in der Widmung an Professor
^) Vivisection. — The Royal Society for the Prevention qf Cruelty
to Animals and the Koyal Commission. — The progress of medical
knmcledge aught to he made convpatible with the jvst reguirements qf
humanity, Royal Commission. 2, Ed. London. Smith, Edler & Co. 15.
Waterloo Place 1876.
*) Vergl. „Handbuch der theoretischen Physik" von Sir William
Thomson und P. G. Tait Autorisirte deutsche üebersetzung von Dr.
H. Helmholtz und G. Wertheim. Braunschweig 1871. (Vorrede.)
— 41 —
Crookes als in der Vorrede, der oben von Hrn. Helm-
hol tz allen Deutschen an's Herz gelegten Pflicht der Dank-
barkeit gegen Sir William Thomson Genüge geleistet,
weil derselbe durch die öffentliche Enthüllung seiner An-
schauimgsweise über den wissenschaftlichen Werth der un-
beschränkten Vivisection auch den Gegnern der letztem in
Deutschland eine willkommene Waffe in die Hände ge-
liefert hat.
Die obigen Worte Sir William Thomson's sind be-
reits seit 3 Jahren in dem erwähnten Berichte der englischen
ßegierungs-Commission zur Kenntnissnahme des Publicums
veröffentlicht worden. Wenn nun im Angesichte solcher
Zeugnisse von wissenschaftlichen Sachverständigen, denen
sich noch eine ganze stattliche Reihe angesehener medi-
cinischer Autoritäten anschliesst, Hr. Geheimrath Professor
Dr. Ludwig, der Physiologe und Vivisector von Leipzig,
öffentlich^) von der englischen Volks-Bewegung gegen die
Vivisection zu behaupten wagt:
„es traten nicht blos alle hervorragendsten Aerztc, es traten auch
alle anderen Naturforscher, ja sogar die Mitglieder des Thierschutz-
vereins, welche von dem Gebrauche Kenntniss genommen, der in England
von der Vivisection gemacht worden, für die Ausübung des letzteren ein",
80 ist diese Behauptung einfach eine Unwahrheit, die
nothwendig dazu beitragen muss,/das deutsche Volk zu ver-
wirren anstatt aufzuklären. Wenn femer Herr Ludwig in
demselben Aufsatze den Gegnern der Vivisection „Ver-
dunkelung des Verstandes" zum Vorwurf macht und
behauptet, dieselben wendeten sich an schwachnervige
und sentimentale Gemüther, namentlich derFrauen^
und appellirten „vor allem an die Frömmigkeit", so
stimmen diese Vorwürfe fast wörtlich mit denjenigen über-
ein, welche der anonyme Vertheidiger der Vivisection im
Leipziger Tageblatt vom 29. Nov. d. J. erhebt und durch
den gleichzeitig noch hinzugefügten Vorwurf verschärft, dass
den angeführten wissenschaftlichen Celebritäten , die der
ganzen Vivisectionsfra^ce doch sicherlich nicht kenntniss- und
^) Gartenlaube No. 25. 1879: „Die Vivisection vor dem Kichterstuhl
der Gegenwart. En Wort zur Vermittelung von Prof. C. Ludwig."
— 4:2 —
urtheilslos gegenüber stehen, der Vorwurf der Unaufrich-
tig k ei t gemacht wird. Der Anonymus behauptet nämlich
wörtlich :
„Aufrichtige Gegner derselben (der Vivisection) können nur die-
jenigen sein, welche der Sache kenntniss- und urtheilslos fem stehen,
oder welchen eine krankhafte Sentimentalität den Blick trübt.
Hoffen wir, dass Leipzig die Beschämung erspart bleibt, die erste Stadt
Deutschlands zu sein, in welcher diese bedauerlichen Verirrungen festen
Puss fassen."
Dieser Schluss des anonymen Artikels im Tageblatt
zeugt fast noch mehr als der Anfang von einer überaus
grossen „Verdunkelung des Verstandes'* bei den Vivi-
sectoren und ihren Vertheidigem. Denn zu behaupten, »die
merkwürdige Bewegung" gegen die Vivisection habe
„fast allein Sachsen" ergriffen, trotzdem sich bereits im
August dieses Jahres ein „internationaler Verein zur
Bekämpfung der wissenschaftlichen Thierfolter"
constituirt und seine „Einladung zum Beitritt" überall,
auch durch das Leipziger Tageblatt, verbreitet hat, — ich sage,
trotz alledem kühn zu behaupten, die Antivivisections-Bewe-
gung habe „fast allein Sachsen" ergriffen, das kann doch nur
die Folge von geistiger Blindheit sein. Wenn man nun femer
berücksichtigt, dass die erwähnte Einladung, abgesehen von
den Unterschriften von 10 Doctoren der Medicin in Hamburg,
Dresden, Bremen, Königsberg, Altena, Wiesbaden, Barmen,
Gräfenberg, Oldenburg und Leipzig, auch die Unterschriften
von Männern trägt, von denen viele im Jahre 1870 ruhmvoll
die Ehre Deutschlands auf französischem Boden vertheidigt
haben, wie z. B. :
L. von Blumenthal, k. preuss. General der Infanterie,
Freiherr von der Becke, k. preuss. Generallieutenant,
Inspector der 3. Feld-Artillerie-Inspection,
Graf von Waldersee, Generalmajor, Chef des Generalstabes
des 10. Armeecorps,
von Strubberg, Commandeur der 19. Division,
Graf C. Vitzthum von Eckstädt, Kammerherr Sr. Maj.
des Kaisers,
Graf von Hacke, k. preuss. Generallieutenant z. D.,
— 43 —
Füret Hofaenlohe-Langenburg, k. preuss. General der
Cavallerie und Beichstagsabgeordneter u. s. w , .
ich sage, es kann doch nur „Verdunkelung des Verstandes^'
oder „ünaufrichtigkeit" sein, wenn der anonyme Vertheidiger
der Vivisection von Männern wie den obigen behauptet, „eine
krankhafte Sentimentalität trübe ihren Blick'^ Indessen
ist dieser Vorwurf nicht neu, denn bereits am 27. März 1879
hatte Herr Professor Ludwig den Mitgliedern des Kauf-
männischen Vereins zu Leipzig in einem Vortrage „über die
wissenschaftliche Thätigkeit in den physiologischen Instituten"')
genau dasselbe mit den bereits oben S. 23 citirten Worten noch
etwas deutlicher gesagt.
Obschon die auch mir von meinen Gegnern zugeschriebene
^Verdunkelung des Verstandes" weder aus „ererbtem Reich-
thum" noch „aus der Noth, die mit dem täglichen Bedürfnis?
kämpft", erklärt werden kann, ich auch nicht zu „den höchsten
üegionen der menschlichen Gesellschaft gehöre", aber trotz-
dem in der rückhaltlosen Bekämpfung der Vivisection mit
diesen Begionen übereinstimme, so erlaube ich mir, den obigen
Worten meines Collegen Ludwig und des obscuren Tage-
blattscribenten die folgenden Worte des Hrn. Ludwig aus
seiner Eröffnungsrede*) des Leipziger Thierschutzvereins als
Vorstandsmitglied gegenüber zu stellen:
„Wenn, wie wü: zu glauben berechtigt sind, dass jedes lobendige auch
ein fühlendes Wesen ist, so verlangt das Mitleid gebieterisch, dass auch
dem armseligsten Wurme ein ungestörtes Wohlbehagen
gegönnt werde. . . . Nur zu leicht möchte sich die Stärke des Empfindens
abstumpfen, wenn wir dem Verstände allein die Lösung unserer
Aufgabe anvertrauten. Uns aber ist es eine Freude, auch die Wärme
des Gemfi th es zu bewahren. . . . Bei allen diesen Mitgliedern tritt in
den Vordergrund das Verlangen der Menschenseele, der Thierwelt ihr
Beeht zu gewähren auf Grund einer wahrhaftigen Ueberzeugung und des
besten Wissens, und ihnen genügt es nicht mehr mit dem Mitleid des
empfindsamen Gemüthes, sie drängt es mit dem Mitgefühl des
Gesetzgebers zu messen."
*) Separatabdruck in der Wochenschrift „Im neuen Reich", 1S79,
No. 14, S. 15.
*) Abgedruckt in der Wochenschrift ,Jm neueu Reich" 1876. (No. 30.)
Verlag von S. Hirzel. Vgl. Ausführliches in der Vorrede zum dritten
Bande meiner „Wissenschaftlichen Abhandlungen", S. liXTT ff.
— 44 —
Vergleicht man diese Worte Ludwig's mit den obigen,
in welchen er den Gegnern der Vivisection (deren Bestre-
bungen ja gerade darauf gerichtet sind, die deutschen Vivi-
sectoren mit dem „Mitgefühl des Gesetzgebers'^ zu messen),
ein „Uebermass an Empfindsamkeif vorwirft, so möchte
man glauben, er habe vor drei Jahren eine begeisterte Rede
gegen die Vivisection gehalten. Das Volk aber, welches
durch seine „Männer der Wissenschaft" aufgeklärt und
nicht verwirrt werden will, empfindet solche Widersprüche
einfach als Heuchelei und Sophistik und beansprucht, im
Interesse einer moralischen Erziehung der heranwachsenden
Generation, das Recht, in Gemeinschaft mit seinen gesetzlich
erwählten Vertretern im Reichstage und den deutschen Parla-
menten die Mittel zu berathen, durch welche das Volk den
Herz und Sinn verwirrenden Einflüssen solcher Universitäts-
lehrer entzogen werden kann.
Bereits Hr. von Seefeld hat den obigen Aufsatz Lud-
wig's in der Gartenlaube öffentlich als „ein Meisterstück
der Sophistik"*) bezeichnet, und seinen persönlich be-
leidigenden Vorwurf der „Verdunkelung des Verstandes"
bei den Gegnern der Vivisection mit folgenden Worten er-
widert:
,,Ohne rhetorische Umschreibung erklärt er also die Gegner für ver«
rückt. . . . Da man mit Leuten von „verdunkeltem Verstände" nichl
paktirt, so fürchte ich, dass die Absicht einer Verständigung nicht vorliegt
und die schönen Worte eben nur Worte sind."
Wenn irgend etwas schlagend die sittliche und intellec-
tuelle Verwilderung zu beweisen im Stande ist, welche die
fortgesetzte und berufsmässig ausgeübte Vivisection bei unsem
Physiologen bereits hervorgerufen hat, so ist es, abgesehen von
den obigen Worten Cyon's über die höchsten Genüsse des
Vivisectors, die intellectuelle Unfähigkeit und Plumpheit
ihrer Vertheidigung. Zum Beweise dieser Behauptung lasse ich
hier wörtlich eine anonyme Abfertigung von Seiten des Leip-
ziger Tageblatt -Redacteurs folgen, welche jedenfalls eine
^) Vgl. Androclus. Juli 1879. Nr. 2. „Eine Zeitschrift, heraus-
gegeben von dem unter dem Protectorate Sr. Majestät des Königs Albert
in Dresden bestehenden Vereine zum Schutze der Thiere."
— 45 —
Antwort auf den bereits oben von mir hervorgehobenen Wider-
sprach enthält, dass man kein Recht habe, tapferen Generälen
und nihmgekrönten deutschen Heerführern „eine krankhafte
Sentimentalität als Motiv für ihre Indignation über die
Gräuel der Vivisection zu insinuiren. Die Worte des „natio-
nalen" und „liberalen" Tageblattes lauten wie folgt:
„Und wenn die gesammtc Generalität des deutschen Heeres sich gegen
die wissenschaftliche Austihung der Vivisection aussprechen wollte , so
müsste doch allen den tapferen Degen entgegen gerufen werden : „Ihr ver-
steht davon — Nichts". In dieser Frage hat üherhaupt nur die Wissen-
schaft das entscheidende Wort zu sprechen; Gefühlsduselei von Leuten,
die nicht auf wissenschaftlichem Boden stehen, hat nicht den geringsten
Ansprach auf Beachtung.*' (Leipziger Tageblatt d. 30. Nov. 1S71).)
Die vorstehenden Worte bezeichnen nach Form und Inhalt
genau das Niveau, bis zu welchem man hinabsteigen muss,
um sich den Vivisectoren verständlich zu machen. Man höre
also auf, mich mit Vorwürfen über den ungewöhnlichen Ton
meiner Polemik zu behelligen, wenn man in der Sache mit
mir einverstanden ist. Die erste Bedingung einer erfolg-
reichen Polemik ist .die, dass man von seinen Gegnern ver-
standen wird, und hierzu ist es erforderlich, die ihnen allein
verständliche Sprache zu reden. Unter Bauern kann man
nicht so reden ^vie unter Fürsten, und dass heut ein würdiger
deutscher Gelehrter von 73 Jahren, wie Professor Ulrici in
Halle, wegen seiner überaus höflichen Erwiderung an Professor
Wundt, von einem schamlosen Franzosen, der von deut-
schen Gelehrten mit Material versehen worden ist, öffent-
lich als an der fclie raisonnante leidend insultirt werden kann,
diese Thatsache beweist allein, dass heut zu Tage nichts,
auch nicht die höflichste und objectivste Sprache gegen
öffentliche Insulten und den Vorwurf des Wahnsinnes zu
schützen vermag. Deshalb rede ich mit Männern vom Schlage
der Herren Geheimräthe und Vivisectoren C. Ludwig und
£. du Bois-Reymond einfach deutsch und stütze mich
hierbei auf die Autorität von Schiller und Goethe, welche
der Ansicht waren: „Den Deutschen muss man die
Wahrheit so derb als möglich sagen "^).
*) Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe. Bd. II. S. 226.
- 46 —
Da man jedoch die Objectivität meines abfälligen Urtheilc
über die wissenschaftliche Bedeutung und Befähigung Lud
wig's auf dem Gebiete der Physik, als durch persönlich«
Leidenschaft und Feindschaft getrübt, verdächtigen könnte, s<
gebe ich hier noch einmal die Versicherung, dass von meinei
Seite auch nicht das Geringste geschehen ist, was meiner
CoUegen Ludwig zur Theilnahme an verletzenden Demon-
strationen gegen mich und meine ehrwürdigen Freunde
hätte herausfordern können. Da ich nicht ehrgeizig und
nach sogenanntem Einfluss in Universitäts- Angelegenheiten
lüstern bin, so fallen bei mir alle jene Verstimmungen fort,
die sonst so häufig in akademischen Kreisen die Quelle von
Cabalen und Intriguen zwischen CoUegen werden können.
Alle diese Momente fallen, wie gesagt, bei mir vollständig
fort und, wie bereits vor 8 Jahren, so hatte auch dieses Mal
das ganz unerwartet unaufrichtige Verhalten von „Freunden"
gegen mich in mir nur die üeberzeugung einer allgemeinen
Erkrankung der natürlichen moralischen Empfindungen in den
gelehrten Schichten unseres Volkes hervorgerufen und be-
stärkt. Deshalb bin ich mir auch gegeiiwärtig wie damals
bewusst, nicht für meine Person und aus persönlichen Motiven
in die Schranken zu treten, sondern für die Vertheidigung
von sittlichen Lebensinteressen des deutschen Volkes und die
Aufrechterhaltung der öffentlichen Achtung und Pietät gegen
alte würdige deutsche Gelehrte. Vor 8 Jahren (21. Febr. 1872)
schrieb*) ich Herrn E. du Bois-Reymond bei Ueber-
sendung meines Cometenbuches , welches die erste pole-
mische Schrift während einer 15jährigen wissenschaftlichen
Thätigkeit war, wörtlich Folgendes:
„Zunächst kommt es mir darauf an, Ihnen weitere Beweise für die
bereits in der Vorrede gegebene Versicherung zu liefern, dass nicht persön-
liche Motive die Triebfedern meiner Polemik gewesen sind. Vielleicht hat
mich selten ein Entschluss eine solche Ueberwindung gekostet, als derjenige,
einem von mir so hochverehrten Manne wie Helmholtz in gewissen
Punkten seines wissenschaftlichen Benehmens öffentlich und entschieden
entgegenzutreten. So lange dasselbe nur mich betraf, oder einen Mann,
der wie Schopenhauer eine stets wachsende Zahl von schlag- und rede-
Vgl. die vollständige Keproduction des Briefes „Wissenschaftliche
Abhandlungen" Bd. n. Thl. 2. S. 1055.
— 47 —
fertigen Anhängern zu Vertheidigem hat, habe ich geschwiegen, trotzdem
ich mich. . . . Indessen alle diese Erwägangen hätten bei meiner hohen
Yerehrnng für die wissenschaftlichen Verdienste von Helmholtz und bei
meinem Widerwillen gegen jedwede Polemik nicht hingereicht, mein
Schweigen zu brechen. Ich rechnete darauf, dass früher oder später die
Klarstellung jener Verhältnisse doch eintreten müsse und ich auf diese
Wmse einer mir selber schuldigen Vertheidigung überhoben sein würde.
Ich gab Helmholtz nach wie vor durch Znsendung aller meiner Pnbli-
cationen, der geringsten wie der umfangreichsten, Beweise meiner Hoch-
achtung, ohne hiefur irgend eine Erwiderung beansprucht oder jemals er-
halten zu haben. — Auch gegenwärtig hätte Nichts vermocht, mein Ver-
halten gegen Helmholtz zu ändern, wenn mich nicht sein Be-
nehmen gegen Wilhelm Weber aufs Tiefste entrüstet hätte. Das-
selbe ist zur Grenüge in der Vorrede entwickelt und ich erlaube mir nur
noch Ihnen gegenüber hinzufügen. ..."
„Gerade von Ihnen, hochverehrter Freund, erwarte ich bei der Wärme
Ihrer Empfindung für historische Gerechtigkeit und für eine entschiedene
Vertheidigung nationaler Güter auch auf dem Gebiete der Wissenschaft
eine vorurtheilsfreie Würdigung meiner Schrift. . . ."
,JDass ich durch die Zusammenstellimg oft fast gleichlautender Stellen
von Schopenhauer und Helmholtz nicht entfernt auf eine bewusste
Beziehung beider Männer anspielen will, bedarf wohl keiner besonderen
Bemerkung. Die zum Theil noch weit überraschenderen Uebereinstimmungen
zwischen Kant und Dove, Hansen, Mayer u. s. w. und die ausdrück-
liche Verwahrung auf Seite 427 , sowie die Schlussbetrachtung jenes Ab-
schnittes auf Seite 482 werden jeden Verdacht dieser Art vollständig aus-
schliessen.
Mit bekannter Hochschätzung
Ihr ergebenster
F. Zöllner."
Bereits nach fünf Tagen d. d. 26. Febr. (1872) erhielt
ict eine sehr sympathische und ausführliche Antwort *), welche
DUt folgenden Worten beginnt :
Hochgeehrter Herr und Freund!
„Sie haben mir durch Uebersendung Ihres inhaltreichen Werkes eine
freudige Ueberraschung bereitet. Ich staune über die mannigfaltige Fülle
Dlrer Kenntnisse, über die Tiefe Ihrer wissenschaftlichen Strebungen, über
^ren sittlichen Eifer und Ernst Nehmen Sie nochmals den Aus-
^ck meines aufrichtigen Dankes an. . . .
Dass Hr. E. duBois-Reymond bereits wenige Wochen
^ach Absendung eines solchen Briefes moralisch kein Be-
*) Vgl. die wörtliche Eeproduction derselben in „Wissenschftl. Abhdl."
ß^i. II. Tbl. 2. S. 1063.
— 48 —
denken trug, mich öffentlich im „geistreichen Geplauder der
Berliner Salons" und in den Kreisen mir befreundeter Mit-
glieder der Berliner Akademie für wahnsinnig zu erklären
und den Vorschlag zu machen, „eine Zelle im Irrenhause für
mich in Bereitschaft zu halten", ^) beweist ebenso wie die von
moralischen Widersprüchen erfüllte Rede seines Leipziger
Fachgenossen und Freundes Ludwig über die Vivisection,
dass den Herren Vivisectoren das Gefühl und der Instinct
für moralischen Anstand gänzlich abhanden gekommen ist.
Durch solche Vorgänge an den officiellen Hauptstätten deut-
scher Cultur und Bildung ist uns heute das Kecht geraubt^
einem obscuren französchen Literaten in der Bepubiigue
frangaise darüber Vorwürfe zu machen, dass er einen wür-
digen und verdienten deutschen Gelehrten auf Grund seineir
höflichen Erwiderung an Professor Wundt für verrückt unii
an der fölie raisonnante leidend erklärt^).
Es entsteht nun aber die Frage, wie man es anfangen
solle, um über Männer von solchen Charaktereigenschaften ein
ürtheil über ihren wissenschaftlichen und moralischen Werth
dergestalt zu fällen, dass sie selber und auch die ihnen vor-
gesetzten Regierungen dieses Urtheil als ein für weitere Mass-
regeln endgültiges anzuerkennen genöthigt sind. Leben-
den Gelehrten gegenüber, mögen sie auch noch so grosse
Verdienste besitzen, werden sich jene Männer stets auf ihre
eigene Autorität berufen und nöthigen Falls ihre älteren
Richter als altersschwach und an „Verdunkelung des Ver-
standes" leidend, dem grossen Publicum zu verdächtigen
suchen. Ständen solche Richter vollends in dem Verdachte,
an die Realität von selber beobachteten spiritistischen Er-
scheinungen zu glauben, so würden sie nach Professor
Wundt als „bedauernswerthe Opfer exotischer Schamanen'^
ohne Weiteres auf den Anspruch „wissenschaftlicher Autori-
^) Für die Kiclitigkeit dieser von Hm. Du Bois-Keymond in Berlin
colportirten Form der Verleumdung bürgt mir das Zeugniss von Hm.
Professor Dr. Alf red Do ve in Breslau. Vgl. „Wissenschftl. Abhdlg." n.
Tbl. 2. S. 961.
*) Vgl. Ausführlicheres hierüber: „Zur Aufklänmg des deutschen
Volkes u. s. w."
— 49 —
täten^' zu verziohten haben ^). Es bliebe mir also nichts
anderes übrige als den Geist eines verstorbenen grossen Phy-
siologen, z. B. denjenigen Johannes Müller's zu citiren,
and zwar mit Hülfe eines wissenschaftlich gebildeten Mediums,
welches selber ein öffentlich erklärter Gegner des Spiritismus
und seiner philosophischen Ueberzeugung nach ein Vertreter
des sogenannten Monismus und Darwinismus ist. Gelänge es
mir' nun, auf diesem Wege ein Urtheil Johannes Müller's
z. B. über Hm. Ludwig zu vermitteln, so würde nicht nur
dieser, sondern auch sein Freund und Leidensgefährte £. du
Bois-Beymond die Autorität eines solchen Urtheils un-
umwunden anerkennen müssen, denn auch er ist ein begeisterter
Verehrer und Schüler Johannes Müller's und hat zum
Zeichen dieser Hochachtung sein Hauptwerk „Untersuchungen
über thierische Elektricität*' diesem grossen Manne gewidmet.
Wohlan denn, ich bin in der Lage, diesen Geist zu citiren,
indem ich mich des Herrn Professor Ernst Häckel in Jena
als meines Mediums bediene. Ich ersuche den Leser den
2. Theil vom 2. Bande meiner „Wissenschaftlichen Abhand-
lungen '^ zur Hand zu nehmen und daselbst Seite 976 — 978
„zur Abwehr'* aufzuschlagen. Der dort im vorigen Jahre
veröflfentlichte Brief, dessen Absender und Absendungsort
ebenso wie bei allen übrigen Briefen nur durch Punkte an-
gedeutet ist, hat Hr. Professor Ernst Häckel an mich ge-
achrieben und ist aus Jena, d. 30. Januar 1873, datirt. Jeder,
der diesen Brief liest, wird von der Aufrichtigkeit und be-
geisterten Liebe zur Wahrheit des Verfassers überzeugt sein,
und es freut mich doppelt, dieser Ueberzeugung auch von
meiner Seite hier öffentlich Ausdruck verleihen zu dürfen,
weil Professor Häckel wegen seiner wissenschaftlichen Ueber-
zeugungen, die ich durchaus nicht theile, sondern als die
Folgen einer mangelhaften Schulung des Denkens betrachte *),
*) Vgl. „Wissenschaftliche Abhandlungen" Bd. III. Der Spiritismus
imd die sogenannten Philosophen. Offener Brief an Professor Wilhelm
Wundt.
*) Es ist übrigens bei Herrn Häckel, wenn er seine ursprüngliche
Aufrichtigkeit den verführerischen Einflüssen der Eitelkeit eines
populären und berühmten Schriftstellers gegenüber zu bewahren versteht,
4
— 50 —
vielfach in gehässiger Weise angefeindet wird. Der Brief
schildert den Eindruck, welchen mein Buch „über die Natur
der Cometen" auf Hm. Häckel gemacht hat, u. A.. mit
folgenden Worten :
„Vieles, sehr Vieles in Ihrem Buche ist mir ganz aus der Seele ge-
schriehen, und ich kann Urnen kaum sagen, mit welcher Befriedigung und
Genugthuung mich einerseits die Klarheit und Schärfe erfüllte, mit der
Sie die höchsten Prohleme unserer Wissenschaft behandeln , andererseits
der moralische Muth und der tiefe sittUche Ernst, mit dem Sie die Sünden
ihrer Vertreter geisseih. Vieles, was ich selbst in sehr unvollkommner
Form gedacht und erstrebt, haben Sie in der vollkommensten Form vor-
züglich ausgeführt. Wenn ich Eines in Ihrer personlichen Polemik bedaure,
Ro ist es, dass gerade Helmholtz vorzugsweise davon getroffen wird, den
ich trotz Allem immer noch für einen unserer bedeutendsten und ehren-
werthesten Forscher halte; Beweis dafür ist schon, dass er es in der engen
Camera ohscura, die sich heutzutage „Physiologie" nennt, nicht aus-
gehalten hat und zur Physik übergegangen ist. Unter den „wissen-
schaftlichen Physiologen" der Gegenwart, deren enger Gesichts-
kreis ihrem hohlen Dünkel entspricht, war Helmholtz immer
noch ein Phänomen; und ich bedaure, dass nicht Andere, die die Strafe
noch viel mehr verdienen, gestraft worden sind : beispielsweise Ihr Leipziger
College Ludwig, an dem sich das geringschätzige Urtheil, das schon vor
20 Jahren unser grosser, hoch über dieser Physiologie stehender Johannes
Müller fällte, nur zu sehr bewährt hat; welche Phras.eologie! und
welche Einbildung! Glücklicherweise stehen die wissenschaftlichMi
Leistungen der „grossen und prachtvollen Laboratorien" immer im um-
gekehrten Verhältnisse zu dem grossen Aufwände und der glänzenden Aus-
stattung, die sie erfordern; und so werden denn auch die „grossen und
prachtvollen Laboratorien", welche in Leipzig für die biologischen Fächer
errichtet wurden, nicht verfehlen, ihre steril machende und negative Wir-
kung auf die Arbeiten ihrer „exacten" Directoren zu äussern." . . .
die Hoffnung vorhanden, dass er selber seine Irrthümer einsieht und als-
dann öffentlich berichtigt. Bereits gegenwärtig hat er diese Aufrichtigkeit
bezüglich seiner beiden Hauptschriften („Generelle Morphologie" 1866 und
„Natürliche Schöpfungsgeschichte" 1868) öffentlich bethätigt, indem er die
Existenz „jungendlicher Extravaganzen" in diesen Schriften an-
erkennt. (Vgl. „Freie Wissenschaft und freie Lehre, eine Entgegnung auf
R. Virchow's Münchener Rede über die Freiheit der Wissenschaft im
modernen Staate" von Ernst Häckel. 1878). Es zeigt jedoch von grossem
Mangel an praktischem und pädagogischem Verstände, wenn sich Herr
Ernst Häckel mit folgender Frage über seine Jugendsünden zu trösten
sucht: „Was haben denn diese Extravaganzen, die ich jetzt aufrichtig be-
klage, weiter für Schaden angerichtet?"
— 51 ~
y^xaiy hochverehrter Herr College, nochmals meinen hosten Dank f&r
^e freundlichen Zusendungen, noch mehr aher für die viele Erquicknng
^d Belehrung, die ich aus Ihrem Comoten-Buche geschöpft h^he! Letzterem
^tinsche ich von Herzen den weitesten Wirkungskreis und die eindringlichste
Berherzigung von Seiten der aufwachsenden Naturforscher -Generation,
T,^f <fie h(^entlich die PhUosophie mit anderen Augen betrachten wird, als
<b'e gegenwärtige !
Indem ich Ihnen in Gedanken herzlichst die Hand drücke, bleibe ich
^t vorzüglicher Verehrung
Ihr ergebenster
Ernst HäckeL"
Welche Contraste im Urtheil unserer „Männer der Wissen-
schaft" über ein und dasselbe Buch! Während man mich
äuf Grund desselben in Berlin für wahnsinnig erklärte,
wurden mir aus allen übrigen Theilen Deutschlands und so-
g^r aus Amerika begeisterte Zuschriften der Anerkennung
und Sympathie zu Theil!^) Was nun aber das obige wissen-
ßchaftliche ürtheil von Johannes Müller und Ernst
Häckel über unseren Leipziger Physiologen Ludwig be-
^fft, 80 kann ich auf dem Gebiete der Physik jenes Zeugniss
nur unterschreiben. Ich wäre im Stande, dieses Urtheil durch
Berufung auf einige Collegen zu erhärten, gegen welche ich
naich schon früher, lange bevor eine Trübung meiner freund-
schaftlichen Beziehungen zu Ludwig durch Schuld des Letz-
teren stattgefunden hatte, in ganz demselben Sinne ausge-
sprochen habe. Indessen verzichte ich auf eine derartige
Beglaubigung meines Zeugnisses und führe statt dessen die
Thjitsache an, dass Hr. Professor Hugo Krön eck er, der
"^^lirere Jahre hindurch physikalischer Assistent am hie-
sigen physiologischen Institut war, mir bei seinem Scheiden
^^xx Leipzig mittheilte, als ich ihm meine Verwunderung und
°^^in Bedauern über das Aufgeben seiner so unabhängigen
"^cl angenehmen Stellung in Leipzig aussprach, es hätte Hrn.
^ tadwig nur ein Wort gekostet, und er wäre geblieben.
^^ glau>be jedoch, dass dies vorzugsweise deswegen nicht
S^echehen sei, weil häufig Zöglinge des physiologischen In-
®tttutes auf physikalische Fragen von ihm und Hrn. Lud-
wig eine widersprechende Auskunft erhalten hätten,
^) Vgl. Zur Abwehr „WiesenschaftHche Abhandlungen" m. U. Thl. 2.
4*
— 52 -
was selbstverständlich bei öfterer Wiederholung eine Discre —
ditirung ihrer beiderseitigen Autorität auf dem Gebiete detr-
Physik herbeiführen müsste.
Man braucht offenbar weder Physiker, noch Physiologe^^
noch überhaupt ein sogenannter „Sachverständiger^ in demr
Vivisectionsfrage zu sein, um mit Berücksichtigung der soebeia.
angeführten Thatsachen einzusehen, dass bei so ungenü—
genden physikalischen Vorkenntnissen der Vivisectoren der"
wissenschaftliche Gewinn und die Bereicherung der Er—
kenntniss durch diese grausamen Opfer nur ein rein illuso-
rischer sein muss. Ebensowenig wie „der Staat^ und da»
geldbewilligende Volk es öffentlich angestellten Professorei»
der Physik gestatten würde, in ihren Laboratorien „wissen-
schaftliche" Untersuchungen zur Construction eines Perpehmn^
mobile j oder zur mikroskopischen Untersuchung eines einzel-
nen „Lichtkörperchens" oder „Moleküles** anzustellen, um die
„Bewegungen" desselben bei seinen „Wärmeschwingungen"
zu belauschen, — weil solche Untersuchungen bereits durch
das dabei gestellte „wissenschaftliche Problem" eine „Ver-
dunkelung des Verstandes" verrathen würden — ebensowenig
kann es der Staat femer den Vivisectoren bei ihrer „Ver-
standesverdunkelung" im Gebiete der Physik gestatten, ihre
grausamen Massen - Experimente unter Beihülfe studirender
Mediciner fortzusetzen. —
Mancher meiner Leser mag vielleicht glauben, dass die
ol^en von mir angeführten Beispiele von Versuchen über die
mikroskopische Beobachtung „schwingender Moleküle" nur
von mir ersonnen wären, um die wissenschaftliche Ver Stan-
desverdunkelung unserer Vivisectoren künstlich durch
fingirte Unmöglichkeiten zu beweisen. Keinesweges! Hier
gebe ich die Beweise.
Vor 24 Jahren, als ich in Berlin Student der Natur-
wissenschaft und Philosophie war, hatte ich auch bei Hm.
E. du Bois-Reymond ein Colleg über „Nerven-Physik" be-
legt und, nachdem ich mich an die theatralisch-affectirte Vor-
tragsweise des berühmten Physiologen gewöhnt hatte, mit
grösstem Interesse den interessanten Experimenten und De-
monstrationen desselben beigewohnt.
I
— 53 —
Es war um jene Zeit, als die Krönig-Clausius'sche
6afi- und Wärmetheorie, nach welcher die Wärme nichts
anderes ist als die lebendige Kraft der schwingenden Atome
und Moleküle der Körper, die physikalische Welt in Bewegung
setzte. Hr. £. du Bois-Reymond hatte zur Demonstra-
tion von der Existenz mikroskopischer Bewegungen in frisch
getödteten Thierkörpem auch das Pigment eines Karpfenauges
— wenn mein Gedächtniss mich nicht täuscht — unter ein
staric vergrössemdes Mikroskop ' gebracht. Man beobachtete
nun in der That, wie sich kleine schwarze Punkte ohne wahr-
nehmbaren Durchmesser fortdauernd in zitternder und fort-
schreitender Bewegung befanden, ganz ähnlich, wie ich diese
Bewegungen unter dem Namen' der von Brown entdeckten
Molecularbewegung in einem, gleichzeitig von mir bei dem
berühmten und mir nahe befreundeten Chemiker Mitscher-
lich^) belegten, CoUeg über „Phytochemie." an anorgani-
schen Körpern kennen gelernt hatte. Während nun Mit-
scherlich sich damit begnügte, uns einfach mit dieser in-
teressanten, aber noch unerklärten Thatsache der Beob-
achtung bekannt zu machen,*) knüpfte Hr. E. du Bois-Rey-
^) Ich erfülle nur eine Pflicht der Pietät und auMchtigen Dankbarkeit,
wenn ich hier bemerke, dass ich durch Mitscherlich die erste auf-
muntemde Anerkennung bei meinen „photometrischen Untersuchungen**
erhielt Dem tiefen physikalischen Verständniss des Entdeckers der
Isomorphie verdankte ich während meines freundschaftlichen Verkehrs
im Mit seh er lieh 'sehen Hause eine solche Fülle von Belehrung und
Anregung, dass mir der öffentliche Ausdruck dieses Grefühles der Dank-
barkeit hier ein um so wohlthuenderer ist, als mich die später durch seinen
Schwiegersohn Wi e dem ann .eingetretene Trübung des freundschaftlichen
Verhältnisses zu seiner Familie betrübt hat, (Vgl. Zur Abwehr „Wissen-
schaftliche Abhandlungen** Bd. ü.)
2) Vgl. Gehl er 's physikahsches Wörterbuch Bd. VI. S. 1448 ff. Es
heisst hier wörtlich:
„Eobert Brown, ein gelehrter und allgemein hochgeachteter eng-
lischer Botaniker, stellte im Jahre 1827 mikroskopische Beobachtungen über
die in dem Pollen der Pflanzen enthaltenen Theile an, und entdeckte hierbei
Bew^ungen derselben, welche in einem sehr hohen Grade denen der Infu-
sorien niedrigster Ordnung gleichen , und es war keineswegs unnatürlich,
bei diesen Theilchen vegetabilisch belebter Körper an eine Lebensthätigkeit
solcher Thiere zu denken, die in gewisser Hinsicht den TJebergang vmi
— 54 —
mond hieran die tiefsinnige Bemerkung, dass wir hier höchst
wahrscheinlich die Schwingungen und fortschreitenden B%»
wegungen der Moleküle beobachteten, in deren lebendiger
Ejraft nach Krönig und Clausius die Wärme der Körper
bestehe. Schüttelte ich schon damals im Stillen zuweilen dea
Kopf über die „genialen^* Conceptionen des grossen Berliner
Physiologen und Nachfolgers von Johannes Müller (der
mit Mit sc herlich aufs Engste befreundet war), so hielt
ich es im Jahre 1871 für meine wissenschaftliche Pflicht,
öffentlich gegen solche „Verdunkelung des Ver-
standes '^ berühmter Physiker und Physiologen aufzutreten,
damit nicht die heranwachsende Generation der Naturforscher
und Aerzte „hypnotisirt" und angesteckt werde. Denn Ver-
standesverdunkelung gehört zu einer Species von ansteckendea
Krankheiten der allergefährlichsten Art, so dass ihr ganze
Völker zum Opfer fallen können, wie wir dies schon zu
wiederholten Malen bei den Franzosen gesehen und nächstens
wieder sehen werden. Der kühne Gedanke E. du Bois-
den Animalien zu den Yegetabilien bilden. Inzwischen zeigten sehr kleine
Theüchen unorganischer Körper eine ganz gleiche Bewegung, ja es fand
sich, dass diese schon von verschiedenen früheren Beobachtern vermittelst
des Mikroskopes wahrgenommen worden waren, wie denn Brown selbst
Leewenhoek, Stephan, Gray, Needham, Büffon, Spallanzani,
von Gleichen, Wrisberg, Müller, und aus den neuesten Zeiten
James Drummond, hauptsächlich aber Bywater als solche nennt.
Aus seinen Angaben zogen viele die seltsame Folgerung, dass die Ele-
mente aller Körper belebt seien; Brown nennt die beobachteten
beweglichen Theüe thätige Moleküle {Active Molecules) und zeigt, wie
man das Phänomen leicht erhalten kann. Man löst zu diesem Ende am
besten etwas Gummigutt, oder auch Zinnober, fein pulverisirten Sand,
Glas, Korund, Schwefel u. s. w. in Wasser auf, oder vertheilt die Substanz
darin so, dass das unbewaffnete Auge kaum eine Färbung oder Trübung
wahrnimmt^ und bringt davon einen Tropfen von höchstens einer Linie
Durchmesser unter ein Mikroskop von mindestens 3 00 f acher Vergrösserung
des Durchmessers, so zeigen die kleinen, in der Flüssigkeit schwimmenden
Theüchen allerdings eine Bewegung, welche der willkürlichen bei den
kleinsten Infusorien frappant ähnlich ist, ja es lässt sich nicht in Abrede
stellen, dass man bei der Beobachtung der letzteren sich in grosser Ver-
legenheit befindet und nach mehrfach wiederholten Versuchen noch in Un-
^ewissheit bleibt, ob die sich bewegenden Pünktchen solche Moleküle
«4er wirkliche Thierchen.sind."
— 55 —
Seymond's von der Möglichkeit, ein Molekül oder
Atom dutch den Gesichtssinn wahrzunehmen, hatte in einem
Zeitraum von 15 Jahren (1856 — 1871) genügende Zeit, sich
durch „hypnotische" oder „biomagnetische" Einflüsse unter
^en Völkern germanischer Abstammung zu verbreiten. In
der That war ein so bedeutender und scharfsinniger Physiker
und Physiologe wie Hr. Helm hol tz von der Verstandes- Ver^
donkelung seines Freundes £. duBois-ReyiAond ange-
steckt worden, während Letzterer fast gleichzeitig im Februar
des Jahres 1872 mir schriftlich erklärte:
„Ich habe eine grenzenlose Verehnmg für Helmholt z' Talent, und
fahle jetzt wie vor 25 Jahren, dass ich ein Kind neben ihm bin".*)
Da es nun aber bekanntlich auch sehr gefährliche und
ansteckende Kinderkrankheiten gibt, vor denen auch
Erwachsene bei unvorsichtigem Umgang mit den kränken
Kindern nicht geschützt sind, so hatte sich Hr. Helm-
holtz mit Unterlassung dieser Vorsicht leider mit einem
solchen Gelehrten, G. Wertheim*) associirt, um im Jahre
1871 in einer „wesentlich für Lernende bestimmten" deut-
schen Uebersetzung eines englischen „Han.dbuches der tbeo^
retischen Physik" öffentlich zu erklären, die Newton'sche
') Vgl. „WissenschaftHche Abhandlungen" Bd. U. Thl. 1. S. 1064.
*) ,JIandbuch der theoretischen Physik von W. Thomson und Tait"-
Autorisirte deutsche üebersetzimg von Dr. H. Helmholtz und G. Wert-
heim. (Braunschweig 1871 bei Vieweg.) Vgl. S. 349 — 351. — Um Miss-
Verständnisse zu vermeiden, erlaube ich mir zu bemerken, dass der Ueber-
setzungs-Associe von Hm. Helmholtz nicht der Vivisector G. Wertheim
in Wien ist, wie durch directe Anfrage ermittelt wurde, sondern ein Lehrer
an der israelitischen Gemeinde in Frankfurt a. M., der sich mit der Ueber-
setzung auch anderer mathematischer Werke (z» B. von Serret's Algebra)
befasst hat. An der Uebersetzung des neuesten Werkes von Tait („Vor-
lesungen über einige neuere Fortschritte der Physik. Autorisirte deutsche
Ausgabe von G. Wertheim") hat sich Hr. Helmholtz nicht betheiligt,
was ich im Interesse seiner Ehre hier ausdrücklich bemerke. Denn in
dem genannten Werke wird imser berühmter Landsmann Dr. Robert
Mayer in Heilbronn noch kurz vor seinem Tode mit so grosser Scham-
losigkeit behandelt, dass kein deutscher Gelehrter mit nationalem und
menschlichem Mitgefühl, mag er noch so wenig Tact besitzen, sich an der
Verbreitung solcher Schriften von unfähigen und alimassenden englischen
Autoren ohne Erröthen betheiligt haben würde.
meIH
— 5ti —
S^SSonstheoiie des Lichtee hatte „eine Zeif'lang groaaeE
Unheil gestiftet und sich nur rechtfertigen lassen, wenn eii^
LichtkÖrperchen wirklich wahrgenommen und anter —
sucht worden wäre".
Ich hatte nun bereits vor 8 Jahren in meinem Cometen —
buche die Herren Ilelmholtz und G. Wertheim dar»
aufmerksam gemacht, ditss in der Forderung, ein Lichiki
perehen zu sehen, ein „grober Denkfehler' stecke.
Es ist mir nicht gelungen, Hm, Helmholtz durch mej
Deductjonen von der logischen Unzuläesigkeit zu über-
zeugen, welche in der Forderung, ein „Lichtkörperchen wahr —
zunehmen imd zu unlerBuchen", liegt. Er räumt zwar di^
practische Schwierigkeit einer solchen Unterauchung ein^
deren Ueberwindung er den englischen Physikern Thomsoa
und Tait überlässt, behauptet dagegen in seiner Erwiderung-
im 2. Thell der Uebersetzung des englischen Originalwerkes
(Vorrede S. X) die logische Zulässigkeit. Es blieb mir
nun nichts anderes übrig, als nochmals im 1. Bande meiner
wiseenschaftlichen Abhandlungen S. 120 Hrn. Helmholtz
bemerklich zu machen, daes eben ein grober Denkfehler
in der Forderung liege, „dasjenige Medium wahrzunehmen,
welches man zur Erklärung der Wahrnehmung und Vermitte-
lung entfernter Objecte mit unseren Sinnen hypothetisch vor-
ausgesetzt hat. Denn konnte man wirklich dieses Medium
selber wahrnehmen, so niüsste man zur Erklärung dieser
Wahrnehmung aus ganz denselben Gründen wieder ein zwei-
tes Medium zur Vermittelung derselben annehmen und so fort
in ii^initum,"
Gesetzt nun, ein Vivisector, der an die Richtigkeit der
Worte von Thomson, Tait und Heluibolz glaubt, käme
auf den Gedanken, in ähnlicher Weise wie Hr. E. du
Bois-Reymond am Karpfenauge, die schwingenden Mole-
küle eines lebenden Hundegehirns mikroakopisch zu beob~
achten und zu untersuchen, ob die Form dieser Schwingungen
sich mit den Vorstellungen ändere, je nachdem man z. B.
dem partiell seines Schädeldaches beraubten Hunde ein Stück
Wurst oder Schinken vorhält. Wer will die hohe wissen-
achafllicbe Bedeutung eines solchen Versuches unter Voratw-
— 57 -
mg der logisch widerainnigen Prämisse beaireiten, das»
R überhaupt möglich sei, e'm Atom oder „Gehimmolekül"
ifcroskopisch wahrzunehmen? Einem solchen, nur aus Ver-
Ptsndesverdunkelung entsprungenen, „wissen schuftlichen
koblem" würden nun Dutzende von unglücklichen Hunden
(Opfert, bei denen nicht einmal die Narkntisirung angewandt
dürfte, da hiedurch die lebhafte Entwickelung der
iratellungen von Wurst und Schinken gehindert würde. —
, um ein anderes Beispiel zu wählen, welches bei Ver-
pikeluDg des moralischen Instinktes von den Vivisectoren
gestellt werden könnte. Gesetzt, die sociuliBtiache Propa-
1 und Presse wäre nicht durch die Energie und deu ge-
pden Verstand des Fürsten von Bismarck durch Erluss
1 Social! et engeseizee unterdrückt worden und wir hätten in
pUn eine zweite Auflage der Gräuel der, französischen Com-
me erlebt. Mit Hülfe der Guillotine hätten Massenhinrich-
igen stattgefunden und die Herren E. du Bois-Rey-
ond, Ludwig und Wertheim wären auf den Gedanken
gekommen, die Schwingungen der Gehirnmoleküle in den
frisch geköpften Menschen, unmittelbar nach der Hinrichtung,
t. untersuchen, um beispielsweise die vollkommen unlogische
zu beantworten , ob Empfindung und Bewusstsein un-
Ittelbar nach der Trennung des Kopfes vom Kumpfe aus
1 Körper entweichen. Ich behaupte, daa blosse Verlangen,
tee Frage auf dem Wege des Versuches zu entscheiden,
\ ein Beweis von Veratandesverdunkelung, denn erstena gibt
ea bekanntlich Zustände im sogenannten Scheintodt, bei
welchem vollkommnes Bewusstsein ohne alle äusseren Zeichen
einer Lebenslhätlgkeit stattfindet, und andererseits ist der Be-
hia von der Existenz der Empfindung in einem Körper nur
|r höchst unsicherer Analogieechluse aus gewissen Bewegungen,
Deutung aber nur so lange güllig ist, als normale
ingungen stattfinden^). Ich behaupte also, die Frage, ob
: Kopf eines Menschen unmittelbar nach seiner Hinrichtung
he Empfindung und Gedanken sei, lässt sich gar nicht auf
I Wege äusserer Beobachtungen entscheiden. Nur Vivi-
t ") Vgl. Natwr der Cometon. 3. 321.
j::^
I habe n.
1 Eäm^^l
bS
aectoren und Aerzte mit verdunkeltem Verstände könnten
solche Versuche anstellen und sich in Zeiten der Revolution
vielleicht mit ihren Studenten um die Guillotinen aufstellen,
um zur Äbwechelnng Menschenköpfe statt Hunde- und Ochsen-
köpfe zu untereucheD. Meine Leaer mögen nicht glauben,
dass derartige „wissenschaftliche" Demonstrationen gänzlich
ausserhalb dem Bereiche der Möglichkeit liegen. In Frank-
reich scheint man im Hinblick auf die sich vorbereitenden
Ereignisse bereits mit derartigen Studien begonnen zu habeQj_
wie die folgende Nachricht^) aus Paris beweist:
„Paria, 13. November. (Esporimeiite an einfcm Hiügorichtet^
In Geauv^B trurde heut« früh an einem gemeinen Mörder , dem i
Prunior, die Todesstrafe vollstreckt und der Leichnam UBgewülinlieher
Weise unmittellmt nach der Hturiclitucg mehreren Äersten, den Doctoien
Evrard, Gerangnissarzt von Beauvais, Decaiane von Paria, Chovallier
von CompiegQO u. Ä. behufs physiologischer Experimente znt Verfügung
gestellt. Nach einer der „France" von einem dieser Herren KUgegangenen
Depesche hatten die an dem Eopfe des Geriubtefen fünf Minuten nach der
Guillotiiiirung angeatellten Beobachtungen in Oebereinatimmung mit früherem,
welche Dr. Evrard im Jahre IBTO gemacht hatte, ala unKneifeUtaft
ergeben, daaa der Tod durch Entha.uptung augenblictlieh eintritt. Das
G«him Prunior's veraah keine Lebensfvmction mehr und hatte keinerlei
Empfindung, obgleich der Kopf, wie gesagt, eben erat vom Rumpfe getrennt
var. Die genannten Aerzte werden ihre Beohachtnngen zum Gegi»iBtandc
eines Berichtes an lUo Aüodemie de midecine machen,"
Man braucht kein „Mann der Wissenschaft" zu sein,
um sich eine Vorstellung von den moralischen und intellectu-
ellen Eigenschaften einer Generation von Aerzlen zu machen,
die unter solchen Eindrücken herangewachsen sind und ihre
„theoretischen" Kenntnisse aus dem oben erwähnten Werke
des im Leipziger physiologischen Institut und Vivisectoriuin
ausgebildeten russischen Professors Cyon geschöpft haben. In
der That, wenn mau sich nochmals die von Hrn. Cyon in
seinem Werke so beifällig citirten Worte des französischen
Vivisectors Claude Bernard vergegenwärtigt:
,J)er Physiologe ist nicht ein gewöhnlicher Iilenacli, er ist ein UelohTt«r,
ein Mensch, der von einer frissenschaftlichen Idee ergriffen und vollständig
von ihr absorbirt ist: er hört nicht mehr das Schmerzenagoachrei
der Thiera, er aieht nicht mehr das Blut, welches vcrgüssen
>)^
, „Post" V. 17. f
— 59 —
wird— er sieht nichts weiter als seine Idee und Organismen,
welche ihm die Probleme verbergen, die er entdecken will",
and berücksichtigt, dass, nach diesem Citat der Worte des
französischen Vivisectors Claude-Bernard, der Schüler
and Freund des deutschen Vivisectors Ludwig in Leipzig
wie folgt fortfährt:
„Die Freude über die überwundenen, früher für unüberwindlich ge-
haltenen technischen Schwierigkeiten — bietet immer einen der höchsten
Genösse des Vivisectors. . . . Gar manche chirurgische Operation
wird weniger zum Heilen der Kranken (!!) als zum Nutzen der
Wissenschaft vorgenommen. ..."
Ich sage, wenn man solche offenen Geständnisse von „Sach-
verständigen" liest — (nicht eines Afrikareisenden, wie Herr
Ernst von Weber oder des y,tapferen Degen" General von
Blumenthal, die ja als „Laien" nichts von der „wissen-
schaftlichen" Vivisection verstehen) — so fragt man sich
unwillkürlich, wo ist bei jenen „Männern der Wissenschaft"
die Grenze für die „höchsten Genüsse des Vivisec-
tors?" Sollte sich dieser Genuss nicht vielleicht noch da-
durch steigern lassen, dass „unter Conttole und Aufsicht des
Staates" Vivisectionen an zum Tode verurtheilten Verbreche-
rinnen, z. B. Kindesmörderinnen, oder, falls sich Studen-
tinnen der Medicin^) an derartigen Vivisectionen „zur Förde-
rung der Wissenschaft" betheiligen, an anderen Todescan-
ditaten gestattet würden? — Nur keine sittliche Entrüstung,
meine Herren Vivisectoren , beim Lesen dieser Worte, die
Sie vielleicht für ein unwürdiges Mittel „zur Aufreizung des
Pöbels" halten, indem ich an Unmöglichkeiten appellire.
Keineswegs; ich bin im Stande, hier sogar die Namen
von 13 Menschen beiderlei Geschlechts anzuführen, welche
zur Zeit der höchsten Blüthe der italienischen Cultur, im
Medieeischen Zeltalter, der medicinischen Facultät der Uni-
versität zu Pisa zum Zerschneiden bei lebendigem Leibe
übergeben worden sind, um in ganz ähnlicher Weise, wie
heut in unserem aufgeklärten Zeitalter der Humanität, lebende
Hunde „zum Nutzen der Wissenschaft" und zum „Heile der
leidenden Menschheit'* vivisecirt zu werden. (Vgl. S. 77 ff.)
^) Dass es „Studentinnen der Medicin" giht und gegeben hat, besonders
in Zürich und Genf, ist hofFentUch meinen Lesern bekannt.
Ich entnehme die folgenden Angaben der vor KurzesL
erschienenen kleinen Schrift „Bern ard 's Mftrtyrs"^) uncL
beschränke mich darauf zu constatiren, dass unter den 1^
Opfern der Wissenschaft sich drei Kindesmorderinnen be—
fanden, an denen die Todesstrafe nicht vom Henker voll—
streckt wurde, sondern welche „unter Controle de»
Staates" mit den Worten ^yDucatur Pisis, pro facienäo cfe
ea notomia^^ (sie soll nach Pisa geschickt werden, um an ihr
anatomische Studien anzustellen) an die medicinische Facultät
der damals in grösster Blüthe stehenden Universität ab-
geliefert wurden.
Gern würde ich meinen deutschen, der englischen Sprache
unkundigen, Landsleuten das Erröthen über diese sittliche Ver-
wilderung unter den Männern der Wissenschaft erspart haben^
Indessen ich hielt es für nothwendig, meine Quelle S. 77 — 80
auch in's Deutsche zu übersetzen, wobei ich bemerke, dass
diese historischen Thatsachen durch Studien in den Toscanischea
Archiven von Professor Andreozziin einer Schrift festgestellt
worden sind (Leggi Penali degli Äntichi Cinesi), welche direct
mit der Vivisectionsfrage gar nichts zu schaffen hat. Der
Verfasser der unten citirten Schrift schliesst seine hieran
geknüpften Betrachtungen mit folgenden Worten:
„Wir haben also hier einen historischen Beweis, dass (in dem Zeit-
raum von 1545 — 1570) 13 Männer und Frauen in dem civilisirten Italien,
in dem berühmten Zeitalter der Kunst und des äusseren Glanzes, mit
voller ruhiger Ueberlegung von der Executivbehörde der Toscanischen
Kegierung den Männern der Wissenschaft übergeben worden sind, gerade
so wie dies heute den modernen „Männern der Wissenschaft" gegenüber mit
Hunden „als fleischfressenden und für derartige Versuche geeigneten
Thieren" geschieht. . . .
„Es ist so oft mit Stolz gerühmt worden, besonders von Dr. Draper,
dem viel bewunderten Lehrer Professor Tyndall's, dass die „Wissenschaft"
stets barmherzig, frei von, Blutschuld, stets nur Wohlthäterin und niemals
ein tyrannischer Unterdrücker sei, und dass sie, im Gegensatze zur Beligion,
niemals Märtyrer aufzuweisen habe. Dank dem Herrn Andreozzi,
werden wir in Zukunft wissen, wie viel man von solch ruhmredigen Phrasen
zu halten habe."
^) Bernard'sMartyr's. AcommentonClaudeBernard''8 y^Legons
de Physiologie opiratoire, Edited, vnih a pre/ace, hy Francis Power
Cobbe, London, 1. Victoria- Street , Westminster.
— 61 -
„Wir hören fortwährend versichern, dass es nur die reine Liebe und
der Eifer für die lautere Wissenschaft sei, welche unsere modernen Physio-
logen zu ihren Torturen der Thiere antreibt, in IJebereinstimmung mit
ihrer lieblingsphrase : „„bereit eine Hecatombe von Hunden zu opfern,
am die Leiden eines einzigen Menschen zu lindem.*'"
„Wir haben jetzt einen entsetzlichen Fingerzeig, wie wenig der blinde
Wahn einer wissenschaftlichen Untersuchung an Gehirnen und Eingeweiden
in Wirklichkeit der Ausdruck des Mitleides für menschliches Leiden
ist— wie wenig dieser Wahn davon abhält, dem Menschen Schmerzen
zuzufügen anstatt ihn davor zu bewahren."
Um diesen Beweis zu liefern, habe ich das Vorstehende
angeführt. Ich bin weit entfernt, dadurch behaupten zu wollen,
dass auch nur ein einziger unserer modernen deutschen Vivi-
sectoren schon heute im Stande wäre, solche Grausamkeiten .
an Menschen zu verüben, sondern ich wollte nur zeigen, bis
zu welchem Grade durch die Abstumpfung des moralischen
Gefühles die BegrifTe von den Aufgaben der Wissenschaft
verwirrt werden können. Ich bin auch fest überzeugt, dass
Professor Ludwig selber die obigen Worte seines Schülers
Cyon über die „höchsten Genüsse des Vivisectors" miss-
billigt. Aber gerade dies ist ein schlagender Beweis dafür,
wohin die durch eine berufsmässige Vivisection bewirkte Ab-
stumpfung des menschlichen Gefühls bei der nächsten
Generation führen kann.
Es ist hiermit genau so wie mit den Socialdemokraten. ,
Niemand wird einem so unbescholtenen und aufrichtig von
seinen Ideen erfüllten Socialdemokraten wie Hrn. Bebel zu-
muthen, dass er selber jemals das Attentat und den Meuchel-
mord als Mittel zur Verwirklichung seiner Ideale billigen würde.
Aber er ist ein ebenso schlechter Psychologe wie unsre Vivi-
sectoren, wenn er glaubt, es bereite die fortgesetzte sociali-
stische Propaganda in der Presse nicht den Boden vor, aus
dem Sumpfpflanzen wie HÖdel und Dr. Nobiling oder die
russischen Nihilisten wie Pilze und „Giftbäume" hervorspriessen.
Deshalb hat die deutsche Begierung die Nothwendigkeit des
Socialistengesetzes erkannt und aus denselben Gründen
wird sie, wie ich bereits vor 2 Jahren erklärt, die Nothwendig-
keit eines Antivivisectionsgesetzes erkennen und dem
entsprechend handeln. Professor Felix Dahn hatte in
\'
— 62 —
gleicher Erkenntniss dieser Gefahren seinen Empfindungei
folgenden poetischen Ausdruck^) beim zweiten Attentate auf
unsern Kaiser verliehen:
„Giftige Fäulniss ergriff dies Geschlecht!
Aber gedenkt, dass der Jugend Becht,
Dass es die Zukunft zu retten gilt,
Hoch erhebet des Eechtes Schild!
Schlagt mit dem Schwerte des Kaisers daran:
In der Scheide nur trug es der mildeste Mann!
Dröhnend und drohend über das Beich
Schalle der eherne, warnende Streich:
Frevler zu schrecken, Säum'ge zu wecken.
Alle zu mahnen, den Kaiser zu decken!
Wahrlich, Ihr deckt mit dem Kaiser zugleich
Nicht nur die Ehre, den Ruhm und das Beich —
Alles was heilig ^nd edel und theuer:
Bildung und Zucht und des Herdes Feuer!
Lasst, ihr verblendeten Brüder, das Zanken!
Fühlt ihr den Boden des Hauses nicht wanken?
Tretet sie aus, die aufzüngelnden Flammen —
Krachend sonst brechen die Balken zusammen!"
In voller Uebereinstimmung mit diesen Worten eines
deutschen Professors spricht sich auch die Nationalzeitung
vom 8. Juni 1878 als ofBcielles Organ der national-liberalen
Partei in Berlin über den gegenwärtigen sittlichen Zustand
unseres Volkes wie folgt aus:
„Bis in die Tiefe des Abgrunds sollen wir hinabblicken, an dessen
Bande wir, wie Nachtwandler plötzlich aufgeschreckt, stehen. Ein Chaos
wild gährender Elemente tobt da unten. Im ersten Anblick erscheint es
uns unnatürlich, grauenhaft, wie von einem andern Stern auf den unsrigen
verweht, wie Milton's Pandämonium. Blickt aber nur näher zu: ihr
werdet dort unten dieselben treibenden Kräfte wie in der
oberen Sphäre, die uns umgibt, erkennen. Die Bildung der
oberen Zehntausend ist wieder einmal in die Tiefe hinab-
gesickert. Das ist Alles. Wenn ein Philosoph zu den französischen
Edelleuten im Jahre 1793 gesagt hätte: „Was schreit ihr über die Greuel,
die geschehen? Wer hat die verhängnissvollen Lehren der Vernunft und
der Freiheit zuerst gelesen, angestaunt, bewundert? Etwa die zwanzig
Millionen, die jetzt diesen Höllenlärm vollführen und weder lesen noch
schreiben können? Nein — ihr wäret es!" — was hätten sie ihm ant-
*) Vgl. Leipziger Tageblatt v. 12. Juni 1878. (8. Beilage.)
— 63 —
Worten sollen? Derselbe Geist, der diese vornehme und ausschliessliche
Gesellschaft siebenzig Jahre lang bewegt, dessen Flügelschlag ihr gleich-
sam die Lebensluft zugeführt hatte, war jetzt zu der Masse hinabgestiegen
;Qnd sachte in unerhörten Thaten und Ausbrüchen nach einer neuen Staats-
und Gesellschaftsform, in der er sein eigenstes Wesen zu verkörpern im
Stande war. Da schien das schönste in das Hässlichste verwandelt, zur
dämonischen Fratze die Humanität entartet.
Einem ähnlichen Schauspiel wohnen wir bei. Wer fünfzig Jahre
: znrockdenken kann, hat einen ungefähren Maasstab für die Veränderungen
imserer Zustände. Niemals sind sie in einem so kurzen Zeiträume so
weltomgestaltend aufgetreten. Eisenbahnen, Telegraphen haben unser
Leben von Grund aus umgekehrt und gewandelt. Noch einmal so bekannt
ist uns die Welt geworden. Die tiefsten Einblicke in die Natur hat die
Wissenschaft gethan. Luxusbedürfnisse, die sich heute der Aermste ge-
stattet, musste in den zwanziger Jahren des Jahrhunderts noch der
Reichste entbehren. Während es damals keine Theilnahme an den öffent-
lichen Dingen, keine freie Presse, keine Versammlungen gab, liest jetzt
jeder Arbeiter seine Zeitung und nimmt durch das allgemeine Wahlrecht
Theil am Staat. Wie im Eldorado das Gold, liegt bei uns eine gewisse
Bildung auf der Strasse, sie wird so gut wie umsonst vertheilt. Zahllose
Staats- und G«sellschaftseinrichtungen wirken in gleicher Richtung.
Dadurch ist allmälig die unterste und breiteste Volksschicht in allen
europäischen Staaten in eine ungeheure Bewegung und Wallung gerathen ;
ihr Denken und Dichten zittert und schwankt ebenso, wie das Auf und
Ab ihrer Wanderungen von dem Lande in die Fabriken, von den Fabriken
wieder zurück auf das Land. Alles Feste und Sichere ist ihr wie imter
den Füssen weggezogen. Mit unausgetragenen Bildungskeimen haben sich
phantastische Hoffnungen verbunden ; seit der Entdeckung der Golddistrikte
in Califomien, der Diamantfelder in SüdaMka hat auch das Schlaraffen-
land an Wahrscheinlichkeit gewonnen. Um so mehr, da die Majorität
auch bei uns die Macht und das Recht erlangt hat. So wirr es in den
Köpfen der Menge aussieht, so wild gährt es in ihrem Herzen. Der plötz-
liche, unvermittelte Zuwachs an Bildung erhöht wohl die geistige Kraft
und Fähigkeit des Einzelnen, erweckt aber auch zugleich in ihm eine
quälende Unzufriedenheit mit seinem Zustande. Vor einem Jahrhundert
var die Greniesucht eine Krankheit der Poeten, jetzt leiden alle an der
Grossmannsucht. Jeder strebt über seine Verhältnisse hinaus, Niemand
will sich bescheiden und beschränken.
Von den gebildeten, den wohlhabenden Klassen ist der erste Drang
und Trieb zu all' diesen Veränderungen, Anschauungen, Ideen ausgegangen.
Wie dieser Drang mit zwingender Nothwendigkeit sich in uns erhob, die
£rde mit den bewunderungswürdigsten und segensreichsten Erfindungen
erfailte, alle Völker einander näher brachte, ein grösseres Wohlbehagen,
als es noch je im Allgemeinen auf diesem Stern vorhanden gewesen war,
schuf, 60 unvermeidlich war es auch, dass er sich von Jahrzehnt zu Jahr-
7 7 \r
^tdüL UUbi^jH,
1,
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f\
-- 64 -
zehnt weiter nach der Tiefe und Breite zu ausdehnen musste. Kein^
Gewalt hätte diese Consequenzen verhindern, keine wird sie jetzt rück-
gängig machen können. Nicht das Volk, die Bildung hat sich zuerst von.
den idealistischen Anschauungen abgewandt. Ist es immer die künstlensche
Vollendung seines Werkes — oder ist es oft nur der Erlös , den er dafür
erhält, an dem sich der Künstler freut? Alles verlachen, bewitzeln, ver-
spotten, was ernsthaft auftritt, was über den augenblicklichen, physischen
Genuss hinaus nach einer dauernden seehschen Befriedigung trachtet, ist
längst bei uns Sache des guten Tons. Von dem Katheder der staatlichen
Universitäten herab wird das Eigenthum ebenso angefeindet, wie von dem
Biertisch der Dorfschenke, worauf der Agitator gestiegen.. Jahre hindurch
war Lassaile, der Schöne, der Geniale, das verwöhnte Schooskind der
Berliner Gesellschaft. Niemals hatten vordem grosse Vermögen das frech
Herausfordernde, das die Parvenüs unserer Gründerzeit zur Schau trugen.
Während Alle wussten, mit welchen Mitteln oft diese Eeichthümer, diese
Paläste erworben waren — was that die anständige Gesellschaft? Sie
drängte sich zu den Belsazarfesten dieser Glücklichen.
So stark sind unter uns die Sucht zu erwerben und der Drang sich
mit politischen Dingen zu beschäftigen geworden, da«s sie jedes edlere
Interesse aufgesogen haben. Mit der Freude an den Dingen, die eine
längere Dauer haben, als die Stunden eines Tages, ist uns die Freudigkeit
des Lebens selber verloren gegangen. Schopenhauer imd Hartmann
sind unsere Propheten. Und wir wundern uns, wir wollen uns beklagen,
dass die Masse jetzt unsere innersten Gedanken in ihrer Form ausprägt?
Weil uns die rohe Ungeberdigkeit der socialdemokratischen Aufwiegler
abstösst — können wir vergessen, dass wir ihnen das Wort auf die Zunge
gelegt? Prospero war es, der Caliban „streichelte, der ihn das grosse
und das kleine Licht benennen lehrte". Jetzt hat sich Caliban aufgerichtet
und ist riesenstark geworden, dass wir vor ihm erschrecken. Wenn aber
alles nur nach Besitz drängt und rennt, wer will es der darbenden, ob-
dachlosen Menge verargen, dass sie jede Scheu und Furcht hinter sich
wirft und nach Aenderung einer gesellschaftlichen Ordnung strebt, in der
sie einzig und allein den Egoismus herrschen und den blinden Zufall
walten sieht?
^n grosses nationales Unglück, die Schlacht bei Jena, hat schon ein-
mal unser Volk aus Verirrungen und Versumpfung emporgerissen. Keine
politische Keaction ist eingetreten — im Gegentheil eine befreiende Gesetz-
gebung, die verständigste, die wir noch gehabt haben. Aber nicht das
Gesetz allein besserte den Staat; unsere Eltern besserten sich selbst.
Das war die Hauptsache. Sie reinigten sich von Uebermuth, Eitelkeit
und Genusssucht; die Noth der Zeit wie der eigene Wille wandelten dass
Lotterleben in spartanische Strenge und Einfachheit um. Männer standen
unter ihnen auf, die mit flammenden Worten alle edelsten Empfindungen
des Herzens zu wecken verstanden Wieder ahnte xmd trachtete man nach
Sehätzen, die nicht von Motten oder von Rost zerfressen werden, Eoügion
- 65 —
und Philosophie, Verstand und Gemüth suchten sich von Neuem einander
m fl^em, mit einander zu verständigen. Und so, indem wir uns wieder
an eine heilige Sache hingaben, wieder opfern lernten , die Vornehmsten,
^e Gebildetsten Toran , indem von den Armen nichts gefordert wiirde,
iras die Besitzenden nicht im erhöhten Maasse zu leisten willig waren, zer-
brachen wir das Joch des fremden Eroberers.
£ine solche Einkehr thut unserer Gesellschaft noch nöthiger als
pohtische Gesetze. Hören wir nur selbst erst auf mit den socialdemo-
iratischen Ideen zu liebäugeln; zerschneiden ^lir das Tischtuch mit unsem
^Feinden, wo wir sie finden; verbannen wir jene feige Sentimentalität, die
den Guten für den ersten besten Bösewicht vogelfrei macht. Nicht von
[Rechten, von unsem Pflichten sei zuerst die Eede. Wenn wir ims selbst
bescheiden lernen und durch unsere Lebensführung beweisen, dass wir
etwas Besseres imd Höheres anerkennen und erstreben als Erwerb und
Sinnengenuss; wenn wir nicht faul die Hände in den Schooss legen, sondern
muthig unsere Besitzthümer gegen die andringenden Barbaren vertheidigen ;
wenn wir dem Gesetz gehorchen und nicht beständig daran nörgeln, dem
Wissen gegenüber den Charakter in sein Eecht wieder eintreten lassen,
'dann werden wir auch von den Andern Zucht, Entsagung und Gehorsam
fordern dürfen. Die Krisis, die wir durchmachen, ist wesent-
lich eine sittliche; wenn es uns nicht gelingt, den morali-
schen Begriffen und Vorstellungen wieder Geltung zu ver-
schaffen, auf denen unsere Kultur beruht, so sind alle
andern Mittel zu ihrem Schutze vergebens. Diejenigen
aber, die sich feige selbst aufgeben, sind auch nicht werth
von Andern gerettet zu werden; Ariel wird ewig Calihan be-
kam pfe^."
Nachdem kaum anderthalb Jahre seit dieser patriotisch
bewegten und von Wahrheit erfüllten Straf- und Busspredigt
der National Zeitung verflossen sind, ertönt heute am 3. De-
cember 1879 abermals die nationalliberale Gerichtsposaune
derselben Zeitung mit folgenden Worten:
(National-Zeitung d. 3. Deceiuber 1879.)
^,Da8 Attentat auf den Kaiser von Eussland.
Ein neues Verbrechen!
Die Sprache verarmt aUmälich, ihr Vorrath wird unzureichend, den
stetig sich steigernden Missethaten mit den Ausdrücken des Zornes und
iies Abscheues zu folgen. Die Eömer müssen einstmals ähnüch empfunden
baben. Als der spraddiche Ausdruck sich erschöpft hatte, das Unerhörte,
das Verruchte, das ünglaubUcfie, das Fluchwürdige zu bezeichnen, da griffen
sie resignirt zu dem schlichten, alltäglichen Worte „neu^S ^^^ni das zu be-
zeidmen., was sich auf jenen Gipfel menschlicher £ntartung gewagt hat,
irohin der redliche Sinn sich kaum mit der Gabe der Auffassung wagt.
h
— 66 —
Em neues Verbrechen ist geschehen! Zu den übrigen verbrecherische]
Handlungen, welche diese letzten Monate als eine Zeit des Unglücks, deir
Schande und des Absehens erscheinen lassen, gesellt sich ein neues Yer—
brechen. Schon darum entsetzlich, weil der Frevel von heute den FreveZ
von gestern und vorgestern, an welchem die Zeit begonnen hatte , ihre
versöhnende Macht geltend zu machen, uns wiederum in seiner ganzen
blutigen, höhnischen Gestalt vor die Augen führt, weil er alle die "Wunden
wieder aufreisst, die nach langem Schmerze sich geschlossen hatten. Wenn
das Wort „Königsmord", „Kaisermord" zu unseren Ohren dringt, sei e»
von der Newa oder vom Manzanares oder vom Tiber her, so ergreift uns
die Erinnerung an jene dunlj;elen Tage, in denen aus gleicher Veran-
lassung Schmach und Gram sich auf unser Volk herabgesenkt hatten.
Ein neues Verbrechen, nicht allein der Zeit, auch der Art nach. Mit
neuen Waffen ist gekämpft worden, unreiner, vergifteter als sie jemals
gegen das heilige Haupt eines Gesalbten erhoben worden sind. Noch liegt
die Missethat in halbem Dunkel; noch vermögen wir den Zusammenhang
nicht zu enträthseln. Es ist, als sollte unser Auge geschont werden, auf
dass es sich an den neuen Gräueln aUmälig gewöhne, dass es sich langsam
vorbereite, etwas zu ertragen, was zu schauen nie zuvor einem mensch«
liehen Auge zugemuthet worden ist.
In der Nacht vom Montag zum Dienstag ist der Versuch
gemacht worden, den Eisenbahnzug, auf welchem Kaiser
Alexander sich befand, in die Luft zu sprengen. Die Wirkungen
des Verbrechens gingen fehl; die Explosion traf einen anderen Zug, und
.soviel bisher bekannt, sind Menschenleben nicht zu beklagen.
• Wir denken zur Vergleichung zunächst an jenen erschütternden Frevel,
der am 11. Dezember 1875 in Bremerhaven zum Ausbruch kam, an den
Versuch eines Mannes, ein grosses, mit Menschen und Gütern beladenes
Schiff in die Luft zu sprengen. Es war eine schauerliche That, ungeheuer
in dem Entschlüsse , der sie geboren , verderblich in den Folgen , die sie
gezeitigt hat. Wenn es diesem Verbrechen, das die ganze gesittete Welt
in Aufregung versetzt hat, gegenüber Einen Trost gab, so war es der,
dass diese That geboren und gereift war in der dunkeln Brust eines ein-
zigen Menschen. Sie war verübt, ohne dass sie vorher ausgesprochen
war. Der Verworfene hatte nicht gewagt, für sein Unternehmen das Ver-
trauen eines anderen Menschen in Anspruch zu nehmen. Jahre lang
hatte er im Dunkeln gebrütet , bis er seine Vorbereitungen beendigt hatte.
Hier' aber handelt es sich zweifellos um ein Komplott; es ist nicht
(lenkbar , dass ein Unternehmen dieser Art zu Stande kommen konnte,
()hne dass eine ganze Anzahl von Personen sich zu diesem Zwecke ver-
))unden hatten. Das ist das Entsetzliche der nihilistischen Bewegung, dasa
hier jeder Kest von Scham, von Gewissen verloren gegangen ist. Gedanken,
(Ue ein normalei: Mensch nicht zu fassen vermag, die selbst der verhärtet»;
Verbrecher nur scheu und in der Einsamkeit mit sich herum trägt, werden
in diesen Kreisen in der Weise besprochen, in welcher man auf dem offenen
eh,'
— 67 —
Harkte erlaubte Geschäfte bespricht. Biese gänzliche AbtödtuQg aller
inenschlichen Gefühle ist es, welche unser Blut erstarren macht.
Wir preisen die Vorsehung, die abermals den Kaiser Alexander vor
den Anschlägen der Mordgesellen gnadenvoll und wunderbar behütet hgi*
Die Gefühle, die wir für diesen Monarchen hegen, sind von sehr klarer
imd leicht zu beschreibender Art. Er ist der Verwandte und Freund
anseres erhabenen Kaisers und wir danken ihm für die ritterliche und
pietätsYolle Haltung, die er unserem Herrscher gegenüber stets an den
Tag gelegt hat. Er ist ein milder und gerechter Fürst, der nach bestem
Wissen und bester Kraft bemüht gewesen ist, sein Volk auf eine höhere
Stufe der Entwicklung zu heben und veraltete Beste einer barbarischen
Zeit zu beseitigen. Diese rein menschlichen Gefühle werden durch nichts
berührt, auch nicht durch die Irrungen, die sich in der letzten Zeit auf
dem Felde der hohen Politik herausgestellt haben mögen.
Eine Verschwörung, die sich gebildet hat, um alle Grundlagen unserer
Kultur und Gesittung zu zerstihren, hat sich ihn zu ih^em ersten Opfer
ersehen; an der Erhaltung seines Lebens, an der Vereitelung der gegen
ihn gerichteten Anschläge sind alle interessirt, die auf dem gemein-
samen Boden der Kultur und Gesittung stehen."
Eine Depesche aus Moskau vom 2. December d. J. be-
schäftigt sich lediglich mit dem Eindrucke» den das Ereigniss
hervorgerufen 9 und lautet:
„Aus Anlass der Ankunft des Kaisers fand heute Vormittag 11 Uhr
eine Auffahrt im Kremlpalaste statt. Noch bevor der Kaiser in der Ver-
sammlung erschien, verlas der Adelsmarschall die Nachricht von der
gestern erfolgten Katastrophe auf der Eisenbahn, welche verbrecherisch
veranlasst erscheint Tief ergriffen brachte die Versammlung dann enthu-
siastische Hurrahrufe auf den Kaiser aus. Derselbe erschien kurz nach
12 Uhr im Georgsaale, nahm von den Vertretern der Stadtgemeinde Brod
and Salz entgegen und hielt folgende Ansprache:
,Jch freue mich, meine Herren, Sie wiederzusehen, ich gedenke
der Treue und Anhänglichkeit, die Sie mir bei Gelegenheit des traurigen
Ereignisses am 2. April d. J. bekundet haben. Dieselben Gefühle sind
mir aus allen Theilen Busslands zum Ausdruck gebracht worden. Sie
werden schon von dem gestrigen Ereignisse erfahren haben, Gott hat
mich und Alle, die mit mir hierher fuhren, errettet. Nur
am Eussland besorgt, habe ich mich dem Schutze der
Vorsehung überlassen. Aber der aufrührerische Geist
muss ausgerottet werden. Ich wende mich an Sie und an
alle Wohlgesinnten behufs Vertilgung des Uebels, wel-
ches Wurzel gefasfit hat, ich wende mich namentlich an
die Eltern. Führt Eure Kinder auf den Weg der Wahrheit
und des Gnten, damit keine Bösewichte, sondern nützliche
5*
— 68 —
' Menschen und gute Bürger*) Kusslands herangezogen,
werden."
Die Bede des Kaisers wurde mit unausgesetzten Jubelrufen aufge-
nommen."
Um unsere „gebildete" und „gelehrte" Gesellschaft daran
zu erinnern, dass sie heute kein Recht mehr hat, auf das
„ungebildete" und „rohe" Volk der Socialdemokratie mit den
Worten des Pharisäers herabzublicken : „Ich danke dir Gott,
dass ich nicht bin wie jener Zöllner und Sünder^S erlaube ich
mir daran zu erinnern, dass jener von der National- Zeitung
erwähnte Massen-Attentäter Thomas, ebenso wieDr. Nobi-
ling, in sehr angesehenen Familien der Professoren- und
Kaufmannskreise Leipzigs verkehrte und durch seine geselligen
Vorzüge dort sehr beliebt war, indem er sich sogar den £uf
eines zärtlich um seine Familie besorgten Vaters erworben
hatte.
Aber schon Kant hatte die sogenannte Civilisation,
an deren „Spitze" seit hundert Jahren bekanntlich „Frank-
reich marschirt", mit folgenden Worten ihrer gleissneriachen
Maske entkleidet:
„Die Menschen sind insgesammt je milisirter, desto mehr Schau-
spieler; sie nehmen den Schein der Zuneigung, der Achtung vor An-i
dem , der Sittsamkeit , der Uneigennützigkeit an , ohne ii-gend Jemanden
dadurch zu botrügen, weil ein jeder Andere dabei einverständigt ist, dass
es eben hiermit nicht herzlich gemeint sei." (Kant's Werke
Vm. S. 42.)
Mein leider der Wissenschaft allzufrüh durch den Tod
entrissener Freund, Professor E. Schuster, hat den entsetz-
lichen Eindruck, welchen die Unthat des Massenmörders
Thomas hier in Leipzig hervorrief, im Gebiete der Poesie
für das deutsche Volk moralisch fruchtbar zu machen ver-
sucht, in seinem leider noch nirgends aufgeführten Schau-
spiele „Geldf*.
^) Es stimmen diese Worte des Kaisers Alexander fast wörtlich mit
den bereits vor 100 Jahren von Lichtenberg ausgesprochenen Werfen
überein: „Der Zweck aller Erziehung ist, tugendhafte , verständige und
gesunde Kinder zu ziehen. In wie weit stimmt dieses mit unserer Me-
^;hode überein?" (Vgl. Lichtenberg's vermischte Schrift I. 217.)
— 69 —
In der Vorrede zu der von mir nach dem Tode meines
Freundes herausgegebenen Antrittsvorlesung : „Giebt es un*
bewusste oder vererbte Vorstellungen"*) hatte ich
(S. XXXVI ff.) bereits wörtlich Folgendes über das gleiche
Thema bemerkt:
„Dass die Unthat jenes Massenmörders gerade hier in
Leipzig ein peinliches Aufsehen erregen musste, war dadurch
bedingt 9 dass der „Kaufmann" Thomas ebenso wie der
Kaisermörder ^^Doctor" Nobiling in angesehenen kauf-
männischen und akademischen Kreisen verkehrte. Selbstver-
ständlich wird es Niemandem einfallen , hierfür jene Kreise
direkt und allein verantwortlich zu machen. Dass aber
der äusserlich nivellirende Einfluss unserer modernen l^alon-
geselligkeit bereits soweit fortgeschritten ist, dass die mo-
ralischen Unterschiede der Individuen bis zu einem solchen
Grade verwischt und unkenntlich gemacht sind, dass man der
Gefahr ausgesetzt ist, sogar in den besten Kreisen unserer
Gesellschaft einem Massen- oder Kaisermörder vorgestellt zu
werden und diesem so „bei der Gemüthlichkeit und beim
Weine" *) freundlich die Hand zu schütteln — ich sage, dass
diese Möglichkeit heute durch entsetzliche Thatsachen un-
widerleglich bewiesen worden ist, dies musste ernster und
philosophisch angelegte Naturen, wie Schuster eine solche
war, zum Nachdenken bewegen und sie antreiben, sich von
dem beängstigenden Gefühle bei solchen Erscheinungen ent-
weder durch Philosophie oder durch Kunst zu befreien.
An die moderne Gesellschaft aber ergeht die ernste Mahnung
und Aufforderung zu einer strengeren Kritik bei der Wahl
ihres Umgangs zum geselligen Verkehre; denn gewiss keine
Zeit mehr als die unsrige hat die folgenden Worte Kant 's
zu beherzigen:
„Wir sind civilisirt bis zum ücberlästigcn zu allerlei gesellschaft-
licher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns für schon moralisirt zu
halten, daran fehlt noch selir viel. Denn die Idee der Moralität gehört
noch zu der Cultur ; der Gebrauch dieser Idee aber , welcher nur auf das
lättenähnüchc in der Ehrliebe und der äusseren Anständigkeit hinausläuft,
^) Yerlag von L. Staackmann. Leipzig 1879. .
*) Tgl. Schuster's Pragmente dos Heraklit S. 69. Fragment 31.
70
.1
lili» die CiviÜBirang aus. . . AUps Oute ah
•ofniotaligch gute GeEinnung gepfropft ist, ist nichts al^
lauter Schein und schimnieTndcB Elend. In diesem Zustaiide»
wird wolil daR menflchllcbe Geschlecht Terbleiben, bis es sich, auf die Arb^
wie ich gesagt habe , aus dem r>baoti9chen Zustand^ seiner Staatsverhält —
niase heraiisgearbeit«t haben wird.'")
Das Bewusstsein des Unterschiedea zwischen derMora —
lifät undLegalität der Handlungen ist dem Volke in seiner-
überwiegeDden Mehrheit in der Gegenwart abhanden gekommen.
Für die Moralität unserer Handlungen sind wir dem ansieht—
baren Richter iu unserem Innern, für die Legalität derselben
dem weltliehen Richter verantwortlich. Die eratere kann nur
durch eine Cultur des Herzens und der Gesinnung, die letz-
tere auch durch Cultur des Verstandes allein bewirkt werden:
zur Ausübung der Gerechtigkeit aber gehört Beides. (
„Beweist ea denn nicht auch Achtung vor den Ge-
setzen, wenn wir stets sorgsam bemüht sind, dieselben zn
umgehen?" erwiderte jüngst ein social demokratischer Agitator
einem Redner im Reichstage, welcher den Socialdemokraten
die Nichtachtung der Staatsgesetüe vorwarf.
Und heute, am 5. December 1878, am Einzugetagc dea
glücklich erretteten Kaisers in seine Ilauptstadt, rufen die
Soeialdemok raten ihren Freunden zu: „An unserer Gesetz-
lichkeit müssen unsere Feinde zu Grunde gehen!"*) Sind
das nicht deutliche Mahnrufe an unsere moderne Gesellschaft,
sie solle die Werth Schätzung der Legalität nicht auf Kosten
der Moralität unserer Handlungen im Volke durch ihr Bei-
spiel begünstigen und gross ziehen ? Das ist das Thenia^
welches Schuster in seinem Schauspiel „Geld" ergreifend
im Gewände der Kunst vor unseren Blicken entfaltet und des-
halb wünsche ich diesem letzten dramatischen Werke meines
verewigten Freundes die weiteste Verbreitung und eingehendste
Beherzigung! —
Bereits im zweiten Bande meiner „Wissenschaftlichen Ab-
handlungen", der unter dem moralischen Eindruck der beiden
') KanfB Werke Bd. VU. Thl. 1. S. 329 (od. Rosenkrani und
Schubert).
*) Vgl, „Leipziger Tageblatt" vom 4. Dec. 1878. „An unsere Freunde
und Porteigenosaeu", SocialdemokratiBchea Flugblatt
j
— 71 —
Attentate auf unsem Kaiser geschrieben worden ist, knüpfte
ich an die vorstehenden Worte der National - Zeitung den
folgenden Schluss meiner Abhandlung: „lieber die Frei-
heit der Wissensahaft und die Notbwendigkeit
einer sittlichen Wiedergeburt des deutschen
Geistes."
In Uebereinstimmung mit diesen Worten bricht sich
denn überall eine heilsame Selbsterkenntniss und Selbstprüfung
im deutschen Volke Bahn, so dass selbst diejenige Partei,
die bisher eine Stütze der Regierung war und stets ^^mit
nationaler wie liberaler Befriedigung" ihre eigenen Tugenden
f gepriesen hat — selbst diese Partei bricht jetzt bei einer
gewissenhaften „Selbstprüfung" ^) in die folgende Klage aus :
„So ist es denn dahin gekommen, dass unsere besten Minister zu
wahren Märtyrern gehässiger Anfeindungen geworden sind , dass ihr
Miidstermm ein Martyrium geworden ist, und zwar ein MarPyrium der
allerschlechtesten Art, die Zielscheibe jedes schalen Witzes und unge*
waschenen Mundwerkes. Das kann schliesslich auch der Stärkste nicht
ertragen und seine Kraft wird erschöpft."
Dass diese hier geschilderten Verheerungen des modernen
„Liberalismus^^ sich nicht blos auf das Gebiet der Politik,
sondern auch auf dasjenige der Wissenschaft erstrecken,
beweist unter zahlreichen anderen Erscheinungen zur Genüge
das anonyme Pamphlet 9,der Spiritismus in Leipzig^' in der
Wochenschrift „Im neuen Eeich'^
Denn hierin werden nicht nur „mit nationaler wie libe-
raler Befriedigung" zwei unserer ausgezeichnetsten Gelehrten,
Fechner und Wilhelm Weber, auf der Schwelle des
Greisenalters, zur „Zielscheibe eines schalen Witz^es und unge-
waschenen Mundwerkes" gemacht, sondern sie werden gleich-
zeitig „eines sittlichen Fehltrittes"*) geziehen, weil sie
äch in Gemeinschaft mit mir an einer wissenschaftlichen
Untersuchung der Phänomene in Gegenwart des Amerikaners
Slade betheiligt haben. Ein solcher moralischer Vor-
wurf, — den man doch höchstens aus dem Munde eines
verbissenen Orthodoxen erwarten könnte — ist bis jetzt in
^) „Selhstprüfung der nationalliberalen Partei" in der „Bonner Zeitung''.
Vgl. das Beferat in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung v. 27. Juli 187S.
«) Vgl. S. 14 des Pamphletes.
— 72 —
keinetn civUisirten Lande gegen Gelehrte erhoben worden,
die sich wissenschaftlich mit spiritistischen Phänomenen
beschäftigt haben.
Man hat nur die Medien verurtheilt, nicht aber die«
jenigen, die offen für die Realität der in ihrer Gegenwart
beobachteten Erscheinungen eingetreten sind.
Nur dem deutschen „Liberalismus*^ war es vorbehalten,
diese Schmach unserem Vaterlande zur selbigen Zeit anzu--
thun, wo zwei verruchte Attentate das Leben unseres greiseik
Kaisers gefährdeten.
Mögen unserem Volke durch solche Erscheinungen die
Augen darüber geöffnet werden, wo es seine Tyrannen und
unfehlbaren Despoten zu suchen und schonungslos zu be-
kämpfen hat! Lichtenberg^) sagte schon vor 100 Jahren :
„Es scheint fast, als wenn es mit der Erkenntniss gewisser Wahr-
heiten und ihrer Anwendung im Lehen ginge, wie mit Pflanzen: wenn sie
einen gewissen Grad von Höhe erreicht hahen, so werden sie abgeschnitten,
um wieder von vorne anzufangen. Der höchste Grad von politischer
Freiheit liegt unmittelbar am Despotismus an."
Das deutsche Volk kann jedoch mit dazu beitragen, dass
seine akademische Jugend nicht von dem Gifthauche der oben
erwähnten moralischen Miasmen angesteckt werde. Mögen
Väter, denen die Erziehung ihrer Söhne zu wahrhaft freien
und sittlich selbstbewussten Staatsbürgern am Herzen liegt,
ihre Kinder „aus der kalten Pracht der Kaiserstadt zwischäi
die gedrückten, traulichen Giebel eines wein- und epheu-
umrankten mitteldeutschen Städtchens'^ ^) versetzen, damit sie
nicht mit den Studenten in Berlin zu singen brauchen:
„Wer die Wahrheit kennet und saget sie frei.
Der kommt in Berlin auf die Stadt-Vogtei!^)
sondern vielmehr, nach alter deutscher Weise, fröhlichen
Herzens:
„Wer die Wahrheit kennet und saget sie nicht,
Der ist fürwahr ein erbärmlicher Wicht!"
^) Lichtenberg's vermischte Schriften. Bd. 1, S. 240.
*) Worte E. du Bois-Keymond's in seiner Eede „Culturgeschichte
und Naturwissenschaft" S. 44.
' *) Citat aus E. Häckel's: „Freie Wissenschaft und freie Lehre". „Eine
Entgegnung auf K. Yirchow's Münchener. Rede über die Freiheit der
Wissenschaft im modernen Staat." (1878.) S. 7.
— 73 —
Dann werden die deutschen Studenten nicht mehr mit
E. du Bois-Reymond in seinem „Palaste der Wissen-
schaften mit der zweitausend Schritt langen physikalisch-
mathematischen Galerie in der Hauptstadt des fabelhaften
Königreiches Eldorado"^) „wie im Schwaben-Liede seufzen:
Oh, wie liegt so weit, was mein einst war?"*), sondern in
den verödeten Hallen der wissenschaftlichen Paläste zu Berlin
wird der* Geist eines deutschen „Helden und Sängers" um-
gehen und erzürnt seinen alten Fluch murmeln:
„Weh' euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süsser Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang!
Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt !" 'O-
Den Deutschen aber, welche gegenwärtig aus ihrem
moralisöhen und intellectuellen Schlummer durch die beiden
Attentate auf ihr kaiserliches Oberhaupt erweckt und auf-
gerüttelt worden sind, um das unerträgliche Joch eines über-
müthig gewordenen „illiberalen" und „antinationalen"
Literaten- und Gelehrtenthums abzuschütteln, rufe ich mit
den Worten Johann Gottlieb Fichte's*) zu:
„Es beschwören euch eure noch ungeborenen Nachkommen! Ihr rühmt
euch eurer Vorfahren, rufen sie euch zu, und schliesst mit Stolz euch an
an eine edle Reihe. , Veranlasset nicht , dass wir uns der Abkunft von
euch schämen müssen, als einer niederen, barbarischen, sklavischen, dass
wir unsere Abstammung verbergen oder einen fremden Namen und eine
fremde Abkunft erlügen müssen, um nicht sogleich, ohne weitere Prüfung,
weggeworfen und zertreten zu werden!"
„Es sind Jahrhunderte Herabgesunken, seitdem ihr nicht also
zusammenberufen worden seid wie heute: in solcher Anzahl, in einer so
grossen, so dringenden, so gemeinschaftlichen Angelegenheit; so durchaus
als Nation und Deutsche. Auch wird es euch niemals wiederum also
geboten werden. Merket ihr jezt nicht auf und gehet in euch, lasset
^) E. du Bois-Reymond. lieber eine Akademie der deutschen
Sprache. S. 10,
*) E. du Bois-Reymond, Culturgeschichte und Naturwissenschaft.
Seite 44.
*) Uhland „Des Sängers Fluch'*. Es steht dem I-ieser frei, die
j^eufzer und das Stöhnen" auf die gequälton Thiere im Vivisectorium, den
„Sklaventritt" auf die Assistenten und den „Rachegeist" auf das wieder
erwachende Gewissen des deutschen Volkes zu beziehen.
*) „Roden an die deutsche Nation." 14te Rede.
— 74 —
ihr auch diese Bede wieder als einen leeren Kitzel der Ohren, oder ak
ein wunderliches üngethüm an euch vorübergehen, so wird kein Mensch,
mehr auf euch rechnen. Endlich einmal höret, endlich einmal besinnet
euch!" (S. 177.)
„Diese Eeden beschwören euch Denker, Gelehrte, Schriftsteller, die ihr
dieses Namens noch werth seid! Eure Klagen über den Klugdünkel und
das unversiegbare Geschwätz, über die Verachtung des Ernstes und der
Gründlichkeit in allen Ständen mögen wahr sein, wie sie es denn sind.
Aber welcher Stand ist es denn, der diese Stände insgesammt erzogen
hat, der ihnen alles Wissenschaftliche in ein Spiel verwandelt und sie von
der frühesten Jugend an zu jenem Klugdünkel und jenem Greschwätze
angeführt hat? Wer ist es denn, der auch die der Schule entwachsenen
Geschlechter noch immerfort erzieht? Der in die Augen fallendste Grund
der Dumpfheit des Zeitalters ist der, dass es sich dumpf gelesen hat
an den Schriften, die ihr geschrieben habt. Warum lasst ihr
dennoch immerfort euch so angelegen sein, dieses müssige Volk zu unter-
halten, unerachtet ihr wisst, dass es nichts gelernt hat und nichts lernen
will? nennt es Publicum, schmeichelt ihm als eurem Eichter, hetzt es auf
gegen eure Mitwerber und sucht diesen blinden und verworrenen Haufen
durch jedes Mittel auf eure Seite zu bringen ; gebt endlich selbst in eur^n
Becensiranstalten und Journalen ihm so Stoff wie Beispiel seiner vor-
schnellen Urtheilerei, indem ihr da ebenso ohne Zusammenhang und so
aus freier Hand in den Tag hinein urtheilt, meist ebenso abgeschmackt
wie es auch der letzte Leser könnte? Denkt ihr nicht alle so, gibt es
unter euch noch Bessergesinnte, warum vereinigen sich denn nicht diese
Bessergesinnten, um dem Unheile ein Ende zu machen?" (S. 185.)
„Diese Beden beschwören euch Fürsten Deutschlands! Diejenigen,
die euch gegenüber so thun, als ob man euch gar nichts sagen dürfte,
oder zu sagen hätte, sind verächtliche Schmeichler, sie sind arge
Verleumder eurer selbst; weiset sie weit y^eg von euch!'*
„Lasset eure Bäthe sich berathschlagen, ob sie es auch so finden,
oder ob sie ein Besseres wissen, nur, dass es eben so entscheidend sei.
Die Ueberzeugung aber, dass etwas geschehen müsse, und auf der
Stelle geschehen müsse, und etwas Durchgreifendes und Ent-
scheidendes geschehen müsse, und dass die Zeit der halben Massregeln
und der Hinhaltungsmittel vorüber sei ; diese Ueberzeugung möchten sie
gern, wenn sie könnten, bei euch selbst hervorbringen, indem sie zu
eurem Biedersinne noch das meiste Vertrauen hegen"
„Es dürfte Jemand unter euch hervortreten und mich fragen : was gibt
gerade Dir, dem einzigen unter allen deutschen Männern und Schriftstellern,
den besondem Auftrag, Beruf, und das Vorrecht uns zu versammeln und
auf uns einzudringen? hätte nicht jeder unter den tausenden der Schrift-
steller Deutschlands eben dasselbe Becht dazu, wie du: von deren keiner
es thut, sondern du allein dich hervordrängst? Ich antworte, dass allere
dings jeder dasselbe Becht gehabt hätte, wie ich, und dass ich gerade
— 75 —
darum es thue, weil keiner unter ihnen es vor mir gethan hat ; und dass
ich schweigen würde, wenn ein anderer es früher gethan hätte. Dies war
der erste Schritt zu dem Ziele einer durchgreifenden Verbesserung; irgend
einer musste um thun. Ich war der, der es zuerst lebendig ei ns ah; darum
inirde ich der, der es zuerst that. Es wird nach diesem irgend ein
anderer Schritt der zweite sein; diesen zu thun haben jetzt alle das-
selbe Becht; wirklich thun aber wird ihn abermals nur ein einzelner.
Einer muss immer der erste sein, und wer es sein kann, der sei es
eben!" (S. 214.)
Mögen diese tief empfundenen, bereits vor 76 Jahren von
einem deutschen Patrioten gesprochenen Worte auch heute
beherzigt werden ! Dann wird, wie damals, die Zeit der tiefsten
Schmach des deutschen Volkes zugleich die Zeit seiner sittlichen
Wiedergeburt und Erhebung werden , die unseren Eltern Kraft
und Muth verlieh, unser Vaterland von fremder Tyrannei zu
befreien. Was sich damals auf politischem Gebiete voll-
zog, möge sich heute auf moralischem und intellec-
tuellem Gebiete vollziehen! Dann wird das vergossene
Blut des Kaisers, wie dasjenige unseres Erlösers, dem deut-
schen Volke zum Heil und Segen gereichen, und ein deutscher
Patriot wird dann nicht mehr verschämt, sondern wieder
offen und freimüthig mit den Worten Johannes
Kepler's bekennen:
,Jch bin ein Christ. Durch den elterlichen Unterricht, durch die
Abwägung aller Gründe und durch die Schule täglicher Leiden ist das
augsburgische Bekenntniss das meinige. Die Keligion ist mir eine ernst-
hafte Sache, kein Scherz!" (Vgl. Wiss. Abhdlg. Bd.II.Thl.l. S. 276.)
In Uebereinstimmung mit diesen fast dreihundert Jahre
alten Worten des grössten Naturforschers der deut-
schen Nation werden wir dann auch die folgenden Worte
unseres Kaisers Wilhelm zu würdigen wissen, welche der-
selbe an die Deutschen auf ihre Glückwünsche nach den beiden
Attentaten gerichtet hat :
,Jch bin dankbar gegen Gott, in dessen Hand wir ja alle stehen.
Freilich, wenn wir von ihm abfallen, dann sind solche Thaten kein
Wunder. Die christliche Keligion ist der Grund und Boden, auf dem
wir stehen bleiben müssen." „Ich habe für Euch Alle leiden müssen!"^)
^) Worte des Kaisers an die Berliner Studenten nach dem ersten
Attentate. (Vgl. Deutsche AUg. Z. v. 19. Mai 1878.) — Die letzten
— 76 —
Auf solchem Grunde werden uns dann auch wieder HoflF^
nung und Gottvertrauen erblühen, so dass wir in der Bedräng^—
niss und Trübsal der Gegenwart vertrauensvoll mit Kepler
ausrufen können:
Non desperare! Nihil a Deo fernere institiitwm!
Zu deutsch:
„Nicht verzweifeln! Nichts geschieht ohne Absicht Gottes!"
Worte sprach der Kaiser nach dem zweiten Attentate, am 8. Augast zu
Teplitz hei einer Begegnung mit Hm. Holtfeuer aus Berlin, welcher
durch Nohiling hei dessen Ergreifung gleichfalls verwundet wurde. Der
Kaiser sagte zu Hm. Holtfeuer: ,J^un mein lieher Holtfeuer, Sie
hahen für mich hinten müssen, aher ich hahe für Euch Alle leiden müssen.*'
(Leipziger Tagehl. v. 14. Aug. 1878. 3. Beil.)
Historische Documente
über die
Vivisection von Menschen.
(Aus „BemarSs Martyrs, a comnwnt on Claude Bernard' s
Legons de Physiologie operatoire, iy Frances Power Cobhe.^'
London 1879 Preface p. XII— XV).
^er Mensch ist so perfeeübel und cormptibel, dass er
aus Vernunft ein Narr werden Icann/*
Lichtenberg
Yerm. Schriften I. 817.
Uebersetzung.
Ein Kritiker von Professor Andreozzi's Leggi Penali degli An-
tichi Cineri bemerkt neuerdings im Spectator nach Anführung von
Andreozzi*s Zeugniss, dass zwischen den Jahren 1545 und 1570 drei-
zehn Männer und Frauen seitens der toskanischen Begierung den Doc-
toren von Pisa zur Vivisection übergeben worden sind: „als die Wissen-
schaft sie erhalten konnte, machte sie ein Dutzend Menschen zu Märtv-
rem/^ Die Sache ist so beachtenswerth und steht in so naher Beziehung zu
diesem Gregenstande , dass man mir die im verkürzte Anfuhrung der be-
treffenden Stelle gestatten wird.
,yAn einer Stelle in der Storia Universale von Ccsara Cantü wird
erzählt, wie der Herzog zu diesem Zwecke dem berühmten Fallopius,
dem Schüler des noch berühmteren Vesalius, einen Mann übergab; und
ist auch dieser Fall bestritten worden , so giebt es viele andere, bezüglich
weldier nach Durchlesen der Auszüge, welche Andreozzi aus den tos-
bmiBchen Archiven giebt, kein Zweifel mehr bleiben kann. Cosmo, welcher,
wie miser Autor zeigt, mit den Eichtersprüchen ganz nach Belieben ver-
fuhr, indem er freisprach, verdammte, die Strenge der Urtheilssprüche
ö «£o talento vermehrte oder verminderte, schenkte augenscheinlich den
Anotomen von Pisa seine besondere Gunst und kam ihnen freundlich
mit dem Geschenke eines lebenden Menschen jährlich oder alle zwei
Jahre entgegen, je nachdem ihr Bedarf war. Folgende sind einige der
Ton Andreozzi dem Verzeichnisse im ^•c7^ltno Crimtrude entnom-
menen i^e: \
1) 15. Januar 1545. Santa di Mariofto Tarchi di Mugello,
die Gattin des Bastiane Lucchese, war wegen Kindesmord zum Tode
durch das Beil verurtheilt worden. Unter den Urtheilsspruch ist ge«
— 78 —
schrieben worden: ,, Besagte Santa wurde mit Zustimmung Sr. herzogl«
Hoheit nach Pisa geschickt, damit sie von den Doctoren als anatomisches
Ohject behandelt würde." (Vgl. das Original S. 80 mit der ausdrücklichen
Bemerkung, dass vorher keine Tödtung stattgefunden hatte.)
2) 14. December 1547. Giulio Mancini Sanese wegen Bauhes
und anderer Vergehwi vemrtheilt. Nach Pisa gesandt, um secirt zu werden.
,jDucatur Ptsü pro factendo de eo notomia.^^
3) Im Verzeichniss der versandten Gefangenen findet sich unterm
1. September 1551 folgender Eintrag: „Brief an den Commissär von Ca-
strocaro, dass Maddalena, welche wegen Mord ihres Sohnes in Haft ist,
hergesandt werde, falls ihre Genesung wahrscheinlich ist, da es Sr. Ho-
heit beliebt, dass sie der Anatomie vorbehalten werde. Hiervon soll ihr
Nichts mitgetheilt, sondern die Hofl&iung in ihr erhaltett werden. Er-
scheint ihre Genesung unwahrscheinlich, so soll der Scharfrichter herbei-
geschafft werden, *um sie zu enthaupten. Der Schluss des fürchterlichen
Auszuges lautet: „Nach Pisa abgegangen, um zergliedert zu werden."
4) 12. December 1552. Ein Mann Namens Zuccheria, des See-
raubes angeklagt, wurde nebst seinem Gefährten anstatt gehängt zu werden
nach Pisa gesandt „/?6r la notomia,^^
5) 22. December 1552. Ein gewisser Uli vo di Paolo ist durch den
Rath der Acht wegen Vergiftung seiner Frau zum Tode durch deai Strajig
verurtheilt. Urtheilsspruch verändert — versandt zu werden behufs Zer-
gliederung. Wurde am 13. Januar nach Pisa gesandt.
6) 14. November 1553. Marguerita, Ehefrau des Biajio d'Anti«
noro, wegen Kindesmord zur Enthauptung verurtheilt .... 20. Deceml>w
„sie wurde von ihren Fesseln befreit und einem Vertrauten übergeben,
welcher sie nach Pisa zum Commissär brachte; der letztere gab sie wie
gewöhnlich dem Anatomen, „um Anatomie aus ihr zu machen**, was aus-
geführt wurde (che la consegrd, secondo iL aolito, al notomüto, per /arne
rwtomda, come fu fatto).
Verschiedene andere Fälle, zwischen 1554 und 1570, stehen einge-<
tragen mit gleicher nicht misszuverstehender Genauigkeit. In einem Falle
wurde das Loos des Verurtheilten gemildert und das ürtheil nach Pisa
an den Commissär gesendet, behufs Auslieferung an den Anatomen zu
jeder Zeit, „wenn er ihn fordern sollte und nach Belieben.'* Diese Be-
stimmung wurde barmherziger Weise umgeändert in sofortigen Tod durch
den Strang zu Vico „auf Anordnung von Sua Eccellenza Illustris-
sima." Zwei unglückliche Diebe, Paoli di Giovanni und Vestrino
d'Agnolo wurden durch den Eath der Acht versandt, um zergliedert zu
werden — da der Herzog geschrieben hatte , „dass sie in Pisa ein Subject
für die Anatomie brauchten". Andreozzi bemerkt, dass er keinen Er-
trag von späterer Zeit als 1570 darüber gefunden habe, dass Verurtheüte
vor vollstreckter Hinrichtung den Anatomen übergeben worden seien.
So besitzen wir geschichtliche Beweise, dass im dvilisirten Italien, ini'
blühendsten Zeitalter von Kunst und Glanz, seitens der toskanischen Be-
— 79 —
gierang dreizehn Männer und Frauen kalten Blutes zur Benutzung an die
damaligen Männer der Wissenschaft übergeben worden sind — gleich-
wie heut zu Tage Hunde als „fleischfressende Thiere, welche werthvoll
für die Zwecke der Untersuchung sind". — Was war das Loos jener ver-
lassenen Elenden , nachdem sie den Anatomen übergeben waren „um Ana-
tomie aus ihnen zu machen?" — die Einbildungskraft schaudert vor dem
Bilde zurück. Selbstverständlich kann eine Anwendung von anästhetischen
Mitteln — von thatsächlicher oder eingebildeter Wirkung — nicht statt-
gefunden haben und im Allgemeinen wurde keine Grenze gezogen zwischen
der sogenannten eigentlichen Anatomie und der Physiologie. Die
Versuche, welche an den bejammemswerthen Geschöpfen gemacht wurden,
wenn die Doctoren in Pisa gerade „ein Object für die Anatomie brauchten",
waren wahrscheinlich von derselben Art , welche wir als physiologische be-
zeichnen würden. Aber von welcher Beschaffenheit waren sie und welche
Organe des Körpers beliebte es den gelehrten Herren zu untersuchen, in
deren geheimen Laboratorien die Subjecte ohne Zweifel an Händen und
Füssen gefesselt lagen — Gehirn, Lunge, Magen, Herz oder Augen?
Scherlich, hier war ein grosser Gewinn für die Wissenschaft zu
holen! Wie Dr. Rüther ford in der königlichen Commission zugestand,
würden seine martervollen Versuche an den Mägen von sechs und dreissig
Hunden nur dann wirklich beweiskräftig gewesen sein, wenn sie an Men-
schen hätten vorgenommen werden können; und hier waren menschliche
Eingeweide, an denen ähnlicher Scharfsinn sich frei versuchen konnte, ad
libitum. Und dennoch hören wir nicht (wenigstens das Laienpublikum
hat im Allgemeinen nicht davon gehört) von irgend einer Entdeckung, die
durch diese in corpore nobili ein Mal gemachten Versuche erzielt worden
wäre. Möglich, dass man von irgend einer Entdeckung — wäre eine
solche überhaupt gemacht worden — kaum überlaut in diesen weichen,
gefohlsüberschwänglichen Zeiten geprahlt haben würde, welche dem Herrn
Professor Huxley Seufzer des Ekels erpressen und ihm den Wunsch ein-
geben, in den Zeiten Harvey's gelebt zu haben! Die Namen von Falle -
pius und seines Lehrers V e salin s, welche in Verbindung mit den
&öber^ menschlichen Vivisectionen genannt werden, lassen als Haupt-
an^ben der damaligen Wissenschaft in Italien den Blutkreislauf und die
Thätigkeit des Herzens vermuthen; es ist nicht unwahrscheinlich, dass
die Brust der Opfer geöffnet wurde und dass ihre gelehrten Vivisectoren
80 lange und so tief als möglich in die zuckenden Muskeln und blutenden
Arterien spähten, bis der Tod zuletzt ihr fesselndes Studium beendigte.
Glücklich für die Opfer, wenn eine so tödtliche Operation zugleich der
erste an ihnen vorgenommene Versuch war und wenn sie nicht vor diesem
nTodesstreich" zwanzigerlei erfindungsreichen Martern unterworfen werden
iomitm.
Oft ist geprahlt worden (besonders durch Professor Tyndall's viel
1)6inmdertes Vorbild Dr. Drap er), dass die Wissenschaft allbarmherzig
^ frei von Blutschuld sei, dass sie stets wohlthue und nie unterdrücke
— 80 —
und dass aie im Gegensatz zur Eeligion nie ein Märtyrerthum geschaffen
habe. Dank den Enthüllungen Andreozzi's werden wir in Zukunft wissen
was von dieser Prahlerei zu halten sei Die Wissenschaft schuf ein
Dutzend menschliche Märtyrer, als dies in ihrer Macht lag.
Wir hören fortwährend , dass nur aus reiner liebe imd warmem Eifer
für die leidende Menschheit die modernen Physiologen Thiere martern und
dass sie laut ihrer beliebten Formel „bereit sind Hacatomben von Hunden
zu opfern, um dem Menschen Schmerzen zu sparen".^) Wir haben nun
einen bedeutsamen Wink erhalten, wie wenig der Eanatismus wissenschaft-
licher Forschung in Gehirnen und Eingeweiden in dem Mitgefühl für mensch-
liches Leiden wurzelt, wie wenig die blinde „Wissenschaft" davor zurück-
schrecken würde, dem Menschen Schmerzen zu bereiten anstatt sie ihm
zu sparen, wenn sie dadurch Befriedigung erlangen könnte."
Originaltext.
As a recent writer in the Spectator remarks in a review of Professor
Andreozzi's Leggi Penali degli AiUichi Cinetd, af ter quoting AndreozzTs
evidence that between the years 1545 and 1570 thirteen men and woQien
were given over by the Tuscan govemment to human vivisection by the
doctors at Pisa, ,^When ahe couUl gkt them Science made a dozen human
martyrs. The matter is so curious and has such close connection whit
this subject, that I may be pardoned for quoting the entire passage."
"A passage in the Storia Universale of Cesara Cantü relates how
the Duke gave a man for this purpose to the celebrated Fallopius, the
disciple of the still more famous vesalius; and, though this particular
instance has been disputed, there are many other cases aboiit which no
doubt can remain after reading the extracts given by Andreozzi &om'
the Tuscan archives. Cosmo, who, as our author proves, did exactij
what he pleased with the dedsions of justice, absolving, condemning,
adding to, or diminis hing the severity of the sentences "ö suo talerdo^^ —
evidently took the anatomists of the University of Pisa under his special
favour,*and Mndly obliged them with a gift of a living man or woman
every year or two, as Siey migth require them. These are some of the
cases quoted byAndreozzi from the register in the Archivio Criminale: — '*
"1. January 15th, 1545. — Santa di Mariotto Tarchi di Mugello,
wife of Bastiane Lucchese, was condemned to be beheaded for infan-
ticide. Under the setence is written, *a Dicta Santa, de mente Excell.
Ducis, fuit missa Pisis, de ea per doctores fieret notomia.' (No notice to
be found of any execution of the woman, such as would have appeai^
had she been put to death before she was sent to Pisa.)"
"2. December 14th, 1547. — Giulio Mancini Sanese was
condemned for robbery and other offences. Sent to Pisa to be anatomized.
*Ducatur Pisis, pro faciendo de eo notomia.'"
"3. In the record of prisoners sent away, dated September Ist, 1851,
occurs this entry:— 'Letter to the Commissioner of Castrocaro, that
Maddalena, who is imprisoned for killing her son, should be senthere,
if she be likelv to recover, as it pleases S. E. that she should be resenred
ibr anatomy. öf this nothing is to be said, but she is to be kent in hopes. .If.
she is not likely to recover, the executioner is to be sent for, to decapitate her.'
The end of the horrible extract is, — *Went to Pisa, to be made an anatomy.'"
^) Nach E. du Bois-Eeymond, Karl Voigt, Hermann u. dgLjn..
(Vgl. S. 123.)
— 81 —
„4. December ]2th. 1552. — A man naraed Zaccheria, accuBed
of piracy, was roserved from hatif^ng, with his comrade, and sent to Pisa,
^per la notomia.'"
„5. December 22nd, 1552. — A certain Ulivo di Paolo was con-
demned by the Council of Eigth to be hanged for poisoning his wife.
Sentence changed — to be sentj for ahatomv. Was sent to Pisa on
Januarv 13th."
„6. November 14th, 1553. — Margurita, wife of Biajio d'Anti-
noro, condemned to be beheaded for infanticide December 20th,
„she was released from the fetters and consigned to a familiär, ^ho took
her to Pisa to the Commissario, irho yave her, aa vsiicd, to the anatomint^
to TticJce ancttomy of her; which was done*' ('che la consegni, secondo il
solito, al notomista, per fame notomia, come fu fatto')."
Soveral other cases, from 1554 to 1670, are recorded, with equally
unmistakable exactitude. In one instance the condemned man's destiny
was mitigated, and after having been ordered to be sent to Pisa for the
Commissario to consign to the anatomist, „when he should ask for him,
and as his pleasure*', he was meroifiilly sentenced to be hanged at on<e
at Vico, „by direction of Sua Eccellenza Illustrisama". Two unfortunate
thieves, Paoli di Giovanni and Vestrino d'Agnolo, were sent
togeiher by the Council of £igth to be anatomised; the Duke having
wntten to say „that they wantod in Pisa a subject for anatom/^ After
the date of 1570 Andreozzi remarks tliat he has found no record of
condemned persons being consigned to the anatomists before they
were executed.
We have thus historical evidence that thirteen men and women were,
il dviliged Italy, in the supremo age of art and splendour, deliberately
ipron over by the Executive Government of Tusciiny to be used by tlie
men of science of the day as ours describe dogs, „camivorous animals,
Yikiable for the purposes of research". What became of the hapless
wzetdies when they hadboen „consigned to the anatomist, to make au
uatomy ef them", the Imagination shrinks from picturing. Of coursi',
tiiepB could be no emplovment, then, of any anaosthetic, real or fictitious,
and no line was popuiarly drawn between anatomy, properly so-called, and
^hTsiolo^. The expenments made upon the miserable creatures, when the
aocbm in Pisa „wanted a subject for anatomy", were probably of the kind
ve should call physiolog^cal. But of what class were they, and what
«gaos of their frames £d the scientific gentletnen (in whose secret labo-
Tatnies they were doubtless bound band and foot) please to explore, —
\mu^ Inngs, stomachs, hearts, or eyes? Certainly it was a greatchanco
^ BGience! As Dr. Butherford confcssed to the Boyal Commission, his
twtQring experiments on the stomachs of thirty-six dogs would only be
lealhr conclnsive if tried on man ; and here were human entrails on wnich
ondLir devices migtii be freelv tried, ad libitum. Yet, somehow, we do
»t hear (at least the lay public has not generally heard) of any discover>'
acfaieyed by these experiments made for once in corpore nobüi. Possibly,
l if any discovery had been effected, it would scarcely have been boasted of
1 Teirlondly, in these soft sentimental times, which make Professor Huxley
\ ^m with disgust, and wish he might have lived in the days ofHarvey.
I loe names of Fallopius and of his master Vesalius, occurring in
I oonnection with the earüer of these human vivisections, suggcst that, as the
' Problems of the circulation of the blood and of the action of the heart
were the chief interests of the science of the time in Italy, it is not impro-
bable that the victims breasts were opened, and that tiieir leamed inqui-
dtois pried as long and as f ar as uiey could into the throbbing musclo
and bleeding arteries, tili doath stopped at last their interesting study.
— 82 —
Happy was it for the victims if so deadly an Operation were the first trle
lipon them, and that they were not subjectä to a score of ingeniou
torments before tbat caap de grace!
It has been often boasted (notably by Professor Tyndall's mucl
admired guido, Dr. Drap er) that Science is all-mercifnl, free from guilt
of blood; always a benefactress, and never an oppressor; and that, unlike
Religion, she nas never made a martyr. Thants to Signor Andreozzi,
we shaU know, for the future, what to think of such a boast. When she
cauld get thenty Science made a dozen human martyrs.
We hear continually tiiat it is only out of pure love and zeal for
suffeting humanity that modom physiologists torture animals, and, according
to their fovourite formula, are „ready to'sacrifice a hecatomb of dogs, ti
lave the pain of a man". We have now received a portentous hint W
ritÜe the rage of scientific exploration into brains and entrails is reaUy
the outgrowth of tendemess for human suffering, — how little it would heei
causing the pain ofa man. instead of saving it, could it by so doing obtain
satisfaction."
Die vorstehenden Documente beweisen also unwider-
leglich, da«s zur Zeit der höchsten Blüthe der italienischen
Cultur die moralische Empfindung bei „Männern der Wissen-
schaft" so weit abgestumpft war, dass sie Menschen vivi-
secirten um „Wissenschaft*' und „Heilkunde^' zu fördern.
Es waren nicht „Hunde und Katzen'% welche damals aui
dem „Altare der Wissenschaft" geopfert WTirden, um mensch-
lichen Schmerz abzuwehren. Worin besteht nun der Unter
schied zwischen diesen Thier- und Menschenopfern unj
denjenigen zur Heidenzeit? In beiden Fällen sollen dod
durch diese Opfer Leiden von der Menschheit fern gehaltei
werden. Damals betrachtete man diese Leiden als Wirkungei
einer zürnenden Gottheit, welche durch blutige Opfer ver-
söhnt werden sollte, heute betrachtet man diese körperlichei
Leiden als Folgen menschlicher Irrthümer, die durd
„Wissenschaft" und Vivisectionen vermindert und beseitig
werden sollen. Meine akademische Preisfrage lautet:
Wer handelte moralischer — die alten Heiden mi
>
ihren blutigen Opfern im Dienste einer zürnenden Gotthei
oder die modernen Mediciner mit ihren blutigen Opfern in
Dienste, der Wissenschaft?
J.
Ein Mahnwort an das deutsche Volk.
Zur Erinnerung an den Begimentsarzt
Dr. med. Friedrich Schiller.
„Wir wollen weniger erhoben, und fleiBsiger gelesen sein/*
L e s s i n g.
„Die Sinngedichte an den Leser."
Friedrich Schiller, der Genius des deutschen Volkes,
der begeisterte Dichter der Freiheit und geschworene Feind
aller Tyrannei, wandte sich genau vor einem Jahrhundert^)
mit folgenden Worten an unsere Vorfahren:
„Wer sich den Zweck vorgezeichnet hat, das
Laster zu stürzen, und ReHgion, Moral und bürger-
liche Gesetze an ihren Feinden zu rächen, ein solcher
musg das Laster in seiner nackten Abscheulichkeit
enthüllen und in seiner kolossalen Grösse vor das
Auge der Menschheit stellen. — Wer es einmal so
weit gebracht hat — ein Ruhm, um den wir ihn nicht
beneiden — seinen Verstand auf Unkosten seines
Herzens zu verfeinem, dem ist das Heiligste nicht
heilig mehr, dem ist die Menschheit, die Gottheit
nichts, — beide Welten sind nichts in seinen
Augen. "
„ Die edle ^infalt der heiligen Schrift muss sich
in täglichen Assembleen von den sogenannten witzigen
Köpfen misshandeln und ins Lächerliche verzerren
lassen; denn was ist so heilig und emsthafb, das,
*) Ostennesse 1781. Schiller's Werke II. 5. 4. 7. (Ck>tta 1847.)
6*
— 84 —
wenn man es falsch verdreht, nicht belacht werdeB
kann? — Ich kann hoffen, dass ich der Religion
und der wahren Moral keine gemeine Rache ver-
schafft habe, wenn ich diese muthwilligen Schrift-
verächter in der Person meiner schändlichsten Räuber
dem Abscheu der Welt überliefere. — Meinerseits
entscheide ein Dritter — aber von meinen Lesern
bin ich es nicht ganz gesichert. Der Pöbel, wo-
runter ich keineswegs die Gassenkehrer allein will
verstanden wissen, der Pöbel wurzelt — unter uns
gesagt — weit um, und giebt zum Unglück dea
Ton an!''
Die vorstehenden Worte hat Schiller als Doctor der
Medicin geschrieben, und gleichzeitig mit seiner medicinischeo
Doctor - Dissertation „Ueber den Zusammenhang dei
thierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen"
veröffentlicht. ^)
Der Mediciner und Militärarzt Friedrich Schillei
widmet in seiner Dissertation auch der Heilung der Krank-
heiten seine Aufmerksamkeit, und eingedenk der uralten Wahr-
heit, dass zwischen Körper und Seele Wechsel wirkungei
stattfinden, so dass nicht nur ein gesunder Körper die Seel<
gesund erhält, sondern auch umgekehrt eine gesunde Seek
den Körper gesund macht, bemerkt er in §§. 20 und 27 seine:
Promotionsschrift wörtlich Folgendes:
„Man hat täglich Beispiele von Kranken, die sich voll Muth über di<
Leiden des Körpers erheben, von Sterbenden, die mitten in den Bedräng
*) In der oben citirten Ausgabe von Schiller 's Werken (1847) be
findet sich diese Abhandlung abgedruckt im 10. Bande Seite 3 ff. De
Herausgeber bemerkt in einer Note:
„Dieser Versuch, bisher in die sämmtlichen Werke Schiller'
nicht aufgenommen, nun aber von seinen Söhnen hierf&r bestimmi
erschien schon im Jahre 1780 im Drucke, und zwar als „ein
Abhandlung, welche in höchster Gegenwart seiner herzoglichen Duicl
laucht während der öffentlichen akademischen Prüfungen vertheidige
wird Johann Christoph Friedrich Schiller, Candidat de
Medicin in der herzoglichen Militär -Akademie/'
- 86 —
Bissen der kämpfenden Maschine fragen: wo ist dein Stachel, Tod?
Sollte die Weisheit, dürfte man einwenden, nicht vermögend sein, wider
die hlinden Schrecken des Organismus zu waffnen ? Sollte, was noch mehr
iBt als Weisheit, die Keligion ihre Freunde so wenig gegen die Anfech-
tungen des Stauhes beschützen können? Oder, welches ebensoviel heisst,
kommt es nicht auch auf den vorhergehenden Zustand der Seele an, wie
sie Alterationen der Lebensbewegimgen aufnimmt?"
„Dieses ist nun eine unleugbare Wahrheit. Philosopliie und noch weit
mehr ein muthiger und durch die Beligion erhobener Sinn sind fähig, den
Eisfinss der thierischen Sensationen, die das Gemüth des Kranken be-
stäimen, durchaus zu schwächen und die Seele gleichsam aus aller Cohärenz
mit der Materie zu reissen. Der Gedanke an die Gottheit, die, wie durchs
Universum, so auch im Tode webet, die Harmonie des vergangenen Lebens
und die Vorgefühle einer ewig glücklichen Zukunft breiten ein volles licht
über alle ihre Begriffe, wenn die Seele des Thoren und Ungläubigen von
allen jenen dunklen Fühlungen dos Mechanismus umnachtct wird. Wenn
aach unwiUkürUche Schmerzen dem Christen und Weisen sich aufdrängen
— denn ist er weniger Mensch ? — so wird er selbst das Gefühl seiner
zerfallenden Maschine in Wollust auflösen/*
,JE]ndlich dann, auf den Zeitpunkt, wo der Geist den Zweck seines
Daseins in diesem Kreise erfüllt hat, hat zugleich eine inwendige unbe-
greifliche Mechanik auch seinen Körper unfähig gemacht, weiter sein Werk-
tag zu sein. Alle Anordnungen zur Aufrechterhaltimg des körperlichen
Höre scheinen nur bis auf diese Epoche zu reichen; die Weisheit, kommt
es mir vor, hat bei Gründung unserer physischen Natur eine solche Spar-
ttmkdt beobachtet, dass, ungeachtet der steten Compensationen, doch die
Consomption immer das Uebergewicht behalte, dass die Freiheit den
Mechanismus missbraucho, und der Tod aus dem Leben, wie
ans seinem Keime sich entwickele. Die Materie zerfällt in ihre
letzten Keime wieder, die nun in andern Formen und Verhältnissen dvach.
die Reiche der Natur wandern, andern Absichten zu dienen. Die Seele fahrt
fort, in andern Kreisen ihre Denkkraft zu üben und das Universum von
andern Seiten zu beschauen. Man kann freilich sagen, dass sie diese
Sphäre im geringsten noch nicht erschöpft hat, dass sie solche vollkommener
hätte verlassen können; aber weiss man denn, dass diese Sphäre
für sie verloren ist? Wir logen jetzo manches Buch weg, das wir
nicht verstehen, aber vielleicht verstehen wir es in einigen Jahren besser." —
Diese Gedanken hat Schiller, als Mediciner und Militär-
ttzt, in seinem 20. Jahre (1780) in Schwaben concipirt, während
34 Jahre früher Kant in seinem 22. Jahre (1746) in Königs-
bei^ den Gedanken einer erweiterten Baumansebauung
condpirte und vom Standpunkte derselben ,,die Bedingung,
unter der es wahrscheinlich ist, dass es viel Welten
— 86 —
gebe", in eingehender Weise behandelte,^) indem er wörtlich
bemerkt :
„Denn wenn nur die einzige Baumesart, die nur eine dreifache
Abmessung (Dimension) leidet, möglich ist, so würden die andern Welten,
die ich ausserhalb derjenigen setze, worin wir existireu, mit der unsrigen
dem Baume nach können verbunden werden, weil sie Bäume von einerlei
Art sind. Daher würde sich's fragen, warum Gott die eine Welt von der
andern gesondert habe , da er doch durch ihre Verknüpfung seinem Werke
eine grossere Vollkommenheit mitgetheilt haben würde; denn je mehr
Verbindung, desto mehr Harmonie und Uebereinstimmung ist in der Welt,
da hingegen Lücken und Zerstreuungen die Gresetze der Ordnung und der
Vollkommenheit yerletzen. Es ist also nicht wahrscheinlich, dass viele
Welten existiren, — ob es gleich an sich möglich ist, — es sei denn,
dass vielerlei Baumesarten, von denen ich jetzt geredet
habe, möglich sind."
Kant schrieb nach 46 Jahren, also fünf Jahre nach der
zweiten Auflage seiner Kritik der reinen Vernunft, eigen-
händig') auf das Manuscript seiner obigen Erstlingsschriflb:
„Eine an sich reife Frucht, die man aber nicht abpflückte
und bewachte."
Es ist mir nicht bekannt, ob auch Schiller später eine
ähnliche Bemerkung über seine oben erwähnte Erstlingsschrifl
schriftlich hinterlassen hat. Dass er aber heute, wenn er
wieder in unsere Mitte treten könnte, um den Missbrauch der
sogenannten wissenschaftlichen Vivisection bei unseren heutigen
Medicinern in Epigrammen zu geissein, er sicherlich dem inter-
nationalen Vereine zur Bekämpfung der wissenschaftlichen Thier-
foltejr beitreten würde, daran zweifle ich nicht. Vielleicht
würde er ähnliche Distichen wie seine folgenden veröffentlichen :
„War es immer wie jetzt? Ich kann das Geschlecht nicht begreifen.
Nur das Alter ist jung, ach! und die Jugend ist alt."
„Eine grosse Epoche hat das Jahrhundert geboren;
Aber der grosse Moment findet ein kleines Geschlecht."
,,Thoren hätten wir wohl, wir hätten Fratzen die Menge,
Leider helfen sie nur selbst zur Komödie nichts."
„So war's immer mein Freund, und so wird's bleiben: die Ohnmacht
Hat die Regel für sich, aber die Kraft den Erfolg!"
») Kant 's Werke. V. S. 28.
*) Vgl. Ausführliches hierüber in meinen „Wissenschaftlichen Abhand-
ungen" Bd. in. S. 598.
— 87 —
Der Leser mag hieraus ersehen , dass meine Rolle nur
diejenige eines Gärtners ist, der die „an sich reifen Früchte"
TODy vor hundert Jahren ausgestreuten, Saaten unserer grossen
Denker und Dichter abpflückt, um sie der gegenwärtigen
Generation zum Genüsse darzubieten. Will man denn diese
Früchte nicht wenigstens einmal erst kosten, ehe man sie ohne
Weiteres zurückweist und den Gärtner verspottet? Um auch
hier wieder die Uebereinstimmung von Schiller mit Kant
zu beweisen, citire ich die folgenden Worte des Letzteren
aus seiner oben erwähnten £rstlingsarbeit (S. 7. a. a. O.):
„Das Vorurtheü ist recht für die Menschen gemacht, es thut der
Bequemlichkeit und der Eigenliebe Vorschub, zweien Eigenschaften, die
man nicht ohne die Menschheit ablegt. Derjenige, der von Vorurtheilen
eingenommen ist, erhebt gewisse Männer — (die es umsonst sein würde
zu verkleinern und zu sich herunterzulassen) — über alle andern zu einer
imersteiglichen Höhe. Dieser Vorzug bedeckt alles üebrige mit dem
Scheine einer vollkommenen Gleichheit, und lässt ihn den Unterschied
nicht gewahr werden, der unter diesen noch herrscht und der ihn sonst
der verdxiesslichen Beobachtung aussetzen würde, zu sehen, wie vielfach
man noch von denjenigen tibertroffen werde, die noch innerhalb der Mittel -
mässigkeit befindlich sind.
So lange also die Eitelkeit der menschlichen Gemüther noch mächtig
sein wird, so lange wird sich das Vorurtheil erhalten, d. i. es wird
niemals aufhören."
Um hier, wie auf dem Gebiete der Raumspeculation, zu
zeigen, dass grosse Denker sich bezüglich ihrer Grund -An-
schauungen stets consequent bleiben, und sich nicht wie
Hr. Lasker über „Veränderlichkeit'^ beklagen, lasse ich hier
über das gleiche Thema noch einige Worte Kant 's folgen,
welche er 52 Jahre später (1798) veröffentlich hat.^) Die-
selben lauten:
„Fragt man nun, ob die Menschengattung — (welche, wenn man sie
sich als eine Species vernünftiger Erdwesen, in Vergleich mit denen
auf andern Planeten , als von Einem Demiurgus entsprungene Menge Gre-
schöpfe denkt, auch Ra9e genannt worden kann) — ob, sage ich, sie als
eine gute oder schlimme Ea9e anzusehen sei, so muss ich gestehen, dass
nicht damit viel zu prahlen sei. Doch wird Niemand, der das Benehmen
der Menschen nicht blos in der alten Geschichte, sondern in der Geschichte
des Tages ins Auge nimmt, zwar oft versucht werden, misanthropisch den
Timoriy weit öfter aber und treffender den Momus in seinem Urtheile
') Kant's Werke. VH. 2. Abthlg. S. 274 ff.
— 88 —
zu machen, und Thorheit eher als Bosheit in dem Charakterzage unserer^
GajbtUDg hervorstechend finden. Weil aber Thorheit mit einem Lineanient&
von Bosheit verbunden — (wo sie alsdann Narrheit heisst) — in der
moralischen Physiognomik an unserer Gattung nicht zu verkennen ist, so
ist allein schon aus der Verheimlichung eines guten Theils seiner Gedanken,
die ein jeder kluge Mensch nöthig findet, klar zu ersehen, dass in unserer
Ea^e Jeder es gerathen finde, auf seiner Hut zu sein und sich nicht ganz
erblicken zu lassen, wie er ist; welches schon den Hang unserer Gattung^
übel gegen einander gesinnt zu sein, verräth."
„Es könnte wohl sein, dass auf irgend einem anderen Planeten ver-
nünftige Wesen wären, die nicht anders als laut denken könnten, d. i.
im Wachen wie im Träumen, sie möchten in Gesellschaft oder allein
sein, keine Gedanken haben könnten, die sie nicht zugleich aussprächen.
Was würde das für ein von unserer Menschengattung verschiedenes Ve^
halten gegeneinander, für eine Wirkung abgeben? Wenn sie nicht alle
engelrein wären, so ist nicht abzusehen, wie sie .nebeneinander auskommen,^
Einer vor dem Andern nur einige Achtung haben und sich mit einander
vertra^n könnten." —
„Es gehört also schon zur ursprünglichen Zusammensetzung eines
menschlichen Geschöpfes und zu seinem Gattungsbegriffe: zwar Anderer
Gedanken zu erkunden, die seinen aber zurückzuhalten; welche saubere
Eigenschaft denn so allmälig von Verstellung zur vorsätzlichen
Täuschung, bis endlich zur Lüge fortzuschreiten nicht ermangelt."
„Man kann sich eines gewissen Unwillens nicht erwehren, wena man
der Menschen Thun und Lassen auf der grossen Weltbühne aufgestellt
sieht, und bei hin und wieder anscheinender Weisheit im Einzelnen, doch
endlich alles im Grossen aus Thorheit, kindischer Eitelkeit,^
oft auch aus kindischer Bosheit und Zerstörungssucht zusammen-
gewebt findet: wobei man am Ende nicht weiss, was man sich von unserer,
auf ihre Vorzüge so eingebildeten Gattung, für einen Begriff
machen soll." (VE. 318.)
„Die Kunst aber, oder vielmehr die Gewandtheit, im gesellschaft-
lichen Tone zusprechen und sieh überhaupt modisch zu zeigen, welche,
vornämlich wenn es Wissenschaft betrifft, fälschlich Popularität
genannt wird, da sie vielmehr geputzte Seichtigkeit heissen sollte,
deckt manche Armseligkeit des beschränkton Kopfes. —
Aber nur Kinder lassen sich dadurch täusdien."
Wie man sieht , beziehen eich die vorstehenden Worte
Kant's auf die Menschen im Allgemeinen, als Ra^e, und da
nun doch auch unsere modernen Physiologen und Vivisectoren
zu den Menschen gehören, nach ihrer Behauptung sogar
zu sehr gefühlvollen Menschen, die, wie Hr. Geheimrath
Ludwig, in den Vorstand von Thierschutz -Vereinen treten,
um bei EröfTnungsrederi wörtlich zu erklären:
— 89 —
„Wenn, wie wir zu glauben berechtigt sind, jedes lebendige auch ein
fohlendes Wesen ist, so verlangt es das Mitleid gebieterisch, dass auch
dem armseligsten Wurme ein ungestörtes Wohlbehagen
gegönnt werde",
ich sage, da unsere Vivisectoren solche Menschen
sind und daher auch die oben von Kant bezeichneten all-
gemeinen Charakterzüge der Menschengattung besitzen
müssen, so ist es doch für alle Thierschutzvereine von höchster
Wichtigkeit zu untersuchen, ob nicht wenigstens bei einigen
Vivisectoren jene oben von Kant erwähnte „saubere Eigen-
schaft, so allmälig von Vorstellung zur vorsätzlichen
Täuschung bis endlich zur Lüge fortzuschreiten ^S anzu-
treffen sei und ob ihre „Popularität, vornämlich wenn sie
Wissenschaft betrifft^, im Grunde genommen nichts anderes
^8 „geputzte Seichtigkeit" sei, mit welcher „manche
Armseligkeit des eingeschränkten Kopfes gedeckt
werden soll — um „Kinder dadurch zu täuschen^^
Da sich das deutsche Volk im Hinblick auf die stolze
Ahnenreihe von so gewaltigen Denkern, wie Copernikus,
Kepler, Kant und Schiller nicht als „Kind*' behandeln
lassen will, so wird zunächst die Frage entschieden werden
müssen, ob auch heute noch die oben von Kant vor mehr
als hundert Jahren gegebene Charakteristik der Menschheit,
mit Einschluss aller Physiologen, Vivisectoren und Mediciner,
als zutreffend betrachtet werden darf. Wer soll aber hierüber
entscheiden? Am besten doch ein Mediciner, und womöglich
ein Israelit, da unter den Vertheidigem der Vivisection auch
Israeliten als Autoritäten im Namen der Wissenschaft ihre
Stimme erhoben haben. Ich bin in der glücklichen Lage
dieses Zeugniss beizubringen, wofür ich mich, wie in so vielen
andern Fällen, beim Redacteur des Leipziger Tageblattes zu
bedanken habe. In der heutigen Nummer vom 10. Dcbr. 1879
(1. Beilage) wird unserer ganzen gegenwärtigen Generation
von einem Hrn. Dr. med. Le wy in Wien (jedenfalls ein israeli-
tischer Irrenarzt), das folgende schmeichelhafte Zeugniss
aasgestellt:
Grössenwahn bezeichnet ein Dr. Lewy in Wien als die Krankheit
onseieB Jahrhunderts, die dasselbe ebenso heimsucht, wie in früheren Jahr-
— 90 —
hunderten der Geiöselfanatismus , die Tanzwuth, der Veitstanz epidemisch
aufgetreten sind. Die geistige Epidemie des Grössenwahns steht, was die
Zahl ihrer Opfer anbelangt, hinter den hier geschilderten durchaas nicht
zurück, ja sie überbietet sie noch. Doch so wie man bei der Cholera das
Heer der die Ausbrüche dieser Epidemie stets begleitenden Diarrhöen und
Oholerinen, obgleich sie unzweifelhaft als mildere Choleraformen aufzufassen
sind, wenig beachtet und nur die schweren Fälle und die Todten registrirt,
so auch hier. Wer wagt es, festzusetzen, bis zu welchem
Grade die Denkkraft einer Persönlichkeit getrübt sein
muss, um sie als von einer geistigen Epidemie ergriffen
bezeichnen zu können? So leben wir in fortwährendem theilweise
innigem Verkehre mit Jenen, welche an der Krankheit des Jahrhunderts,
dem Grössenwahne , leiden und haben, ohne es zu ahnen, uns so an ihre
abnorme Handlungs-, Eede- und Denkweise gewöhnt, dass sie uns nicht
nur nicht auffällt, sondern dass wir sie sogar für die normale halten. Nor
die krassen Fälle, welche ins Irrenhaus oder zum Selbstmorde führen,
fordern unsere Aufmerksamkeit heraus; und diese sind zahlreich genug,
zahlreicher denn je. Es ist statistisch nachgewiesen, dass die Zahl der
Geisteskranken und Selbstmörder von Jahr zu Jahr steigt und diese Er-
scheinung hätte uns aufmerksam machen sollen, dass wir es nicht mit
sporadischen Erkrankungen, sondern mit einer Epidemie zu thun haben.
Man gelangt ins Irrenhaus, man tödtet sich aus liebe, aus Noth, aus
Lebensüberdruss. Haben denn diese Calamitäten nicht seit jeher existirt?
Wurde Liebe früher häufiger erwidert, als es gegenwärtig der Fall ist?
Hat der Krach anno 1873 ärgere materielle Verluste geschaflTen, als seiner-
zeit die Franzosenkriege und z. B. in Oesterreich das Finanzpatent? In
vielen Bureaux und Aemtem wird, wenn der Chef an Grössenwahn leidet,
das ganze Personal bis zum letzten Diener herab davon ergriffen. Wer
vor 4 Nullen steht, dünkt sich gleich 10,000 und seine letzte Null dünkt
sich ebenso viel wie er. Alle diese Einser und Nullen sind aber mit sich
und ihrer ganzen Umgebung im höchsten Grade unzufrieden. Jede Stellung,
die sie einnehmen , wird den vom Grössenwahn Verblendeten zu gering
erscheinen und das Ziel, das sie sich m Folge unlogischer Anschauung
stecken, werden sie nie erreichen. Der Grössenwahn, welcher eine üeber-
schätzung der Persönlichkeit, der Kraft, der Leistungen, des Vermögens,
der Ehre, der Liebe u. s. w. heranbildet, schlägt dann in sein Extrem um,
in den Kleinmuth, bei dem der Kranke wähnt, dass alle diese Tugenden
vernichtet und unwiderbringlich verloren seien. War beim Grössenwahne
die abnorme Idee, dass man würdig sei eines unendlichen, ewig währenden
Glückes, so wird der absolute Nachweis der Unerreichbarkeit, der Undurch-
führbarkeit, der übertriebenen Hoffnungen den Erkrankten dahin bringen,
dass er sich vergiftet, erschiesst, ja selbst diejenigen ermordet, die er liebte.
Der Verlust eingebildeter Ehre, des Keichthums, wirklicher Mangel, unheil-
bare Krankheiten, Familienzwist und liebesnoth, sie alle vermehren die
Empfänglichkeit zur Erkrankung am Grössenwahn, so dass ein Individuum,
— 91 -
Jas unter normalen Verhältnissen gesund geblieben wäre, von den oben-
genannten ungünstigen Einflüssen geschwächt, in die schwersten Formen,
die ins Irrenhaus, zum Morde und Selbstmorde führen, verfallt. Dr. Lewy
verlangt Massregeln, um einen gesünderen Menschenschlag zu erzielen.
Namentlich müsste der Ackerbau in jeder Beziehung ge-
fördert werden; denn der Betrieb der Landwirthschaft ist
von allen Berufsarten die gesündest;e und mindert demnach
die Empfänglichkeit zur Aufnahme des Krankhoitsstoffes."
Mit welchem Jubel werden unsere Landwirthe und die
„preussischen Krautjunker" die letzten Worte eines „natur-
wissenschaftlich und medicinisch gebildeten Isrealiten" vom
Strande der blauen Donau begrüssen! Und was wird Hr.
Lasker zu der Bestätigung meiner folgenden Worte sagen,
welche sich bereits seit einigen Monaten gedruckt im dritten
Bande meiner „Wissenschaftlichen Abhandlungen" (S. 144)
befinden? Dieselben lauten:
„Der gegenwärtige Kampf zwischen Stadt und Land, den der herufs-
mässige Parlamentarier Lasker so lebhaft bedauert, ist ein heilsamer
und Segen spendender, denn der Verstand der Städter ist durch
geistige und materielle Genüsse gesunken und bedarf der
erfrischenden und nervenstärkenden Waldluft des Landes,
falls die Symptome einer endemisch-psychischen Erkrankung
nicht noch stärker hervortreten und die verderblichen Folgen erzeugen
sollen, welche die Pariser Bevölkerung während des deutschen Krieges in
80 verhängnissvoller Weise heimsuchten. Nun genug der Worte! Mein
Vertrauen auf Grott und den entschlossenen Willen des deutschen Volkes
ißt unerschütterlich!"
Selbst meine kühnsten Hoffnungen für die Zukunft hätten
sich nicht bis zu dem Gedanken an die Möglichkeit verstiegen,
dass meine obigen Worte schon so bald eine solche Bestä-
tigung und, — ich kann das Glück kaum fassen — von einem
„wissenschaftlich^' und „medicinisch" gebildeten Wiener Juden
erhalten würden! Getreu meiner Devise aus den Werken
Friedrich's des Grossen:
„Ich suche nur die Wahrheit, ich respectire sie überall, wo ich sie
finde und ich unterwerfe mich ihr dort, wo man sie mir zeigt,"*)
reiche ich solchen Juden freudig bewegt die Hand und
betrachte sie, wie Schopenhauer und Richard Wagner
*) Oeuvres (fe Frvderic le Grond, T. IX. j>. /J.9. (184S bei
R. Decker, Berlin.)
— 92 —
ihre Juden, als meine Juden und Apostel. Wenn man mit
solchen Juden selbst die ganze Berliner Synagoge anfüllte
und hierzu noch den Vorsteher der Berliner Stadtverordneten
und zahlreiche Aeltesten der Kaufmannschaft einlüde, ich würde
mitten unter sie treten, um alle mit den Worten Schiller'» in
seinem Gedichte „die Freundschaft" zu begrüssen:
„Stund' im All der Schöpfung ich alleine,
Seelen träumt' ich in die Felsensteine,
Und umarmend — küsst ich sie — "
Küssen? Wie heisst? — Nun, warum denn nicht; selbst
das Opfer eines Kusses wäre mir nicht zu gross, um den
Juden einen Beweis zu geben, dass ich sie ohne irgendwelche
confessionelle Vorurtheile als meine menschlichen Mitbürger
betrachte, mit denen ich, soweit es irgend möglich ist, gemein-
sam das Gute auf dieser £rde zu fördern nach Kräften bereit
bin. Denn ich achte das Gute und Schöne in der mensch-
lichen Natur wie die Wahrheit, überall wo ich sie finde, und
stelle Güte des Herzens weit über die Vorzüge des Verstandes
und Geistes, in voller Uebereinstimmung mit den folgenden
Worten^) des grossen Antisemiten Schopenhauer:
„Ein entschieden edler Charakter, bei gänzlichem Mangel intellectueller
Vorzüge und Bildung, steht da wie Einer, dem nichts abgeht; hingegen
wird der grösste Geist, wenn mit starken moralischen Fehlem behaftet,
noch inuner taxlelhaft erscheinen. — Denn wie Fackeln und Feuerwerk vor
der Sonne blass und unscheinbar werden, so wird Geist, ja Genie und
ebenfalls die Schönheit überstrahlt und verdunkelt von der Güte des
Herzens. Wo diese in hohem Grade hervortritt, kann sie den Mangel
jener Eigenschaften so sehr ersetzen, dass man solche vermisst zu haben
sich schämt. . . Was ist dagegen Witz und Genie? Was Baco von Ve-
rulam?
Wenn ich nun bedenke, dass Schopenhauer trotz seiner
heftigen Polemik gegen die schlechten Charakter - Eigen-
schaften der Juden gerade unter ihnen seine Apostel und be-
geistertsten Verehrer gefunden hat, und dass sogar Richard
Wagner trotz seiner bekannten Schrift : „Das Judenthum in
der Musik", gerade einige der edelsten Juden zu seinen Ver-
theidigern und Freunden zählt, so trösten diese Erwägungen
auch mich und erwecken in mir die Hoffnung, dass mir
«) Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung IL S. 261 flF.
— 93 —
ein gleichee Schicksal zu Theil werden wird. Denn ich
schätze die Tugenden der Juden ebenso sehr wie ich die
schädliche Wirkung ihrer Fehler im Interesse der sittlichen
und christlichen Wiedergeburt des deutschen Volkes
bekämpfe. Doch kehren wir zu den Vivisectoren und dem
psychiatrischen Atteste zurück, welches Dr. Lewy in Wien
der ganzen gegenwärtigen Generation ausgestellt hat.
Da sämmtliche lebenden Professoren aller deutschen
und ausserdeutschen Universitäten offenbar zur gegenwärtig
lebenden Generation gehören, folglich auch sämmtliche
lebende Vivisectorc^n, wie E. du Bois Reymond in Berlin,
Ludwig in Leipzig, G. Wertheim in Wien, Hermann
in Zürich u. A. m., so muss auf Grund der medicinischen
und psychiatrischen Autorität des berühmten Dr. Lewy in
Wien auch die Möglichkeit zugegeben werden, dass unter
diesen Herren der eine oder andere der „Krankheit unseres
Jahrhunderts^, nämlich dem „ Grösse nwahn 'S verfallen sei.
Es ist nun offenbar eine Lebensfrage nicht nur für das Volk
sondern auch für die deutschen Regierungen mit Bestimmt-
heit zu wissen, ob thatsächlich eine solche psychische Erkrankung
an einigen der oben genannten Vivisectoren wissenschaft-
lich nachweisbar ist. Denn in diesem Falle wäre der Staat
verpflichtet, sofort das Vivisectorium des betreffenden Herrn
Professors zu schliessen, um die heranwachsende Jugend vor
Ansteckung zu bewahren. Denn eine so hohe wissenschaft-
liche Autorität wie die des Dr. Lewy in Wien behauptet
ja wörtlich:
„Wir leben in fortdauerndem, theüweise innigem Verkehr mit Jenen,
weldie an der Krankheit des Jahrhunderts, dem Grössenwahne, leiden und
haben, ohne es zu ahnen, uns so an ihre abnorme Handlungs-, Kode- imd
Denkweise gewöhnt, dass sie uns nicht nur nicht aufßlllt, sondern dass
wir sie sogar för die normale halten. Nur die krassen Fälle, welche ins
Irrenhaus oder zum Selbstmorde führen, fordern unsere Aufmerksamkeit
heraus; und diese sind zahlreich genug, zahlreicher denn je.
Wer wagt es festzusetzen, bis zu welchem Grade die Denkkraft
einer Persönlichkeit getrübt sein muss, um sie als von einer geistigen Epi-
demie eigiffen bezeichnen zu können?*'
Wer wagt es? fragt also Lewy, mit sinniger Anspie-
lung auf Schiller 's „Taucher":
— 94 —
„Wer wagt es, Bittersmann oder Knapp,
Zu tauchen in diesen Schlund ?^^
Wohlan denn, unter der Devise Ulrich's von Hütten:
„Ich hab's gewagt'^, werde ich jetzt „in den Schlund
hinabtauchen 'S um den wissenschaftlichen Beweis zu
liefern, dass auch Vivisectoren dem von Dr. Lewy als
„Krankheit unseres Jahrhunderts*' bezeichneten „Grössen-
vvahn" verfallen sind.
Ehe ich mich zu diesem Beweise anschicke, bin ich genöthigt
noch einige Vorfragen zu beantworten. Die erste dieser Fragen
besteht darin, in wie weit ich berechtigt bin, mich auf dem
Gebiete Psychiatrie oder Seelenheilkunde als wissenschaft-
liche Autorität zu betrachten, da ich auf diesem Gebiete noch
keine Untersuchungen veröffentlicht habe.^) Ich erlaube
mir diese Frage dahin zu beantworten, dass man auch, ohne
über eine Wissenschaft etwas zu publiciren, sich doch sehr
eingehend mit derselben sowohl practisch als theoretisch be-
schäftigt haben kann. Ich habe z. B. während meiner
Studienzeit in Berlin sehr eifrig ein CoUeg über Psychiatrie
bei Hrn. Prof. Ideler, dem früheren Director der psychia-
trischen Abtheilung in der Berliner Charit^, gehört und später
^) Auch auf dem Gehiete der Taschenspielerkunst habe ich mir Fertig-
keiten erworben, so dass es von dem Assistenten E. du Bois-Keymond's,
Hm. Dr. Chrißtiani, im höchsten Grade oberflächlich und unüberl^
war, sich mir auf diesem Gebiete als Autorität gegenüberzustellen und
dadurch so „berühmte Männer der Wissenschaft", wie die Professoren
Ludwig, Wundt, Proyer und viele Andere, zu dem Irrthum zu ver-
leiten, ich vorstände nichts von Prestidigitation und hätte mich daher von
Hm. Slade düpiren lassen. Ist es denn nicht bei allen diesen Männern,
um mit Dr. Lewy zu roden, „eine Trübung der Denkkraft", wenn sie aus
dem umstände, dass ich mich noch nicht öffentlich als Taschenspieler
producirt habe , den Schluss ziehen , ich verstände weniger von Taschen -
Spielerei als Dr. Christiani? Ich bin z. B. im Stande einen doppelt
geschürzten Bindfaden prestidigitatorisch durch meinen Hals zu ziehen,
ohne dass mein Kopf herunterfallt, und femer einen solchen Faden von
einem Andern durchschneiden zu lassen, ihm zwei der getrennten Finden
in die Hand zu geben, während ich die andern im Nu so schnell wieder
ohne Knoten vereinige, dass Niemand den Bindfaden zerreissen oder eine
Stelle der Wiedervereinigung zu erkennen vermag. Welche „Trübung der
Denkkraft" bei unseren modernen Physiologen!
— 95 —
sehr eingehend und mit grösstem Interesse deutsche; franzö-
sische und englische Werke, wie z. B. diejenigen von Grie-
singer,^) Maudsley') und Moreau de Tours*) studirt.
Aber nicht blos theoretisch, sondern auch practisch
hatte ich vielfach Gelegenheit, das allmälige Entstehen von
Psychosen zu beobachten, da mich die Vorsehung durch trau-
rige Erfahrungen in meiner Familie schon frühe mit diesen
für den Psychologen so lehrreichen Erscheinungen bekannt
gemacht hat.
Auf Grund dieser Erfahrungen hatten mich bekanntlich
die Gegner meines Cometenbuches selber für „krank'' und an
„Grössenwahn''^) leidend zu verdächtigen gesucht, und der
Berliner Vivisector Hr. E. du Bois-Reymond ging sogar
80 weit, bereits „eine Zelle im Irrhause'' für mich als Heil-
mittel in Vorschlag zu bringen. Diese Thatsachen verleihen
mir heute, nach acht Jahren, auch moralisch die Freiheit,
in ebenso ungenirter Weise den Gemüthszustand des Herrn
E. du Bois-Reymond psychiatrisch auf Grund seiner
Beden und Handlungen öfTentlich zum Gegenstande einer
psychologischen Vivisection zu machen. Selbst-
verständlich würde ich eine solche tief einschneidende Opera-
tion für moralisch unerlaubt halten, wenn mir von Hrn. E. d u
Bois-Reymond und meinen andern Gegnern auch nur ein
einziger das geringste Zeichen von einer Berichtigung seiner
Irrthümer gegeben hätte. Dieselben haben jedoch in den ver-
flossenen acht Jahren nicht nur geschwiegen sondern durch
neue Demonstrationen ihr begangenes Unrecht vergrössert.
*) Die Pathologie und Therapie der psychischen Krank-
heiten, für Aerzte und Studirende von Dr. W. Griesinger. 4. Aufl.
1876. Braunschweig hei Wreden.
*) „Die Physiologie und Pathologie der Seele von Henry
Maudsley, M. D. Professor der Psychiatrie an der Medicinischen Schule
des Si Mary-Hospitals etc. Nach des Originals zweiter Auflage deutsch
bearbeitet von Dr. Kudolf Boehm, Assistenten der psychiatrischen
Klinik in Würzhurg. Vom Verfasser autorisirte Ausgabe. Würzburg
(Huber) 1870.
•) Moreau, Psychologie morbide, Paris 1859.
*) Vgl. den literarischen Beleg für meine Behauptung: Wissenschaft! .
Abhandlungen H. Thl. 2. S. 1076 ff. „Zur Abwehr."
- 96 —
Wäre dasselbe nur ein meine Person betreffendes, so würde
ich schweigen; aber die moralische Corruption in den söge»
nannten gelehrten und gebildeten Kreisen in unserem Volke
hat im letzten Decennium so gewaltige Fortschritte gemacht,
dass es heute, vermuthlich durch das vor 8 Jahren gegebene
-Beispiel von Berliner Akademikern , eine jüdische Autorität
wie Hr. Dr. Geo Rachel^) wagt, öffentlich die Ab-
setzung von Wilhelm Weber, Fechner, Scheibner und
mir zu verlangen, weil wir uns mit einer wissenschaftlichen
Untersuchung der Eigenschaften der Herren Slade und
Hansen beschäftigt haben. Hr. Dr. Geo Rachel kleidet
seine kategorische Aufforderung an den Königl. Sächsischen
Unterrichtsminister Hm. Dr. von Gerber und den König!.
Preussischen Cultusminister Henn von Puttkamer in fol-
gende Worte:
„Andere ist es jedoch mit Zöllner und seinen Kollegen. Diese Herren
wollen die schönste und erhabenste Errungenschaft des Menschengeistes,
die Wissenschaft, die freie Forschung, in den Staub herabziehen, indem sie
die erbärmlichsten Gaunerstückchen, die oiFenbarsten Betrügereien in un-
glaublicher Verblendung für Wahrheit hinnehmen und verächtliche Albern-
heiten, die in den „Victoria-Salon" und dergleichen Tingel-Tangels gehören,
in die Hallen der Wissenschaft einführen, als wären sie ebenbürtig mit
den höchsten Problemen, . . und wenn sie die politische imd wirthschaft-
liche Eeaction, welche jetzt in Deutschland waltet, auch auf das wissen-
schaftliche Gebiet übertragen wollen, wenn sie die Quellen vergiften woll^i,
an denen die Jugend der Nation sich lagert, um ihren Durst nach Wahr-
heit zu stillen — dann ist es wahrhaftig an der Zeit, dass man ihnen ein
donnerndes „Halt! bis hierher und nicht weiter!" zurufe. Sie müssen
zurücktreten von ihrer Hüterschaft des Borns der Weisheit und ihn
würdigeren und fähigeren Händen überlassen, bis dieser Zustand krank-
hafter Geistesthätigkeit vorüber und die Vernunft bei ihnen wieder
in ihre Kechte eingetreten ist. Eine weitere Fortsetzung und Unterstützung
solchen Unfugs von solcher Seite kann den Dunkelmännern nur zur Freude
gereichen, so lange Jene in ihren verantwortlichen, autoritativen Stellungen
verbleiben."
Gegen derartige Versuche von jüdischen Gelehrten, „dem
Cultusminister freiwillig unter die Arme zu greifen", hatte
^) Vgl. Ausführliches im HI. Bande „Wissenschaft!. Abhandl." S. 388.
Hr. Dr. Geo Eachel ist ein eifriger Mitarbeiter der von Hm. Dr. Klein
in Cöln herausgegebenen naturwissenschaftlichen Zeitschrift „Gaoa". Vgl.
z. B. Heft 10, vom 30. October 1879.
— 97 -^
^ch aber bereits früher der Christ und streitbare Bekämpfer
des Buches von David Strauss: ^^Der alte und neue Glaube^
mit Eatschiedenheit ausgesprochen. Hn Professor Dr.
Alfred Dove^) stellte nämlich denselben Gelehrten, deren
Absetzung Hr. Dr. Geo Kachel in den obigen Worten
fordert, wörtlich das folgende Zeugniss aus:
j^eiten Sie hinaus durch Ihr Leipzig ins Johannisthal und blick«i
Sie von der Anatomie bis zum botanischen Garten die Beihe von Instituten
entlang, die allein der kleine Staat Sachsen für Zwecke der Naturforschung
gebaut hat, sich zum Kuhmo, ganz Deutschland zu Nutz und Vorbild.
Und gerade da müssen sich nun die Spiritisten niederlassen wie der
Eiioblanch unter den Eichen des Eosenthals; und ihre denkfaulen
Gönner wähnen, so ein armseliges Häuflein von Pfuschern
ohne Vorschule, das da experimentirt wie die Katze mit
dem Spucknapf, werde was Erkleckliches beitragen zur Naturwissen-
schaft, den Meistern am Zeuge flicken und dem Cultusminister frei-
willig unter die Arme greifen!" (S. 9.)
Meine Leser werden aus diesen bereits gedruckt vor-
H^nden psychiatrischen Gutachten über mich und meine
Freunde W. Weber, Fechner und Scheibner entnehmen,
dass die Diagnose, welche Hr. Dr. Lewy der gegenwärtigen
Generation ausstellt, in Ser That begründet zu sein scheint,
imd die civilisirte Welt ganz unvermerkt gerade in der soge-
nannten „guten Gesellschaft" in ein grosses Irrenhaus um-
gewandelt ist. Bekanntlich sind bereits in Frankreich iiu
Jahre 1870 solche Symptome einer endemischen psychischen
Eifaankung zu Tage getreten, welche von diesem Standpunkte
aus auch von einem deutschen Irrenarzte, wenn ich nicht irre
aas München, in einer kleinen Schrift behandelt worden sind.
f l^enn daher gegenwärtig auch noch ein Franzose in der
1 BepfMique frangaise vom 7. und 10. Decbr. 1879 sich nach
1 den obigen deutschen Mustern richtet, und sogar Professor
[ Ulrici wegen seiner überaus höflichen und sachlichen Er-
*) „Im neuen Beich** 1878. No. 19. „Der Spiritismus in Leipzig**, auch
separat für 30 Pf. bei S. Hirzel in Leipzig. — Die Kritik, welche Hr.
Dove noch als Bedacteur der Wochenschrift : ,Jm neuen Eeich*' über das
erwähnte Buch von David Strauss veröffentlicht hatte, war für Letzteren
so verletzend gewesen, dass er die folgenden Auflagen seines Werkes der
Hirzel* sehen Verlagsbuchhandlung entzog und Hm. Strauss in Bonn
übergab.
7
-^ 98 —
•mderuDg auf Professor Wund t's „offenen Brief" offen tlicl
in dem Oi^ane Gambetta's als an der folie raisonnanU
leidend erklärt, ^) so darf uns das glicht überraschen. Dagegen
müssen für meinen Collegen Wundt die wannen Lobes-
erhebungen in solchen Blättern überaus peinlich sein^ wenn
er die folgende Notiz berücksichtigt, welche sich im Leipziger
Tageblatt vom 10. December 1879 (4. Beilage) befindet und
wörtlich wie folgt lautet:
„In der „ ,yRSpublique Frangatse^^ ", dem Organ Gambetta's, begegnet
man von Zeit zu Zeit sehr tendenziös gefärbten Berichten über sächsische
und speciell Dresdner Verhältnisse, welche keineswegs dazu angethan sind^
den Lesern jenes Blattes einen Ausflug nach Sachsen und dessen Eesidenz
anzurathen. Die hiesigen Verhältnisse werden in dem genannten Blatte
mitunter in einer Weise geschildert, dass man glauben möchte, Sachsen
sei das Land der Hottentotten und wir armen Sachsen wären an Geist und
Xörper gefesselte Sklaven, denen der Begriff der freien Menschenwürde
schon längst abhanden gekommen. Man darf sich füglich über diese ein-
seitigen £xpectorationen des Gambett ansehen Organs nicht wundem, wenn
man weiss, dass die sächsischen und Dresdner Localberichte zumeist dei
Feder eines bekannten hiesigen Socialistenführers entstamme0
der mit der Tugend der Wahrheit von jeher nicht auf vertrauhchepQ
Fusse gestanden. Der eigentliche Correspondent der „RSpiiblique/ravgaise^
ist der hier lebende Professor Kessele, Präsident der hiesigen „RSumof
frangaüe^\ welchem der fragliche Dresdner Socialist^ührer als Special
Berichterstatter zur Seite steht. Wir nehmen an, dass der gute Man]
von Professor die trübe Quelle noch nicht erkannt hat, aus der er sein«
sächsischen und Dresdner Localnotizen schöpft.^ ^
Es ist eine den Irrenärzten bekannte Erscheinung, das-
Gemüthskranke in Heilanstalten häuiBg Gesunde fiir krani
halten, z. B. ihre Wärter oder ihre sie besuchenden Verwandten
und alsdann ganz ernsthaft mit der Miene einer sachverstän
digen Theilnahrae und des Bedauerns dem Dirigenten de
Anstalt die Argumente für die Richtigkeit ihrer Diagnos
mittheilen. Vor 8 Jahren bin ich nun auf Grund meine
Buches „über die Natur der Cometen" von zwei so ausge
zeichneten Gelehrten und wissenschaftlichen Autoritäten wie de
Herren Helmhol tz und E. du Bois-Reymond, fü
Vgl. „Zur Aufklärung des deutschen Volkes über Inhalt imd Au
gäbe der wissenschaftlichen Abhandlungen von Friedrich Zöllne:
(Leipzig, Staackmann.)
— 99 —
^krank^' erklärt worden ^ während die geeammte deutsche
und ausländische Presse mein Buch mit dem grössten Beifall
begrüsste. ^) Heute werden wiederum von einer so hochstehen-
den Celebrität wie Dr. Geo Kachel, der durch seine Bei-
trage in der ,,Gaea<' (redigirt von Dr. Hermann J. Klein in
CöId) sich jed^falls einbildet, eine geradezu welterschütternde
Epoche in der Naturwissenschaft begründet zu haben, auch
ausser mir noch meine Freunde Fe ebner, W. Weber und
Scheibner öffentlich als im „Zustande krankhafter
Geistesthätigkeit'' befindlich erklärt. Welchen Autori-
täten soll denn nun der „Staaf , d. h. der betreffende Cultus-
minister Glauben schenken? Bereits im dritten Bande meiner
«Wissenschaftlichen Abhandlungen*' S. 305 machte ich auf
die Wichtigkeit der hier auftretenden brennenden Frage auf-
merksam, indem ich wörtlich sagte:
„Ich richte nun an das deutsche Volk die Frage, wo
der Irrenarzt zu suchen sei, der über die vorliegende kritische
Frage entscheiden soll. Es ist dieselbe offenbar eine Lebens-
frage für Deutschlands Zukunft. Denn es hängt ja von
der Entscheidung jenes Arztes ab, ob entweder Wilhelm
Weber, Fechner, Scheibner und ich unserer Stellungen
als Universitätsprofessoren und Lehrer der Jugend wiegen
partieller Unzurechnungsfähigkeit enthoben werden müssen,
oder ob dies bei meinen Collegen aus dem gleichen Grunde
geschehen muss. Unmöglich kann doch der Staat das Wohl
und die Zukunft der deutschen Jugend von zweifelhaften
Gemüthszuständen einflussreicher, von ihm angestellter und
besoldeter Professoren abhängig machen. . . .^^
Wie ein Retter in der Noth ist nun inzwischen besagter
Dr. Lewy öffentlich hervorgetreten und hat den „Grössen-
wahn'^ als die constitutionelle Krankheitsform unseres Jahr-
iionderts erklärt. Habe ich bereits oben zu meiner Befrie-
digung Lewy contra Lasker in's Feld führen können, so
will ich jetzt das Gleiche mit Lewy contra Rachel und
E. du Bois-Reymond versuchen. Da mir von der litera-
lischen Thätigkeit des Ersteren absolut nichts bekannt ist, so
*) ^gl- „Stimmon dor Presse zur Abwehr". Wissenschaftl. Abhandl.
Bd. n. Tbl. 2.
— 100 —
werde ich meine psychologiach-viviaectoriachen Demonstrationen
ausschliesslich an Letzterem vornehmen.
Zu diesem Zwecke ersuche ich meine geehrten Leser und
Leserinnen, sich wieder um ein Jahrhundert in die deutsche
Vergangenheit zurückzuversetzen und in Schiller 's Werken
die Doctor-DisHertation des Regimentaarztea Dr. med. Fried-
rich Schiller aufzuschlagen. Dersetbe hatte bereits im
Jahre 1779 eine Probeschrift angefertigt, welche den Titel
trug: „Philosophie der Physiologie". In dieser deutsch ent-
worfenen , dann laleinisch ausgeführten Dissertation hat sich
Schiller') vorgesetzt, „das leibliche und das seelische Leben,
sowie die Wechselbeziehungen beider im Menschen zu be-
trachten und darzulegen", was, den übrig gebliebenen Bruch-
stücken nach zu urtheilen, in einer Weise geschah, welche
zeigt, dass der Jüngling schon hier aus den Schranken hand-
werksmälssiger Anschauungen zu philo soj »bischer Durch-
dringung der Naturgesetze vorzuschreiten strebte. Weil vollends
dieser Versuch mit etlichen kraftgenialen Ausfällen auf aner-
kannte Autoritäten gewürzt war, so langte Schiller mit
seiner Abhandlung etwas unsanft an den medicinischen Zopf
seines Lehrers und jetzigen Beurtheilers Klein, welcher zwar
den „guten und aufFallenden Seelenkräften und dem Alles'
durchsuchenden Geist" des jungen Mannes Gerechtigkeit wider-
fahren Hess, aber zugleich verlangte, dass derselbe erat noch
die „jugendlichen Gahrungen" überwinde, bevor er von der
Akademie entlassen werden könne. Entsprechend diesem ür-
theil entschied nun Herzog Karl in einer vom 13. Nov. 1779
dadirten Zuschrift an den Intendanten seiner Akademie wört-
lich wie folgt über Schiller:
„Ich muss gestehen, der Eleve Schiller hat in seiner Disaertatioil
viel Schönes geaEL|^ und besonders viel Feuer gezeigt. IJ^en dosswogen
aber und weilen sokhes wirklich noch zu stark ist, denke ich, kann die
DisBOTtation noch nicht äffentUch in die Welt ausgegeben werden. Daiieio 1
glaube ich, wird es auch recht gut vor ihm sein, wpnn er noch ein Jahr ]
in der Akademie bleibt, wo inmittelat sein Feuer noch ein wenig gedämpft I
werden kann, so dass er alsdann einmal, wenn er floiss^ zu sein fortfährt, .
gewiss ein recht grosses Subjoctum werden kann."
') VgL „Schiller und seine Zeit" von
Bnohem. Leipiig (Otto Wigand) 1859.
Joha
E Schei
In drei i
— 101 —
Durch diese« Herzogliche Decret wurde dem gröseten
Dichtergenius Deutschlands die erste und eine der schmerz-
lichsten Enttäuschungen bereitet. Von dem brennenden Wunsch
getrieben 9 endlich aus der akademischen Kaserne los zu
kommen^ hatte er sich den nöthigen Zwang angethan, um mit
Fleiss und Beharrlichkeit seinem Brotstudium obzuliegen. In-
dessen darf man hierüber dem Herzog Karl und seiner
»i^ssenschaftlichen Autorität Herrn Professor Klein nicht
aDzusehr zürnen, da ja beide nicht vorher wissen konnten,
dass sie einem jungen Adler Fesseln anlegten, welcher dereinst
geschmückt mit der Strahlenkrone unsterblichen Ruhmes zur
Ehre deutscher Freiheit seine mächtigen Fittige rauschend zu
den reinen Regionen des himmlischen Aethers erheben würde.
Es ist offenbar eine Frage von höchstem psychologischen
Interesse, zu wissen, wie ein moderner Physiologe und
Vivisector, z. B. Herr Emil du Bois-Reymond in
Berlin, über jene Arbeit Schiller's: „Philosophie der Physio-
loge '^ geurtheilt haben würde und ob auch er als „wissen-
schaftliche Autorität dem Herzog Karl von Würtemberg
wie damals Professor Klein den Rath ertheilt haben würde,
unseren Schiller noch länger unter „Controle des Staates*^
in der Militär-Akademie zu belassen. Man wäre doch zu der
Erwartung berechtigt, dass die practische Psychologie und
Erkenntnisstheorie in 100 Jahren unter den „Männern der
Wissenschaft^' einige Fortschritte gemacht hätte, wenn man
die ungeheuren Opfer an Geld berücksichtigt, welche das
deutsche Volk „unter Controle des Staates '^ während dieses
Jahrhunderts für Universitäten ausgegeben hat. Auch die Ent-
fesselung der individuellen Freiheit in diesem Jahrhundert,
sollte man meinen, müsste doch bei einem begeisterten Ver-
ehrer Voltaire's nicht nur für sich, sondern auch ein klein
Wenig für Andere berücksichtigt werden. Herr E. du
Bois-Reymond beantwortet alle diese Fragen mit einem
Schlage durch folgende Worte in seiner „Festrede, gehalten
in der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
am 26. März 1874" r^)
') Gedruckt im Buchhandel erschienen Berlin 1874. S. 26.
- 102 —
„Minder stürmischen Adlerscliwunges vielleicht wäre Schiller's
Genius in gross8tädtischer Atmosphäre emporgestiegen. Aher vielleicht
hätte er Schwulst und Härte seiner ersten Periode früher abgelegt."
„Unser grösster Dichter hat auf den deutschen Stü lange keinen guten
Einfluss geübt. Auch da er die Iphigenie „„Zeile für Zeile, Periode für
Periode regelmässig erklingen Hess*'*' war Goethe in den grundlegenden
Eigenschaften des Stils im Allgemeinen kein Meister, . . • man kann nur
den Gegensatz zu Voltaire beklagen."
yJSiit seltenen Ausnahmen spricht jeder Deutsche wie ihm der Schnabel
gewachsen ist ! *'
Im Angesichte dieser Worte des Berliner Vivisectors
E. du Bois-Reymond in einer akademischen Festrede
richte ich öffentlich die Frage an Dr. med. Lewy, ob hierin
nicht die ersten deutlichen Symptome des „Grössen wahns"
zu erkennen sind und ob, wenn diese Frage vom Standpunkte
der Psychiatrie bejaht werden muss, Hrn. E. du Bois-ßey-
mo n d noch länger vom Staate das Recht der unbeschränkten
Vivisection gestattet werden darf. Wie glücklich kann sich
Schiller und das deutsche Volk preisen, dass diesem Manne
nicht vor 100 Jahren das Censoramt über Schiller 's „Philo-
sophie der Physiologie" anvertraut war. Ich glaube, er hätte
Schiller ebenso auf dem Asperg einkerkern lassen wie der
Herzog Karl den unglücklichen Schubart, weil er sich am
W^irthshaustische missfallige Anspielungen auf den Herzog
erlaubte. Letzterer war selber auf den Asperg gekommen,
um der Einkerkerung des unglücklichen Mannes zuzusehen.
Ob wohl auch Hrn. E. du Bois-Reymond und seinem
Amtsgenossen und Freunde C. Ludwig in Leipzig dereinst,
wie „dem alternden Fürsten beim Rückblick auf seine Ver-
gangenheit, eine Empfindung von Scham und Reue anwandeln
wird?"i)
Schiller zählte bei seiner Promotion 21 Jahre, Hr. E.
du Bois-Reymond, als er jene Worte sprach und veröffent-
lichte, 54 Jahre, obschon er nicht nur in der „grossstädtischen
Atmosphäre" Berlin'« aufgewachsen, sondern auch stets in der-
selben geblieben ist. Da nun Hr. E. du Bois-Reymond
trotz alledem auch heute noch nicht in seinen Reden und
Schriften „die Schwulst und Härte seiner ersten Periode" ab-
*) Vgl. Johannes Scherr, „Schiller und seine Zeit" I. S. 88.
— 103 —
gelegt hat, so möchte ich mir erlauben ihn zu fragen, wo man
ihn eigentlich hätte hinschicken sollen, um diese Fehler seines
Stiles abzulegen? Vielleicht nach Palästina oder nach Egypten
zum verflossenen Khedive — oder in die Heimath seines ge«
priesenen Voltaire, nach dem „schönen Frankreich'^ (jfieUe
France")? Jedenfalls würde er dort nicht Gelegenheit gehabt
haben, die Berliner Akademie, eine Schöpfung von Leibniz
nnd Friedrich dem Grossen, wissenschaftlich und
moralisch so stark zu compromittiren.
Wenn man nun von demselben Manne fast gleichzeitig
in andern Reden Phrasen wie die folgenden nicht blos hören
sondern auch lesen ^) muss:
,^ü8sen wir nicht wie im Schwabenliede seufzen: „„0, wie liegt so
weit, was mein erst war!*^" Fehlt uns da nicht Etwas in der uns
gjlniend und betäubend umrauschenden Gegenwart? Ging nicht mit dem
nagenden Zweifel am eignen Können dem deutschen Volke auch viel
verloren von seiner Begeisterung für Ideale, seinem stillen und
tiefen Gemüthsleben?" (8.45.)
„Die Naturwissenschaft hat die Grenzen des Erkennens aufgedeckt
imd ihre Jünger gelehrt, schwindelfrei vom luftigen Gipfel souveräner
Skepsis herabzublicken. . . . Wie leicht und frei athmet sich*s dort
oben." (8. 35.)
„Schwindelfrei auf dieser Höhe des Pyrrhonismus verschmäht er die
Leere, die um ihn gähnt, mit Gebilden seiner Phantasie auszufüllen und
blickt furchtlos in das unbarmherzige Getriebe der entgötterten
Natur!" (8. 29.)
„Unter der Pahne ...„„Kegelschnitte! Kein griechisches
Scriptum mehr!"" getraue ich mir ein durch die Summe der darin
vertretenen Intelligenz formidables Gymnasialreform-Meeting
zusammenzubringen. (8. 58.)
„Wie aber Zeit gewinnen für diese Neuerungen? In der Prima wären
durch Aufhebung des Eeligions Unterrichtes zwei Stunden ein-
zubringen. Man begreift nicht, was dieser solle, in einer
Classe, deren protestantische Schüler alle schon einge-
segnet sind." (8. 55.)
Wenn man den Wechsel der Stimmung in diesen Worten
des Berliner Vivisectors liest, bald seufzend: „O wie liegt so
weit, was mein erst war", bald jubelnd: „Wie leicht und
frei athmet sich's dort oben", so wird der Psychiatriker hierin
*) „Culturgeschichte und Naturwissenschaft", Vortrag, gehalten am
24. März 1877 in Cöhi.
— 104 —
/
die Symptome dejs prodromen Stadiums einer psychischen Er*
krankung diagnosticiren. Oder beansprucht vielleicht Hr. E»
du Bois-Keymond als ein epochemachendes Genie Indem-
nität für seine Excentricitäten, indem er sich auf die Worte des
eqglischen Dichters Pope beruft:
, J)em Wahnsmii ist der grosse Oeist verwandt
Und beide trennt nur eine dünne Wand.***)
Oder gründet Herr E. du Bois-Beymond seine An-
sprüche auf Genialität auf den Umstand, dass auch in seiner
Familie, wie in der meinigen, mehrfache Fälle von psychischer
Erkrankung vorgekommen sind und daher Griesinger in
seiner „Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten'%
4. Auflage, vielleicht auf ihn Bezug nimmt, wenn er S. 15&
a. a. O. bemerkt:
„Es ist nicht unwalirscheinlich, dass eine grössere Erregbarkeit der
cerebralen Frocesse ... bei günstigen, äusseren Umständen und ungetrübter
körperlicher Gesundheit sich als erhöhte Activität und Energie
der Intelligenz und als Originalität des Denkens ausspreche. ZuweUen
begegnet man in solchen Familien, wo einzelne Mitglieder am Irresein
leiden, andere von ausgezeichneter, hervorragender Intelligenz mit oder
ohne Excentricitäten. Wir können zwei solche Beispiele grosser
wissenschaftlicher Celebritäten aus unsern Tagen an-
führen."
Soll vielleicht mit einer dieser „wissenschaftlichen Cele-
britäten" auf Hm. E. du Bois-Reymond angespielt werden?
Wie man sieht — und der sachverständige Dr. Lewy wird
mir beipflichten — liegt hier ein schwieriger Punkt für die
psychiatrische Diagnose. Wie soll der Irrenarzt Excentri-
cität vom Irresein forensisch unterscheiden?
Der Professor der Psychiatrie, Dr Henry Maudsley,*)
gibt auf diese Frage wörtlich die folgende Antwort:
*) „Grreat wits to madness sure are near aUied
And thin partitions do iheir boynds divide^',
*) Vgl. „Die Physiologie und Pathologie der Seele" von
Dr. Henry Maudsley, Professor der Psychiatrie an der medicinischen
Schule des St. Mary-Hospitals, Mitglied des University-CoUege zu London,
EhrenmitgUed der 8oci4t4 Medico-Psychologigue zu Paris und der K. K.
Gesellschaft der Aerzte zu Wien, früher Vorstand der K. Irrenanstalt zu
Manchester etc. Autorisirte deutsche Ausgahe von Dr. Kudolf Boehm,
Assistenten der psychiatrischen Klinik zu Würzhurg. Wtirzbürg (A.
Huber 'sehe Buchhandlung) 1870. S. 443.
l
— 105 —
, Jn civil« oder strafrechtlicheii Untersuchungen kann es sich bisweilen
um die Unterscheidung von £xcentricität vom Irresein handeln, indem hier
und da einmal der Versuch gemacht wird, einen ex cen tri sehen Men-
schen für irrsinnig zu erklären oder umgekehrt. Zwischen angeborener
Excentricität des Charakters und wirklichem Irresein ist nun aber ein
himmelweiter Unterschied; die Verwechselung von Beiden kann nur
aus jener sklavischen Pedanterie im Denken und Handeln ent-
spiingen, die so grosse Neigung hat, originelle Männer jeder Zeit-
Epoche für Narren zu erklären. Ein wirklich excentrischer Mensch, im
guten Sinne, hat eine starke Individualität, die sich in all' seinen Hand-
lungen ausspricht und ihnen einen deutlichen Stempel aufdrückt; er hat
keine allzugrosse Eitelkeit; denn er emancipirt sich von
den gewöhnlichen Vorurtheilen der Menge und achtet wenig
auf das Lob und den Tadel der Welt; er weiss, dass die Welt
grosse Werke in ihren Anfangen stets verdammt und sie gerne in ihrem
Entstehen ausrotten möchte; er kümmert sich deshalb nur wenig um ihr
vielstimmiges Geschrei; er hat grosse und originelle Ansichten und einen
bedeutenden sittlichen Muth ; er unterscheidet sich von der grossen Menge,
ifielldcht weil er über deren Gewohnheiten und Vorurtheile erhaben ist.
£iu solcher Mensch ist nichts weniger als irrsinnig und
wird es kaum jemals werden. Hierzu neigt vielmehr jene schwach-
herzige Affeetation und Genialität, mit welcher gewisse schwach-
herzige Menschen behaftet sind, die entweder von Natur aus oder durch
schlechte Erziehung verdorben, jeder wahren Individualität entbehren,
wohl aber von massloser Eitelkeit aufgeblasen sind; die einen
schwachen Verstand besitzen, den sie im Dienste ihrer Leidenschaften ver-
geuden, die alberne, excentrische Streiche machen — nicht etwa unbewusste
Aeosserungen ihrer Natur, sondern lediglich einer krankhaften Sucht ent-
spnmgen, Aufsehen zu erregen; sie befinden sich in einem Zustande
psychischer Verkommenheit, der in der That der Vorläufer des
wahren Irreseins ist.^'
Es sei mir gestattet, die obigen Worte von Professor
Maudsley durch einige Beispiele aus der Vergangenheit und
Gegenwart des deutschen Volkes zu erläutern.
Dr. Martin Luther hatte als Ausrustinermönch vor
360 Jahren seine berühmte Schrift „An den christlichen
Adel deutscher Nation von des christlichen Stan-
des Besserung"^) mit folgenden Worten an den „acht-
baren und würdigen Herren Nico laus von Amsdorf, der
*) „MartinLuther als deutscher Classiker in einer Auswahl seiner
kleinen Schriften". Neue Folge. Frankfurt a. M. (Heyder&Zimmer)
1874. Als Motto trägt das Buch die folgenden Worte von Herder:
— 106 —
heiligen Schrift Licentiat und Domherrn zu Wittemberg",
veröffentlicht :
„Die Zeit des Schweigens ist vergangen, und die Zeit
zu reden ist gekommen, wie Ecclesiastes (Prediger Salomo)
sagt (Cap. 3, 7). Ich habe, unserem Vornehmen nach , zusammengetragen
etliche Stücke, christlichen Standes Besserung belangend, dem christlichen
Adel deutscher Nation vorzulegen; ob Gott wolle doch durch den Laien-
stand seiner Kirche helfen ; sintemal der geistliche Stand, dem es billiger
gebührte, ist ganz unachtsam worden. Sende das alles Euer Würden,
dasselbe zu richten , und wo es noth ist, zu bessern. Ich bedenke wohl,
dass mirs nicht wird unverwiesen bleiben, als vermesse ich mich zu hoch,
dass ich verachteter und aufgegebener Mensch, solche hohe und grosse
Stände darf anreden in so trefflichen, grossen Sachen, als wäre sonst
niemand in der Welt, denn Doctor Luther, der sich des christliehen
Standes annehme, und so hoch verständigen Leuten Eath gebe.
Ich lass meine Entschuldigung anstehen, verweiss mir's, wer da will;.
ich bin vielleicht meinem Gott imd der Welt noch eine Thorheit
schuldig, die hab ich mir jetzt vorgenommen, so mir's gelingen mag, red-
lich zu bezahlen, und auch einmal Hofnarr zu werden. Gelingt mir's
nicht, so hab ich doch einen Vortheil, darf mir niemand eine Kappe
kaufen, noch den Kamm bescheren. Es gilt aber, wer dem andern die
Schellen anknüpft. Ich muss das Sprichwort erfüllen: was die Welt zu
schaffen hat, da muss ein Mönch bei sein, und sollt man ihn dazu malen.
Es hat wohl mehrmals ein Narr weislich geredet und vielmal weise
Leute gröblich genarret, me Paulus sagt (1. Corr. 3, 18): „wer da
will weise sein, der muss ein Narr werden."
Auch dieweil ich nicht allein ein Narr , sondern auch ein geschwomer
Doctor der heiligen Schrift, bin ich froh, dass sich mir die Gelegenheit
^bt, meinem Eid eben in derselben Narren-Weise genug zuthun.
Ich bitte, wollt mich entschuldigen bei den massig Verständigen;
denn der Ueberhochverständigen Gunst und Gnade weiss ich nicht
zu verdienen, welches ich so oft mit grosser Mühe gesucht, nun fort
auch nicht mehr haben noch achten will. Gott helfe uns, dass
wir nicht unsere, sondern allein seine Ehre suchen Amen. Zu
Wittenberg im Augustinerkloster, am Abend St. Johannis-Baptistae, im j
1520. Jahr."
Vielleicht ist kaum ein zweites Beispiel in der deutschen
Literatur aufzufinden, welches in so bestimmter Weise wie die
obigen Worte unseres grossen Reformators Luther die
scheinbare Analoßfie zwischen Genialität und Wahnsinn zum
„Lasset uns Luther' s Denkart, selbst seine deutlichen Winke,
und die von ihm ebenso stark als naiv gesagten Wahrheiten für
unsere Zeit nutzen und anwenden!"
j
- 107 —
bewussten Ausdruck bringen. Plato sagt im Phädrus
geradezu, dass Jeder, welcher in den Dingen die ewigen Ideen
erkennt, als wahnsinnig erscheine und Aristoteles soll
nach Seneca's Anführung^) gesagt haben: Nullttm' magnum
ingenium sine mixtura dementiae fuit. Im Anschluss hieran
bemerkt Schopenhauer:
,J)anach möchte es scheinen, dass jede Steigerung dos Intellects über
das gewöhnliche Maass hinans, als eine Abnormität, schon zum Wahn-
oim disponirt/' (L S. 225.)
,J)arans, dass die Erkenntnissweise dos Genies wesentlich die von allem
Wollen und seinen Beziehungen gereinigte ist, folgt auch, dass die Werke
desselben nicht aus Absicht oder Willkür hervorgehen, sondern es dabei
geleitet ist von einer instinktartigen Nothwendigkeit. Was man das
Segewerden des Genius, die Stunde der Weihe, den Augenblick der Be-
geigtenmg nennt, ist nichts Anderes, als das Freiwerden des Intellects,
mm dieser, seines Dienstes unter dem Willen einstweilen enthoben, jetzt
k ünthatigkeit oder Abspannung versinkt, sondern, auf eine kurze Weile,
ganz allein, aus freien Stücken, thätig ist. Dann ist er von der grössten
Beinheit und wird zum klaren Spiegel der Welt : dann, von seinem Ursprung,
im Tüllen, völlig abgetrennt, ist er jetzt die in einem Bewusstsein con-
eentrirte Welt als Vorstellung selbst. In solchen Augenblicken wird gleich-
am die Seele unsterblicher Werke erzeugt. Hingegen ist bei allem ab-
Dchtlichen Nachdenken der Intellect nicht frei, da ja der Wille ihn leitet
iind sein Thema vorschreibt.'^ (IL 433.)
„AQe Pfuscher sind es, im letzten Grunde, dadurch, dass ilir Intellect.
dem Willen nach zu fest verbunden, nur unter dessen Dienste bleibt. Sie
and demzufolge keiner andern, als persönlicher Zwecke fähig." (11. 437.)
Der Irrenarzt Maudsley hatte oben bemerkt, dass die
■ wirkliche Genialität von der Narrheit sich besonders auch
I dadurch unterscheide , dass ein genialer Mann „ keine allzu-
I grosse Eitelkeit" besitze, ,, denn er emancipirt sich von den
I gewöhnlichen Vorurtheilen der Menge und achtet wenig auf
das Lob und den Tadel der Welt". Ich erlaube mir zur
IDuetratioa dieser Wahrheit einige Beispiele aus der neuesten
Zeit zu geben.
Fürst von Bismarck hat bekanntlich zu wiederholten
Malen seine Unabhängigkeit von der öffentlichen Meinung
^sogenannter Gelehrter" oder „berufsmässiger Palamentarier"
i.l
*) SenecOy de tranquülitate aniwi /.5, Vi. Vergl. Schopen
hauer, Welt als Wüle und Vorstellung I. S. 224.
— 108 —
bewiesen, und nqcli in seiner letzten grossen Eede bezüglich
seiner dem Reichstag vorgelegten Beformpläne bemerkt:
,Jch werde den Weg nnbedisgt gehen bis an'sEnde, denichür
recht und gedeihlich halte, mag ich nun Haas oder Liebe ernten, -«
das ist mir gleichgültig."
Der kleine Lasker dagegen glaubte den grossen Bis-^
marck trotzdem durch „das Gelächter des ganzen Hauses^
einschüchtern zu können, indem er in der Reichstagssitzung voni
23. Mai d. J. dem Reichskanzler bezüglich seiner Argumente
erwiderte :
„Wenn irgend ein Theoretiker, ein sogenannter Gelehrter, Der-
artiges behauptet hätte, wäre das Gelächter des ganzen Hauses di»-^
Antwort gewesen." "^
In voller Seelenverwandtschaft mit Hrn. Dr. Lasker^
macht auch Herr E. du Bois-Reymond die Bestätagoiig;
seiner üeberzeugung, dass „in der Prima durch Aufhebung
des Religionsunterrichtes zwei Stunden für Neue-
rungen einzubringen wären'', nicht nur von seinem eigenes
Gewissen und Verstände abhängig, sondern auch nodl
von der Zustimmung eines „formidablen Gymnasial*
reform-Meeting". A
Die wissenschaftliche Autorität des Dr. Lewy mag über*
die hier mitgetheilten Parallelen entscheiden und ,,wi8saHi3
schaftlich" feststellen, ob dem deutschen Volke im Fürsten^
V. Bismarck ein genialer Mann von der Vorsehung bescheert,;
worden sei, und ob wir es bei den Herren Lasker und-i
E. du Bois-Reymond mit zwei Individualitäten zu thuD.
haben, welche nach dem Urtheile des Professor Maudsley^
an „schwachherziger Affeetation von Genialität*^
leiden und „von maassloser Eitelkeit aufgeblasen sind^V^
Um nun aber das ausserordentlich grosse Nationalunglück ^^
zu beweisen, welches solche Männer über das deutsche VoH&j
zu bringen im Stande sind, wenn sie, um mit Dr. Geo Rachel'
zu reden, „noch länger in ihren autoritativen und einflussreichen
^) Herr Lasker ist ja bereits von der Magdeburger Zeitung als „ein
Stück nationales Unglück" für Deutschland bezeichnet worden. Es handelt
sich jetzt nur noch um nähere Untersuchung von deutschen Professoren
vom Schlage der Du Bois-Eeymond und Consorten.
— 109 —
Stellungen verbleiben ** , lasse ich hier folgende Zusammen-
Btellnng eines Leitartikels aus dem früher in Breslau erschei-
nenden Hauptorgane der Socialdemokratie »»Die Wahrheit^* ^)
. nut entsprechenden Worten aus den in den letzten Jahren
gehaltenen akademischen Beden E. du Bois-Beymond's
Tinter der gemeinsamen Ueberschrift folgen:
üeber die Freiheit des Willens und das Dasein Gottes.
E. du Bois-Beymond.
(SekreUlr der Berliner Akademie.)
,J)er unlösliche Widerspruch, in
welchem die mechanische Welt-
anschauung mit der Willensfreiheit,
und dadurch mittelbar mit der Ethik
steht, ist jsicher von grosser Bedeu-
tong. Der Scharfsinn der Denker
allor Zeiten hat sich daran erschöpft,
und wird fortfahren , daran sich zu
üben. Abgesehen davon, dass Frei-
heit sich leugnen lässt, Schmerz
und Lust nicht, geht dem Begehren,
welches den Anstoss zum Handeln
und somit erst Gelegenheit zum
Thon oder Lassen gibt, nothwendig
Siimesempfindung voraus. Es ist
also das Problem der Sinnesempfin-
dnng, und nicht, wie ich einst sagte,
das der Willensfreiheit, bis zu
dem die analytische Mechanik führt."
(Gienzen des Naturerkennens. S.31.)
„Es ist daher ein Missverständ-
niss, im ersten Erscheinen lebender
Wesen auf Erden oder auf einem
Södem Weltkörper etwas Supra-
Aaturalistisches, etwas Anderes
m sehen, als ein überaus schwieriges
mechanisches Problem.'' (Ebenda
S. 18.)
,Jn wie tiefem Irrthum also sind
diejenigen befangen, welche nicht
*Hen im Tone wissenschaftlichen
^^säerthums imsere Verblendung
„Die Wahrheit".
(Organ der Socialdemokratie.)
„Die Frommen legten Gott eine
Eeihe von Eigenschaften bei, durch
die er sich von allen geschaffenen
Wesen untersclieidet , nämlich All-
macht, Allwissenheit, Allgerechtig-
keit, Allgegenwart, Allweisheit, Hei-
ligkeit. Wir haben es hier nur mit
den beidbn ersten Eigenschaften zu
thun, mit der Allmacht und All-
wissenheit. Gott ist allmächtig,
d. h. er kann nicht nur Alles thun,
was er will, sondern Alles, was ge-
schieht, geschieht überhaupt nur
durch Grottes Willen. Die Menschen
können ohne den göttlichen Beistand
absolut nichts ausrichten. Gott ist
allwissend, d. h. er weiss Alles,
was geschehen ist, noch geschieht
und jemals geschehen wird. Den
Vorfall des Berliner Attentats hat
Gott nicht bloss gleichzeitig mit uns
kennen gelernt, schon vor Tausenden,
vor Millionen vor Jahren voraus ge-
wusst, also lange, ehe der Attentäter
Hödel selbst etwas davon wusste.
Nehmen wir einmal an, Hödel sitzt
irgendwo in einer obscuren Kneipe
in Leipzig und plötzlich steige ihm
der Gedanke durch den Kopf : „Wie
wäre es, wenn Du nach Berlin
schiessen gingst." Im nächsten
Augenblick sagt er sich zwar : „Pfui,
*) Vgl. Leipziger Tageblatt v. 22. Juli 1878 (Hauptblatt).
/
110 —
beklagen, bei Erklärung der Welt
ohne Endursachen auskommen zu
wollen, wodurch doch Alles, mit
Inbegriff der ethischen Probleme, so
leicht und schön sich löse. Diese
zeigen nur, dass sie im Grunde nicht
wissen, was Erkennen sei. Es gibt
für uns kein anderes Erkennen, als
das mechanische... .Wir sind das
Spiel unserer Gehimmoleküle."
„Es kann daher keine ärgere Täu-
schung geben, als zu glauben, dass
man die Zweckmässigkeit der orga-
nischen Natur erkläre, wenn man
eine nach unserem Ebenbüde ge-
dachte, nach Zwecken thätige, im-
materielle Intelligenz zu Hülfe nimmt.
Es ist gleichgültig, welche Form man
diesem Anthropomorphismusertheile ;
ob man mit Piaton 's Timaeus als
Ausfluss der Gottheit in den lebenden
Wesen bewegende Ideen annehme,
bei denen nie Einer etwas sich zu
denken gewusst hat ... ob man
mit Leibniz Gott nur einmal zu
Anfang die Dinge zweckmässig ord-
nen lasse. ..." ^
„Der Standpunkt des heutigen
Naturforschers den letzten Gründen
der Dinge gegenüber kann nur
Entsagung sein." (Darwin versiis
Galiani S. 26 und 27.)
„Schwindelfrei auf dieser Höhe
des Pyrrhonismus verschmäht er die
Leere, die um ihn gähnt, mit den
Gebilden seiner Phantasie auszufüllen
und blickt furchtlos in das unbarm-
herzigeGetriebederentgötter-
ten Natur." (Ebendaselbst S. 29.)
Hödel, thu 80 was nicht", j
fort erinnert er sich an Gott
macht: wenn (jott nicht
hätte, hätte er ja den (jedanl
nicht fassen können; nur de
liehen Macht verdankt er
(bedanken; also er geht nacl
Bahnhofe und fährt nach !
Nach seiner Ankunft will e
einen Revolver kaufen; anfa
zögert er, aber nach einer
Ueberlegung ist er entsch
Ohne Gottes Willen fällt kein
ling vom Dache, warum soll €
kleinmüthig sein und zögen
könne ja gar nicht den Re
erhalten, wenn dies nicht aus«
lieh Gottes Wille wäre. Auf g
Weise beseitigt er jede Eegun
Widerspruchs bei der weiterer
führung des Planes, denn er
sich: „Ich kann ja gar nichts
was der allwissende Gott nicht
seit Millionen von Jahrtaus
weiss ; so wie ich bin, bin ich
Grottes Allmacht geworden." Er
sich daher unter die Linden, 4ii
der kalserUche Wagen vorüber
denkt er sich: „Wie Gott wil
halte stillt*, und schiesst los.
erzeugt der Glaube an ein hc
Wesen in dem Menschen die Ai
von seiner eigenen Schwäche, T^
standslosigkeit, Unschuld. Die ei
liehe Verantwortlichkeit für die
brechen im Allgemeinen und
Berliner Attentat im Beson
ruht daher auf denen, die das
zum Gottesglauben zu be^
suchen."
Wie man sieht, stimmen die philosophischen und sittli
Conclusionen der Socialdemokraten aufs Genaueste mit
jenigen des beständigen Sekretärs der Königl. Preussis
Akademie E. du Bois-Reymond überein.
— 111 —
Wenn man nun berücksichtigt, dass die Zuversichtlichkeity
mit welcher Hr. E. du Bois-ßeymond seine Lehren in die
Welt sendet, nicht den geringsten Zweifel darüber aufkommen
lasaen, dass er dieselben ,,als gesicherte wissenschaft-
liche Wahrheit betrachte ^S so geben uns die bekannten
Worte seines „berühmten**^) Collegen Virchow eine Antwort
') DasWörtchen „berühmt^' liält sich heutzutage jeder Literat, Zeitungs-
schreiber oder Parlamentarier für verpflichtet, falls er in die Lage kommt,
Hm. Virchow Irrthümer imd Widersprüche nachzuweisen, dem Namen
des „bahnbrechenden" oder „gefeierton" Gelehrten voranzuschicken. Keiner
von diesen Männern spricht dieses Urtheü auf Grund eigener Kenntnisse
der medicinischen Schriften Virchow' s aus, sondern auf Grund des so oft
von andern Medicinem oder „Männern der Wissenschaft" vernommenen
Ürtheils. Dexyenigen, welche in der angegebenen Weise Hm. Virchow
als „Mann der Wissenschaft" zunächst Weihrauch streuen zu müssen
glaaben, um. ihn dann desto unbarmherziger als „Mann der Politik" zu
venirtheÜQn, gestatte ich mir hier einige Worte der Anerkennung für
Hm. Virchow's wissenschaftliche Verdienste vorzulegen, welche von einem
Manne herrühren, dem hinsichtlich einer fachmännischen Beurtheilimg
jedenfalls eine höhere Competenz als allen jenen Politikern und Literaten
bdgelegt werden darf, um' so mehr, sls sich diese Worte in einer gegen
Virchow gerichteten polemischen Schrift befinden.
Herr Professor E. Hacke 1 bemerkt in seiner kürzlich erschienenen
Schrift: „Freie Wissenschaft und freie Lehre, eine Entgegnung auf
Rudolf Virchow's Münchener Rede über die Freiheit der Wissenschaft
im modernen Staate", wörtlich Folgendes:
„In persönlicher Beziehung widerstrebte es mir auf das Höchste,
einem Msuine entgegenzutreten, den ich vor einem Vierteljahrhundert als
ßeformator der medicinischen Wissenschaft hatte kennen und verehren
lernen, zu dessen eifrigsten Schülern und begeistertsten Anhängern ich
damals gehörte; zu dem ich später als Assistent in die nächsten Be-
ziehungen trat und mit dem auch nachher noch freundschaftliche Ver-
haltnisse mich verbanden." (S. 2.)
„Eingedenk des vielfachen Dankes, den ich Virchow schiddig
bin .... und den icJi jederzeit durch Weiterbau seiner mecha-
nischenLehren zu bethätigen bestrebt war, werde ich mich auf eine
möglichst objoctive und sachliche Widerlegung seiner Behauptungen be-
sclLränken .... Ich hatte in meiner München er Rede unter den wenigen
Namen, die ich überhaupt anführte, denjenigen von Virchow als den
hochverdienten Begründer der Cellular - Pathologie besonders hervor-
gehoben."
Dieses anerkennende Urtheil über Virchow's wissenschaftliche
•edeutung aus dem Munde eines berufenen Fachmannes wird leider da-
orch etwas getrübt, dass Hr. Häckel selber unmittelbar darauf die
Existenz „jugendlicher Extravaganzen" in denjenigen beiden Schriften,
eichen er selbst seine Popularität verdankt („Generelle Morphologie" 1866
— 112 —
auf die Frage, was eigentlich die Berliner Akademiker heut
zu Tage unter »»Freiheit der Wissenschaft im moder-
nen Staate'^ verstehen.
Haben denn unsere „gelehrten^' und »»gebildeten" Stände
mit Berücksichtigung der Verbreitung solcher Anschauungen
durch die höchsten Autoritäten der Wissenschaft noch
moralisch ein Becht, den Socialdemokraten» z. B. ein^n
ihrer aufrichtigsten und hervorragendsten Führer Hm. Behelf i
Vorwürfe darüber zu machen » wenn er in der Sitzung des j
deutschen Beichstages vom 17. Juni 1872 dem versammelte
Parlamente offen und ehrlich erklärte:^)
„Die religiöse Entwickelung steht mit der politischen und wirthschaft*
liehen in einem harmonischen Zusammenhange. Der ProtestantismaB üft.
die Eeligion des Bürgerthums .... mit der Wissenschaft aher stellt"
er ehenso sehr in Widerspruch wie der Eatholicismus. Dieser letzten
Grund macht es mir schwer zu glauhen, dass, wenn die Herren hier fSx
dieses oder jenes religiöse Dogma eintreten, sie dies aus wirklicher
und ,,Natürliche Schöpfungsgeschichte'* 1S68), freimüthig anerkennt, indem
er bezügiich derselben die Frage auf wirft: „Was haben denn diese Extra-
vaganzen, die ich jetzt aufrichtig beklage, weiter fiir Schaden angerichtet?**
Um nun den nahe liegenden Gedanken, Hr. Hacke 1 könnte dereinst in
einem noch weiter vorgerückten Stadium seiner Erkenntniss vielleicht auch
die jetzt von ihm so laut verkündete „wissenschaftliche" Bedeutung
Virchow's als „eine jugendliche Extravaganz beklagen", nicht ungerecht
erscheinen zu lassen, erlaube ich mir zu bemerken, dass der erst vor
Kurzem verstorbene berühmte Physiolog Ernst Heinrich Weber w
wiederholten Malen gegen mich geäussert hat, dass von allen wissen-
schaftlichen Theorien Virchow's auch nicht eine einzige das
Ende seines irdischen Daseins überdauern werde.
Da das Urtheil Ernst Heinrich Weber's in einem Alter aus-
gesprochen worden ist,' in welchem man nicht mehr „jugendliche Extra-
vaganzen zu beklagen" hat, so glaube ich diesem Urtheile einen höheren
Werth als demjenigen Hacke l's sowie aller Literaten und Politiker bei-
legen zu dürfen.
Vergesse man doch nie, dass es auch „traurige Berühmtheiten" in
der Welt gibt und dass „der G^ist, der stets verneint", auch zu dieser
Kategorie von „unsterblichen** Berühmtheiten gehört. Seien wir stets ein-
gedenk der Worte Eichte's in seinen „Beden an die deutsche Nation**:
„lieber die lebenden Menschen aber lasst uns das Urtheil der
richtenden Nachwelt überlassen!"
*) Vgl. Leipziger Tageblatt 1872. No. 172, vom 20. Juni, 1. B^age.
— 113 —
Überzeugung thun, denn es ist unmöglich, dass Jemand, der auf
n StandpunM der heutigen Wissenschaft steht — und das kann man
ch von jedem Mitglied dieses Hauses voraussetzen — überhaupt an
li^öse Dogmen glaube. Das jetzige Auftreten kann also nur ein Act der
veckmässigkeit imd der Bücksichtnahme auf materielle Interessen sein,
en Vorwurf, dass der Jesuitismus die Sitte und Moral unteigrabe und
HBgemäss staatsgefährlich sei, kann man mit demselben Eechte der
NOgeoisie und ihrem System zurückgeben.*'
Kann Herr £. du Bois-Reymond diesen Worten
ebel's widersprechen, und niuss sich unsere »»Bourgeoisie^^
icht fiir die Unthaten eines Hödel und Nobiling mit
irantwortlich fühlen, wenn ihre Vertreter im Bath und als
tadtverordnete unbeanstandet folgenden Anzeigen in ihren
desensten Organen und „ Amtsblättern*' Verbreitung gestatten,
dd hierdurch das Volk an den Anblick von Schafibt und
[enschenblut gewöhnen? Das Leipziger Tageblatt vom
. April 1879 macht u. A. mit folgenden Worten Beclame
or^die Sonntagsvorstellung des gegenwärtig im Schützen-
lause auftretenden Zauberkünstlers NeuboursM:
,^ ausserordentliches Effectstück aber war die Enthauptung?
tines Menschen. Das Blut spritzte unter dem grossen Bichtschwert,
lad neben dem enthaupteten Körper lag auf dem hierzu eigens präparirtcii
ßaehe dessen Kopf. Nach dem wirklich gut gelungenen Experiment aber
agteNeubours lachend: „„Nun meine verehrten Damen und Herren
nH ich Dinen zeigen, wie der ganze Hocuspocus gemacht wird"*' ....
Biiifentlich wiederholt es der Künstler, dessen Vorstellungen mit dem
.OBteifeiertag (!!) abschliessen, noch einmal. Durch reichen Beifall und
nederholtes Hervorrufen wurde Neubours die verdiente Anerkennimg
ßJoUt."
Fürwahr, dieSchamröthe wird dem Geschichtschreiber
Bserer Zeit dereinst in's Gesicht treten, wenn er constatiren
088, dass solche Schaustücke unbeanstandet von den Behörden
sr Stadt und dem „gebildeten*' Publikum in Leipzig, einer
r ersten Stätten deutscher Cultur, dem Volke zum ersten
sterfeiertage angepriesen worden sind. Von solchen
inberkünstlern glaubt der gebildete Leipziger nichts für Ver-
ind und Seelenheil des Volkes befürchten zu müssen, während
gen Hm. Slade, als „Volksverfuhrer", die Polizei zur ge-
tzlicben Ausweisung in Anwendung gebracht werden sollte,
elches „gebildete" Pfahlbürgerthum !
8
— 114 —
Da in letzter Zeit im Leipziger Tageblatt den Gegne
der Vivisection so häufig der Vorwurf der Sentimentalität ui
„Gefühlsduselei"^) gemacht worden ist, so wird man es gege
wärtig, nachdem meine Leser durch den „ Hocuspocus " d
Hrn, Neubours auf Menschblut und Schaffot vorbereit
sind, auch nicht unzart von mir finden, wenn ich unsei
,, gebildeten" Damen und Herren an das SchaflFbt des Kaise
Attentäters Hödel führe und ihnen zugleich einen Blick i
die Seele dieses Opfers unserer modernen Gesellschaft tbc
lasse. 1 — Es ist dieser Blick besonders auch lehrreich fiir d
Vergleichung der oben in der socialdemokratiscben „Wahrhei
gegebenen psychologischen Analyse der Handlungsweii
HödeTs mit den von ihm selber geschilderten Empfindunge
und nicht minder charakteristisch für den unbewussU
„Pharisäismus", mit denen unsere heutigen „gebildetei
oder wohl gar „gelehrten" Zeitungsschreiber ihrer sogenannt«
„sittlichen Entrüstung" über solche Früchte der social«
Corruption unserer modernen Gesellschaft die Zügel schiess«
lassen. Das Leipziger Tageblatt vom 20. September 18'
(1. Beilage) enthält über Hödel wörtlich Folgendes:
„Zwei Tage vor dem Ende.
Das deutsche Volk wird wohl daran thun, das Andenken Hödel
dieses Elenden, nach Mögüchkeit aus seiner Erinnerung zu tilgen. Led
lieh , um dem psychologischen Interesse Genüge zu thun, mag zum letzt
Male, was uns anbetrifft, dieses Scheusal in seinem Cynismus dem Lei
*) Diese Worte sind verhältnissmässig noch sehr höflich, wenn m
sie mit den folgenden des Vivisectors Prof. Dr. Hermann in Züri'
eines Schfilers von E. du Bois-Reymond, vergleicht: „Die Forschuj
verlangt man» soll Halt machen vor der Hysterischen Idiosyncra«
oder dem Pharisäismus solcher, welche nur Menschenblut aber k<
Thierblut sehen können.** (Die Vivisectionsfrage S. 17.) Da hier v
muthlich wieder auf unsere Generäle angespielt wird, so will ich (
Herren Vivisectoren daran erinnern, dass zwar in der Politik wie in c
Medicin bis jetzt noch Blut und Eisen zu den unvermeidlichen Hül
mittein erfolgreicher Operationen gehören, dass aber ein General, weld
bei Einnahme einer feindlichen Position unvernünftig viel Blut fliesfl
lässt, einfach vor ein Kriegsgericht gestellt und je nach Umstand
seiner Stellung entsetzt und degradirt wird. An dieses Kriegsgeri<
mögen die Herrn Vivisectoren bei ihrer Polemik gegen tapfre Krieger fl
deutsche Generäle denken!
— 115 —
Toigeführt werden. Bis zur letzten Minute hat sich der gottlose Lotter-
bnbe «einer sooial-demokratischen Lehrmeister würdig gezeigt
Der Oberstaatsanwalt Herr v. Luck, welcher als Vertreter des öffent-
lichen Ministeriums in dem Hochverrathsprocesse gegen Hödel fungirte,
hat in einer kleinen, anscheinend nur für juristische Kreise bestimmten
Schrift ausführliche Mittheilungen über die beiden letzten Tage HödeTs
ganacht, welche manches Neue enthalten. So hat Hödel, nachdem ihm
die Vollstreckung der Todesstrafe bekannt gemacht worden war, thatsäch*
lieh noch ein Begnadigungsgesuch verfasst. Dasselbe lautet: „Euer
Kaiserliche Majestät von Deutschland, König von Preussen etc. bittet ganz
unterthanigst der Klempnergeselle Hödel, angeklagt wegen Hochverraths
und durch das königliche Kammergericht zum Tode verurtheilt, gestützt
auf die Generosität Sr. Majestät, um Negirung des Urtheils, indem er
um Gnade bittet zur Erhaltung seines Ijobens." — Das Gesuch wurde am
Mittag beim Kammergericht unter Zuziehung des Ober-Staatsanwalts vor-
getragen, wurde aber nicht für geeignet erachtet, einen Aufschub der
Strafvollstreckung zu befürworten. — Die letzten bis jetzt noch nicht ver-
öffentlichten Schriftstücke des Hochverräthers umfassen den letzten Brief
an die Eltern , seine letzten Wünsche und eine Autobiographie. Der Brief
lautet: „Berlin, den 15. August 1878. Herzlich geliebte Eltern ! Am heu-
tigen Tage ist mir meine Beförderung vom Leben zum Tode auf morgen
früh 6 TJhr angezeigt, und wird die Execution in Moabit stattfinden.
Meine angeborene Weichherzigkeit habe ich vollkommen abgestreift, um
nicht die letzten Lebensstunden mich in Traurigkeit versetzt zu sehen;
immer heiter und fidele — meiner liebe zu Euch seid Ihr stets, auch in
schwachen Momenten, versichert gewesen, also auch heute, was ich gewiss
weiss, ja bis zum letzten Athemzug; ich möchte jedoch nicht. Euch in
Traurigkeit zu versetzen, was ich zwar schon oft gethan, doch das habt
Ihr mir vergeben, ich fahre also mit sächsischer Gemüthlichkeit ab.
Waldeinsamkeit,
die mich erfreut
so morgen wie heut
Waldeinsamkeit — | Schwanentoich.
die mich erfreut
e heut >
dt — j
eut j
Promenade,
Bosenthal,
Ich bin so sehr erfreut zu wissen, dass Ihr Euch trösten könnt; das
Vei^essen wird auch seine Macht an Euch bewähren, dess bin ich sicher,
das Gras wächst schnell; ich wünsche, geliebte Eltern, dass das Rad der
Zeit rollt über Alles. Hoch lebe die Commune! Den von Euch abge«
sandten Brief, den Einzigen, den ich erhalten, lege ich Euch hier bei;
auch einige Bündel Kopfhaare als Locke und Fingemägelabschnitte , die
grausig lang gewachsen waren, Ihr könnt Euch überzeugen, zum An-
denken. Eine lange Conversation per Brief habe ich in meinen beschlag-
nahmten Briefen geführt, ropetiren will ich nichts mehr; es nützt Euch
auch nichts. Ich wünsche Euch schhesslich alle Annehmlichkeiten im
8*
— 116 —
Alter, glückliebes Zusammenleben, die bisber angehaltene Gresondbeit, auch
späterhin und: Macht hier (auf Erden) das Leben gut und schön, kein
Jenseits (Hinmiel) giebts, kein Wiedersehn! (Unterschrift.)
„Vivat la Franc."
Max HödeTs letzte Wünsche sind folgende:
1. Die Spieldose, sammt den Photographien von mir, vom Photograph
Dietrich, die Photographie, die bei meiner Verhaftung gefunden, meine
Mutter imd mich darstellend, diese Objekte bitte ich meinen Eltern zu-
zustellen.
2. Die nicht der Eeichsregierung „gefahrlichen" Briefe, welche ich an
meine Eltern etc. geschrieben , denselben dieselbige einzuhändigen , sammt
den heute geschriebenen und beigegebenen.
8. (Ist unausgefullt geblieben.)
Stadtvoigtei Berlin, den 15. August 1878. Autobiographie des
Klempnergesellen Emil Heinrich Max Lehmann, geb. Hödel, gen.
Traber, geboren am 27. Mai 1857 in der Johannisgasse zu Leipzig von
der Jungfrau Charlotte Araalie Emilie Hödel, Tochter des ver-
storbenen Schuhmachermeister Hödel in Möckem, Gambatto Hoch ist
geboren am 4. Mai 1820 in MÖckern; mein Vater ist mir unbekannt ge-
blieben. Am 14. Juni desselben Jahres erhielt ich in der Thomaskirche
zu Leipzig die „heilige" Taufe. Greburtsfeier. Den zweiten Greburtstag
erlebte ich in Möckem, im Hause meiner Grossmutter; den dritten bis
sechsten in Schkeuditz, in der Pflege meines Gnkels, der zugleich Curator,
den siebenten bis elften bei meiner Mutter, die unterdess den Schuh-
machermeister Johann Carl Eduard Traber geheirathet, meinen
jetzigen Stiefvater; den zwölften Geburtstag auf einer Fluchtreise im Gre-
fangmss zu Magdeburg, an welchem Tage ich auch in Freiheit gesetzt
und per Fuss mittelst Marschroute meinen Weg über Köthen nach der
elterlichen Wohnung antreten musste. Am 27. Mai 1870 konnte ich mich
im Hause meiner Eltern in Leipzig amüsiren, ein Jahr später, also zur
Feier des 13. Geburtstages befand ich mich in der Erziehungsanstalt zu
Zeitz; den 14. musste ich ebenfalls in Beschränkung meiner individuellen
Freiheit daselbst erleben; den 15. und 16. hatte ich in der Lehre als
Klempner bei Fürtling in Zeitz zu verbringen; den 17. bei dem Grärtner
Baum ebenda; 1875 hatte ich die Freude bei meinen Eltern verweilen zu
können, 1876 do., 1877 als am 20. Geburtstage sah ich mich im Kreise
oppositioneller Böhmen gegen Oesterreich in einem kleinen Städtchen nahe
bei Böhm. Leipa, ihnen Sodalismus lehrend; das Ende, den 21. Greburts-
tag an Ketten und Banden in der Stadtvoigtei zu Berlin; inhaftirt weg^
Hochverrath und versuchten Mordes. Ab Sela. Der Mohr kann gehen.".
Das vorstehende Gemälde empfehle ich der Beachtung
meiner Zeitgenossen mit denselben Worten, mit denen Fried-
rich Schiller vor genau 100 Jahren der damals lebenden
Generation seine „Räuber" empfahl, indem er sagte:
— 117 —
, Jch werde es hoffentlich nicht erst anmerken dürfen , dass ich dieses
Gemälde so wenig nur allein Bäubern vorhalte, als die Satyre des
Spaniers nur allein Bitter geisselt. — Ich kann hoffen, dass ich der
Religion und der wahren Moral keine gemeine Bache verschafft habe,
wenn ich diese mathwilligen Schriftverächter in der Person meiner schänd-
lichsten Bäuber dem Abscheu der Welt überliefere."
Was nun das Verhalten des Staates und der deutschen
Regierungen bei dem gegenwärtigen Culturzustande des
Volkes gerade in den literarisch tonangebenden Schichten der
Gesellschaft anbetrifft, so erinnere ich an die folgenden Worte ^)
des berühmten Philosophen Sehe Hing, des Vaters des gegen-
wärtigen Unterstaatssecretärs und Mitglied des Bundesrathes
in Berlin :
„So lange auch die Staaten und Alles, was sie Hohes und Heüiges
haben, aof dem beruhen, werden diejenigen, in denen sich die Bealität
persönlich ausdrückt, nichts für verderblich achten, als diesen ein-
brechenden Strom der Gemeinheit, die nicht nur überhaupt für eine
Idee, sondern für nichts Achtung hat, was über das Gemeine erhaben,
das Siegel der Hoheit und Göttlichkeit trägt. Die Pöbelherrschaft
in Künsten und Wissenschaften, wenn sie je eintreten oder be-
günstigt werden könnte, wäre nach einem unausbleiblichen Erfolg der
Vorbote einer ganz andern Pöbelherrschaft.
Diese eingefleischten und geschworenen Barbaren sind es, die durch-
aus keiner andern Achtung als für die homogene Bohheit, weder für Ideen,
noch für Wahrheit und Schönheit empfänglich, gern Alles, was darauf
Ansprüche macht, als verderblich denunciren möchten, wenn es ein Ohr
gäbe, sie zu hören, und da mit einfachem Verleumden nichts auszurichten
ist, bricht die wahre Gesindelhaftdgkeit darin aus, dass sie Begierung
imd Obere aufmerksam machen und aufrufen wollen. . .
Die Einbildung von dem gebildeten Publicum lässt ihnen nicht ein-
mal 80 viel Schicklichkeitsgefühl , einzusehen, wie wenig von Begierungen
zu erwarten sei, dass sie sich um das Geschwätze eines Klatschpacks be-
kfimmem."
Diese Worte sind direct auf Dr. Geo Rachel anwend-
bar, der als Vorbote der „ Pöbelherrschaft in Künsten und
Wissenschaften" die Absetzung von Wilhelm Weber,
Fechner, Scheibnerund mir verlangt, „bis dieser Zustand
krankhafter Geistesthätigkeit vorüber und die Vernunft bei
ihnen wieder in ihre Rechte eingetreten ist". Als Beweis, wie
weit die Abstumpfung jedes moralischen Gefühles und sitt-
^) Schelling's Werke. Bd. IV. S. 55*
— 118 —
liehen Anstandes bei unseren beiden deutschen Vivisectoren
E. du Bois-Beymond in Berlin und C. Ludwig in
Leipzig geht, habe ich erdrückende Beweise durch ihre Ver-
leumdungen, Intriguen und tendenziösen Verbreitungen voa
Lügen im Volke über mich und meine Freunde dem deutschen
Volke und seinen Regierungen vorgelegt. Ob im Angesichte
dieses Anklagematerials jene Männer noch länger erfolgreich
zum Heile der studirenden Jugend ihre vivisectorischen Lec-
tionen selbst „unter Controle und Aufsicht des Staates" fortr
setzen dürfen, darüber mögen Andere entscheiden. Ich warne
aber das durch die plumpen Erwiderungen der Vivisectoren
leidenschaftlich erregte Volk dringend vor Gesetzwidrig-
keiten, damit uns nicht hierin die Socialdemokraten be-
schämen, von denen man seit Erlass des Socialistengesetzes
nirgends von Uebertretungen der gesetzlichen Schranken hört.
Wurde dieses Socialistengesetz vor einem Jahre mit Er-
folg zur Bekämpfung der verderblichen Wirkungen der
socialistischen Agitationen erlassen, so müssen gegenwärtig
durch den Erlass eines Antivivisectionsgesetzes die
nicht minder verderblichen Ursachen der sittlichen Verwil-
derung bekämpft werden, deren Existenz besonders unter den
Medicinern Hr. E. du Bois -Keymond selber in beredten
Worten in seinen letzten Beden beklagt hat.
Mögen die deutschen Kegierungen bald und mit einer
dem Ernste der Gefahr entsprechenden Energie vorgehen,
damit nicht die göttliche Vorsehung erst wieder durch blutige
Opfer den folgenden, bereits vor 10 Jahren gesprochenen
Worten des Fürsten v. Bismarck^) Nachdruck zu verleihen
genöthigt ist:
„Ich kann mir denken, dass Jemandem, der an eine Fortsetzung des
individuellen Lebens nach dem leiblichen Tode nicht glaubt, die* Todes-
strafe härter erscheint als demjenigen, der an die Unsterblichkeit der ihm
von Gott verliehenen Seele glaubt; aber wenn ich der Frage naher ins
Auge sehe, so kann ich auch das kaum annehmen. Für Jemand, der des
Glaubens nicht ist — zu dem ich mich von Herzen bekenne — der Tod
sei ein üebergang von einem Leben in das andere, und wir seien im Stande,
') Die obigen Worte sind der Kede Bismarck 's über die Abschaffung
der Todesstrafe am 1. März 1870 entnommen. Vgl. „Ausgewählte Eeden
des Fürsten von Bismarck aus den Jahren 1862—1876". 1. Tbl. S. 457.
— 119 —
auch dem schwersten Verbrecher auf seinem Grabe die trostreiche Ver-
hassung zu geben: mors jcmua vitae — für Jemand, der diese lieber-
Zeugung nicht theilt, müssen die Freuden dieses Lebelis einen solchen
Werth haben, dass ich ihn fast um die Empfindungen, die sie ihm be-
reiten, beneide; er muss in einer Beschäftigung leben, die für ihn so be-
ledigende Erfolge aufweist, dass ich seinem Gefühle darin nicht zu folgen
Temiag, wenn er mit dem Glauben, dass seine persönliche Existenz mit
diesem leiblichen Tode für ewig abgeschlossen sei — wenn er mit diesem
Glauben es überhaupt der Mühe werth findet, weiter zu leben.
Ich will hier nicht auf den tragischen Monolog von Hamlet verweisen,
. der alle die Gründe anführt, die ihn bewegen sollten, nicht weiter zu leben,
wenn die Möglichkeit- nicht wäre, nach dem Tode vielleicht zu träumen,
Tielleicht doch noch etwas zu erleben — wer weiss, was. — Wer aber
darüber mit sich einig ist, dass diesem Leben kein anderes folgt, der kann
dem Verbrecher, der, um mit den Worten des Dichters zu reden, „festen
Blicks vom Rabenstein in das Nichts hineinsieht", für den der Tod die
Rahe, der Schlaf, den Hamlet ersehnt, der traumlose, nicht zumuthen,
bei solcher Auffassung in der engen Zelle eines Gefängnisses, beraubt von
Allem, was dem Leben einen Keiz verleihen kann — um die Worte eines
Gelehrten zu gebrauchen — das Phosphoresciren seines Gehirns noch
eine Zeit lang fortzusetzen.
Ich habe hier das Gefühl gehabt, dass das Wort des Dichters: „und
setzet ihr nicht das Lebai ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein*',
and dass das andere Wort, dass „das Leben nicht der Güter Höchstes
ist'', bei uns in ein merkwürdiges Vergessen gerathen, in einen Wust von,
meines Erachtens, falscher Sentimentalität begraben worden ist.
Ich bin bereit zu erklären, dass die fortschreitende Vervollkommnung
der menschlichen Einsicht und Bildung , alle die Güter der Civilisation,
die wir mit Recht rühmen hören , das Fortschreiten der Gesittung nicht
ohne Antheil an der Sache ist. Es ist das Fortschreiten derjenigen
Gesittung, deren Grundlage sich auf das Christenthum
unserer Väter zurückführen lässt; sie wirkt noch heute in allen
Schichten des Volkes, sie trägt sie heute noch, die Sitte.**
Dass gerade der Medi einer, mehr als jeder andere
Gelehrte, bei der practischen Ausübung seines Berufes eine
ideale Charakteranlage besitzen muss, wenn er nicht bei der
fortdauernden Berührung mit physischen und moralischen Ge-
brechen der menschlichen Natur zum Pessimisten werden soll,
bedarf wohl kaum einer näheren Begründung. Kein Beruf
gestattet mehr als der ärztliche £inblicke in die geheimsten
Beziehungen der Familie. Wie häufig muss man alsdann die
traurige Ueberzeugung gewinnen, dass dasjenige, was der
Welt von Aussen als Glanz und Glück erscheint, in Wirk-
— 120 —
lichkeit nichts anderes als ein gUuizendes Elend sei, weiches^
ängstlich durch die gleissende Kunst erheuchdter Fröhlichkeit
verborgen, den Todeskeim im Innern trägt.
Welcher Mediciner, der ehrlich gegen sich selbst und
gewissenhaft gegen seine Patienten ist, wäre nicht, trotz aller
seiner physiologischen und anatomischen Kenntnisse, schon
öfter am Krankenbette in die klagenden Worte des ver-
zweifelnden Faust ausgebrochen:
„0 glücklich, wer noch hoffen kann
Aus diesem Meer des Irrthums aufzutauchen!
Was man nicht weiss, das eben brauchte man,
Und was man weiss, kann man nicht brauchen.
Hier war die Arznei, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas?
So haben wir mit höllischen Latwergen,
In diesen Thalem, diesen Bergen,
Weit schlimmer als die Pest getobt.
Ich habe selbst das Gift an Tausende gegeben;
Sie welkten hin, ich muss erleben,
Dass man die frechen Mörder lobt."*)
Vermag sich nun ein junger Mediciner nicht aus den
Banden dieser ärztlichen Hypochondrie am Leitfaden der
Philosophie und Religion wieder zurechtzufinden » kommt er
nicht zu der Selbsterkenntniss, dass all sein Wissen ein höchst
unvollkommenes Stückwerk sei, bei dessen erfolgreicher An-
wendung der Segen Gottes und uneigennützige Menschen-*
liebe nicht zu entbehren seien, so geräth er unfehlbar in die
Netze des Teufels und macht die folgenden Lehren des
Mephistopheles in Goethe 's Faust zur Richtschnur seiner
Praxis :
„Der Geist der Medicin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudirt die gross' und kleine Welt,
Um es am Ende geh'n zu lassen,
Wie's Gott gefällt.
Vergebens, dass ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur, was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
') Goethe*8 Faust. Faust und Wagner auf ihrem Spaziergange
am ersten Osterfeiertage.
- 121 —
Hur seid noch ziemlich wohlgebaut.
An Kühnheit wird's euch auch nicht fehlen,
Und wenn ihr euch nur selbst vertraut,
Vertrauen euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber führen;
Es ist ihr ewig Weh und Ach,
So tausendfach
Aus Einem Funkte zu curiren.
Und wenn ihr halbweg ehrbar thut,
Dann habt ihr sie all \mterm Hut.
Ein Titel muss sie erst vertraulich machen,
Dass eure Kunst viel Künste übersteigt;
Zum Willkomm tappt ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht.
Versteht das Pülslein wohl zu drücken,
Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,
Wohl um die schlanke Hüfte frei, —
Zu sehn, wie fest geschnürt sie sei."
Dass die daueirnde Anwendung den vorstehenden Eeceptes
einer tnedicinischen Praxis ä la Mephistophdes dazu beitragen
muss, in unseren Aerzten jedes Schamgefühl in Behandlung
sexueller Verhältnisse zu zerstören und dafür den Cjmismus
zu befördern, dafiir habe ich bereits oben (S. 12) einen
Schmerzensruf aus der „Neuen Stettiner Zeitung" angeführt.
Die Medicin ist so alt wie die Menschheit, und wenn sich
auch die Anschauungen geändert haben und auch in Zukunft
ändern werden, welche über die causalen Verhältnisse der
einzelnen Krankheitssymptome in jedem Zeitalter fiir wahr ge-
halten und deipgemäss an unseren medicinischen Bildungs-
stätten gelehrt werden, so haben doch Anfang und Ende des
Lebens zu allen Zeiten durschnittlich denselben Charakter
getragen. Weshalb macht sich also der überhandnehmende
Cynismus unter den Medicinern gerade in unseren Tagen
so breit? Sind vielleicht beim medicinischen Unterrichte
unserer Studirenden neue Elemente hinzugekommen, welche
die Abstumpfung des natürlichen Gefühles in so schrecken-,
erregender Weise befördern? Möge uns auf diese Fragen ein
in diesen Dingen als Autorität anerkannter Gelehrter Antwort
und Belehrung ertheilen.
Atn 6. .November 1877 ist das „neue physiologisch^ In-
stitut der Königl. Friedrich-Wilhelms-Universität zu
— 122 —
Berlin" feierlich^) durch den Director desselben, Hm. E. du ^
Bois-Reymönd, mit einer Festrede eröffnet worden über das
Thema „Der physiologische Unterricht sonst und jetzt".
Derselbe behauptet daselbst wörtlich Folgendes:
*
„Auch nach Erwerbung des Bauplatzes blieben noch Schwieiigkeiten^
genug zurück. Dank den gehobenen Verhältnissen des Staates in den
Jahren, welche dem glücklichen Kriege zunächst folgten, sind sie über-
wuiiden, und Sie sehen jetzt der Physiologie, der Königin der Natur-
wissenschaften, diese königliche Stätte bereitet: eine jener Staatsanstalten,
welghe ein Zeichen unserer Zeit sind, von denen nicht die höchste Cultor
des Alterthumes mit ihrön Tempeln und Amphitheatern, nicht mit ihren
Domen und Palästen der Benaissance das Geringste ahnte. So vollständig,
grossartig und vollkommen wie hier, wird, wenn wir endlich fertig sind,
meines Wissens den Bedürftiissen der Physiologie für Forschung und Lehre
noch nicht entsprochen worden sein."
„Unter den Einrichtungen des Institutes hebe ich, aus besonderen
Gründen in diesem Augenblicke, das Vivisectorium hervor. Sie wissen,
dass im classischen Lande der Euchshetzen, der Hahnenkämpfe und des
Taubenschiessens, wo doch das Feld für philanthropische Thätigkeit np<^
lange nicht erschöpft sein soll, die höheren Schichten der Gesellschaft,
plötzlich von empfindsamer Philozoie ergriffen, bei Parlament und Begie- ]l
rung das Verbot oder eine ihm gleichkpmmende Erschwerung der Vivi-
sectionen durchgesetzt haben. Dort ward guter Ton, jeden Physiologen,
^) Leider scheint auch bei der Eröffnungsfeier dieses „Palastes der
Wissenschaften" die Sehnsucht des Hrn. Professor A. W. Hof mann bei
der Eröffnung des chemischen Palastes nach einem „blühenden
Kranze weissge kleidet er Jungfrauen" nicht befriedigt worden
zu sein. Es ist diese Nichtbeachtung eines öflFentlich von Prof . Hof mann
ausgesprochenen Verlangens jedenfalls ein trauriges Zeichen von der Gleich-
gültigkeit der Berliner gegen die Wünsche ihrer berühmten Männer. Kann
man sich denn deutlicher aussprechen, als dies Prof. A. W. Hof mann
in den Berichten der deutschen chemischen- Gesellschaft (Jahrgang 1869,
Nr. 10) bei seinem Berichte über den Einzug in das neue chemische In-
stitut mit folgenden Worten gethan hat:
„So ist es denn auch gekommen , dass wir eigentlich ohne Sang
und Klang in die Hallen des neuen Tempels eingezogen sind. Keine
höchsten und allerhöchsten Herrschaften, m deren Glanz wir uns bei
dieser Gelegenheit hätten sonnen können, kein besternter Grosswürden-
träger des Keiches mit seinen Käthen, deren Gegenwart unserer Besitz-
ergreifung das Siegel officieUer Beglaubigung aufgedrückt hätte, kein
blühender Kranz weissgekleideter Jungfrauen, welche uns
auf der Schwelle des Heiligthums entgegengetreten wären! Für alle
diese schmerzlichen Entbehrungen {sie!) werden wir durch den
festlichen Besuch der chemischen Gesellschaft und ihrer Gäste am heu-
tigen Abend schadlos gehalten!"
— 123 —
der ein lebendes Thier zu wissenschaftlichen Zwecken verletzt , mit den
schwärzesten Ungeheuern der Geschichte, Fhalaris, Nero, Torque-
mada und Eobespierre, auf eine Stufe zu stellen. Es wäre hier weder
Zeit noch Ort, die Gründe zu wiederholen, mit welchen schon von ver-
schiedenen Seiten diese Anklage zurückgewiesen wurde. Gewiss kann die
Vivisection missbraucht werden, denn kann dies nicht sogar dieBeligion?
iaeh meine ich allerdings, dass Yivisectionen zum alleinigen Zwecke der
Demonstration, namentlich in stark besuchten Vorlesungen vor Anfängern,
möglichst einzuschränken sind: wegen der Schwierigkeit, einer zahlreichen
Versammlung zu zeigen, was mit dem Thiere vorgeht, wegen der Ver-
wickelung fast aller vivisectorischen Versuche, wodurch sie für Anfanger
vergleichsweise minder lehrreich sind, endlich wegen ihrer schwer zu be-
herrschenden Dauer, in Folge deren die Zuhörer ihre Zeit verlieren.**
„Aber welche Anmaassung seitens jener Laien, zu glauben, sie könnten
leichtsinnig unternommene Vivisectionen mehr verabscheuen, als dies wohl-
gesinnte Physiologen thun! oder durch ihre Declamationen die rohen Gre-
sellen unter uns härter strafen, durch ihre Verbote sie wirksamer zügeln,
als wir durch unsere verächtliche Missbilligung! Darüber, ob überhaupt
Vivisectionen zu wissenschaftlichen Zwecken erlaubt seien, ist Schlagenderes
meines Erachtens nicht gesagt worden, als die Warnung, deren Triftig-
keit nur Ignoranten bestreiten: „Für die geretteten Hundeleben werdet
Ihr mit Menschenleben, für die den Kaninchen und Fröschen ersparten
Schmerzen mit menschlichen Leiden bezahlen."*)
„Die Nachricht, dass in dieser Staatsanstalt ausdrücklich Vorkehrungen
für "Vivisectionen getroffen seien, hat die Britischen Antivivisectionisten
angeregt, und grosse Blätter, wie Spectator und Times, haben zwischen
solcher Grausamkeit und der Politik von Eisen und Blut einen Zusammen-
hang gewittert. Jawohl. Dieselbe Kegierung, die, von schwäch-
lichem Manchesterthume frei, das Vaterland gross machte,
lässt ihre Gelehrten gewähren, weil sie weiss, worum sie
sich zu kümmern hat; die Begierung, die zu jener unweisen Maass-
regel sich hergab, hat erst noch zu zeigen, dass sie ihr Land gross zu
erhalten vermag."
Friedrich der Grosse, dessen Regierung doch auch
wusste, „worum sie sich zu kümmern hat", würde Hm.
E. du Bois-Reymond auf seine vorstehende Vertheidigung
der Vivisection dreierlei erwidern:
*) L. Hermann, Professor der Physiologie an der Universität zu
Zürich variirt die obige Phrase wie folgt: „man wird, mit einem
Worte, die geschonten Thierleben mit Menschenleben be-
zahlen." Vgl. „Die Vivisectionsfrage". Für das grössere Publicum be-
leuchtet von Dr. L. Hermann. Leipzig (Vogel) 1877. S. 50.
— 124 —
Eratens: „Onpourrai accuser l'auieur Mi
d, sartout de. malaäresse''.')
Zweitens: Daas es eines oflfeutlichen Gelebrleii.
würdig sei, die aus den edelsten Moüven des meDscl
Herzens enteprungenen Antriebe zur Linderung der Qi
unserer Mitgeschöpfe im Volke als „Anmaasaung seitens
Laien" und „Ignoranz" schroff zurück zu weisen. Das deutsc
Volk verlangt von seinen öffentlich angestellten Geiehi
Aufklärung, aber keine Sottiaen!
Drittens: Dass die Behauptung, „es könnten die rohei
Gesellen unter uns" nicht „härter gestraft" und nicht ,
sanier gezügelt" werden, aU durch die „verächtliche
biiligung" von Seiten Hrn. E. du Boia-Keymond'f
seiner Collegen, nur „Declamationen" und nicht ssagendl
Phrasen eioefi „rohen Gesellen" seien, mit welchen
keinen Hund hinterm Ofen hervorlocke, geschweige denn
Qualen auf dem vivisectorischen Secirbrette zu lindern
Stande sei. In unserer Zeit, wo selbst die Ächtunj
ehrwürdigen Person des 81jährigen Kaisers nicht auareit
um bei einem Gelehrten den Meuchelmord zu verhindern, — ,
die Achtung vor deutschen Professoren beim Publicom.,'
zu appelliren, um wissenschaftliche Grausamkeiten an Thiereft'
zu verhindern, klingt wie das Hohnlachen aus dem Schlunds
der Hölle 1
Um nun Herrn E. du Bois-Reymond und
deutschen Vivisectoren ausser den bereits angeführten zaht
reichen Beispielen von „Anmaassung" und „Arroganz" auf
ihrer Seite, — nicht auf Seite der Laien — auch noch dea
Beweis zu geben, dass die von ihm in Gemeinschaft mit seinea
Assistenten Christiani und Hugo Kronecker unter Mit-
wirkung unseres Leipziger Vivisectora Ludwig befolgte Tactik
der Verleumdung von ehrlichen und anständigen Menecheo
bereits auch unter den Studirenden gelehrige Schüler gefunden
hat, erlaube ich mir hier die folgende, in der heuligen Nummer')
des „Amtsblattes des Königlichen Land- und Amtsgerichtes
') „Mftn kBtmta don Eedner seiner verdorrten Empfindungen und iibtf- 1
hwipt Beinen Mangels an Anatand w^en anklagen.'- (Vgl. oljcn S. 3'"'
•) I^ipüger Nachrichteo t. 15. Daeemliet 1S79. Nr. 34&.
1 a mM
— 125
((
iipzig, des Eathes und Polizei-Amtes der Stadt Leipzig
itntfaaltene Berichtigung des „Präsidenten des Internationalen
[Veareins zur Bekämpfung der wissenschaftlichen Thierfolter^'
reproduciren. Dieselbe lautet wörtlich:
Berichtigung.
,fii Nr. 343 der Leipziger Nachrichten vom 10. December befindet sich
(brter der TJeberschrift: „Erwiderung*' ein Herzenserguss, gezeichnet „Ein
l^dent'S worin derselbe mich beschuldigt: „dass ich den ganzen Stand
Jer Aerzte mit dem der Verbrecher gleichstelle." Ich erkläre
dSese Beschuldigung f&r eine grobe böswillige Verleumdung, da es mir nie
m läitfemtesten in den Sinn gekommen ist , eine solche unsinnige Be-
bsaptong auszusprechen. Ebensowenig habe ich gesagt: „dass Professor
Ludwig, Schiff, Goltz Leute seien, auf die man mit Verachtun'g
lilicken müsse", sondern ich habe mir nur eine vollständig legitime Kritik
des thierschütznerischen Charakters des Ersteren, sowie der das
Mfentliche Moralgefühl beleidigenden Handlungen der beiden
Letzteren erlaubt. Im Uebrigen verweise ich auf den Text meines
Läpoger Vortrags, der sich im Druck befindet, sowie auf meine heute au
Um Leipziger Tageblatt eingesendete Entgegnung und Berichtigung.
Dresden, 13. December 1879.
Ernst von Weber,
Präsident des Intemationaleu Vereins zur Bekünipfung
der wissenschaftlichen Thierfolter."
Im Anschluss hieran erlaube ich mir folgendes von mir
selber im April dieses Jahres concipirtes aber nicht abge-
schicktes yyEingesandt ^* an den Bedacteur der Leipziger Nach-
richten abzudrucken, welches ich der verletzten Ehre der
Ldpziger Bürgerschaft und besonders der intelligenten Mit-
gjEeder des ^^Kaufmännischen Vereines^' schuldig zu sein glaubte.
Dasselbe lautet wörtlich wde folgt:
Professor Ludwig und seine „Verdunkelung des Verstandes".
„Eine jede Wissenschaft in ihrem engen Bezirke eingeschränkt, kann weder
die Seele bessern noch den Menschen vollkouunen machen.*'
L e s s i n g.
10. Brief, ..die neucMte Literatur betreffend". Bd. VIII. S. 172.
Hochgeehrter Herr Redacteur! Bereits gestern (10. April) wurde in
Birem geschätzten Blatt» auf die sonderbare Behauptung unseres berühm-
ten Vivisectors Ludwig in seiner Vertheidigungsschrift der Vivisection^)
^) ,^e wissenschaftliche Thätigkeit iu den physiolo^schen Instituten."
Vortrag gehalten im Kaufmännischen Vereine zu Leipzig am 27. März
1879 von C. Ludwig. — Separatabdruek aus der Wochenschrift „Im neuen
Beich." 1879. No. 14. S. 15.
r
\
— 126 —
hingewiesen, dass ^^ans dem Wohlleben, welches der ererbte Beichthani
gross zieht und aus der Notb, die mit dem täglichen Bedüifiiiss Itämplt^
die gleiche Verdunkelung des Vorstandes erwächst." Da diese
tiefsinnigen Worte von einer ,jZierde" unserer Universität in einem Verdne
und in einer Stadt ausgesprochen worden sind, wo bekanntüch viel „WoM-
leben durch ererbten Beichthum" anzutreffen ist, so scheint der Bedner
seine Worte nur im ironischen Sinne genommen zu haben, in der Vor-
aussetzung, dass die Verdunkelung des Verstandes sowohl unter den Mt-
gliedern des Eaufinännischen Vereins als auch in der Bürgerschaft Leipzig's
bereits eine so allgemeine sei, dass Niemand die Unrichtigkeit jener küh-
nen Behauptung entdecken und gegen die 'Verletzung protestiren würde,
welche hiermit sowohl gegen zahlreiche Mitglieder des KaufmänniacheiL
Vereins als auch gegen die „durch ererbten Beichthum gross gezogenen"
sehr angesehenen und verdienten Bürger unserer Stadt ausgesprochen ist
Einsender dieses, der so glücklicli ist, weder durch „ererbten Beich-
thum" noch durch Noth um's tägliche Brod seine „Verdunkelung des
Verstandes" verschuldet zu haben, erlaubt sich zur Widerlegung auch
bezüglich der Verstandes Verdunkelung durch „Noth" das folgende be-
kannte Epigramm Kästner' s auf den grossen Astronommen Kepler
anzuführen :
„So hoch war noch kein Sterblicher gestiegen
Wie Kepler stieg, — und starb den Hungertodt!
Er wusste nur die Geister zu vergntigen,
Drum Hessen ihn die Körper ohne Brod!"
Sollte vielleicht die fortgesetzte Ausübung von Vivisection im Stande
sein, eine so grosse „Verdunkelung des Verstandes" herbeizuführen, dass
die Vertheidiger der Vivisection nicht einmal mehr solche Blossen in
ihren Beden und Schriften zu bemerken und daher zu vermeiden im
Stande sind? —
Leipzig, den 11. April 1879.
Wenn nun aber solche „Männer der Wissenschaft", wie
ich sie in der vorliegenden Schrift dem deutschen Volke und
seinen Regierungen vorgeführt habe, die Anmaassung und
öffentliche Heuchelei sogar so weit treiben, dass sie sich in
die Brust werfen und stolz von der „Höhe des Pyrrhonismus"
in das „unbarmherzige Getriebe der entgöltterten Natur^'
blickend mit dem Vivisector E. du Bois-ßfeymond trium-
phirend in die Worte ^) ausbrechen:
„Wir, deren Leben der Wahrheit, der Freiheit, dem Ewigen
im Wandelbaren gehört, ausdrücklich melden, dass wir die Lüge, die
Tyrannei, das Gaukelspiel mit allem Hohen und Heiligen verabscheuen!"
^) Worte E. du Bois-Beymond's in seiner Bedo „Der deutsche
Krieg", 1870.
— 127 —
dann^ geliebte Landsleute, ist es die höchste Zeit, uns aus
unserem Schlummer wie ein Mann zu erheben und uns mit
den vor 76 Jahren gesprochenen Worten Fichte 's*) vertrauens-
voll an unsere Fürsten zu wenden:
„Es beschwören euch eure noch iingebornen Nachkommen. Ihr rühmt
euch eurer Vorfahren, rufen sie euch zu, und schliesst mit Stob euch an
eine edle Eeihe. Veranlasst nicht, dass wir uns der Abkunft von euch
schämen müssen, als einer niodem, barbarischen, sklavischen, dass wir
unsere Abstammung verbergen oder einen fremden Namen und eine fremde
Abkunft vorlügen müssen, um nicht sogleich, ohne weitere Prüfung, weg-
geworfen und getreten zu werden.**
„Diese Eeden beschwören euch Fürsten Deutschlands! Lasset
(3ure Käthe sich berathschlagen , ob sie es auch so finden, oder ob sie ein
Besseres wissen, nur dass es ebenso entscheidend sei. Die ITeberzeugung
aber, dass etwas geschehen müsse, und auf der Stelle geschehen
müsse, und etwas Durchgreifendes und Entscheidendes ge-
schehen müsse, und dass die Zeit der halben Maassregeln und der Hinter-
haltungsmittel vorüber sei; diese Ueberzeugung möchten sie gern, wenn
sie könnten, bei euch selbst hervorbringen, indem sie zu eurem
Biedersinn noch das meiste Vertrauen hegen!"
Erst wenn den wissenschaftlichen Jesuiten wie den
kirchlichen ofBciell keine Stätte mehr unter „Aufsicht
des Staates" im deutschen Beiche gestattet ist, werden in einer
hierdurch gereinigten Atmosphäre allmälig wieder die Strahlen
der Wahrheit ihren Weg zu den Herzen der Lehrer finden,
damit sie von ihnen erwärmt und begeistert, in selbstloser
Hingabe der Wahrheit allein die Ehre geben und soder
deutschen Jugend nicht nur ein vornehm kühles Bild des
Wissens und Könnens, sondern auch das Beispiel eines
reinen und anspruchslosen Antriebes zur Erkenntniss
liefern. *)
Inzwischen aber möge das deutsche Volk in Hütten und
Palästen der Worte unseres von Freiheit und Wahrheit be-
geisterten Dichters Uhland eingedenk sein, welcher in folgen-
den Versen ^) an die Wahrhaftigkeit unserer Sprache erinnert:
^) Eeden an die deutsche Nation. 14. Eede (S. 223 ff.) und 8. Bede:
,.Wa8 ein Volk sei, und was Vaterlandsliebe" (Volksausgabe zu 40 Pfg.
lioipzig, Beclam).
*) Worte aus der Vorrede zu meinem Buch „Ueber die Natur der
Gometen" S. LXL
*) ühland's Gedichte ,.Die deutsche Sprachgesellschaft 1817**.
— 128 —
So schaffe du inwendig
Tbatkräftig und lebendig,
Gesammtes Volk an ihr!
An deiner Sprache rüge
Du scharfer nichts denn Lüge,
Die Wahrheit sei ihr Hort!
Verpflanz' auf deine Jugend
Die deutsche Treu und Tugend
Zugleich mit deutschem Wort!
Ja, gieb ilir du die Reinheit,
Die Klarheit und die Feinheit,
Die aus dem Herzen stanmit!
Gieb ihr den Schwung, die Starke,
Die Giuth, an der man merke,
Dass sie vom Geiste flammt!
Zu buhlerischem Girren
Lass du ihn niemals kirren,
Der ernsten Sprache Klang!
Sie sei dix Wort der Treue,
Sei Stimme zarter Scheue,
Sei echter Minne Sang!
Sie diene nie am Hofe
Als Gauklerin, als Zofe!
Das Lispeln taugt ihr nicht.
Sie töne stolz! sie weihe
Sich dahin, wo der Freie
Für Recht, für Freiheit spricht!
Wenn so der Sprache Mehrung
Verbesserung und Klärung
Bei dir von statten geht,
So wird man sagen müssen,
Dass, wo sich Deutsche grüssen,
Der Athem Gottes weht!
Ueber den modernen Journalismus und das
I nseraten wesen.
Im Hinblick auf die obige Erklärung des Herrn Baron
Ernst von Weber (S. 125) und die principielle Venveige-
rung des Inserates desselben von Seiten des verantwortlichen
Redacteurs des Leipziger Tageblattes halte ich es für zweck-
mässigy noch einmal auf die bereits oben (Seite 12) von der
„Neuen Stettiner Zeitung" gegeisselten Schäden des ^ Annoncen-
Cynismus" zurückzukommen. Es ^wd meine Leser gewiss
interessiren, über die gegenwärtige Bedeutung der Presse zu-
nächst einige Worte von einem geistvollen und in Berlin sehr
geschätzten Journalisten selber zu vernehmen, um so mehr,
als derselbe den Muth hatte, zuerst in der jüdischen Presse ^)
seine Stimme gegen den wissenschaftlichen Unfug mit der
Vivisection zu erheben. Ich meine Herrn Dr. Julius Stinde,
der mir in Beantwortung einer brieflichen Berichtigung eines
physikalischen Missverständnisses in seinem Keferate über
meine „Wissenschaftlichen Abhandlungen ^^^) aus Berlin den
30. November 1878 u. A. wörtlich Folgendes bemerkt:
^) Deutsches Montags-Blatt, redigt von Dr. Arthur Lewjsohn.
*) Es wurde nämlich von Hm. Stinde behauptet, dass die unter dem
Einflüsse S lade 's magnetisirte Stricknadel O^iss. Abh. H. Tbl. I. S. 340)
nur einen Pol besitze, was allen bisherigen Vorstellungen über den Mag-
netismns widerspreche und eins der grüssten physikalischen Wunder sei.
Ich berichtigte diese Behauptung, indem ich Hm. Julius Stinde wört-
lich die betreffende Stelle aus meinen Abhandlungen mittheilte. Dieselbe
lautet wie folgt: „als die Tafel mit der Stricknadel wieder auf den Tisch
gelegt wurde, war letztere an dem einen Ende (und zwar nur an dem
einen Ende) so stark magnetisch, dass Eisenfeile und kleine Nähnadeln
an diesem Ende hafteten imd die Nadel des Compassos mit Leichtigkeit
9
•f
— 130 —
„Die falsche Auffassung der magnetisirten Stricknadel thut mir sehr
leid und habe ich die Berichtigung sofort gemacht, konnte jedoch, da der
zweite Artikel bereits gesetzt, nur den Kaum einer Sternbemerkung be-
kommen.
Von jeher ein Anhänger Ihrer Werke, namentlich seit der Lektüre
Ihres Cometenbuches , das der wissenschaftlichen Koterie einen heilsamen
Schrecken einjagte und den Tyndall-Schwindel endlich einmal „aktinisch''
beleuchtete, kann ich mich jedoch nicht entschliessen, Ihnen bis zu den
Consequenzen zu folgen, welche sie in der letzten Zeit entwickeln
Unbesprochen darf ein solches Werk nicht bleiben, denn es ist zu
wünschen, dass es gelesen werde, weil es viel goldene Worte enthält, die
in der Tagespresse dem souveränen Volke nicht gesagt werden dürfen.
Die Presse schwimmt vorzugsweise mit dem Strome, ungern gegen den-
selben; wer die Götzen des Tages angreift, die von der Presse auf den
Altar gehoben wurden, findet keinen Eaum in den Spalten der siebenten
(irossmacht. Was Sie S. 4 15 ff. sagen, wird in keiner gelesenen Zeitung^
Aufnahme finden. Das Skelett im eigenen Hause zeigt Niemand gema»
Verzeihen Sie, verehrter Hr. Professor, die Länge meines Briefes; als An-
hänger und Gegner zugleich, war es mir Bedürfniss, mich Ihnen gegen-
über auszusprechen.
Mit grösster Hochachtung
Ihr ergebener
Dr. Julius Stinde. **
Meine Leser werden nach dem obigen Ausspruche eines
anständigen und intelligenten Berliner Literaten neu^erig sei% ^
diejenigen Worte aus dem ersten Theile des zweiten Bandes
meiner Abhandlungen kennen zu lernen, welche nach dem
Urtheile eines Sachkenners „in keiner gelesenen Zeitung Auf-
nahme finden'^ würden. Indem ich in Folgendem diese
Worte (S. 415 ff.) gewissenhaft reproducire, erlaube ich mir
die Bemerkung, dass laut gedruckter Angabe (vgl. AbhdL
Bd. IL Thl. 2. S. VI.) der Anfang des Manuscriptes zu
jenem Theile der Druckerei am 15. December 1877 — das
Ende am 3. Mai 1878 übergeben und der Druck am
25. Mai 1878 vollendet wurde.
im Kreise herumgeführt werden konnte." Eine Stricknadel mit den hier
beschriebenen Eigenschaften kann sich jeder selber leicht herstellen in-
<lem er nur das eine Ende mit einem schwachen Magnete bestreicht, und
für jeden,* der auch nur mit den elementarsten Kenntnissen der magne-
tischen Vertheilung bekannt ist, hegt hierin durchaus kein Wunder,
wie es Hr. Dr. Julius Stinde seinen Lesern verkündete. Hr. Stinde
liat die Güte gehabt, meine Berichtigung in einer Anmerkung in einem
späteren Artikel zu berücksichtigen.
— 131 —
Ich halte mich zu jdieser Bemerkung im Intersse des
Friedens und zur Vermeidung von Prioritätsstreitigkeiten
zwischen Hm. Marr, dem Hofprediger Stöcker und Hm.
Professor Dr. von Treitschke ^) für verpflichtet. Meine Worte
a. a. O. lauten wie folgt:
„Wenn aber das deutsche Volk jemals in seinem politi-
schen Tacte und Instincte so weit heinmterkommen sollte, dass
es zum Leiter seiner auswärtigen Politik einen jüdischen Lite-
aten*) erwählte, welcher im 21. Lebensjahre seine glänzende
Laufbahn mit einem fünfbändigen Roman eröffnet und sich
Vgl. „Zur Aufklärung des deutschen Volkes etc."
^) Der gegenwärtige Premier-Minister Englands, Benjamin d'Israeli
(oder Bisraeli) Lord Beaconsfield, entstammt einer aus Spanien ver-
triebenen Judenfamilie. Er ist der Sohn Isaac dlsraeli's, eines eng-
[. ÜBchen Literarhistorikers (geh. 1766, gest. 19. Jan. 1848.) Letzterer war
der einzige Sohn Benjamin dlsraoli's, eines venetianischen Kauf-
inannes, der sich 1748 in England niedergelassen hatte und von einer
Jener jüdischen Familien abstammte, die gegen das Ende des 15. Jahr-
jfnmderts durch die Liquisition aus Spanien vertriehen, im Gehiete der
"toleranten Eepuhlik Venedig Schutz suchten. — „Der gegenwärtige Premier-
JGmstea^ Benjamin d'Israeli wurde im Dec. 1805 geboren und machte
fUth zuerst durch seinen „Vivian Grey'' (5. Bde. London 1826 — 1827) he-
lannt, einen glänzend geschriebenen Eoman, in welchem sich eine leb-
h^, aber ungezügelte Einbildungskraft und ein ungewöhnliches Talent
te IKttenschilderungen aus der sogenannten fashionablen Welt kundgab.
fii ^em Boman y,The wondrous tale of Alrmf" hatte er sich die Vor-
berrlieliang der jüdischen Nation zur Aufgabe gestellt. Dasselbe
that er später, als er im Jahre 1841 Abgeordneter der Stadt Shrewsbury
wurde und mit Lord John Manners, George Smythe und Andern
die sogenannte Partei des jungen England büdete, deren Grundsätze er in
«iner Beihe von Schriften entwickelte, die durch Styl und Lihalt allge-
mane Aufoierksamkeit erregten. Eigenthümlich erschien darin neben der
[Apotheose mittelalterlicher Zustände die Verherrlichung der jüdi-
schen Nation." (Vgl. Brockhaus, Conversations-Lexicon.)
Der gegenwärtige Kanzler des Deutschen Kelches Fürst Otto von
l>ismarck (geb. 1. April 1815) stammt von christlich-germanischen
Wahren in der Altmark. „Li dem früher Bismarck'schen Dammen-
wird noch jetzt eine von jenen Fahnen aufbewahrt, unter welcher die
len Bauern (1675) sich zusammenscharten, um die während des
feldzuges des Kurfürsten in die Mark eingefallenen Schweden aus
Lande zu vertreiben, mit der Lischrift: „„Wir sind Bauern von
Gut und dienen unserem Kurfürsten mit unserem Blut."" Ln
Lebensjahre (1836), in welchem Benjamin dlsraeli jüdische Eomane
9*
— 132 —
in ferneren Schriften die Verherrlichung des Judenthut
Aufgabe stellt, dann würde dereinst auch für Deuts
die Stunde seines Niederganges geschlagen haben. ^
ein Volk noch ein einzelner Mensch dürfte ungestraft die
liehen Instincte übertäuben, die unbewusst durch die Tradi
seiner sittlichen und politischen Entwickelung in ihm e
sind. Diese Instincte ständen über der abstracten Verst
thätigkeit und hätten zu allen Zeiten beim Durchbruch
matorischer Ideen als Regulatoren des natürlichen Empf
und Denkens gedient. England habe durch die selbstsii
und frivole Interessenpolitik d' Israeli 's und die mo(
Hexenprocesse gegen Slade und Genossen auch aus
seinem politischen und wissenschaftlichen Niedergang
Siegel aufgedrückt. Der Geschichtsschreiber des komn
Jahrhunderts wird, wenn er ein Engländer ist, vor 1
erröthend, diese Epoche aus der Geschichte seines Vatei
zu tilgen wünschen. Aber vergeblich, denn „die Weltges<
ist das Weltgericht". Die abstracte Erkenntniss kar
Toleranz gegen das Judenthum in der Politik zum Aus
schüd und zur Selbsttäuschung einer herrschenden u
herrschten Ciaöse von natürlichen Empfindungen in
Volke mit christlich -germanischen Traditionen eine Zei
erfolgreich ausbeuten, aber sie kann, so lange der Ke
Volkes ein gesunder ist, nicht verhindern, dass u;
Gedanke an die dereinstige Möglichkeit eines jüdii
deutschen Kaisers, mag er so weise wie Salomo und so t
wie Lessing 's Nathan sein, doch als eine Absurdit
Burleske erscheint. Sicherlich habe Fürst Bismarck
Existenz derartiger Instincte im deutschen Volke api
wollen, als er in einer der jüngsten parlamentarischen D<
die Hoffnung milderer Beurtheilung seitens der nationallil
Partei knüpfte, wenn dereinst Hr. Lasker Vice-Kanz
deutschen Reiches sein würde. Die Vertreter des dei
Volkes lachten jedoch nur über derartige Bemerkungei
schrieb, „trat Bismarck von der Justiz zur Verwaltung über un
an der Königlichen Eegierung zu Aachen unter dem Präsiden
Arnim Boitzenburg beschäftigt. Dort begann er sich
fleissige Arbeit für seine diplomatische Laufbahn vo
reiten." (Vgl „Fürst Bismarck" von Ludwig Hahn S. 2(
— 133 —
Hiarck's, ohne sich psychologisch von der tieferen Bedeutung
A des Lächerlichen im vorliegenden Falle Rechenschaft iu geben.
Ebensowenig werde das Gefühl der Indignation erregt, wenn
m Mann von der sittlichen Gesundheit und dem moralischen
Muthe des Fürsten Bismarc k gezwungen werde, sich öfFent-
Bch gegen die Insinuation einer niäla fides gegen den Abge-
ordneten Lasker zu vertheidigen.
Ich erlaube mir Herrn Hofprediger Stock er zu bemerken,
dass diese vor mehr als zwei Jahren niedergeschriebenen
Worte „nicht von dieser Welt sind", sondern Klänge aus
der vierdimensionalen Geist erweit, die zuerst mein Freund
Hans Jakob Christoffel v. Grimmeishausen bei einem
nächtlichen Besuche am 1. Mai 1878 in meiner damals im
l-TOrten Stock gelegenen Wohnung auf meinem Harmonium
-iBtonirte^) und zwar in Gestalt der bekannten Berliner Melodie:
Schmeisst ihn r'aus den Juden Itzig, Juden Itzig etc.
Zu welchem merkwürdigen und volltönigen Concert diese
schüchternen Geistertöne im Verlaufe der letzt verflossenen zwei
•Jahre besonders in Berlin angeschwollen sind, mögen meine
[Xeeer aus dem folgenden Berichte der frei-conservativen
»JPost" vom 18. December 1879 entnehmen. Derselbe lautet
wortlich wie folgt:
L. Die Antisemitenliga hielt am Dienstag d. 16. Dec. Abends in
Hundt 's Salon, Köpnickerstrasse 100, eine Jedohi zugängliche Versamm-
hmg ab und trat somit zum ersten Male an die Ooffentlichkeit. Trotz des
Eatrees von 50 Kennigen, das zum Besten des „Schriftenfonds" erhoben
wurde, füllte ein zahlreiches, den besseren Ständen angehörendes Publikum
den Saal, dessen Stühle nach Entfernung der Tische halbkreisförmig um
die Tribüne grupt)irt waren. Kurz nach 8 Uhr ergrifT Herr de Grous-
silliers das Wort zum Vortrag über „Nathan den Weisen und die Anti-
semitenliga". „Noch sind keine 10 Jahre seit dem Tage verflossen, wo
c&dlich der Traum des deutschen Volkes Wirklichkeit ward und es wieder
an deutsches Reich gab. Aber wohin sind all die Hoffnungen gerauscht,
welche Wirren in unserem Vaterland? Staat steht gegen Kirche, Arbeit
gegen Kapital, Handwerk gegen Handel; imzählig sind die Fragen, die
unser Volk bewegen. Die Auffindimg der Ursachen dieser Wirren über-
*) Meine Leser finden noch weitere prophetische Manifestationen dieses
merkwürdigen Geistes im 2. Bande (Theil 1.) meiner Wissenschaftlichen
Abhandlungen (S. 25 S ff.); besonders über berühmte deutsche Professoren.
— 134 —
steigt die Kraft Eines, ich muss mich daher auf die Darlegung einer
Krankheitsursache, die man mit dem Worte „Judenfrage" bezeichnet, be-
schränken, wodurch ich allerdings Gefahr laufe, mir den Vorwurf der
„Hetze" zuzuziehen. (Bravo.) Auseinandergefaltet bedeutet diese Frage,
dass sich in die germanische eine ihr geistig wie körperhch verschiedene
Basse eindrängt, die Herrschaft über sie anstrebt und derselben ihre Eigen-
art aufzuprägen sucht. Täusche sich Keiner über den furchtbaren Ernst
der Lage, ein unterdrücken ist nicht mehr möglich, nur ein offenes Be-
sprechen kann dieselbe in eine Bahn ruhiger Lösung zwingen. Dieses
hämische Bewitzeln, dieses Kothbewerfen treibe man nicht weiter, damit
nicht einst, wenn die Bewegung geheim weiter gährt, sie in einer Weise
ausbricht, wo der Unschuldige mit dem Schuldigen zugleich dahingerissen
wird. Dass immer neue Kämpfer eintreten, dass Führer von ihrer Partei
nicht gewählt werden , weil sie Juden sind , das Urtheil des Volkes bei
* den letzten Wahlen, welches zeigt, dass es die liberalen Parteien für un-
Waig hält, für sein Wohl zu sorgen, alles dies beweist, dass jetzt der
Phrasenschleier zerrissen. Dass sich die Judenfrage so verschärft hat,
dazu trug vor Allem die einseitige Gesetzgebung zu Gunsten des Kapitals,
die hauptsächlich durch jüdische Parteiführer zu Stande gebracht (Bravo),
der durch den Gründungsschwindel hereingebrochene Nothstand (sehr
richtig) und die Erwachung des nationalen Gefühls bei, welches sich die
jüdische Führerschaft nicht mehr gefallen lassen will. (Stürmischer Bei-
fall.) Mit Unrecht behaupten Juden, wie Professor Lazarus, dass die-
Juden in Deutschland Deutsche seien. Sie sind wohl deutsche Staatsbürger,
nicht aber Deutsche. (Bravo.) Der Geist der germanischen Kasse ist un-
bestritten qualitativ wie quantitativ bedeutender (sehr richtig), dagegen
ist der jüdischen Kasse die Gabe der sogenannten Lebensklugheit in weit
höherem Masse verliehen, die materiellen Erfolge durch dieselbe haben
die Juden selbst zu der Täuschung verleitet, sie seien höher begabt. Die
germanische Kasse ist eine staatengründende, die Juden gedeihen nur da,
wo bereits geschaffene Kulturen sind. (Bravo.) Es fehlt den Juden die
eigentliche schaffende Volkskraft imd das ist auch der Grund, warum die
Juden eine herrschende Klasse im Volke sein müssen, sie können nicht
selber schaffen, sondern müssen ihre Existenz aus dem Geschaffenen Anderer
nehmen; da sie nun aber ihrer geringeren geistigen Kraft wegen nicht eine
geistige Herrschaft erlangen können, ist ihr Streben auf „Geldmacht"
gerichtet. (Bravo!) Den weiteren Nachweis tiefgehender Unterschiede
zwischen germanischem und jüdischem Geist knüpfte Kedner an die Figur
Nathan des Weisen. Nur ein Jude, der Weisheit mit hoher Lebensklug-
heit verbindet, konnte den Kiss überbrücken, der zwischen dem Bekenn t-
niss: „Es genügt, ein Mensch zu heissen" und der Kingfabel mit ihrer
Idee klafft ! Nur ein Jude konnte dies, dessen Keligion nur irdisches Wohl-
ergehen kennt, die um des äussern Wohlergehens halber auch eine Un-
wahrheit nicht gescheut. Ein germanischer Dickkopf würde unbedingt dem
Saladin grob mit der ganzen Wahrheit in's Gesicht gehagelt sein. Luther
\
— 135 —
8agte in ähnlicher Lage: ,^Hier stehe ich, ich kann nicht anders!'* Man
gedenke der Aufopferung der Kulturkämpfer , die der Socialdemokraten für
ike Idee. In unsem Arbeitern, man mag über ihre Ansichten denken wie
man will, steckt noch ein gut Theil germanischen Greistes und Kraft, findet
sich erst der rechte Weg, um die gerechten Ansprüche der Arbeiter zu
«rfullen , so werden sie eine wichtige Mithülfe bei der Kegeneration unseres
Volkslebens leisten. (Sehr richtig.) Diese Eigenschaft des deutschen
Volkes ist das schwerste Hindemiss für die Herrschaft des Realismus und
gegen sie richtet sich denn auch vor Allem die jüdische Presse. (Bravo.)
Sich in Deutschland zur Reklame für Unzuchten herzugeben, das ist ein
J^evel für unser Volk. Berlin, die Stadt der Intelligenz! Das Tageblatt
Bt ihre Bibel und Oscar Blumenthal ihr Prophet. (Stürmischer Bei-
feU. Pfui!) Welche Nothschreie sind schon gegen das Unwesen erhoben,
das allein dieser Mann in Berlin treibt? (Stürmischer Beifall.) Redner
wandte sich nunmehr der Frage zu, ob die Juden ein Volk im Volke,
einen Staat im Staate bilden, und befasse dieselbe im Hinblick auf Aus-
sprüche von Juden selbst, namentlich aber unter Hinweis auf den Talmud,
der alle SchändlichkeitÄi gegen Andersgläubige lehrt, ja gebietet, nur
dürfen sie nicht herauskommen, damit Israel keine Schande davon hat
Ißelachter) auf die Alliance israelite, die nicht nur eine wohlthätige, die
\ «Bßh eine politische Vereinigung ist. Ja, die Kinder Israel schreiten.
; «hnell. (Bravo.) Wer jetzt noch zweifelt, ist Feigling oder Thor. (Stür-
Bdecher Beifall.) Und mm noch ein Wort zu den Israeliten. Beweist uns,
dass Ihr Deutsche sein wollt, auf leere Wortdreschereien lassen wir uns
mcht mehr ein. Noch viel schärfer als wir selbst, müsst Ihr gegen jenes
Unwesen einschreiten, das Euch selbst am allermeisten zur Unehre ge-
locht*' '(Bravo!). Mit der Losung: „Mit Gott für christlichen Glauben,
fir Kaiser , Fürsten und unser theures Vaterland !" schloss Redner unter
minutenlang andauerndem Beifall. Eine Debatte schloss sich an den Vor-
trag nicht. Soweit unser L-Berichterstattor, dessen Referat indess einer
Vervollständigung bedarf. Nach dem Börsen-Courier hat Herr de
Groussillier nämlich noch Folgendes in seinem Vortrage hervorgehohen :
Die Juden gestehen selbst zu , dass sie eine fremde Nationalität seien,
und Berthold Auerbach hat einmal einem Hamburger Schulmanne
gesagt: „Wir Juden sind die intelligenteste Rasse. Nehmen Sie einen
«nnen polnischen Juden und einen reichen Schwäbischen Bauern, der Jude
wird Ihnen schliesslich lieber sein. Der verkommenste polnische Jude ist
^n doch ein Jude." Herr de Groussillier macht aber dieser Aeusso-
rang des Herrn Auerbach gegenüber geltend, dass Russland zehn pol-
pische Juden geben möchte für je einen Schwäbischen Bauern. Wie günstig
stechen nicht die Dörfer der Schwäbischen Kolonien gegen die Judendörfer
in ßussland ab. Die Deutschen können sich begeistern für eine Sache,
ine mannhaft kämpfen die Socialdemokraten für ihr Ideal , die Katholiken
Mü Kulturkampf , nur die Juden kennen keine Ideale."
— 13Ö —
Meine Leser werden sich beim Lesen der vorstehende»
Worte die Augen reiben, um den Traum, in welchem sie sieb
zu befinden glauben, zu verscheuchen. Sie werden sich in
eine Welt von lauter Wundern versetzt wähnen und nicht
begreifen können, wie schnell sich in einem Volke, wie dem
unsrigen, eine solche Umkehr auf dem Gebiete der Religion
und Wissenschaft sowie der socialen Anschauungen voll-
ziehen kann. Indessen hatte ich bereits damals, in dem-
selben Theile meiner Abhandlungen, dem die obigen^ Worte
entnommen sind (S. 411), auf eine trostreiche Prophezeihung
des inzwischen verstorbenen hochberühmten Mathematiker»
Hermann Gr^ssmann hingewiesen, der am Schlüsse seiner
interessanten kleinen Schrift: „Die Naturwissenschaft und das
Wunder"^) wörtlich Folgendes bemerkfa^^
„So lange die MateriaKsten rings von christliclAr Sitte und christlichem
Urtheil umgeben sind, ist es für sie nUtelialier, sich der Sitte zu fügen.
Man denke sich dieselben ganz von dieser Verbindung mit dem
Christenthume gelöst und sich selbst überlassen. Dann erst kann. sich.
die Sittenlosigkeit in ihrer ganzen Blosse enthüllen. Aber wir sehen dazu,
den Anfang schon gemacht, indem ganze Schichten der Bevölkerung, m»
z. B. die, welche gewissen BerKner Schmutzblättern ihren Beifall schenken,
sich mit Wollust in dem Pfuhle der Gemeinheit wälzen. Herabgesunkea
sind sie tiefer als die Heiden und Kannibalen, in denen doch wenigstena
noch eine Ahnung des Ewigen dämmert und eine Furcht vor höheren
Mächten ihre sündlichen Werke fesselt. Hier sehen wir den bodenlosen
Abgrund, in welchem der Abfall vom Glauben stufenweise mit Noth-
wendigkeit hinabführt, wenn nicht durch ein Gotteswunder eine
Umkehr bewirkt wird. Darum dürfen wir uns nicht fürchten,
sondern können dessen gewiss sein, dass der Herr alles herr-
lich hinausführen werde!"
Um die hoffnungsvolle Stimmung, welche uns aus den
letzten Worten entgegenweht, harmonisch zu vervollständigen,
erlaube ich mir im Folgenden wörtlich einige Stellen aus der
heutigen Nummer der „Leipziger Nachrichten" (1879, den
1 8. Dec, Beilage) zu reproduciren , welche ein Referat über
einen Vortrag des Herrn Eegierungsrathes Wittgenstein ent-
') „Ueber den Abfall vom Glauben. Mahnungen an die wissen-
schaftlich Gebildeten der Neuzeit von Hermann Grassmann, weiland
Professor am Königl. Marienstiftsgymnasium zu Stettin." Stettin 1878.
Verlag von Otto Brand er. 8". 46. S.
— 137 —
iMuBn;^. sta:;foi^ m. ^£%^
\
\
\
\ \
halten, den derselbe am 16. December im Kaisersaale der \v;
Centralhalle in einer Vereinsversammlung des hiesigen „Con-
servativen Vereins" gehalten hat. Die betreffenden Worte
des Hm. Referenten V. M. sind folgende:
„Ueber den Hauptpunkt der Tagesordnung, das gegenwärtige Inse-
ratenwesen, referirte sodann Herr Kegierungsrath Wittgenstein.
Dem vorliegenden Stoffe, wenig erfreulicher und ziemlich nüchterner Art.
V liege das Inseratenwesen oder richtiger das Inseratenunwesen zu Grunde,
womit' sich zugleich das Reclamewesen verbinde. Ein kurzer Kückblick
auf das Zeitungswesen im Allgemeinen zeige, wie bis zum Jahre 1605 in
Deutschland gar keine regelmässig erscheinende Zeitung bestand, während
1872 die Zahl der Tagesblätter 1743 betrug, eine Ziffer, die gegenüber den
Blättern des Auslandes als bedeutend gelten muss. Die Presse ist bei
uns heutigen Tages die Repräsentantin der öffentlichen Meinung und in-
sofern verdient sie die ihr gewordene Bezeichnung der sechsten Gross-
macht. Doch leidet unsere gegenwärtige Zeitungspresse an zwei grossen " i
Fehlem. Vor Allem ist es die Unpersönlichkeit der meisten Zeitungsartikel. j
Redner glaubt, dass bei Wegfall dieser Einrichtung sehr viele Artikel un"
geschrieben blieben, denn bei dem jetzigen System fällt jede Verant-
wortlichkeit für den Verfasser hinweg. Zum Andern würde das PubKcum
ganz anders urtheilen, wenn es wtisste, wer das Betreffende geschrieben.
Grerade in Bezug auf Reclame, auf Empfehlung schwindelhafter Art ist das
sehr bedenklich, so dass das Publicum nur zu leicht geneigt ist, einen
Artikel von einem Sachkenner verfasst zu glauben, wo es durchaus nicht
der Fall ist. Das Inseratenwesen spielt nun deshalb eine so grosse Rolle,
weil es die Kosten des redactionellen und politischen Theils decken muss. —
Als historisch nicht uninteressante Thatsache flechtet Redner ein, dass in
der Leipziger Zeitung am 3. Januar 1790 die erste Familiennachricht,
1797 die erste Enfcbindungsanzeige und 1816 die erste Verlobungsanzeige
erschienen sei. — Auf die Reclame zurückkommend, müsse bemerkt
werden, dass sie eine Verbündete des Inserats ist, ein Inserat unter er-
schwerenden Umständen. Sie spielt jetzt, sowohl im finanziellen als in-
dustriellen Theile des Zeitungswesens eine ungeheure Rolle. So wenig
nun dagegen einzuwenden ist, dass sich das Publicum für seine Zwecke
(1er Zeitungen bedient, so sehr muss man sich dagegen ereifern, in welcher
schwindelhaften Weise auf die Ausbeutung des Publicum a oft vorgegangen
wird. So sind es hiervon die Börsen- imd Actieninserate , die namentlich
in der Gründerzeit eine grosse Rolle gespielt haben und die vielfach zu
einem höheren Satze, als für gewöhnliche Inserate bestimmt ist, berechnet
werden. Ein Gründer Namens Blach in Wien verausgabte beispielsweise
15,500 Fl. für Inserate. Eine zweite Art, in der das Inseratenwesen
sündigt, ist die Ausbeutung des Publicums zu künstlerischen Zwecken und
Schaustellungen, eine Hülfe, deren sich selbst solche Künstler (wie früher
die Patti) bedienen , die es nicht nöthig haben. Es muss diese Methode
getadelt werden, wenn eine Art Zwang damit verbunden ist. Ebenso
werden die Inserate zu buchhändlerischen Zwecken ausgebeutet. Ein Blatt,
wie die Spener'sche Zeitung, erliess noch 1874 ein Kundschreiben an dlo
Verleger und bat sie um Einsendung ihrer Novitäten bei gleichzeitigex'
Eecension und Aufgabe eines Inserats, für welches sie 25 •/q Eabatt be-
willigte. Eine derartige Aufforderung spricht für sich selber. Bedner geht
mm zu den Inseraten zweifelhafter Art über und bringt eine Blimienleae
von deren Hauptcategorien zur Sprache, von welchen die Unzuchtsliteratur,
Annoncen, die auf eine Prostituirung der Ehe hinzielen, Gummiartikely
Geheimmittel etc. zur öffentlichen Ankündigung bringen, einen hervor-
ragenden Theil bilden. Der Kladderadatsch ist förmlich gespickt mit
solchen Inseraten. — Dann berührt Kedner die Revolverpresse, welche
vorzugsweise in Oesterreich sich festgesetzt und durch die persönliche
Eigenschaften und intime Familienverhältnisse in den öffentlichen Blättern
herumgeschleift werden. Dass die Redactionen mancher Blätter (unsere
Leipziger Blätter machen hiervon eine Ausnahme) sich der Ausbeutui^
.schuldig machen, geht aus den Preisen hervor, die sie sich für die Inae-
rate bezahlen lassen. Es giebt hierfür besondere Tarifsätze. Nächst daeeeft
Reclame giebt es nun eine mindergefährliche, nämhch die, dass höhfif
bezahlte Inserate an bevorzugter Stelle Aufnahme finden , eine eigentUcbe '
Eeclame ist es aber nicht. Dass diese Zustände bereits Aufinerksamk^
erregt ,, beweist eine im Pariser „Constitutionel" enthaltene Schilderung
der Blätter Berlins, wobei gesagt wird: „Das ist das Volk, welches uns
Moral predigt". Es muss nun gegen diese Uebelstände vorgegangen
werden. Der Staat hat die Verpflichtung, gegen die sich in so breiter
Weise Bahn brechenden, das Mark des Volkes vergiftenden Uebelstände
einzuschreiten. Viele Redacteure Berlins seufzen unter der schmachvollen
Dictatur der Expeditionen und des Inseratentheils. Eine zur Zeit des
Hamburger Joumalistentages gefasste Resolution, der Aufnahme von An-
noncen etc., die dem Schwindel Vorschub leisten oder die Schamhaftigkeit
verletzen, zu steuern, hat keinen Erfolg gebracht. Von allen Vorschlägen,
die bei Betrachtung dieses Gegenstandes in Frage kommen, sei der voll-
ständig genügend, wenn eine Bestimmung für das Deutsche Reich erlassen
würde, derart, dass einem Blatt, wenn es durch constante schwindelhafte
und unsittliche Annoncen jeder Art sein Recht verletzt, dieses ihm auch
entzogen werden kann. Diesem Vorschlage einen kräftigen Ausdruck zu
verleihen, solle der Conservative Verein, ähnUch wie e;* es bei der Wucher-
frage gethan, sich dieserhalb mit einer Petition an idtri Reichstag wenden.
In der hierauf folgenden Discussion giebt Herr Professor Kuntze zur
Erwägung, ob man dabei nicht auf Behörden hinweisen oder solche
Organe finden wolle, die mit hoher discretionärer Gewalt über die sittlichen
Angelegenheiten zu wachen und zu urtheilen hätten. Ein uns imbekannt
gebliebener Redner weist hin, wie die Leipziger Blätter (man solle z. B.
nur das Intelligenzblatt lesen) keineswegs bezügüch solcher in Rede
stehender Inserate auszunehmen seien. Er frage an, ob im Strafgesetz-
— 139 —
buche nicht em Paragraph zu finden sei, der bestimmen könne, die un-
sittlichen und betrügerischen Inserate herauszuwerfen und der ihit dem
Zuchthaus bestrafen lasse. Hierauf entgegnet Herr Regierungsrath Wittgen-
stein, dass es in vielen Fällen für den Richter unmöglich sei, das Gezücht,
das sich in den. Blättern breit mache, mit dem Strafgesetzbuche bis in
seine Höhlen zu verfolgen. Es genüge, wenn wir der Reichsgewalt, die
auch die Presse regulirt, anheimgeben, eine CoUegialbehörde einzusetzen,
die das Recht hat, über derartige Inserate abzusprechen. Zum Schlüsse
der Debatte ertheilt die Versammlung dem VorvStande die Befugniss, die
nöthigen Schritte zu thun, lun sich mit andern Vereinen bezüglich der
Inseratenfrage in's Vemelunen zu setzen."
Dem vorstehenden Bericbte erlaube ich mir noch die
folgenden Worte Lassalle's^) über den Journalismus und
die Lohnscbreiberei anzuschliessen. Er sagt:
„Du darfst mir nie mit dem Vorschlage kommen, ich solle durch
Schriftstellerei Geld verdienen. £s pflegt dies gewöhnlich ein Ausweg der
Weiber zu sein, sie haben mir fast Alle gesagt : warum sclireibst Du nicht
mehr nnd machst damit Geld? Ich aber hasse die Prostitution der
Feder; ich würde mich nie dazu erniedrigen. Ich halte sie für verächt-
licher und den Mann melir entwürdigend, als die Prostitution des Körpers;
denn mein Geist ist mir heiliger, als was ihn umgiebt. Also — merk'
wohl! — damit ist's nichts! — Keine Schriftstellerei — vor Allem kein
Journalismus!"
Lassalle wurde im Duell von dem wallachischen
Fürsten v. Kakowitz*) tödtlicb verwundet und seine Gebeine
ruhen auf dem israelitischen Kirchhofe zu Breslau. Der be-
rühmte Berliner Professor Boeckh') hat ihm die folgende
Inschrift auf seinem Grabsteine gewidmet:
j.Hier ruht, was sterblich war von Ferdinand Lassalle,
dem Denker und Kämpfer."
') Meine Beziehungen zu Ferdinand Lassalle. Von Helene v.
Eakowitza geb. v. Dönniges. 5. Aufl. Breslau und Leipzig (Schott-
länder) 1879. S. 103.
*) VgL Näheres über meine Beziehungen zu diesem „ Mohrenprinzen"
der schönen Helene v. Dönniges in meiner Schrift: ,, Zur Aufklärung
des deutschen Volkes u. s. w."
^) Die Deutsche Socialdemokratie. Ilire Geschichte und ihre Lehre von
Franz M eh ring. 2. Aufl. Bremen 187S. S. 55.
Ueber die Pflichten der Collegialität und ihre
sittHchen Voraussetzungen.
Zu den folgenden Betracbtungen bin ich durch eine Mit-
theilung aus Bussland veranlasst worden, welche sich in der
heutigen Nummer des Leipziger Tageblattes (18. Decbr. 1879,
2. Beilage) befindet und wörtlich wie folgt lautet :
„Das Gespenst des Nihilismus scheint in allen Schichten der
russischen Gesellschaft umher zu wandeln. Die Bede, die der Militair-
Gouverneur Graf Totleben an die Militair-Commandanten in Odessa
gehalten, kann als sehr bemerkenswerthes Symptom dafür gelten, dass auch
in der russischen Armee ein revolutionairer Geist herrscht. Nach
dem aus Anlass des glücklich vereitelten Attentats auf den Czar abge-
haltenen Dank-Gottesdienste versammelte nämlich der General-Gouverneur
Graf Totleben sämmtliche Militair-Commandanten des Odessaer Gouver-
nements um sich imd begrüsste sie mit folgender Ansprache:
„Er könne den Geist der Kameradschaft, welcher in der russischen
Armee in so hohem Grade herrsche, nur rühmend anerkennen; allein der
erneuerte unselige Mordanfall auf die geheiligte Person des Kaisers sei
für ihn ein gebieterischer Anlass, den ihm unterstehenden Truppen-
körpem aufs Emstlichste zu empfehlen, dem Begriffe der Kamerad-
schaft nicht eine solche Ausdehnung zugeben, dass unter
deren Deckmantel vielleicht auch dunkle, staatsgefährliche
Handlungen und Intentionen verborgen bleiben könnten.
Er fordere daher alle Versammelten auf, sich gegenseitig zu beobachten
und alles politisch Bedenkliche, das ihnen auffallen sollte imd die Ehre
des Truppenkörpers, dem sie angehören, compromittiren könnte, unge-
säumt zu seiner Kenntniss zu bringen. Er selbst — schloss der Ked-
ner — könne nicht überall sein und Alles wissen, um so mehr und
entschieden müsse er veriangen, von seinen Untergebenen in der Er-
füllung der ihm gestellten Aufgaben redlich unterstützt zu werden."
Diese in ihren einzelnen Pointen scharf betonte Ansprache hat auf die
Angesprochenen selbst "einen sehr getheilten Eindruck gemacht, um so
mehr, als auch ein ziemlich zahlreiches nichtmilitairisches Auditorium
Zeuge dieser charakteristischen Scene gewesen sein soll. Nicht weniger
kennzeichnend ist übrigens der Umstand, dass auch der Civilgouvemeur
— 141 —
von Odessa, Herr v. Paniantin, sämmtliche Journalisten zu sich be-
schied und ihnen in hocherregtem und erbittertem Tone direct den
Vorwurf entgegenschleuderte, dass sie Alle Kevolutionaire
und Verräther an Kaiser und Eeich seien."
Die letzten Worte des Referenten, denen zufolge Hr.
Ton Paniantin behauptet baben soll, dass „alle'' Journa-
listen „Kevolutionaire und Verräther an Kaiser und Reich
seien", betrachte ich vorläufig als einen Beweis für dieselbe
Art von journalistischer Verleumdung, gegen welche sich
Hr. Ernst von Weber in seiner obigen „Erklärung und
Berichtigung" dem Leipziger Tageblatte gegenüber vertheidigt
hatte. Ebensowenig wie Herr v. Weber „alle" Aerzte
und „alle" Vivisectoren für Verbrecher erklärt hat, ebenso-
wenig wird Hr. von Paniantin „alle" Journalisten für
Kevolutionaire und Verräther an Kaiser und Reich erklärt
haben. Dass aber sehr viele unter den Literaten sind,
welche thatsächlich dem Nihilismus und der moralischen
Corruption des Volkes durch ihr schamloses Geschreibsel
Vorschub leisten — gleichgültig ob dies bona oder mala fide,
ohne oder mit Bewusstsein der verhängnissvollen Folgen
geschieht — das ist eine ebenso grosse Wahrheit, wie meine
Behauptung, dass es heute unter deutschen und russischen
Professoren eine ganz ausserordentlich grosse Zahl von Männern
gibt, welche durch ihre Lehren und Beispiele in Worten und
Schriften auf den moralischem Ruin des Volkes bewusst oder
unbewusst hinarbeiten und bewirken, dass die allgemeine
Achtung vor dem gelehrten Stande im Volke sinkt und seine
Autorität untergraben \vird. Was will es denn solchen .Er-
scheinungen gegenüber heissen, wenn 18 medicinische Facul-
täten^) — jedoch ohne Berlin — die folgende „Erklärung"
in den Zeitungen veröffentlichen:
Erklärung.
„In Sachen der freien, der menschlichen Wohlfahrt zu Gute kommen-
den Forschung, zur Abwehr von öffentlichen imd versteckten Angriffen
und zur Orientirung der öffentlichen Meinung sehen sich die unterzeichneten
raedicinischen Facultäten zu nachstehender Erklänmg veranlasst.
^) Vergl. die „Erklärung" jener „Facultäten" in der Post vom
10. März 1879.-
— 142 —
1. Unter „Vivisection" ist ein Versuch am lebenden Thiere za ver-
stehen, der zu wissenschaftlichen Zwecken unternommen wird und bei dessen.
Ausführung eine je nach Umständen. leichte, schwerere oder tödtliche Veiv
wundung des.Thieres nicht zu umgehen ist.
2. Diese „Viviseotionen" sind ein unentbehrliches Mittel der physio-
logischen und pathologischen Forschung und es giebt keinen Theil der
Heilkunde, der aus ihnen nicht schon Nutzen gezogen und auch weiteren
Nutzen zu erwarten hätte.
Unsere Kenntnisse vom Blutkreislauf, von den Functionen des Nerven-
systems, von der Verdauung und vom Stoffwechsel, von der Wundheüung,
von der Wirkung der Arzneien ^ beruhen zum grössten Theü auf Thier-
versuchen, und ebenso kann die Forschung nach dem Wesen der Ejrank-
heiten der Vivisection als Hilfsmittel nicht entbehren.
3. Die physiologischen und pathologischen Institute, gegen welche die
Angriffe zunächst gerichtet sind, weil in ihnen „Vivisectionen" vorgenommen
werden, sind staatliche Anstalten, in welchen von Staatswegen ausser
anderen Unterrichts- und Forschungsmitteln auch die für Vivisectionen
nothwendigen technischen Vorrichtungen bereit gestellt sinji.
4. Wie weit es zulässig sei, bei Vivisectionen auf die Anwendung des *
Chloroforms und ähnlicher Mittel zu verzichten, lässt sich nicht durch
Vorschriften regeln, sondern muss dem Ermessen desjenigen überlassen
bleiben, der den Versuch anstellt. Die in unseren Instituten vorkommenden
Vivisectionen geschehen unter der vollen Verantwortung der vom Staate
autorisirten Vorstände dieser Institute, und ist somit jede mögliche Bürg-
schaft gegen Missbrauch der Vivisection gegeben. '
Im März 1879.
Die medicinischen Facultäten der Universitäten von : Basel. Bern. Bonn.
Dorpat. Erlangen. Freiburg. Graz. Greifswald. Halle. Heidelberg.
Kiel. Königsberg. Leipzig. Marburg. München. Prag. Wien. Zürich."
Sind denn die Vivisectionen von Mensehen in Pisa (vgl.
S. 82) nicht auch von „Staatswegen" und in „staatlichen
Anstalten" vorgenommen worden und zwar mitten in der Zeit
der höchsten Cultur Italiens? Solche Blossen geben sich
öffentlich 18 deutsche medicinische Facultäten, und ver-
langen vom Volke, es soll bei solch zweifelhaften Beweisen
von Verstand und Gefühl, vertrauensvoll „dem Ermessen der
Vivisectoren" überlassen bleiben, „ob das Thier chloroformirt
werde oder nicht?"
Nein, geliebte Landsleute, niemals wird sich der ge-
sund gebliebene Verstand und das gesunde moralische
Gefühl unseres, zu höheren Culturaufgaben berufenen, Volkes
einer so erniedrigenden und demüthigenden Forderung von 18
— 143 —
medicinischen Facultäten geduldig fügen! Es wäre dies der
scblimmste und gefährlichste Gang nach Canosea! Wir dürfen
auch hier getrost auf unsem gesunden Volksgeist vertrauen
and ebenso wie das russische Volk in den folgenden Worten
aus der „Moskauer Zeitung"^) hoffnungsvoll dem Erwachen
dieses Volksgeistes die nächsten Geschicke unseres Vaterlandes
anheimstellen:
„So laDge unser Volksgeist stark und lebendig ist, sind uns weder
innere noch äussere Feinde furchtbar. Diesen Geist müssen wir erwecken
und in demselben das Heilmittel gegen alle unsere Uebel suchen. Dieser
Geist und nur dieser Geist allein kann uns Kraft geben in den Kämpfen
und weise Bathschläge in den inneren Angelegenheiten."
Ueber das Verhalten zur Vivisectionsfrage kann dem
Leipziger Publicum und den Studenten der Universität Leipzig
keine bessere Richtschnur gegeben werden, als sie in den
folgenden Worten des verantwortlichen ßedacteurs des „leiten-
den** ' Leipziger Tageblattes vom 10. März 1879 (No. 69),
enthalten ist. Dieselbe lautet wörtlich wie folgt:
„Vivisection. Die Qualen und Martern, welchen die Thiere durch
die Vivisection ausgesetzt sind, müssen jeden fühlenden Menschen mit Ent-
'l^tzen erföllen und es ist Herrn von Weber aufrichtig dafür zu danken,
dass er diese Angelegenheit in gewandter und beredter Weise vor das
licht der Oeffentlichkeit gezogen hat.
Wir wollen ims nicht ein endgültiges Urtheil anmassen, namonthch
nicht darüber, ob die für die Wissenschaft durchaus erforderliche Noth-
wendigkeit in der bisherigen Praxis überschritten worden ist oder nicht,
allein so viel scheint festzustehen, dass eine Untersuchung imd Kegelung
von Seiten des Staates wünschenswerth ist ; Uefert doch der Umstand, dass
selbst eine Anzahl medicinischer Facultäten es für geboten erachten, eine
Vertheidigung in der Angelegenheit zu erlassen, den besten Beweis für
die Wichtigkeit derselben.
Wir sind deshalb der Ansicht, dass der Streit nicht ruhen darf,
dass er aber dahin geführt werde, wo er allein einen prak-
tischen Erfolg haben wird: vor die Kegierungen, vor die
Ständeversammlungen. Dann wird auch bei weiteren Erörterungen
die gerechtfertigte Betheiligung der Männer der Wissenschaft nicht fehlen.
In England ist — wenn wir nicht irren — die Vivisection verboten."
Dass in der That in England bereits der Volksgeist in
«ehr energischer Weise erwacht ist imd die Regierung unter-
») Vgl. Tageblatt v. 9. Deember 1879.
— 144 —
stützt durch die Initiative der Königin Victoria, zum Erlass
eines die Vivisection beschränkenden Gesetzes veranlasst hat,
ist bereits oben bemerkt worden. Um nun dem deutschen
Volke eine Probe von derjenigen Sprache zu geben, mit
welcher man in England, dem Mutterlande des Parlamenta-
rismus und vorsichtigen parlamentarischen Formen, den Volks-
geist anzureden und zu erwecken versteht, erlaube ich mir
hier die folgenden Worte des Staatsministers für die Colonien,
des patriotischen Lord Carnarvon, anzuführen, mit denen
er bezüglich der Vivisection an das Gewissen des ärztlichen
Standes appellirt. Dieselben lauten^) wie folgt;
„Ich appellire an die Mitglieder des ärztlichen Standes, fiir die Nie-
mand eine höhere Achtung hegt, als ich, ob es nicht für alle unter ihnen,
denen ihr Charakter als Christen und als Gentlemen am Herzen liegt,
endlich an der Zeit sei, jede auch nur stillschweigende Gemeinschaft
mit den Verübem jener vivisec torischen Greuel zu desavouiren, die
schamlosen Thierquäler aus ihrer Gesellschaft auszustossen
und ihre eigene ehrbare Profession von den Schandflecken zu reinigen,
mit denen die Greuelthaten jener sich wissenschaftliche Per scher
nennenden Barbaren sie besudelt haben!"
Sicherlich ist diese Sprache deutlich, nicht minder aber
auch die folgende, mit welcher der erwachende deutsche Volks- '
geist jene „wissenschaftlichen Forscher" bereits zu be-
singen^) anfängt:
j,Quo8 egOj ich will Euch! Sind das mores
Für wohlbestallte Professoresf
Treiben's die Herren Gelehrten so.
Und noch dazu coram populof
Sancta sapientia! Welch ein Benehmen!
Solltet Euch in den Boden schämen!
') Vergl. Wissenschaftliche Abhandlmigen, Bd. 11. 2. S. 1153.
^) Das neue Laienbrevier des HäckeHsmus. IL Theil. Exodus oder
der Auszug des Menschengeschlechtes aus Lemurien. Eine kritisch-analy-
tische Comödie von M. Keymond. Bern und Leipzig 1878. Die obigen
Verse bilden das Vorwort, welches der Verfasser mit folgenden Versen
als Motto geschmückt hat:
„Derb muss ein Vorwort sein;
Als kräftiger Knotenstab
Führ' es den Autor ein,
Und seine Gegner ab."
— 145 —
Ist das £ure Doctorschaft ,^8umma cum laude P*"
Habt's Euch ja recht bequem gemacht!
Weil Ihr selber nie 'was Grosses vollbracht,
Probirt Ihr's nun, in der Mitwelt Meinung
Zu steigen durch des Grossen Verneinung!
Denkt wohl ,Jucundt acii labores^^
Sei so ein Sprüchel für spoliatores.
Und heiss' auf Deutsch : Süss ist es, zu ruhn.
Wenn andere für uns die Arbeit thun!
Ihr Raubgesindel von Hamstern und Wieseln!
Ihr woUt vom Milchtopf der Weisheit die Sahne
Vorwegnehmen für Euch allein
Und alle Andern sollen — Esel sein?!
Nur Eure Doctrin die unfehlbare,
Und alles Andere Schwindelwaare?!"
Im Hinblick auf die vorstehenden Worte wird nun gewiss
mancher meiner verehrten CoUegen mit sittlicher Entrüstung
über eine so unziemliche Sprache gegen Professoren und Ge-
hämiüthe den Einwand erheben, dass weder Lord Carnarvon
noch der Antisemit M. ßeymond^) ein Universitätsprofessor
sei und daher ihre Ausdrucksweise nicht durch jene Kück*
und Vorsichten beschränkt sei, welche die Pflichten der CoUe-
^ialität und des sogenannten Esprit de corps jedem ordent-
lichen Professor an einer deutschen Universität allen übrigen
Professoren und Docenten gegenüber auferlegen. Es müsse
^ine solche Verletzung coUegialer Pflichten von meiner Seite
um so schmerzlicher empfunden und um so nachdrücklicher
getadelt werden, wenn man berücksichtige, dass die deutschen
Universitäten bisher der Stolz unseres Volkes gewesen seien,
80 dass selbst ein so „guter Revolutionär^' und Feind des
Fürsten von Bismarck, wie der cellularpathologische Professor
Virchow, *) vor Kurzem öffentlich erklärt hat:
*) Hr. M. Keymond, der geistvolle Satiriker des Häckelismus, hat
auch in diesem Jahre eine Schrift veröfiFentlicht, welche binnen kurzer
Zeit 4 Auflagen erlebt hat. Sie ist betitelt : „Wo steckt der Mauschel oder
Jüdischer Liberalismus und wissenschaftlicher Pessimismus. Ein offener
Brief an W. Marr." (Leipzig und Bern.)
*) In einer vor Kurzem gehaltenen Tischrede zu Athen. Vgl. Näheres
über diese „Virchow-Feier" im Leipziger Tageblatt v. 22. Mai 1879 und
„Wissenschaftliche Abhandlungen" Bd. ÜL S. 415.
10
— 146 —
„Auch was Fürst Bismarck vollführte, war nichts Anderes als da-^
Kesultat einer Jahrzehnte langen, unaufhörlichen geistigen Arbeit, welch.^
die deutschen Universitäten wie eine theure Erbschaft treuliel^
pflegten und von Geschlecht zu Geschlecht weiter verpflanzten."
Man berücksichtige alsdann femer die schönen Worte,,
mit welchen der beständige Sekretär der Königl. Preussischen '
Akademie der Wissenschaften, der berühmte E. du Bois- j
Beymond, ganz aUgemein die Charaktereigenschaften der
deutschen Professoren, besonders die Mitglieder jener höchsten
wissenschaftlichen Corporation zu Berlin, geschildert hat:
„Wir, die Berliner Universität, eine Versicherung unserer Gesinnung
geben? Wir, deren Leben der Wahrheit, der Freiheit, dem Ewigen
im Wandelbaren gehört, ausdrücklich melden, dass wir die Lüge, di»
Tyrannei, das Gaukelspiel mit allem Hohen, Heiligen ver-
abscheuen? . . . Wir, einst gegründet als geistiges Bollwerk gegen dea
Todfeind des deutschen Idealismus, den ersten Napoleon, die Erklärung
abgeben, dass wir uns auch dem Kampfe gegen den Erben seiner Politik
anschliessen ? . . . Krieg, Krieg, Krieg auf das Messer, Krieg nun aber
auch bis auf den letzten Blutstropfen, bis auf den letzten Thaler gegea
diese wandelnde Lüge . . . gegen dies unsittliche, friedensmörderische Ycdk
d,er Franzosen ! , . . Erwartet man von einem Garderegiment, dass es wm
Ergebenheit betheure? Nun wohl, die Berliner Universität, dem Paläste
des Königs gegenüber einquartirt, ist durch ihre Stiftungsurkunde das-
geistige Leibregiment der Hohenzollern!"^)
Ist es solchen Worten eines „ßegimentscommandeurs^
gegenijLber nicht ein unverantwortlicher Mangel an coUegialem
Pflichtgefühl und Esprit de Corps, wenn ich, der ich mich in
unserem glücklich wieder vereinten Vaterlande auch in Sachsen
als ein Soldat jenes grossen „geistigen Leibregimentes der
Hohenzollern" betrachten muss, einen Ton in meiner Polemik
anschlage, der nur von demjenigen des guten ßevolutionärs
VirchoW' gegen den Fürsten von Bismarck und „dick-
fellige Minister"^) übertrofFen wird?
^) „Ueber den deutschen Krieg. Rede am 3. August 1870 in der Aula
der Königlichen Friedrich -Wilhelm 's -Universität zu Berlin gehalten
von dem zeitigen Rector Emil duBois-Reymond. Berhn (Hirschwald)
1S70. S. 44 und 45.
^) Bismarck äusserte in der Reichstagssitzung vom 9. Februar 1876 :
„Abgehärtete dickfellige Minister sind nicht mein Ideal!" Dieses
geflügelte Wort unseres grossen Kanzlers ist von Dr. GustavSchwetschke
— 147 —
Diese Herzens- und Gewissens&agen meiner verehrten
Collegen im deutschen Keiche erlaube ich mir zunächst mit
dem Hinweis auf die bereits oben (S. 140) angeführten Worte des
russischen Militair-Gouyemenrs Grafen Totleben zu erwidern.
Derselbe machte darauf aufmerksam, dass dem Begriff der
Kameradschaft und Collegialität nicht eine solche Aus-
dehnung zu geben sei, dass unter deren Deckmantel auch
dunkle und staatsgefährliche Handlungen und Intentionen
yerborgen bleiben können. So wenig es mir nun auch jemals
in den Sinn gekommen ist, bei den Yertheidigem der unbe-
schränkten Vivisection an unseren deutschen Universitäten
staatsgefährliche „Intentionen^^ vorauszusetzen, so habe ich
doch in vorliegender Schrift zur Genüge bewiesen, weshalb und
in welchem Sinne ich das Fortbestehen der unbeschränkten Vivi-
section für „staatsgefährlich" halte. Wenn dies aber
meine aufrichtige Ueberzeugung ist, gleichgültig in wie weit
168 mir gelungen ist, dieselbe durch meine Argumente auch
hd meinen Lesern hervorzurufen, so bin ich als deutscher
Patriot und Vaterlandsvertheidiger im „geistigen Leibregimente
der Hohenzollern" durch mein Gewissen verpflichtet, in
Uebereinstimmung mit der militärischen Begriffsbestimmung
des Generals Totleben, „uncollegialisch" zu verfahren
und meine Polemik gegen die unbeschränkte Vivisection nach
Form und Inhalt den moralischen und intellectuellen Qualitäten
meiner „dickfelligen" Collegen anzupassen. Wer aber dennoch
bliesen Argumentationen nicht beipflichten könnte, dem lege ich
dnfach die Frage vor, was mit einem ßegimentscommandeur
geschehen müsste, welcher sich in Gegenwart seiner Kame-
in Halle, dem Dichter der „BismarcMas" und „Varzinias" (Halle 1878)
durch folgende feinnige Verse verewigt worden:
„Der neue Cuvier."
„Dickhäuter (Pachydermen) sind
Nach Cuvier nur fünf, mein Kind!
Es sollen Flusspferd, Nashorn, Schwein,
Der Elephant und Tapir sein.
Doch, was bei Cuvier noch fehlt.
Hat jetzt Herr Bismarck aufgezählt
Als sechstes im Begister:
Dickfellige Minister."
10*
— 148 —
raden verletzende Bemerkungen über die Person des obersi
Kriegsherrn erlaubte, mag dies nun der deutsche Kaij
Wilhelm oder der ruseiache Kaiser Alexander sein?
das coUegiale Zartgefühl meiner Gegner auch in diesem Fi
verlangen, einen solchen Kameraden unbehelligt zu laf
zunml, wenn er eich auf ähnlich gesinnte „Freunde
Berlin'") beruft?
Ebenso wie die Freiheit sind die Pflichten gegen uaeere
Mitmenschen an die Voraussetzungen derjenigen sittlichen
Grundlagen gebunden, auf denen diese Pflichten erwachsen
Bind. Zur Freiheit gehört sittliche lieife und Selbstbeherrschung;
eohwinden in einem Volke diese letzteren Eigenschaften, ao
schwindet auch die Freiheit, gleichgültig ob dieselbe von poU-
tischen und socialen Parteiführern zum Aushängeschild für £e
tyrannische Beherrschung des Volkes benutzt wird, oder ob
die für idealere Zustände bereite gewährten Freiheiten durch
einträchtiges Zusammenwirken eines aufgeklärten Volkes
mit seiner Regierung theilweise wieder aufgehoben werden.
Bereits im zweiten Bande meiner Abhandlungen (2. ThI.
S. 1041 IF.) habe ich mich offen über die sittlichen Grenzen
ausgesprochen, welche den Pflichten der Collegialität durah
die Stimme unseres Gewissens gezogen sind, indem ich mich
auf die folgenden Worte*) Kant's berief:
,J)tts Gewiaaen ist die dem Menaclen in jodom FallD einos GesotsM
seine PfÜcht aum Lossprechen oder Verurtheileu vorhaltende practisehe
Vemnnft. ... — Aus dem Ängefrdirten folgt, dasa em irrendes G©--
wisBon ein Unding seL Denn in dem objettiven Urtheilo, ob etwas
Pflicht sei oder nicht, kann man wohl bisweilen irren; aber im
snbjectiven, ob ich es mit meiner practischen — hier richtenden — ^
Temanft zum Behuf jenes Urtheils verglichen habe, kann ich nicht inrai,
weil ich alsdann practisch gar nicht geuttheilt haben würde; in welchem
Fall weder Irrthum noch Wahrheit statt hat, — Gewiaaenlosigkeit
ist nicht Mangel d^ Gewissens, sondern Hang sich an dessen Urtheil nicht
zu kehren.
Wenn aber Jemand sieh bewi
gehandelt zu hahen, so kann von i
;, nach Ge
e Schuld od
') Vgl. „Wissenschaftliche Abhandlungen"
») Kant'a Werke IX. S. 248.
i. m. Vorrode Ü. LXXV,
.AAY—
— 149 -.-
Die Pflicht ist hier nur, sein GewiÄSfen zu cultiviren, die Aufinerk-
samlreit auf die Stimme des innem Eichters zu schärfen, und alle Mittel
anzuwenden, um ihm Gehör zu verschaffen."
Ebenso, wie jeder Mensch nur mit Hülfe seines eigenen
Verstandes zweckmässig handeln kann, ebenso kann er auch
nur mit seinem eigenen Gewissen moralisch handeln.
Jemand, der sich in seinen Handlungen von dem Verstände
and Gewissen eines Andern leiten lässt, — mag dies nun
ein unsichtbarer, sogenannter „höherer'^ Geist bei spiritistischen
Manifestationen, oder die sogenannte öffentliche Meinung in
Fresse und Parlament, oder der Papst mit sämmtlichen katho-
lischen Heiligen sein, — der verlässt dasjenige Fundament, auf
welchem seine sittliche Selbständigkeit und moralische Ver-
antwortlichkeit gegründet ist.
Mit sittlich und geistig gesunden Menschen spricht
Gott durch die Stimme des Gewissens. Da aber von vielen
I^iilosophen der Schauplatz dieses irdischen Lebens als eine
Besserungsanstalt fiir moralische und geistige Gebrechen
menschlicher Seelen^) bezeichnet worden ist, so werden ver-
muthlich auch die oben erwähnten Veranstaltungen zur theil-
weisen Erzeugung eines blinden Gehorsams im Einklang mit
dem heilsamen Endzweck unseres irdischen Lebens von der
göttlichen Vorsehung benutzt und je nach Bedürfniss mit
neuen Kräften für die erlösungsbedürftige Menschheit aus-
gestattet werden.
Es gilt auch hier das bereits vor Jahren vom Fürsten
von Bismarck ausgesprochene Wort:
„Je länger ich in der Politik arheite, desto geringer wird mein Glaube
an menschliches Eechnen. ... Im übrigen steigert sich bei mir das Ge-
fahl des Dankes für Gottes bisherigen Beistand zu dem Vertrauen, dass
der Herr auch unsere Irrthümerzu unserem Besten zu wenden weiss; das
erfahre ich täglich zu heüsamer Demüthigung." *)
*) Kepler sagt : „De ammis propemodum sentio ut de specuUs, quae
Sol irradiat. Desirdt esse sensitiva, sed non desinit esse, . . . In uno
tarUum lahoro^ quomodo animae impiorum damnari et tarnen esse
possint. Vgl. Opera omnia. (Ed, Frisch,) T, V, p, 345, —
*) Fürst Bismarck. Sein politisches Leben und Wirken urkundlich
in Thatsachen und des Fürsten eigenen Kundgebungen dargestellt von
Ludwig Hahn. (Berlin 1878.) Frster Band. S. 282 fiP.
— 150 —
j^Wenn ich nicht an eine göttliche Ordnung glaubte , welche diese
deutsche Nation zu etwas Gutem und Grossem bestimmt hätte, so würde
ich das Diplomatengewerbe gleich aufgeben oder das Geschäft gar nicht
übernommen haben. Orden und Titel reizen mich nicht."*)
„Wie man ohne Glauben an eine geoflfenbarte Eeligion, an Gott, der
das Gute will, an einen höheren Richter und ein zukünftiges Leben
zusammenleben kann in geordneter Weise, — das Seine t hu n und Jedem
das Seine lassen, begreife ich nicht."
„Wenn ich nicht mehr Christ wäre, bliebe ich keine Stunde mehr
auf meinem Posten. Wenn ich nicht auf meinen Gott rechnete, so gäbe
ich gewiss nichts auf irdische Herren. Ich hätte ja zu leben und wäre
vornehm genug. Warum soll ich mich angreifen und unverdrossen arbeiten
in dieser Welt, mich Verlegenheiten und Yerdriesslichkeiten aussetzen,
wenn ich nicht das Gefühl habe, Gottes wegen meine Schuldigkeit thun
zu müssen."/
„Als Gottes Willen kann ich aber nur erkennen, was in
den christlichen Evangelien offenbart worden ist, und ich
glaube in meinem Rechte zu sein, wenn ich einen solchen
Staat einen christlichen nenne, welcher sich die Aufgabe ge-
stellt hat, die Lehre des Christenthums zu verwirklichen.
Erkennt man die religiöse Grundlage des Staates überhaupt an, so kann^
glaube ich, diese Grundlage nur das Christenthum sein."
„Ich habe die Standhaftigkoit, die ich zehn Jahre lang
andenTTag gelegt habe, gegen alle möglichen Absurditäten
nur aus meinem entschlossenen Glauben."
Das Gewissen ist unter allen Umständen ein auto-
nomer Gesetzgeber in unserm Innern; es erkennt keinen
höheren Richter über sich an. Wenn also selbst die ganze
Welt, d. h. die gegenwärtig lebende Generation, meine
Handlungsweise verdammte, während mir die Stimme meines
Gewissens dieselbe gebietet, so würde mich jenes Ver-
dammungsurtheil auch nicht einen Augenblick beirren oder
beunruhigen können. Ich würde vielmehr meine Hoffnung
auf die kommenden Generationen setzen und mich über die
Gegenwart mit dem Bewusstsein trösten, dass die verbreche-
rischen Mordanschläge auf das Leben unseres Kaisers und
seines grossen Staatsmannes Bismarck, sowie die Schwindel-,
Gründer- und Verleumder - Aera den empirischen Beweis ge-
liefert haben, wie die gegenwärtig lebende Generation die
„Pflicht" vergessen hat:
^) Graf Bismarck und seine Leute von Busch. I. S. 209 und 210.
— 151 —
yfiiT Gewissen zu cultiviren, die Aufmerksamkeit auf die Stimme des
iiiiieren Eichters zu schärfen, und alle Mittel anzuwenden, um ihm Gehör
2u verschaffen."
Luther hat im Bewusstsein eines guten Gewissens diesem
Tröste durch folgende Worte Ausdruck verliehen:
„Und wenn die Welt voll Teufel war
Und woUt'-uns gar verschlingen,
So fürchten wir uns nicht so sehr;
Es soll uns doch gelingen!"
Die Stimme des Gewissens gibt uns aber nicht nur beim
Beginn und der Ausführung einer Handlung die unerschütter-
liche Gewähr für ihre moralische Nothwendigkeit, sondern sie
gibt uns auch nach vollbrachter That ein empirisches Krite-
rium fiir die Zweckmässigkeit derselben in dem Bewusstsein
eines ruhigen und guten Gewissens. Wende ich nun diese
Prüfung auf mich selbst an, indem ich mich frage , ob mir
[ während der 8 Jahre , die seit der Veröffentlichung meines
Cometenbuches verflossen sind, auch nur ein einziges Mal
Gewissensscrupel über meine persönliche Polemik entstanden
sind, so muss ich diese Frage vor Gott und der Welt auf das
Entschiedenste verneinen. Im Gegentheil, wenn ich mir vor-
stelle, ich hätte dies Buch noch nicht geschrieben oder ich sei
durch „den Staatsanwalt" oder „die Zelle im Irrenhause "^)
an seiner Herausgabe verhindert worden, so überschleicht mich
eine solche BetrübnisSi dass ich schnell und gerne meine
Phantasie wieder mit anderen Bildern beschäftige.
Bezüglich meiner Auffassung von den Pflichten der Colle-
gialität erlaube ich mir kurz zu bemerken, dass ich zwischen
Collegialität in formaler Beziehung und CoUegialität in
moralischer, intellectueller und socialer Hinsicht unterscheide.
Formell ist selbstverständlich jeder Docent an einer deutschen
Universität mein College; die mir hieraus erwachsenden
Pflichten beschränken sich im Wesentlichen nur auf die Worte
„verehrter" oder „lieber Herr College" bei der Begrüssung
und Anrede. Von diesen formellen CoUegen betrachte ich
jedoch moralisch nur diejenigen als meine CoUegen, welche
sich nicht gegen mich oder andere ehrliche Menschen grobe
^) Vgl. oben Seite 48.
-- 152 —
VerBtÖBse gegen die Pflichten der Moral haben zu Schd
kommen lassen. Ich kann also z. B. meine formellen CoUei
E, du Boia-Reymond und C. Ludwig nicht mehr moi^
lisch als meine CoUegen betrachten, nachdem sie sich dm
Intrigue, VerleumduDg und verletzende Demonstrationen gei
mich und meine Freunde ausserhalb der Gesetze der Mol
gestellt haben, auf Grund deren allein die sittlichen Vp
pflichtungen zwischen Menschen erwachsen sind und fa|
bestehen können.
Intellectuell kann ich nur diejenigen als meine Colla
betrachten, welche sich nicht öffentlich literarische BlöelJ
von solcher Grösse und Bedeutung gegeben haben, dass I
aus auf eine individuelle Verkümmerung der einfachsten Dei
gesetze geschlossen werden muas. So bin ich z. B. zu meinj
Bedauern nicht mehr im Stande, Hm. Professor Wud
intellectuell als meinen CoUegen zu betrachten. Dennf
hat sich in seinem offenen Briefe an Professor Ulrii
int eil ectu eile Schwachheiten zu Schulden kommen lassen,
jeder Naturforscher bei ihm auf ein Vergessen der fundam
talen Principien achlicssen muss, auf denen sich die Naöj
Wissenschaften bisher entwickelt haben und gross geword
sind. Denn Hr. Helmholtz, der Lehrer Wundt'a, behaiq
mit Recht, „dass die strenge Disciplin der inductiveu Methoi
das treue Festhalten an den Thatsachen der Bed
achtung die Naturwiasenac haften gross gemacht faabe'N
Es ist daher eine der grÖssten Verletzungen dieses einfach^
und bisher allgemein anerkannten Salzes, wenn Hr. Professor
Wundt öffentlich Thatsachen der Beobachtung als
unmögliche verurtheilt, welche er seiher gar nicht gesehen
hat und deren Beobachtung er principiell ablehnt, trolzdem
dieselben von Männern verbürgt sind, denen er selber das
Prädicat von „ausgezeichneten Nalurforscbem von unanfecht-
barer Glaubwürdigkeit" beilegt. Hr. Dr. Lewy (vgl, S. 93)
vürde Hrn. Professor Wuodt auf Grund solcher Behaup-
tungen und der hieraus gezogenen Folgerung, meine Freunde
') Vgl Holmholtz in der Vorreiie zum
Physik von Thomson und Tait" 8. XIV.
,HandbMc})i' der thcorotiBohen
J
— 153 —
^1 vnd ich wären ,,ziir Entdeckung gelangt, dass die Causa-
lität ein Loch habe*'^), ohne Zweifel' als ein Opfer des
säcolaren Grössenwahns betrachten und ihm als Heilmittel den
Beweis zu liefern suchen, dass bei ihm nicht die Causalität^
sondern einzig und allein sein Verstand ein oder mehrere
Löcher habe.
Eben so wenig bin ich im Stände, Hm. Professor Tyndall,
den Freund von Helmholtz und Carl Vogt, intellec-
tuell als meinen CoUegen zu betrachten, nachdem ich bereits
:Vor 8 Jahren gelegentlich einer Kritik seiner „aktinischen^^
Cometen-Theorie öffentlich mit ihm eine sehr belehrende „psy-
chologische Vivisection" vorgenommen habe.*) Ich zeigte
bereits damals, dass das schleichende Gift der gelehrten Eitel-
keit verschiedene Löcher in Hm. Tyndall's Verstand ge-
fressen habe und war nicht im Stande, ihm für den ferneren
Verlauf seiner Krankheit eine günstige Prognose zu stellen.
Zum Beweise, dass ich mich nicht getäuscht habe und in
Folge einer langjährigen psychiatrischen Praxis meinen Prog-
nosen ein gewisses Vertrauen schenken darf, erlaube ich mir
Folgendes mitzutheilen.
Hr. Tyndall hat sich vor einigen Jahren entschlossen,
als 57 jähriger Junggeselle in den heiligen Stand der Ehe
zu treten. Das Opfer seiner glühenden Liebe war eine Lady
Hamilton, eine reichbegüterte Dame aus der höchsten eng-
lischen Aristokratie. Ich vermag nicht mit Bestimmtheit zu be-
haupten, ob die glückliche oder unglückliche Gattin des Hm. Ty n-
dftUaus jener excentrischen Familie der Hamiltons stammt,
aus welcher der Erbprinz Albert von Monaco sich gleich-
falls eine Gattin erkoren hat, mit der er gegenwärtig in Schei-
dung liegt.*) Soviel steht jedoch fest, dass Lady Tyndall
*) Vgl. „Der Spiritismuk Eine sogenannte wissenschaftliche Frage.
Offener Brief an Herrn Pro^Dr. Hermann Ulrici in Halle von W.
Wundt, Professor in Leipzigm — Leipzig, Verlag von Wilhelm Engel-
mann. 1879. S. 13. ^
*) Vgl. mein Buch „über dÄNatur der Cometen." 1872. 2. Auflage.
(Leipzig bei Engelmann.) '
•) Die „Post" vom 13. Juni 1879 berichtet in einer Privatcorrespondenz
aus Born vom S. Juli wörtlich Folgendes: „Es handelt sich um ein Be-
f-VP fR'¥^V or^^xr:"--- ^^-v.^rTvijtnxv
J^i^S^ UDrihiil^ wfi-uiiu-.U ^.f..>.wi\>J\\ ^
— 154 —
geborne Hamilton die Tochter eines Lords ist und, wie uiir
Freunde Tyndall's versichert haben, eine Verwandte des
Vicekönigs von Irland. Hr. Tyndall hielt die Poesie seiner
schriftlichen Brautbewerbung für alle Darwinianer und Mate-
rialisten als ein Muster. Wie immer generös und genial, hat
er daher dem Wortlaute seines Briefes durch die Zeitungen
^ine möglichst grosse Verbreitung gegeben, um sich ebenso als
Briefsteller für liebende Materialisten wie als populärer Physiker
unsterblichen Buhm zu erwerben.
Derselbe lautet in deutscher üebersetzung wörtlich wie folgt:
An Lady Hamilton.
„ Zuckersüsses Conglomerat von Protoplasma!
Anbetungswürdige Combination von Materie und Kraft! Seltenstes
Product unendlicher Zeitalter der Entwickelung! Der leuchtende Aether
entspricht den Strahlen des Lichtes nicht mehr, als meine Nervencentra
dem mystischen Einflüsse, der aus der Photosphäre Deines Antlitzes
hervorbricht. Wie das heliocentrische System aus dem uranfänglichen
Chaos entwickelt wurde durch die Wirkungen des unerbittlichen Gre-
setzes, so wird jene Verdünnung von Materie, welche die Menschen
meine Seele nennen, aus ihrer tiefen Verzweiflung erhoben durch den
aus Deinen Augen hervorbrechenden Lichtglanz. Lass Dich herab, o
bewunderungswürdiges Geschöpf, jene Anziehung zu beobachten, welche
gehren nach Scheidung und Auflösung der Ehe zwischen dem Erbprinzen
Albert und der Erbprinzessin Marie von Monaco. Um die Angelegen-
heit interessiren sich einige gekrönte Häupter, denn der Erbprinz von
Monaco entstammt bekanntlich einer uralten Pamilie der Grimaldi, welche
mehrere Dogen der venetianischen Eepublik zählt, und bereits seit dem
Jahre 968 in Monaco herrscht, und er ist mit nicht wenigen Fürsten ver-
wandt, während die Erbprinzessin Marie wieder ihrerseits mit der Königin
von England verwandt und die Nichte Lord William Douglas Hamil-
ton 's, des zwölften Herzogs von Hamilton, erstem Pair von Schottland
und Mitglied des Oberhauses ist. Die Erbprinzessin nun hat die Nichtig-
keitserklärung ihrer Ehe verlangt, welches Begehren sie durch die
Angabe begründet, dass sie nicht frei in ihrer Willensäusse-
rung gewesen sei, als sie dieselbe einging. Die beiden Ehegatten
haben sich alle möglichen Grobheiten an den Kopf geworfen,
imd in den Vertheidigungsschriften ihrer Advocaten findet sich eine An-
zahl der skandalösesten Vorfälle aufgezählt." — Armer Tyndall,
wehe, dreimal wehe über dich, wenn auch Deine Gattin aus dem bewussten
Hause Hamilton stammt und „nicht frei in ihrer Willensäusscning ge-
wesen ist, als sie die Ehe mit Dir einging.**
— 155 —
mich zu Dir zieht mit einer Ejraft, welche dem Quadrate der Entfernung
umgekehrt proportional ist. Willige ein, dass wir als Doppelsonnen
concentrische Kreise um einander beschreiben, welche einander an allen
Punkten ihrer Peripherie berühren können.
Dein
ganz zu eigen ergebener
John Tyndall/**)
Wenn der vorstehende Brief, dessen Echtheit mir bezüg-
lich seines Autors bereits vor zwei Jahren auf Grund einer
schriftlichen Anfrage in London bestätigt worden ist, Herrn
E. du Bois-Beymond und dem Psychiatriker Dr. Lewy
f in Wien zur Begutachtung der geistigen Gesundheit des Brief-
stellers vorgelegt würde» so erhielten wir jedenfalls zwei ganz
verschiedene Urtheile. Während Dr. Lewy ohne Zweifel
Hrn. Tyndall für ,,krank" erklären würde» mit vielleicht
grosserem Kechte als mich sein Freund und Vertheidiger
Heimholtz vor 8 Jahren wegen meines Cometenbuches, so
würde dagegen Hr. E. du Bois-Beymond in begeistertes
Lob über Hrn. Tyndall ausbrechen und ihn den Deutschen
als glänzendes Muster hinstellen, wie man es anzufangen habe,
Tim nicht wie die deutschen Naturforscher „im Schlafrock vor
£e Oeffentlichkeit zu treten", sondern wie Hr. Tyndall vor
säne Geliebte im Frack mit weisser Binde und Glacehand-
schuhen. Hr. E. du Bois-Beymond würde in Hrn. Tyn-
dall einen nahen Geistesverwandten erblicken, der in dem
obigen Briefe einen schönen Beweis für den seit langen Jahren
ngespmchsweise" behaupteten Satz E. du Bois-Beymond's
liefert, „dass wir die geistigen Vorgänge aus ihren mate-
riellen Bedingungen ni.e begreifen werden". In der That hat
ja auch bereits Hr. E. du Bois-Beymond Hrn. Tyndall
Weihrauch fiir seine „gewohnte Meisterschaft in glänzender
Darstellung'^ gestreut, indem er in seiner Bede „über die Grenzen
des Naturerkennens^' auf der 45. Versammlung deutscher Natur-
forscher und Aerzte zu Leipzig am 14. August 1872 wört-
lich') Folgendes sagte:
I *) Den Originaltext des obigen Briefes mit ausführlicher Angabe
Inemer Quellen habe ich bereits vor 2 Jahren im ersten Bande meiner
I ^Wissenschaftlichen Abhandlungen'^ S. 164 mitget heilt.
I «) Vgl. die gedniclrte Eede 2. Aufl. S. 89.
— 156 -
.J)eD Her von mir ontwickelten Beweis, daäs wir die geistigen t
gänge aus ihren materiellen Bedingungen nio bfgroifon u-erden, habe ich
seit Jahren in meinen öffenUichun Vorlesungen „„über einige E^ebna»
der neueren Naturforschung" " votgetragen und auch gesprächsweise mit-
getheüt Mein Freund, Herr Tjndall, iiat bereits davon ii
bei £r5ffiiang der matlieniatisch-pb;sil:aliseben Abtbeilung der BritisdiD
Naturforscher-Veraammlong in Norwich im .Tabro 1S68 mit geivoluter
Meisterschaft eine glänzende Durstelliing gegeben."
Es ist nun für die psychologische Analyse der maleris-
liatischea Liebeaempfindungeo, welchen Hr. Professor Tyndal!
als 56jähriger Adokscens seinem obigen Bewerbungsschreiben
an Lady Hamilton „mit gewohnter Meisierachaft eine
Bo glänzende Darstellung" verliehen hat, von höchstem Inter
esse zu constatiren, dasa Hr. Tyndall gerade während seines
Liebes frühlings, im Sommer 1875, öffentlich erklärt hat, iass
eine Beschränkung der experimentellen Vivisection „dES
grösate Unglück wäre, welches die Menschheit betreffen
könnte". Hr. Tyndall erklärt nämlich wörtlich:
„Eins Dante, nelehe durch ilire Fhilantbropie berülunt geworden
sagte mir eines Tages, die Wissenscbaft werde unmoralisch; die ÜIlts^
sucbimgen seien früher angestellt werden ebne, wie heute, grauaanie Up
tboden zu benütliigen. Ich antwortete ihr, dass die Wissenschaft Keplei'l
und N'ewton's, auf welche sie anspielte, die Eriorschung der Geutu
der anorganischen Natur «um Zwecke gehabt habe, dass al)er in der jetogM
Zfflt die wesentlichsten Fortschritte der Wigaenschaft in der 1
der Wisaenscbaft vom Leben gemacht würden, und dass die wiasensd)^
lieben Unteisucbungen , welche in dieser Kichtung, wenn auch i
Preis einiger augenblicklieber (?!!!) Leiden gemacht würden, sehlieMhch
tausend Mal nülaliehor sein würden, als die früher angestellten Unter-
suchungen." ')
Und wessen Lob hat Hr. Tyndall für diese Worte ge-
erntet? Vielleicht dasjenige seiner angebeteten Braut, sänea
„zuckersüssen Protop lasm a's ? — Mit nichten. Herr Karl
Vogt, der Materialist wie er sein aoU und muss, widmet ihm
folgende anerkennende Worte:
„Ausserhalb der CcmmisBion ist es bis jetzt nur Einer gewesen, «In
den Muth gehabt hat, dem ganzen Couvolut von Ffaffenthum, ünwisBHi-
') Die obigen Worte stod Einem Aufsalie \m Karl Vogt in Ovt
entnommen, betitelt ,J3n frommer Angriff auf die Wisaensebaft" in ,^aid
und Süd". Eine deutsche Munatsschrift. Mai 1677. Ü. 245.
— 157 —
jieit, Verdrehtheit und Verkehrtheit mit dem richtigen Worte entgegen
m treten. Dieser Eine aber ist Tyndall. In einem kürzlich zu Glas-
gow abgehaltenen öffentlichen Vortrage über Gährung imd ihre Beziehung
in den Krankheiten drückt sich der berühmte Physiker folgendermassen
«118: ... . (folgen u. A. die bereits oben erwähnten Worte).
Hr. Karl Vogt fährt nach Beendigung seiner lieber-
Setzung des TyndalTschen Vortrags fort:
,,Man mnss den Mnth anerkennen, mit welchem hier Hr. Tyndall,
der Physiker, der persönlich in keiner Weise von dem Streite bertihrt ist,
iör das Becht und die Pflicht der Wissenschaft eintritt Tyndall sagt
übrigens nur mit anderen Worten, was Hermann in seiner Broschüre
mit gesperrter Schrift über das jetzt in England gültige Gesetz ausruft:
Man wird die geschenkten Thierleben mit Menschenleben
bezahlen."
Nun ich erwarte von der Ehrlichkeit des Herrn Karl
Vogt, dass er auch mir seine Anerkennung für meinen Muth
nicht versagen wird, mit welchem ich gegen die Vivisection
und für das Becht und die Pflicht der Wissenschaft eintrete,
trotzdem ich ebenso wie Hr. Tyndall persönlich in keiner
Weise von dem Streite berührt werde; denn auch ich kann wie
dieser in seiner oben erwähnten Bede von mir behaupten,
„glücklicherweise sind meine Arbeiten nicht der Art, dass ich dabei
Thiere zu misshandeln hätte.^^
Ob aber einem Manne, der wie Hr. Tyndall den obigen
liebesbrief in Zeitungen veröffentlicht, der um dieselbe
Zdt in einer andern Bede öffentlich das Bekenntniss
abgelegt hat, dass er „zuweilen schwache Stunden** habe^) —
ich sage, ob irgend eine Begierung, welche dem Volke und
der heranwachsenden Generation von Aerzten gegenüber sich
moralisch verpflichtet fühlt, die Entscheidung in dieser Frage
Männern wie Hm. Tyndall, Karl Vogt, £. du Bois-
Beymond, C. Ludwig, Cyon, und wie alle die andern
„Männer der Wissenschaft** mit „verdunkeltem Verstände**
heissen mögen, überlassen soll, — diese Frage mag Hr. Karl
Vogt selber, womöglich öffentlich, beantworten. Denn ich
halte sowohl die körperliche als geistige Constitution Karl
*) „Eeligion und WisfiUnschaft". Rede vor der British Association zu
Beifort von John TyndalL Autorisirte deutsche Uebersetzung. Ham-
btirg 1874. (Karl Grädener.)
— 158 —
Vogt's auch heute noch für eine so „kannibalisch wohle**,
dass er selber einsehen wird, wie sehr er mit seinem begei-
sterten Lobe Tyndall's wegen dessen Vertheidigung der Vivir
section „hineingefallen^^ ist. Denn er braucht nur als Co;
mentar des obigen Liebesbriefes die folgenden Worte TyndalFs
in seiner vorher citirten Eede zu berücksichtigen:
„Es erweist sich ja aus den Schriften christlicher Männer, dass sie
ihre schwachen und zw eifely ollen Stunden hahen, ebenso wie ihi©
starken und glaubensvollen; und solche Leute, wie ich einer bin,
haben in ihrer eigenen Weise an diesen Schwankungen der Stimmung und
Zeit auch Antheü." „Wie nun einmal die Sache liegt, habe ich während
jahrelanger Selbstbeobachtung bemerkt, dass diese Lehre (der „materiali-
stische Atheismus") in klaren und kraftvollen Stunden meinem Veiv
stände nicht annehmbar erscheint, dass sie, wenn stärkeres und
gesünderes Denken sich einstellt, sich stets verflüchtigt und ver-
schwindet, weü sie eben keine Lösung des Greheimnisses bietet, in dem
wir leben und von dem wir einen Theü ausmachen.*' (S. 5 a. a. O.)
Was sagt denn nun Hr. Karl Vogt zu diesen Worten
seines Schützlings? Er hätte doch mindestens die Pflicht ge-
habt, bevor er das Loblied auf Hm. Professor Tyndall's
„Muth" in der „deutschen Monatsschrift Nord und Süd**
(Mai 1877) anstinmite, bei diesem berühmten Physiker anzu-
fragen, ob er sich in einer „schwachen und zweifelvollen"
oder in einer „kraftvollen Stunde" befunden habe, als er „den
Muth gehabt hat, dem ganzen Convolut von Pfaffenthom,
Unwissenheit, Verdrehtheit und Verkehrtheit mit dem richtigen
Worte entgegen zu treten."
Um Hm. Karl Vogt zu beweisen, dass ein „katholischer
Pfaffe", sogar ein „Abb^" ganz andere, und meiner Ansicht
nach weit wahrscheinlichere, Hoffnungen an die obigen Worte
Tyndall's geknüpft hat, erlaube ich mir, ihm hier die Worte
Abb^ Moigno's anzuführen, — bekanntlich eines sehr gelehrten
französischen Physikers in Paris, der allen Naturforschem
als langjähriger Eedacteur des „Cosmos" und „Les Mondes"
bekannt ist Auf Herrn TyndalTs Geständniss von „schwa-
chen Stunden" Bezug nehmend, sagt Hr. Abbe Moigno^)
in der unten citirten Kritik jener Worte :
j
3
^) „1/6« Mondes, R^vue hebdomadcdre des Sciences par M, V Alibi
Moigno, Deuxihne S4rie, 12, Annee, — Tome XXXV, — No, 9 — 10^
— 159 —
,^ieses Greständniss ist für mich ein tröstliches, denn ich gebe die
Eohmg nicht auf, eines Tages in Hrn. Tyndall einen aufrichtigen und
glüiieDden Gläubigen wieder zu finden. £r besitzt eine hinreichend grosse
und starke Seele , um zum Eatholicismus, den er in hohem Masse respec-
tfft, überzutreten. Uebrigens glaube ich mich zu erinnern, dass ein
frommer katholischer Bischof ihn bei seinen ersten Arbeiten aufmunterte
und ihm die Apparate verschaffte, mit deren Hülfe er seine ersten Original-
Untersachungen nach seiner Etickkehr aus Deutschland angestellt hat. —
Er möge mir aber gestatten hinzuzufügen , dass jenes Geständniss ihn zu-
gleich verdammt. Er durfte nicht eine Stunde der Schwachheit und
les Zweifels wählen , um vor einem so grossen Auditorium zu erscheinen,
im die vorübergehende Schwäche oder Nacktheit seines Geistes öffent-
ich an den Pranger zu stellen."
.^ ist das Non plus uUra von Verwegenheit , es ist , wie ich wider
adnen Willen genöthigt bin zu erklären, ein Delirium, welches in ganz
ÜDgland das schmerzlichste Erstaunen erregt hat."
Hr. Prof. Karl Vogt wird durch diese Worte eines „katho-
ischen Pfaffen" über Hm, Tyndall's „Delirium" vielleicht
n seine eigenen „Delirien" erinnert, in denen er mit einer
Vechheit ohne Gleichen als „deutscher Demokrat und Volks-
eglücker" unserem Volke die moralischen Schätze geraubt hat,
eiche unsere Vorfahren im Glauben an die christliche Offen-
arung besessen und mit ihrem theuersten Herzblut Jahr-
onderte hindurch erkämpft und vertheidigt hatten. Solche
laterialistischen Volksbeglücker ziehen es vor, ihren Patriotis-
ms dadurch zu beweisen, dass sie ihr Vaterland verlassen,
ach Genf in die Stadt des braunschweigischen Millionen-
lerzogs übersiedeln, um dort mit dem Prinzen Napoleon
ind James Fazy Weltbeglückungspläne zu berathen und
em freien Volke der Schweiz zu beweisen, wie man nach
Ilen Kegeln des Materialismus die Praxis der Volksbeglückung
u betreiben habe. An Geld fehlt's nicht, wofern es nur ge-
ngt, das Volk hinreichend in Dummheit zu erhalten, um ihm
i „deutschen Monatsschriften" mit der gewohnten An-
aassung Mährchen aufbinden zu können.
l Octobre et ö. ,N<yoembre 1874. p. 32ö. — Der französische Originaltext
bereits ausführüch im ersten Bande meiner „Wissenschaftlichen Ab-
idlungen" S. 166 ff. reproducirt. Ich erlaube mir dies besonders Hm.
rl Vogt gegenüber zu bemerken, der als „deutscher Patriot" heute
leicht lieber und geläufiger Französisch spricht.
— 160 —
Dass Hr. Karl Vogt kein gering zu schätzender G
sei, zumal wenn er auf seine langjährigen treuen Bunc
nossen, auf die Kohheit und Dummheit einer „achtungj
tenden Majorität" im „Volke der Denker" sicher zählen dar!
Niemand in Abrede stellen. Auch darin werden mir all
jenigen beistimmen, welche eine sittliche und christliche W
geburt des deutschen Volkes für nothwendig halten,
solche Männer wie Karl Vogt und Consorten nachdrüi
bekämpft werden müssen, zumal wenn sie sich mit
Weisheit in einer „deutschen Monatsschrift" für unsere
bildeten" brüsten.
Um nun allen meinen anständigen Lesern sowohl
CoUegen als im Volke selber ein Urtheil darüber zu verscl
welchen „Ton"^) man Männern vom Schlage Karl V
und den von ihm vertheidigten Vivisectoren gegenüber
schlagen habe, erlaube ich mir hier eine kleine Blum«
aus seinem erwähnten Aufsatze: „Ein frommer An
auf die heutige Wissenschaft" wörtlich mitzuthei
„Dass wir Naturforscher ganz besonders friedfertige Leute seien,
wir zwar nicht behaupten. Diese Friedfertigkeit wäre auch kai
Platze, denn unsere Sehnsucht nach dem Eeiche Gottes, das ja den
fertigen allein angehört, ist nicht so übermächtig, um ims darübe
Andere vergessen zu machen." (S. 226.)
„John Bull an und für sich wäre nicht sehr gefahrlich, abe
sich seine Schwägerin, die alte Jungfer Miss Threadneedle Sn(
ihren Schoosshündchen und Hauskatzen in die Sache mischt, so
die Dinge sehr unangenehm werden. Denn sie haben Geld, heider
viel Geld, diese alten Jungfern, und ihr Gefolge von Augendrehem,
träppelem und frommen Keverends aller mögüchen Secten hat Z(
Spürkraft genug, um überall umher zu schnüffeln und dem gotl
Gruseln, dessen die guten Leute nicht entbehren können, stets neu
rung zu verschaffen. Früher wurden die Gläubigen nur mit den
^) Ln Jahre 1873, zwei Jahre nach dem Erscheinen meines Buche
die Natur der Cometen" , in welchem ich mein Orchester bereits ai
„guten Ton" gestimmt hatte, wurde mir von Berlin aus eine stude
Bierzeitung zugesandt, die auf eipem Commers zur Feier der 400 ji
Wiederkehr des Geburtstages von Kopernicus vertheilt worden wa
selbe enthielt unter anderen Scherzen auch den folgenden:
jJPrage : Wie viel Schwingungen gehören zum sogenannten gute
Antwort: Man frage bei Herrn Professor Zöllner in Leipzig
— 161 —
t^ualen im Fegfeuer und in der Hölle erschreckt — jetzt erh< man sie
in heilsamem Jammergefühl durch die Ausmalung der fürchterlichen Tor-
turen, welche gottlose Professoren an den thierischen Freunden der Mensch-
heit, an den lieben Hündlein und den sanften Kätzchen ausühen/' (8. 226.)
„Unschuldige Thiere werden gemartert, unschuldiges Blut vergossen —
der Frevel schreit zum Himmel!
Entkleiden wir die Frage dieser Gefühlsduselei, ') die gänzlich hei Seite
gelassen wird, sobald es sich um den eigenen Vortheil handelt." (S. 22S.)
„Welche Scheusale von Grausamkeit sind doch diese Siebold,
Küchenmeister, Leuckart, Pagenstecher, Virchow und wi<»
sie Alle heissen mögen, die Schweine und Kaninchen, Hunde und Schafo
mit Trichinen, Bandwürmern und Ijeberegeln inficifton! Konnte sich die
Menschheit nicht an dem Mosaischen Verbote des Schweinefleisches genügen
lassen und durch den Abscheu vor dem unreinen Thier sich zugleich die
Trichinose vom Halse halten? Aber nein!
„Gegen alle diese Versuche finden unsere Frommen kein Wort, denn
sie wollen als gute Christen gern rohe Schinken und Würste essen, ohne
dabei befürchten zu müssen, sich selber das Gericht in Gestalt einer
Tiichinenkrankheit auf den Hals zu laden nach dem biblischen Spruche:
Wer es unwürdig isset und trinket, der isset und trinket sich selber sein
Gericht." (S. 232.)
Wie man aus den letzten Worten sieht, ist der ehemaligi'
<leut8che Professor Karl Vogt in Genf auch in der Bibel
bewandert. Er spielt auf die Einsetzung des heiligen Abend-
mahles durch den Stifter unserer Religion an, auf die Worte
im Neuen Testament 1. Corinther 11. Vers 27 — 29, wo es
wörtlich heisst:
„Welcher nun unwürdig von diesem Brodt isset, oder von dem Kelcli
des Herrn trinket, der ist schuldig an dem liCibe und Blute des Herrn."
„Denn welcher unwürdig isset und trinket, der isset und trinket ihm
selber das Gericht, damit, dass er nicht unte'rscheidet den Leib des Herrn."
Dass bei Herrn Karl Vogt das Unterscheidungs vermögen
bezüglich des „Leibes des Herrn" soweit vernichtet ist, dass
^r in seinen obigen Worten diesen Leib mit demjenigen eines
trichinöseq Schweines vergleicht, wird für denjenigen nichts
Ueberraschendes haben, der die Schamlosigkeit dieses ehe-
*) Ein lieblingswort des verantwortlichen Redacteurs des „Leipziger
Tageblattes" bei Besprechung der Vivisection. (Vgl. S. 45.) — Man sieht,
Hr. Karl Vogt widmet als deutscher Professor noch immer seine Dienste
dem Vaterlande. Nur haben sich inzwischen seine materialistischen Lehren
in Schimpfereien und Blasphemien, und seine Studenten in Zeitungsschreiber
und Literaten verwandelt.
11
l
— 162 —
maligeii deutschen Professors und Naturforschers auf religiösem
Gebiete aus seinen früheren Schriften kennt.
Zum Beweise meiner Behauptung habe ich die folgende,
von dem deutschen Professor Karl Vogt entworfene und
in seinen viel gelesenen Keisebriefen ^) veröffentlichte
Travestie der Verklärung (Transfiguration) Christi*) durch
Lichtdruck in gleicher Grösse des Originals reproduciren
lassen. Zur Vergleichung mit dem bekannten Bilde von
Raphael ist auch Letztei:es nach einem Kupferstich durch
Lichtdruck reproducirt und in gleicher Grösse mit der Com-
position von Karl Vogt der letzteren gegenüber gestellt.
') „Ocean und Mittelmeer. Keisebriefe von Karl Vogt," (1. Band)
Frankfurt a/M., literarisclie Anstalt (I. Kutten) 1848, S. 112 — 131.
*) Da wir gegenwärtig unter Juden und Heiden leben, — „Ich lebe
unter Heiden" erklärte Fürst v. Bismarck im Jahre 1870 ^uf franzö-
sischem Boden, (vgl. Busch, Graf Bismarck und seine Leute I. S. 211)
— so bin ich nicht berechtigt, bei allen Lesern die Kenntniss des neuen
Testamentes vorauszusetzen. Ich erlaube mir daher von den übereinstim-
menden Berichten der Evangelisten Matthäus 17, 1 ff., Marcus 9, 1 ff.^
Lucas 9, 28 ff. über die Verklärung {Transfigturatio) Christi auf dem
Berge Tab or,(nach Andern auf demHermon) hier die Beschreibung der
besagten Erscheinung mit den Worten des ersten der genannten Jünger
Christi anzuführen, tun hierdurch das Verständniss der KaphaeTschen
imd Vogt 'sehen Transfiguration bei meinen Lesern zu erleichtem. Es
heisst a. a. 0. im Neuen Testament:
„Und nach sechs Tagen nahm Jesus zu sichPetrum und Jacobum
und Johann em, seinen Bruder, und führete sie beiseits auf einen hohen
Berg. Und ward verkläret 'vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie
die Sonne, und seine Kleider wurden weiss, als ein licht. Und siehe, da
erschienen ihnen Moses und Elias, die redeten mit ihm. Petrus aber
antwortete und sprach zu Jesu: Herr, hier ist gut sein; willst Du, so
wollen wir hier drei Hütten machen. Dir eine, Mosi eine und Elias
eine. Da er noch also redete, siehe, da überschattete sie eine lichte
Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein
lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören.
Da das die Jünger höreten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken
sehr, Jesus aber trat zu ihnen, rührete sie an und sprach: Stehet auf
und fürchtet euch nicht. Da sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie
^Niemand, denn Jesum allein. Und da sie vom Berge herabgingen, gebot
ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt dies Gresicht Niemand sagen, bis
des Menschen Sohn von den Todten auferstanden ist."
Die Virkiariniii (Traiisl'igumliiiii 1 Tkisli
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— 163 —
Die Beschreibung seines Bildes mag uns Hr. Vogt niit
seinen eigenen Worten geben, wobei ich mir nur zu bemerken
erlaube, dass dieser „berühmte" deutsche Naturforscher und
Hauptvertreter des angeblich nur „wissenschaftlichen" Materia-
lismus seine Beschreibung in Form eines Briefes (d. d. Nizza,
den 1. Februar 1847) an seinen Freund, den Maler ßahl
gerichtet hat. Karl Vogt war damals Professor der Zoologie
in Giessen und befand sich auf einer Forschungs- oder Erho-
lungsreise in Italien. Er schreibt also an Freund Rahl wörtlich :
„Wir haben unterdessen grauenhafte Pläne geschmiedet, die darauf
hinauslaufen, der ganzen bisherigen Malerei eine neue Seite abzugewinnen.
Dichtung und Naturforschung, in uns Beiden repräsentirt, haben den Plan
zu einem Gemälde entworfen, das eine neue Epoche in der Kunst bezeichnen
wird, wenn die Talente des Malers in dem Kleeblatte nicht fehlten. So
aber müssen wir uns darauf beschränken. Dir einstweilen eine Beschrei-
bung ä la Passavant des beabsichtigten Gemäldes zu geben, da es ja
überhaupt jetzt nothwendig ist, zum Verständnisse der Gemälde nazare-
nischer und anderer Kunstschulen grosse Abhandlungen zu schreiben.
Nazarenisch aber soll das Bild werden, das kannst Du versichert sein,
und Beziehungen sollen sich darin finden, noch weit feiner, als die Tropfen
des Overbeckischen Wassers, womit die verschiedenen Künste und
Wissenschaften in ihr wahres Verhältniss zu der Keligion gesetzt werden."
„Ueber die Tendenz des Bildes (denn Tendenz muss es haben) haben
wir freilich noch nicht völlig einig werden können. . . . Die Historienmaler
haben bis jetzt nur eine sehr geringe Auswahl von Geschöpfen gehabt: . . .
Es gehört zu diesem Mobiliar auch noch die Sammlung von Engeln, Clie-
mbim, Seraphim und anderen ideellen Wesen, die gegen alle Principien der
vergleichenden Anatomie zusammengewürfelt sind. Dass die Flügel nur
Modifieationen der Arme sind, scheint unseren Nazarenem vollkommen
unbekannt. . . . Und nun gar die Köpfe, die mit 2 Flügeln leben soUen!
Sprechen diese nicht der ganzen Natur, Allem, was wir von der Structur
des thierischen Wesens wissen, den oflfenbarsten Hohn ? Lesen denn diese
Unglücklichen den Goethe nicht imd beherzigen sie nicht den schönen Vers:
Und wenn er keinen Hintern hat,
Wie kann der Edle sitzen?
Bewahre! Alles dieses rührt unsere Nazarener nicht im Geringsten,
sie fahren fort, die Missgeburten einer verschrobenen Phantasie auf die
Leinwand zu klecksen und prätendiren, dass wir bei deren Anblick gerührt
sein sollen." . . .
,J)ie Anordnung, welche Eaphael's Transfiguration zeigt, scheint
uns in der That die passendste, indem sie zugleich die Verehrung ausdrückt,
welche wir diesem, obgleich von dem richtigen Wege abgewichenen, Genius
der Malerei zoUen" (S. 112 — 116).
11*
— 164 —
„Deshalb beabsichtigen wir in die obere Partie des Bildes eine Art
von Dreieinigkeit zu setzen, die in concret existirender Form zugleich die
Beziehungen ausdrücken soll, durch welche die Meeresbewohner nach der
lichten Oberfläche hinangezogen werden. Wie nun femer der fromme
Gedanke stets durch seine Klarheit und Durchsichtigkeit sich vortheilhaft
auszeichnet vor allen übrigen Ideen, die aus dem Schlamme des Materia-
lismus auftauchen, so erschien es auch nothwendig, zur plastischen An-
schauung dieses Gedankens Thiere zu wählen, die durch höchste Durch-
sichtigkeit vor den übrigen voranstehen."
,Jn der Mitte soll deshalb eine Qualle, und zwar eine der grössten
Quallen, ein gewaltiges Ehizostom schweben. Durch die glockenförmige
Gestalt, welche die Scheibe dieses Thieres besitzt, ist zugleich eine Andeu-
tung gegeben auf den fronimen Sinn, als dessen tönendes Zeichen eben
die Glocke betrachtet werden kann."
„Die meisten der übrigen Quallen erscheinen als gef rassige 'Thiere,
deren weites Maul stets offen steht; — das Ehizostom hingegen lässt
durch die vielen engen Kanäle, welche seine Fangarme durchziehen, nur
höchst verfeinerten Nahrungsstoff in sein Inneres eindringen, eine Eigen-
schaft, welche ebenfalls zu seiner Wahl nothwendig beitragen musste. Da
indess femer die Frömmigkeit ohne äusseres Symbol in einer darstellenden
Kunst nicht möglich ist, und nach der Meinung der Theologen der Glaube
nur dann wirklich existirt, wenn er sich durch eine Gemeinschaft der
Gläubigen, durch eine Kirche mit Symbolen als Aeusserliches hinstellt, so
müsste auch die Kirche im Allgemeinen durch das Ehizostom repräsentirt
werden. Es scheint in der That, als hätte die Wahl nicht sinniger ge-
troffen werden können" . . .
„Von dem Ehizostom soll alles licht ausgehen, welches das Gemälde
überstrahlt. Allein die vielseitige Entfaltung, deren unsere Grundidee fähig
ist, konnte nicht in einem einzigen Eepräsentanten zur vollständigen An-
schauung gebracht werden. Deshalb wurden denn in pyramidaüsch schöner
Gruppirung zu beiden Seiten noch zwei Gestalten angebracht, welche eben-
falls höherer Vollendung zustrebend sich im höchsten Glänze des Ehizo-
stoms spiegeln. links eine einsame Firola. Die dunkelbraunen Augen
nach Oben gerichtet, schwebt sie mit eingezogenem Eüssel dem Ziele ent-
gegen. Dieser Eüssel, der stets umherwühlt, der eine stacheliche Zunge
in sich gewunden birgt, welche auf die Beute hervorgeschnellt werden kann,
— lässt er nicht eine Menge von Beziehungen entdecken, deren Ergründung
wir dem aufmerksamen Beschauer füghch überlassen mögen?"
„Auf der anderen Seite schwebt eine Stephanomie. Das Thier ndt
seinen hundert Mäulem, die beständig nach allen Seiten hin angebi, mit
seinem contractilcn Stiele, der bei der winzigsten Berührung zusammen-
schnurrt, um sich später zu fabelhafter Länge auszudehnen, mit der grossen
Anzahl Schwimmglocken, welche in beständiger Bewegung sind, — ist es
nicht das schönste Emblem des Socialismus in der alten^JKirche , der an
gemeinsamen Faden so viele fressende Mäuler befestigt hatte und in den
— 165 —
Klöstern Tag und Nacht die Betglocke zog? Du siehst, dass somit auch
die einzelnen Eichtungen des kirchlichen Lebens in vollständiger Weise
angedeutet sind, indem die Firola das einsiedlerische, die Stephanomie
hingegen das sociale Element des Mönchsglaubens repräsentirt.
Unter dieser im freien Wasser schwebenden Dreieinheitsgruppe soll
man in unserem Gremälde den felsigen Meeresgrund entdecken, der dieselbe
Grestalt annehmen kann, wie der BergTabor in der raphaelischen Trans-
iiguration. Auf der oberen Fläche desselben fallen uns vor allen Dingen
drei Gestalten in die Augen, welche dieselbe mystische Drei wiederholen,
die schon in der obersten Gruppe benutzt worden war, und die sich auch
im Vordergrunde noch einmal wiederholen soU. Ist ja doch gerade das
Zahlenverhältniss , ob zwar wenig gekannt, doch höchst wichtig in der
ganzen Natur und gerade die Drei eine der Zahlen, welche von wesent-
lichster Bedeutung erscheinen. Die Gruppe also, welche auf der Flache
des Berges Tabor den erwachenden Aposteln ähnlich sich zum Lichte
emporhebt, besteht aus einigen Arten, welche alle zur Familie der Holo-
thurien gehören. Du kennst den Namen, welchen die italienischen Fischer
diesen Thieren geben, und den man wohl in italienischer, nicht aber in
deutscher Gesellschaft aussprechen darf.'*
„Um die FrucJitbarkeit in der Natur auszudrücken imd plastisch dar-
zustellen, bedurften die Alten des Phallus. Ein ähnlicher Gedanke sollte
hier ausgedrückt werden, wo es darum galt, die unerschöpfliche Frucht-
barkeit des thierischen Lebens auf dem Meeresgrunde in das Gredächtniss
zurückzurufen. Sie haben freilich keine schönen Gestalten, diese Symbole
thierischer Fruchtbarkeit, allein auch die Diana von Ephesus war kein Ideal
weiblicher Schönheit, und wurde dennoch weithin in alle Lande verehrt.*'
„Zeigt sich in der Mitte das Symbol, so tritt uns auf beiden Seiten das
Eesultat dieser thierischen Fruchtbarkeit entgegen u. s. w." (S. 121).
Ich breche hier ab, um den sittlichen, religiösen und ästhe-
tiflchen Widerwillen meiner Leser oder wohl gar Leserinnen
nicht zu überreizen. Die Letzteren bitte ich, falls sie nicht
etwa Studentinnen der Medicin sind (vgl. oben S. 59), auf
ein vollständiges Verständniss des Vogt'schen Bildes zu
verzichten. Sollte sich jedoch Hr. Professor Karl Vogt beim
Lesen meiner Schrift veranlasst sehen, eine neue und zeitge-
fflässe Auflage seiner „Reisebriefe" in „Ocean und Mittelmeer"
zu veröflfentlichen, so würde ich ihm vorschlagen, zur sinnigen
Andeutung der Früchte, welche seine Lehren in den verflos-
seneu 30 Jahren gezeitigt haben, die Leichen von gehängten
Nihilisten und Socialisten auf dem Meeresgrunde anzubringen,
als willkommenes Futter für die Seekrebse. Jedenfalls wird
Hr. Professor Karl Vogt gegenwärtig einen Theil derjenigen
— 166 —
Uodhiingeii erfallt sehen, die er S. 1^ a. a, O. mit folgenden
Wonen prophetisch angedeutet hat:
..Es geht uns wie aUen Genies, iiie ihri^r Ziiit vorauseilen. Unser
!:^lblikuul kennt die Seekrebse nur wenn sie ges4:)tt«Hi sind. ... So muss
denn eine schöne Idee begraben werden, so huge bis eine künftige Gene-
ration tahig sein wird, sie zu begreifen und weiter auszubilden."
Nun« die rassischen Nihilisten und pariser Communarden
ä4ud inzwischen als „Generation^ herangewachsen und haben
Hm. Karl Voo^t vollständitr besriffen. Ich zweifle aber nicht
O DO
einen Augenblick, dass nun auch das deutsche Volk und seine
Kegierungen diesen ehemaligen deutschen Professor vollkommen
begriffen haben werden, wenn er sich als so eifriger Verthei-
diger der Vivisection aufwirft, und zugleich beweist, dass er
auch heute noch bezüglich seiner bestialischen Blasphemien
derselbe Mann wie vor 33 Jahren c^eblieben ist. Es ist übri-
gens von Interesse zu erfahren, dass Hr. Karl Vogt bereits
ilamals das dunkle Gefühl gehabt hat, dass Männer von sei-
nem Schlage eigentlich mehr zu den wissenschaftlichen Prole-
tariern als zu den wirklichen wissenschaftlichen Forschem
gehören. Hr. Vogt sagt nämlich S. 130 a. a. O.
„Wonn ich aber bedenke, dass ich bis jetzt die amtlichen Fesseln
uuch nicht angethan habe, sondern noch immer als freier Proletarier
dor Wissenschaft in der Welt umherschweife, so will es mir scheinen,
iihi bedürfe es kaum eines kleinen Buches, um Decret und Amt für ein
t*aar Wochen von dem Halse zu werfen, und mich der allgemeinen Lust
AU erfreuen. Herwegh meint ohnedem, ich sei so fleissig gewesen, dass
luir ein wenig Erholung Noth thue, und da die Krone der Schöpfung der
Meuüoh sei, so müssten wir auch unsere Untersuchungen in aufsteigender
IJuie mit dem Menschen beendigen. Durch die Leetüre der römischen
hüeyieeu hiilte er sich aber vollkommen überzeugt, dass Eom der passendste
l,»vL LH dieHom Studiimi sei, und er stimme unmassgeblich dafür, mit dem
iunlu»U>u Oaiiipfer der Hauptstadt der Welt zuzueilen."
Dttüü Herwegh ein eben so erbitterter Feind des Christen-
iUumti i»t wie Karl Vogt, darüber belehrt mich das heutige
Lv'i)>^ig^i* Tageblatt" v. 9. Januar 1880 (Morgenausgabe),
lu \>\UüUi Leitartikel über die ,,ltalia irridenta^, in welchem
lU V **i*<?'^ Menotti, der Sohn Garibaldi's erwähnt wird,
^V;4Äf\i V* wörtlich:
:^\)U^i> .>|vuotti, ein Mann, der sonst zu dem Herwegh 'sehen
b\»^*Wii ^*^^*^l' ,»,,K«»i88t die Kreuze aus der Erden"" secundirte.**
— 167 —
Kun, der deutsche Professor Karl Vogt kann sich in
Gemeinschaft mit seinem Freunde Herwegh bei den Nihi-
listen und Socialisten überzeugen, dass sich an Stelle der „aus
der Erden gerissenen Kreuze" der Galgen und das Schaffot
erheben. Dass aber das deutsche Volk, wenn ihm die Wahl
zwischen beiden Emblemen der Civilisation gestattet ist, sich
unbedingt für das Kreuz entscheiden wird, dafür birgt mir
der gesunde und pietätvolle Sinn unseres Volkes und die
Thatsache, dass unsere Vorfahren im Kampfe um die edelsten
Güter unserer Nation uns ein Testament hinterlassen haben,
welches mit ihrem Blute besiegelt ist. Wie aber der einzelne
Mensch durch seine Geburt in die Rechte seiner Eltern ein-
tritt und mit der übernommenen Erbschaft zugleich die Pflich-
ten übernimmt, den Willen des Testators auszuführen, so
übernimmt jeder auf deutschem Boden und von deutschen
Eltern geborene Mensch stillschweigend und ohne vorher
gefragt zu werden, die Pflicht, den Kampf um die Erbschaft
seiner Väter aufzunehmen. Die sogenannten allgemeinen und
unbeschränkten Menschenrechte, von denen die französischen
Revolutionäre und „wissenschaftlichen Proletarier'^ fabeln, sind
also nichts als volksverführerische Phrasen, um dem Volke
die Wahl des Galgens und der Guillotine verlockender als die
Wahl des Kreuzes erscheinen zu lassen. Mein Streben und
- der letzte Zweck des von mir übernommenen Kampfes ist
f nun aber gerade darauf gerichtet, durch Aufklärung des A
deutschen Volkes ihm die freie Wahl zwischen Kreuz und
Galgen zu Gunsten des ersteren zu erleichtern. —
üebrigens stimme ich mit meinem Collegen Karl Vogt
bezüglich der Erbärmlichkeit des deutschen Literatenthums
vollständig überein, wie ich dieser üeberzeugung an verschie-
denen Stellen in meinen wissenschaftlichen Abhandlungen
drastisch Ausdruck^) verliehen habe. Aus den folgenden
Worten der erwähnten „ßeisebriefe über Ocean und Mittel-
meer" (S. 236) ersehe ich, dass auch Sachsen bereits vor
32 Jahren die Vorposten seines literarischen Guano-Regiments*
bis nach Rom vorgeschoben hatte. Denn Karl Vogt sagt
a. a. O. wörtlich:
») Ygl. literarische Guano-Vögel Wiss. Ablidl. HI. S. 376 ff.
— 168 —
„Vieles mag zu diesem Miss Verhältnisse auch dadurch beigetragen
worden sein, dass das literarische Treiben in Eom auf einer Stufe der
Erbärmlichkeit steht,, von der man sich nur schwer eine Vorstellung
macht. „„Ach! Ach! Sie sind Herwegh und Sie Vogt! Sie sind uns
schon angekündigt, ich werde gleich Ihre Ankunft nach Deutschland
melden. Ich bin Dr. F. aus Sachsen, wie Sie wohl an meinem Dialecte
hören, ich bin Correspondent von drei Zeitungen; auch in die Allgemeine*)
correspondire ich zuweilen, doch selten, denn die hat schon ihren eigenen
Correspondenten , der freilich nicht Alles so gut wissen kann, als ich, da
ich durch meine Beligionsänderung auch in katholische Kreise eingeführt
worden bin, in die er nicht kommt. Wollen Sie etwa dem Papste Ihre
Aufwartung machen? Heute empfangt er den türkischen Gesandten!
0! das ist ein sehr schöner Contrast, den muss ich gleich in meine
Zeitungen melden. Der Eadicalismus fahrt zu dem einen Thore herein^
während der Türke durch das Andere einzieht!"" So ging es in einem
Tone fort, und da hast Du das Bild eines Kerls, der das deutsche Publi-
cum mit authentischen Nachrichten, mit Kunst- und Antiquitätenberichten
nach Kräften speist.
„Doch die in Eom sitzenden Literaten sind noch gerade nicht die
schlimmsten. Es gibt eine Klasse wandernder Touristen, lebendiger Notizen-
bücher, die nur für Füllung dieser Notizenbücher reisen, an Allem Interesse
finden, sich an Jeden herandrängen, und diesem ein Wort, jenem einen
Gedanken ablauschen, den sie dann zu Hause in usum Delphini ver-
wenden. Es sind dies die Zecken, die sich ansaugen, von den Ideen ihrer
Opfer anschwellen und dann Keiseberichte zusammenstellen, in denen Alles
zu Tage kommt, nur nicht ihre eigene Persönlichkeit. Unser Unglück
musste es wollen, dass wir hier mit einem solchen Menschen zusammentrafen,
der von dem ewigen Schnüffeln einen perpetuirKchen Stockschupfen davon
getragen hat, und der uns, namentlich mich, schon in Paris auf das Gründ-
ichste gelangweilt hatte. Da hatte er mich einmal in meiner Retraite
der rue Copeau überrascht, und nachdem er mir eüi Langes und Breites
von meiner Bekanntschaft mit Herwegh vorgeschwatzt, und geglaubt hatte,
mir auf diese Weise allerlei Würmer aus der Nase ziehen zu können,
begleitete er mich noch gar auf meinem Wege in die Stadt, und fing eine
grosse Disputation über die unbefleckte Empfängniss Mariae an, die er
an Herwegh 's Heidenlied anknüpfte. Das zarte Gemüth des Touristen
war empfindlich verletzt durch den Vers:
„„Auch hatt' die Jungfemschaft ein End,
Sobald die Magd ein Kind gebar.""
*) Sollte Hr. Vogt die vor Kurzem entschlafene „Deutsche Allgemeine
Zeitung" (Verlag von Brockhaus) meinen? Sic transit gloriä mundi!
oder, wie mir die „Geister" S lade 's auf einem vierdimensional behandelten
Briefbogen mit Bleistift schrieben: „Wir müssen Alle sterben, ob ami
wir oder reich!" (Vgl. Wissenschaftl. Abhdlg. m. Taf. IV.)
— 169 —
und davon ausgehend, kramte er eine scJche Menge Ton Fragen über die
Privatverhäl tni flse meines Freundes aus, dass ich wahrlich einige Lust ver-
spürte, ihn gdinde in die Seine zu werfen und damit dem ganzen Neu-
gierdekram ein Ende zu machen. Alle die öffentlichen Heimlichkeiten der
einzelnen Maler waren hier das Ziel seines steten Fragens und seiner
immer regen Neugierde. Es kitzelte ihn, das Liebchen eines Jeden kennen
zu lernen, und sich überall mit solchen Dingen bekannt zu machen, nach
welchen nur die Indiscretion forschen und umherstöbem kann. Dabd ein
Anstrich von Salbung, die über die ganze Persönlichkeit herübergegossen
wurde, und hinter welche die Gesinnungslosigkeit sich flüchtete, eine
pietistische Gleissnerei, unter deren Deckmantel Alles verborgen wurde, was
etwa die eigene Persönlichkeit hätte entblössen können.*'
„Ich muss mich von diesen Bildern wegwenden, um nicht die Galle
in meinem Brief überlaufen zu lassen. Man sollte so nicht von Born
scheiden, sondern heiteren Gemüthes, wie ja auch die Tage heiter waren,
die wir dort verlebten. Indessen das kann ich Dir versichern, dass wir
solch«! Sichtungen gegenüber nicht femer stillschweigen dürfen, und dass
es an der Zeit ist, einen Kampf zu beginnen, der nur mit der
Vernichtung der einen oder der ändern Partei enden kann.
Du magst einstweilen Dich darauf gefasst machen, ebenfalls in die Reihe
eimmtreten und gegen diese pietistische Clique mit zu Felde zu ziehen,
die auch in der Wissenschaft sich mehr und mehr Geltung zu erringen
strebt Es sind freilich Kerls, wie die Jesuiten, die niemals vorhanden
sind, wenn man sie angreifen möchte, und überall umherwühlen wie Maul-
würfe und sich da einnisten, wo gute Pflanzen an der Wurzel angegriflfen
werden sollen. Doch davon ein andermal. Es ist Zeit abzubrechen imd
ach auf die Heimfahrt zu rüsten, die vor der Thüre steht." (S. 239)
Mit diesen Worten beschliesst Hr. Karl Vogt einen
vom 25. Februar 1847 datirten und in seinem „Oeean und
Mittelmeer*' veröflPentlichten Brief. Was seinen bestialischen
Haas gegen das Christenthum betrifft, so beruht derselbe zum
Theil auf derselben Verstandesverdunkelung, welche Friedrich
der Grosse bereits bei Diderot nachgewiesen hatte, indem er
diesem „Gründer" und Vertheidiger des ^jSysteme de la Nafure*'
auf seine Vorwürfe gogen das Christenthum erwidert:^)
„Man könnte den Verfasser seiner verdorrten Empfindungen und über-
haupt seines Mangels an Anstand wegen anklagen, weil er die christliche
Beligion beschimpft, indem er ihr Mängel zuschreibt, welche sie nicht
besitzt. Wie kann er in Wahrheit sagen, dass diese Religion die Ur-
sache alles Unglückes des menschlichen Geschlechtes sei? Um sich in
üebereiristimmung mit der Gerechtigkeit auszudrücken, hätte er einfach
*) Vgl- Quelle und Originaltext in meinen „Wissenschaftliclien Abhand-
lungen** Bd. n. Thl. 1. S. 299.
- 170 —
sagen können, dass Anmassung und Eigennutz der Menschen sich dieser
Keligion als eines Deckmantels bedienen, um die Welt zu verwirren und
die Leidenschaften zu befriedigen. Wie kann man aufrichtigen Herzens
die in den zehn Geboten enthaltene Moral verkennen? und enthielte das
Evangelium auch nur die einzige Vorschrift: ,,Thuet Anderen nichts, was
ihr nicht wollet, das man euch thue", so würde man zu dem Geständniss
gezwungen sein, dass diese wenigen Worte die Quintessenz aller Moral ein-
schliesseu. Und wurde uns denn nicht von Jesus in seiner herrlichen
Bergpredigt Verzeihung für Beleidigunjgen , Wohlthätigkeit und Mensch-
lichkeit gepredigt? Der Verfasser durfte doch nicht das Gesetz mit dem
Missbrauch, die geschriebenen Dinge mit ihrer practischen Aus-
führung, die wahre christliche Moral mit derjenigen verwechseln, zu welcher
sie die Priester herabgewürdigt haben! Wie konnte er die christUcbe
Keligion als solche mit dem Vorwurfe belasten, die Ursache der sittlichen
Corruption zu sein! Der Verfasser konnte immerhin die Geistlichen anklagen,
weil sie den Glauben an Stelle der socialen Tugend, die äussere Werk-
heiligkeit an Stelle der guten Handlungen, oberflächliche Kirchenbusse
an Stelle der Grewissensbisse , käuflichen Ablass an Stelle der Besserungs-
bedürftigkeit setzten ; — er konnte ihnen vorwerfen, ihren Eid zu brechen
und die Gewissen in Fesseln zu legen und zu verletzen. Diese ver-
brecherischen Missbrä uch e verdienen, dass man sich gegen diejeni^n,
welche sie einführen und autorisiren, erhebe; aber mit welchem Rechte
konnte der Verfasser es thun. Er, welcher die Menschen als Maschinen
betrachtet! Wie kann er es einer mit der Tonsur versehenen Maschine
zum Vorwurf machen, dass die blinde Noth wendigkeit sie gezwungen
habe zu täuschen, zu stehlen und sich rücksichtslos die Leichtgläubigkeit
des grossen Haufens zu Nutze zu machen? . .''
„Unser Philosoph schreibt, was ihm in die Feder kommt, ohne sich um
die Conseqenzen zu kümmern . . wahrhaftig, ich schäme mich im Namen
der Philosophie. Wie kann man solche Thorheiten sagen I"
Dass Hr. Professor Karl Vogt sich aber auch heute,
33 Jahre nach seinen „Reisebriefen", noch nicht seiner Blas-,
phemien schämt, welche er damals durch die Travestie der
Transfiguration Kaphael's begangen hat, geht einfach aus
seiner bereits oben erwähnten Parallele zwischen dem Leibe
Christi und einem trichinösen Schweine hervor. Um aber
nun dem „wissenschaftlichen Proletarier" Karl Vogt den
Beweis zu liefern, dass er sich hierdurch in seinem Vaterlande
Deutschland unmöglich gemacht habe, lasse ich hier wört-
lich eine mir soeben zugehende Mittheilung aus Berlin*) folgen:
1) Vgl. „Die Post" vom 10. Januar 1S80.
— 171 —
— „Verspottung des heiligen Abendmahls hatte » wie der Börsen-
Courier berichtet, den Arbeitsmann Ulbrich zu Hennsdorf auf die
Anklagebank der Strafkammer des Landgerichts U. gebracht. Der An-
geklagte ist wegen Trunkenheit von der Hermsdorfor Ziegelei vor Kurzem
entlassen. Am 14. Juli vorigen Jahres, wo er sich wieder in einem an-
getrunkenen Zustande in Hermsdorf befand, nahm er die Gelegenheit wahr,
Schxdknaben auf der Strasse in zwei Glieder zu formiren, ihnen Weissbier
aus einem nahe gelegenen Schanklokale zu geben und dabei Aeusserungen
zu thun, welche den Einsetzungsworten des heiligen Abendmahls glichen.
Diese Aeusserungen hatten aber selbst die Kinder, worunter schon einige
lo jährige Burschen waren , so empört, dass sie Anzeige bei einem Polizei-
beamten machten. Gegen den Angeklagten wurde Anklage auf Grund
des § 166 des Straf -R. erhoben. Der Angeklagte meint, dass er nicht
eine Verspottung des Abendmahls mit jener Aeusserung beabsichtigte.
Der Staatsanwalt beantragte 6, die Strafkammer erkannte auf 8 Monate
Gefangniss gegen den Angeklagten, wobei sie besonders hervorhob, dass
^s Gewicht auf die Angetrunkenheit desselben lege, sonst würde sie eine
höhere Strafe gegen ihn aussprechen."
Als „Mann des Volkes" und „guter Revolutionär" wird
Herr Professor Karl Vogt gewiss, mit dem Arbeitsmann
ül brich aus Hermsdorf einiges Mitleid empfinden. Vielleicht
^3.t auch Hr. Karl Vogt seine Travestie der Verklärung
Christi vor 33 Jahren im Zustande der „Angetrunkenheit"
ßDtworfen, oder er gehört zu den Affen des Teufels, welche
«ch nach Cuvier und Flourens, sobald sie herangewachsen
^^^<i, durch eine regressive Metamorphose ihrer Intelligenz
^i^der in „plumpe, brutale und unerträgliche Thiere" verwan-
^) ^gl- Jouiiiol den Savants IS 39. September -Heft: ,,Ri8ume ana-
y^'^^pie des ohsenjatiojis de Fr. Cuvier sur Vinstinct et riiüelligence des
^'^'^i^iiaux par Flourem 1841.
Indem ich bezüglich des Originaltextes auf den ersten Band meiner
'.'^wissenschaftlichen Abhandlungen" S. 402 (Anmerkimg) verweise, gebe
^*^^ hier die Uebersetzung der botreffenden Worte:
„So lange der Orang-Utang jung ist, setzt er uns durch seinen
durchdringenden Scharfsinn , durch seine Verschlagenheit und seine An-
stelligkeit in Verwunderung; sobald aber der Orang-Utang heran-
g-ewachsen ist, ist er nur noch ein plumpes, brutales und unerträgliches
Thier. Und so, wie beim Orang-Utang, ist es bei allen Affen. Bei
allen vermindert sich die Intelligenz in demselben Maasse als die phy-
sischen Kräfte wachsen. Demnach besitzt das intelligenteste Thier
Seine ganze Intelligenz nur in der Jugend"!
— 172 —
Zugleich wird aber Herr Karl Vogt aus der obigen
Mittheilung entnehmen, dass ein anderes und besseres Ge-
schlecht in Deutschland im Heranwachsen begriffen ist, da
sich sogar Burschen von 15 Jahren über die Blaspheniien
eines Arbeitsmannes empört haben, welche derselbe mit „den
Einsetzungsworten des heiligen Abendmahles^^ beim Glase
Weissbier getrieben hat. Wäre es denn aber nicht eine
unauslöschliche Schmach für uns deutsche Professoren, wenn
wir uns bezüglich unseres sittlichen und religiösen Gefühls
von Berliner Schulknaben von 15 Jahren übertreffen lassen
wollten? Haben wir denn nicht bei einem solchen Vorbilde,
welches uns Kinder geben, die heilige Pflicht, den Staatsan-
walt darauf aufmerksam zu machen, dass sich der Herausgeber
der „deutschen Monatsschrift Nord und Süd", Herr Paul
Lindau, eines Verbrechens gegen §. 166 des deutschen Straf-
gesetzbuches schuldig gemacht hat, indem er im Mai-Hefte 1877
einen Aufsatz von Carl Vogt zur Vertheidigung der Vivi-
section und ihrer Vertreter abdruckte, der S. 232 die folgende
Entweihung der Einsetzungsworte des heiligen Abendmahles
enthält, die ich nochmals wiederhole:
„Welche Scheusale von Grausamkeit sind doch die Siehold, Küchen-
meister, Leuckardt, Pagenstecher, Virchow und wie sie alle
heissen mögen, die Schweine und Kaninchen, Hunde und Schafe mit
Trichinen, Bandwürmern oder Leberegeln inficirten! Konnte sich die
Menschheit nicht an dem Mosjüschen Verbote des Schweinefleisches genügen
lassen und durch den Abscheu vor dem unreinen Thier sich zugleich die
Trichinose vom Leibe halten? Aber nein! Gegen alle diese Versuche
finden unsere Frommen kein Wort, denn sie wollen als gute Christen
gern rohe Schinken und Würste essen, ohne dabei befürchten zu müssen,
sich selber das Gericht in Gestalt einer Trichinenkrankheit auf den Hals
zu laden, nach dem biblischen Spruche: Wer es unwürdig isset und
trinket, der isset und trinket sich selber sein Gericht".
Da sich Herr Karl Vogt in seinen obigen Worten die Mühe
gibt, versuchsweise vom Standpunkte „unserer Frommen"
zu reden und bei diesem theatralischen Debüt einige von ihm
vertheidigten deutsche Professoren scherzweise als „Scheusale
von Grausamkeit" bezeichnet, so wird es ihn interessiren, die
gleichen Worte des Redacteurs unseres „Leipziger Tageblattes"
bei einer andern Gelegenheit kennen zu lernen. Unser Tage-
blatt ist ja ein so begeisterter Kampfgenosse des Hrn. Vogt,
— 173 —
dass es kategorisch erklärt hat, es nähme überhaupt keine
Artikel gegen die Vivisection mehr in seinen Spalten auf. ^)
Nun gat, ganz dasselbe Blatt berichtet in der Abendausgabe
vom 8. Januar 1880 im redactionellen Theile über den spani-
schen Attentäter wörtlich Folgendes:
— ,^iis der Unteisachiuig gegen den Attentäter Otero ^sein voller
Name ist Franzeeco Otero j Gonzalez — letzteres ist der Name semer
Matter) erßLhrt man, dass derselbe von Natur ans zur Grausamkeit geneigt
sei; sein froherer Meister sagte aus, er habe ihn entlassen, weil er einmal
einer Katze mit glühenden Kohlen die Augen ausgebrannt habe. Welch
ein Schensal ist doch dieser Mordgeselle!'**)
Angesichts dieser Worte richte ich nun an den verant-
wortlichen Redacteur des „Leipziger Tageblattes" die Frage,
ob er sich zu der Maxime: ,,Was dem Einen recht ist,
iut dem Andern billig" bekenne. Verneint er diese Frage,
80 hat er ein Recht, einen Studenten der Medicin, z. B. den
25jährigen Moses Aronsohn (vgl. oben S. 27), welcher
im Nihilisten -Prozesse zu Berlin seine Zusammenkünfte mit
anderen Studenten dadurch vor Gericht zu vertheidigen suchte,
dass er behauptete, „diese Zusammenkünfte hätten lediglich
wissenschaftliche Zwecke verfolgt", und die eine Wirthin
ab Bestätigung dieser Aussage zugab, „dass Sectionen an
Hunden, Katzen, Kaninchen u. s. w. vorgenommen
worden • seien", — ich sage, nur unter Verleugnung der
an bedingten Gültigkeit der obigen Maxime hat man ein
Recht, den Stud. med. Moses Aronsohn für dieselbe, ja
sogar schmerzvollere Verstümmelung an zahlreichen
Katzen, kein „Scheusal", sondern einen „wissenschaftlichen
Forscher " zu nennen, während der „ von Natur zur Grausam-
keit neigende " Spanier Otero für genau die gleiche Hand-^
*) VgL Anhang. Erklärung des Herrn Ernst von Weber.
*) Die „National -Zeitung'' vom 11. Januar (Morgen- Ausgabe) enthält
wörtlich folgende Lesart über das obige Ergebniss:
,^e Voruntersuchung wider Otero, welcher den Mordaiischlajr
gegen das Leben des spanischen Eönigspaares ausführte, ist beendet:
heute sollte für den Verbrecher ein officieller Vertheidiger ernannt werden.
Otero ist von verschiedenen Zeugen als ein roher Bursche charakterisirt
worden. Sein -ehemaliger Meister erklärte, ihn entlassen zu haben, weil
er einem Hunde mit glühenden Kohlen die Augen ausgebrannt. . , . **
■
- 174 — •
lung mit „sittlicher Entrüstung" vom i|, Leipziger Tageblatt *^^
als „Scheusal" bezeichnet wird. . J
Wer gibt uns denn die Gewähr dafür, dass nicht audij
unter den deutschen und nicht jüdischen Studirenden de*;_
Medicin sich junge Leute befinden, die jene natürliche
„Neigung zur Grausamkeit" mit dem spanischen Attentäter
Otero theilen? Und wie sollten wir denn solche unglüctj
lieh disponirten Individuen vorher auf Herz und Nieren beil-
ihrer Immatriculation prüfen, um bei ihnen nicht jenen natür-ii
liehen Trieb zur Grausamkeit zu vergrössern und sie hierdurch,
zu Menschen zu erziehen, die später, wie der Attentäter Otero
y Gonzalez, ein Opfer ihres unseligen Triebes werden? -
Ich sollte meinen, diese Erwägung allein müsste es im Hin-
blick auf die sittliche Verwirrung unseres Volkes jedem auf-
richtigen und nicht von liberalen Phrasen über die „Freiheit
der Wissenschaft" benebelten Patrioten zur Pflicht macheoi
mit allen gesetzlich erlaubten Mitteln darauf hin zu wiricen,
dass die Freiheit der Vivisection zu demonstrativen
Zwecken einfach gesetzlich aufgehoben werde.
Sollten aber die heutigen Physiologen sich einer solchen
Beschränkung lediglich aus Furcht vor genügender Beschäfti-
gung zur Förderung der Wissenschaft widersetzen, so würde
ich mir gestatten, der Forderung von E. du Bois-Reymond^)
für eine Gymnasialreform: „Kegelschnitte, kein grie*
chisches Scriptum mehr!" die Forderung: „Biomag-
netismus, keine Vivisectionen mehr!" für eine Physio-
logiereform entgegenstellen. Ebenso wie Herr E. du Bois-
ßeymond „sich getraut", für seine Forderung „ein durch
die Summe der darin vertretenen Intelligenz formidables
Gymnasial reform- Meeting zusammenzubringen", so
getraue auch ich mir das Gleiche bezüglich eines „formidablen
Universitätsreform-Meetings" zu thun. Wer von
uns sich eines grösseren Erfolges zu rühmen hätte, kann
natürlich nur durch den Versuch entschieden werden.
Hr. Prof. Heidenhain, bekanntlich ein eifriger Ver-
') „Culturgeschichte und Naturwissenschaft" Vortrag gehalten am
U. März 1877 in Cöln. (Leipzig). S. 58.
- 175 -
theidiger der Vivisection „im Dienste der Heilkunde",^) hat
meinen obigen, bereits im dritten Bande meiner „Wissenschaft-
liehen Abhandlungen"*) gemachten Vorschlag mit dankens-
werther Schnelligkeit befolgt. Er hat soeben beiBreitkopf&
Härtel eine Schrift veröffentlicht, welche den Titel trägt:
„Der sogenannte thierische Magnetismus. Physiologische Be-
obachtungen von Dr. Rudolf Heidenhain, ord. Professor der
Physiologie und Director des physiologischen Institutes zu Bres-
lau. (Ein in der allgemeinen Sitzung der schlesischen Gesell-
schaft für vaterländische Cultur am 19. Januar 1880 gehaltener
Vortrag.)" Ich erlaube mir hier nur Anfang und Schluss
jenes Vortrages zu reproduciren, da das Beobachtungsmaterial,
welches Hr. Heidenhain mittheilt, sowohl an Umfang als
an Mannigfaltigkeit von demjenigen übertroffen wird, welches
bereits im vorigen Jahre hier in Leipzig in Gegenwart meiner
CoDegen Fe ebner und Thiersch nebst den Assistenzärzten
des Letzteren gesammelt und von mir im dritten Bande meiner
„Wissenschaftlichen Abhandlungen" veröffentlicht worden ist.
Trotzdem behauptet ein anonymer Referent „Dr. — t. " in
der Breslauer- Zeitung" (Sonntag d. 8. Februar 1880. Mor-
gen-Ausgabe) wörtlich:
„Als Hansen in Berlin an die Pforten der Wissenschaft j)ochte,
wurde er mit Spott und Hohn als Schwindler ab^wiesen, und das Wiener
Foblikiim brachte ihm noch vor Kurzem eine Niederlage bei, auf die er
BVh seinen Breslauer Erfolgen gewiss am wenigsten vorbereitet war.
Breslau allein war es nämlich, wo man zuerst den Standpunkt des
faitischen Skepticismus gegenüber den neuen wunderbaren Erscheinungen
▼eriiess und den Versuch machte, sie bekannten physiologischen Thatsaehen
wid Gesetzen einzureihen und sie dadurch ihres mystischen Charakters zu
fil berauben.
Der vorsichtige und gewandte Physiologie -Professor Heidenhain,
21
e
nl
*) J3ie Vivisection im Dienste der Heilkunde." (Breitkopf&Härtel.)
hm 1 Mark.
*) Meine Worte im Hinblick auf die fkperimente Hansen's lauten
«.a. 0. Seite 558:
„Vielleicht geht hierdurch den Vivisectoren ein Licht über die Nutz-
feugkeit ihrer Grausamkeiten auf, und zeigt ihnen, dass es im Gebiete der
Transcendentalphysiologie noch andere, moralisch weniger anstössige,
Wege gibt, um auch die bisherige Physiologie und Psychologie mit neuen
Entdecknngnn zu bereichem."
— 176 —
der sich sofort des neuen Gregenstandes mit grossem Eifer bemächtigte,
lieferte bald mit aller Schärfe den Nachweis, dass alle von Hansen
producirten Experimente, mit Ausnahme nebensächlicher, allerdings den
wahren Sachverhalt verdeckender Umstände, auf Wahrheit beruhen. Ihm
vor allen Dingen verdanken wir die Erkenntniss, dass die Person des
Magnetisirenden ganz gleichgiltig ist ; während Hansen sich als im Besitze
einer ihm eigenthümlichen Wunderkraft befindlich darzustellen sucht, und
dass unter Umständen das Ticken einer Uhr, oder irgend welche monotone
Eeizung eines Sinnesnerven genügt, bei geeigneten Individuen den hypno-
tischen Zustand hervorzunifen."
Diese Worte beweisen, dass Hr. Dr. — t. weder meine
Abhandlungen noch Professor Weinhold 's Schrift ^) gelesen
hat. Da er aber trotzdem, wie Hr. Lasker über G lag au 's
Bücher, darüber urtheilt, so vermuthe ich, dass Dr. — t. wie
Dr. Lasker ein Jude sei , ob ein getaufter oder nicht ge-
taufter, ist mir bei meinem vorurtheilsfreien und durchaus
confessionslosen Standpunkte den Juden gegenüber vollkommen
gleichgültig.
Hr. Professor Heidenhain beginnt seinen Vortrag mit
folgenden Worten:
„Hochgeehrte Anwesende!
Der Aufforderung des Herrn Präsidenten der „ „Schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Kultur'*", über die wunderbaren und im höchsten Masse
interessanten Schaustellungen des Magnetiseurs Hm. Hansen an dem
hiesigen Orte einige aufklärende Mittheilungen zu machen, bin ich gern
gefolgt. Denn es scheint mir Sache des öffentlichen Interesses, Vorsorge
dagegen zu treffen, dass aus den in der That frappirenden Erscheinungen,
deren Zeuge wohl ein grosser Theil von ihnen gewesen ist, falsche Schluss-
folgerungen gezogen werden, Schlüsse auf irgend welche geheinmissvollen,
bisher ihrem Wesen nach imbekannten specifis'chen Wunderkräfte. Die
Besorgniss, dass dieses geschehen könne, liegt in der That nahe genug.
Spukt doch trotz aller naturwissenschaftlichen Aufklärung unserer Zeit
^) „Hypnotische Versuche. Experimentelle Beiträge zur Kenntniss
des sogenannten thierischen Magnetismus. Ergänzung und Berichtigung
der im HI. Theile von Zöllner's wissenschaftlichen Abhandlungen ver-
öffentlichten Älittheilungen des Verfassers. Von Prof. Dr. Adolf P. Wein-
hold. (Chemnitz. Bülz.) " Zum Beweise, dass nicht in Breslau, sondern
zuerst in Chemnitz der Versuch gemacht worden ist, durch Greräusche
zu „hypnotisiren" (z. B. durch das Aufschnellen eines Gummibandes, welches
um eine Streichholzschachtel geschlimgen war) , verweise ich auf S. V^
der erwähnten Schrift. Daselbst wird Hrn. Dr. med. Fränkel die
Priorität dieser „glücklichen Idee" vindicirt.
— 177 -
der sogenannte Spiritismus in den Köpfen nicht bloss der Laien, sondern
selbst ernsthafter, auf ihrem wissenschaftlichen Gebiete ausgezeichneter
Gelehrter. Hat doch Einer unter ihnen mit Hülfe des Amerikaners Hrn.
Slade Geister citirt und deren Fusstapfen photographirt. Ist doch zu
unseren altbewährten sichtbaren drei Dimensionen des Baumes eine vierte
unsichtbare hinzugekommen, in welche hinein dreidimensionale Objectis
wie Tische u. dgl. vor den sehenden Augen verschwinden und aus welcher
heraus, von unsichtbaren Händen geworfen, Eohlenstücke den erschreckten
Zuschauem um den Kopf fliegen, Glieder ohne Eumpf auftauchen, und
was der Taschenspielerkunststücke mehr sind. Hat doch ein bekannter
Philosoph bona fide jene Märchen für eine neue OflTenbarung der göttlichen
Allmacht erklärt, dazu bestimmt, die ungläubige Menschheit von Neuem
zum Glauben zu erwecken!
In einer Zeit, wo Solches möglich ist, liegt die Gefahr nahe, dass
Erscheinungen, wie sie Hr. Hansen vorführt, zu einer neuen Form des
Aberglaubens verleiten."
Hr. Professor Heidenhain beschliesst seinen Vortrag,
wie er selbst sagt, mit folgender ,j Oratio pro domo'':
„Nun aber gestatten Sie mir noch eine Oratio pro domo.^''
„Wer vor 150 Jahren öffentlich Versuche gezeigt hätte, wie Hr. Hansen
täglich im Zeltgarten oder ich heute in Ihrer Mitte, wäre unfehlbar einem
Hexenprocesse verfallen.
Vor 50 Jahren hätten derartige Demonstrationen ohne Zweifel zu einer
Form des Wunderglaubens gefuhrt, wie es ja in der That zu Zeiten der
Hochfluth des thierischen Magnetismus geschehen ist.
Wenn wir heute im Stande sind, uns vor einem Wahne zu schützen,
80 verdanken wir diesen Fortschritt der rastlosen Thätigkeit der experimen-
tirenden Physiologie. . . Nicht bloss die Heilung körperlicher Krankheiten,
sondern auch die Beseitigung geistiger Krankheiten ist, denke ich, ehi
Vortheil für die Menschheit; . . . haben wir es doch in diesen Tagen alle
erlebt, wie auf einem grossen Theile unserer Mitbürger ein geistiger Druck
lastete hervorgerufen durch die Empfindung, vor etwas Unbekanntem zu
stehen, dass ohne die Annahme neuer, specifischer und ihren Aeusserungen
unheimlicher Kräfte unverständlich schien. Denn es macht in der That
einen unheimlichen Eindruck, die Handlungen eines Menschen scheinbar
unmittelbar dem Willen eines andern imterworfen zu sehen. Dieser Druck
ist, hoffe ich, durch die physiologischen Erläuterungen, die ich Urnen
gegeben habe, beseitigt. Die Möglichkeit der Aufklärung beruhte für mich
aber ganz allein auf der Erweiterung des physiologischen Wissens, welches
uns seit diesem Jahrhunderte der Thierversuch gebracht.
Kann man es wohl verständig nennen, wenn eine aus guten
Absichten hervorgegangene, aber mit dem Inhalte und den
Zielen der Wissenschaft unbekannte Agitation der Physio-
12
— 178 —
logie den Thierversuch, das wesentlichste Hülfsmittel ihrc3 s
Fortschrittes, zu entringen trachtet?"
Als ich diesen Ein- und Ausgang der Rede meiti^s
CoUegen Heidenhain mit seiner oratio pro vivisectorio gG-
lesen hatte, dachte ich bei mir, wie Schade, dass dieser Mann
statt Heidenhain nicht Weidenhain oder ßosenhain
oder doch wenigstens Heidenröschenhain heisst. Denn
was soll sich der naturwissenschaftlich gebildete Mediciner
und Vivisector von dem Namen Heidenhain für einen Be-
grifi* machen? Professor Wundt^) würde sagen, „die Causa-
lität hat hier ein Loch,*' denn Heiden sind doch keine
Bäume und Sträucher wie Poseidons Fichten und die wilden
Rosen. Es bleibt zur Erklärung nur die jüdische Annahme
einer etymologischen Beschneidung oder Verstümmelung des
Namens Heidenhain übrig, um die obigen laskerhaften
Phrasen nach Professor Lazarus' Principien der Völker-
psychologie und der „Wissenschaft des Judenthums" causal
zu begreifen.
Man sieht wohin unsere Physiologen ihre „rastlose Be-
schäftigung" mit den Thieren geführt hat. „Sage mir mit
wem Du umgehst und ich will Dir sagen wer Du bist", heisst
es in einem alten deutschen Sprüchworte. Den Thieren legen
wir zwar Verstand aber keine Vernunft bei, und nur vermöge
dieser letzteren Gottesgabe ist es dem Menschen vergönnt,
Wahrheiten zu erkennen, die er nicht mit seinem sinnlichen
Auge wahrzunehmen im Stande ist. Dahin gehören alle geo-
metrischen und arithmetischen Wahrheiten, und in der That,
ich habe noch niemals von einem vernünftigen Menschen, der
mir zugegeben hat, dass unsere Netzhautbilder nur zwei-
dimensional, und das Himmelsgewölbe nur als eine gekrümmte
Fläche erscheint, — ich sage ich habe von vernünftigen
Menschen, mochten dies* Studenten oder Gymnasiasten sein,
^) „Der Spiritismus. Eine sogenannte wissenschaftliche Frage. Offener
Brief an Herrn Prof. Dr. Hermann Ulrici in Halle von W. Wundt^
Professor in Leipzig." Mein College sagt hier S. 13 wörtlich: „auf der
andern Seite steht die Autorität einiger höchst ausgezeichneter Natur-
forscher ... die aber nun . . . zur Entdeckung gelangt sind, dass die
Causalität ein Loch habe, und dass wir daher unsere bisherige Natur-
anschauung aufgeben müssen."
. — 179 —
noch niemals das Verlangen aussprechen hören, die dritte
Dimension zu sehen, um dann von einer „altbewährten sicht-
baren dritten Dimension^' reden zu können. Wir sehen
nur Erscheinungen, welche sich für unseren Gesichtssinn als
flächen artig ausgebreitete Keize auf der Netzhaut darstellen.
Dass der Planet Jupiter von uns weiter als die gleichzeitig
mit ihm am Himmelsgewölbe befindliche Mondscheibe ist,
wird kein vernünftiger Mensch zu sehen verlangen, sondern
wenn wir diese Thatsache gegenwärtig zu den gesicherten
Wahrheiten unserer astronomischen Erkenntniss zählen, so ist
dieselbe mit Hülfe unserer Vernunft aus einzelnen und zeit-
lich getrennten zwei dimensionalen Erscheinungen erschlossen
aber nicht unmittelbar wahrgenommen worden. Ebenso
verhält es sich mit der vierten Dimension. Dass die Annahme
derselben principiell nichts Vernunftwidriges enthält, darüber
wird Hm. Heidenhain jeder Mathematiker aufklären, voraus-
gesetzt, dass das beiderseitig hierzu erforderliche geringe Mass
von Vernunft vorhanden ist. Ob wir jedoch von der vierten
Dimension eine Anwendung zur Erklärung von Erscheinungen
zu machen haben, hängt ganz, wie in der Astronomie, von
beobachteten Thatsachen ab. Da es nun aber bisher bei
anständigen und gewissenhaften Naturforschern stets Sitte war,
nicht eher öffentlich Dinge für Betrug und Taschenspielerei
zu erklären, ehe man nicht selber diese, von anderen glaub-
würdigen Naturforschern berichteten, Erscheinungen untersucht
hat, so beweist Hr. Heidenhain durch seine obigen Worte,
dass er nicht zu dieser Classe von Naturforschern gehört, in
voller Uebereinstimmung mit anderen modernen Naturforschern
und Vivisectoren , die „ Lichtkörperchen " und „schwingende
Molecüle" sehen wollen (vgl. oben S. 53 ff.). Wenn mir
nun, im Hinblick auf die vorstehenden Worte, Hr. Heiden-
hain und andere kritische Collegen abermals den Vorwurf
machen sollten, ich wäre zu persönlich in meiner Polemik,
80 erlaube ich mir zu bemerken, dass dies nur eine Reaction
auf die eigenthümliche Art von Unpersönlichkeit ist,
deren sich Hr. Heidenhain ganz nach dem leuchtenden
Vorbilde meiner Collegen Wundt, Ludwig u. A. gegen
mich bedient.
12*
— 180 —
in seiner oben citirten ViviseclionaBchrift hatte
Hr. Professor Heidenhain Gebrauch von dieser modernen
oder parlamentarischen Art der Unpersönlich keit gegen mich
gemacht, indem er S. 50 a. a. O. sagte:
„Einer der Hurreu sieht sogar ans den pliyaiologiBtlien Instituten
fluhon den dritten Kaiser-Mörder hervorgehen ! '■
Habe ich mir bereits erlaubt, mich in der Vorrede zum
dritten Bande meiner „Wissenschaftlichen Abhandlungen'"
(S. LXXV) als diesen „Einen Herrn-' vorzustellen und meine
Behauptung theoretisch zu begründen, eo bin ich gegen-
wärtig iu der Lage den empirischen Beweis, glückbcher-
w^se zwar nicht durch ein neues Attentat auf unsem Kaiser,
wohl aber durch den Mord- und Selbstmordversuch eines
Züricher Studenten der Medicin, der soeben als Schwindler
in Monaco verhaftet und nach Leipzig transportirt worden ist,
nachdem er fast gleichzeitig mit Nobiling von der Univer-
sität Leipzig zum Doctor promovirt n-urde. Wenn ich hierbei
U, A. die vorausgesetzte Theilnahme an Vivisectionen im physio-
logischen Institute des Herrn Professor Hermann in Zürich
und die jüdische Rasse des Verbrechers als prädisponirende
Momente für dessen sittliche Verwilderung zu betrachten ge-
neigt bin, so ist dies jedenfalls leichter zu rechtfertigen, als
die von Professor Heidenhain am Schlüsse seiner Kede mit
Emphase ausgesprochene Behauptung, dass er die Erfolge bei
„Erklärung" seiner hypnolischen Versuche „ganz allein der
Erweiterung des physiologischen Wissens verdanke, welches
uns seit diesem Jahrhunderte der Thierversuch gebracht
hat, '■ Nach diesen Proben von „ Verstandes Verdunkelung **
(um mit Hrn. Ludwig zu reden) kann man mit ziemlicher
Bestimmtheit darauf rechnen, dass der nächste Vertheidiger
der Viviaection die Einheit Deutschlands als Verdienst des
„ Thierverauchs " hinsteUt.
Dass die semitische Kasse in Zeiten der Corruption
leichter moralisch und intellectuell degenerirt als die germa-
nische, ist eine völkerpsychologiache Thatsache, die
man ebenso wenig einem einzelnen Individuum zum Vorwurf'
macht wie die Farbenblindheit. Wir behaupten z. B. dasselbe
TOD den romanischen Kassen und würden es mit Berücksich-
gicb- I
— 181 —
tigung des Temperamentes der Spanier gewiss mit der Zeit
praktisch für geboten halten, spanischen Studenten der
M edicin die Tbeilnahme an Vivisectionen in unsern deutschen
physiologischen Instituten gesetzlich zu verbieten, damit nicht
in ihnen die in ihrem Volkscharakter schlummernde Neigung
zur blutdürstigen Grausamkeit erweckt und, wie bei dem
Attentäter Otero, die Veranlassung zu grausamen und ver-
brecherischen Handlungen werde. Es könnte daher für ver-
ständige und vernünftige Spanier in einem derartigen Verbot
keine Beleidigung der spanischen Nation erblickt werden,
sondern im Gegen theil, ein Act der Humanität der deutschen
Regierungen gegen die Blüthe der heranwachsenden Generation
von strebsamen, spanischen Doctoren der Medicin.
Ganz ebenso verhält es sich mit der semitischen Basse
gegenüber der Theilnahme an Vivisectionen und ich glaube,
dass in der That diese* Erkenntniss bereits den beiden Haupt-
vertretern der Physiologie in Deutschland, Hm. E. du Bois-
fieymond und C Ludwig aufgegangen ist, indem ich mir
nur hierdurch die bereits oben erwähnte Sinnesänderung des
Letzteren gegenüber den Physiologie studirenden Juden in
Leipzig rationell erklären kann.
Professor Karl Vogt, der von christlich -germanischen
Eltern abstammt, erklärt in demselben Aufsatze, in welchem
er cynisch für die unbeschränkte Vivisection eintritt,^) von-
sich selber wörtlich:
,4ch verabscheue Grausamkeiten jeder Art und fühle das grösste Mit-
leid für jedes leidende Thiier — glücklicherweise sind meine Arbeiten nicht
der Art, dass ich dabei Thiere zu misshandeln hätte." —
Professor Cyon dagegen, ein russischer Semit, schwelgt
förmlich in der Freude beim Viviseciren, indem er sagt:
„Die Freude über die überwundenen, früher für unüberwindlich gehal-
tenen technischen Schwierigkeiten — bietet immer einen der höchsten
Genüsse des Vivisectors. . . . Gar manche chirurgische Operation wird
weniger zum Heile der Kranken als zum Nutzen der Wissenschaft vor-
genommen.*)
Bei der pädagogischen Beschränktheit und psychologischen
Kurzsichtigkeit Karl Vogt's hindern ihn diese Worte nicht
') Nord und Süd. Mai 1877. S. 245.
*) Vgl. oben S. 59.
— 182 —
im Mindesten, die Schrift Cyon's, in welcher jene Worte ent-
halten sind, aufs Wärmste zu vertheidigen und zu empfehlen.
Dass aber Karl Vogt in den obigen Worten aufrichtig
seine Empfindungen mitgetheilt hat, darf nach den sonstigen
Charaktereigenschaften dieses reich begabten Mannes nicht
bezweifelt werden. Denn er ist kein Heuchler, sondern,
wie ihm näher stehende Personen behaupten, ein treuer und
zuverlässiger Freund, der niemals einer Handlung fähig wäre,
die auch nur entfernt den Charakter eines feigen Verrathes
trüge. Dass er im Uebrigen ein „roher Geselle'' ist, um
mich der Worte E. du Bois-Reymond's gegen grausame
und unwissende Mediciner zu bedienen (vgl. 123), der eben-
sowenig wie diese „durch unsere verächtliche Missbilligung'*
gestraft und an dem öfientlichen Ausdruck seiner Roheiten
gehindert werden kann, das hat nichts mit der Vivisection,
wohl aber mit einer Verkümmerung der natürlichen sittlichen
Instincte etwas zu schaflFen. So betrachte ich z. B. das
Studiren von Damen und ihre Zulassung an den Universitäten
für eine Perversion des sittlichen Instinctes bei den „Damen"
und der praktischen Vernunft bei den deutschen Professoren.
In der That ist es ein Widerspruch, wenn man die beiden
Geschlechter auf unseren Schulen vom Beginne der Pubertät
an trennt, und dann diese Trennung für eine Altersperiode
wieder aufhebt, wo das gegenseitige Interesse seinen Culmi-
nationspunkt erreicht. Nur laskerhafte und doctrinäre Phrasen
konnten eine solche Verwirrung in den Köpfen von deutsehen
Professoren hervorrufen, bis endlich der Skandal an den Uni-
versitäten der Schweiz — besonders in Zürich — so gross
wurde, dass die russische Regierung sich gezwungen sah, aus
Rücksichten des Anstandes ein Verbot gegen das Studiren
von russischen Damen zu erlassen. Natürlich müssen alsdann
beim öflFentlichen Hervortreten solcher Schäden, die Unschul-
digen mit den Schuldigen leiden. Aber es ist doch wohl
Pflicht der öflFentlichen Erziehungsbehörden, dafür zu sorgen,
dass unschuldige Mädchen nicht durch falsche Vorspiegelung
eines ihrer weiblichen Bestimmung widersprechenden Ideales
von Bildung und Gelehrsamkeit, dazu verleitet werden, sich
als Studentinnen der Medicin inscribiren zu lassen, um gemein-
— 183 -
V
schaftlich mit Studenten an demselben menschlichen Cadaver
anatomische Studien zu treiben. Dass ich hier auf Thatsachen
fusse, möge Folgendes beweisen: Am 8. Januar d. J. wurde
ich durch den Besuch eines berühmten Genfer Physikers
erfreut, mit dem ich mich besonders eingehend über meine
radiometrischen Untersuchungen und mein Skalenphotometer
unterhielt. Ich erkundigte mich gelegentlich nach der Anzahl
der Studentinnen in Genf, und erfuhr, dass gegenwärtig im
Ganzen etwa 30 junge Damen an der dortigen Universität
Studiren. Auf meine Frage, ob bei den Medicin studirenden
Damen auch die Vorlesungen und praktischen Uebungen in
der Anatomie in Gemeinschaft mit Studenten betrieben würden,
bejahte mein College diese Frage nicht nur, sondern versicherte
mir, dass er persönlich Zeuge gewesen sei, wie an ein und
demselben männKchen Cadaver zwei Studentinnen sich mit
dem Zerschneiden der unteren Extremitäten beschäftigten,
während gleichzeitig zwei Studenten die Brust und den
Kopf präparirten. Mein Genfer College theilte vollkommen
meine Indignation darüber, dass solche Vorkommnisse unter
Aufsicht des Staates und im Interesse einer „höheren weib-
lichen Bildung" gestattet seien. Mich trösteten aber dann die
folgenden Worte eines anderen französischen Schweizers,
dessen geistvoller und echt deutscher Humor den Anbruch
eines neuen Völkerfrühlings auf der Basis der wiederwachenden
Vernunft verkündet. Ich möchte die folgenden Worte ^)
allen Studenten und Studentinnen der Medicin zur Beherzigung
empfehlen, die sich „Herz an Herz und Hand in Hand" an
menschlichen Leichen mit anatomischen Forschungen „zum
Heile der leidenden Menschheit beschäftigen":
j.Fiinfinalhunderttausend Teufel*)
Holen Eure Forscherei,
Denn sie nähret nur den Zweifel
An der hohen Clerisei.
*) „Genesis oder die Entwickelung des Menschengeschlechtes." Nach
Hackers Anthropogenie in zierliche Eeimlein gebracht von M. Eeymond.
3. Aufl. Bern u. Leipzig 1878.
*) Die Priorität dieses teuflischen Attentates auf die „Freiheit der
Wissenschaft*' gebührt dem berühmten Weltumsegler Cook, der heut vor
— 184 —
Drum hat Bonifaz der Bied're
Auch erlassen das Verbot,
Dass man Menschen nie zerglied're
Wären sie auch noch so todt.
Zu verbrennen alle Forscher
Thäte uns wahrhaftig gut,
Sonst zerfällt noch unser morscher
Bau, und dann ist er kaput.
Chor der Schiedsrichter.
Zieh, Schimmel zieh,! u. s. w.
Es geh'n viel Theorie'n
In unserm Kopf herum, vidibum!
In unserm Kopf herum!
Dreimal drei ist neune.
Ein jeder hat die seine! ....
Bruderherz, dein Dogma heisst?
Sogar die Juden finden das Studiren von Damen, wenig-
stens an der Petersburger Universität, bedenklich, denn
Hr. Julius Stettenheim, widmet den „Petersburger Stu-
dentinnen" das folgende Gedicht in seinen „Berliner
Wespen" am 9. Januar 1880:
„Die Petersburger lembeflissne Jugend
Zählt schon Studentinnen in grösster Menge
Doch leider kommen sie mit ihrer Tugend
Im Trubel dieser Stadt hart in's Gedränge.
Sie rauchen, zechen, haben ihren Kater
Und führen sich als burschikose Horden,
Ja mehr als eine ist zur alma mater
Nicht nur gegangen, sondern auch geworden."
Ohne Zweifel müssen bei einer solchen Agitation gegen
das Studiren von Damen viele Unschuldige mit den Schuldigen
himdert Jahren (am 14. Februar 1779) von den Sandwichsinsulanem er-
schlagen worden ist. Ich verdanke den Schriften Lichtenberg's, (weiland
Hofrath und berühmter Professor der Physik in Gröttingen) die Kenntniss
jener Gesinnungen Cook's. Lichtenberg bemerkt nämlich (Vermischte
Schriften I. S. 290):
„Cook sagte: „„Der Teufel hole alle Gelehrsamkeit""
und er dachte und lernte und studirte beständig, imd war vermuthlich
ein grösserer Gelehrter, als viele von den Leuten, die er und die ganze
Welt so nannten." — „Franklin scheint mir ein ähnlicher Gelehrter
gewesen zu sein." —
— 185 -
leiden und es liegt mir ebenso fem, das aufrichtige Streben
vieler höchst anständiger Studentinnen herabsetzen zu wollen,
wie die guten und vortrefflichen Eigenschaften vieler Juden.
Es verräth aber einen vollkommenen Mangel an historischem
und praktischem Sinn, wenn man bei Bekämpfung allgemein
erkannter Schäden die persönlichen Rücksichten gegen ein-
zelne Individuen höher als die Rücksichten gegen das Vater-
land und die sittliche Erziehung der heranwachsenden Gene-
ration stellen will. Ist einmal die Nothwendigkeit eines
Kampfes um die sittliche Selbsterhaltung unseres Volkes auf
Grund unzweifelhafter Thatsachen anerkannt, dannheisst
es in Deutschland „Vorwärts, mit Gott für Kaiser und Vater-
land^ unbekümmert, ob im Kampfe uns Freunde entrissen
werden oder unsere Worte von Einzelnen „übel genommen"
und als „verletzend" empfunden werden. Philister brauchen
überhaupt nicht am Kampfe Theil zu nehmen, mögen dies
nun Professoren, Privatgelehrte oder Rentiers sein.
Nach diesen vorbereitenden Bemerkungen gehe ich nun
zu den Personalien des soeben in Monaco als Schwindler
verhafteten Dr. Glattstern über. Um jedoch bei dieser
Gelegenheit das alte Spruch wort „Ein Unglück kommt
selten allein** durch ein neues Beispiel zu belegen,^) erlaube
*) Bereits ün ersten Bande meiner „wissenschaftlichen Abhandlungen"
(Anmerkung S. 304 ff.) habe ich vom Standpuncte der erweiterte» Eanm-
anschauung auf den metaphysischen Ursprung solcher zeitlichen Coinci-
denzen von Ereignissen hingewiesen, indem ich am Schlüsse meiner hierauf
bezüglichen Betrachtungen wörtlich Folgendes bemerkte:
,^ehnliches gut . . für das gleichzeitige und unabhängige Auf-
tauchen neuer Ideen, für die einem jeden Dirigenten einer chirurgischen
Klinik bekannte zeitweise Häufimg ganz gleichartiger Verletzungen,
ohne auch nur entfernt einen ursächlichen Zusammenhang nachweisen
zu können. Auch glaube ich nicht, dass es auf einer subjectiven
Täuschung beruhe, wenn ich behaupte, dass das Auftreten von Unglücks-
fällen mit ganz übereinstimmendem Charakter zeitlich in Gruppen
vereint stattfindet, trotzdem räumlich die grössten Verschiedenheiten
vorhanden sein können. Namentlich das Zweifache scheint hierbei eine
Kelle zu spielen, wie denn bereits im Volksmunde diese Thatsache in dem
bekannten Sprichworte : „ „Ein Unglück kommt selten allein" " auf einer
stereotypen Beobachtung zu beruhen scheint. Die neuere Statistik wird
hierüber bei genügender Kritik mehr licht verbreiten."
186
ich mir hier zugleich den Lebenslauf des Kaiser- Attentäters
Dr. Nobiling mitzutheilen, der in demselben Jahre 1876 und
fast gleichzeitig mit Dr. Glattstern von der philoso-
phischen Facultät der Universität Leipzig mit den „höchsten
Ehren" eines Leipziger Doctor philosophiae gekrönt worden ist.
Lebensläufe zweier von der Leipziger Universität
im Jahre 1876 promovirten Verbrecher.
Karl Nobiling.
„Am 10. April des vielbewegten
Jahres 1848 erblickte ich in der
königlichen Domaine KoUno bei
Birnbaum in der Provinz Posen,
deren Pächter mein Vater war, das
licht der Welt. Den ersten Unter-
richt erhielt ich von einigen Haus-
lehrern, von denen ich mich nament-
lich dem letzten, dem damaligen
Candidaten der Philologie, Herrn
Friedrich Liepe, dessen Grund-
satz bei der Erziehung es war, seine
Zöglinge nicht nur möglichst viel-
seitig in wissenschaftlicher Beziehung
auszubilden, sondern sie eben so sehr
auch für das spätere praktische
Leben vorzubereiten, zu besonderem
Danke verpflichtet fühle. Dasselbe
Princip „non scholae^ sed mtae^\
war das leitende auf dem königlichen
Pädagogium zu ZüUichau, welches
ich darauf besuchte und nach zu-
rückgelegter Schule widmete ich mich
zunächst drei Jahre der praktischen
Landwirthschaft, studirte darauf drei
Semester Staatswissenschaften und
Landwirthschaft in Halle a/S. Von
Ostern 1874 bis Ostern 1875 studirte
ich dann nochmals dieselben vorher-
genannten Fächer in Halle und von
da (Ostern 1875) ab das 6. 7. und
gegenwärtige 8. Semester an hiesiger
Leipziger Universität.
Leipzig, im Mai 1876.
Karl E. Nobiling."
Simon Glattstern.
,Jch bin in Warschau 1853, am
6. Juni geboren, habe daselbst zuerst
das 4., von der 3. Classe an das 6.
deutsch - evangelische Gymnasium
besucht. 1869 begab ich mich nach
Wien, wo ich als Hörer inscribirt
wurde und habe daselbst theils
medicinische , theils historisch -lite-
rarische Studien betrieben. 1872
im Sommersemester setzte ich meine
medicinischen Studien an der Züricher
Universität fort, woran ich leider
schon im August, durch eine un-
glückliche Krankheit meines Augen-
lichtes fast vollständig berauht, ver-
hindert wurde. Nachdem ich die
Zeit von August 1872 bis October
1873 in verschiedenen Kliniken der
Schweiz, Deutschlands und meiner
Heimath Heilung für mein Augen-
leiden gesucht habe, begab ich mich
im October 1873 nach Leipzig, der-
artig wieder gesund, dass ich ohne
fremde Hülfe mich bewegen konnte,
doch des Vermögens, lesen und
schreiben zu können, vollständig
entbehrend. Ich inscribirte mich
daselbst in die philosophische Facul-
tät und beschäftigte mich haupt-
sächlich bis zum Augenblick mit
national -ökonomischen Studien, wel-
che ich nur mit Hülfe von Vorlesern
und Schreibern betreiben konnte.
Leipzig, im Juli 1876.
Simon Glattstern."
— 187 —
Die ferneren Schicksale Nobiling's sind bekannt. Ueber
Dr. Glattstern berichtet das „Leipziger Tageblatt" in ver-
schiedenen Nummern wörtlich Folgendes:
jjjeipzig, 30. Januar. Am heutigen Abend sind zwei Beamte
des hiesigen königl. Landgerichts nach Monaco abgereist, um einen
dort zur Haft gebrachten Dr. Glattstern, welcher von hier aus wegen
verschiedener unehrenhafter Handlungen verfolgt wird, in Empfang zu
nehmen und hierher zu bringen."
L. T. 31. Jan. 1880. 4. Beilage.
„Leipzig, 6. Februar. Am heutigen Morgen sind die beiden
Beamten des hiesigen königl. Landgerichts, welche nach Monaco
abgeschickt worden waren, um den dort verhafteten Dr. Glattstern in
Empfang zu nehmen, mit dem Arrestaten glücklich hier angekommen.
Letzterer ist hier vorläufig in der königl. Gefangenen -Anstalt unter-
gebracht worden."
L. T. 7. Febr. 1880. 3. Beilage.
„Chemnitz, 4. Februar. Der Schwindler Dr. Glattstern, welcher
auf Veranlassung der Leipziger Staatsanwaltschaft jüngst in Monaco ver-
haftet wurde, dürfte vielleicht identisch mit einem Studenten gleichen
Namens sein, der zu Anfang der siebziger Jahre in Zürich von sich reden
machte. Dort studirte eine Zeit lang ein gewisser Glatt stern, angeblich
aus Polen gebürtig, welcher in Zürich mit zwei jungen reichen Amerikane-
rinnen, die mit ihrer Tante den Continent bereisten, bekannt wurde. Die Folge
war, dass er sich in eine derselben rasend verliebte. Ob die junge Dame,
die als Kokette in der ganzen Stadt bekannt war, ihn zu dieser Liebe auf-
gemuntert hat, weiss ich nicht, es ist aber bei dem Charakter derselben
wohl wahrscheinlich. Genug, Glattstern war bis über die Ohren in die
junge Dame verliebt, und da dieselbe fortfuhr, auch andere junge Männer
zu begünstigen, so ward er von der schrecklichsten Eifersucht gepeinigt.
Eines Tages unternahmen die beiden Amerikanerinnen in Begleitung ihrer
Tante und mehrerer Herren einen Ausflug nach Luzern und von dort nach .
Waeggis, von wo sie sich zu Fuss nach Brunnen begeben wollten. Auf
diesem letzteren Wege nun trat Glattstern, der, von dem Ausfluge
unterrichtet, der Gesellschaft heimlich gefolgt war, in ganz verwildertem
Zustande auf letztere zu und begehrte die erwälmte junge Dame zu sprechen.
Die Herren wollten Diesem zwar wehren, allein die Dame bewilligte selbst
die gewünschte Unterredung, nachdem Glattstem ihr einige leise Worte
zugeflüstert hatte, und bat ilii*e Begleiter, inzwischen voran zu gehen.
Elaum waren Letztere jedoch einige Schritte entfernt, als sie zwei Schüsse
fallen hörten: Glattstern hatte seine Geliebte und dann sich selbst zu
tödten versucht. Zum Glück war ihm Dies nicht gelungen ; die Dame war
nur leicht, er schwerer verletzt. Glattstern wurde verhaftet, auf Ver-
wendung der jungen Dame aber bald wieder freigelassen. Kurze Zeit darauf
war er von Zürich verschwunden. Auch die beiden Amerikanerinnen ver-
— 188 —
Hessen so schnell wie möglich diese gastliche Stadt, in welcher sie so
unliebsam Gegenstand des Tagesgesprächs geworden waren. — Wie gedagt,
liegt die Vermuthung nahe, dass der Abenteurer von damals identisch mit
dem jetzigen Schwindler ist."
L. T. 7. Febr. 80. 3. Beil.
„lieber die Verhältnisse des in Monaco verhafteten Dr. Glattstern
wird uns noch mitgetheilt: Glattstern ist in Warschau geboren und
mosaischen Glaubens. Er ist nach Leipzig bereits 1873 im Wintersemester
gejfommen. lieber sein Vorleben erzählt man in gut unterrichteten Kreisen
Folgendes. Als er in Zürich Medicin studirte, hat er mit einer Ameri-
kanerin ein Liebesverhältniss angeknüpft. Ein Verdacht gegen die Treue
seiner Geliebten veranlasste ihn zu einem Mord- und Selbstmordversuch.
Der Dame soll er eine Kugel durch den Hals gejagt haben, er selbst schoss
sich in den Kopf. Die Dame genas und auch Glattstern ist hergestellt
worden, aber ausser einer Narbe an der linken Seite der Stirn ist er durch
eine fast vollständige Erblindung gestraft worden. Die schweizerischen
Gerichte haben ihn freigesprochen. — In Leipzig studirte er Volkswirth-
schaft. betheiligte sich lebhaft an- allen möglichen studentischen Versamm-
lungen und zeichnete sich entschieden durch Wissen und Begabung aus.
Aber trotz seines Doctortitels , den er 1876 erwarb, wurde er von der
Mehrheit seiner Commilitonen sehr ungern gesehen und musste sich schliess-
lich gegen seinen Willen aus diesen Kreisen zurückziehen."
L. T. 5. Febr. 80. 1. Beil.
„Die „Dresdner Zeitung" theilt über den auf Eequisition der Leipziger
Staatsanwaltschaft in Monaco verhafteten Dr. Glattstern Folgendes mit:
Glattstern, der von Geburt Pole sein soll, tauchte im Jahre 1876 zuerst
in Leipzig auf, wo er mit Erfolg zum Dr. phil. promovirte, damals durch-
aus zurückgezogen lebte und nach erlangter Würde bald wieder abreiste.
Doch musste ihm Leipzig ganz besonders gefallen haben, denn vor länger
als einem Jahre kehrte er wieder dorthin zurück und fing nunmehr an,
von sich red^n zu machen. In dem aristokratischen Stadttheil, an einer
der belebtesten Strassen Leipzigs, miethete er eine grosse Wohnung, richtete
dieselbe auf das Eleganteste und Comfortabelste ein und war binnen Kurzem
in den exclusiven Kreisen Leipzigs ein gern gesehener Gast. An und für
sich nicht hübsch, ist Glattstern doch vom Scheitel bis zur Sohle ein
vollendeter Weltmann, äusserst belesen und Damen gegenüber von bezau-
bernder Liebenswürdigkeit. So kam es denn, dass ihm die Tochter eines
hohen Beamten ihr Herz schenkte, und bald war in der ganzen Stadt die
Verlobung dieser Beiden nur noch ein öffentliches Geheimniss. Hatte nun
Glattstern bis dahin im Geheimen schon ziemliche Schulden contrahirt,
so genoss er jetzt in Aussicht auf seine entschieden glänzende Heirath
überall einen weiteren Credit, und nur so erklärt es sich, dass ihm sein
Hauswirth z. B. allein 200Ü Mark lieh. Doch der Spruch Montecuculi's
schien auch das tägliche Gebet Glattstern 's zu sein, der, als ihm das
— 189 -
Borgen anfing, Schwierigkeiten zu machen, nunmehr, um Geld zu schaffen,
zu verwerflichen Mittebi seine Zuflucht nahm. So veranstaltete er u. A.
in seinen Kreisen für eine arme Familie, deren Ernährer wahnsinnig geworden
'ist, eine milde Sammlung, die ungefähr 1200 Mark ergah, von denen er
aber nur 300 Mark ablieferte und das übrige Geld in seine Tasche steckte.
Ein früher hier lebender Jurist, den er als Privatsecretär und Vorleser
engagirte, musste ihm eine Caution von 1500 Mark erlegen, auf gleiche
Weise prellte er einen anderen jungen Mann um 1000 Mark und verübte
noch eine ganze Reihe ähnlicher Schwindeleien, die wir heute gar nicht
alle aufzählen können. Kurz vor Weihnachten nun mochte Glattstern
einsehen, dass er sich unmöglich noch bis zur Hochzeit würde halten
können, denn eines Tages war er unter Mitnahme der werthvollen Uhr
semes Secretärs, die über 1000 Mark gekostet hat, von Leipzig verschwunden.
Doch der Schwindler soll seinem Schicksale nicht entgehen, denn, wie bereits
erwähnt, wurde Glattstern in Monaco verhaftet und ist in Begleitung
von zwei Polizeibeamten bereits auf dem Wege nach Leipzig, wo seiner
die wohlverdiente Strafe harrt."
L. T. 4. Febr. 80. 1. Beil.
Die Dissertation Glattstern 's ist zufällig in derselben
Druckerei (E. Polz) gesetzt, in welcher meine „wissenschaft-
lichen Abhandlungen" gedruckt werden und ein Schreiber,
der lange Zeit in Diensten des Dr. Glattstern gestanden
hat, ist gegenwärtig Corrector in der erwähnten Druckerei.
Ich erkundigte mich bei demselben nach Glattstern 's Per-
sönlichkeit und seinen Freunden. Bezüglich der ersteren
bestätigte er mir das auch von andern Seiten geäusserte
Urtheil, dass das ganze Auftreten des Mannes durch dasjenige
Benehmen charakterisirt gewesen sei, welches man in Deutsch-
land kurz als jüdische Frechheit und Arroganz bezeichnet.
Damen gegenüber soll jedoch Dr. Glattstern ein ausser-
ordentlich liebenswürdiges Benehmen an den Tag gelegt haben
wie ich von Collegen erfahren. Unter seinen Bekannten befand
sich auch der bereits im dritten Bande meiner „wissenschaft-
lichen Abhandlungen" S. 517 erwähnte Privatdocent der
Geschichte Dr. Eduard Meyer, der sich im akademisch-
philosophischen Verein gemeinschaftlich mit Dr Glattstern
an ostentativer Opposition gegen die ruhigen und objectiven
Vorträge betheiligte, welche Hr. stud. Moritz Wirth über
die von mir wissenschaftlich vertretene Realität der Experimente
S lade 's betheiligte. Ausserdem verkehrte damals der Privat-
docent Dr. R. Friedberg mit Glattstern.
— 190 —
Unter den obwaltenden Umständen und bei den wachsenden
Symptomen der sittlichen Verwilderung in unserem Vaterlande
halte ich mich sowohl der Leipziger Studentenschaft als den
Eltern unserer Studirenden gegenüber für moralisch ver-
pflichtet, die Erklärung abzugeben, dass der im dritten Bande
meiner Abhandlungen (S. 517) mitgetheilte Brief eines Freun-
des aus Hamburg, sich auf den Bruder des erwähnten Privat-
docenten Meyer, den Süidiosus philöl. C. E. Meyer^)
(geb. 1858 zu Hamburg) bezieht. Es geht aus diesem Briefe
hervor, dass der betreffende Student als Primaner Spottge-
dichte ^) auf seine Lehrer veröffentlicht hat und dafür gericht-
lich mit einer Geldstrafe belegt worden ist. Gleichzeitig hat
das LehrercoUegium unsere Universität bei der Immatriculation
des jugendlichen literarischen Verleumders gewarnt. Da ich
nicht Mitglied der Immatriculations-Commission bin, so sind
mir die Motive unbekannt, welche die Nichtbeachtung dieser
Warnung herbeigeführt haben. Dagegen beweist der Inhalt
der mir heut aus Hamburg übersandten Schrift durch die
lateinische Vorrede, mehrere lateinische Oden und andere
Beispiele philologischer Gelehrsamkeit, welche die gewöhnlichen
Kenntnisse eines Gymnasiasten übersteigen, dass hier eine hülf-
reiche Hand eines Gelehrten als Mitarbeiterin bethätigt sein
muss. Der nahe liegende Verdacht, es könne dies der Bruder,
und ehemalige Freund Dr. Glattstern 's, unser Privatdocent
') Wohnung in Leipzig Elisenstrasse 5.
'^) Mein Gewährsmann schreibt mir u. A. wörtlich, d. d. Hamburg
d. 20. August 1879:
„Das Lehrer -Collegium (oder der Director) hat sich an die Universität
Leipzig gewandt, und Meyer ist in Folge dessen zu einer Geldstrafe ver-
iirtheilt worden.*'
„Das Heft ist übrigens mit vollem Namen des Verfasser gedruckt
und enthält, wie ich mich bei flüchtigem Durchlesen überzeugt habe, einige
ganz nette Stückchen, daneben aber auch recht Gemeines, und besonders
Einer der Lehrer wird ganz unbegründeter Weise als der Flasche zQ
sehr ergeben dargestellt
Ich werde sehen, ob ich Ihnen gelegentiich ein Heft besorgen kaßö.
Das welches ich gesehen, war durch handschriftliche Zusätze noch verstärkt;
der Besitzer wollte es daher nicht fortgeben."
- lyi -
der Geschichte Dr. Ed. Meyer sein, ist nicht zuerst von nair,
sondern von anderer Seite ausgesprochen und durch besondere
Indicien begründet worden. Der lateinische Titel der erwähn-
ten Schrift ist mit dem folgenden Motto geschmückt:
„Nam castum esse decet pivm j^oetam
Ipsum, versiculos nihil necessest.
Catullr'
Als Druckort befindet sich folgende lateinische Angabe
auf dem Titel anoreffeben:
^jHamburgi. Ew iypogrophla FenUnandi Schlotki.
Anno MDCCCLXXIX."
Die Widmung lautet:
Unanimo Condiscipulorum CirculOy (piibus per complures annos
pleraque et bona et mala coinnmnia fuerunt , hunc libellum ut mncTnosy-
mm discedentia sodalis et anavium femportu/i monnmentiim sacrum esse
wUdt: o Kvmv.
Kvwv (der Hund) war nämlich der Spitzname des be-
WQSsten Hrn. Meyer auf dem Gymnasium gewesen, wie dies
ausdrücklich auf dem Titel des Buches durch den folgenden
Zusatz zum Namen Meyer bemerkt ist: „gwem vocant tov
Kvva*^. Wie naiv und bedeutungsvoll spricht hier die
Fügung durch scheinbare onomatische Zufälligkeiten ihr
Verdict aus!
Im vorliegenden Falle wird die Schamlosigkeit eines
Gymnasiasten seinen Lehrern gegenüber unbewusst durch
einen Spitznamen von seinen Kameraden angedeutet, während
der russische Vivisector Professor Cyon den gleichen Namen
schon als Mitgift auf die Welt gebracht hat, um erst viel
später durch sein Geständniss über die höchsten Genüsse
beim- Viviseciren (S. 25) die moralische Berechtigung seines
Namens kennen zu lernen. In noch überraschenderer Weise
tritt uns die geheimnissvolle Sprache der Schicksalsgöttinnen
bei dem tragischen Untergang der Napoleoniden entgegen.
Ans England wird heute ^) wörtlich Folgendes berichtet:
,yEngland. Ein Correspondent des „Gaulois" in London hat die
Kaiserin Eugenie in Chiselhurst gesprochen. Nach seiner Erzählung ist
^) Leipziger Nachrichten d. 18. Febr. 1880. Beilage.
~ 192 —
die Kaiserin fest entschlossen, die Fahrt zur Todesstätte ilu'es Sohnes
machen. Wie der „Gaulois" femer berichtet, gerieth die Kaiserin in grösi
Aufregung, als sie erzählte, dass Capitain Carey verlangt habe, sie
sehen. Sie könne sich vorstellen, dass der Zulu, der ihren Sohn getödt
sie zu sehen wünsche, und dass sie dem Wunsche willfahre, denn ihr SoJ
könnte seinen Gegner nach dem Kriegsrechte ebenfalls getödtet haben; ab
den Mann zu sehen, der ihren Sohn verlassen habe, könne sie sich nicl
entschliessen. Das Einzige, was ihr in Capitain Carey 's Bericht glaublic
erscheine, sei, dass der Prinz um zehn Minuten Aufschu
gebeten habe, ehe sie zu Pferde stiegen. Seit seiner früheste:
Kindheit habe er die Gewohnheit gehabt, um zehn Minutei
zu bitten; sein Spitzname war „Monmeur Dix Mimites^''.
Alle Denker von den ältesten Zeiten bis auf die Gegen
wart haben die hier angedeutete Thatsache der Beob
achtung anerkannt, ohne jedoch das hochmüthige Verlangei
der gegenwärtigen Generation zu stellen, dass für unsere:
beschränkten Verstand alle beobachteten Thatsachen noth
wendig sofort erklärbar sein müssten.
Schopenhauer (Parerga IL 243) sagt wörtlich:
„Schon Plato hat auf seine Weise, die Individualität eines Jede
als dessen freie That dargestellt, indem er ihn, in Folge seines Herzens un
Charakters, als einen Solchen darstellt, wie er ist, mittelst der MeteD
psychose, geboren werden lässt. {Phädr. p. 325 sq. voL X. ed. Bip. — L
legib. X. p. 106. ed. Bip.) — Auch die Brahmanen ihrerseits drücken d
unveränderliche Bestimmtheit des angeborenen Charakters mythisch dadurc
aus, dass sie sagen, Brahma habe bei der Hervorbringung jedes Mensche
sein Thun und sein Leiden, in Schriftzeichen auf seinen Schädel gegrabe
gemäss denen sein Lebenslauf ausfallen müsse. Als diese Schrift weisen sie d
Zacken der Suturen der Schädelknochen nach. Der Lihalt derselben s
eine Folge seines vorhergegangenen Lebens und dessen Thuns. (Siehe lettre
edifiantes, Mition de 1819, Vol. 6. p. 149, et Vol. 7 . p. 136.) Diesel)
Einsicht scheint dem christlichen (sogar schon paulinischen) Dogma von d
Gnadenwahl zum Grunde zu liegen.*'
„Das Eesultat aber ist ein moralisches, nämlich Dieses, dass w
an Dem was wir thun, erkennen was wir sind, wie wir an Dei
was wir leiden, erkennen was wir verdienen."
Goethe bekennt in den „Orphischen Urworten"^) seini
Glauben an jene uns unbewusste intelligente Leitung unser
Schicksale durch folgende Verse:
Gocthe's Werke in 40 Bd. (Cotta 1853) Bd. HL S. 381.
- 1^3 —
/^alfimv^ Däraoii.
„Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Grusse der Planeten,
Bist alsohald und fort und fort gediehen
Nach dem Gesetz wonach du angetreten.
So musst du sein dir kannst du nicht enttiiehen,
So sagten schon Sybillen, so Propheten:
Und keine Zeit und keine Matht zerstückelt
Greprägte Form, die lebend sich entwickelt/*
Wenn man diese Ur worte G o e t h e 's auf die G ebrüder Meyer
aus Hamburg anwendet, so ist ihnen „nach dem Gesetz, wo-
nach sie angetreten**, ein schlechtes Prognostikon zu stellen.
Dass sie sich dessen ungeachtet in materieller Beziehung durch
ihre literarischen Pähigkeiten eine glänzende Zukunft yerschafFen
und es dereinst ebenso weit wie Hr. Rudolf Löwenstein,
als Redacteur des Kladderadatsches, und Hr. Kletke, als
Kedacteur der Vossischen Zeitung, bringen können, daran
zweifle ich gar nicht. Ist diesen „Dichtern" doch bereits die
Ehre zu Theil geworden, dass unter 21 geistlichen Liedern für
die Unterstufe der Berliner Schuljugend nicht weniger als 4
vonRudolf Löwenstein, und unter 21 geistlichen Liedern
ffir die zweite Stufe ebenfalls 4 von dem Chefredacteur der
Vossischen Zeitung- gedichtet und mit ihrem Namen unter-
zeichnet sind. In einer Art von Literaturgeschichte für die
Oberstufe sind 45 vaterländische Dichter biographisch ge-
schildert, unter denen sich auch Rudolf Löwenstein be-
findet — aber ohne Proben aus seinen Dichtungen.^)
*) Vergl. die Sitzung des Preuss. AbgeordnetenliauseK v. 11. Febr. 1880.
Der Abgeordnete Stöcker bemerkt hier in seiner Eede wörtlich:
„In allen Simultanschulen und neu eingerichteten Berliner Schulen
wird das Böhm 'sehe I^sebuch gebraucht. Herr Böhm ist der einzige
Herr, welchen Herr Falk zu seiner Schulkonferenz eingeladen, welcher
erklärte, das Christenthum müsse nicht confessionell gelehrt werden. . . .
Von den geistlichen Liedern auf der Unterstufe sind unter 21 nicht weniger
als 4 von Eudolf Löwen st ein, dem Redacteur des Kladderadatsch. Auf
•der zweiten Stufe sind von 21 ebenfalls 4 von dem Chefredacteur der
Vossischen Zeitung! Auf der Oberstufe sind 45 vataÄndische Dichter
biographisch geschildert, 44 mit einer Probe ihrer Werke, nur einer olme
solcho Probe — Eudolf Löwenatein." (Nach der Post v. 13. Febr. 1880.)
') Ein Vergleich, auf welchen Hr. Helmholtz in seiner Schrift „das
Denken in der Medicin" (S. 34 u. 27) hinweist; Schopenhauer hatte sich
nämlich über den auch von Hrn. E. du Bois-Eeymond anerkannten
„Schein unredlicher Handlungsweise" geärgert, welchen Helm-
holtz durch Ignorirung der erkenntnisstheoretischen Arbeiten Sehe pen-
h au e r \s an den T^g gelegt hatte. Er verglich sich hierbei mit dem Montblanc
und Helmholtz mit einem Maulwurfshaufen. — (Vgl. meine Schrift „Zur
Aufkläning des deutschen Volkes" S. 88.)
- 194 —
Mein Hamburger Freund schrieb mir u. A. über die
Mey er'schen Spottgedichte, dass sie „einige ganz nette Stück-
chen, daneben aber auch recht Gemeines enthalten. Ich
glaube, dass dieses Urtheil unverändert auch auf den Klad-
deradatsch angewendet werden darf, von dessen „netten Stück-
chen" ich ja selber das der Verherrlichung Lasker's ge-
widmete Gedieht: „Unpersönlich" so oft als irgend möglich
ohne Bedenken neben Gedichten von Uhland, Schiller,.
Goethe und andern deutschen Dichtern abzudrucken wage.
Dessenungeachtet würde ich mich hüten, bei der heranwach-
senden S chuljugend die Illusion zu erzeugen, als ob zwischen
den Dichtem des Kladderadatsch im Vergleich mit den Heroen
unserer vaterländischen Literatur nicht ein ebenso grosser sitt-
licher und ästhetischer Kangunterschied existire, wie geologisch
„zwischen einem Maulwurfshaufen und dem Montblanc" —
um mit Schopenhauer^) zu reden. Es kommt doch stets
darauf an, ob bei einem Menschen als sittlicher Grundton die
Gemeinheit und jüdische Frechheit oder der ideale
Trieb nach sittlicher Erhebung und wahrer Aufklärung seiner :
Mitmenschen vorhanden ist. Ob auch das folgende Gedicht
in der letzten Nummer des Kladderadatsch (15. Februar 1880)
von Herrn Rudolf Löwenstein verfasst ist, der nach dem
parlamentarischen Urtheil meines Collegen H ä n e 1 „ der
deutschen Literatur und dem deutschen Volke als der Dichter
der herrlichsten Kinderlieder bekannt ist", weiss ich nicht.
Dass es aber ein gemeines Gedicht ist, indem es eine directe
Aufforderung des Volkes zu thätlichen Rohheiten gegen den
Magnetiseur Hansen in Wien und gegen mich nebst meinen
Freunden enthält, das wird hoffentlich auch mein College
Hänel als „Jurist", ebensowenig wie mein College Bin ding
Ci
— 195 —
als „Criminalist^' oicht in Abrede stellen wollen. Das be-
treffende Gedicht nebst praktischen Erläuterungen von Seiten
der Bedaction des Kladderadatsch lautet wie folgt:
„Zeitgemäss, namentlich für Wien."
„Ich mußs daran erinnern, dass ich einmal die Verse ') gedichtet habe :
,,„Und ich fühlte mich ein Mannsen,
Ich gedachte meiner Pflicht,
Und ich hieb dem langen Hansen
Gleich die Schmarre durch's Gesicht.**"
Damit habe ich, wie mir scheint, angedeutet, wie mit Spiritisten und
Ifagnetiseuren in Wien und anderwärts praktisch umzugehen ist.
Goethe, verstorbener Dichterfürst."
Um nun dem Dichter der „herrlichsten Kinderlieder"
auch meine Belesenheit in Goethe 's Werken zu beweisen,
and ihm zu zeigen, dass der verstorbene Dichterfürst dem
deutschen Volke auch Kathschläge ertheilt hat, wie mit jüdischen
JBecensenteh „praktisch umzugehen ist", wenn sie Lust be-
iommen, wie ihr Stammesgenosse, der Begründer der deutschen
Socialdemokratie , Ferdinand Lassalle, zu Thätlich-
*) Die obigen Verse sind in dem Gedichte „Kechenschaft" von Goethe
enthalten. Der „Dichter der herrlichsten Kinderlieder" hat aus Rücksichten
der Unpersönlichkeit und aus Furcht, von Herrn Hansen ebenso erfolg-
reich wie jüngst von Fürst v. Bismarck mit einer Beleidigungsklage beehrt
za werden, die unmittelbar vorangehenden Strophen im obigen Gedichte
anterdrückt, trotzdem sie mit Eücksicht auf den Knalleffect der Hansen'-
sehen Produetionen wie berechnet erscheinen. Dieselben lauten nämlich
wie folgt:
„Einem armen kleinen Kegel,
Der sich nicht besonders regt.
Hat ein ungeheurer Flegel
Heute grob sich aufgelegt."
Offenbar wäre hier das Wort „Flegel" mit directer Anspielung auf
ftm. Hansen in „juristischem" Sinne eine Injurie gewesen, für welche
die Bedaction des Kladderadatsch erfolgreich von Hm. Hansen hätte ver-
klagt werden können. Ob jedoch die Aufforderung, Hni. Hansen imd den
tJBpiritisten und Magnetiseuren in Wien und anderwärts" gleich „den
Schmarren dnrch's Gesicht zu hauen" nicht strafrechtlich zu verfolgen
sei, namentlich wenn dies von tödtlichen Folgen — (gleichgültig ob zeitlich
oder cansal) — begleitet ist, darüber werde ich mir erlauben einen auf diesem
G«biete praktisch erfahrenen criminalistischen Collegen zu Eathe zu ziehen.
13*
— 196 —
koiten überzugehen, erlaube ich mir hier folgendes, im zweiten.
Bande der Goethe- Ausgabe in 40 Bänden (Cot ta 1853)S. 201
befindliches Gedicht den Gelehrten des Kladderadatsch und
solchen^ die es werden wollen, angelegentlich zur Beherzigung
zu empfehlen:
„Der Recensent.
Da hatt' ich einen Kerl zu Gast,
Er war mir eben nicht zu Last;
Ich hatt' just mein gewöhnlich Essen, jt
Hat sich der Kerl plumpsatt gefressen, Is
Zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt'. ^
Und kaum ist der Kerl so satt, ^
Thut ihn der Teufel zum Nachbar führen,
Ueber mein Essen zu räsonniren:
„„Die Supp' hätt' können gewürzter sein,
Der Braten brauner, fimer der Wein.""
Der Tausendsakrament!
Schlagt ihn todt den Hund! Es ist ein Eecensent!"
Goethe.
Mein College Hänel wird mir selber beipflichten, dass ^
diesen Worten unseres verstorbenen Dichterfürsten Goethe
gegenüber die seinigen zur Vertheidigung der Dichter deej
Kladderadatsch gegen Hm. Stöcker vollkommen verblassen.
Dm jedoch dem „gebildeten" deutschen Fortschrittsmann diesen
Yei^leich zu erleichtern, lasse ich hier seine eigenen Worte.
wach der bereits oben erwähnten Quelle folgen:
„Herr Stock er rügt, dass Löwen stein 'sehe Kindergedichte in dem-
Berliner Lesebuch stehen. Ja dieses Bedauern liegt an der grossen ün-,
wissenheit des Herrn Stöcker in dieser Beziehung. Der deutschen Literatur .
mul dem deutschen Volke ist Hen* Löwenstein als der Dichter der herr- ]
luchsten Kinderlieder bekannt. Herr Stöcker wird es nicht wagen, hier |:2
diose Gedichte vorzulesen, da sie gewiss mit dem freudigsten und aner
VouuiMidsten Beifall aufgenommen werden würden.*'
Genau das Gleiche kann ich von einigen Gedichten des \
Sljlihrigen Gymnasiasten Meyer behaupten, z. B. den fol- .
Sijv«den, unserem Reichskanzler gelegentlich des glücklich ab-
j<^»*ohlossenen Berliner Friedens gewidmeten Versen:
„An den Fürsten von Bismarck, den 19. Juli 1878."
„Dir, der Frieden und Kuh den Völkern Euroi)as gegeben,
Wünschen aus Friedrichsruh Frieden und Kühe auch wir.''
loh will nicht gerade behaupten, dass meine „gebildeten
rollo)|[tm Hänel, Virchow imd v. Sybel diese Wünsche j
«( :
— 197 --
jungen Meyer theilen, aber ich wüsste in derThat nicht, wes-
> man nicht dieses Distichon eines Gymnasiasten, trotz seiner
tigen literarischen „Gemeinheiten"^) ebenso gut wie viele
') Mein Hamburger Freund, der zu den an^cschenston Bürgern der
t gehört, schreibt in seinem Briefe u. A:
„Der durch früheres, wohl zu reichliches lx)b eitel gewordene Jüngling . . .
vor seinem Abgang dazu veranlasst — es soll ein Jude besonders
p gewirkt haben, — seine kleinen Dichtungen für seine Freunde drucken
issen, und es ward eine Sub8c*ription eröffnet. . . Das Heft ist übrigens
Yollem Namen des Verfassers gedruckt und enthält einige ganz nette
kchen, daneben aber auch recht Gemeines und besonders Einer der
er wird ganz unbegri'mdeter Weise als der Flasche zu sehr ergeben
:estellt. Das liChrer-Collegium (oder der Director) hat sich an die
rersität Leipzig gewandt, und Meyer ist in Folge dessen zu einer
Istrafe verurtheilt worden."
Ich habe schon oben bemerkt, dass ich weder an der betreffenden Sitzung
jrerFacultätnoch an den Verhandhmgen derlmmatriculations-Commission
il genommen habe und daher die Motive nicht kenne, welche bei meinen
egen die Bedenken beseitigt haben, ein bereits wegen öffentlicher Belei-
ingen bestraftes Individuum zu immatriculiren oder zu exmatriculiron,
; die Immatriculation bereits erfolgt war. Was die Gemeinheit der
f er 'sehen Muse betrifft, so erinnert sie lebhaft an die Gemeinheit der
e von CarlVogt in seiner zoologischen Transfiguration. Auch dieses
ist in seiner ganzen (femeinheit nur fiir Studentinnen der Medicin
susgewachsene Männer verständlich. Da aber unsere „Gebildeten"
sittlicher Entrüstung ein- Verbot solcher Bücher wie Carl Vogt 's
»an und Mittelmeer'* als Attentat auf die verfassungsmässig dem deut-
a Volke garantirte Pressfreiheit zurückweisen würden, so wird man es
oicht mit „sittlicher Entrüstung** zum Vorwurfe machen können, wenn
folgende Schlussverse eines Meyer 'sehen G^ichtes („das Lied vom
jnwnrme**) zur Charakteristik der Muse des 21jährigen Gymnasiasten
heile. Dieselben lauten wie folgt:
„So lasst uns denn die I Nebenbahn
Mit gleicher Vorsicht wandeln.
Und sollte etwas Uebles nah'n.
Gleich ihm mit Weisheit handehi.
Und wir, die heut zuerst uns hier
Als Wurmcsglieder fühlen
Und von dem ganzen lieben Tier
Die SchwanzcsroUc spielen.
Wir wollen, wie der Schwanz es pflegt,
Dass er sich stets am meisten regt.
So auch vom ganzen Wurmverein
Die allerregsten Glieder sein!*'
— 198 —
Gedichte von Löwenstein und Kletke in Schulbücher für
die deutsche Jugend aufnehmen sollte, wenn man diejenigen
Argumente konsequent zur Geltung bringen wollte, mit
welchen Hr. Professor Hänel den Abgeordneten Stock er
bekämpft. Denn was soll ein anständiger Leser zu den
folgenden Worten eines „gebildeten" deutschen Professors
sagen, der sich auf der Tribüne des preussischen Abgeordneten-
hauses nicht scheut, das Volk durch handgreifliche Sophismen
sittlich zu verwirren und die Argumente seines aufrichtigen
Gegners mit den banalen Phrasen einer advocatorischen Taktik
zu entkräften. Der deutsche Jurist, Professor Hänel 9 er-
widert Hrn. Stöcker wörtlich Folgendes:
„Ausser Hm. Stock er weiss jeder gebüdete Mensch, dass Hr. Kletke
ein bedeutender lyrischer Dichter ist, und als solcher viel bekannter wiia
als Eedacteur der Vossischen Zeitung. Nein, Herr Stock er, kommen SL^
doch mit anderen Argumenten, diese mögen in einer Yolksversammluik^
ungebildeter Menschen anwendbar sein und ihren agitatorischen Zweelc
erfüllen, aber in einer gebildeten Versammlung ziemen sie sich nicht Henr
Stock er ging dann zu Angriffen gegen ein Lehrbuch der bibüschesi
Geschichte über, um Herrn Stadtschulrath Bertram anzugreifen. Aber
die Gründe waren hier ebenso schwach wie vorher. Herr Stock er wird
doch nicht in seiner pädagogischen Eichtung die biblische G^schidrte
unbesehen in die Hände der Schüler legen wollen! Seine allgemeinen Vor-
würfe ^egen das Berliner Schulwesen gipfelten schliesslich in dem einzigeii
schlagenden Beispiel, dass seine Confirmanden die Geschichte von der Krank-
heit und Genesimg des Königs Hiskias nicht kannten. Von diesem
Geschichte, ehrlich gestanden, weiss auch ich kein Wort (Stürmisch»
Heiterkeit hnks), — ich fordere die Herren auf der Eechten auf, sich iH-.j
melden, die von dem kranken und gesunden König Hiskias genau unter-:|(ii
richtet sind. (Erneute Heiterkeit.) Zum Schluss hat der Abg. StöckeT*:
gesagt, Gott habe auch über das liberale System gerichtet. Das ist einer 4
Anmassung (Unruhe rechts), die die schärfste Zurückweisung verdient. Ist;^
denn Herr Stock er hier zum Eichten berufen im Namen Gottes? Eiaä
Standpunkt, der sich mit solchen Eedewendimgen hier einführt, den habe
ich im Verdacht der Heuchelei und Ueberhebungl (Stürmiscl»;
Unterbrechung rechts, laute Zurufe der Zustimmung links.)
Präsident v. Koller: Herr Abg. Hänel, der Ausdruck „Heuchelei"
ist absolut unparlamentarisch, und rufe ich Sie deshalb zur Ordnung!
(Beifall rechts.)"
Ich bedaure, dass Hr. Hofprediger Stöcker nicht auf den,
Gedanken gekommen ist, an Herrn Professor Hänel vor ver^
sammeltem Hause die Frage zu richten, ob er ihm die deutschea
— 199 —
Kaiser nebst Regierungszeiten hersagen oder sonst irgend eine
Frage beantworten könne, welche ihm als Tertianer oder
Confirmanden ohne Weiteres geläufig war. Und nur von Con-
firmanden hatte ja Hr. Stöcker gesprochen! Hr. Professor
Hänel schämte sich also nicht einmal als Volksvertreter
einen bekannten rhetorischen Kunstgriff anzuwenden, bei wel-
chem man in geschickter Weise der Behauptung seines Geg-
ners unbemerkt einen falschen Inhalt unterschiebt, und dann
gegen diesen gefälschten Inhalt polemisirt. Auch ich weiss
nichts mehr von der Geschichte des Königs Hiskias und noch
viel weniger von Hrn. Kl et ke 's Gedichten, obschon ich
glaube, als Confirmande des von mir hochverehrten Predigers
Berduscheck und als Schüler des Predigers Eyssenhardt
auf dem Köllnischen Gymnasium von jener Geschichte vor
25 Jahren etwas gewusst zu haben. Bei meiner vollkommenen
ünkenntniss der Kletke 'sehen Gedichte muss ich aber nach
der parlamentarischen Definition von „Bildung*^ zu den un-
gebildeten Menschen gerechnet werden. Um jedoch meinen
CoDegen Hänel, Virchow, v. Sybel u. A. zu beweisen,
dass sie durch derartige Proben von Beredtsamkeit beim deut-
«chen Volke nicht nur die Achtung vor dem Professorenthum,
aondem auch das Ansehen des von ihnen so sehr gepriesenen
Purlamentarismus untergraben, erlaube ich mir hier einige
bitische Worte aus der höchst liberalen, ich glaube sogar
fortschrittlichen „Berliner Zeitung" gelegentlich der letzten
parlamentarischen Controverse des Hm. Professor v. Sybel
anzuführen. Dieselben werden von der im Allgemeinen an-
ständigen frei-conservativen Post vom 12. Februar 1880, zu
deren Abonnenten ich selbst gehöre, wie folgt citirt:
.... „Die Herren nehmen sich Ungezogenheiten heraus, welche nicht
die Grotter des alten Griechenland, sondern nur diejenigen eines — Jacques
Offenbachsich gestatten" .... „Die Herren benehmen sich nicht wie
wohlerzogene Männer, sondern wie Schulbuben, wenn sie sich an den Ohren
ziehen nnd sich mit Verbal- imd Kcal -Injurien überhäufen" .... „Nur
die Mamelucken des Napoleonischen Kaiserreichs traten die Würde des
Farlamentarismus in Europa in solcher Weise mit Füssen, wie am 7. und
9. Februar die Kepräsentantcn des Preussischen Volkes .... Wahrlich!
wir dächten — am Dönhofsplatz tagten die Faschingsnarren, wüssten wir
nicht, dass unsere Abgeordneten 1 5 Mark Diäten beziehen, also den nöthigen
— 200 —
Ernst besitzen, ihre Narreteien sich bezahlen zu lassen .... „Allerdings^
schneiden die Herren komische Grimassen, sie machen allerlei Kapriolen
und schlagen mit der Pritsche um sich — aber das Lachen vergeht uns,
wenn wir bedenken, dass dieses Parlament die gesetzgebende Körperschaft
unseres Vaterlandes bildet!" ...... Es ist in der That die höchste Zeit,
dass das Abgeordnetenhaus seine Pforten schliesst — schon beklagt sich
der „Aujust" im Cirkus Benz, dass ihm von den Herren in der Jjeipziger-
strasse eine schädliche Konkurrenz gemacht werde! ..."
Wie man sieht, sind die vorstehenden Worte über das
parlamentarische Benehmen deutscher Professoren derb, sehr
derb, so dass man in Versuchung kommt, den Kritiker für
einen begeisterten Verehrer unserer beiden Dichterfürsten
Schiller und Goethe zu halten. Denn Schiller, der
Lieblingsdichter der deutschen Frauen, war doch gewiss ein
anständiger und gebildeter Mann auch vor dem Richterstuhle
der „Post" und dennoch schrieb er^) an Goethe:
„Es schadet uns Nichts, wenn man uns für unbändig und ungezogeo
hält. Den Deutschen muss man die Wahrheit so derb sagen als möglich."
Goethe aber als dienstbeflissener Freund und Verehrer
Schiller's gibt sofort den praktischen Beweis seiner Zu-
stimmung zu dieser Maxime, indem er sein obiges Gedicht
„Der Recensent" mit der socialdemokratischen und höchst
persönlichen Bemerkung schliesst:
„Schlagt ihn todt den Hund! Es ist ein Kecensent!"
Bei einer solchen Uebereinstimmung in der Sprache und
Ausdrucksweise unserer grössten Dichter und Denker (auch
Kant, Schopenhauer, Lessing leisten hierin etwas) über
Recensenten und Professoren, wundert es mich nur, dass letztere so
eifersüchtig darüber wachen, dass der Professor-Titel, abgesehen
von Physikern auf der Messe, keinen anderen Mann schmücke,
trotzdem das Volk viel mehr von ihm lernen kann, als von
allen Salon- und Amselprofessoren zusammengenommen. Es
gibt sehr wenige unter den lebenden und mir persönlich
bekannten deutschen Professoren, von denen ich eben soviel Be-
lehrung und eine solche Bereicherung meiner Kenntnisse em-
pfangen habe, wie von dem dänischen Magnetiseur „Professor*^
Hansen, und zwar abgesehen von der ihm eigenthümlichen
biomagnetischen Kraft.
^) Brief^^echsel I. 70., II. 206.
- 201
Solche ordentlichen Professoren aber, welche in der That
etwas Ausserordentliches verstehen und hierdurch das Volk
belehren können, sind allen übrigen Professoren ein Gräuel.
Die einfachsten Pflichten der Gerechtigkeit und des moralischen
Anstandes glaubt man solchen Männern gegenüber aus den
Augen setzen zu können, sobald sich die vielgepriesene „Wissen-
schaft" derjenigen Thatsachen bemächtigt hat, deren Kennt-
nisfl wir jenen seltenen Männern und ihrem unerschrockenen
Auftreten fiir die Wahrheit verdanken. Hier ein Beispiel als
Beweis fiir meine Behauptung. Das „ Professorenblatt " ^), die
Berliner Nationalzeitung, hatte in ausführlicher Weise über die
interessanten biomagnetischen Versuche berichtet, welche Pro-
fessor Berger aus Breslau vor einer Versammlung von ärzt-
lichen Autoritäten in der Berliner Charit^ angestellt hatte.
Professor Berger hatte an die Möglichkeit derartiger Ver-
suche ohne Zweifel erst durch eigene Beobachtung der
Hansen 'sehen Experimente glauben gelernt, und ich zweifle
nicht einen Augenblick daran, dass Hr. Professor Berg er wie
jeder andere ehrliche und anständige Gelehrte, dem die wissen-
schaftliche und praktische Tragweite dieser Thatsachen ein-
leuchtet, Hrn. Hansen aufrichtig dankbar sein wird, dass er
ööbekümmert um das zelotische Geschrei der Berliner Juden-
presse und das kindliche Gebahren von Professoren der so-
gfenannten Philosophie in Leipzig und Dresden, in öffent-
'ichen Vorstellungen fiir Jedermann Beweise von der Rea-
"Ät der ihm in besonders hohem Grade eigenthümlichen
^omagnetischen Kraft geliefert hat. Denn nur hierdurch war
^^ möglich, dass auch ängstliche Gelehrte, von denen
^^utschland strotzt , ohne Gefährdung ihres sogenannten
'^ösenschaftlichen Rufes zunächst aus siqherem Verstecke Hm.
^^^nsen beobachten konnten, um alsdann, nach gewonnener
^Überzeugung von der Realität seiner Kraft, in nähere Ver-
^*idung mit ihm zu treten. Diese einfachen Erwägungen sind
'^1^ die „anständige" Berliner Presse zu hoch; sie schreitet
^^»1n in Arm mit den Koryphäen der Wissenschaft auf dem
^) Dieser Titel ist jener Zeitung von Hm. ür. Dühring beigelegt
^^^en. Vgl. das vor Kurzem von ihm erschienene Buch „Robert Mayer".
I
— 202 —
einmal „ principiell " betretenen Wege rückwärts voran, unbe-
kümmert, ob sie sich hierdurch bei allen billig und anständig
denkenden Lesern blamire ; nur immer hübsch consequent, da-
mit die Gewissensbisse Lasker's über Veränderlichkeit nicht
auch die „National -Zeitung" in ihrem letzten Stündchen be- |
unruhigen. Dieselbe berichtet in ihrer Nummer vom 17. Febr. "
1880 (1. Beiblatt) wörtlich Folgendes über Hm. Hansen:
„„Professor"'* Hansen hat in Wien lange genug sein Unwesen
getrieben. Nun hatte wie erwähnt, die Wiener Polizeibehörde sich an das
Decanat der medicinischen Facultät mit der Anfrage gewandt, ob die
Manipulationen für die Individuen bedenklich seien. Das Decanat bejahte
die Frage und stellte den Antrag auf Sistirung der Produetionen. Besser
noch machte es die Pester Behörde. Hansen hatte mit dem Director
des dortigen deutschen Theaters einen Vertrag abgeschlossen. Die Pester
Polizei verbot jedoch die Vorstellungen, noch bevor Herr Hansen in
Pest eintraf."
Ich hege die Erwartung, die Nationalzeitung werde einst
mit ebenso grosser sittlicher Befriedigung ihren Lesern die
Nachricht naittheilen, dass die Frage, „ob die Manipulationen
der Vivisectoren für die dabei betheiligten Individuen be- ;
denklich seien", vor dem Kichterstuhl des deutschen Volks-
gewissens entschieden bejaht und in Folge dessen die |
Schliessung sämmtlicher Vivisections- Anstalten polizeilich an-
geordnet worden sei. Um aber nun zugleich der National- ;
Zeitung einen weiteren Beweis für meine bereits an einem
anderen Orte^) ausgesprochene Behauptung zu liefern, ,,da8d
heutzutage in den höchsten und aristokratischen Kreisen des
Volkes ein viel liberalerer und vorurtheilsfreierer Geist gegen- '
über unerklärten Thatsachen, als bei Professoren herrscht",
lasse ich hier den wörtlichen Abdruck eines Referates aus dem
„Neuen Wiener Tageblatt vom 18. Febr. 1880" folgen, welches
mir soeben aus Wien zugesandt worden ist. Dasselbe lautet
wie folgt:
„* (Neues über Hansen.) Von Seite der Statthalterei ist, wie
man uns mittheüt, spät Abends der Bescheid über das ihr von der Poliz^-
direktion unterbreitete fachmännische Gutachten der medizinischen Fakultät
über die Hansen 'sehen Produktionen herabgelangt. Die Direktrice, Frau
Völkl-Strampfer musste sich noch im Laufe des Abends bei der Polizei-
*) Zur Aufklänmg des deutschen Volkes: S. 41]
— 203 —
behörde einfinden, woselbst ihr von einem Beamten eröffnet wunle. dass
man kompetenten Orts den Beschluss gefasst habe, die weiteren
Produktionen des Herrn Hansen im Ringtheater zu sistiren.
Gleichzeitig wurde an Frau Völkl-Strampfer das Ersuclien gestellt, zu
veranlassen, dass die auf die „magnetischen Produktionen'* Bezug habenden
Plakate vom äussern Schauplatze des Theaters und von den Strasseneeken
beseitigt werden mögen. Frau Völkl-Strampfer gedenkt gegen diesen
Bescheid den Rekurs dem Ministerium des Innern zu überreichen. — Um
dieselbe Zeit ungefähr, da der Direktion des Ringtheaters das Verbot
zukam, fand die bereits ermähnte Produktion Hansen's — nach dem
gegenwärtigen Stand der Dingo vielleicht die letzte öffentliche in Wien —
in der Equitation statt. Es hiess, dass der Kaiser persönlich den Dar-
stellungen Hansen^s beiwolmen werde. Dies war wohl nicht der Fall;
es erschien indess der Generaladjutant des Monarehen, FMIi. Freiherr von
Mondel. Die Gesellschaft, vor welcher Herr Hansen am gestrigen
Abende seine interessanten Experimente ausführte, war eine ungemein
distingnirte. In einem Lehrsaale <les in der Ungargasse gelegenen
Equitationsgebäudes versammelten sich die geladenen Gäste, ungefähr 70
an der Zahl, fast durchweg Stabs- imd Oberoffiziere aller (Jrade und
Waffen und überdies einige der hohen Aristokratie angehörige Herren in
Zivil. Die Darstellungen nahmen um halb acht Uhr ihren Anfang: nach
wenigen einleitenden Worten über das Wesen des „animalischen Magnetis-
mus" schritt Herr Hansen sofort zur Auswahl der Medien. Es stellten
sich Herrn Hansen achtzehn Gäste mit grosser Ben^iti^illigkeit zur Ver-
fügung, unter denen er sechs als besonders empfanglich für die magnetische
tonwirkung erkannte. Herr Hansen nahm mit diesen Herren, welche
sämmtlich dem Offizierkorps angehören, in der bekannten Art und Weise
die ersten Experimente vor, denen er bald eine R^ihe der erstaunlichsten
tmd in den öffentlichen Produktionen bisher noch nicht vorgekommener
Tersuche folgen liess. Das vollständige Gelingen dieser neuerlichen
Experimente, welche auf den Zuschauerkreis von geradezu frappirender
Wirkung waren , dankte er der besonderen Empfänglichkeit speziell zweier
Medien, und zwar des Frequentanten des Reitlehrkurses Lieutenant Franz
Eigel des 3. Uhlanen -Regiments und des Oberlieutenants Grafen Ed.
Wallis des 5. Dragoner- Regiments. So musste unter anderem unter der
magnetischen Einwirkung Herr Lieutenant Eigel, hinter welchem der
Magnetiseur einige Meter entfernt stand, so dass das Medium keine seiner
Bewegungen sehen konnte, jede dieser Bewegungen, die zuweilen sehr
drastisch waren, vollkommen nachahmen, wobei der Kopf des lieutenants
starr zurückgebogen erschien; ein zweites Experiment, das, so einfach es
sich auch präsentirte, gleichwohl die Versammlung geradezu verblüfft,
war folgendes: Herr Hansen ersuchte Grafen Wallis, den Finger an
die Wand zu legen, welchen er durch Bestreichen fest heftete, so dass
selbst die sichtlich energischen Bemühungen des Mediums, den Finger
zurückzuziehen, erfolglos blieben. Graf Wallis musste vielmehr den
— 204 —
„raagnetisirten Finger , einer Handbewegung des Magnetiseurs folgend , in
einer geraden Linie die Wand entlang ziehen bis zu dem Punkte, wo Herr
Hansen Halt gebot, dann erst wurde der Finger aus seiner Zwangslage
versetzt; ein anderer Offizier wurde in die Wahnvorstellung versetzt, ein
ihm gereichter Czako sei ein Säugling; die Ammensorge, welche hierauf
das Medium dem Bebe zuwandte, stand in einem ebenso seltsamen als
heiteren Kontraste zu der martialischen Physiognomie des Eingeschläferten.
Wir machen uns keiner Uebertreibung schuldig, indem wir konstatiren,
dass der Beifall, den Herr Hansen am Schlüsse seiner Produktionen
erntete, ein geradezu frenetischer war."
Als Hr. Hansen am 3. Februar im Wiener Ringtheater
von einem gewissen Hrn. Fischer, Assistenten der Chemie
an der technischen Hochschule, öffentlich auf der Bühne mit
den Worten: „Sie sind ein gemeiner Schwindler"
insultirt worden war, bemerkte der Erzherzog Albrecht,
welcher in einer Loge Zeuge der tumuhuarischen Scenen ge-
wesen war, der sich deshalb entschuldigenden Directrice des
Theaters:
„Wenn Herrn Hansen heute auch nicht Alles gelungen ist, ich halte
ihn nicht für einen Schwindler. Ich kenne die Persönlichkeit, auf deren
Zeugniss er sich berief, und dieses Zeugniss ist mir Garantie genug".*)
Auch diese Worte beweisen ebenso wie das unbefangene
Verhalten Sr. Majestät des Königs Albert von Sachsen
den Productionen des Hrn. Hansen gegenüber,^) dass bei
der sich gegenwärtig vollziehenden „grossen Revolution der
Wissenschaft"*) die grössere Summe von Intelligenz und
moralischem Anstand sich in den Kreisen der deutschen Fürsten
und Aristokraten findet, als in denjenigen Schichten des
Volkes, welche sich mit jüdischer Zudringlichkeit und selbst-
gefälliger Eitelkeit als die officiellen Vertreter der wissen-
schaftlichen und politischen Intelligenz des Volkes betrachten
und sich einbilden, demselben „unter Aufsicht des Staates"
mit moralisch und intellectuell gleich widerspruchsvollen
') Vgl. „niustrirtes Wiener Extrablatt" vom 4. Februar d. J. mit dem
Bildnisse Hansens an der Spitze und dem Aufsatz: „Heilloser Skandal
im Kingtbeater".
2) Vgl. Ausführlicheres im HI. Bande meiner „Wissenschaftlichen
Abhandlungen" und „Zur Aufklärung".
^) Kant's Werke I. S. 357 (ed. Rosenkranz).
- 205 -
Phrasen imponiren zu können. Heute aber erfüllen sich die
vor 100 Jahren von Kant ausgesprochenen Hoffnungen, wenn
er sagt (Werke I. S. 351):
,^e wahre Weltweisheit aufleben soll, ist es nöthig, dass die alte
sich selbst zerstöre, und, wie die Fäulnis s die vollkommenste Auflösung
ist, die jederzeit vorangeht, wenn eine neue Erzeugung anfangen soll, so
macht mir die Krisis der Gelehrsamkeit zu einer solchen Zeit, da es an
guten Köpfen gleichwohl nicht fehlt, die beste Hoffnung, dass die so längst
gewünschte grosse Eevolution der Wissenschaften nicht mehr
weit entfernt ist."
Herr Fischer, ein Assistent der Chemie an der tech-
nischen Hochschule, nebst Consorten mögen die folgenden
Worte^) Arthur Schopenhauer's beherzigen:
„Solchen Herren vom Tiegel imd der Retorte muss beigebracht werden,
dass blosse Chemie wolü zum Apotheker, aber nicht zum Philosophen
befähigt. Da werfen sich Ijcute zu Weiterleuchtern auf, die ihre Chemie,
oder Physik, oder Mineralogie, oder Zoologie, oder Physiologie, sonst aber
auf der Welt nichts gelernt haben/' —
Und hiermit „guten Morgen Herr Fischer ** ! ,,Empfehle
mich Ihnen ganz gehorsamst", wie man hier zu sagen pflegt.
Dem verantwortlichen Redacteur der National-Zeitung Hrn.
Dernburg und dem leitartikelnden Dr. Salomon wird es
nun vermuthlich weder moralisch noch logisch die geringsten
Schwierigkeiten machen, ihre obige Mittheilung über das „Un-
wesen" Hansen 's in Wien mit dem vorstehenden Bericht
über die „Productionen" H a n s e n 's in Gegenwart des General-
adjutanten des Kaisers von Oesterreich in P^inklang zu bringen.
Natürlich muss hierbei die National-Zeitung auf ihr „gebildetes"
Publicum beiderlei Geschlechts rechnen, welches sich mit der
Frauen -Em an cipation beschäftigt und die Promotionen von
Damen an unseren Universitäten auf Grund ihres wissen-
schaftlichen Bildungsganges oder ihrer Fertigkeit in der Ueber-
setzung engUscher Werke in's Deutsche befürwortet.^) Für
^) üeber den WiUen in der Natur. (2. Aufl.) li>54. S. IV.
') Als vor 5 Jahren von unserer Facidtät die principiolle Zulassung
von Damen zur Promotion verneint wurde, bemerkte mir ein inzwischen
verstorbener, sehr berühmter College, dass er es nicht begreife, weshalb
man zwei so hoch gebildete Damen wie Frau üehoimräthin Helmholtz
in Berlin und Frau Hofräthin Wiedemann in l^eipzig wegen ihrer Ueber-
setzungen TyndalTscher populär- wissenschaftlicher Werke in's Deutsche,
— 206 —
diese „gebildeten Kreise" sind Dinge, wie sie Hr. Hansen
und Hr. Slade produciren, ein Gräuel. Dagegen Anzeigen
wie die folgende, welche ich der Wiener „Neuen freien Presse"
vom 18. Februar 1880 (S. 8) entnehme, üben auf das in der
Humboldt - Akademie „gebildete" Berliner Publicum einen
ganz unbeschreiblichen Reiz aus. Die Anzeige lautet:
„Vorlesung von Fräulein Br. phil. Helene Druskowitz".
„Diese junge Dame, eine gebome Wienerin, hat vor zwei Jahren ihr
Doctor-Examen in Zürich absolvirt und hat seitdem dort wie in letzter Zeit in
München mit vielem Beifalle aufgenommene Vorlesungen gehalten. Fräu-
lein Druskowitz hat die Absicht, Anfangs März hier in ihrer Vaterstadt
drei Vorlesungen zu halten, und zwar über den „Salon Kambouillet", über
„Perey und Shelley" und über das „Indische Drama". Sicher werden
diese Vorlesungen das Biteresse der gebildeten Kreise erregen."
Für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass die obige junge
Dame auch in Berlin, der Hauptstadt der Intelligenz, einen
Oyclus von Vorlesungen halten wird, empfehle ich Hm. Dr.
Salomon oder Herrn F. Dernburg die obige Anzeige zur
Benutzung. Vielleicht marschirt die Berliner Universität unter
der Aegide von Professor Lazarus und Frau L i n a Morgen -
Stern an der Spitze der Civilisation voran, und beantragt,
auch weibliche Professoren „von Staatswegen" an unseren
Universitäten anzustellen und macht mit der oben erwähnten
jungen Dame den Anfang. Wie gross würden die Berliner
in Bethätigung ihrer Vorurtheilsfreiheit bezüglich geschlecht-
licher Differenzen dastehen, wenn es sich um die „Wahr-
heit" und die „Freiheit der Wissenschaft" handelt,
die geschlechtslos oder doch mindestens hermaphroditisch ist!
Welcher Jubel unter den Studenten, wenn eines schönen
Tages im Lectionscatalog oder am schwarzen Brett zum ersten
Male die Anzeige prangt:
nicht zu Doctoreu ernennen solle. Diese Bemerkung, welche mir zeigte,
wohin wir auf diesem Wege in 10 Jahren mit unserem Doctortitel kommen,
wurde für mich die Veranlassung, die Discussion der Principienfrage ^
befürworten. Die neuerdings gemachten Versuche, dieses Princip zu durch-
brechen, wurden in einer Weise motivirt, welche mich mit einer unüber-
windlichen Abneigung gegen die fernere Theilnahme an Facultätssitzungen
erfüllt hat, weil ich a priori von der Erfolglosigkeit meiner Argumente
überzeugt bin.
-- 207 —
»IVäulein Professor extraordinaria Dr. pbil. . . . liest in diesem
>emester puhlice über allgoiueine Botanik; prloatissuae in näher zu bo-
tinmienden Stunden über Kryptogamiö der Phanerogamen."
Das gebildete deutsche Volk würde sich dann der be-
sisterten Worte seines grossen Physiologen und Vivisectors
. du Bois-Reymond erinnern, in welchen er die ganze
sriiner Universität mit einer Caseme gegenüber dem Palaste
is Königs vergleicht, worin er mit seinen sämmtlichen
Dllegen und Studenten als „geistiges Leibregiment der Hohen-
Jlern" einquartirt sei. Mit denselben Worten der tiefsten
:tlichen Entrüstung würde er auch im vorliegenden Falle
des unkeusche Verlangen und jeden Verdacht der Untreue
A solcher akademischen Juxtaposition beider Geschlechter
irückweisen, indem er solche Bedenken wie in der Vivisections-
age als „Anmassung seitens der Laien ^^ brandmarkt und
it den Worten^) zurückweist:
„Erwartet man von einem Garderegiment, dass es seine Treue betbeuro?
un wobl, die Berliner Universität, dem Palaste des Königs gegenüber
aquartirt, ist durch ihre Stiftungsurkundo das geistige Leibregiment der
ohenzollern ! "
Wer will es aber alsdann verhindern, dass irgend ein
tudent oder eine Studentin dieses schöne Gleichniss weiter
Lisspinnt und mit derselben Emphase fragt: Hat nicht jeder
fienadier seinen Küchen - Dragoner , jedes Regiment seine
larkedenterin , die ihn mit Speise und Trank auf dem müh-
-ligen Marsche erquickt? Sollen denn die Universitäten, diese
öistigen Leibregimenter des deutschen Volkes, auf alle jene
'ilitairischen Genüsse verzichten?
Wenn diese wichtigen Fragen nur erst einmal von irgend
öem energischen Juden ä la Lassalle in Vereinen zur
Pauenemancipation angeregt und „wissenschaftlich" begründet
ßrden! An Unterstützung und Protection in den gebildeten
^d gelehrten Kreisen Berlin's würde es ihm gewiss ebensowenig
lilen, wie dem Begründer der deutschen Socialdemokratie
-rdinand Lassalle. Als Letzterer sich vor 40 Jahren
^) Worte E. dußois-Eeyraond's in seiner Kode „über den deutschen
^g" am 3. August 1870 in der Aula der Universität Berlin. S. 44
^ 45. Berlin bei Hirschwald.
LANE l/i:.7..';y. GTA:jo^\i mm^s^
— 208 —
als Schüler auf der Handelsschule in Leipzig befand, hielten
ihn allerdings verständige Mitschüler von unverdorbenem
sittlichen Instinct für einen gescheidten aber frechen und faulen
Judenjungen, ^) von dem sie sich ebenso wie die Studenten von
Dr. Glattstern zurückzogen. Dagegen war das geistreiche
und gebildete Berlin bereits damals so „vollständig von dem
foetor judaicus chloroformirt " , um mit Schopenhauer za
reden, dass es den hebräischen Melodien des lyrischen Dichten
Heinrich Heine und den Orakeln des geistreichen Natur-
forschers Alexander v. Humboldt mit ebenso grosser
Hingebung lauschte wie heut den „herrlichen Kinderliedem**
von Rudolf Löwenstein und den Theorien der Akademiker
Virchow und E. du Bois-Reymond. In der That, auch
wenn Lassalle kein Jude gewesen wäre und als solcher
nicht die erbliche Disposition zur Eitelkeit mit auf die Welt
gebracht hätte, er wäre noth wendig durch das Benehmen der
Berliner gebildeten und gelehrten Gesellschaft dem Herz und
Sinn verwirrenden Einflüsse jener Geissei der höheren Stände
rettungslos verfallen gewesen. Zur Begründung meiner An-
klage mögen hier folgende Thatsachen angeführt werden.
Heinrich Heine schreibt^) an den 20jährigen Lassalle:
„In Vergleichung mit Ihnen bin ich doch nur eine bescheidene
Fliege" und nennt ihn „seinen theuersten Waffenbruder".
Schade, dass Heine nicht mehr lebt! Was würde er seinem
Landsmann, dem erwähnten Studiosus phil. Meyer aus Ham-
burg, über seine Gedichte für Lobeserhebungen machen! An
Varnhagen v. Ense schreibt Heinrich Heine:
„Mein Freund Herr Lassalle, der Urnen diesen Brief bringt, ist ein
junger Mann von den ausgezeichnetsten Geistesgaben : mit der gründlichsteo
Gelehrsamkeit, mit dem weitesten Wissen, mit dem grössten Scharfsinn»
^) Mit obiger Titulatur wurde Lassalle auch noch in seinem 21. Jahi*
vom Grafen H atz fei d beehrt und zur Thüre hinausgewiesen, als ersieh
zum Ritter und Vertheidiger der Gräfin Hatzfeldin ihrem Ehescheidungs-
processe aufwarf. Vgl.: Die deutsche Socialdemokratie. Von Franz Meh-
ring. Bremen 1^78. 2. Aufl. S. 8."
Ich habe das vorstehende Urtheil aus zweiter Hand von einem hier
lebenden Mitschüler Ij assalle' s. Lassalle war am 11. April 1 825 z^
Breslau geboren.
'-) V ranz M o li r i n g , die deutsche Socialdomokratie. S. 8.
— 209 —
der mir je yoigekommen, verbindet er eine Energie des Willens und Habi-
tite im Handeln, die mich in Erstaunen setzen. Herr Lassalle
kt nun einmal ein so ausgeprägter Sohn der neuen Zeit, die Nichts von
jener Entsagung und Bescheidenheit wissen will, womit wir uns mehr oder
minder heuchlerisch in unserer Zeit hindurch faselten. Dieses neue Geschlecht
infl gemessen und sich geltend machen im Sichtbaren."
In den Berliner Salons bekommt Lassalle noch ganz
lodere Dinge zu hören. „Bei Professor Gneist", so erzählt
8.45 a. a. O. seine ehemalige Geliebte^) Helene v. Raco-
witza creb. v. Dönnio:es:
I
yjum das Gespräch in meiner Gegenwart auf Lassalle, und ich hörte,
lie eine damals renommirt schöne Frau, die Professorin Dieterici aus-
lief: „„Las s alle ist der schönste Mann, den ich je gesehen.*'" Li
ieaem Augenblick trat der berühmte alte Geheimrath Böckh, der seit
ingieQ Jahren im Hause meiner Grossmutter wohnte, in's Zimmer und
»tsrortete: „„Der schönste Mann? das weiss ich nicht zu beurtheilen,
il(ff Lassalle ist der geistreichste Mann und mit der gelehrteste der
idrje begegnet ist.""
Man braucht kein Psychologe zu sein, um zu begreifen,
dtts unter dem Einflüsse solcher Schmeicheleien sich die
fiatürliche Eitelkeit eines Juden bis zum Wahnsinn steigern
flmss. Zum Beweise meiner Behauptung lese man S. 121
«. a. O. die Erwiderung Lassalle's an seine Geliebte, als sie
ftm die obige Aeusserung des alten Böckh über seinen Geist
fldtgetheilt hatte. Er sagte:
,^ch was Geist! Geist ist gar nichts! Aber der schönste Mann
wbl sein, das lobe ich mir, das gefallt mir! Diesen Ausspruch soll man
adr einst aufs Grab setzen! Dass ich Geist habe, dafür komme ich auf,
«nd dass es die Menschen merken, dafür will ich schon sorgen, — aber
^erBuhm meiner Schönheit soll auf die Nachwelt kommen -^ also aufs
firab damit!"
Ob wohl Professor Böckh sich durch die ijlenntniss dieser
Wülensäusserung hätte bestimmen lassen, '^^e bereits oben
(S- 139) erwähnte Grabschrift auf dem Leichf 'ostein L as salle's
abzuändern? Noch charakteristischer abeW'^ gind die folgenden
Worte Lassalle's zu seiner Geliebten i|^er die sittlichen Mo-
tive seiner socialistischen Agitationen. Erjagt: (S.107 a. a. O.):
*) Meine Beziehungen zu Ferdinand I^\assalle. Von Helene von
Bacowitza. 1879. 5. Aufl. S. 46. ff '
14
j
- 211 —
als Vater überlässt, lediglich um auch hier noch in Gegen-
Yiart des brechenden Herzens .seiner Geliebten der 'Mutter
gegenüber in bengalischer Beleuchtung als der grosse, edel-
müthige und noble Ferdinand Lassalle dazustehen.
Aehnlich wie ein auf der That ertappter Dieb mit „Noblesse"
das geraubte Gut zurückgibt und womöglich dem hierdurch
beglückten und verblüfften Besitzer noch ein Geldstück in die
Hand drückt , um ihn vorläufig bis zur Wiedererlangung der
Beute zu beschwichtigen, ebenso verfährt Lassalle Frau
V. Dönniges gegenüber, indem er der rasenden Furie auf
ihre Grobheiten erwidert:
„Sie meinen, ich habe Ihr Kind gestohlen, meine Gnädige? Sie
werden sehen, wie Unrecht Sie haben! Helene, thust Du Alles und
Jedes für mich?"
Und mit diesen Worten, welche natürlich jedes aufrichtig
, Hebende Herz im Vertrauen zur Ehrlichkeit und ungetrübten
' Verstandesthätigkeit des Geliebten mit Ja beantwortet, ver-
räth der schamlose Jude das 21jährige Opfer einer sittlich
angefaulten Gesellschaft, deren hervorstechende Eigenschaft
von Fürst v. Bismarck als „malitiöse Impotenz'^ charak-
terisirt worden ist. ^) *
Siegesfroh über den gelungenen Coup w endet er sich mit
jener eitlen Selbstgefälligkeit, welche die Berliner in einer Posse
einem Juden durch folgende Worte in den Mund gelegt haben:
,3in ich nicht der schöne Meyer? bin ich nicht der reiche Meyer?!**
im Frau v. Dönniges mit folgenden Worten:
„Und jetzt, meine gnädigste Frau, gebe ich Ihnen Ihr Kind zurück!
Hören Sie; ich der mit Ihrer Tochter machen konnte, was ich wollte, habe
eie Ihnen — allerdings nur auf kurze Zeit — zurückgegeben. Sie geht
nur mit Omen, weil ich es will — vergessen Sie das nie — und nun
leben Sie wohl!" (S. 140.) *
und an die Tochter:
' — .
compromittirt zu werden, ist — nach meiner Ueberzeugung — der Grund,
warum der Herr Gesandte einen so unverschämten Lärm schlägt. Dagegen
kann nun allenfalls vielleicht sein vorgesetzter Minister — vonSchrenk
— helfen ....."
Vgl. Lassalle's Tod. Im Anschluss an die Memoiren der Helene
von Bacowitza. Von A. Kutschbach. 2. Aufl. 1880. S. 125.
*) Ygl. Busch, Graf Bismarck H. S. 81.
— 212 —
, JiSSB Dich nicht nüsshanilelii , äonst tiber thae , was insu.
verUngtt üib werde Alles wii^aou, was sie mit Dir vomehmen,
dem geringsten Unrecht hole ich Hkh sofort! Das bedenke, und sei a
iinglöcklich; sie gollon Dich nicht lange hehalten. I'üge Dich gedol
ejne kurze Zeit in ihren Wüien; der meine ist der stärkere, w'
Und nun Adieu, fflr kurze Zeit!" (S. lU.)
Diese „kurze Zeit" hat sich in die Ewigkeit verwi
delt. Ohne jemals seioe Geliebte wiederzusehen, ist La
■wenige Wochen nach obiger Abachiedsscene im Duell (
schössen worden, bei welchem der Vetter Helenei
gegenwärtiger College, der ausserordentliche Professor der ^
schichte, Hr. Dr. Arndt, als Secundant meines ehemalig
Schalfteundee Yanko v. Racowitz fungirt hat.
Charakterschilderung, welche Helene v. Dönniges a. a. 1
von Racowitz gibt, kann ich aus vollster Ueberzeugi
als durchaus der Wahrheit entsprechend bestätigen. Es ^
ein gutherziger und aufrichtiger Mensch , der mir von t
übrigen Wallachen, mit denen ich gemeinsam das Köllnia
Realgymnasium in Berlin besuchte, einer der angenehmn
war.') Dagegen bin ich bei meiner nur sehr oberflachliol^
Berührung mit meinem CoUegen Dr. Arndt nicht im Stai
ihn gegen die folgenden Vorwürfe seiner Cousine Heia
V. Racowitza geb. Dönniges zu vertheidigen. Die«
bemerkt S. 144 in ihren Memoiren:
„Von Einem, von dem Doct»r Arndt, demjeuigeu, welcher e.
unTemntwortlichsten dabü beniihm, weil ihn die gajize Sacl
gar nichts anging, der das Ganze als eine Art Privatranhe betracht«tej
ihm habe ich später durch Andere erfahreu, woher sein HasB gegen Lasi
stammte; dieser soll ihn einmal bei eiiior Versammlung in Berlin n
flegaUiuf'ten Benehmens haben hinauswerfen lassen, und Arne
«ugeruten haben: „„Das werde ich Ihnen gedenken!'"' — (
nicht? Jedeufiblls liesse sich damit hei einem kleinliclien ChaTsJd»r'|
damaliges abscheuliches, ja ganz niederträchtiges Hetzen gegen LaBs)
einigennuBsen erklären."')
Wenn das vorstehende Urthell begreiflicherweise als]
persönlich gefärbtes angesehen werden darf, so ist dies'J
') AnsfQhilicheres über meine Beziehungen zu Horm von Ba
ergl. in meiner Schrift: ,,Zur Aufkiäruag dos deutschen Volkes u
*) Genaueres über die Handlungsweise luid diaKolle, welche Dr.A,ca
I dem Drama Lassalle's gespielt hat, findet man in dem BuQbg^
^Kutsohbacli: „LasaaUe's Tod". [Chemnitz 18BU.)
— 213 —
em folgenden Urtheile über den moralischeni Werth
jassalle's nicht möglich. Denn dieser hat' sich in Jetzt ver-
Iffentlichten authentischen Briefen selber sein Urtheil ge-
iprochen und als derjenige entpuppt, wofür ihn Menschen von
natürlichen) Verstand und Herzen, welche nicht den sinnver-
virrenden Einflüssen der Berliner Salongeselligkeit zum Opfer
gefallen waren, stets gehalten haben. Mögen sich meine Leser
^Iber nach den folgenden Thatsachen den passenden Ausdruck
wählen, mit welchem sieLassalle's Charakter belegen wollen.
Ich citire hier charakteristische Stellen aus der bereits an-
geführten Schrift von Kutschbach« Noch an demselben
Tage, an welchem der obige Auftritt in Gegenwart der Mutter
und Schwester (späteren Gräfin Kayserlingk) stattgefunden
hatte, erhielt La ss alle einen Besuch, über den a. a. O. Fol-
gendes berichtet wird: ^
„Noch an demselben Tage (3. August 1864) erhielt Lassalle den
Besuch des Grafen Kayserlingk, sowie des Dr. Arndt, die ihn ersuchten,
Helene aufzugeben und möglichst bald Genf zu verlassen, da er sich
8«|pt Unannehmlichkeiten aussetze, die ihm Herr von Dönniges in
waaer Eigenschaft als Gesandter bereiten könne. Lassalle verweigert^j|^
Beides . . . ." (S. 58.)
Lassalle schreibt an seinen Freund, den Oberst
ßästow, der im vorigen Jahre durch einen Revolverschuss
als Selbstmörder gestorben ist, wörtlich:
„Genf, 4. Anglist.
Rüstow!
Wenn Du je einen 'Funken Freundschaft gefühlt hast, so setze Dich
^^enblicklich auf, ohne auch nur den nächsten Zug zu versäumen, und
^e hierher nach Genf . . . . Sage auch Frau Emma,*) dass sie sich bereit
telt, im Augenblick, wo sie eine telegraphische Depesche erhält, hierher
ibmreisen. Sehr möglich, dass wir sie brauchen!
Dein
F. Lassalle.'*
An demselben Tage schreibt Las sali e an seine Freundin
nd Beschützerin, die Gräfin H atz fei d, die spätere Fre||adin
38 Socialdemokraten Fritz Mende:
„Ich bin so unglücklich, dass ich weine, seit fünfzehn Jahren zum
fiten Male! Was mich dabei noch zermartert, ist das Verbrechen
jiner Öummheit! Wie konnte ich so beschränkt sein, auf Helenen 's
*) Die Frau des Dichters Herwegh, des Freundes von Karl Vogt^
— ii«
IVuntich . niubt einiugelien, sie ihren Eltern zurückzuliofem iind lo^nl uiu
sie zu werb«n [ Ich hätte den Besiti^tand benutzen und aofart mit ihr
entfieben sollen! Jetzt ist das Unglück da! Sic ist uut«r voUstündiger
SequeatratioiL und fuiubtbarster Misshandlung. . . . Wohin bin ich gokommen*
Ich der oDgemeino Batliar und Helfer, bin rath- und hOlfloH und brauche
Andere! Meine Dummheit richtet mich bin! Der Gewissens-
bisB friast mich auf! Aber weim ich mein Verbrechen nicht «iodM
gut mache, koste es was es wolle, und um jeden Preis, ao will ich meiu
Haupt Bcheeren und Manch werden.
Ach Grafin! Warum aind Sie nicht hier! ....
Noch viel mehr vielleicht, als des Mädchens Verlust, verbricht
mich meine Gimpelei. Wenn ich sie nicht durch Sieg aus-
gleichen kann, verachte ich mich selbst fSr immer auf dAt
Schnödeste."
Zeigt Lassalle bereits in den letzen Worten den Pferde-
fusa des um eine Seele betrogenen Teufels, bd tritt uns der
I leibhaiHge Satan mit seiner ganzen, ungeschminkten Bestialität
in dem folgenden Briefe an Rüstow (S. 134} entgegen:
„Sonntugt 31. Aoffost AbsiaJj^
Lieber Freund!
Tcb bekomme eben Deinen Brief vom ID. Ich approhire Alles , wann J
es nur sicher hilft. Entführung: mit List und Gewalt. Ja selbst, dau
Du . . -■). Jedes Mittel, dase aicher hilft, ist mir nicht nat .
recht, anndern auch ab-ioiut gleich
Deii
Tritt in diesen letzten Worten
cipielle Verwandtschaft des Begründi
¥. Lassalle.''
;anz unverhüllt die pri
B der deutschen Soeial-
demokratie mit der gelUhriicbeten Jesuitenmoral zu Tage, sO
wird dieser Zusammenhang noch durch folgende intereaeanta
Thatsoche illustrirt. Lassalle hatte irr thünilicherwciae
vorausgesetzt, die Familie v. Dönniges sei katholisch und }
war sofort bereit zum KathoHcismus überzutreten, um hier-
durch die confession eilen Vorurtheüe der Eltern gegen seine '
Verbindung mit Fräulein Helene zu beseitigen.
Hr. Kutsehbach berichtet S. 82 a. a. O. hierüber w5rt-,\
lieh Folgendes :
') Der Herausgeber Kutachbach bemerkt hier worUicb: „Diew^
stelle ist nicht mittheilbar; nur so viel sei angedeutet, dass sie l
Bpruch mit der reinen liehe steht! !l
— 215 —
,J!)a Las 8 alle annahm, dass Helenen 's Eltern katholisch wären, und
gerade dieses Glaubens wegen einer Verbindung Helenen 's mit ihm, dem
Juden widerä)>rachen , so fasste er sogar den Entschluss zum Katholicis-
mns überzutreten und beauftragte die Gräfin, welche katholisch ist, äch
zu dem Bischof von Mainz, Frcihorrn von Ketteier, zu begeben, der
seine politische Thätigkeit anerkannt und gebilligt hatte, so
dass er glaubte, in ihm einen Freund zu finden ; die Gräfin sollte mit dem
Bischof über, den üebertritt und über die Unterstützung der am baierischen
Hofe einflussreichen Ultramontanen unterhandeln." '
Die Gräfin Hatzfeld hatte dem Wunsche ihres „Kindes"
umgehend Folge geleistet und berichtete in folgendem Briefe
(S. 82) an Lassalle über den Erfolg ihrer Mission:
„Mainz, 16. Angust 1864.
Liebes Kind!
Ich bin um drei ein halb Uhr hier angekommen und uro fünf Uhr
fuhr ich zum beabsichtigten Besuch. Ic}i wurde sogleich vorgelassen und
bradite längere Zeit dort zu. Ich gebe hier Bericht über den Lauf der
Unterredung. Positives in Ihrem Sinne habe ich leider nicht erreichen
kömien, aber ich selbst hielt dies ja, wie ich Ihnen im Voraus sagte, auch
ndit för gut möglich. Indessen war der Eindruck, den mir die Unter-
ledtmg machte, ein höchst günstiger, sogar sehr wohlthuender.
Ich habe einen Mann von hohem Verstand und feinstem Urtheil
Sefimden, aber noch mehr als das : einen Mann, der, ohne jemals im Aller-
{tmigsten von dem, seinem Beruf, seiner Stellung Angemessenen abzuweichen,
dennoch ganz frei ist von jener Scheinheiligkeit, die immer nur richten
tili und so abschreckend wirkt. Er hat das Verständniss menschlicher
itl 8diwächen , Wohlwollen und Milde, und ich glaube, dass man in ihm
s^l äuner weit mehr den Tröster als den Eichter finden würde. Dass er ohne
Fcnirthfiile ist, bewies mir die richtige Beurtheilung und Anerkennung, die
IT för Sie hat, und in soweit fand ich also den Boden für meine Bestre-
hmgen günstig. . . . Ich fing also damit an, Ihren Auftrag in Ihren
•igenen Worten auszurichten, und erhielt die Antwort: die Worte ent-
eil IprSchen so sehr Ihrer streng consequenten Denkungsart, dass Sie sie
ÜKf gMprochon haben müssten. . . .
Er äusserte sich über Sie in sehr anerkennender, wohlwollender Weise imd
fBFdcherte, er nähme das lebhafteste Interesse an Ihrem ernsten, wahren wissen-
•ebaftlichen Streben, billige Ihre socialen Bestrebungen, Dir Wirken; und wenn
er an der Möglichkeit der praktischen Bealisirung Ihrer Theorie auf dem
angeechlagenen Wege zweifle, so sei es nur, weil jedes Frincip, und
lei es noch so richtig und von der eminentesten Fähigkeit
Tertreten, wenn es der allein unwandelbaren Basis entbehre,
■lebt Stand hielte, sobald der Sturm der Leidenschaft dar-
1-
IM
— 216 —
übnr hinn-ehe.') JedunMis über MtteQ Sie die so Kehr wichtigo Auf-
gabe, IrrÜifuner und Lrigoii aufzudonien und aiiBzarotten , mit groBBem
Erfolg utid Verdienst gelöst und mÜBBt*tn diesem Wirken ferner erkalten
bleiben. Wenn er etwas fiir Sie tlmn könnte, würde er es gern thnn,
um oinen der allgemeinen Sache so unentbehrlichen Mann zu erbnlten. ..."
Um durch diese anerkennenden Worte des veratorbenen
Erzbischofs von Mainz über die sociftldemokratiflclten Be-
strebungen Laesalle's nicht Hrn. v. Sybel, Virchow,
Hänel, Bhintschli und vielen anderen liberalen und fort-
schrittlichen deutschen Professoren eine willkommene Hand-
habe zu siHlichen En trüs tun gsph rasen über die Ultramontanen
und Jesuiten zu liefern, erlaube ich mir folgende Worte
Alexander v. Humboldt's über Lassalle den obigec
Worten des Erzbischofs Ketteier von Mainz gegenüberzu-
stellen. Humboldt schreibt an Varnhagen d. d. „Berlin,
9. Sept. 1858 Nachts" wörtlich:
,,Mein büser Freund Lassalle ^ Herakleitoe der Dunkle
^ler meiner Verwendungen , trotz der mir gegebenen Verheisaimgen tmo
Prinz von FrensEcn') imd Illaire doch verjagt worden. Man gab HoQhun^
der DnnUe werde in einigen Monaten (nach den Wahlen) zum noch dunk-
leren Pytliagoraa zurückkehren. Welche Distrihiitiou der Gerechtigkeit!"'
Wie dankbar ist heute das deutsche Volk seinem Kaiser,
dass ihn sein christüch-eiltlicher Inelinct in allen, für die Ge-
schicke Deutschlands entscheidenden, Wendepunkten stets richtig
geleitet hat.
Die Herausgeberin Ludmilla Äsaing, welche H
boldt als seine „theure, liehe, geistreiche Freundin" mit
„schönem, feinem Sinne" anredet, hält sich fiir verpflichtet,
den Prinzen von Preussen und den Geheimen Cabinetsrath
Illaire in einer besonderen Anmerkung dem Vorwurfs
Alexander v. Humboldt's gegenüber in Schutz zu nebmen.
Diese Anmerkung lautet a. a. O.:
.-»
') Meine Loser finden den vollständigen Wortlaut des Briefes in deiof
erwälmten höchst lesenswerthen Bnche von Kutsrhbacb. Die obea{<
(^Bpeirt gedrueVtcn Worte können auch ProtcBtanten nls Wahrheit a
kennen, wenn sie unter „unwandelbarer Basis" die Evangelien TeTBtehen.I
*) Unserem jetzigen Kaisflr. Vorgi. ,. Briefe von Alei. v. Humboldt 4,
an Varnhagcn vnn Ense." Herausgegeben vnn Ludmilla j
3. AuH. ISfitI, (BrockbiiUBl. S. .19!).
— 217 -
„Insofern nicht ganz genau, als in der Abwesenheit der Genannten,
lind wie sich spater herausstellte, ohne ihr Vorwissen, der Minister
Westphalen hierauf bestanden hatte/'
Ich habe das Vorstehende deswegen angeführt, um zu
zeigen, wie selbst die geistreichsten und gesellschaftlich am
Höchsten stehenden Männer, wenn ihre Handlungen nicht von
natürlichen, sittlichen Instincten geleitet werden, den alier-
gröbsten Täuschungen bezüglich der Werth Schätzung eines
Menschen unterworfen sind. Denn daran wird doch Niemand
zweifeln, dass der Erzbischof Ketteier von Mainz und
Alexander v. Humboldt, wenn sie heute jene Enthül?
lungen über die Denk- und Handlungsweise lesen könnten, vor
Scham über ihre Unkenntniss der wahren Triebfedern
Lassalle's erröthen würden. Selbst D'Israeli, der gegen-
TOrtige Leiter der englischen Politik, mit allen seinen Stammes-
genossen, die nicht selbst Socialdemokraten sind, würde doch
bereitwillig Hm. Professor v. Treitschke beistimmen, wenn
er in seinem vortrefflichen Aufsatze gesagt hätte: „Der Jude
ist unser Unglück", statt „die Juden sind unser Unglück".
In der That, ich glaube selbst die bisherigen Verehrer
Lassalle's, wenn sie noch einen Funken von Schamgefühl
besitzen, müssen sich von ihm abwenden, wenn sie die obigen
Briefe an Rüstow und den folgenden an Hm. v. Dönniges
lesen, nachdem alle Hoffnungen, wieder in den Besitz seines
Opfers zu gelangen, gescheitert waren. Der Brief lautet^)
wie folgt:
,,6enf, 24. August 1864.
Herrn v. Dönniges, Hochwohlgeboren.
Nachdem ich durch den Bericht des Oberst Eüstow und des Herrn
Dr. Haenle vernommen habe, dass Ihre Tochter Helene eine verworfene
Bime ist und es folgeweise nicht länger meine Absicht sein kann, mich
durch eine Heirath mit ihr zu entehren, habe ich keinen Grund mehr, die
Porderung der Satisfaction für die verscliiedenen mir von Ihnen wider-
iahrenen Avanien und Beleidigungen länger zu verschieben und fordere Sie
daher auf, mit den beiden Freunden , die Ihnen diese Erklärung über-
Iningen, die erforderlichen Verabredungen zu treffen.
F. Lassalle."
Hr. Kutschbach bemerkt a. a. O. zu diesem Briefe:
^) Tgl. Kutschbach S. 186.
— 218 —
„Also war es Lassalle, der ^um UuuU forderte, und z
Weiae, die man am wenigaten chovaleresk nsnneii Ititiin. Früher n
ein Gugaer de» Dualis genesen und hatte wiederholt Beinsr Pmci]
wegen Duellfarderungen abgelehnt, wie dies ?.. B. Julian S'
erfahren hatte. Jetzt war er es selbst, der, noch dazu in rohen
arten wie ein Klopffechter, 'Mun Duell provocirte! Er sollte e
biiflsen."
Psychologisch interessant ist es, wie häufig in jener n
würdigen Gesellschaft, in welcher Lassalle als Giftpilzli
üppig emporwuchern konnte, das Wort Ehre gebraucht i
Der Autwand und Ausdruck der hierbei zu Tage tretead
eogenannten „sittlichen Entrüstung" verräth seine Familij
ahnhchkeil mit jenem semitischen Entrü st ungs stürm
Berlmei Börse, als dieselbe vom Minisier Maybach, son
8ie sich unsitthcher Mittel bediene, als Giftbaum bezeichj
wurde.
Lassalle denuncirte seine Geliebte in obigem BiS
als „verworfene Dirne" und wünscht nicht durch eine Heici
mit ihr sich selber zu „entehren".
Dass dagegen Lassalle es war, der zuerst Fräul
Helene v. Dönniges, gleich als er sie das erste MalJ
Mner jener „höchst originellen Dienstags- Soireen" bei ]
Hirsemenzel sah, wie eine „verworfene Dirne" behand^
indem er sie mit D u anredet und beim Aufbruch am Morg
um 4 Uhr auf seinen Annen die Treppe herunter! ragt, >
hat er vergessen. In ihren Memoiren ') schildert unsjei
glückliche „ Dirne " ihre Empfindungen hierbei mit folg
Worten :
,r[ch wollte mich halb verwundert, halb liülfesuchend edi K
wenden, wollte die Bitte anssprechen, uns oinander vorzustellen, i
Als Frau Hiraemenze! zum Essen rief, atejiden wir auf, legten I
HelbatveTBt^dlioh die Hände in einander und sassen weit«rplaudenid'fl
ganze Nacht, bis 4 Dhr früh. (B. 311.)
leb wunderte mich nicht, dass dieser fremde Mann mich plötalichj
nannte: — ich wunderte mich nicht einmal als er, drausaen auf (
Treppenabsatz angokanrnicn, mich wie ein Kind »ufhob und mich i
und ungenirt in semen Armen die drei Treppen des Hauses hinunter t
') Meine Beziehungen zu Ferdi
eowitza. geb. von Dönniges. Brosl;
.d Li
a,3saIlo. Von Helei
ISSu. j Aufl. S. 37 ff. II. £
219 -
— Ich wanderte mich nicht — aber merkwürdiger ist noch, dass sich
meine ernsten, etwa« altvaterisch gesinnten Verwandten nicht wunderten.
Jahre naehher hat mir die Dame gesagt: „es war doch gewiss stark und
angewohnt, aber ich hätte es natürlich gefunden, selbst wenn er Dich bei
der Hand genommen hätte und einfach mit Dir fortgegangen wäre, so
znsammengehörig erschient Ihr, so sehr passtet Ihr zu einander.""
Die „Dame", von welcher hier Helene v. Dönniges
spricht, ist vermutfalich die Dame des Hauses, Frau Hirse-
men2el, gegenwärtig Frau Professor Friedberg. Hoffent-
lich verhindert der feinfühlende zweite Gatte dieser Dame in
richtiger Würdigung seiner Stellung als Leipziger Professor
solche ,,doch gewiss starke und ungewohnte Scenen" in seinem
Hause, da Deutschland und die Welt an einem Ferdinand
Lassalle vollkommen genug hat. Was würde wohl ein
deutsches Mädchen mit gesundem und unverdorbenem In-
stincte gethan haben, wenn sie von einem Herrn, den sie zum
ersten Male sieht, mit Du angeredet und auf dem Arme die
Treppe hinuntergetragen worden wäre? Was würde z. B.
Jungfer Michel, eines Gastwirths Tochter am Brienzer See,
gethan haben, wenn ihr jetziger Gatte, Professor Karl Vogt
in Genf, der doch auch ein höchst geistreicher und dabei
nicht gerade übertrieben zartfühlender Mann ist, was würde
dieses Schweizermädchen gethan haben, wenn ihr Karl Vogt
Hiit derselben jüdischen Frechheit eines verwöhnten Rouö's
CDtgegengetreten wäre, wie Lassalle der Tochter des König-
fich bayrischen Gesandten v. Dönniges? Ich glaube er
tettte ein Paar tüchtige Ohrfeigen bekommen, wodurch ihm
ille jene Liebesschmerzen Lassalle 's erspart und das belei-
digte, wie ^ine „ Dirne ^ behandelte Mädchen vor allen £nt-
tiuschungen und Bitterkeiten bewahrt geblieben wäre. Karl
rfM ^^S^ würde sich nach Ueberwindung der ersten Schmerzen
i{> I deicht an die Straftheorie seines Lehrers erinnert haben, die
tt gelber mit folgenden Worten ^) beschreibt :
, J)er Mann, er war ein Candidat der Theologie, hatte sich eine eigen-
tiriimliche Straftheorie gebUdet. Er behauptete, die bösen (redanken sässen
k dem Menschen etwa wie Nägel in einem Brette , und um sie heraus-
nbringen, müsse man in ganz ähnlicher Weise vorfahren, wie bei einem
yj, ^) Ocean und Mitteimeer. Beisebriefe von Karl Vogt. 2. Bd. !Frank-
l int t. M. (In Kutten.) 1848. S. 14.
Leu
iL'
vernagelteii Stüclte Hol«. Man müBse so lange auf die Jiintore Seil* Unpfen^
bis die Nägel Tome lose würtlBn und herauBgezogan werden kazmten. Ds.^
that er denn auch mit redlicliem Eifer. ' £r hatte eogtvr Ton dieHeni G^s
Bichtspunitte sub die Btra&nethoden der verschiedenen Völier kritisch luil«-»:
sucht und gefunden, dasa diese in enger Beriehung zu dem Glauben d^^
Vßlker über den Sitz der Seele und den Ursprung des Bösen im MeoMhcti
stunden. Die Türken, behauptete er, schlügen deshalb auf die Fusssehlex^
um die bÖKon Gedanken in diametralpr Richtung aus dem Kopfe hervor-
zutreiben ; — ein Verfahren, wrfchea nicht ganz zu billigen sei, da die Ein-
wirkung der Schläge daieh die ganze Längsachse des Körpers hindurch
bedeutend geschwScht werde, und man geradezu hinter die Ohren
schlage, wo dann, dem ohen angefiihrtjm Gesetze gemSss, die in des
grossen Hemisphären des Gehirns ausgebrüteten bösen Gedanlten anaättel- ,
bar aus der Stirn hervorgetriehen würden."
Welche uoaterblichen Verdienste hätte sich Fräolan
V, Dönoiges um Deutschland erworben, ähnlich wie die
.Tun|jl'rau von Orleans um Frankreich, wenn sie LsssnIU
gleich bei ihrer ersten Begegnung bei Frau H i r s e m enzel
wegen flegelhaften Benehmens „hinter die Ohren geaehJagen"
hättel Wie viele böse Gedanken wären aus ..den grossen
Hemisphären" Israels mit einem Male aus Lassalle's frecher
„Stirn her vorgetrieben worden". Ob nun aber gerade dieser
Mann moralisch ein Recht hatte, seine bisherige Gelieble
wegen ihrer einzigen vernünftigen und sittlich vollkommeii
berechtigten Handlung in der ganzen widerlichen Aifaire sl"
„verworfene Dirne " zu bezeichnen , darüber mögen Andere
mit Berücksichtigung der folgenden Thatsachen urtheilen-
Die Gräfin Hatzfeld hielt anfange die Verbindung Laecall«»
mit Fräulein v. Dönniges lilr nicht opportun. Sie stellte
ihm in einem Schreiben vom 1. August, also drei Wochen
vor jenem herausfordernden Briefe Laesalle's an Herni
V. Dön niges, vor, „dasa aeine Leidenschaft für Helene un-
möglich nachhaltig sein könne, weil er ja eben erst in ein^
Andere, die er nun fahren lasse, sterblich verliebl
gewesen sei",^) Laasalle antwortet hierauf umgeheWl
d. d, Bern, 2. August:
') Kutschhach S. 35 a. a. 0. Genaneree hierüber wird mein Cnlleg»
Professor Dr. Arndt zu berichten wissen, da seine Cousine, Frl. Hei*»*
1 ihren Memoiren (8. 126) wörtlich bemerkt
J
- 221 -
„Gute Gräün! .... Wenn Sie in ihrem Briefe sagen, icb sollte doch
hedenken, dass ich soeben erst sterblich in eine Andere verliebt war, so
entgegne ich, dass erstens „„sterblich verliebt'*** sein bei mir zunächst
überhaupt gar kein Begriff ist; zweitens aber, dass noch heute, sinnlich
genommen, M . . . einen grösseren Beiz für mich hat als Helene, was
Ihnen also der beste Beweis sein kann, dass ich eben nicht bloss simiUcher
Neogang folge!**
^ine schöne Entschuldigung! Ebenso wie es Heirathen
des Geldes wegen gibt, wird es ja wohl auch solche aus
Eitelkeit geben. Und ein solcher Mensch hat die Stirn,
dch über Verrath eines Weibes zu beklagen und in eitler
Verblendung mit seiner „treuen Brust"* zu renomnairen! Nur
17 Tage später, am 19. August schreibt^) Lassalle der
Gräfin Hatzfeld:
„Alle Genfer Behörden sind jetzt auf luiserer Seite und würden
oe (Helene), statt sie zu hindern, nur schützen. Sie kann endlich so-
fort mit Ihnen und mir nach Italien reisen und in drei Tagen katholisch
getauft und getraut, mein Weib sein.
Alles, Alles, Alles hängt also ab von dem Ausgange dieser Einen
Stunde, die über mein Leben entscheidet. . . .
Wenn sie umgekehrt vor dem Notar „„Nein**" erklärt, so ist das
grenzenloseste Eidicule die Folge dieses mit solcher Mühe errungenen
Gammissariates, so ist jede weitere Hülfe für mich vernichtet, kurz, so hat
■ir die Undankbare und Treulose selbst den Dolch in diese treue Brust
gerannt! Ich falle dann mit ihrem und durch ihren Willen,
ein furchtbares Denkmal davon, dass ein Mann sich nie au
ein Weib ketten soll. Ich falle dann durch den entsetz-
lichsten Verrath, die schnödeste Felonie, welche die an-
sehende Sonne je geschaut hat.^'
Am nächsten Tage (20. August) schreibt^) Lassalle
an seine Geliebte:
,J)u kannst nicht jede Scham, jede Liebe, jede Treue, jede Wahrheit
von Dir geworfen haben bis zu diesem äussorsten Grade! Du würdest in
Verruf gebracht und entehrt haben Alles, was Menschenantlitz trägt —
Lfige wäre jedes bessere Gefühl, und wenn Du gelogen hast, wenn Du
ÜQüg bist, diesen letzten Grad der Verworfenheit zu erreichen, so heilige
„Mein Vater hatte seitdem mit einigen unserer Gäste, darunter
einem gewissen Dr. Arndt, Bücksprache genommen und von diesen,
namentlich von Letzterem haarsträubende Geschichten über
Lassalle und über sein Leben mit anderen Frauen gehört.**
^) Ebendaselbst S. 111.
*) S. S. 131 a. a. 0.
- - 222
Xm und das treueste Herz zu zerstüren — unt«r der E
gebe es Nichts mehr, woran, irgend ein Measch noch glaobcn dürftolJ
Du haet mich mit dem Willen erfüllt, nach Dei
tu ciDgen . . . Und nachdem Du diesee treue Herz,
ee eich einmal ergibt, sich für immer ergeben ha
an Dich gezogen — schleuderst Du mich, nachdem der Kampf I
begonnen, nach 14 Tagen hohnlachend in den Abgrnnd, vcrräthst ^
Beratärst mich?"
Daes Laaealle zuerst ia jener widerwärtigen und 1
eäglich dummen Scene mit der Mutter aus Eitelkeit das I
seines Opfers „verrathen und zerstört" hat, und
Verräthern gegenüber aller und jeder Verpflichtung l
bunden ist, welche sich auf moralische Fundamente stützt, .|
vergisst derin seiner Eitelkeit todtlich verletzte Jude, Uebrigj
hätte sich Helene v. Dönniges gegen den Vorwurf i
unberechtigten Lüge gegen einen Mann, der instinctiv in i
Achtung tief gesunken ist, einfach mit den folgenden Woi
Alexander v. Humboldt's, des Freundes und Beschüta
von Lassalle, vertheidigen können:
„Wahrheit ist mau im Leben nur deuun schuldig
tief achtet."')
Ich weiss nicht in welchem Sitten-Codex Alexana
V. Humboldt diesen Satz entdeckt hat. Mir erscheint i
Inhalt desselben moraliöch viel gefährlicher als die bekai
Sentenz der Jesuiten, denn jeder Mensch müsste hiemM
je älter er wird, ein um so grösserer Lügner werden, insofig
bekanntlich die „tiefe" Achtung vor den Menschen, je länaj
und näher man sie kennen lernt, im Allgemeinen doch <
ab- als zunimmt. Dagegen würden sich jene Worte Had
boltit's vortrefflich eignen, um über den Eingangspfor
') Briefwechsel zwisohcu A, v. Humboldt an Varnhagen ronSd
Herau^egeben von LudmilU Äaaing. ü. Aiifl. ISeO.
Der betreffeude Brief an Varnhagen ist Tom 7. pec. 1841 datirt ^
ist von der Heransgeberin als Einleitung und znr moralischen Begr
ihree Publicationsrechtes abgedruckt Der Brief lautet wörtlich wie J
.Jhrletzteamir sehr ehrenvolles Schreiben euUiielt Worte, die ioboi
misaverstehen möchte. ,. Sic gönnen aich kaum den fiesib; n
täten." Ueber solch Eigenthum mögen Sie nach meinem baldigen 1
scheiden walten und schalten. Wahrheit ist man im Leben nur d
schuldig, die man tief achtet, aleo Ibn«i."
— 283 —
nserer modenien Salons zu prangeni ähnlich wie das »Er-
eone dicb selbst" an (Jeui Tempel von Delphi.
Wenn ferner Laesalle dadurch die moraüache Schuld
DD sich auf sein Opfer wälzen will, dass er zu ihr aagt:
Du hast mich mit dem Willen erfüllt, nach Deiuem
lesitz zu ringen", so ist das auf moraliechcm Gebiete
Keselbe Begriffsverwirrung wie auf wiasenBchaftUchem die
SehaoptciDg von deutschen ProfesBoren, dass der Magnetiseur
Sanaen gar keine besondere Kraft auf die von ihm beean-
Saaslen Subjecte ausübe, sondern letztere ganz allein nur infolge
Birer nervösen „Empfänglichkeit" an all' dem „Unainn" Schuld
lüen, welchen sie unter dem Einflüsse Hansen's und anderer
Hagneliseure vollführten. Dase die Erscheinungen des thie-
lischen Magnetismus nothwendig eine Wechselwirkung
voraussetzen und zu einer solchen mindestens zwei Körper
^forderlich eind, ist eine logische und erkenntnisatheoretische
Wahrheit. Ebenso wie es unter den festen Körpern nur einige
gSrt, weluhe gerieben elektrische Eigenschaften erlangen, und
kterdurch mit anderen elekt riechen Körpern in Wechael-
«irkung Irefen können, ähnlich verhält es sich mit den Er-
(dieinungen, welche Hr. Hansen producirt. Die elektrisir-
iwreD Köqier können mit den „Empfänglichen", der Process
Elektrisirung mit dem Process des sogenannten Hypno-
durch längeres Anblicken eines Gegenstandes, und
Hr. Ilanaen oder irgend eine andere gleich begabte
mit einem selbständig elektrischen Körper verglichen
Aehnlich wie beim sogenannten elektrischen Puppen-
;imier den eben erwähnten Bedingungen durch elektrische
iaelwirkungen die überraschendsten Bewegungen leichter
ihen eintreten, ähnlich sind die bioniagne tischen Er-
igen das Gesultat einer Wechselwirkung zwischen
Wesen, ganz gleichgühig, ob die hierzu ertbrclerlichen
lationen mit oder ohne Anwendung lebloser Korper
Ich habe mich bereits ausführlich hierüber in einem
Ige zu meiner Schrift: .,Das Skalenphotometer u. s. w."
irochen. Ueber die Verstandesverdunkelung deutscher
loren, welche diese logischen Wahrheiten nicht begreifen
habe ich mich schon vor 8 Jahren in der Vorrede zu
J3
raönem Cometenbuch (S. Vili) mit folgenden Worten <
gesprochen :
,,Icli bin KU dorn Reeiiltate goUngt, duGs es der Meluxälil unter ili
heutigen Vertretern der oiactcü Wisaenstbaften an einer klar bewuäst.«
Kenntnisfi der oratcn Principien der Erkenn tnlsstlieorie gebrecliL'.-'
£b sei mir gestattet, die Kichtigkeit dieser Behauptuc
an zwei Beiepielen au» dem Gebiete des thieriachen Magti<
tiamuB zu erläutern.
Hr. Professor Rilhimann hat vor Kurzem in der Garieii
laube (läSO. No. S und 9) einen Aufsatz über interessante
„Experimente mit dem äogenannten tliierischen Magnetismtu"
veröffentlicht, welche er selber mit verschiedenen Pergonen
erfolgreich angestellt hat. Hierbei wird von ihm (S. 128) äa
folgende Satz ausgesprochen:
„Immer und immer wieder haben daher bia auf miaere Tage <üt
Äabängei der Lebre Uesmer's Gläubige gofonden, und aucb beute wiRl !
es noch Viele geben, die dch AngeeicIitB der üherrafchenden Beeullifc,
welche die MagtiotiBeure häiilig eräelon, nicht von der Irrigkeit Ite
Meinung überzeugen lassen iverden, auuh wenn GegenTerauche -unzweiMuR
beneifien, (Uhb es sich bei allen sicher constatüt^oi und oft wiederludta
Expeiimenteu mit dem aoganunnten thierisehen MagDetismug thatsäcUidi
nicht um eine besondere, von Person zu Persnii wirkea>l»[
Kraft, sondern lediglich um einen eigenthümlichen Znstwi'
des Nerveusjatems solcher Personen handelt, mit weltSM'j
derartige Versuche vorgeaomnii*'!) worden köunen." |
Wie man sieht, ist in der vorstehenden Behauptung nica'
etwa eine Hypothese oder Theorie auBgeaprochen, welche durii
fernere Versuche berichtigt werden konnte, sondern einfach ao
erkenntniastheoretischer Widerspruch, indem die Handlungen
der Empfänglichen als unabhängig von dem Maguetiscur und
„lediglich von einem eigen thiimlichen Zustandd«*
Nervenajaiems solcher Personen abhängig gemaclil
werden, mit welchen derartige Versuche vorge-
nommen werden können". Wer „ nimmt denn derartige
Verauche '' vor? Heisat es denn nicht den gesunden Ver-
stand des Volkes leichtfertig verwirren, wenn man ihm mit
der gelehrten Miene eines überlegenen Verstandes einrede"
will, der folgende, von Professor Riihlmann selber angeetellte
und beschriebene Versuch habe mit seiner Person garniehts
zu schaffen und es handle sich hierbei „thatsächlieh nicht I»
A
— 225 —
mt besondere 9 von Person zu Person wirkende Kraft?"
Mögen meine Leser selber über die Berechtigung meines Vor-
wurfes urtheilen, nachdem sie die folgenden Worte Professor
ßühlmann's in der Gartenlaube S. 130 a. a. O. gelesen
haben :
„Eine dienende Person eines mir befreundeten Hauses, welche sicli
iberaus empfindlich erwiesen hatte, war schon mehrmals von mir zu der-
artigen Experimenten verwendet worden, weil sie sehr rasch vollständig
irweckt werden konnte und hinterher nicht die mindesten Unannehmlich-
keiten empfand. Im Salon des Hauses war eine Gesellschaft versammelt,
am meinen Experimenten beizuwohnen; im Nebenzimmer befand sich das
Mädchen an einem Nähtische beschäftigt. Bei meinem Eintritte in dieses
Nebenzimmer sah die Person auf Warnung ihrer Herrin, mich
nicht anzusehen, starrauf ihre Arbeit, und ich begab mich durch die
ofifen stehenden Thüren in den Salon. Unmittelbar, nachdem ich ein-
getreten war, sanken die fleissigen Hände des Mädchens in den Schooss,
ihre Augenaxen begannen, wie gewöhnlich bei ihr in solchem Traumzustande,
nach der Nasenwurzel hin zu convergiren; sie hatte, ohne dass ich sie
sehen konnte, sich erhoben und kam geisterhaft leise und schwankenden
■Schrittes, wie eine Trunkene, durch die geöffnete Thür mir nach in (Jen Salon.
Ich hatte nicht zu erkennen gegeben, dass sie mir folgen solle, aber
dw allgemeine schweigende Erwarten , was wohl geschehen , was sie thuii
werde, hatte genügt, sie in diesenf eigenthümlichen Zustand der Befangenheit
zu Yersetzen ; jedenfalls hatte sie gemeint, einem unausgesprochenen Befehle,
nur folgen zu sollen, gehorchen zu müssen.
Als ich sie nunmehr im Salon durch Anrufen und Anblasen aufweckte,
war sie unendlich verblüfft und verlegen, sich dort einer grossen Zahl von
Ärren und Damen gegenüber zu finden, und kehrte eiligst zu ihrer
Beschäftigung zurück." —
Ein deutscher Professor, der nach einem solchen, von ihm
selber angestellten Versuche noch behaupten kann, es handle
sich dabei nicht um seine Person, sondern „lediglich um
^inen eigenthümlichen Zustand des Nervensystems des Mäd-
chens**, der stellt sich logisch auf gleichen Standpunkt mit
Tante Rosmarin in einem Koman Zschocke's, welche,
*l8 sie unerwartet ein Kind bekommen hatte, behauptete, sie
^e absolut Niemand anzugeben, welcher die Ursache dieser
«merkwürdigen Materialisation gewesen sei; es könne sich
"ierbei nur „ lediglich um einen eigenthümlichen Zustand ihres
Nervensystems handeln".
Hätte ich wissen können, dass mein ehemaliger Schüler
Äü hl mann dereinst als' Professor solche Denkfehler be-
15
gehen würde, so würde ich neben Vorlesungen ül
nische Wärmetheorie noch privatisaiine, aber gratis, ein CoT/^
über die Anfangsgründe der Erkenntniestheorie angekündi^
haben. Eb scheint übrigens, als ob Hr. Profeeaor Kühlniann
das dunkle Gefühl von dem Widerspruche selber fühlt, welcher
zwischen den von ihm raitgelbeilten Experimenten und seineii
„ Erklärungen " besteht. In richtiger Erkenntnias , dass das
Gebiet der lo^schen Widersprüche in erster Linie eine Domäne
der Professoren der sogenannten Philosophie ist, vindidrt
er die Priorität seiner Anschauungen a. a. O. mit folgend«D
Worten einem sogenannten Philosophen:
„So Tiol mir bekannt geivurdtn, liat in Deutschland zuerst Dr, Fritl
Schultze. Professor der Philoenpliie am Poljtedinicum in Dresden, gdegMt
lich einer Production Haneen's im ärztlicLen Verein Ta Dreeden, dmof
aurmcrksam gemituht, does man es bei diesen und älinliülien Tcranc'i'a
ebonso wenig mit absielitlifiben oder unabaiehtJicheii Täaseliungeu. m» mit
einer bMonderen Ton Person zu Person wirkenden Kraft, also iluwhaM
nicht mit tliioriBchem M^ietiEmus oder etwas Achnlicbcm zu thuD lobti"
Wahrscheinlich gibt es nun aber doch in Deutschland
noch einige andere Professoren der Philosophie mit Namen
Müller, die gerade der entgegengesetzten Ansichiand
und sich daher ebenso verpflichtet fühlen, zur Auf klärung des
Volkes der Denker ihre „Wahrheiten" zu verbreiten wie Pro-
fessor Schultz e. Wem soll nun das Volk Glauben schenken?
Schopenhauer ist ja längst veraltet und daher komoid
seine Worte {Farerga I, 243) gar nicht in Betracht:
..Wer tiout zu Tage die TliatBaßheii des animalisebrn Magnetismus «nä
BBJnBB Hellsobons bezweifelt, ißt nielit ungläubig, sondern nnwiflseiiJ
Was sind solche „abergläubischen" Anschauungso
Schopenhauer'a gegen die lichtvolle Klarheit von SchullK
und Müller! Wäre es nicht zweükmässig , neben unaereO
politischen Reichstag noch einen wissenschaftlichen zu „grün-
den", in welchem dann einfach nach den Principien der
Majorität solche „wissenschaftlichen" Streitfragen entschtedco
werden könnten ? Welche herrliche Aussicht für die Wissen-
schaft und wie einfach gestaltete sich dann alles; mii dem
neu erfundenen mechanischen Abstimmungsapparate könnte
sofort an dem Verhältnisa der weissen Kugeln, deren sich (. B"-
n, deren sich (. 1»—^
— 227 —
die philosophischen M üller bedienen könnten, zu den schwarzen,
'welche die Schultze's benutzen, die Wahrheit auf dem Ge-
biete des thierischen Magnetismus mechanisch entschieden
werden. Soll doch bereits ein ähnlicher Vorschlag auf einer
deutschen Naturforscherversammlung bezüglich des Häckel-
6chen Monismus gemacht worden sein!
Um jedoch zu beweisen, dass die Unfähigkeit, aus Be-
obachtungen richtige Schlüsse zu ziehen, unter den deutschen
Naturforschem heute eine allgemein verbreitete ist, mag es mir
gestattet sein, noch das folgende Beispiel eines Vivisectors an-
rafiihren. Professor Heidenhain beweist zunächst durch
folgende Worte, ^) dass sein sogenannter „theoretischer" Stand-
Jimkt derselbe wie der von Professor Rü hl mann ist:
Jbdem ich mich nunmehr zu den Bedingungen wende, unter welchen
^ hypnotische Zustand eintritt, muss ich vor allen Dingen betonen, dass
es sich hierbei keineswegs um irgend eine besondere, specifische Kraft
laddt, welche der Experimentator auf das passive Subject einwirken lässt.
leb wül gern annehmen, dass Hr. Hansen an den Besitz einer solchen
i^Bfaft glaubt; für den Physiologen kann davon natürlich nicht die Rede
ei|4BL Alle Erscheinungen erklären sich aus einfachen Prämissen, die
m auf physiologischer Grundlage ruhen .... So weit ich sehe,
die Empfänglichkeit in einer mehr oder weniger hochgradig gesteiger-
*»• sensiblen Eeizbarkeit."
M Die Grossartigkeit der in den letzten Worten enthaltenen
■liitdeckung des Hm. Heidenhain wird dem Volke der
Wcer ohne Weiteres einleuchten. Wer widerspricht, gehört
» die Klasse der Ungebildeten mit verdunkeltem Verstände.
M Bekanntlich überzeugt sich Hr. Hansen zuerst von der
tfiopfänglichkeit seiner Versuchsobjecte dadurch, dass er sie
^ JöKicht, längere Zeit unverwandt auf einen glänzenden Knopf
^jBä sehen. Offenbar ist der hierdurch inducirte, sogenannte
jRyp^^sche Zustand von der Gegenwart Hansen 's gänzlich
iJBÄbhän^g, so dass ein Jeder auch auf seinem Zimmer bei
[Tomahme der gleichen Operation in denselben Zustand ver-
it-l ^) >»1^6r sogenannte thierisehe Magnetismus". Physiologische Beobach-
jB>göi von Dr. EudolfHeidenhain, ord. Professor der Physiologie und
T des physiologischen Institutes zu Breslau. Zweite, durch neue
cÜungen von R. Heidenhain und J. Grützner vermehrte Auflage.
Breitkopf & Härtel. 1880. — S. 25.
15*
, und zwar um co leichter, je öfter und e
er denselben hervorgerufen hat. Will man daher einen Ver-
such über sogenannte bjomagnetiache Femewirkung anetellefl,
d. h. experimentell die Frage entscheiden, ob ein EitiiluBH dee
Magnetiaeura auf ein geeignetes Subject auch bei grossai
räumlicher Trcnnuiig möglich sei, so ist es selbstverständlicli,
dass der Empfängliche sich nicht selber durch die oben an- |
gegebenen Mittel in den hypnotischen Zustand versetzen darf,
sondern es muss bei Anstellung eines derartigen ExpeiimeoU
dafür Sorge getragen werden, dasa die Zeit, zu welcher der
EinflusB des Magnetiaeura stattfinden soll, dem Empfänglieben
mit aller Sorgfalt verschwiegen werde.
Hr. Professor Heidenhain beschreibt nun unter der
Ueberschrift „ Hypnotisirung auf beliebige Entfernung" S. 13
a. a, O. wörtlich den folgenden Versuch:
„Hrn. Stud. med. Friedländor, der mehrfach zu HvjmntiBinmg»-
Veraiichen sich erbotan hatte, wurde am I. Februar VorraittagH gwsti
or werde Nachmittags pünktlich i Uhr durch Femewirkung,
auf sein Zimmer ..magnetisirt" werden, er solle kiiri »et
4 Uhr nach der Uhr sehen, um sich über die Zeit zu ufi»""
tiren. Hr. Dr. Rugner, ein Verwandter des Hm. Friedländer, üb«-
Bahm die Controlle und konstatirte den voUatäniligon Erfolg. Ein ähnlil^
Versuch gelang mit zwei andern Personen, indem man sie zurW'
atimmten Zeit die Uhr fixireu liesa.
Wie eine vorausbeBtJmmte Stunde, so wird man natürlich bei geeignet«
Personen von Idnreichendar Err^barkeit auch einen vorausbei
Ort. an welchen die betreffende Person sich zu begehen hat, ei
bestimmtes Object, auf welches sie tu blicken hat ti. b, w, bennWi
künnen, um die HypnotiElTung auf beliebige Entfernung U
Tollziehen. Jede Art, den Gedanken an den herannahenden Schlaf !A
baft anzuregen, wird dasselbe leisten. Welchem Aberglauben ist hierdai^
für den Uhwngeweihten Thür und Thor geöf&iet."
Ich gestehe es aufrichtig, daas mich beim Lesen da
vorstehenden Argumente des Viviseclors Heidenhain ei'
herzliches, rein menschliches Milleid mit ihm ergriffen ha
Denn es ist darin in so evidenter Weise eine Verkümmenin
der einfachsten Verstandesoperationen docunientirt, dass m
das bekannte Wort:
„Qiieni DeiiJ' perdere i-iiit. priiix demenSal''
selten mit so eindrucksvoller Deutlichkeit entgegengetreten ii
In der That, wie man aus dem Umstände, dass Jemand wt
A
-- 229 —
gefordert wird, zu einer bestimmten Stunde lebhaft an den
hypnotischen Zustand zu denken und sogar die Uhr zu fixiren,
den Schluss ziehen will, derselbe sei ,,aus beliebiger Entfernung
hypnotisirt worden^, — wenn er unter diesen Umständen in
den hypnotischen Zustand verfällt, das ist eine Zumuthung,
welche man nur an den unentwickelten Verstand von gänzlich
unwissenden Menschen stellen kann. Wenn aber solche
„Männer der Wissenschaft^ sich zu Aufklärern des Volkes
aofwerfen und beanspruchen ,,im Dienste der Heilkunde^
Vivisectionen ausfuhren zu müssen, so ist es die höchste Zeit,
dasB Volk und Kegierungen gemeinsam dahin wirken, um
durch £rlass eines strengen und einschneidenden Vivi-
8ectio9sgesetzes dem Unfug und der Verwirrung zu steuern,
welchen solche Professoren der Physiologie im Volke anstiften.
Um nun femer meinem Collegen Heidenhain zu be-
weisen, wie es sich rächt, wenn man mit übergrosser Vordring-
lichkeit und Geschäftigkeit die Verdienste anderer Collegea
durch Ignoriren ihrer Arbeiten über denselben Gegenstand zu
unterdrücken sucht, erlaube ich mir hier wörtlich einen Ver-
such zur Entscheidung derselben Frage mitzutheilen, den ich
bereits im Nachtrage zum dritten Bande meiner Abhand-
lungen^) veröffentlicht habe, zu einer Zeit, in welcher Hr.
Hansen noch gar nicht in Breslau eingetroffen war und
Hr. Heidenhain, wie er selber (S. 4) eingesteht, noch
»,alle8 für abgekartetes Gaukelspiel" hielt. Die von
nir gegebene Beschreibung des betreffenden Versuches lautet
rörtlich wie folgt:
„Für das Verständniss dieser merkwürdigen Erschei-
nungen ist es offenbar von hohem Interesse, nähere Aus-
kunft über die subjectiven Empfindungen, sowohl bei dem
„Magnetiseur" als den von ihm „Magnetisirten" zu erhalten;
XU diesem Zwecke lud ich Hrn. Max Köhler*) eines
*) Vgl. „Der Skalen- Photometer" u. s. w. S. 119.
*) Der ISjährige Sohn des Steindruekerei - Besitzers Friedrich
>hler in Leipzig (Neumarkt 16), welcher sich als ein besonders empfäng-
heB ßubject bei den hiesigen Productionen Hansen 's erwiesen und
ilfach unter dem bioraagnetischen Einfluss des Letzteren gestanden hatte.
— 230 -
Abends ein, um in Gesellschaft meiner Collegen Fecshn
und Scheibner das Abendbrot mit uns einzunehmen. To
unbefangener und natürlicher Weise gab uns derselbe übe«"
alle an ihn gerichteten Fragen Auskunft und wiederholt^
hierbei die mir bereits früher gemachte Miitheilnng de^
folgenden Experimentee : Hr. Hansen hatte sich nach ße--
endigung seiner Vorstellungen in der hiesigen Centralhall^
auf kurze Zeit nach London begeben, um seine Frau von
dort abzuholen. Er nahm von den ihm persönlich näher
getretenen Peraoncn besonders freundlichen Abschied und
bemerkte hierbei Hrn. Köhler, er beabsichtige mit ihm
ein Experiment aus der Ferne zu machen; er solle in den
nächsten Tagen auf sich achten, denn Hansen beabsichtige
lebhaft zu einer bestimmten Zeit an ihn zu denken, Herr
Köhler versichecte uns nun, dass er diese Aufforderung
wenig beachtet habe, indessen sei er am nächsten Tage
gegen Abend um 6 Uhr, ohne irgend an Hansen zu denken, |
plötzlich während seiner Arbeit erstarrt und bewusstlos um- j
gefallen und sei erst nach längerer Zeit mit Unterstützung
anderer Personen wieder in seinen normalen Zustand ver-
setzt worden. Erst jetzt habe er sich des ihm von Hansen
versprochenen Experimentes erinnert, und als ich Herrn
Hansen bei seiner Kückkehr nach Leipzig über diesen
Vorfall berichtete, bestätigte er mir, dass er sich um die-
selbe Zeit in Berlin befand, imd dort den versprochenen
Versuch durch lebhafte Concentrirung seiner Vorstellungen
auf die Person des Hrn. Max Köhler angestellt habe.
Am 20. November wurde ich unerwartet durch einen mehr-
stündigen Besuch Hansen's erfreut. Ich benutzte diese
Gelegenheit, ihm die Beschreibung des soeben erwähnten
Experimentes vorzulesen, die er als vollkommen wahrheits-
getreu bestätigte. Gleichzeitig thejlte er mir in Ueberein-
stimmung mit Herrn Trott mit, dass auch Hr. Ehren-
werth inzwischen meinen Bericht gelesen, denselben für
vollkommen correct halte und mir dies in den nächsten Tagen
mit Angabe der Zeugen schriftlich bestätigen wolle.
Jeder Unbefangene sieht ein, dass zur „Erklärung"
, dieses Ex|>erimentes die „hypnotische" Theorie des Hro
Hrn. j
I^
— 231 —
' U Dr. med. Opitz und seiner Anhänger vollkommen unzu-
'-^^J reichend ist. Der Glaubwürdigkeit und dem persönlichen
"^f Vertrauen des Hm. Hansen aber, welches er sich durch
sein ebenso taktvolles als unerschrockenes Auftreten in
allen Schichten des deutschen Publikums erworben hat,
glaube ich kein besseres und zugleich ermuthigenderes
Zeugniss ausstellen zu können, als dies mein College Lud-
wig Matthiessen, Professor der Physik an der Univer-
sität zu Eostock, in folgendem Briefe gethan hat, nachdem
er selber von Herrn Hansen erfolgreich magnetisirt
worden war. Der Brief hat mir im Original vorgelegen und
lautet wörtlich wie folgt:
„S. T.
Herrn Professor Carl Hansen.
Kostück, d. 2ü. Juli 79.
Sehr geehrter Herr!
Ich wollte nicht unterlassen, Ihnen noch meinem besonderen Danke
und meiner besonderen Anerkennung Ihrer Leistungen und Ihrer Befähigung,
biomagnetische Experimente anzustellen, hierdurch Ausdruck zu geben.
Ich befand mich unter den sechs Probeobjecton während Ihres gestrigen
Vortrages in der Societät in Gegenwart der grossen Corona von wissen-
schaftlichen Capacitäten.
Ich habe die Ehre zu zeichnen
Ludwig Matthiessen,
Professor der Physik an der Universität.*^
Weshalb ignorirt denn Hr. Heidenhain die vorstehend
von mir mitgetheilten Thatsachen, die frei von seinen groben
Denk- und Schlussfehlem und daher wirklich beweisend
sind ? Hält er mich nebst den vorstehend angeführten Collegen
und Freunden für unzuverlässig und Herrn Hansen unter
Umständen für einen Lügner und Betrüger, nun gut, mit
welchem Rechte verlangt dann aber Hr. Heidenhain von
uns imd der wissenschaftlichen Welt, dass wir ihn und alle
seine „Empfänglichen" nicht gleichfalls für unzuverlässige
Beobachter imd eventuell für Schwindler halten? Wie viele
Menschen kennen denn Hrn. Heidenhain und seine Sub-
jecte persönlich? Oder glaubt Hr. Heidenhain, dass man
erst als Vivisector „auf den Hund kommen^' müsse, um
wissenschaftliches Vertrauen zu erwecken, und dass sich die
wissenschaftliche Bedeutung eines modernen Physiologen ein-
fac)i nach der Zahl der zu Tode gemarterten Thlere beurtheilea
luese, äliolicb wie die wiaaenBchafiliche Rangstufe einer modernen
Sternwarte nach der Zahl von Zollen, welche der Objectiv-
Durchmesaer ihres Refractora beaitzt? Bei Beurtheitung der
( ilaub Würdigkeit von Personen kommt doch vor Allem ihre
nioralische CbarakteranJage in Betracht und gerade diese
erscheint mir mit Berücksichtigung der bisherigen Manifeata-
tionen des Hrn. Profeaaor Heidenhain in hochat zweifel-
haftem Lichte. In der That, ein Mann, der das wisaenachaft-
liche Eigenthum Brecht und die Ehre seiner CoUegeu mit solcher
jüdischen Rücke ich tslosigk ei t verletzt, wie diea Profeaaor
Heidenhain thut, indem er die Phraeen meines Collegeo
Wundt wiederholt und Slade im Widerapruch mit meinen
und meiner CoUegen Weber, Fecher und Scheibner
öffentlich abgegebenen Erklärungen ohne Weiteres für einen •
Betrüger erklärt, ^) — ich behaupte, daaa ein solcher Mann erat
') Die Worte des Hrn. Heidenhain lauten (S. 1 a. a. 0.) wie folgt:
„Spukt doch trotz aller naturwiaHejiEchaftlichen Aufklärung unserer Zeit
der Bf^nannte Spiritismus in den Köpfen nicht blos der Laien, sondern i
ernsthafter, auf ihrem wissen Echaftlichen Gebiete ausgeKeichneterGel
Hat doch Einer von ihnen mit Hülfe des Amerikaners Hrn. Sladi
citirt und deren Fusstapfen photographirt , . . und was der Ts
spielerkunstetQuke mehr sind. . . . Hat doch ein bekannter Fl;
bona fide jene Mährchen für eine neue Offenbarung der göttlichen .
macht erklärt ....."
Meine Erwidenmg auf eine gleiche EhrabBohneiilerei und Verleumj
von Seiten meines CoUegen Wandt lautete in meinem offenen Brie
denselben (WisB. Abhandlungen HI. S. 41) wöriilinh »ie folgt:
„Herr Slade, welchen ich als meinen Freund betrachte,
mich zu aufrichtigem Danke für die mannigfach durch ihn
Belehrung verpflichtet fühle, der über acht Tage als Gast un Hause
meiner Freunde gewohnt hat, den Wilhelm Weber, Fechnei
ich nebst vielen andern gebildeten und intelligenten Männern flir
honnetten, persünlith angenehmen und gesellschafthch mit di
Manieren ausgestatteten Mann betrachten, und auch dieser Hebt
üffentlich Ausdruck verlieben haben — dieser Mann, so behaup
«oi ein Betrüger. , . . Um Ihnen, hochverehrter Herr College,
liiangclhaften Litoruturkonntniss, nicht nur auf dem Gebiete des I
mim, aoodem aucli des Strafrechtes, nicht Unbequemlichkeiten zu t
»rlaiibo ich mir, Ihnen hier §. 186 unseres „Sral'gesetzbuoLea
Hi'iitichp Koich" wörtlich zu reproduciren. Derselbe lautet wie fo
— 233 —
öffentlich Beweise von der Aufrichtigkeit und Lauterkeit seines
wiasenfichafUichen Strebens zu liefern hat, ehe man ihm Ver-
trauen schenkt und den Verdacht unterdrückt, es möchten viele
seiner Versuche kritiklos und oberflächlich ancrestellt
sein, lediglich um nur von sich und seinen „hypnotischen**
Verdiensten möglichst viel und schnell im Publikum reden zu
machen. Man müsste nicht das Wettrennen mit Hindernissen
j.Wer in Beziehung auf einen Anilem eine Thatsache behauptet
oder verbreitet, welche »lenselben verächtlich zu machen iKler in der
öffentlichen Meinung herabzu«-ürdigen geeipiet ist, wird, wenn nicht
diese Thatsache erweislich wahr ist. wehren Boleidi^ing mit
Geldstrafe bis zu t>Oi) Mark oder mit Haft, oder mit Gefängniss bis
m einem Jahre und. wenn die Beleidigung öffentlich oder durch Ver-
breitung von Schriften. Abbildungen iKler Darstellungen Ivjgangen ist,
mit Geldstrafe bis zu 15U0 Mark '^der mit Gefangniss bis zu zwei Jahren
bestraft.''
Hr. Professor Heiden hain wird alsii hieraus ersehen, welche Beileu-
tong seine obige Behauptung für mich hat. und wie wenig ich gesonnen
bin, mir solche öffentliche Verleumdungen meiner Freunde gefallen zu
lassen. Es geschieht dies im Interesse der öffentlichen Moral in Deutsch-
land; denn ebensowenig, wie es gestattet Ist. öffentlich einen Juden für
einen Betrüger zu erklären, nhne ihm dies beweisen zu können,
ebensowenig ist es Professoren gestattet, ihre CoUegen für unzurei-hnungs-
faüüg und deren Freunde für Betrüger zu erklären. Jedenfalls haben solche
CoUegen mir gegenüber all' und jedes Recht verloren, sith über Rück-
sichtslosigkeit von meiner Seite zu beklagten, wenn ich sie wie anatomische
Präparate in Spiritus behandle und zupsyehologischen Vivisectionen
zur Belehrung und Aufklärung des deutschen Volkes S4i lange benutze, bis
sie mir und meinen beleidigten Freunden öffentlich Genugthuuug geleistet
haben. Um nun aber spcciell meinem CoUegen Heiden hain den Beweis
za liefern, dass man vor 27 Jahren in Deutschland anständiger und ver-
nünftiger über derartige Dinge offen t lieh geurtheilt hat, als er dies heute
thnt, erlaube ich mir hier folgende Worte aus einer im Jahre 1^53 er-
schienenen Schrift („Die Geheimnisse des Tages u. s. w." von Dr. F. W.
Bechenberg, Leipzig 1853, Otto Spamer) S. 8 anzuführen:
„Lord Bacon erklärt, er wolle lieber so abergläubisch sein, alle
Fabeln des Talmud für wahr zu halten, als blos das zu glauben, wovon
i seine Sinne ihn überzeugten. Addison spricht den Wunsch aus, dass
Diejenigen, welche übernatürlichen Dingen keinen (rlauben schenken
lOnnen, wenigstens so gefallig sein möchten, nicht den Glauben Derer,
die es können, durch Kritteleien zu stören, welche in der Regel nicht
sowohl Beweise von gesundem Menschenverstände, als von Dünkel und
Selbstüberschätzung sind. Ein neuerer Dichter erklärt, ergebe der
bäaerischen Unwissenheit Derer, welche der Ruf einer Eide mit Furcht
vor dem Tode oder das Geschwätz einer Elster mit Hoffnung auf Glück
— 234 —
und die Jagd nach Prioritäten gerade bei den von semitischem
Geiste erfüllten Vivisectoren kennen, um derartige Bedenken
bei Hm. Heidenhain zu unterdrücken.
Dass Herrn Hansen, der den Titel „Professor" mit weit
grösserer Berechtigung führt, als diejenigen, welche ihn in
ihrer dünkelhaften Verblendung als Laien bezeichnen, — ich
sage, dass Herrn Hansen in erster Linie das Verdienst bei-
zumessen ist, durch sein unerschrockenes und taktvolles Auf-
treten das Studium dieser interessanten Erscheinuns:en zuerst
wieder in Deutschland angeregt zu haben, das muss doch
jeder anständige und billig denkende Gelehrte bereitwillig an-
erkennen, besonders wenn er, wie Hr. Professor Heidenhain,
die zweite Auflage seiner hierauf bezüglichen Schrift mit fol-
genden Worten schliesst:
erfüllt, den Vorzug vor dem Unglauben an Alles, was über die mensch-
liche Erkenntniss hinausgeht."
Als Motto zieren folgende Worte jene interessante Schrift von
Eechenberg:
,fUnd es traten ein Weiser herein und ein Nan*. Der Weise untersuchte erst
und urtheilte dann; der Narr urtheilte sogleich und untersuchte gar nicht.*^
Mein College Heidenhain mag vom vollkommen confessionslosen
Standpunkte unter dem unpartheüschen Beirathe seiner Breslauer CoUegen
Friedborg, Cohn, Auerbach, Simon, Fränkel, Joseph, Magnus
Bosenbach, Graetzu. dgl. m. darüber urtheilen, wer dem obigen Motto
gemäss mit dem Narren und wer mit dem Weisen gemeint sei. Ich aber
gestatte mir die Frage an alle die genannten Collegen, wer von ihnen
schon selber einen Meteorstein hat vom Himmel fallen sehen, und weshalb
sie, falls diese Frage Niemand von ihnen bejahen kann, an die Eealität
der Meteorsteine -glauben. Sollten sie mir erwidern, weil dies in Hum-
boldts Kosmos steht, so würde ich dies bedenklich finden und lieber
sagen, weU es in Chladni's Werk über Feuermeteore (vgl. Wissenschaftl.
Abhd. B. n. Tbl. 1. S. 233) steht; denn Humboldt hat am 7. Dec. 1841
an Varnhagen geschrieben: „Wahrheit ist man im Leben nur denen
schuldig, die man tief achtet". Wer soll nun darüber entscheiden, ob
Humboldt seine Mitmenschen, für die er den Kosmos schrieb, ,,tief"
geachtet hat? Will sich aber Professor Hei den hain mit seinen übrigen
Collegen auf . die Autorität des Kosmos stützen , so schlage ich ihnen die
folgenden Worte Humboldt 's zu diesem Zwecke vor:
„Vornehm thuende Zweifelsucht, welche Thatsachen verwirft, ohne
sie ergründen zu wollen, ist fast noch verderblicher als unkritische
Leichtgläubigkeit."
— 235
„Wenn, während wir hier in Breslau schon niit zahlreichen Einzelheiten
des hypnotischen Zustandes hekannt sind, an andern Orten, z. B. in Wien,
die Hansen 'sehen Productionen noch immer als Schwindel «gelten, so
kann der Grund nur darin liegen, dass kein Sachverständiger sich mit
denselben eingehender beschäftigt hat. Mögen diese Blätter die Anregung
zu weiterer Verfolgung des Gegenstandes geben, der eine noch gar
nicht übersehbare Fülle der wichtigsten physiologischen
and psychologischen Probleme umfasst.'*
Für diese offene Erklärung bin ich Herrn Professor
Heiden ha in ausserordentlich dankbar, denn sie wird in dem
Kampfe des gebildeten und sittlich unverdorbenen deutschen
Volkes gegen die unbeschränkte Vivisection eine der mäch-
tigsten Waffen sein. In der That wiederholt Hr. Heiden-
kain als „sachverständiger^ Vivisector nur eine Behauptimg,
welche ich bereits im dritten Bande meiner „Wissenschaftlichen
Abhandlungen^^ (S. 558), im Hinblick auf Professor West-
phal's metalloskopische Experimente in Berlin, mit folgenden
Worten ausgesprochen habe:
„Vielleicht geht hierdurch den Vivisectoren ein licht üher die Nutz-
losigkeiten ihrer Grausamkeiten auf und zeigt ihnen, dass es im Gehiete
der Transcendentalphysiologie noch andere, moraliscBP weniger
anstossige, Wege giht, um auch die bisherige Physiologie und Psychologie
mit neuen Entdeckungen zu hereichem/^
Wie beschämt muss sich gegenwärtig mein College
Wundt beim Anblick dieser Worte und ihrer obiffcn Be-
fltatigimg von Professor Heidenhain fiihlen! Hat er doch
gelber ein Lehrbuch der physiologischen Psychologie ge-
schrieben, und lässt sich nun solche Gelegenheit zu neuen
Entdeckungen auf diesem Gebiete entgehen, um einem
Bredlauer CoUegen die Hebung des reichen Schatzes zu über-
lassen. War es nicht eine grosse Thorheit, den Studenten mit
dem Ausdrucke „sittlicher" Entrüstung Vorwürfe darüber zu
machen, dass sie die Productionen Hansen's unter meiner
A^de in Augenschein genommen hatten? Erst durch diese
a^tatorische und tendenziöse Polemik von Professoren mit
Unterstützung von Doctoren und Privatdocenten, von denen
der eine gegenwärtig als gemeiner Verbrecher verhaftet ist,
der andere im Verdacht der Theilnahme an öffentlichen Ver-
leumdungen steht (vgl. S. 190), wurde unter den Studenten
die ursprüngliche Unbefangenheit gegenüber den Productionen
Slade's und Hanaen'e getrübt und jener „geistige Dn
erzeugt, welchen die Ijüge und bewusste Unterdrückung i
Wahrheit bei jedem Cliquen- und Parteilreiben in
lieh unverdorbenen Volke hervorrufen. Ebenso hat sich a
das Leipziger Publikum durchweg so vernünftig und
messen gegen Hansen benommen, dass ich gar nicht begi
wie gerade die Herren Vivieectoren und Medieiner .
von ..geistigem I>ruck" und von ..unheimlichen" Empfindunj
des Volkes beim Anblick dieser Phänomene reden köm
Daas jedoch diesen Herren selber bei ihrem unfehlbtil
Glauben an die Noth wendigkeit der Vivisection etwaa unheä
lieh zu Muthe wird, will ich gern glauben. Aber diese !
pfindung wird noch viel stärker werden, wenn die Viviaectoi
aus den Discussionen im Reichstage und den Pari am ei
vernehmen werden, wie stark das Gefühl der Unheimlicb|^
im deutschen Volke geworden ist, nachdem dasselbe
die unerhörten und zum Theil schamlosen Grausamkeiten )
geklärt worden ist, welche täglich im Namen der Wia
schaft .„unter Aufsicht des Staates*' in den Vivisecti
Anstalten an deutschen Universitäten verübt worden
Wenn Hr. Professor Heidenhain diese Grausamkeiten d
den Nutzen für die Heilkunde vertbeidigen will, so erkei
er hierdurch an, dass die Medicioar des Volkes wegen i
nicht das Volk der MedicJner wegen da ist. Demgem
dienen die unheimlichen Empfindungen des verleta|
Volksgewisaena eine grössere und nachdrückliche,
rücksiebt ig ung als die „unheimlichen Eindrücke" der Medtd
und Vivisectoren , von denen Hr. Professor Heidenhail^
folgenden Worten (S. 37 a. a. O.) fabelt:
„Haten wir m doiJi in "dieBen Tagen alle erlebt, vde an)
Tbeile nnserer Mitbürger ein geiat^r Druck lastete, hervorgerufen
die Empfindimg, vor ettrae Unbekanntem la stehen, dos ohne die A
neuer, specifiachcr und in ihren Aeusserungen unbeimlicher Kräfte v
atSndlieh schien. Denn es macht in der That einen unheimlichen Emäl
die Handlungen eines Menschen scheinbar unmittelbar dem Willen. 4(
andern unterworfen ta sehen. Dieaer Druck igt, hoffe ich, dm
phjaiologi sehen Erläuterungen, die ich Ihnen gegeben habe,
saiicla timpUcitas .' Im Gegeniheil, verehrter ■,
College, der Druck ist gesteigert, indem das Volk
- 237 —
wärtig erkennt, wie mangelhaft die Fähigkeit bei den Vivi-
sectoren ist, aus beobachteten Thatsachen richtige Schlüsse zu
ziehen. Auch hat der Gedanke, „den eigenen Willen unmittel-
bar dem Willen eines andern unterworfen zu sehen ^, nur für
^gute Kevolutionäre ^, Socialdemokraten und Nihilisten etwas
„Unheimliches", und ich würde es freudig als ein Werk der
sittlichen Erlösung unseres Volkes begrüssen, wenn demselben
durch die Productionen Hansen 's der von den materialisti-
schen Physiologen geraubte Glaube an die Möglichkeit der
Abhängigkeit des eigenen individuellen Willens von demjenigen
eines andern intelligenten Wesens wieder zum Bewusstsein ge-
bracht werden könnte. Es können die Herren Physiologen
und Vivisectoren nicht oft genug an die folgenden, bereits vor
38 Jahren von ihrem begeisterten Vertheidiger Karl Vogt^)
ausgesprochenen Worte erinnert werden, in denen er sie,
^nlich wie die Magdeburger Zeitung Herrn Lasker, als ein
n Stück Nationalunglück" bezeichnet. Denn College Vogt
sagt wörtlich:
,J)aß ist ja eben das Unglück , dass besagter roher Materialismus so
tief in der Physiologie begründet ist, dass man sich mit der einen nicht
beschäftigen kann, ohne die hässlichsten Flecken der andern an Leib und
Seele davon zu tragen ... 0! wenn sie es wüssten, diese loyalen Pro-
fessoren der Naturwissenschaften, dass sie es eigentlich sind, welche mit
jedem Zuge ihres Skalpells dem christlichen Staate in den Eingeweiden
wühlen . . . Aber sie wissens nicht! Sie träumen immer noch!"
Als Beweis dieser Thatsache und zugleich für Herrn
Professor Heidenhain als eine neue experimentelle Stütze
fiir seine geistreiche Theorie der hypnotischen Femwirkung,
sogar von Breslau bis Wien, erlaube ich mir Folgendes anzu-
führen. Bekanntlich ist Hr. Hansen im Kingtheater in
Wien vor versammeltem Publicum und in Gegenwart des Erz-
herzogs Albrecht von einem gewissen Fischer, Assistent
"ir Chemie an der technischen Hochschule, öflTendich insultirt
forden, indem dieser zu Hm. Hansen sagte: „Sie sind ein
gemeiner Schwindler**. Für den hierdurch im Theater provo-
^en Scandal ist Fischer polizeilich mit hoher Strafe be-
^®gt worden. Wegen der öffentlichen Insulte gegen Hm.
') Ocean und Mittelmeer. S. 21.
— 238 —
Hansen war jedoch letzterer als Mann von Ehre gezwungen,
den p. p. Fischer wegen Beleidigung zu verklagen. Der
juristische Beistand Hansen 's war Dr. Neu da, derjenige
Fischer's ein gewisser Dr. Benedict.
Letzterer erklärte nun wörtlich^) in der Rede zur Ver-
theidigung seines dienten:
„Wenn Jemand sich, wie Hansen erzäMt, seit 20 bis 30 Jahren mit
Magnetismus befasst — er will seine ICraft an einem erkrankten kleinen
Mädchen entdeckt haben — warum lässt er sich von Leuten Dinge vor-
simuliren, die selbst Laien im Publicum als solche erkannten? .... Es
wurde — sagte der Vertheidiger im Verlaufe seiner weiteren Ausführungen
— die Frage aufgeworfen, ob derlei „kleine" Unregelmässigkeiten auf dem
Theater nicht gestattet werden mögen? Wohl, wenn Hansen gesagt
hätte, es sei ihm blos darum zu thun, die öffentliche Schaulust, den Kitzel
nach allem Grauenhaften*) zu befriedigen. Aber Herr Hansen sagte, er
woUe der Wissenschaft dienen, und da müsse man denn gegen den von
Hm. Hansen beliebten Aufputz seiner nach Ausspruch der medi-
cinischen Facultät so wie des Professors Heidenhain sehr
unheimlichen Productionen im Namen der Wissenschaft protestiren.
Wenn derlei geduldet wird, dann ist es kein Wunder, wenn alle Gesetze
der Causalität aufgehoben werden. Der Vertheidiger warnt vor der riesigen
Gefahr, welche in der Poussirung solchen spiritistisch -mystischen Zeuges
liege; dieselbe wäre gleichbedeutend mit der Aufhebung der Volksauf-
klärung. Die Erscheinung des Spiritismus, dieser furcht-
baren amerikanischen Keligion, ist eine ungeheure, die
grösste Gefahr für die Errungenschaften der Gegenwart.
Die einfache Erscheinung des Hypnotismus werde von den Spiritisten auf-
geputzt zu den unglaublichsten Dingen, und sogenannte „Autoritäten" dieser
spiritistischen „Wissenschaft" haben sich sogar soweit verrannt, ernsthafte
Untersuchungen über Photographien, die Fussspuren abgeschiedener Greister
zu schreiben xmd sie behandeln den unglaublichsten spiritistischen Nonsens
von den Klopfgeistern u. s. w. mit dem grössten Aufwand von Gelehr-
samkeit und Autorität Als der berüchtigte Spiritist Slade — wie
Professor Zöllner berichtet, derselbe Zöllner, der in früheren Jahren
ein Buch über Kometen schrieb und jetzt günstige Zeitungsberichte über
die Productionen Hansen 's sanunelt — als Slade einst mit der flachen
Hand über die Magnetnadel fuhr, so dass diese abwich, wurde diese That-
sache zum Ausgang grosser Debatten unter den spiritistischen Gelehrten.
^) Nach einem Keferat im Wiener „Fremdenblatt" v. 19. Febr. 1880.
Seite 12.
*) Ich weiss nicht, ob auch Hm. Ncuboursin Wien gestattet worden
ist, wie hier in Leipzig, das Publicum mit der Darstellung einer Enthaup-
tung ,, grauenhaft" zu „kitzeln". (VgL oben S. 113.)
239 —
Wundt aber sagte zu den Spiritisten: „Wenn ein Jurist unter Euch
gewesen wäre, er hätte Herrn Slade's Kockärmel untersucht, ob nicht
dort die Magnetnadel versteckt war." Und ich sage — schloss der Ver-
theidiger — wir haben auch den Magnet im Rockärmel des
Herrn Hansen gefunden. Und darum möge mein Klient freige-
sprochen werden. (Beifall.)
Unter allgemeiner Spannung verkündete der Richter Dr. Hatting-
berg über den Assistenten Heinrich Fischer das freisprechende
Ürtheil sowohl bezüglich der Klage wegen Schmähung als auch Betreffs
der Beschimpfung. Der Kläger Hansen wurde in den Ersatz der Process-
losten verfallt. Dieser Ausgang des Scnsationsprocesses wurde mit stür-
siiBchen Bravorufen aufgenommen."
„In der Begründung des freisprechenden Urtheils sagte der Richter:
In der Klage selbst habe Herr Hansen die Worte Eis eher 's als
Sehmähung qualificirt und sich zum Beweis erboten, dass Alles, was er
rorführe, wahr sei ... . Zweifellos, festgestellt ist, dass Hansen nicht
gehalten, was er versprochen. Und so fällt denn das Urtheil,
welches er provocirt hat, auf ihn zurück, weil er es imtor-
nominen hat, eine Kraft zu beherrschen, die der Gelehrte in seiner
Stadirstnhe nicht ergründen kann: weil er es unternommen hat, den
Iremden Willen unter den seinigen zu beugen. . . . Durch den Ausdruck
„Schwindel" wurde nur gesagt, dass Hansen unreel vorgehe, nicht
auch, dass er ein Betrüger sei.
Dr. Neu da meldete die Nichtigkeitsbeschwerde an."
Die Berliner National - Zeitung vom 21. Februar d. J.
(1. Beiblatt zu No. 87) berichtet ihren Lesern das vorstehende
Seeultat mit folgenden Worten:
„Wien ist dje Stadt der Extreme. Zuerst war Hansen der Held des
Tages, die dortige Polizei protegirte ihn förmlich ; Alles wollte seinen Vor-
stelliingen beiwohnen. Heute ist Hansen auch in Wien eine gefallene
Grosse. Die Behörde hat in Folge des von der medizinischen Fakultät
eingeholten Gutachtens die Fortsetzung seiner Vorstellungen sistirt,
und in dem gestern beendeten Elirenbeleidigungsprocesse, den Han sen leicht-
sinniger Weise gegen den Assistenten Fischer angestrengt hat, ist er
unterl^en und daher als „Schwindler" gebrandmarkt. Es wird darüber
aus Wien unter gestrigem Datum telcgraphirt: „„Das Gericht hat, nach-
dem es die auf Antrag Hansen 's durch Dr. Neu da vorgenommenen Yor-
saohe mit einem Medium von der medizinischen Fakultät hatte begutachten
lassen, sein Urtheil dahin abgegeben, dass Fischer, welcher angeklagt
war, Hansen einen Schwindler genannt zu haben, und der auch zugab,
diese Worte gesprochen zu haben, nicht schuldig ist. Der Kläger Hansen
ist abgewiesen und in die Kosten des Prozesses verurtheilt worden. — Das
Wiener Gericht hat demnach nach seinen eingehenden Zeugenverhören sich
der Erklärung angeschlossen , dass Hansen ein Schwindler ist. Hansen
— 240 -
die EntBcheidong die NiehtigkdtabescLwerde angemeldst^
Hansen war zur Schliissverhandluag dieses FrozesBes gar niclit erschJeueD."
Welche Auslegung die Freieprechung Fiaeber'a und
die jurislische Behauptung des Richters Dr. Hattingberg,
die Insulte Fischer'a „Sie aiod ein gemeiner Schwindler"
bedeute nicht „Sie sind ein BetrUger", sondern nur „Sie gehen |
unreell vor" — ich sage, welche Auslegung eine solche Vf^
letzuDg des natürlichen, sittlichen Ineftoctes durch unsere
Juristen im Volke und sogar in der jüdischen Presse erfahr!,
darüber mag sich Hr. Dr. Hattingberg aus dem folgenden
Bericht aus der „Berliner Börsenzeitung" vom 27. Febr. 1880
(2. Beilage) belehren. Derselbe lautet wörtlich:
„Ein Wiener Blatt schreibt: Das von Herrn Hans
<jBSuch. die Vorstallungen im Eingthoutor unter Vermeidung jai
dlictJnnen, welche von der mticlictniachen Fakultät als sanitfit
beiteicbnet wurden, tdeder au&ebinen m dürfen, hat die Statthall
schlägt heschieden nnd den Beschluss dem Herrn Hansen uni
Vertretei geatem Abends fibermitteln lassen. Herr Hansen soll nu
entBohloasen aein, gegen dteao Varfflgiiog den Reciirs beim Ministarima
dee Innern einzu reichet. Aller Wahrsclieinticlikeit nach wird aucb dieMr
Recurs ziirüekge wiesen werden. Es ist schwor ertlSrheh, wie ein Ibiiii-
der soeben den Geri(;ht8Baal unter der tiebten DemUthigiuig, die Jentandw
treffen lann, vorlassen hat. sieh ganz üoberhaft zn einer WiederholuoS
öffentlicber Prcdiictionen drängen Irann."
Die „Berliner Börsen-Zeitung" Nr. 96 v. 22. Febr. d. J-
2. Beilage veröffentlicht den folgenden Brief des Hm. Pro-
fessor Heidenhain an einen CoUegen in Wien. In wi*
weit die darin enthaltene Hypothese über die EhrKchkeil
Hansen's auf alle diejenigen, welche letzeren aus lungeren
persönlichen Verkehr kennen gelernt haben, einen „unheim-
lichen" Eindruck macht, muss ich ganz dem Urtheil und der
sittlichen Empfindung meiner Leser überlassen. Wenigsien!
würde ich mich gescheut haben, von einem Manne, den id
aus eigener Erfahrung als einen ehrlichen Menschen keDDHi
und durch seine sonstigen Eigenschai'ten sehätzen gelernt habe,
auch nur hypothetisch einer unredlichen Handlung fü'
fähig zu erklären, wenn er von einem „rohen Gesellen" ÖfFent-
lieh als „gemeiner Schwindler" beschimpft und an sdner Eh»
gekränkt wird. Die Worte der „Börsen -Zeitung" lauten
wie folgt:
J
— 241 —
— ,^er Magnetiseur Hansen hatte sich von Wien nach Pest gewandt.
ber auch die dortige Behörde hat seine Productionen verboten. Professor
Leidenhain aus Breslau hat an Professor Eosenthalin Wien in Sachen
» Hypnotismus folgenden Brief gerichtet : „Geehrtester Herr College ! Für
üe freundliche Zusendung Ihrer Arbeit besten Dank! Sie scheinen in
ffien der Erste und bisher Einzige gewesen zu sein, der sich mit dem
BteieBsanten Gegenstände des Hypnotismus ernstlich beschäftigt hat, und
fie haben vollständig Becht, dass die uns auf diesem Gebiete entgegcn-
tetenden Erscheinungen viele neue Aufschlüsse über die Physiologie und
iFlIhologie des Hirnes geben. Wenn schon die hypnotischen Versuche in
ifaHand von Laien vielleicht bedenklich sein mögen, so sehen wir doch
Jier in Breslau mit der Erweitenmg unserer Erfahrungen, dass die
Ai&ngs befürchteten dauernden Störungen der Innervation nicht eintreten,
»Imehr die durch die Versuche hervorgerufene Erregbarkeit sich nach
pidnaeh bis auf Spuren wieder verliert, welche bei einzelnen Personen
ndi bereits völlig geschwunden sind. Wenn die Commission Ihrer Facultät
WD Compression der Carotis und Zerrung der Halsnerven spricht, so ist
t» das vöUig unverständlich, da derartige Manipulationen absolut unnöthig
id. Sollte Hansen in Wien, um seine Kunst sich nicht
»sehen zu lassen, Scheinmanöver gemacht haben? Seit
tmm Vortrage habe ich sehr viele und interessante neue Erfahrungen
jBBMdit, über welche nächstens ein Bericht erscheinen wird.
Hochachtungsvoll
E. Hei den ha in."
Ich bin nicht einmal im Stande, mit der auf Hansen
fczügliehen Phrase einen vernünftigen Sinn zu verbinden.
Denn abgesehen davon, dass doch Hrn. Hansen eine viel
schere Erfahrung als Hrn. Professor Heidenhain zur Seite
cht, so kann man doch die „Zerrung der Halsnerven" und
e „Compression der Carotis" (der Kopfschlagader) nicht
Tade als eine Manipulation bezeichnen, welche im Stande
ire, „die Kunst" des Hrn. Hansen andern gegenüber zu
»rheimlichen oder in einem vortheilhafteren Lichte
scheinen zu lassen. Betrachtet denn Hr. Heidenhain
ine eigne, ihm erst von Hm. Hansen zum Bewusstsein
brachte Fähigkeit, biomagnetische Experimente anzustellen,
\ dne „Kunst", die er im Stande ist durch „Scheinmanöver"
yerheimlichen? Es ist dies doch eine Gabe, ähnlich wie
le schöne Stimme oder die Fähigkeit des Zitteraales, will-
iBch elektrische Schläge zu ertheilen. Kurz, ich kann mir
;ht helfen, alle Manifestationen des Hrn. Heidenhain
ichen auf mich den Eindruck des gelehrten Dünkels, ver-
16
— 242 —
banden mit jener jüdischen Vordringlichkeit und Geschäftigkd;^
welche den sittlichen und wissenschaftlichen Charakter unseroi
deutschen Universitäten beeinträchtigen und ihr Ansehen beioi
Volke und den Eegierungen nothwendig untergraben müssen
Solche Professoren richten durch ihre leichtfertigen und g^
dankenlosen Behauptungen weit mehr Unheil an, als A
glauben. Ja, sie können sogar, ohne es zu wollen, durch ihir
Hypothesen ehrliche Menschen in's Verderben stürzen, wie di^
die folgenden Worte von dem Vertheidiger des öffentliche]
Verleumders Karl Fischer beweisen:
„Gegen Karl Hansen wird selbst von jener Autorität, auf die €
sich fortwährend beruft, von Professor Heidenhain, der Vorwurf erhoben
dass er das Publicum täuscht, denn Heidenhain sagt: „„Der Hypnc
tisirte denkt nicht und weiss von nichts. Wenn man vorgibt, dass de
Hypnotisirte Engel anbetet, so ist das eine Täuschung.""
Die vorstehenden Sätze sind der „Deutschen Zeitung*
V. 19. Febr. d. J. (No. 2919, S. 7) entnommen. Nun lautea
aber die Worte in Prof. Heidenhain 's Schrift (1. Auft
S. 19. 2. Aufl. S. 21) ganz anders als die oben angeführtea-
nämlich folgendermassen:
„Denken Sie sich nun noch dazu eine Puppe auf den Armen de*
Herrn X. — und das Spektakelstück, die Amme mit dem Kinde,, ist ferti|^
Dabei ist Nichts verabredeter Betrug. Die einzige Täuschiu^
zu welcher die Zuschauer verführt werden, besteht darin, dass in ihnflCI
die Vorstellung erweckt wird, die Versuchsperson denke und wisse sich iaJ
Augenblicke in der Situation , die durch sie vorgestellt wird. Davon irf
absolut keine Eede. Der Hypnotische denkt Nichts und weiss Nichts mM
glaubt Nichts von oder über sich." —
Nach dieser Definition muss sich Professor Heidenhaia
permanent im hypnotischen Zustande befinden, denn in dei
That „er denkt nicht und weiss nicht und glaubt nicht", welchen
„absoluten Nonsens" er mit dieser Behauptung ausgesprochei
hat. Trotzdem er auf S. 12 wörtlich sagt: „Der Hypnotisch«
verhält sich ähnlich, wie Jemand, der im natürlichen Schlafi
einen Traum gehabt hat", ist er nicht im Stande zu begreifen
dass Niemand mit irgend welcher Sicherheit behaupten kann
er Labe in der vergangenen Nacht nichts geträumt, — einfacl
deswegen nicht, weil er seine Träume vergessen haben kam
was meistens gerade bei denjenigen Träumen der Fall sein mag
243 -
welche wir im tiefen und festen Schlafe haben. Trotzdem
ich bereits vor zwei Jahren den Berliner Physiologen E. du
Bois-Reymond mit seinem ,,traumlo8 schlafenden Gehirn^'
«uf diesen Nonsens unter Hinweisung auf Kant (Wissen-
schaftliche Abhandlungen Bd. I. S. 859) aufmerksam gemacht
habe, so ist doch die Verstandesverdunkelung unter den Vivi-
: lectoren so gross, dass sie gar nicht mehr im Stande sind,
solche einfachen Dinge zu begreifen. Aber ganz abgesehen
davon, geht aus den obigen Worten des Dr. Benedict hervor,
unter Voraussetzung der Correctheit des Referenten, dass er
•den Worten Heidenhain 's durch einen advocatorischen Kniff
eine verleumderische Bedeutung gegen Hansen unter-
geschoben hat, die sie nach der obigen ausdrücklichen
Erklärung des Autors gar nicht besitzen.
Ueber das Verhalten des Professoren-Collegiums in Wien
in dieser Angelegenheit berichtet die Wiener „Morgenpost"
vom 18. Febr. d. J. wörtlich Folgendes:
„(Hansen-Chronik.) Es liegt nunmehr aus der Discussion im
medicinischen Professoren -Collegium über die Produetionen Hansen 's im
Eing- Theater das Gutachten des Ober - Sanitätsrathes Professor
Schlager vor. Dieser wies darauf hin, dass durch ein noch nicht ausser
Kraft gesetztes Hof kanzlei -Beeret vom 29. Juli 1824*' „die Anwendung des
tfaierischen Magnetismus mit all dem befremdlichen Gefolge des Somnam-
btdismus, der^lairvoyance, dos magnetischen Wetters, des magnetischen
Wassers u. dgl." wiederholt als „Gaukelei" verboten und so eingeschränkt
worden, dass jede P\iblicität oder Curart mit denselben und die Vornahme
derselben an ganzen Gesellschaften strengstens untersagt wird." Wenn es
, also selbst dem Arzte kraft eines bestehenden Gesetzes nicht erlaubt ist,
ilgend welche Manipulationen, die den obgenannton Zustand erzeugen
■könnten, vorzunehmen, um wie viel weniger darf man solche Experimente
^em Individuum gestatten, welches über die Tragweite des anzurichtenden
Schadens und über die Folgen seiner Manipulationen keine Ahnung haben
«ann. Aus diesem Grunde stimme er mit dem Referenten für das Ver-
bot der Hansen 'sehen Vorstellungen. Die Professoren Brücke, ßam-
l^erger, Billroth und Lcidorsdorf äusserten sich im Sinne des Ober-
Sanitätsrathes Schlager, dass es angezeigt sei, im Referate auf die
kaiserliche Verordnung hinzuweisen."
Der Wortlaut des Dekretes lautet nach Wiener Zeitungs-
berichten wörtlich wie folgt:
„K. K. Polizeidirektion Wien. Das k. k. nied. - österr. Statt-
)ialterei - Präsidium hat anher mitgetheilt, dass aufAntrag des nied.-
16*
— 244 —
üsterr. Sanitätsrathes die ferneren Productionen des Herrn Kar]
Hansen im Ringtheater sofort zu untersagen sind."
Zum Beweise aber, dass es auch in Wien unabhängige
und von der vivisectorischen Verstandesverdunkelung und dem
foetcyr judaicus ^) des Professoren-CoUegiums der medicinischeK
Facultät noch nicht angesteckte Männer gibt, mag folgende«
Inserat in der „Deutschen Zeitung" v. 18. Februar 1880 (S. ^
beweisen :
„Von einem unserer hervorragendsten Medi einer erhielten
heute folgende Zuschrift: „Warum wird Hansen in Wien inhibirt? Nao
der siebzehnten Vorstellung sollen die Experimente im Eingtheater plöta
lieh enden. Dies geschieht 1880! Vor 100 Jahren hat Kaiser Josef ei
ähnliches Verbot der Local -Behörde gegen Cagliostro annullirt. Heuiii
nach 100 Jahren, nachdem Hansen mit mehr als 500 Personen, die sie
freiwillig meldeten, experimentirte , nachdem mehr als 50 000 Einwohne
Wiens den Experimenten beigewohnt haben, heute wird — ohne jede
äussern Anlass — das Professoren -CoUegium über die Gefährlichkeit de
Experimente befragt. Es soll geantwortet haben, und zwar durchau
„bedingungsweise" — das heisst: wenn Hansen einen starken Druc!
auf Nerven und Gefasse etc. ausübt, wenn Hansen auf künstliche Ar
„Starrkrämpfe" erzeugt, wenn man fortgesetzt Hypnose an einer Persoa
erzeugt, so kann dies gesundheitsschädlich, ja lebensgefahrlich werdea
Alle diese „Wenn" sind weder durch gerichtliche Aussagen noch dorel
Thatsachen bewahrheitet, ja es steht sogar das Gegentheil davon fest —
Warum, muss man fragen, hat man vor der Ertheilung der Licenz as
Hansen nicht die Gerichts -Aerzte, den Sanitätsrath und endüch daJ
Professoren -CoUegium befragt? Und warum befragt man sie jetzt, du
doch das Eesultat der siebzehn Vorstellungen keinen Anhaltspunkt für d»6
Voraussetzungen des Professoren-CoUegiums bietet?"
Von Dr. Neuda, dem Rechtsbeistande Hansen's, wirÄ
das Verhalten der ,,sach verständigen" medicinischen Professoren
nach einem Zeitungsreferate in folgenden Worten charakterisirts
„Dr. Neuda bedauert sehr, dass das Experiment mit Oppelfj
untersagt worden; er müsse es aussprechen, dass der Sachverständige Di
Kub ens während der ganzen Verhandlung einen Kampf für die Wissenschall
geführt habe, ebenso müsse er es aber beklagen, dass der andere Saclfc
') Eine Bezeichnung Schopenhauer 's. Vgl. Motto S. 2.
^ Derjenige „EmpfängUche" , welcher sich nach der Anklage voi
Fischer versteUt haben soUte, Hr. Oppelt, ist dagegen als ein durchau
zuverlässiger und anständiger Mensch recognoscirt worden, der sich frei
wiUig zu ferneren Versuchen im Gerichtssale zur Verfügung gesteUt hatt«
— 245 —
Terständige, Dr. Ferroni, es nicht einmal der Mühe werth . gefunden, eine
Produktion Hansen 's zu besuchen, um selbst Beobachtungen anzustellen.
Es sei deshalb sehr schwer, von diesem Sachverständigen ein Gutachten
ni fordern."
Die vorstehenden Mittheilungen wurden mir in Form von
Zeitungsausschnitten durch einen mir gänzlich unbekannten
Herrn aus Wien mit folgendem Begleitschreiben zugesandt:
„Wien, d. 19. Februar 1880.
Gestatten Sie mir, als Einem Ihrer zahlreichen stillen Verehrer, dass
ich Ihnen anbei einige besonders charakteristische Stellen aus dem grossen
Wust von Gemeinheit und Blödsinn sende, mit welchem gelegentlich des
[. Professors Hansen die Zeitungen Wiens geschwängert waren. Sie sind
der Einzige , von dem zu hoffen ist, dass er das Verhalten der berühmten
medidnischen Facultät Wiens seiner Zeit mit bengalischem Feuer be-
leuchten wird.
Das höchste in Gemeinheit, Lüga und Verdrehung der Thatsachen
lieferten die „Neue freie Presse" und das „Fremdenblatt". Am anstän-
digsten verhielten sich das „Wiener Tageblatt" und „Extrablatt". . . .
Von einem mir gleichfalls persönlich unbekannten und
is jetzt in keiner literarischen Beziehung zu mir stehenden
Gelehrten aus Wien wird mir in einem soeben zugegangenen
Schreiben v. 23. Febr. d. J. über dieselben Vorgänge u. A.
wörtlich noch Folgendes mitgetheilt:
„Das Gutachton von Seite der medicinischen Facultät ist ein merk-
Tfurdiges; es besitzt nur Sätze mit „Wenn" eingeleitet und es ist merk-
^dig, wie man ein solches Ding ein Gutachten heissen kann. Trefflich
tat der Figaro gesagt, die medicinischen Grelehrten haben ein Gutachten
%r die sieben Weltwunder abgegeben, woraus zu ersehen ist, dass sie
öW die Sache selbst im Unklaren sind."
„Wer mit dem Ausspruche „„es gibt Gelehrte, welche nach ihren
Aussprüchen reif fiir's Irrenhaus sind"",^) gemeint sei, unterlasse ich zu
erwähnen. Viele Blätter glaubten, Fischer meine Hm. Professor Heiden-
liain, doch ist mir aus guter Quelle bekaimt, dass er diesen Mann nicht
gemeint hat. Ich habe das zweideutige — besser vielleicht eindeutige —
Vergnügen, Hrn. Fischer vom Sehen aus zu kennen, und kann Sie ver-
^) Eine Bemerkung des Angeklagten Fischer im Gerichtssaale. Dass
alle diese Aeusserungen nichts anderes als Nachklänge der vor 8 Jahren
beim Erscheinen meines Cometenbuches von den beiden Berliner CoUegen
Helmholtz undE. duBois-Eeymond über mich ausgesprengten Gerüchte
sind, habe ich bereits oben und ausführlicher in meiner Schrift „Zur Aul-
Uärung des deutschen Volkes u. s. w." nachgewiesen.
— 246 —
«ichern, dass^ insofern es erlaubt ist, nach den Gesichtszügen auf die ^
Gedankenfülle zu schliessen, ich die feste Ueberzeugung hege, dass die sei •
Individuum die Welt nicht mit der geringsten verünftigen Idee bereichenu
werde." . , . . -
,Jn der Abendausgabe v. 7. 2. 80. findet sich ein „Gutachten", besser ,
vielleicht „Meinung", aus der medicinischen Wochenschrift abgedruckt, nmX'
der man nicht recht weiss, was man davon halten soU; oder sollte es ein. ^
Elaborat irgend eines medicinischen Judenjungen sein ? Dass derselbe nicb.'^ 'A
über die wissenschaftliche Literatur im Keinen ist, wäre begreiflich bei^
unseren meist jüdischen Aerzten.*) Aber wer die angestrichenen- T
Stellen verstehen soll, darf nicht einmal ein Jude sein." ^
j
H
Katholiken, 19 Protestanten, 87 Juden; Leopoldstädter Keal- Ober- Gym-
nasium: 116 Katholiken, 3 Protestanten, 380 Juden; Staats- Ober- Eeal-
^) lieber die Verjudung der deutschen Kaiserstadt Wien entnehm^^ ;
ich der mir soeben zugesandten „Deutschen Eeform" (Herausgebejc \
Adolph Schmidt in Dresden) No. 9. den 21. Februar 1880, wörtKcli ;
Folgendes : -
„Aus Oesterreich. Das Vorherrschen des jüdischen Element©© :!
in der österreichischen Kaiserstadt beweisen u. A. auch die höheren Lehr- ^
anstalten. Sechs, theils Communal-, theüs Staats -Gymnasien imd Eeal- •
schulen waren im letzten Schuljahre von 1340 katholischen, 1038 jüdisch«i ^
und 110 protestantischen Schülern besucht, welche sich auf die einzelnen -
Schulen vertheilen wie folgt. Franz -Josephs -Gymnasium: 158 Katho-
liken, 47 Protestanten, 122 Juden; Schotten -Gymnasium: 395 Katholiken,
21 Protostanten, 56 Juden; Wiener Communal- Ober -Kealschule: 383:^
I
schule: 224 Katholiken, 14 Protestanten, 254 Juden; Leopoldstädter E^
Unter -Eealschule: 64 Katholiken, 6 Protestanten , 138 Juden." ;|
„Israel in der Wiener Presse. Wenn wir die Redactionen *"
der hiesigen grösseren Blätter mustern, so finden wir, dass sie fast durchr V
wegs mit der sattsam bekannten semitischen Spitze versehen sind. Die \
„Neue Freie Presse" besitzt als Herausgeber einen vielseitig thätigen t
Semiten, Herrn Adolph Werthner; die „Presse" wird von jetzt an f
den Kampf um's Dasein unter der Anführung eines Herrn Nassau «-
kämpfen; das „Fremdenblatt" cultivirt den gemeinen Salontratsch als
Organ Derer v. Heine-Geldern; das „Tagblatt" gehört einem ungarischen
Juden, Moritz Szeps, und das „Illustrirte Extrablatt" einem getauften
Stammesgenossen der Letztgenannten, Namens Singer. Es bleibt nur
noch die „Deutsche Zeitung" übrig, welche die Signatur eines christlich
geborenen Herausgebers trägt. Herr Eeschauer weiss aber seine Her-
kunft meisterhaft zu verbergen, denn das von ihm herausgegebene und
von braven Israeh'ten redigirte Blatt wetteifert in perfiden Angriffen gegen
Alles, was einen christlichen Namen führt, mit den übrigen Blättern.
Neuestens verlautet, dass die eben genannten Blätter einen Zuwachs
erhalten sollen ; unter der Chefredaction eines Israeliten natürlich, eine*
— 247 —
Man sieht 9 dass auch in Oesterreich das deutsche Volk,
Ton dem Bismarck behauptet, es sei für den modernen
Parlamentarismus viel zu gebildet, um denselben in seinem
bisherigen Umfange auf die Dauer erträglich zu finden, im
Wesentlichen mit meinen Anschauungen übereinstimmt. Ich
baachte daher eigentlich nichts weiter zu thun, als die aus
Querem braven Volke selbständig hervorbrechenden Licht-
strahlen in einem Brennspiegel aufzufangen, um dann, ahn-
fidi wie Archimedes die feindlichen Schiffe der Eömer,
& gelehrten Akademien und medicinischen Facultäten „ben-
bfpluch zu beleuchtend^ und schliesslich zu „verflüchtigen.^^
Indessen theils aus Bescheidenheit, theils im Hinblick auf
one bei allen Medicinem in so hohem Ansehen stehende
.^^Aotorität, überlasse ich diese „Beleuchtung^^ lieber dem eifrigen
Fertheidiger der Vivisection Hm. Professor Karl Vogt, indem
Jieh wiederum, aber gegenwärtig ausführlicher, seine fol-
-^gaaiesa „loyalen" Worte über die „loyalen Professoren der
üatorwissenschaften" an seinen Freund, den „guten Revolu-
tionär** Herwegh a. a. O. citire:
„0! weDn sie es wüssten, diese loyalen Professoren der Natumissen-
whaften, dass sie es eigentlich sind, welche mit jedem Zuge ihres
Shi^Ils dem christlichen Staate in den Eingeweiden wühlen, dass sie
[ es aind, welche mit ihren Mikroskopen die feinsten Elemente darlegen, aus
denen das Truggewehe unserer socialen Einrichtungen gesprungen ist;
venn sie wüssten, dass jedes neue G-esetz, welches sie aufstellen, jede neue
Wahrheit, die sie entdecken, vernichtend gegenübertritt den Sätzen, dio
wir im Katechismus und bürgerlichen Gesetzbuch uns haben einlernen
mfissen; wenn sie das wüssten lieber Herwegh , sie würden mit Schaudern
manchmal die Instrumente ergreifen, welche sie bisher zur innigsten
Befriedigung ihrer Unterthänigkeit handhabten.
Aber sie wissens nicht! Sie träumen immer noch von der Scheide-
wand zwischen Materiellem und Immateriellem, sie glauben noch inmier,
dass die Naturwissenschaft da aufhöre, wo der erste Band des Kosmos
ihr den Strich gezogen hat! Und bei dem Glauben wollen wir sie auch
lassen ....
Doch ich muss schliessen. Sicht es ja fast aus, als wollte ich Ihnen
«ne Bede halten über die Tendenzen imserer Zeit und den Vorschub, den
Herrn Dr. Hertzka, früheren volkswirthschaftlichen Redacteurs der ,,N.
Fr. Presse", soll nämlich ein neues Blatt gegründet werden, so dass das
Wiener „Vaterland", das einzige christlich -conservative C^ntralorgan für
Oesterreich ist."
— 248 —
dieselben von den Naturwissenschaften erwarten, eine Kede, die hier a
allerwenigsten am Platze wäre, da wir uns oft genug unter vier Aug«
darüber besprochen und unsere Meinungen darüber ausgetauscht habe;
Hoffnungen aber soU man nicht so laut aussprechen! Sie können allzi
leicht getäuscht werden!
Giessen d. 4. October 1847."
Was „die Tendenzen unserer Zeit" betrifft, so wird j
Hr. Vogt gegenwärtig im Hinblick auf die Nihilisten, Social
demokraten und Communarden selber beurtheilen können, i
wie weit seine Hoffnungen erfüllt oder getäuscht worden sine
Dafür aber ist ihm das deutsche Volk zu aufrichtigem Dank
verpflichtet, dass er bereits vor 33 Jahren den „hypnotischen
oder traumartigen Zustand der „loyalen Professoren der Natu:
Wissenschaft" deutlich erkannt^) und dieser Erkenntniss seinei
^) Um Herrn Karl Vogt und den nach seiner Ansicht „träumendf
loyalen Professoren der Naturforschung*' zu zeigen, dass sie sich durt
ihre materialistischen Lehren den Fluch des gegenwärtig erwachend«
Volksgeistes auch in Kussland zugezogen haben, erlaube ich mir über d»
soeben (Freitag d. 5. März) in Petersburg hingerichteten Meuchelmord»
Hippel yt Ml adetzki, einen getauften Juden, nach der BerHner Nation-
zeitung vom 7. März d. J. (No. 113. Erste Beilage) wörtlich Folgend
mitzutheilen:
„Die vier mit Mladetzki angestellten Verhöre ergaben absol
kein Eesultat. Als man ihm die Nutzlosigkeit des Schweigens vorhi«
sagte der Attentäter: „„Unser Schweigen wiegt eure Armee auf'^
Das nihihstische Comite versendete ein Manifest an alle „„Küssen
Amte " " , in welchem es das Ende der Herrschaft dos Zaren anzeigt vm
die Adressaten auffordert, ihre Aemter niederzulegen, widrigenfalls
dem Tode verfallen sein würden. Die Verwandten Ml adetzki 's hat:
längst denselben aus den Augen verloren und liielten ihn für verscholL
Seine alte Mutter telegraphirte an Loris-Melikoff: „ „Einen Meuch-^
mörder habe ich nicht geboren, zum Meuchelmörder li_
ihn die Schule gemacht, die ich verfluche".
Hr. Karl Vogt mag liieraus ersehen, wie unklug und unnioralie
es von ihm und seinem Freunde Herwegh war, seine „loyalen Colleg
der Naturwissenschaft" absichtlich in einem irrthümhchen Glaul
über die letzten Consequenzen ihrer „rastlosen Thätigkeit" zu lassen,
sie schliesslich durch den Fluch des Volkes mit Schrecken aus ih3
,, Träumereien" enveckt werden. Was würde der natürliche sittlic
Instinct jener unglücklichen Frau über die entsetzlichen Missbräuche ä
modernen Vivisectoren und ihren cynischen Vertheidiger in einer v
Paul Lindau herausgegebenen Zeitschrift für „Gebildete" gesagt habe
— 249 —
Freunde Herwegh gegenüber auch öffentlich Ausdruck
verliehen hat. Dank seinem überlegenen Verstände, sah Karl
Vogt schon vor einem Menschenalter mit aller Klarheit voraus,
dass das Studium der Naturwissenschaft in der bisherigen
Weise, ohne Rücksicht auf die allgemeineren sittlichen Auf-
gaben der Menschheit betrieben und in fortdauernder Speciali-
sirung begriffen, schliesslich zur socialen Revolution und zum
bdlum omnivm contra omnes führen müsse. Dass aber Karl
Vogt trotz dieser Erkenntniss des hypnotischen Zustandes seiner
loyalen CoUegen dieselben nicht mit dem bekannten „Wach!"
des biomagnetischen Professors Hans'en in den normalen Zu-
stand versetzt hat, sondern ausdrücklich an Herwesrh den
Wunsch ausspricht: „bei diesem Glauben wollen wir sie auch
lassen", das beweist uns, dass er „den Teufel im Nacken hat".
Aus den Klauen des Teufels aber hat sich das deutsche Volk stets
mit Gottes Hülfe selber befreit; es müssen nur erst durch
das dicke germanische Bärenfell die Schmerzen der Teufels-
llit welcher Beredtsamkeit würde sie den jüngeren Specialcollegen Karl
Togt's, Herrn Professor Dr. S empor in Würzburg, darüber aufklären,
'Weshalb ihm eine Stimme aus dem Volke brieflich zuruft: „IhrGelehr-
ten habt von jeher der Welt mehr geschadet als genützt'*.
Herr Professor Semper versteht so wenig die Zeichen der Zeit, dass er
die obigen Worte S. 24 in seiner soeben erschienenen Schrift: „Mein
Amsel-Prozess, die Amsel-Fanatiker und der Vogelschutz*'
(Würzburg bei Staudinger) abdruckt und daran selbstzufrieden und
ironisch die folgenden Worte knüpft:
„Weh uns! mehr geschadet haben wir von jeher, als genützt!
Kann uns da noch das Goethe 'sehe Wort aufrichten, das er dem Teirfel
in den Mund legt: „„Verachte nur Vernunft und Wissenschaft, des
Menschen allerhöchste Kraft, So hab' ich Dich schon imbedingt?""
Solchen Worten eines deutschen Professors der Zoologie gegenüber
fragt der natürliche Instinct des Volkes einfach: „Wodurch wollt Ihr
Herren Gelehrten uns beweisen, dass alles, was ihr unter der Fabrikmarke
>j Vernunft imd Wissenschaft" dem Volke so pomphaft anpreist, nicht vom
Teiifel gefälscht und daher Unvernunft und Thorheit sei? Herrn
^. Reymond kann man doch nicht widersprechen, wenn er singt:
„Es gehn viel Theorien
Li Eurem Kopf herum, vidibum.
Ein Jeder hat die Seine,
Drei mal drei ist Neune,
Bruderherz Dein Dogma heisst?"
- 250 —
klauen dringen, um dem Volke die Ueberzeugung zu ver-
schaffen, dass es sich wirklich in den Krallen eines grausamen
Tyrannen befindet. Ist diese Erkenntniss aber einmal den
Deutschen deutlich zum Bewusstsein gekommen, dann erheben
sie sich und ziehen ebenso todesmuthig und furchtlos wie
. Luther vor 300 Jahren in den Kampf, indem sie zorn-
entbrannt in seinen Schlachtruf einstimmen:
„Und wenn die Welt voll Teufel war
Und wollt' uns gar verschlingen,
So fürchten wir uns nicht so sehr;
Es soll uns doch gelingen!"
Fürst V. Bismarck hat diese Charaktereigenschaft der
'Deutschen in folgenden Worten (vgl. Busch. IL S. 310)
ausgedrückt :
„Die Deutschen sind gut, wenn sie durch Zwang oder Zorn einig
sind — vortrefflich, unwiderstehlich, nicht zu üherwinden, — sonst aher
will jeder nach seinem Kopfe."
Was hat nun eigentlich die dreissigjährige Narkose durch
Materialismus bei den „loyalen Professoren der Naturwissen-
schaft" bewirkt? Zunächst die allgemeine Abstumpfung der
einfachsten sittlichen und socialen Taktgefühle, welche tms
zur zweckmässigen Orientirung unter Menschen ebenso
unumgänglich nothwendig sind, wie die Integrität der Sinnes-
empfindungen zur Orientirung in der Aussenwelt überhaupt;
dies ist die erste, und das hieraus resultirende ungemein
taktlose Benehmen in Worten und Werken die zweite
Folge jener Hypnose. Es sei mir gestattet, meine Behaup-
tungen durch einige Beispiele zu erläutern und näher zu be-
gründen. Wenn z. B. mein College Ludwig als Vertheidiger
. der unbeschränkten Vivisection keine sittlichen Bedenken trägt,
in den Vorstand des Leipziger Thierschutz -Vereins zu treten
und sentimentale Reden „über die gemüthlichen Beziehungen
der Thiere zum Menschen" zu halten, wenn ferner mein
juristischer College Windscheid, als erster Vorsitzender
dieses Thierschutzvereins, die Aufforderung des antivivisectio-
nistischen „Neuen Thierschutz -Vereins" nachahmt und in
den Zeitungen öffentliche Aufforderunoren an die Bewohner
Leipzig's ergehen lässt, warme Decken für die armen Zug-
hunde im Winter zu spenden, so sind dies Manifestationen,
— 251 —
welche dem sittlichen lostincte des Volkes ebenso widerspruchs-
voll erscheinen 9 wie wenn Hr. Dr. Sem per, ordentlicher
Professor der Zoologie in Würzburg, als Vorstand des dortigen
omithologischen Vogelschutz- Vereins in den Zeitungen mit den
Worten: „Streuet Futter für die armen Vögel!" zum
Schutze der Amseln auffordert und gleichzeitig in seinem
Garten sich mit dem Fang von Amseln beschäftigt, „um ihren
Verwüstungen in einem kleinen, von ihm mit ziemlich bedeu-
tenden Kosten angelegten Garten fiir Farrenkräuter und Alpen-
pflanzen ein Ende zu machen". Dies sind Professor Semper's
eigene Worte in seinem Briefe v. 18. Januar 1880, welcher
von Dr. £. Bai dam us in einer soeben erschienenen kleinen
Schrift: „Der Würzburger Amsel -Process und die Amsel"
(Frankfurt a. M. Morgenstern) S. 31 veröffentUcht ist.
Da Herr Professor Semper sich bei der Vertheidigung
dieser Handlungsweise auf sein Hausrecht und das ihm gesetz-
lich zustehende Jagdrecht in seinem Garten stützt, so erlaube
ich mir, ihn an das bekannte Gedicht zu erinnern, in welchem
ein ebenso leidenschaftlicher Jäger wie der Professor der
Geburtshülfe Schnitze zu Jena, in seiner Wohnung künst-
liche Jagden veranstaltet. Ein über ihm wohnender ruhiger
und anständiger Mann wird durch den Lärm belästigt und
ersucht seinen Hausgenossen um Einstellung seiner Lieb-
habereien. Als dieser den wiederholten Bitten nicht Gehör
gibt und sich hierbei ebenso wie Professor Semper auf sein
Hausrecht beruft, entschliesst sich der in der zweiten Etage
wohnende Hausgenosse zu folgendem Verfahren. Er setzt
seine sämmtlichen Zimmer einige Fuss hoch unter Wasser, und
als nun in Folge dessen der unter ihm wohnende Jagdlieb-
haber, entsetzt über das von allen Decken herabfliessende
Wasser, nach oben eilt, findet er seinen Mitbewohner lächelnd
mit der Angel auf einem Stuhle sitzend, indem er auf sein
Hausrecht pocht, welches ihm die Liebhaberei des Fischens
nicht verbietet. Vielleicht gelingt es dem Amselfreund und
Nachbar des Herrn Professor Semper durch ein ähnliches
Verfahren, seine Liebhaberei mit derjenigen seines gelehrten
Nachbars auszugleichen und hiermit die Amselfrage im Sinne
des deutschen Volkes definitiv zu lösen.
I
— 252 —
Man hat so oft behauptet, der Materialismus der Natur-
forscher sei lediglich ein theoretischer oder philosophischer;
auch ich habe das lange Zeit geglaubt. Seitdem ich aber die
Physiologen und Vivisectoren aus ihren Worten imd Werken
naher kennengelernt, seitdem ich Karl Vogt 's „Ocean und
Mittelmeer" mit seiner zoologischen Transfiguration gelesen,
und mich durch dieses Buch von der bewussten Bestialität
dieses Mannes bezüglich aller religiösen Empfindungen im
menschlichen Herzen selber überzeugt habe, — seitdem er-
scheint mir der sittliche Verfall des deutschen Volkes, wie )
wir ihn heute in allen Schichten desselben mit erschreckenden
Zügen hervortreten sehen, als eine logische und praktische
Consequenz derjenigen Irrlehren, welche unsere Physiologen
unter der Aegide von Karl Vogt und Louis Büchner ver-
breitet und dem grossen Haufen der sogenannten Gebildeten
als „Ergebnisse der Naturwissenschaft" angepriesen haben.
Um aber dem häufig von sogenannten liberalen Volksaufklärem
gehörten Einwände zu begegnen, die Klagen über den zu-
nehmenden sittlichen Verfall unseres Volkes seien übertrieben,
es sei früher nicht anders gewesen und nur der Mangel
statistischer Zahlenangaben verhindere eine Bestätigung dieser
Wahrheit , erlaube ich mir hier wörtlich folgende „ B u s s -
predigt in Zahlen" aus dem höchst national-liberalen und
vivisectionsfreundlichen „Leipziger Tageblatt" vom
18. Februar d. J. (4. Beilage) abzudrucken:
„Eine Busspredigt in Zahlen.
Wenn das Wort wahr ist: „fahlen beweisen", dann liegt in den Zahlen,
die wir im Folgenden nach dem „Vogtl. Anz." mittheilen, ein furchtbarer
Beweis von dem sittlichen Niedergang und Verfall unseres Volkes. Vor
anderthalb Jahren hielt Pfarrer Stursberg in Düsseldorf einen schnell
berühmt gewordenen und in weiten Kreisen Aufsehen erregenden Vortrag
über die Zunahme der Vergehen und Verbrechen in Deutschland und ihre
Ursachen.
Jetzt bringt das neueste Heft der Zeitschrift des kgl. sächs. stati-
stischen Bureau, das u. A. den Ergebnissen der Eechtspflege in Sachsen,
insbesondere der Strafrechtspflege in den Jahren 1871 — 1877 einen ein-
gehenden Artikel widmet, der in wahrhaft erschütternder Weise die von
Stursberg aufgedeckten Thatsachen für unsere engere sächsische
Heimath nicht nur bestätigt, sondern zum Theil noch überbietet. Die hier
mitgetheilten Zahlenreihen entrollen in der That, wie der Herausgeber,
5>
11
11
»1
— 253 —
Dr. V. Böhmert, bemerkt, ein socialcR Trauergemälde, das jeden ßeschauer
zu ernstem Nachdenken auöordem und — fügen wir hinzu — mit tiefer
Wehmuth erfüllen muss. Diese stummen Zahlen enthalten eine Busspredigt,
die uns eine ungeheure nationale Verschuldung ergreifend zum Bewusstsein
bringen muss. Kann auch die Statistik der Strafrechtspfiege nicht ohne
Weiteres den sittlichen Zustand des Volkes selber darstellen, so gestattet
sie uns doch einen untrüglichen Eückschluss auf denselben, sie zeigt an
den Früchten den Baum, sie lässt uns in ihren auf- und absteigenden
Zahlenreihen erkennen, welcherlei geistige Mächte in unserem Volksleben
mit einander ringen und die Oberhand gewinnen. Es wurden in Sachsen
strafrechtlich venirtheilt
im Jahre 1871: 11,001 Personen,
1872: 12,766
1873: 13,089
1874: 15,144
1875: 16,818
1876: 19,012
1877: 21,319
Das ist im letzten Jahre gegen das erste ein Mehr von 10,3 IS bestraften
Verbrechen etc., oder eine Zunahme um 93.79 Proc. bei einer Bevölkerungs-
zunahme von höchstens 7 Proc. Von Jahr zu Jahr ein stetiges, imauf-
faaltsames Wachsen des verbrecherischen Sinnes und nach 7 Jahren die
himmelschreiende Thatsache, dass die jährlichen Vergelien und Verbrechen
sich fast um das Doppelte vermehrt liabenl Wohin müssen wir gerathen,
wenn der verbrecherische Sinn in derselben Weise fortmichert und in dies
moralische Sinken unseres Volkes kein Auflialten kommt?
Die uns vorliegende Statistik führt die Vergehen und Vorbreclien nacli
den einzelnen Paragraphen des Keichstrafgesetzbuches an.
Der erste Blick lehrt, dass nicht auf dem Gebiete des 7. Gebotes, wo
zum Theil Mangel und Noth als Mildorungsgrund angeführt werden kann,
sondern auf dem Gebiete des 5. und 6. Gebotes der Schwerpunkt der Zu-
nahme liegt. Es steigen die Vergehen wider Ijeib und Leben von 3 auf
9 Proc., diejenigen wider die Sittlichkeit von P/2 a»f 3 Proc. Gerade die
rohen und groben Verbrechen hat unser Zeitalter so furchtbar gesteigert,
gerade die finsteren, dämonischen Ix)idenschaften sind entsetzlich ent-
fesselt worden.
Du sollst nicht tödton! In diesem und dem folgenden Gebote,
die das Gemeinsame haben, dass sie Sünden wider den I^eib und am Leibe
betreffen, liegt der Schwerpunkt der Uebertretungen , auf dieses Gebiet,
Misshandlung, Verletzung und Schändung des leiblichen Lebens, warf sich
vor Allem die im letzten Jahrzehnt entfesselte Macht des Bösen. Die Ver-
gehen und Verbrechen wider Leib und Leben (Mord, Todtschlag, vorsätz-
liche und fahrlässige Körperverletzung etc.) stiegen in den genannten Jahren
in folgender geradezu lawinenartiger Weise:
340 489 637 891 933 1285 1949.
— 254 —
Das ist eine Zanahme um 473 Proc. ! Dazu stellen die jugendlichen
Verbrecher unter 18 Jahren folgendes Contingent:
26 27 30 67 61 88 138,
eine Zunahme um 531 Proc. Kechnen wir hierzu noch die Verbrecher
wider die personüche Freiheit, d. i. gewaltsame Nöthigung und Bedrohimg
mit Verbrechen:
120 110 111 178 171 233 406,
so ergibt sich das traurige Besultat, dass gerade die wilden and
rohen Leidenschaften, Gewaltthätigkeit, Eachsucht, Brutalität, in unserem
Volke masslos überhand genommen haben. Wie schlecht stimmt das zu
der Behauptung, dass vermehrte Bildung (d. i. im heutigen Sinne: ver-
mehrtes Wissen) die Menschen veredele ? Wenn besonders das letzte Jahr
eine so unverhältnissmässige Vermehrung dieser Verbrechen zeigt, so liegt
darin zugleich der Beweis, dass nicht der Krieg von 1870/71, wie manche
behaupten, sondern der nach dem Kriege fort und fort ausgestreute böse
Same die Hauptschuld trägt. Neben der groben Missachtung des fremden
geht das frivole Wegwerfen des eignen Lebens einher.
Die Selbstmorde stiegen um 70 Proc. in folgender Scala:
653 687 723 723 745 981 1114.
Diese Selbstmorde sind keineswegs immer von Hunger und Kummer und
Trübsinn verursacht, sondern durch den materiaUstischen Unglauben, der
ohne Gedanken an Gott und Ewigkeit leichtsinnig den Becher der Lust
austrinkt, um dann, wenn er an die Hefen konmit, dem gehaltlosen, elenden
Leben ein Ende zu machen.
Es wurden wegen Verbrechen etc. wider die Sittlichkeit bestraft:
150 204 248 331 343 435 618
Personen. (Zunahme 468 oder 312 Proc.) Darunter wegen Unzucht mit
Kindern unter 14 Jahren:
16 38 36 69 65 110 148.
Das ist ein alles andere überbietendes Wachsthum um 825 Proc. Solche
Zahlen bedürfen keines Commentars, um uns den Abgrund sittlicher Ver-
sunkenheit und Vorworfenheit zu zeigen, der sich unter uns aufgethan hat,
um einen Begriff von der sittlichen Fäulniss zu geben, an der die moderne
Gesellschaft krank und immer kränker wird, —
Mit schwarzem Tauerrande, so schliessen wir mit P. Stursberg,
möchte man die obigen Tabellen umgeben und darunter schreiben: Ver-
hülle dein Haupt du deutsches Volk!"
Felix Dahn hat Recht, wenn er sein Urtheil über
den sittlichen Werth unserer Generation in folgenden Worten
ausspricht :
„Giftige Fäulniss ergriff dies Geschlecht!
Aber gedenkt, dass der Jugend Eecht,
Dass es die Zukunft zu retten gilt,
Hoch erhebet des Kechtes Schild!"
— 255 —
Auch dies sind Mahnworte, nicht etwa eines Muckers oder
verbitterten Seactionärs, nein, keineswegs! sondern die tief
bewegten Worte eines liberalen deutschen Professors der
Jurisprudenz und Geschichte an der Universität Königsberg,
eines Mannes, welcher im Anfang der 50 Jahre zu dem Kreise
junger Literaten und Professoren gehörte, welche König
Maximilian II. von Bayern nach seiner Thronbesteigung
um sich versammelte, welche aber trotzdem der liberale katho-
lische Theologe und unerschrockene Kämpfer für Gewissens-
ireiheit, Hr. Professor Döllinger, als eine „Dornen-
hecke'* bezeichnete, welche zwischen dem Herzen des Königs
und seinem Volke emporwucherte.
£s ist psychologisch von höchstem Interesse, die symbo-
lische Sprache der in der Geschichte der Völker waltenden
Intelligenz an scheinbar zufälligen Umständen verstehen zu
lernen. Ist es nicht merkwürdig, dass der im Jahre 1872 als
bayrischer Gesandte in Rom verstorbene Herr v. Dönniges
beinahe der Schwiegervater des Begründers der deutschen
Socialdemokratie, des „geistreichen'^ und „schönen'' Juden
Ferdinand Lassalle geworden wäre? Fast noch be-
merkenswerther ist es nun aber, dass derselbe Herr v. Dönniges
jene „Dornenhecke" in München gepflanzt und gehegt hat,
und hierdurch der „Gründer" jener verhängnissvollen Ver-
quickung des modernen gelehrten Literatenthums mit dem
bisher in der ganzen Welt geachteten deutschen Professoren-
thume geworden ist. Doch möge uns über diese Verhältnisse
die Tochter des Herrn v. Dönniges selber Auskunft geben.
In ihren Memoiren^) berichtet sie nach öffentlichen Nekrologen
über ihren Vater wörtlich Folgendes:
,J)er plötzliche Tod von Dönniges, unserem Gesandten in Italien,
der in Rom den Blattern erlag, erinnert uns an die Zeit, wo er als junger
Mann in München einzog und seine heilsam anregende Wirksamkeit ent-
faltete. Wenn Bayern im entscheidungsvollen Kriegsjahre treu zum Reiclio
stand, so hat München den Hauptantheil daran gehabt, und wenn das
von Bedeutung für die grosse, deutsche Sache war, so gebührt Dönniges,
*) Meine Beziehungen zu Ferdinand Lassalle. Von Helene von
Eacowitza geb. V. Dönniges. 5. Aufl. Breslau und Leipzig. Schott-
länder. 1879.
— 256 —
Wirksamkeit dafür die Palme. Er war als jugendlicher Docent in Berlin
der Lehrer des bayrischen Kronprinzen gewesen, welcher an der frischen,
offenen Natur und namentlich an dem vielseitigen Wissen des Mannes
ungemeines Wohlgefallen fand. — Als Kronprinz Max nach seiner Ver-
mählung mit der preussischen Prinzessin Marie in sein Land zurückkehrte,
bat er Alexander von Humboldt, ihm einen Mann zu empfehlen, der
ihn in seinen Studien fördern, imd ihm zugleich ein wahrer Freund und
Berather sein könnte. Humboldt nannte Dönniges, und so zog dieser
denn ebenfalls mit seiner jungen Frau nach München, wo er, als Maxi-
milian jH. den Thron bestieg, eine höchst einflussreiche Stellung beim
jungen König einnahm. Er war es, der vom Cabinet aus alle Berufungen
leitete; so kamen auf seine Veranlassung seit 1852 die Naturforscher
Liebig, Pfeuffer, Siebold, Bischoff, so kamen für Philosophie,
Literatur und Geschichte Carriere, Kiehl, Sybel an die Universität;
dem Juristen Bluntschli gesellte sich Wind scheid, und dem Zu-
sammenwirken dieser Kräfte gelang es, die Macht des Ultramontanisraus
2U brechen und die heranwachsende Jugend an sich zu fesseln."
Ich unterbreche hier einen Augenblick die £rzählung der
Tochter des Herrn v. Dönniges, um darauf aufmerksam zu
machen, wie die leitende InteUigenz in der Geschichte es ver-
stehe, sich unter den Menschen die passenden Charaktere als
geeignete Werkzeuge zu wählen, um den Fortschritt der
Menschheit mit Hülfe ihrer culturfähigen Nationen zu fordern.
Wer will bestreiten, dass die Kriegszüge des ersten Napoleon
trotz aller unsäglichen Leiden, welche sie über Deutschland
gebracht haben, nicht von unberechenbarem moralischen und
politischen Nutzen für uns gewesen sind? Wo wäre der sitt-
liche Aufschwung und die Poesie der Freiheitskriege, wo die
edle Gestalt der Königin Luise, der Mutter unseres Kaisers,
und ihr begeisterter Sänger Theodor Körner? Und wäre
denn Deutschland jemals ohne den frivolen Angriff des dritten
Napoleon einig geworden? Sollten meine historischen
Collegen v. Noorden und Arndt^) wirklich die genügende
Selbstüberhebung und Verstandesverdunkelung besitzen, um
diese Fragen mit Bestimmtheit zu bejahen und hierdurch ihre
Professoren -Weisheit über diejenige des unsichtbaren Lenkers
der Geschicke Deutschlands zu stellen? Fbenso wie mit den»
Napoleonismus verhält es sich mit den Juden; sie sind eine
^) Der oben erwähnte Vetter von Helene von Dönniges, u»^
♦Sekundant meines Schulfreundes Raco witz in seinem Duell mit Lassall^'
— 257 —
Art Säure, welche die Schlacken der trägen und schwer-
fälligen germanischen Rasse wegputzen musste, wie die Salz-
"I fiänre den Rost auf den metallenen Gefässen einer reinlichen
Haushaltung. Oder, um ein anderes Bild aus dem Gebiete
der Chemie zu gebrauchen, die Juden sind dasselbe für die
FÖlkerpsyehologischen Processe, was die sogenannten Contact-
mbstanzen für die chemischen Processe sind. Berzelius
hat diese Substanzen bekanntlich katalytische genannt,
um dadurch anzudeuten, dass dieselben schon durch ihre blosse
Gegenwart chemische Processe einzuleiten im Stande sind und
daher namentlich bei der Gährung und den Fäulnissprocessen
eine grosse Rolle spielen. Haben aber diese Substanzen und,
m dem zuerst angeführten Beispiele die Säuren, ihre Schuldig-
keit gethan, dann muss ihre fernere Einwirkung verhindert
werden, wenn die metallenen Gefässe keine Löcher und die
nutzbaren chemischen Verbindungen nicht zerstört oder in giftige
Substanzen verwandelt werden sollen. Ebensowenig wie die
Welt die dauernde Herrschaft des Napoleonismus hätte
ertragen können, ohne moralisch und materiell zu Grunde zu
gehen, ebensowenig können unsere deutschen Universitäten
die zunehmende Herrschaft des Judenthums und des eng
damit verbundenen gelehrten Literatenthums auf die Dauer
, ertragen, ohne hierbei zu Grunde zu gehen und sich in
Statten der Speculation für gute und glänzende Carriören zu
verwandeln. Nach dieser Abschweifung über meine Auffassung
von der ethischen Bedeutung und Heilsamkeit der unserem
Volke auferlegten Leiden, kehre ich zu den Worten der
Tochter des Herrn v. Dönniges zurück. Dieselbe sagt
a. a. O.:
„Selbst Döllinger redete damals davon, dass das bayrische Volk
«ane Fürsten liebe, die nur selber keine Dornenhecke zwischen sich und
Ott Yolk ziehen sollten , und als diese Dornenhecke bezeichnete man jene
Gelehrten und die Dichter, welche gleichfalls unter Dönniges' Einfluss
udiMtlnchen berufen wurden: Dingelstedt, der das Theater übernahm,
Geibel, Heyse, Bodenstedt, denen freie Müsse gewährt wurde. —
Öirig Max versammelte im Winter Abendgesellschaften um sich, wo
hobleme, die er stellte, besprochen, neue wissenschaftliche Erscheinungen
erörtert, und von den Poeten frische Dichtungen vorgetragen wurden ; und
hm hier ein so menschlich heiterer, ungezwungener Ton herrschte, wie
17
— 258 —
im Herbst bei den Beisen und Jagden des Königs , das war wieder ^
Verdienst yon Dönniges. — Die Schwarzen aber sangen:
A dudbv^ D et uno T
Libera nos domine!
Die beiden D waren Dönniges und Dingelstedt, das T war von d
Tann, damals Adjutant des Königs und Dönniges intimster Freund, cL
sich als bayrischer Heerführer so glänzend bewährt hat. An die Berufen«
schlössen heimische aufstrebende Talente sich an, andere reisten von auswar-
zu und so bildeten sich Felix Dahn, W.Hertz, Hopfen, Lemke uk
Andere in diesem Kreise; Hermann Lingg, der bis dahin im Verborg
nen vergebens nach einem Verleger gesucht hatte, ward neidlos auf d^
Schild gehoben und Melchior Meyer freudig aufgenommen. Dazu kam«
unter den Künstlern Kaulbach und Schwind, unter den Schriftstell»
Fallmerayer, Steub, Förster und Kobell, um den von Dönnig
berufenen, und stets in Anregung unterhaltenen Kreis zu' vollenden. Es wuir
erreicht, dass München nicht nur als Kunststadt die öffentliche Aufmerksam
keit erregte, und so fand auch in der Gesinnung der Einwohner einUmschwiu
statt, der für die deutsche Geschichte bedeutsam geworden ist. — "
Im eigenen Hause war der Vater ein unendlich liebenswürdiger, imm
heiterer Wirth, wenn er, unterstützt von seiner höchst gebildeten, geii
vollen Frau, Gesellschaften bei sich sah, die sich aus den Genannten in
der Elite der höchsten Aristokratie rekrutirten und gewiss für jeden Geb:
deten an interessanter Zusammenstellung ihres Gleichen suchten.
Aber so kam es, dass er seine ganze Zeit zwischen den Staatspflichtei
dem persönlichen Dienst beim König und den erwähnten gesellschaftliche
Interessen theilte, und für seine Kinder nichts davon übrig blieb, — aussö
was wir im Salon, wo namentlich ich immer zugelassen war, von ihm sahen
Dieselbe Entschuldigung des Zeitmangels hatte die Mutter, die sek:
bald zur intimen Freundin der Königin wurde, wenn sie die Sorge fu:
ihre Kinder Lehrern und Gouvernanten überliess, die glücklicherweise gute
brave und herzensgebildete Personen waren.
Durch dieses, abseits von der Familie geführte Leben der Eltern lässi
sich auch nur das erste beraerkenswerthe Ereigniss in meinem Lebei
erklären, welches durch die wunderliche Erziehungs- Anschauung der chh^
maman herbeigeführt wurde.
Ich meine die corrupte Thatsache, mich als zwölfjähriges Mädchei
mit einem 40 bis 42 Jahre alten Manne zu verloben!! Das kam so
meine Eltern machten eine Keise durch die Insel Sardinien und lernten der
imter halb und ganz wilden Menschen einen etwas zahmeren kennen, -
der, Gott weiss durch welche Künste (er kochte vorzüglich, so ziemlid
die einzige gute Eigenschaft, die ich an ihm erkannt) die Herzen meine
Eltern so fascinirte, dass sie ihm versprachen (oder war an diesem Wahnsini
nur die Mutter Schuld), ihm ihre zwöLQährige Tochter zur Frau zu geben. -
Wie man sich, die ganze Sache dachte, ob die Hochzeit aufgeschoben werde]
sollte, bis ich in einigermassen heirathsfähigem Alter sein würde oder wie da
— 259 —
Alles werden sollte, darüber sind sie sich, glaube ich, selbst niemals ganz
klar gewesen; genug, es amüsirte meine Mutter, als eine selbst noch junge,
schöne, gefeierte Frau, mit einem ihr sympathischen Mann „Schwiegermama"
zu spielen, und so wurde ich einfach verlobt.
Man erfüllte den Kopf des Kindes, das an Nichts als an seine Bücher
hätte denken sollen, mit wunderlich confusen Gredanken an Heirathen,
Ehelcben, Kinderbekommen und dergleichen. Bass ich damals zu dem
verrückten Project nicht Nein sagte, ist wohl natürlich; denn wenn auch,
zur Entschuldigung meiner Eltern sei es gesagt, mein Körper der einer
entwickelten jungen Dame war, an Geist und Gemüth war ich doch noch
ein Kind. Aber ein phantastisches, durch Märchen, Poesien und das bereits
erwähnte Aufwachsen in Künstler- und Poetenkreisen (von denen ich nur
Kaulbach, Geibel, Heyso zu nennen brauche, um vor den Blicken
der Leser jene entzückende, aber für die Phantasie eines lebhaften, früh*
reifen Mädchens auch gefährliche Münchner Gesellschaft hervorzuzaubern)
sinnlich entwickeltes, leidenschaftliches Kind.
Es machte mir ein königliches Vergnügen, die glühenden Liebesbriefe
des feurigen Italieners zu erhalten, sie meinen kleinen Freundinnen zu
zeigen und mich von diesen beneidet zu fühlen.
Ich hatte den mir bestimmten Gatten noch nicht gesehen. Er konnte
als Festungs-Commandant von Alessandria nicht gleich Urlaub erhalten,
und sein Fortgehen von dort machte einige Schwierigkeiten. All meine
zwölfjährigen Brautfreuden bestanden demnach für's Erste in den phanta-
sievollen Vorspiegelungen, die meine Mutter nicht müde wurde mir aus-
zumalen: wie reizend es sein werde, fast noch ein Kind, in Bälde Frau
Generalin — Excellenz zu heissen ! Wie mein reicher, vornehmer und vor
allen Dingen älterer Gatte mich mit allen Herrlichkeiten der Welt über-
schütten würde; denn ein alter Mann nur verstehe es, eine Frau wahrhaft
zu lieben und glücklich zu machen , er sei ihr in jedem Augenblick des
Lebens dankbar für ihre Zuneigung , selbst wenn sie eme solche nicht für
ihn empfinden könne — so danke er ihr noch dafür, dass sie mit ihm
lebe! Kurz, die Zukunft wurde mir in den rosigsten Farben ausgemalt;
ich sah mich im Geiste nur noch in Sammt und Edelsteinen, von Dienern
und aller erdenklichen, orientalischen Pracht umgeben, von blendenden
Schimmeln durch's Leben gezogen ! ! Einstweilen kam ich mir riesig inter-
essant vor, bekam wohl auch einen hohen BegriflT von meiner unwider-
stehlichen Schönheit, da sich der „wilde Italiener" ja nur durch ein Bild
von mir hatte zähmen lassen (all dies Aussprüche meiner Mutter und ihrer
Freundinnen), und blickte vorläufig mit grösster Geringschätzung auf meine
Gouvernanten, die, obgleich soviel älter als ich, doch noch immer alte
Jungfern waren!"
Ich halte es von grosser Wichtigkeit, dem deutschen
Volke durch die vorstehenden Worte der ehemaligen Geliebten
des jüdischen Begründers der deutschen Socialdemokratie einen
17*
blick in diejenige geiatige und sittliche Atmosphäre zu
in welcher der moderne deutsche Parnaas seine
ersten Triumphe gefeiert hat. Aus dieser Atmosphäre haben
sich zugleich Männer entwickelt, die heute als Profeaaoren ,
und beruf am aasige Parlamentarier über ganz Deutschland ver-
breitet sind und das Volk ganz nach Bedürfnisa als Vorsteher
von Thierachutz -Vereinen oder Volkabildungs -Vereinen mit |
Moral und Intelligenz versnrgen, soweit sie es für gut halten.
Unter der Devise Alexander v, Humboldt's:
iiLobej
Bchuldig, (lit
';')
sind sie autorisirt, unser gutmüthiges und argloses Volk mit I
den schönsten patriotischen Reden zu erfreuen und trotz seiner I
offen au agesprochenen sittlichen Indignation gegen die uaer- J
hörten Miaabräuche und AuaschreituDgen der Vivisectoren im 1
Vorstande von Thierschutz- Vereinen zu bleiben. Abgestumpft I
gegen moralische Widersprüche, suchen sie durch Auastellimg 1
von Geräthschaften für den Schutz der Thiere das Volk zu 1
hypnotisiren , um es dann ala willenloses Werkzeug zur Be- 1
friedigung ihrer Eitelkeit zu benutzen. Möge sich doch dasj
erwachende Volk zuerst die Frage vorlegen, ob Männer, welche!
eine der edelsten Empfindungen des menschlichen Herzena, J
das Mitleid, öffentlich verleugnen oder durch Heuchelei deaf
Schein desselben zu erwecken suchen, überhaupt fähig
andere Menschen ausser sich aelbat „tief zu achten!" Wird.1
diese Frage verneint, dann sind alle diese Männer durch]
Alexander v, Humboldt's obige Worte von der Ver-j
pflichtung, dem Volke die Wahrheit zu sagen, entbunden]
und können, wie die Jesuiten, unbeacb rankten Gebrauch von,J
der Unwahrheit zu „wissenschaftlichen Zwecken" und „zui
Heile der Menschheit" machen.
Ich will hier nicht die folgenden erschütternden Wortal
der ehemaligen Geliebten Lassalle'a über ihre Eltern und]
Verwandten allein als massgebend für den moralischen Werth]
unserer „gebildeten" und „gelehrten" Geaellachaft betrachten;
') Briefe Ä, v.
(Brief Hiimboldfs
■. T. Dec. 1941.)
i. Aufl;<l
— 261 —
denn man könnte es mit scheinbarem Recht als das Resultat
einer persönlichen Gereiztheit und Verbitterung ansehen, wenn
jenes moderne Beichtkind vor dem Richterstuhle der OefFent-
lichkeit erklärt:
„Das einzige, alles Entsetzen in voller Stärke überiobende Gefühl, war,
wie gesagt, der Hass, der tiefe, nie zu überwindende Groll gegen die
Eltern — die in ihrem grausamen Egoismus alles Elend verschuldet, und
eine ebenso tiefe, dauernde Vorachtung gegen micli selbst, gegen meine
schmachvolle Willensschwäche.*) Dieser auch klage ich mich wieder und
wieder an und bekenne mich ilirer unverzeihlich schuldig." (S. 186.)
„Glauben Sie mir. Alle die dies lesen, es dauert lange und bedarf
harter Kämpfe und grässlicher Erlebnisse, bis man die Liebe zu Eltern
und Geschwistern, diese von erster Kindlieit an gefühlte Zuneigung, in Haas
verwandeln kann!" (S. 150.)
Diese tief ergreifenden Worte aus dem Munde einer ehe-
maligen Blüthe unserer modernen Gesellschaft will ich, wie
bemerkt, aus den angegebenen Gründen nicht als massgebend
für das ürtheil über den moralischen Werth unserer „gebildeten"
Salon-Gesellschaft hinstellen. Dagegen dürften die folgenden
Worte eines Geschichtsschreibers, der sich die Aufgabe gestellt
hat, die Entwickelung der deutschen Socialdemokratie histo-
risch und kritisch darzustellen, schon grössere Beachtung ver-
dienen, wenn derselbe') sagt:
„Der Historiker der Zukunft wird aus diesen Acten einst schwere
Anklagen schöpfen gegen die sittliche Venvildcnmg, welche so oft hinter
den glänzenden Aussenseiten unserer hochgepriesenen Cultur verborgen ist.
In dieser Tragikomödie . . . .tritt eine sehr erlauchte Gesellschaft auf:
Ifinister, Gresandte, Bischöfe, Generäle, Obersten, berühmte Gelehrte,
Grafen und Gräfinnen, des niedem Adels ganz zu geschweigen, aber kaum
ein guter Gedanke wird laut, kaum eine sympathische Gestalt erscheint,
während sich der traurige Wahnsinn der sclimntzigen Intrigue durcli lange
Wochen fortschleppt. Küstow wählte ein böses Wort, als er dem alten
Bonniges schrieb. Lassalle imd die Gräfin Hatzfold seien keine
Renner und Hessen sich nicht wie Zigeuner behandeln; was in diesen
Wochen um den Arbeiteragitator kreiste, war in der That eine Boheme,
fldullemd von dem phosphorescirenden Glänze der Fäulniss."
*) Ueber den biomagnetischen Einfluss, welchen Lassalle auf sein
Opfer wie die Schlange auf ilire Beute ausübte, vgl. Näheres in meiner
Schrift: „Zur Aufklärung des deutschen Volkes u. s. w."
■) Franz Mehrin g. Die deutsche Socialdemokratie. Ihre Geschichte
und Lehre. £3ne historisch - kritische Darstellung. 2. Aufiage. Bremen
187S. S. 52.
— 262 -
Diese Worte in einem Buche, welches bereits in dritter
Auflage erschienen ist, mÜBBen von den liberalen Parteien
des deutschen Volkes für Wahrheit gehalten werden. Fragt
man mich warum, so berufe ich mich auf die Urthelle der
Presse, welche der Verfasser der dritten Auflage seines Werks» ■
beigefügt hat. Hiemach sagt z. B. die höchst liberale „Gai
laube" wörtlich:
„Wir glauben nur eine Fflicbt zu erfiiUen und Unzähligen
Lesei einen Dienat zn erweisen, wenn wir die ÄufmerkBHmkeit a
Arbeit lenken, die, unserem TJrtheile nach, zu dem Besten und WiiltgumBta] |
gehört, was bisher im Verlaufe eines langen und immer heftiger mub goi- ,
ataltenden Streites über die Socialdemokratie geschrieben wurde .
weg erhalten die Leser den Eindruek eines zwar schneidig zugeapU
aber gerechten, auf ernster Pröfuug beruhenden, von leerer E
□nd landläufiger Yerdaarniungsphrase sich fem haltenden UrtbeOs."
Paul Lindau's „Gegenwart" sagt ebenso:
„Eine Streitsciurift im besten Sinne des Wortes, nicht gegen LidiTifl
eondem gegen die principiellen Ziele der Socialdemokratie gerichtet, \
das Buch wesentlich dazu beitragen , das Yerstündniss des Weseni 'i
der Ziele dieser Bewegung m den 'weitesten Kreisen zu fördern."'
Nach solchen „Stimmen der Presse" werden also \
Juden noch Nationalliberale das obige moralische Verdammud
urtheil Franz Mehring's über diejenige GesellBchaft I
unwahr bezeichnen können, in welcher Lassalle und Hei«
V. Dönniges als verwöhnte Sohoosskinder gross gezM
und gefeiert worden sind. Nun wohl anl dann müssen Q
sei es auch nur aus Parteirücksichten, sämmthcbe aatitui
liberalen Juden Berlin's die folgenden Worte ihres Hauptot^
der „Nationalzeitung", als Wahrheit betrachten, denn diesi
bereichert Dr. Salomon mit seiner Weisheit und Hr. Defl
borg häh als Redacteur mit verbundenen Augen die Wl|
der Themis. Die „Nationalzeifung" sagt*) aJao wörtlich:
„Jahre hindurch war Lassallc, dt>t Scbüne, der Geniale, du-]
wähnte Schooskiud der Berliner Gesellschaft. Niemals hatten 1
gTOHHB Vermögen das frech Herausfordernde, das die Parveoua x
Gründerzeit zur Behau trugen. Während Alle wusst
Mitteln oft diese Keiohthümer, diese Palast« erworben w
die anständige Gesellschaft? Sie drängte sich zu den Belsazaifesl
Glücklichen I
') Vgl, oben S. 64 den vollstindigen Aufsatz t, 3. Juni 1878.
— 263 —
Von den gebildeten, den wohlhabenden Klassen ist der erste
Drang und Trieb zu all' diesen Veränderungen, Anschauungen, Ideen aus-
gegangen. . . . Nicht das Volk, die Bildung hat sich zuerst yon den
idealistischen Anschauungen abgewandt. . . Die Bildung der oberen
Zehntausend ist wieder einmal in die Tiefe hinabgesickert. Das ist
Alles. Wenn ein Philosoph zu den französischen Edelleuten im Jahre 1793
gesagt hätte: „„Was schreit ihr über die Greuel, die geschehen? Wer
bat die yerhängnissvollen Lehren der Vernunft imd der Freiheit zuerst
gelesen, angestaunt, bewundert? Etwa die zwanzig Millionen , die jetzt
diesen Höllenlärm vollführen imd weder lesen noch schreiben können?
Nein — ihr wäret es!" — was hätten sie ihm antworten sollen? Der-
selbe Geist, der dieser vomehmen und ausschliesslichen (xesellschaft 70 Jahre
f lang die Lebensluft zugeführt hatte, war jetzt zu der Masse hinabgestiegen
[ und suchte in unerhörten Thaten und Ausbrüchen nach einer neuen
Staats- und Gesellschaftsform . . .
TMn grosses nationales Unglück, die Schlacht bei Jena, hat schon
einmal unser Volk aus Verirrungen und Versumpfung emporgerissen.
Keine politische Beaction ist eingetreten — im Gegentheil eine
befreiende Gesetzgebung, die verständigste, die wir noch gehabt
baben. Nicht das Gesetz allein besserte den Staat; unsere Eltern
besserten sich selbst. Das war die Hauptsache. Sie reinig-
ten sich von üebermuth, Eitelkeit und Genusssucht.
Männer standen unter ihnen auf, die mit flammenden Worten alle
edelsten Empfindungen des Herzens zu wecken verstanden. Wieder ahnte
imd trachtete man nach Schätzen, die nicht von Motten oder von Eost
serfressen werden. Beligion und Philosophie, Verstand und Gemüth
flachten sich von Neuem einander zu nähern, mit einander zu verständigen.
Ihid 80, indem wir uns wieder an eine heilige Sache hingaben, wieder
opfern lernten, die Vornehmsten, die Gebildetsten voran, indem von den
Aanen nichts gefordert wurde, was die Besitzenden nicht in erhöhtem
Xtasse zu leisten willig waren, zerbrachen wir das Joch des fremden
£n>berers.
Eine solche Einkehr thut unserer Gesellschaft nochnöthi-
ger als politische Gesetz.e.
Die Erisis, die wir durchmachen, ist wesentlich eine sittUche; wenn
m uns nicht gelingt, den moralischen Begriffen und Vorstellungen wieder
Chttong zu verschaffen, auf denen unsere Kultur beruht, so sind alle andern
IGttd zu ihrem Schutze vergebens. Diejenigen aber, die sich feige
•elbst aufgeben, sind auch nicht werth von Andern gerettet
in werden!"
Klingen diese Worte aus einem nationalliberalen Blatte,
wdches die Anschauung der Berliner Professorenkreise ver-
Intt, besonders derjenigen, in denen sich vermöge „einer ge-
iriBsen Affinitöt zum jüdischen Geiste der Verjudungsprocess
— 264 —
vollzieht" ^) — ich sage, klingen solche Worte in einer solche- r
Zeitung nicht wie Hohn in den Ohren aller Leipziger
fessoren, wenn v^ir, um mit Professor Alfred Dove*)z
reden, „plötzlich, wie aus einer Versenkung die vierte Dimei
sion" oder „wie den Ejioblauch unter den Eichen des Kosei
thals" die hervorragendsten Elemente derjenigen Gesellscha:^
als „ deutsche Professoren " bei uns auftauchen sehen, in denen
der Begründer der deutschen Socialdemokratie Ferdinand
Lassalle „als verwöhntes Schooskind" gross gezogen worden
ist? Und da will man es mir verdenken, wenn ich mit stiQ-^
schweigender Zustimmung vieler meiner Collegen bestrebt bin^f
die Ehre und den durch Jahrhunderte hindurch bewährten*
guten Klang des „deutschen Professors" zu retten und beim^^
Volke wieder zu Ehren zu bringen, indem ich das Eindringea •
des jüdischen Geistes mit seinem herausfordernden Geldprotzen- '
thum in unsere akademischen Kreise bekämpfe?
Aber nicht blos auf die Zustimmung zahlreicher Collegen, '
sondern auch auf den vom Reichstag gesetzlich formulirten^*
Willen des gesammten deutschen Volkes kann ich mich bei ;
meinem Kampfe stützen. Am 4. October 1878 wurde der
Commissionsbericht über das gegenwärtig prolongirte Socia-
listengesetz vom Reichstage genehmigt. In diesem Berichte
heisst es unter Anderem wörtlich:
„Die Heilung (unserer socialen Schäden) muss durch Belehung der
Kehgiosität, durch Aufklärung und Belehrung, durch Stärkung des Sinnes
^) Vgl. M. Keymond. „Wo steckt der Mauschel?" oder Jüdischer
Liberalismus und wissenschaftlicher Pessimismus. S. 37. „Es muss in :
der intellectuellen Kichtung derjenigen gesellschaftlichen Kreise, innerhalb
deren sich der Verjudungsprocess vollzieht, ein Element vorwalten, welchei j
eine gewisse Affinität zu dem jüdischen Geiste hat."
*) Alfred Dove in seiner anonymen Schrift: „Der Spiritismus in
Leipzig". Der anonyme deutsche Professor und Schwiegersohn unsere«
Leipziger Vivisectors Ludwig sagt hier wörthch von meinen Collegen
Wilhelm Weber, Fechner, Scheibner und mir:
„Und gerade in Leipzig müssen sich nun die Spiritisten niederlassen,
wie der Knoblauch unter den Eichen des Kosenthaies ; und ihre denk-
faulen Gönner wähnen, so ein armseliges Häuflein von Pfuschern ohne
Vorschule, das da experimentirt wie die Katze mit dem Spucknapf, werde
etwas Erkleckliches beitragen zur Naturwissenschaft, den Meister am
Zeuge flicken und dem Cultusminister freiwillig unter die Arme greifen»
Aiherrcheses l Nu äben."
— 265 —
för Becht und Sitte angestrebt werden'' . . . „Ein jeder wohlgesinnte
Mann rnuss in seinem Kreise sich die Aufgabe stellen, persönlich in
der bezeichneten Richtung mit Wort und That einzutreten." ^)
Dass der „Sinn fiir Kecht und Sitte" in unseren akade-
mischen Kreisen durch das Benehmen meines CoUegen Lud-
wig und seines Schwiegersohnes Alfred Dove und Con-
wrten gegen Männer wie Fechner und Wilhelm Weber
wegen ihrer Theilnahme an meinen wissenschaftlichen Unter-
rachungen des Amerikaners Slade aufs Tiefste verletzt
rorden ist, glaube ich zur Genüge bewiesen zu haben. Dass
ber selbst die schmerzlichen Erfahrungen, welche unsere
Wversität durch die Promotion von Verbrechern, wie No hi-
ng und Glattstern, gemacht hat, nicht einmal im Stande
ad, einen 62 Jahre alten ausserordentlichen Professor der
andwirth Schaft, dessen Zuhörer jene Verbrecher einst
aren, zu einem, den Zeitverhältnissen entsprechenden, ernsten
id taktvoUen Benehmen den Studirenden gegenüber zu ver-
ilassen, darüber möge meinen Lesern der folgende, wörtlich
im Leipziger Tageblatte vom 22. Februar 1880 (5. Beilage)
itnommene Bericht Aufschluss geben:
„Leipzig, 21. Februar. Gestern Abend fand im Trianonsaale des
diützenhauses die Feier des Stiftungsfestes der Vereinigung der
issenschaftlichen Vereine unserer Universität statt
achdem das zweite lied gesungen und ein Salamander auf die an-
esenden Herren Docenten, unter denen wir ausser Herrn Professor
irnbaum die Herren Privatdocenten Dr. Walcker und Dr. Friedberg
emerldien, gerieben worden war, bat Herr Professor Birnbaum um
iB Wort und hielt eine Uebergangsrede vom wissenschaftlichen Theil
66 Festes zum gemüthlichen, indem er in höchst humoristischer Weise
tadwirthschaftliche Nutzanwendungen aus einzelnen Sätzen der Festrede
]g, welche stürmische Heiterkeit erregten Seine Rede wurde
lit grösstem Beifall aufgenommen, ebenso die beiden der Privatdo-
enten Dr. Walcker und Dr. Friedberg, von denen der Letztere das
on Herrn Prof. Birnbaum vorgeschlagene neue „Verdauungssteuer-
^ject'* mit vielem Humor als ein die niederen Classen bedrückendes
uiückwies. Nachdem Herr Prof. Birnbaum in einer zweiten Rede die
Abwesenheit der wissenschaftlich -theologischen Vereine mit Recht miss-
UMg bemerkt hatte, folgte noch eine Reihe von Toasten, die, von Studenten
*) Vgl. „Erster Jahresbericht des Volksvereins für Leipzig und Um-
{Bgend. (Leipzig, Breitkopf & Härte 1.) Der Begründer und Vorsitzende
Üeses Vereins ist mein College Wach, Professor des JCriminalrechts.
— 266 —
ausgebracht , alle mit Salamandern endeten Unendliche
Freude bereitete es, als Herr Prof. Birnbaum sich bei Beginn der Ex-
Eneipe bereit erklärte, das Präsidium auf derselben zu führen, was er auch,
wie sich ergab, in einer wahrhaft ausgezeichneten Weise verstand. Immer
sorgte er für neue Unterhaltung, Bierredon und Sologesänge wechselten mit
einander ab. Viel Vergnügen bereitete die grosse Bierpolonaise, die Herr Pro£
Birnbaum selbst anführte, und der grosse Eundgesang der einzelnen Tiscli-
reihen. Die Feier schloss kurz vor 2 Uhr mit einem Salamander auf den
ausgezeichneten Exkneipenpräsidenten. . . .''
Um den deutschen Professoren und Privatdocenten zu
zeigen, wohin in Kussland die Sucht, sich bei den Studenten
in der vorstehend angegebenen Weise ä la Birnbaum popu-
lär zu machen, geführt hat, erlaube ich mir, hier wortlich
einige Stellen aus der bereits oben (S. 29) citirten Schrift
von Karlo witsch anzuführen:
„Es ist, als wenn eine grosse Anzahl junger Leute zu ganz andern
Dingen auf den Hochschulen wäre, als gerade zum Lernen. Weil die
Eegierungsformen des Kaisers Alexander in vielfacher Beziehung die
Gesellschaft zur Selbstthätigkeit einluden, so glaubte sich die Studenten-
schaft zunächst dazu berufen. Das heisst, sie glaubte sich dazu berufen,
nicht als kiinftige Vertreterin der Litelligenz, nicht als ein Aggregat
von jungen Leuten, die im Hinblick auf späteres Wirken eine Summe nütz-
licher und nothwendiger Kenntnisse sich erst anzueignen hätten — sie
wollte gleich agiren, unvorbereitet, ohne Beruf. Es gab gewissenlose
Schriftsteller und Professoren, welche einer solchen Richtung das Wort
redeten .... Natürlich wurden die Professoren, welche die „„Jugend""
als etwas Vollwichtiges, Fertiges behandelten, immer beliebter, während
man diejenigen, welche von der Pflicht der Jugend, zu lernen, sich för
einen später auszuübenden Beruf ernstlich vorzubereiten, ausgingen, als
„ „Retrograde" " behandelte, als Männer, welche ihre Zeit nicht zu begreifen
im Stande wären, ja selbst als Unfähige. Um solche gewissenhafte Pro-
fessoren zu isoliren, vermied man es, ihre Vorlesungen zu besuchen, lief
aber in ganzen Massen zu den beliebten Professoren, ohne dass man zn
deren Cursus gehörte, und auch nicht um zu lernen, sondern nur, um «n
demonstriren. So konnte es nach und nach möghch werden, dass man
Aufläufe in Scene setzte, um Professoren zu verdrängen, welche vielleicht
nur Büchner 's „„Kraft und Stoff"" für ein seichtes, unwissenschaft-
liches Machwerk zu erklären gewagt. . . . Um sich populär zu machen,
hat eine grosse Mehrheit von den Professoren der Universitäten in dem
Buhlen um die Gunst derjenigen Studenten, die die grössten Schreier
waren, sich gegenseitig förmlich überboten." (Vgl. S. 37 — 39 a. a. 0.)
Der Eindruck, welchen das „Buhlen um die Gunst der
Studenten*' in einer „Exkneipe^^ auf das Publicum und, ich
^'^^Ifaan iuozofiigeiiy auch auf einen grossen Theil der anwesenden
jAnlenten gemacht hat, die mit Rücksicht auf ihre süddeutschen
.^Gammilitonen besonders das Hineinziehen kirchenpolitischer
fftigen mit den abgedroschenen national -liberalen Ausfällen
^Mffgen die Ultramontanen in ihre harmlose studentische Fest-
^^-vikrade als eine verletzende Taktlosigkeit empfunden haben, —
^ich sage, der Eindruck, welchen die obige Beschreibung sogar
lof nicht Anwesende gemacht hat, findet in dem folgenden
monymen Inserate im Leipziger Tageblatt v. 26. Februar
L Beilage einen nur schwachen Ausdruck:
„ — Was die Studenten-Verbindungen betrifft, so ist's ganz hübsch,
iaaa die „alten Herren** in Amt und Würden alle Jahre ein- oder
iweimal mit den jungen Herren Commerse u. s. w. feiern. Noch hübscher
aber wfire es, wenn einmal die alten Herren mit den jungen ein ernstes
Wart sprechen wollten, wenn sie z. B. sagten: Lasst doch, wenn Ihr ein-
mal pausen müsst, die krummen Säbel und die Pistolen bei Seite und
hebt sie für den Krieg und die böhmischen Wälder auf, wo's auf Tod und
Loben geht! — Anlass zu solchen Standreden geben eben jetzt wieder
iriele Duelle auf Universitäten. In Berlin ist ein Student im Pistolenduell
kfinüich erschossen, ein anderer im Säbelduell so zugerichtet worden, dass
der Arm abgenommen werden muss.*'
Dass solche „Stimmen der Fresse" sogar über die von
„Doctoren" als Meuchelmörder contrahirten Blutschulden
nicht verdnzelt dastehen, das möge wiederum die folgende
„Stimme aus dem Volke '^ im Leipziger Tageblatte vom
5. Juli 1878 (3. Beilage) beweisen:
yfisrr Dr. phiL Oberbreyer in Magdeburg, seither in akademischen
Inisen besonders durch sein Buch über „die Beform der Doctorpromotion"
bdumt, hat im Namen und Auftrage einer grösseren Anzahl hiesiger
od auswärtiger Doctoren verschiedener Facultäten kürzlich bei der phüo-
nihiflchen Facultät der Universität Leipzig den Antrag gestellt, das
dem rachlosen Attentäter Dr. Nobiling im Jahre 1876 erthcilte Doctor-
dqiloin zu annulliren. In der ausführlichen Begründung dieses Antrages
wird hervorgehoben, dass die Verleihung der höchsten akademischen
Wfirde nicht nur das Vorhandensein wissenschaftlicher Tüchtigkeit, sondern
for AUem auch sittlicher Tadellosigkeit bedinge, wie dies schon die auf
lOan Universitäten übliche Forderung eines Moralitätszeugnisses vor der
ftranotion beweise; der Kaisermörder aber habe durch seine Frevelthat
nicht nur seine Zukunft, sondern rückwirkend auch seine Vergangenheit
alt dem schwersten sittlichen Makel befleckt, so dass es jetzt von ihm
viarwirkt sei, dnen Ehrentitel zu tragen, der nach absolvirtem Studium
— 268 —
nicht sowohl als momentane Auszeichnung, sondern recht eigentlich in ape '
futui'i verliehen zu werden pflegt. Wenn Eostock jüngst einem literari-
schen Fälscher, der sich wissenschaftlich unwerth erwiesen, schnell
entschlossen das Doctordiplom zerrissen habe, um wie viel eher verdiene
dieser Fälscher deutscher Ehre, der sich als so sehr sittlich unwerth
vo^ aller Welt gebrandmarkt, des Doctorhutes entkleidet zu werden! Die
fernere Führung des Doctortitels durch den Mörder komme einer Ent-
werthung dieser mit Kecht so hochgehaltenen akademischen Würde gleich;
anständige Leute würden in Zukunft kein Verlangen mehr nach ihrer
Erlangung tragen, und Die, welche sie bereits besitzen, würden sich neben
einem solchen Collegen einfach als „Herr" dem Gentleman näher fühlen.
Die Ehre des so schwer geschädigten deutschen Namens fordert noch eine
andere Genugthuung als die gerichtliche Bestrafung; das Gericht wird
zwar den Mörder zum Tode verurtheilen, kann ihm aber doch den Doctor-
grad nicht aberkennen, da es nicht in der Competenz der Gerichtsbehörden
liegt, akademische Grade im Strafwege zu entziehen. Eine baldige öffent-
liche Annullirung des N o b i 1 i n g 'sehen Diploms habe femer noch den Vortheü,
dass wir nicht die Schmach erleben, den Inhaber der summt in phüa-
Sophia honores einer deutschen Universität, des Kaisermordes angeklagt,
vor den Schranken zu sehen, da dann die mit dem Verbrecher in Be- ;
rührung kommenden Behörden in der Lage sind, den Doctortitel desselben
als nicht ertheilt zu betrachten."
Als ich die vorstehenden Worte des Dr. Oberbreyer
las, enöthete ich vor Scham, da ich als ordentlicher Profesaor
an der Universität Leipzig Mitglied derselben philosophischen
Facultät bin, welche ahnungslos ihre höchste Ehre einem Manne
ertheilt hatte, der Deutschland und speciell unserer Universität
zur ewigen Schmach gereichen wird. Gesetzt, unser Kaiser wäre
tödtlich getroffen worden, und meine historischen Collegen,
die Professoren v. Noorden und Arndt, wären dereinst als
im Dienste der Wahrheit ergraute „Männer der Wissenschaft"
genöthigt gewesen, in ihren Vorlesungen „über die neueste
Geschichte Deutschlands bis auf die Gegenwart" ihren Stu-
denten mitzutheilen, der siegreiche Begründer der deutschen
Einheit, Kaiser Wilhelm I., fiel durch die Kugel eines
Meuchelmörders, der zwei Jahre vorher von der philoso-
phischen Facultät der Universität Leipzig zum Doctor pro- I
movirt worden war. Würden nicht auch meine historischen -■
Collegen jedesmal vor Scham erröthen müssen, wenn sie diese i
Begebenheit als „historische Thatsache" ihren Zuhörern mit-
zutheilen genöthigt wären, gleichgültig, ob sie die Geschichte
— 269 —
andpunkte einer bestimmten Partei oder Confession
Igen für zweckmässig fänden oder nicht?
i der Schwierigkeit , sich über die moralischen Quali-
ind Antecedentien der zu promovirenden Candidaten
r grossen Universität genügend zu unterrichten, war
ik dem Attentate Nobiling's anfangs entschlossen,
onft auf die schriftliche Abgabe meines Votums zur
ion der mir persönlich unbekannten Candidaten zu ver-
. Um jedoch nicht durch eine solche officielle Ver-
stung auf ein mir zustehendes Recht bei meinen Collegen
B zu erregen und mir den Vorwurf allzugroaser Reiz-
ond „Erregtheit^' zuzuziehen, verzichtete ich auf meinen
iglich gefassten Entschluss. Dagegen zog ich mich
n an vollständig aus der sogenannten guten Salon-
ichaft zurück, in welcher man mit gänzlich unbekannten
en in Berührung kommt und conventionell gezwungen
mit jener formellen Höflichkeit und Liebenswürdigkeit
andeln, welche jedem natürlich empfindenden Menschen
ipathischen Persönlichkeiten als eine bewusste Heuchelei
nt. Mein Entschluss wurde wesentlich noch durch die
mals erst bekannt gewordene Thatsache befestigt, dass
er Massenmörder Thomas (vgl. S. 69) vielfach inunsem
lischen Kreisen verkehrte und sogar, wie ich jüngst
»ten hörte, in einer namentlich bezeichneten Professoren-
ais „Hausfreund'^ behandelt sein soll. Gerade dieser
id und der Anblick des Bildnisses von Thomas in
»pziger lUustrirten Zeitung, welches einen durchaus
n und Vertrauen erweckenden Eindruck machte und
lurch seine Aehnlichkeit lebhaft an einen guten und
astronomischen Collegen erinnerte — alles dies lieferte
a Beweis, dass das alte deutsche Sprüchwort: „Sage
t wem Du umgehst und ich will Dir sagen wer Du
acht auf unsere moderne Salongeselligkeit in Professoren-
deren Kreisen der sogenannten guten Gesellschaft, ohne
> auf's Tiefste zu verletzen, angewandt werden darf.
nig selbstverständlich diese traurigen und sittlich ver-
ien Zustände unseres modernen geselligen Verkehrs dem
ftlnen zur Last gelegt werden dürfen, so beweisen sie
I
— 270 —
doch die Existenz von gesellachaft liehen ZuetändeD im den!
Volke, deren Beseitigung jedem aufrichtigen FatrioM
Herzen liegen muss. Wie berechtigt meine seit Jahren
achtete g^zliche Zurückgezogen heit von der Salongeed
ist, daa beweist mir gegenwärtig wieder der als Schn|
verhaftete Leipziger Doctor Glattstem. Es wäre fni
ein ungemein peinlicher Gedanke, wenn ich mir sagen q
die Verbrecher Thomas, Dr. Nobiüng, Dr. Glatti
sind auch in meinem Hause gastlich bewirthet worden, \
auch in meinem Hause gleichzeitig mit andern ehrtichei
berühmten Mänoern eine freundliche und herzliche Äufi
gefunden. Die Erwägung, dasB ich hierbei batm fide und
KenntnisB der moraßachea Eigenschaften jener Mensch«
handelt hätte, wäre für mich kein Trost. Denn der G«
dass das deutsche Haus und die deutsche Familie bei ni
germanischen Vorfahren ein Heiligthum gewesen aei, |
meinem Herzen und Verstände eine Reformation un
geselligen Verkehrs als eine der ersten und wichst
Aufgaben für eine sittliche und christliche Wi
gehurt des Volkes erscheinen lassen. Der Saloi
hört den Fürsten und Diplomaten und allen corpoi
Gesellschaften, die mit jenen durch ihre Berufsthatigl
gesellschaftliche Berührung kommen müssen. In
Kreisen ist die Salongeselligkeit berechtigt, weil sie zum G«
und Beruf gehört. Die deutschen Professoren aber gel
meiner Ueberzeugung nach, entsprechend unseren Tradil
zur bürgerlichen Gesellschaft, und haben wie diese
gemeinnützliche, politische und sonstige Vereinigungen
reichend Gelegenheit, sich mit Ausschluss der verflach
und sittlich corrumpir enden Salon geselligkeit einand*
nähern und persönlich kennen zu lernen. JedenfaUa
der natürliche sittliche Instinct nicht durch so tn
Erscheinungen ivie die oben angeführten so wät
stumpft werden, dass wir h'äge und hoffnungslos die I
in den Schooss legen in der Ueberzeugung, diese ZuE
nicht ändern zu können. Erwiderte mir doch erat jung
College, gegen den ich mich mit Entrüstung über den Sohw
Dr. Glattstern aussprach, man dürfe sich bei der I
J
— 271 —
■
* fVeqnenz unserer Universität nicht wundem, wenn sich alle
' paar Jahre unter den promovirten Doctoren auch einmal ein
' Verbrecher befände!
t Solche ganz harmlos und naiv ausgesprochene Ansichten
^ berfeeisen mehr als lange Reden und Aufsätze in belletristischen
[ «ToiimaleDy dass selbst so entsetzliche Erscheinungen einer
t nttlichen Fäulniss, wie promovirte Attentäter und MeucheU
\ mörder an der ersten Universität Deutschlands , nicht mehr
l JCTi Stande sind, die durch liberale Phrasen hypnotisirten
loyalen Professoren aus ihrem traumartigen Zustand zu er-
f trecken, in welchem sie sich nach Karl Vogt's Ausspruch bereits
'■' B&t 33 Jahren befinden! Wollen wir denn in Deutschland
erst auf russische Zustände warten, bis Militärgouverneure
t £e Geheimräthe und Professoren der deutschen Universitäten
q pfi sich versammeln und ihnen direct in^s Gesicht sagen, dass
die Studenten gar nicht so schlecht seien, wohl aber die Pro-
fessoren nichts taugten? Ist es denn nicht besser, wir erwecken
f uns selber aus unserem hypnotischen Zustand und rufen uns
If das befreiende „Wach" zu ? Ist es nicht tief beschämend für
l uns, wenn wir erst auf die jüdischen Literaten und Professoren
f 'Warten müsssen, um uns von ihnen über unsere Muthlosigkeit
und Feigheit mit den Worten Dr. Salomon's in der National-
Zeitung v. 9. Juni 1878 Vorwürfe machen zu lassen, indem
er sf^:
„Was schreit ihr über die Greuel, die geschehen? Wer hat die ver-
lUtaignissvollen Lehren der Vernunft und der Freiheit zuerst gelesen,
i angestaunt, bewundert? . . , Ihr wäret es. Die Erisis, die wir durch-
aiaichen, ist wesentlich eine sittliche; wenn es uns nicht gelingt, den
moralischen Begriffen und Vorstellungen wieder Geltung zu verschaffen,
auf denen unsere Cultur beruht, so sind alle andern Mittel zu ihrem
Schatze vergebens. Diejenigen aber, die sich feige selbst auf-
l^eben, sind auch nicht wer th von Andern gerettet zu werden!"
Und nochmals richte ich die Frage an alle meine deut-
schen CoUegen von christlich -germanischen Traditionen, ob
ihnen nicht die Schamröthe in's Gesicht steigt, wenn uns
unser israelitischer College Professor Lazarus in Berlin Vor-
würfe darüber macht, dass es den Professoren an bussfertiger
Gesinnung und Busspredigern fehle, die das Volk und sich
selber angesichts der entsetzlichen Thaten von Hödel und
— 272 —
Nobiling zur Busse und Einkehr auffordern. Professor
Lazarus beschliesst seine Schrift: „Was heisst national?"
mit folgenden Worten:
„Wir ermangeln heute nicht der Kunst, aher der markerschütternden
Gewalt des prophetischen Wortes. Wären zu seiner Zeit so ungeheuerliche
Thaten moralischer Verwilderung geschehen, wie die Angriffe auf das ehr-
würdigste Haupt der Nation : Töne von gewaltiger Wucht wären erklungen,
deren Gellen wir heute noch empfinden würden, wie wir den eindringenden
Aufruf eines Jeremias und Jesaias auch heute noch vernehmen.
Vielleicht, dass irgend wo in einem deutschen Gemüthe von jener zündenden
Gluth der Eede noch ein Funke unter der Asche der Jahrhunderte glimmt;
dass er , wenn auch nur in schwächerem Ahglanz, aufleuchte und uns den
Pfad der Gerechtigkeit und Milde erhelle, und dem ganzen deutschen ;
Volke zum- Segen gereiche! Das walte Gott!"
Diese Worte hat Professor Lazarus am 2. Decbr. 1879 \
in seinem Vortrage „Was heisst national?" vor einer Ver-
sammlung von Israeliten gesprochen. Was würde derselbe wohl
zu Herrn Professor Birnbaum, dem ehemaligen Lehrer
Nobiling's und Glattstern's, und zum Privatdocenten
Dr. ß. Friedberg, dem ehemaligen Bekannten des Doctor :
Glattstern, gesagt haben, wenn er der oben erwähnten „Ex- j
kneipe" Birnbaum 's mit beigewohnt hätte? 1
Der Königsberger Demokrat und „gute Revolutionär" s
Professor Jacoby sagte einst dem König Friedrich Wil- "
heim IV. in's Gesicht: „Das eben ist das Unglück der Könige» -
dass sie nicht die Wahrheit hören wollen ! " Ich wiederhole
heute diese Worte als ein „guter Revolutionär" des jetzt -
heraufsteigenden Völkerfrühlings nicht den Fürsten und Regie-
rungen, sondern den deutschen Professoren und Literaten!^
gegenüber, welche durch ihre „Affinität zum jüdischen Geiste"
hypnotisirt sind und in diesem Zustande nach Professor
Heidenhain's Urtheil „Nichts denken. Nichts wissen und
Nichts von oder über sich glauben", i)
Sie glauben es nicht, dass die heilsamsten Institutionen»
z. B. die Universitäten eines Volkes, trotz der liberalsten
republikanischen Verfassung in Tyrannei und Knechtschaft
^) „Der Hypnotische denkt Nichts und weiss Nichts und glaubt Nichts
von oder über sich." Heidenhain's Worte in seiner Schrift „Der so- ^
genannte thierische Magnetismus u. s. w.'* 2. Aufl. S. 21.
i
— 273 —
{wathen können, wenn durch Cliquenweaen, Eitelkeit, Game-
raderie und Stellenjägerei die sittlichen Bedingungen vernichtet
smd, unter deren Voraussetzungen allein die Freiheit im Stande
ist, den Völkern Heil und Segen zu bringen. Zur Begründung
meiner ,,reaktionären^^ Anschauungen stütze ich mich, wie
gewohnlich, auf das höchst nationalliberale „Leipziger Tage-
blatt^ und reprodudre wörtlich den folgenden Leitartikel aus
der heutigen Nummer v. 14. März:
,,Ehrlicli6 Leute*' in Amerika.
,J)er edle Washington würde sich heute im Grabe umwenden, wenn
erwüsste, was Epigonen aus seinem Werke, dessen Grösse wohl geeignet
schien, Jahrhunderte zu überdauern, gemacht haben. Wer wollte es leugnen,
du Ideal einer freien Staatsverfassung , die magna Charta der Union , ist
unter seinen £nkeln zu einer hässlichen Caricatur geworden ; denn anstatt
npnblikanischer Bügertugenden sind heute die niedrigsten Leidenschaften,
Oomiption und Aemterjagd, diejenigen Eigenschaften, welche das öffentliche
I«ben in den Vereinigten Staaten kennzeichnen. Noch niemals hat —
denn es handelt sich zugleich um die Beseitigung eines Hauptgrundsatzes
der VezÜEtösung der Union — noch niemals hat in Amerika die Vorbereitung
fcr Präsidentenwahl eine so hohe Aufregung, eine so wilde Leidenschaftlichkeit
der Parteiagitation hervorgerufen , als in dieser Stunde , in welcher ein
politischer Streber vom Schlage eines Eleon sich anschickt, eine dritte
l^räsidentschaftscandidatur mit allen Mitteln politischer Eeclame und der
offenknndigsten Bestechung ins Werk zu setzen. Li der That, Ulysses
Grant versteht die Kunst, „wie man Präsident wird", aus dem Eunda-
wwitö. Der Boden für die Pläne des. wie wir hervorheben, um sein
Vaterland während des Secessionskrieges verdienten Generals, ist trefflich
'^^Ut, um der giftigen Saat Wachsthum und Gedeihen verheissen zu
^nnm. Nicht die beiden Hauptparteien des Landes sind es, die in
^thenden Angriffen auf einander los stürmen, um die Gewalt an sich zu
bissen und für ihre Zwecke, je nachdem, auszubeuten: nein, am heftigsten
'öbt die Furie des Kampfes inmitten der einen, der grossen republikani-
'^^en Partei selbst, während die Gregensätze zwischen ,J)emokratisch" und
.Republikanisch*' weit weniger als ehedem sich bemerklich machen. Das
^aultat für jede der beiden Parteien ist ziemlich zweifelhaft ; wie ehedem
^i der letzten Wahl, bei welcher die Eepublikaner Hayes nicht „wählten",
ondem in die Präsidentschaft „zahlten!" Im Princip handelt es sich
'^te in den Vereinigten Staaten darum, eine Partei der „ehrlichen Leute"
'ögen Ulysses und seinen Anhang ins Gefecht zu führen. Daher unter-
^nimt es auch nur einTheil der republikanischen Partei, den Herrn
*xpräsidenten zum Candidaten zu erheben, einen Mann, der während seiner
wei maligen Behauptung an der Gewalt sich als ein bewusster Förderer
18
— 274 —
•
der Beamtencorruption erwiesen hat und der nicht davor zurückschreckte,
auf Kosten des Vaterlandes sich und dem „Einge^^, der ihn auf den Schild
erhöh, den Beutel zu fällen. Die grosse Bepuhlik jenseits des Oceans ist
durch diese Art von Eegierungskunst wirthschaftlich heruntergehracht
und sittlich geschädigt worden. Dieselhen Männer schiessen heute wieder
wie Giftpilze aus der Erde hervor, welche damals unter dem weitreichenden
Schutze Grant's auf Grund ihrer Stellung den Staat mit unerhörter,
Dreistigkeit ausplünderten. Wer wüsste nicht von den Millionen- Unter-
schleifen am Zollamte von New -York zu erzählen? Wem wäre diesserts ^
wie jenseits des Atlantischen Meeres unhekannt gehliehen, dass nidit ]
weniger als dreizehn Anverwandte des Präsidenten im Besitze
fettesten Aemter der Ver. Staaten waren, um den Familienschatz
Grants zu immensen Goldhergen anwachsen zu lassen? Dass _
dieser Seite Alles aufgeboten wird, um das „goldene" Zeitalter wieder j
herbeizuführen, ist nur zu erklärlich; die Sehnsucht dieser Männer ist j
das erneute Protectorat Grant's über ihr unheimliches Treiben, dessea i
Motive und Kampfmittel Dollar und Kevolver sind. Natürlich konnteE i
diese „Politiker" die geheimen Ursachen ihrer Agitation nicht vor aller j
Welt offenbar werden lassen; denn der Wolf vermag nicht des SchafsHeitleß ]
zu entbehren, wenn er sich in den Stall schleicht. Darum
Losungswort ihrer Bestrebungen die platte Phrase durch das
das Anwachsen der Macht der demokratischen Partei , _
„goldechten" Eepublikanem , den Patrioten vom reinsten Wasser, die \
Pflicht auferlege, die Union in ihrem einheitlichen Bestände aufrecht ai
erhalten , und dass dazu ein Arm gehöre, dessen Kraft allmächtig über
Land und Meer hinausreiche. Um dieses Staatsideal ins Werk zusetzen,
soll kein Charakter des weiten Landes geeigneter sein, als der Kriegsbeld,
der während des grossen Bürgerkrieges den demokratischen Süden so nach-
haltig niederwarf, dass er alle Bedingungen des obsiegenden republibni*
sehen Nordens annehmen musste. Wehe den Besiegten! Lidessen
Dinge liegen aber heute anders als damals. Die demokratische Partei
ist ziemlich gleichmässig über alle Staaten von Nordamerika verbreitet und
die ehemals fast ausschliesslich demokratischen Südstaaten stellen jetzt
sehr ansehnliche Contingente für die Armee der republikanischen
Wähler. Die Furcht der Abtrennung einzelner Staaten aus Gründen der !
demokratischen Gesinnung von dem Verbände der Union entbehrt alflo
jeder Logik. Dennoch wagt es die Partei „Grant" unter der Toga des
Kepublikanerthums dieses lächerliche Gespenst in den Kampf zu fahren;
eine Heuchelei, hinter der sich einfach die Absicht verbirgt, den Staat
nach Herzenslust auszuplündern. Das Corruptions- Ideal des russischea
Beamtenthums ist gegen die Unersättlichkeit und Goldgier dieser Gam»-
rilla platonische Stümperei ! Der Bestand der grossen Kepublik wäre unter
der Präsidentschaft eines Demokraten zum [Mindesten eben so sicher, ak
unter der Aegide Grant's, der seinen machtsüchtigen Ehrgeiz bei m^
als einer Gelegenheit bewiesen hat. Viel gefahrlicher als die demokratiBche
— 275 —
Doctrin ist fftr Amerika das System ,,Granf , das den Staat nur als
(^oelle der Bereicherung für seine Beamten, als eine Domäne der Beste-
diQBg hinstellt and dadurch den ehrlichen und loyalen Bürger abhält, an
der Verwaltung des Landes theilzunehmen. Ein Heer von Aemterjägem
und Interessekämpfern ist eine sdilochte Gesellschaft für makellose Charak-
iore, denen die Grösse und Macht des Vaterlandes am Herzen liegt. G^gen
dieses unwürdige System herrscht , wie wir Berichten aus Amerika ent-
nehmen, gegenwärtig in den sittlich - kräftigen Kreisen der Republik ohne
Unterschied der Partei helle Erbittenmg. Wer indessen aus diesem
Kampfe als Sieger hervorgehen wird, ist zur Stunde unberechenbar.
Eines aber ist gewiss, dass die dritte Präsidentschaft Grant's die
Union in eine schwere Krisis stürzen würde, in Verwickelungen, deren
, folgen noch gar nicht abzusehen sind. Um dieses Unglück zu verhüten,
n^en alle loyalen Amerikaner sich unter dem Banner der Ehrlichkeit
und der Vaterlandsliebe die Hände reichen müssen. Nicht Demokraten
oder Bepublikaner werden die Zukunft Amerikas sicher stellen, sondern
die Herrschaft der Partei der „ehrlichen Leute**.
Ich glaube 9 im HiDblick auf die mir und meinen älteren
berahmten Collegen Fechner, Wilhelm Weber, Ulrici,
iScheibner widerfahrenen öffentlichen Beleidigungen durch
meinen Collegen Alfred Dove und seine Gesinnungsgenossen,
Bowie auf alle diejenigen, die in so unverhüllter Weise gegen
uns die Gesetze des einfachsten sittlichen und literarischen
■ Anstandes verletzt haben, berechtigt zu sein, mit den
T^orten des Leipziger Tageblattes „ zur Verhütung weiteren
Unheils" alle meine Collegen in und ausserhalb Leipzig's auf-
zufordern, an imseren deutschen Universitäten eine einzige
. grosse Partei der „ehrlichen Leute'' zu bilden, eingedenk
iet Worte des Thronerben der deutschen Kaiserkrone:
[ „Ehrlichkeit ist nie eine Schmach! Die Liehe zur Wahr-
• «eit wird uns den Mannesmuth gehen, das Unhalthare zu
opfern; aher wir werden dann das Sichere mit um so grösserer
Hingehung zur Geltung hringen."*)
Zu diesen „Opfern des Unhaltbaren", welche unsere deut-
schen Universitäten bei der sich gegenwärtig nach Kant's
prophetischen Worten vollziehenden „grossen Revolution
der Wissenschaften" dem anbrechenden Tage einerneuen
Colturepoche der Menschheit darbringen müssen, gehört meiner
^) Allgemeines Handhuch der Freimaurerei. 2. Aufl. Bd. 4. S. 69. Leip-
ig. (Brockhaus.)
18*
— S76 —
Deberzeugung nach die Verhinderung des weiteren UmBich-'
greifena des semitischen und antichriatlichea Geistes
Rn den deutschen Hochschulen. Alle Opfer, welche der
Mensch im Leben bringen ntuBS, sind mit Schmerzen ver-
hunden. Die Wunden, welche die Wiederhera teil nag der Ein-
heit Deutschlands so vielen aufrichtigen nnd von den edelsten
Pietät sgefdhlen gegen ihre Landesfiirsten erfüllten Patrioten
geschlagen hat, sind noch heute nicht vollständig geschlosaai,
iind dennoch — wer wollte bei ruhiger Betrachtung der ge-
waltigen historischen Thatsachen, welche Schlag auf Schlag
den EntwickeluEgsprocess unseres deutschen Volkes bis lat
gegenwärtigen Stunde begleitet haben — wer wollte diese
Ereignisse in ihrem wunderbaren Ineinandergreifen nur von
menschlichen Intelligenzen abhängig auffassen'-' AehnUcb
verhält es sich bei dem gegenwärtigen Kampfe DeutschlandE
um den Wiedergewinn seiner edelsten Güter. Es mögen
noch 80 viele persönliche Empfindungen hierbei verletzt werden, ^
die klar erkannten Feinde in unserem Kampfe müssen in &
Schranken zurückgewiesen werden, welche uns und ihnen zum
Heile gereichen werden. Einer nnserer israelitischen hooh-
achtharen CoUegen ^} gesteht selber seine Ueberraschung über
die Zunahme des jüdischen Elements in den deutschen Docent«-
• kreisen, indem er wörtlich bemerkt:
„An den deutschen Hochschulen wirken ge^nwiirtig. wie dei Uni-
versitätBkaleiider aufweist, gegen 70 Professoren rein jndiBclier Äbtoinll!
darunter namhrfte Vertreter aller DiBeipluien, der protestantJMlW
Theologie und der Juriaprudenz , der Philosophie und Philologia. d(t'
Geschichte vmd Mathematik, der Mediciii und der NaturwiaaenKdUlft«B-
Diese Zahl — and gewiss werden Sie nidit geneigt sein , bo viek Dw
Collegen unter die betriebsame Schaar der Talenta dritten RuigM 91
verweisen ^ ist allerdings, wie jeile unbefangene Betranhtung
wird. groBi; sie beträgt im Verhältnias zu der GeBammtillir
deutscher Professoren mehr als dreimal so viel. aU n»cl
den BevÖUerungsziffern erwartet werden sollte; gerade D«
Grösse wird ans von andoröu Gegnern zum Vorwurf gemacht." 1
Zu diesen Gegnern des Judenthums und des semitischen '
Geistes an unsem Universitäten gehöre ich nicht. Nicht den
'} „Zar Judenfrage. Sendschreiben an Herrn Prof. Dr. Heinrick
von Treitschte von Dr. Harry Breslau," a. o. ProfoBSor der Geschidil»
an der Univarsitut Berlin." (Dum in ler.) 8, IT.
- 277 —
Juden, sondern den sogenannten Christen und Germanen
mache ich Vorwürfe, dass ihre Indifferenz und Indolenz gegen-
über dem beiligsten Vermächtnisse unserer Vorfahren eine so
grosse ist, dass sie bisher schweigend und thados der wachsen-
den Anmassung und Zudringlichkeit des Judenthums in unserem
nationalen Leben zugesehen haben. Gerade deshalb und zur
Statnirung eines Exempels trete ich öffentlich gegen die Art
und Weise auf, in welcher sich der Vivisector Heidenhain
mit seinen Experimenten über den thierischen Magnetismus
bervordrängt und mit jüdischer Selbstgefälligkeit und Wichtig-
thuerei sogar Verdienste anderer Collegen sich selber vindi-
eiien möchte. Hier noch ein Beweis zur Begründung
meiner Behauptung.
Jeder billig denkende und aufrichtige Gelehrte, der den
Productionen Hansen's persönlich beigewohnt hat, wird ohne
Umschweife zugestehen müssen, dass er zunächst durch
Herrn Professor Hansen auf die Existenz jener merkwür-
£gen Wechselbeziehungen zwischen belebten Wesen aufmerk-
sam gemacht worden sei, welche gegenwärtig Hrn. Professor
Heiden faain ein so ergiebiges Feld zu neuen physiologischen
Entdeckungen liefern. Es gebührt also in erster Linie Hm.
Professor Hansen und nicht dem ordentlichen Professor der
Pbysiologie Hm. Heidenhain das Verdienst, den Vivisec-
toren gezeigt zu haben, dass es noch andere, weit fruchtbarere
Gebiete der Nervenphysiologie gibt, als sie es sich bisher
id ihren Vivisectionen „ träumen <^ Hessen. Muss denn nun
»ber gegenwärtig das ganze durch Vivisection erlangte Be-
obachtungsmaterial nebst den daraus gezogenen sogenannten
uwissenschaftlichen Schlüssen'^ nicht in höchst zweifelhaftem
Lichte erscheinen? Da auch Thiere unter dem Einfluss
menschlicher Manipulationen in den hypnotischen Zustand ver-
fallen können, so müssten doch zuerst die durch Hypnose
bedingten Erscheinungen streng von denjenigen getrennt werden,
welche lediglich durch mechanische Eingriffe bei der Vivisec-
tion am thierischen Körper erzeugt werden. Welcher Vivi-
sector war denn aber bis jetzt im Stande, diese Trennung
zweier Classen von Erscheinungen vorzunehmen, von denen die
biomagnetischen Einflüsse allen „sachverständigen Männern
— 278 —
der Wissenschaft" bisher vollkommen unbekannt waren? Muss
nicht schon lediglich mit Berücksichtigung dieses einfachen Um-
standes die Vivisection zu Gunsten biomagnetischer Experimente
beschränkt werden, da ohne genaue Berücksichtigung der letzte-
ren die durch Vivisectionen erlangten Resultate gar nicht wissen-
schaftlich discutirbar sind? Also auch in dieser Beziehung
sind die Professoren dem „Professor" Hansen zu Dank
verpflichtet^ insofern er die Vivisectoren praktisch auf andere
und fruchtbarere Forschungsgebiete hingewiesen hat.
Hr. Professor Berg er, ein Breslauer College, welcher
wenigstens dem Namen nach von nicht jüdischer Abstammung
ist, erkennt dies auch unumwunden an, indem er in den „Ver-
handlungen der medicinischen Section der schlesischen Gesell-
schaft für vaterländische Cultur", ^) Sitzung v. 6. Febr. 1880,
seine Untersuchungen „Ueber die Erscheinungen und das
Wesen des sogenannten thierischen Magnetismus" mit folgen-
den Worten beginnt:
„Der Vortragende hat sich, angeregt durch die Demonstrationen des
Herrn Hansen, in den letzten Wochen eingehender mit eigenen Unter-
suchungen üher den sogenannten thierischen Magnetismus beschäftigt. Die
an bekannten Collegen durch die Manipulationen des Herrn Hansen
hervorgebrachte tetanischeMuskelstarre musste jedem Unbefangenen
die Ueberzeugung von einer zunächst höchst merkwürdigen Thatsache
verschafFen, die als solche keinem begründeten Zweifel unter-
liegen konnte."
Hr. Professor Berger vindicirt also ganz selbstverstönd-
lich Herrn Professor Hansen das Verdienst, ihn zu seinen
eigenen Versuchen angeregt zu haben. Professor Heiden- j
hain dagegen bildet sich im Gefühl seiner eigenen Wich- J
tigkeit nicht nur ein, dass Professor Berger nur durch
seinen (Heidenhain 's) Vortrag „über den sogenannten
thierischen Magnetismus*^ zu einer eingehenden Beschäftigung
mit dem Hypnotismus angeregt worden sei, sondern er spricht
diese Einbildung sogar öffentlich aus, indem er in der
zweiten (S. 44) und dritten Auflage (S. 45) seiner Schrift
wörtlich behauptet:
^) Separat -Abdruck aus der Breslauer ärztlichen Zeitschrift. No. 4. —
Sonnabend d. 28. Febr. 1880. .
_ 279 —
„Hr. Prof. Berger, welcher durch den voranstehenden Vortrag sich
zu eingehenderer Beschäftigung mit dem Hypnotismus angeregt fühlte,
ibeQte in der medicinischen Sektion der schles. Gesellschaft vom 6. Fehr.
1880 eine Beihe wichtiger eigener Beohachtungen mit, . . .
In den vorstehenden beiden Angaben zweier Breslauer
medicinischer Collegen findet also in Bezug auf die Ursache
der Anregung zu hypnotischen Versuchen ein Widerspruch
statt. Wenn sich daher Hr. Professor Heidenhain in der
semitischen Kühnheit seiner unbewiesenen Behauptungen nicht
so weit versteigen will, seinen Collegen der Unaufrichtigkeit
und Undankbarkeit zu zeihen, so wird man ohne Zweifel
Herrn Professor Berger's eigener Versicherung ein grösseres
Vertrauen als derjenigen seines, durch den foetor juäaicus
hypnotisirten, Collegen schenken dürfen.
Ich wünschte durch diesen einen Charakterzug im Auf-
treten des Herrn Vivisectors Heidenhain nur meinen Collegen
von nicht semitischer Abstammung eine kleine Probe zu geben,
wie wir es anzufangen haben, um der zunehmenden Ueber-
wadierang des semitischen Geistes an unsem Universitäten
praktisch und ohne die von Professor Mo mmsen beklagte
»beigebrachte akademische Leisetreterei'^ zu bekämpfen haben.
Wir dürfen uns einfach solche Dinge nicht mehr schweigend
gefallen lassen, gleichgültig eine wie grosse Selbstüberwindung
es fein fühlenden Naturen kosten mag, ein selbstverständliches
Secht vertheidigen zu müssen. Das reicht aber nicht aus ; wir
müssen ausserdem auch den frivolen Angriffen unserer Collegen
von germanischer Abstammung auf das Christenthum energisch
einen Damm entgegensetzen.
Dass heute in der Hauptstadt des wiedererstandenen christ-
fioh-germanischen deutschen Reiches in einer „deutschen
Monatsschrift'', herausgegeben von Paul Lindau, Blas-
phemien gelegentlich einer Vertheidigung der Vivisection und
,,£Veiheit der Wissenschaft" unbeanstandet öffentlich ver-
breitet werden können, das beweist doch die Existenz einer so
unbeschränkten Press-Freiheit oder -Frechheit, wie's beliebt,
dass selbst Nihilisten und Socialdemokraten schwerlich daran
etwas auszusetzen haben werden. Ob sich nun aber meine
— 280 —
Collegen E. du Eois-Reyraond, C. Ludwig. Vircbow
nebst ihrer semitischen Begleitung von Cyon, Hermann,
Wertheim, Cohnheim, Kronecker „und wie sie Alle
heissen mögen", besoodera wohl fühlen, wenn sie In einem
zur Vertheidigung der Vivisection verÖffentlichteu Aufsatz
Karl Vogt "a, in welchem der Leib des gekreuzigten Christus
mit trichinösem Schweinefleisch verglichen wird, mit Namen
genannt und persönlich vertheidigt werden — das mochte
ich doch etwas bezweifeln. Schon aus Opportuni täte grün den
werden sie jetzt, wie Petrus den Herrn, gezwungen seiii
ihren Collegen Karl Vogt Öffentlich zu verleugnen und
mit „sitthcher Entrüstung" jeden Verdacht zurückweisen, als
billigten sie solche öffentlichen Blasphemien eines deutschen
Naturforschera zur Vertheidigung der Vivisection. Denn dass
die obigen Worte K ari Vogt's in der That eine Blasphemie enf- !
halten, die in einer für die „Gebildeten" bestimmten „deutschen
Monatsachrift " ein öffentüchea Aegemiss bei allen anstän-
digen Menschen erregen muaa, darüber kann nach meiner
Ansicht gar kein Zweifel bestehen. Hätte z. B. irgend einer der
oben genannten Viviaeetoren sich cinea solchen Vergleiches
bedient, so ivürde er unzweifelhaft auf Antrag des Staats-
anwaltes nach §, 166 des deutschen Strafgeaetzbuchea zu einer
Strafe bis zu drei Jahren Gef&ngniss verurtheilt werden müssen.
Ich glaube daher, dasa gegenwärtig die deutschen Vivisectoren
Herrn Karl Vogt nur noch formell ala ihren Collegen
behandeln, dagegen moralisch, intellectuell und social
die Collegialität mit diesem ehemaligen deutschen Professor
als abgebrochen betrachten werden. Ich meine natürlich nur
offioiell, dem betreffenden Cultuaministeriiim und dem an-
ständigen und unverbildeten Theile des deutschen Volkes
gegenüber. Im Stillen mögen sie aich getrost über den „geist-
reichen" und „treffenden" Witz ihres formellen Collegen freuen,
aus Opportunitätagründen sich aber für die Zukunft jedes
öffentliche Loh der Vivisection und jeden öffentlichen
Lohn für ihren Kampf um die sogenannte „ Freiheit der
Wissenachafl" von Herrn Karl Vogt entschieden verbitten.
Denn aonat könnte man yielieicbt versucht werden, den nüt
S L.
— 281 —
solchen Genfer Lorbeeren geschmückten deutschen Vivisectoren
die Worte Maria Stuart's zuzurufen: „Mag Euer Lohn
nicht Eure Strafe werden."^)
Im Laufe der vorstehenden Betrachtungen sind wir also
ganz ungezwungen zu einem concreten Fall gekommen^
welcher unzweifelhaft beweist, dass die Pflichten der Colle-
^afität unter den deutschen Professoren selbst in socialer
Beziehung nicht unbedingt aufrecht erhalten werden können.
Es muss daher unserem Taktgefühle überlassen bleiben, ob
wir z. B. einen CoUegen, der sich in unserer Gesellschaft
Terletzende Bemerkungen über die Person des deutschen
Kaisers erlaubt oder uns mit jüdischer Änmassung durch
Beine luxuriöse Wohnung nebst künstlich aufgeputzter Frau
zu imponiren sucht, gesellschaftlich und social noch auf gleicher
Stufe mit uns stehend betrachten wollen.^)
Denn dass es sich heutzutage gerade an den grössten
deutschen Universitäten während einer Unterhaltung mit einem
Collegen ereignen kann, dass man sich im Stillen unter den
Berliner Mühlendamm versetzt fühlt, mitten unter „jene Schaar
hosenverkaufender Jünglinge" — um mit Professor von
*) Maria Stuart's letzte Worte zu Leicester auf ihrem Gange
Bim Schaffet. Vgl. Schi 11 er 's Tragödie V. Act. 9. Scene.
*) Es liegt das nun einmal so im Charakter der Juden, der natürlich
durch die christliche Taufe nicht verändert werden kann. Zum Beweise
eiLnibe ich mir aus dem Werke eines um die Greschichte seines Volkes
sehr verdienten Juden wörtUch Folgendes anzuführen. Dr. M. Kayser-
ling bemerkt in seinem 1859 zu Leipzig erschienenen Werke : „Sephardim,
[ Romanische Poesien der Juden in Spanien", S. 14 und 15 wörtlich
Folgendes:
„Ihr Luxus, und was gewöhnüch in seinem Gefolge ist, der Hoch-
xnath, kannte keine Grenzen, ihre Frauen gingen wie die Maul-
esel der Päpste und durch den Glanz der goldenen Ketten, durch
das Funkeln der ihren Busen bedeckenden Diamanten machten sie sich
schon von fem bemerkbar. Nicht dachten sie mehr, dass an den Strömen
Babels ihre Harfen sie gelassen hatten ; Musik und Tanz hörten in ihren
von Luxus und Pracht strotzenden Häusern und fürstlichen Wohnungen
nicht auf. . . . Nirgends fehlte der Jude, allenthalben war er der erste,
am Hofe der erste, in der Handelswelt und auf dem Markte der erste,
an den öffentlichen Plätzen der erste; wo Vergnügen und Lust sich fand,
war sicher auch der Jude zu finden.'^
— 282 —
Treitschke^) zu reden — ,,deren Kinder und Kindeskinder
dereinst Deutschlands Börsen und Zeitungen beherrschen sollen/^
und dass der Verjudungsprocess der deutschen Universitäten
bereits in Wien und Berlin schmerzlich empfunden wird und
zwar zunächst in der medicinischen Facultät, später erst in der
juristischen — (die theologische wird hoffentlich verschont
bleiben) — ich sage, als Beweis für die Existenz dieses fort-
schreitenden Verjudungsprocesses unserer grossen Universitäten
erlaube ich mir folgenden Schmerzensschrei aus Wien mit-
zutheilen, dem sogar das Leipziger Tageblatt, trotz seines
unverdrossenen Dresdner f Correspondenten über „ Judenhatz^^,
seine Spalten geöffnet hat.
Dasselbe berichtete nämlich in seiner Nummer vom
30. August 1879 wörtlich Folgendes:
„Da die aus den östlichen Provinzen zuströmenden „„deutschen""
Elemente fast ausnahmslos Juden sind, welche zu ihren nicht minder
zahlreichen Stammesgenossen in der Hauptstadt noch Mnzukommen , so
ist eine vollständige Vorjudung der Wiener Universität, wenn
dies so fort geht, nur noch eine Frage der Zeit. Die Professoren wissen
auch recht wohl, wie sehr unter dem Eindringen des jüdischen Greistes
der wissenschaftliche Greist leidet, wie es allmalig zur Begel wird,
nur noch Collegien des Brotstudiums zu hören etc., heklagen diese und
andere Erscheinungen auch lebhaft, aber öffentlich dagegen auf-
zutreten und anzukämpfen wagt Niemand. Ein solcher hätte
sofort die ganze Wiener Presse, diese unbestrittene Domäne des
Judenthums, gegen sich."
Die Veijudungsfrage der Universitäten hat aber für keine
Fakultät eine grössere Bedeutung als gerade für die medici-
nische Fakultät, besonders hinsichtlich der Vivisection. Denn
wenn es als eine völkerpsychologische Thatsache betrachtet
werden muss, dass die Freude am Geldverdienen ^) besonders
stark im semitischen Stamme entwickelt, dagegen das sittliche
*) Vgl. Prof. V. Treitschke's Aufsatz über die Judenfrage in den
preussischen Jahrbüchern und die Eeproduction charakteristischer Stellen
in meiner soeben erschienen Schrift „Zur Aufklärung des deutschen Volkes
u. 8. w." S. 43 ff.
*) Auch Herr Professor Lazarus in Berlin wird dies nicht bestreiten,
sondern durch seine Häuserbesitzungen in Leipzig und die dabei practisch
erworbenen Kenntnisse nur bestätigen können.
— 283 —
Zart- und Schamgefühl, ^) wie es scheint auf Kosten jener
Freude zu kurz gekommen ist, so muss "die Gefahr einer
Ueberwucherung geschäftlicher Rücksichten beim Studium der
Medicin und einer Yerleugnung des moralischen Mitgefühles
bei wissenschaftlichen Yivisectionen gerade bei Medicinern
Ton semitischer Abstammung am grössten sein. Ich brauche
wohl nicht ausdrücklich hervorzuheben, dass ich hier nur von
allgemeinen und Durchschnitts-Eigenschaften der
semitischen Ra^e spreche und nicht im Entferntesten behaupte,
dass es nicht ausgezeichnete und viele ihre christlichen
Collegen an Zartgefühl und Gewissenhaftigkeit übertreffende
Mediciner gebe. Bei der Yivisectionsfrage handelt es sich
aber um Entscheidung und Abwehr allgemeiner Gefahren,
die nicht fiir die Eigenschaften eines bestimmten Individuums,
fiondem für die Eigenschaften einer ganzen Generation mass-
gebend sind. Wie rapide übrigens der Yeijudungsprocess in
i&k grossen deutschen Städten fortschreitet, und wie wichtig
und ernst die Frage bezüglich der Aufrechterhaltung des
diristlich- germanischen National -Charakters unserer grossen
Universitäten ist, darüber gibt folgende statistische Uebersicht
fiir Berlin Aufschluss, welche ich wörtlich der Post vom
29. Dec. 1879 entnehme:
— „Ueber die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung
Berlins enthalt die Yossische Zeitung eine statistische Uebersicht,
«US welcher hervorgeht, dass die Zahl der Juden in Berlin vom Jahre 1811
Mb zum Jahre 1875 von 3292 auf 45,464 gestiegen ist, während die übrige
Befv51kemng von 166,471 auf 918,776 gewachsen ist. Die Juden haben
flieh demnach ungefähr um das Vierzehnfache, die übrige Bevölkerung um
das Sechsfache vermehrt."
Fragt man mich nun, was zur Vertheidigung und Er-
haltung der nationalen und christlichen Traditionen unserer
deutschen Universitäten gegenüber dem hier constatirten Ein-
dringen eines fremden und nicht assimilirbaren Elementes zu
thun sei, so antworte ich, wir müssen als erste Waffe den
. offenen und ungeschmälerten Ausdruck einer rücksichtslosen
Wahrheitsliebe in Anwendung bringen, gleichgültig ob wir
hierdurch verletzen oder nicht, Hass oder Liebe ernten. Ich
*) Vgl. oben S. 181.
— 284 —
wiederhole hier die Worte, welche ich bereits vor 8 Jahren
in der Vorrede zu meinem Cometenbuche (S. LXI) ausge-
sprochen habe:
„Kein liberaler Minister wird durch glänzende Institute
und Laboratorien, durch Gehaltserhöhungen der Professoren
und neue Berufungen allein den Verfall einer ehemals be-
geisterten Stätte deutscher Wissenschaft aufhalten können,
so lange nicht jene unterirdischen Verbindungen mit
Londen und Paris gänzlich abgeschnitten sind. Erst in
einer hierdurch gereinigten Atmosphäre werden allmälig
wieder die Strahlen der Wahrheit ihren Weg zu den Herzen
der Lehrer finden, damit sie, von ihnen erwärmt und be-
geistert, in selbstloser Hingabe der Wahrheit allein
die Ehre geben und so der deutschen Jugend nicht nur
ein vornehm kühles Bild des Wissens und Könnens,
sondern auch das Beispiel eines reinen und anspruchslosen
Antriebes zur Erkenntniss liefern."
Wir müssen uns daran gewöhnen, unsere Ansichten nicht
nur privatim und vertraulich, sondern öffentlich durch Wort
und Schrift zu vertreten, wo sich uns eine passende Gelegen-
heit darbietet. Jüdischer Anmassung und Frechheit geg^-
über, mag sie sich in der Gesellschaft oder in der Literatur
breit machen, ist deutsche „Derbheit" ä la Schiller,
GoetheundLichtenberg am Platze, von denen der Letztere,
trotzdem er Hofrath und berühmter Professor in Göttingen
war, es für seine Pflicht hielt, das deutsche Volk vor dem
Unverstand und den Schwächen seiner „gelehrten" CoUegen
mit folgenden Worten^) zu warnen;
„Ich bin fest überzeugt, wenn Gott einmal einen solchen Menschen
schaffen wollte, wie ihn sich die Magister und Professoren der Philosophie
vorstellen, er müsste den ersten Tag in's Tollhaus gebracht werden! Be-
wahre Gott, dass der Mensch, dessen Lehrmeisterin die ganze Natur ist,
ein Wachsklurapen werden soll, worin ein Professor sein erhabenes Büdniss
abdrückt.*' „Im Wort Gelehrter steckt nur der Begriff, dass einem
Vieles gelehrt ist, aber nicht, dass man auch etwas gelernt hat. Die
Gelehrten haben einen ganz eigenen Hintern, den man moralischen zu
^) Lichtenberg, Vermischte Schriften I. S. 53, 214, 291. — „Ge-
danken und Maximen Li chtenb er g's, herausgegeben von Griesebach.
S. 126 u. 134.
— 285 —
nennen pflegt, und der nicht in der Mitte des Systems liegt. Wie man
sicli den einander weist, wirst Du auf Universitäten lernen, wo man reich-
lich Grelegenheit findet, sich zu unterrichen: die Wissenschaft heisst
Polemik."
„Man kann von keinem Gelehrten verlangen, sich in (xesellschaft
überall als Gelehrten zu zeigen, allein der ganze Ton muss den Denker
-verrathen; man muss immer von ihm lernen; seine Art zu urtheilen muss
Auch in den kleinsten Dingen von der Beschaffenheit sein, dass man sehen
Icann^ was daraus werden würde, wenn der Mann mit Buhe und in sicJi
.gesammelt wissenschaftlich Gehrauch von dieser Kraft machte.*^
Derselbe Mann, der vor hundert Jahren die vorstehenden
^Worte niederschrieb, hat uns zugleich in den folgenden die
zweite Waffe in die Hände geliefert, mit welcher wir unsere
deutschen Universitäten vor dem Eindringen des jüdischen
Oeifltes zu vertheidigen haben. Dieselben lauten^) wie folgt:
„Ich glauhe von Grund meiner Seele und nach der reifsten Ueher-
legung, dass die Lehre Christi, gesäuhert vom Kaffengeschmiere, und ge-
hörig nach unserer Art sich auszudrücken verstanden, das vollkommenste
■System ist, dass ich mir wenigstens denken kann, Euhe und Glückselig-
keit in der Welt am schnellsten, kräftigsten, sichersten und allgemeinsten
zu befördern. . . . Christus hat sich zugleich nach dem Stoff bequemt,
dies zwingt selbst den Atheisten Bewunderung ab. . . . Wie leicht müsste
es einem solchen Geiste gewesen sein, ein System für die reine Vernunft
zu erdenken, das alle Philosophen völlig befriedigt hätte! »Aber wo sind
die Menschen dazu? Es wären vielleicht Jahrhunderte verstrichen, wo
man es gar nicht verstanden hätte ; imd so etwas sollte dienen, das mensch-
liche Geschlecht zu leiten und zu lenken, und in der Todesstunde aufzu-
richten? Ja, was würden nicht die Jesuiten aller Zeiten und aller Völker
daraus gemacht haben? Was die Menschen leiten soll, muss wahr, aber
allen verständlich sein; wenn es ihnen auch in Bildern beigebracht wird,
die sie sich bei jeder Stufe der Erkenntniss anders erklären.''
Um nun schliesslich das vorstehende christliche Glau-
bensbekenntniss eines berühmten deutschen Physikers durch die
Worte unseres Religionsstifters zu bekräftigen und dem deut-
schen Volke zu zeigen, welch' unvergleichliches Rüstzeug das
Neue Testament gegen alle diejenigen Leiden und üebel ent-
hält, die uns heute bedrücken, mögen hier die folgenden Worte
Christi den Schluss meiner Betrachtungen bilden:
„Wehe euch Schriftgelehrten und Pharisäern, ihr Heuchler, die ihr
Land und Wasser umziehet, dass ihr Einen Judengenossen machet; und
*) Lichtenberg, Vermischte Schriften L S. 67.
^ 286 —
wenn er es geworden ist, macht ihr aus ihm ein Kind der Hölle, zwiö-
fältig mehr, denn ihr seid.** (Matth. 23, 15.)
„Wehe euch Schriftgelehrten, denn ihr heladet die Menschen mit un-
erträglichen Lasten, und ihr rühret sie nicht mit Einem Finger an."
(Luc. 11, 46.)
„Wehe euch Schriftgelehrten, denn ihr haht den Schlüssel zur Er-
kenntniss. Ihr kommt nicht hinein, und wehret denen, so hinein wollen."
(Luc. 11, 52.)
,Jhr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz dumm wird, wo-
mit soll man salzen? Es ist zu nichts hinfort nütze, denn dass man es
hinausschütte und lasse es die Leute zertreten." (Matth. 5, 13.)
Anhang.
f^iÜeid und Wath, affectirte Wahrheitsliebe und bissigsie Unwahrheit,
hochtrabender Ernst nnd sch&kemde, wortspielende Ironie: alle Saiten
des Menschenherxens wurden angeschlagen, um mich und mit mir meine
Freunde zu treffen. Leider habe ich aber den Anonymen gegenfiber von
jeher ein Elephantenfell gehabt, in das sie bisher noch niemals
irgend welche Löcher zu reissen verstanden.**
Dr. C. Semper,
Professor der Zoologie in Würsburg. „Mein Amsel- Procesi die
Amsel-Fanatiker und der Vogelschuts'* 8. 31.
„Wir müssen also laut und eindrücklich reden, denn es gilt torpide
Naturen anzuregen und schwache oder verdorbene Charaktere an ihre Pflicht
zu mahnen, und das „„sensationelle Mittel**", dessen wir uns dazu bedienen,
ist die einfache Zusammenstellung von Thatsachon. (Ygl. S. 294.)
Welche Früchte die Entgötterung und Entseelung der Welt durch den
wissenschaftlichen Materialismus tragen werde, können wir noch g^r nicht
ermessen und diese Ungewissheit wäre wohl geeignet, uns Besorgniss
einzuflössen. Hr. E. duBois-Reymond rühmt sich ja öffentlich, auf
der Leiter der Wissenschaft die Höhe erklommen zu haben, von der er
„unverzagt in die entgötterte Welt zu schauen** vermag.** (Vgl« S. 309.)
Dr. med. £. Gryzanowski.
Flugblatt des internationalen Vereins >ur BekKmpfung der
wissenschaftlichen Thierfo^ter.
„Die Freude über die überwundenen, früher für unüberwindlich gehi
tenen, technischen Schwierigkeiten bietet inuner einen der höchste
Genüsse des Vivisectors." (VgL S. 25.)
E. Cyon,
Israelitischer Profeisor der Physiologrie und Zöglin,
des Leipziger Vivisectoriams.
„ Ich verabscheue Grausamkeiten jeder Art und f&hle das grösste Hit«
leid für jedes leidende Thjer — glücklicherweise sind meine Arbeiten niclil
der Art, dass ich dabei Thiere zu misshandeln hätte/* (Vgl. S. 181.)
.«Unschuldige Thiere werden gemartert, unschuldiges Blut vergossea "
der Frevel schreit zum Himmel! Entkleiden wir die Frage der Gef&hla
duselei, die gänzlich bei Seite gelassen wird, sobald es sich um de
eigenen Yortheil handelt , . ,^
,, Gegen alle diese Versuche finden unsere Frommen kein Wort, denn s'
wollen als gute Christen gern rohe Schinken und Würste essen, ohi
dabei befürchten zu müssen, sich selber das Gericht in Gestalt ein
Trichinenkrankheit auf den Hals zu laden nach dem biblischen Spruch
Wer es unwürdig isset und trinket, der isset und trinket sich selb
sein Gericht." (Vgl. S. 161.)
Karl Vogt,
InternAtlonaler Professor der Zoologie in Gttn
„ Das Mitleid verlangt gebieterisch, dass auch dem armseligsten Wun
ein ungestörtes Wohlbehagen gegönnt werde. Nur zu leicht möchte ei
die Stärke des Empfindens abstumpfen, wenn wir drai Verstände all«
die Lösung unserer Au^be anvertrauten. Uns aber ist es eine Freu«
auch die Wärme des Gemüthes zu bewahren."
C. Ludwig,
Deutscher Professor der Physiologie und Vivisec
KU Leipsig. (Vgl. S. 43.)
„Wir, deren Leben der Wahrheit, der Freiheit, dem Ewigen im Wandt
baren gehört, ausdrücklich melden, dass wir die Lüge, die Tyrannei, i
Gaukelspiel mit allem Hohen, Heiligen verabscheuen? . . . Krieg, Erle
Krieg auf das Messer, Krieg nun aber auch bis auf den letzten Blui
tropfen, bis auf den letzten Thaler gegen diese wandelnde Lüge!*^
E. du Bois-Beymond,
Sogenannter „deutscher*' Professor der Physiologie und Vivisector zu BerL
„Ueber d^n deutschen Krieg". (B. 45.)
„Das ist ja eben das Unglück, dass besagter roher Materialismus so ti
in der Physiologie begründet ist,^ dass man sich mit der einen nicht b
schäftigen kann, ohne die hässlichsten Flecken des andern an Leib n:
Seele davon zu tragen.'*
„0! wenn sie es wüssten, diese loyalen Professoren der Naturwisse
Schäften, dass sie es eigentlich sind, welche mit jedem Zuge ihres Ska
pells dem christlichen Staate in den Eingeweiden wühlen . . . A^er i
wissen^s nicht! Sie träumen immer noch ...!**
Karl Vogt,
Internationaler Professor der Zoologie in Genf.
Ocean und Mittelmeer S. 81.
Flugblatt
des
Internationalen Vereins zur Bekämpfung der wissen-
schaftlichen Thierfolter.
(Naclidnick erwünscht.)
Kritik
einer neuen Vertheidigung der Vivisection.
(Siehe Leipziger TagebL yom 29. Nov. 1879, Beilage.)
I.
Wir nennen Naivität denjenigen Zustand, in welchem wir die Phäno-
mene als etwas unmittelbar Gregebenes auffassen, ohne viel darüber nach-
zudenken, ob sie wahr oder falsch, gut oder schlecht sind. Die Infrage-
stellnng einer Sache, also das Bewusstsein ihrer Fraglichkeit und Diskutir-
l>ark6it, ist schon die Dämmerung der Keflexion, die der Naivität gewöhn-
lich bald ein Ende macht, und begreiflicher Weise ist dieses Schwinden
der Naivität ein schmerzhafter, ja oft ein stürmischer Process, weil wir
gendgt sind, das in Frage Gestellte als Theil des uns lieb gewordenen
Ideenkreises, also als Theil unseres eigenen Wesens, nicht nur gegen die
Angriffe fremder Kritik, sondern auch gegen unsere eigene Reflexion in
^hutz zu nehmen.
Wie stürmisch dieser Process sein kann, haben wir an den Ereignissen
und Zuständen gesehen, die dem nordamerikanischen Bürgerkriege voran-
gingen. Im grossen Ganzen hatten die Sclavenhalter nie über die Sclaverei
nachgedacht. Sie waren von Kindheit an daran gewöhnt. Sie wussten,
dass sie durch dieselbe reich und mächtig geworden waren und bemit-
leideten die Nordstaaten, die des Segens dieser Institution nicht theilhaftig
waren und deren Puritaner nicht einsehen konnten oder nicht zugeben
wollten, dass Reichthum, politische Macht und grossherrliche Manieren —
jene drei süssesten Früchte des Baumes der Sclaverei — einen genügenden
Ersatz bieten könnte für den giftigen Schatten dieses Baumes. So kam
es, dass die Abohtionisten anfangs nur verachtet wurden. Später wurden
sie verachtet und gehasst, noch später gehasst und gefürchtet.
In Wahrheit hatten wohl beide Theile Unrecht. Die Abohtionisten
begingen den Fehler , keine Nachsicht mit der Naivität ihrer Gegner zu
19
— 290 —
haben und keine Bechnung zu tragen ihien Antecedentien und dem sitt-
lichen Medium, in welchem sie aufwachsen und leben mussten. Die
SclavenhalteT aber begingen den viel grösseren Fehler, den ihnen vor-
gehaltenen Spiegel nicht zur Beflexion zu benutzen, sondern in ihrer Naivi-
tät zu beharren. Denn das in Frage gestellte Institut der Sclaverei sollte
nun, so meinten sie, nicht nur wie vorhin geduldet werden, wo es
bestand, sondern als etwas absolut Gutes und Wohlthätiges über alle
Länder der dvilisirten Welt verbreitet und auch theoretisch als Normal-
institut der menschlichen Gesellschaft anerkannt werden. Das Mass war
voll : es kam zum Erlege, und die Sclaven wurden befreit. Freilich wurde
auch ihr Befreier, und zwar als „I^ann", ermordet. j,Sic semper
tymnnisl^^ rief der Mörder. Aber das beweist eben nur, was ja ohnehin
klar ist, dass, wo es sich um Becht und Unrecht handelt, die Kategorie
„Freiheit" nicht hinpasst. Denn Freiheit umfasst Beides und kann an beiden
theilhaben. Will der Wohlthäter frei sein, so wird der Bichter Tyrann.
Wir möchten nicht gern in den Fehler der nordamerikanischen Abolitio-
nisten verfaUen und der Naivität unserer Gegner rücksichtslos entgegen-
treten. Wir wissen sehr wohl, dass es schwer ist, gegen den Ideenkreis,
in welchem man aufgewachsen ist, als gegen etwas Fremdes und Feind-
liches zu reagiren. Wir wissen, dass Erziehung zunächst immer ^^
Fesselung ist, der nur selten ein reactiver Befreiungsprocess folgt. Wir
verlangen daher nicht von Denen, die im Cultus einer alleinheilbriDgenden
Wissenschaft auferzogen worden, dass sie ohne Weiteres die schönen
Dogmen von der Einheit des Wissbaren und der Einheit der Methode
abschwören sollen. Wir verlangen nur, dass sie zur Beflexion über das
Erlernte und Angewöhnte kommen und zunächst nur die Selbstverständlich-
keit desselben anheben. Namentlich verlangen wir dies von Laien, die
die fertigen Besultate fremder Forschung stets gläubig entgegenzunehmen
gewohnt sind und deren Yerstandesnaivität unter diesen Umständen eise
grössere sein muss als die der Fachgelehrten, unter denen es an Zweiflern
und Skeptikern keineswegs fehlt, die aber, ihrer eigenen Skepsis nicht
trauend, es für weise halten, dem Publikum den Glauben an die Ppsitivitat
der Wissenschaft — der biologischen wie der physikalischen — nicht zu
benehmen.
Wer an der Controverse über die Zulässigkeit der experimentellen
Methode in den biologischen Wissenschaften sich thätig zu betheiligen
wünscht, sollte zum Mindesten soviel hinter die Coulissen geschaut haben,
dass er den Unterschied zwischen Bühne und Garderobe kennt. Er sollte
wissen und beherzigen , dass die Kirche der Wissenschaft nicht mehr so
katholisch ist, wie sie zu sein vorgiebt; dass es Schismen und Secten in
ihr giebt und dass vielen ihrer Jünger, denen einst bei ihrer Gottähnlidb
keit so bange wurde, nun auch bei ihrer Affenähnlichkeit bange zu werden
anfängt.
Namentlich aber wer sich unterfängt, in der Tagespresse die Lieblinga-
methode der physiologischen Forschung, die Vivisection, gegen die Angriffe
— 291 —
hnmaner MenBchen zu vertheidigen , sollte sich, ehe er zur Feder greift,
genau über den gegenwärtigen Stand der Controverse und über 8inn und
Werth der beiderseits bereits geltend gemachten Argumente unterrichtet
haben. Wer dies versäumt, kommt offenbar zu spät in die Arena und
kann dann, selbst ein Uneingeweihter, höchstens den Uneingeweihten noch
imponiren. Leider aber gehört die grosse Mehrzahl der Zuschauer zu den
Uneingeweihten und der Beifall dieser Menge kann dem Auftreten der
verspäteten Kämpen eine Wichtigkeit verleihen, die es sonst nicht haben
würde.
Einen solchen verspäteten Kämpen haben wir vor uns, wenn wir den
vier Spalten langen Artikel über die Yivisection lesen, den das Leipziger
Tageblatt vom 29. November in s^er Beilage veröffentlichte. Der Ver-
fasser dieses Artikels bespricht den Gegenstand in einem Tone, als habe
▼or ihm noch Niemand über denselben nachgedacht oder geschrieben.
Ernst von Weber 's Broschüre hat er gesehen, vielleicht auch gelesen.
Dennoch erscheint ihm die Streitfrage unbegreiflich, ja abgeschmackt.
Se würde ihm begreiflich sein, wenn Herr von Weber matricuürter
Ant nnd Fhysiolog wäre ; sie würde ihm weniger abgeschmackt erscheinen,
venn derselbe ein Heer von muthigen, thätigen und fähigen Anhängern
«Hinweisen hätte. Da nun aber eine Erscheinung, auch wenn sie ab-
fBBehmackt ist, einen Grund haben muss, so glaubt Herr X. (wie wir der
Kfine halber den Verfasser jenes Artikels nennen wollen), es käme uns
Gegnern der Vivisection „auf nichts Anderes an, als Lärm zu schlagen*^
deon andere Motive konnte er in der Sehweite seines Auges nicht entdecken.
Üid insofern dieses Lärmschlagen nicht Zweck, sondern Mittel zu einem
imetik ist, lassen wir uns diese liebevolle Zumuthung gern gefallen.
IMich wdlen wir Lärm schlagen und bedauern nur, dass unsere Stimmen
nicht laater und nicht zahlreicher sind. Aesthetisch ist das Lärmschlagen
etwas Hftssliches, das uns persönlich zuwider ist, wie jede Bedame, ja
jede Oefifentlichkeit ; moralisch aber ist es etwas ganz Neutrales, dessen
Güte und Verwerflichkeit einzig und allein von den Zwecken abhängt,
denen es dienen soU. Von dem Zweck unseres Lärmschiagens hat, wie
gesagt, Herr X. keine Ahnung; dass wir aber Lärm schlügen, um uns
wie die Gassenbuben daran zu ergötzen, könnte Manchem eine gewagte
fiypotbese scheinen. Herr X. deckt sich daher auch am Schluss des
AitikelB den Rücken, indem er zugiebt, es könne auch „aufrichtige Gegner^'
der l^visection geben, diese Complication von Aufrichtigkeit nnd Gegner-
SQhalt setzte aber immer Kenntnisslosigkeit, Urtheilsmimgel und „krank-
hatte Sentimentalität'* voraus.
W&ie unser Lärmen etwas lauter gewesen, oder hätte Herr X. feinere
(Hmn für dergleichen Geräusche, so würde er wissen, dass dieses Stroh
berots mehrmals gedroschen worden ist, und dass namentlich die „krank-
hafte Sentimentalität'*, mit der wir oft gestochen werden, ihre Spitze durch
liiiiiigie& Gebrauch verloren hat. Achilles war sets „schnellfüssig'' boi
Homer, auch wenn er im Bette lag, und die Achäer waren stets „haupt-
19*
— 2»2 —
umlockt", auch wenn sie eine GIstzo hatten : so nlrd sich auch
mentslität des epitheton ornan» gefallen lassen, dasä die Rha
der Wisaenschaft ihm beizulegen nie yerfehlen, auch wenn sie rothe T
und straffe Muskela hat.
Aach aji das anfangs drückende Bewusetsein der Iscilirnng hat
lins bereits gew&hnt, und sollte Herr X, jemals in den Fall komm)
isolirt zu fühlen (was nicht sehr wahrseheinllch ist), bo würde er sie
überzeugen, da^a ea sich in geistigen Einsiedeleien viel gemüthlicb
als in di'r interessanten und anregenden Geeellschaft jener überau
reichen Anhänger der Vitisection , von denen die Herren Vivisi
beständig fabsliren. Xlns würde ea in der Gesellschaft dieser überau
reichen Anhänger der Viviaeotion unheimEcli «u Muthe werden, da di
in leiblicher Wirklichkeit gar nicht existiren, sondern einfach stati
Gespenster sind. Der Caieül jedoch , durch welche diese unheii
Gespenster aus der Unterwelt in die Oberwelt heraufbeschworen ■
sind, bestellt wahrscheinlich in einer einfachen Addition von IS Summ
diese IS Summanden werden aber wohl den StndentenverzoichiüsBa
IS medidnischen Fakultäten entlelmt worden sein, die den beri
SjUabua über die Yivisection erlassen haben. Dieser ealcvlue «i
würde natürlich auf der Voraussetzung beruhen, dass, wenn eine F
im Jahre 18'8 ein Gutachten abgiebt, sämmtliohe noch lebende PI
die in den letzten 25 Jahren an ihren Brlisten gesogen, als Mitnntera
jenes Fafcultätsgutaehtens i\i betracliten sind. Wenn die Herren ''
toren also von der ungeheuren Zahl von Anhängern der Viviaection sp
so handelt es sich dabei entweder um ein statiatisches Eanststflcfa
wir müssen annehmen , dass jene unheimliche Schaar überaus zahl
Anhänger der Vivisection den Vivisectoren bloa im Traume eiBchiei
denn keines anderen Sterblichen Auge hat sie je gesehen oder ihre AI
Erklärung lu Gunsten der Vivisection gelesen. Aber wie gesagt, f
Mensch hcfft und eifrig wünscht, das glaubt er und aieht sich oft
bereits am Ziele seiner Wünsche, sei es auch nur im Traume.
Sollte aber, unserer Unkenntniss zum Trotz, jene imposante
von Anhängern der Vivisection nicht blos als res cogiiata, sond
res cogitang und res externa in unserem Vaterlande ejdstire
rein apagogischo Annahme), so bliebe nus immer noch ein letztei
Unser grieagrämlicher Philosoph Athnr Schopenhauer, dem trot
t'oldnon Brille nicht nur alle Theorie, sondern auch alle Praxis grau £
und der ein scharfes Auge für die AtmseUgkeiten der Menacbennatiu
püegte die grosse Masse der Mensehen „Fabrikwaare*' zu nennen, d
nur nach Dutzenden und Hunderten' zu zählen brauche. Wir sind
Anhänger noch Bewunderer Schopenhauer's und citiren diese
druck mit Widerwillen. Wir glauben, dass es verderblich wäre,
diese Anschau unga weise zu gewöhnen, imd dnas sich Napoleon
gewöhnt haben mnaste, um sich rühmen zu können, er habe
59,000 Menschen auszugeben. Wir fürchten, dass auch unsere Staats
32!
— 293 —
in steter Gefahr sind, den hohen Werth des Indindumn in den Massen
zu verkennen nnd zn unterschätzen.
Dennoch enthält dieser Aussprach Schopenhauer 's Wahrheit genug,
om jene überaus grosse Anzahl von Anhängern der Yivisection nöthigen-
falls (d. h. im Falle ihrer leiblichen Wirklichkeit, die wir eben leugnen)
m alle Fabrikwaare nach Schocken und Dutzenden zu berechnen und wie
bei allen derartigen Industrieerzeugnissen den Werth in Gemässheit der
angewendeten HersteUungskosten in Bechnung zu stellen.
Natürlich wäre hierfür nur die poetische Statistik des Herren X. ver-
antwortlich. Denn wir wissen zu unserer Freude, dass es unter den lebenden
Aerzten sehr viele vollwichtige Einheiten giebt, die wir nicht nach Dutzenden
zahlen und schätzen dürfen. Viele unter ihnen haben freilich keine Zeit
fiber ihren Ideenkreis zu reflectiren, während Anderen es an Muth und
Charakter fehlen mag, diese Eeflexion bis zur klaren Anschauung durch-
nf&hren und in Wort und That zu übersetzen. Die Wenigen, denen dies
gelingt, werden sich ihrer Minorität nie zu schämen brauchen, da der
Werth ihres Denkens und Fühlens offenbar weder durch Abzählen noch
Xessen und Wiegen ermittelt werden kann. Siebentausend Aerzte, und
varan's 'auch siebzigtausend, die sich „entschieden fär*' die Yivisection
eildärt hätten, wären (wir sagen es ungern, aber unverhohlen) immer nur
Schopenhauer 'sehe Fabrikwaare, wie überhaupt jede Majorität Fabrik-
vaaro ist. Denn die numerische Abzahlung wird in der Politik (unseres
Wissens) nicht als Criterium der Wahrheit gebraucht, sondern als Crite-
niim der Macht , und jeder Mensch weiss , dass es ein schlechtes , wenn
aoeh, in Ermangelung eines besseren, das bestmögliche Substitut für das
entere ist.
Die falsche Beurtheilung, die unter vielen Anderen auch Herr X. der
Web er 'sehen Schrift angedeihen lässt, beruht auf einer Unklarheit der
Ideen nnd Gfefuhle. Denn gesetzt auch, Herr von Weber hätte in jeder
seiner eigenen Aeusserungen unrecht, oder man spräche ihm als Laien,
l^chviel ob er Recht oder unrecht hat, die Befugniss ab, in dieser An-
gelegenheit mitzureden, so blieben inmier noch die Citate übrig, welche ohne
jeden Gommentar, buchstäblich und wörtlich, aus den Werken der ange-
klagten, also gewiss sich nicht selber anklagenden Physiologen abgeschrieben
and. Man gewöhne sich doch daran, bei Durchlesung dieser Citate sich
die einfache Frage vorzulegen: Ist dies wahr oder unwahr? und da es
wahr i8t,*wie man aus Vergleichung mit den Originalwerken ersehen kann,
80 entsteht die zweite Frage: Sind diese Versuche nützlich als adäquate
IGtld in guten Zwecken? und die dritte: Sind sie, selbst unter Voraus-
letAing ihrer Nützlichkeit, sittlich zulässig ? oder liegt hier nicht vielmehr,
bei der revoltirenden Grässlichkeit dieser Mittel, eine Ueberschätzung der
Zwecke und eine durch Gewohnheit begünstigte ünterschätzung dieser
GxisflHchkeit zu Grunde?
FrdUch, eine solche Anschauungsweise setzt eine Schulung des
Giaräbters vorauis, wie sie die oft gerühmte „geistige Schulung" des
— 294 —
Laboratoriums nicht« zu verleihen vermag. Die Männer dieser „ geisti-^^eu
Schulung^^ denken nicht daran, sich jene drei Fragen auch nur vorzulehnen.
„Was kümmert uns der Inhalt der Citate", fragen sie. ,^acht doch das
blosse Factum ihrer Wahl und Zusammenstellung den Verfasser verdäctx'tig,
denn beide sind auf Sensation berechnet, und das Sensationelle, weLc^hes
uns Deutschen schon in Eomanen verdächtig erscheint, wird in den vor-
nehmen Sphären der Wissenschaft ganz unerträglich*^
Es giebt Leute, welche allen Ernstes glauben, mit diesem Weiskeits-
spruch die Sache erledigt zu haben, wie vor etwa dreissig Jahren ein
preussischer Gerichtshof die politische Tagesfrage erledigt zu haben glaubte,
als er Johann Jacoby verurtheilte , weil derselbe eine Blumenlese votx
Kabinetsordren herausgegeben hatte, und zwar ohne allen Ommentair.
Dass die kleine Schrift „Sensation" erregte, war nicht Schuld Jacoby *^'
wie man heutzutage zugiebt. Es wäre uns wirklich lieb, wenn unseX^*
Gegner es Herrn X. nachmachten und ein für alle Mal annähmen, da^'^
wir mit vollem Bewusstsein bemüht sind, Sensation zu erregen und Lärf^^
zu schlagen. Es ist ein widerwärtiges Geschäft, auch ist die Welt so lai^
rings um uns her und anderer Interessen so voll, dass es schwer ist, sicJ
Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Wir müssen also laut unt
eindrücklich reden, denn es gilt torpide Naturen anzuregen und schwache?- -^
unreife oder verdorbene Charaktere an ihre Pflicht zu mahnen, und da^
„sensationelle Mittel", dessen wir uns dazu bedienen, ist die einfache**
Zusammenstellung von Thatsachen.
Thatsachen aber können entweder beschrieben oder graphisch dar«
gestellt werden, und wo es viel Unbeschreibliches giebt, wie in der Vivi-
section, da ist die graphische Methode oft unentbehrlich. Jedoch auch
diese graphischen Darstellungen sind bei Herrn von Weber immer nur Citate
aus den Laboratorien oder aus den Büchern der Vivisectoren. Herr X.
hat freilich Becht, wenn er sagt, die Instrumente seien zu gross abgebildet,
doch würde er auf S. 186 und 188 der Phisiologie opiratoire von
Claude Bernard die Abbildungen eines Instrumentariums gefunden
haben, dessen Messer und Sägen an relativer Grösse nur wenig von denen
der Web er 'sehen Holzschnitte abweichen, auch wird es wohl den Hunden
gleichgültig sein, ob die Messer, mit denen man ihnen den Bauch auf-
^hHtzt oder das Bückenmark durchschneidet, 3 Zoll oder 5 Zoll lang
sind. — Was die Gesichter der Vivisectoren und Zuschauer betrifft, die
Herrn X. blutdürstig und roh erscheinen, so wird kein Unbefangener mit
ihm einer Meinung sein. Im Gegentheil, die Gesichter sind (vielleicht ■
mit einer einzigen Ausnahme) ganz liebe freundliche Studentengesichter,
wie sie jeder von uns in seinen Lehrjahren zu Dutzenden unter seinen
€ommilitonen gekannt hat. Sie haben den Ausdruck jugendlicher Naivität,
■denn für die lernende Jugend ist ja die Vivisection noch keine Frage ge-
worden. Einige Wenige verrathen ihr Mitleid, die Meisten aber sehen
gespannt, auch wohl mit affectirter Gleichgültigkeit, lächelnd und rauchend.
— 295 —
^em ungewohnten Schauspiel zu, denn die Jugend schämt sich ihres
^TLten Herzens und will stärker und reifer erscheinen, als sie ist
Warum aber Herr X. gerade das Titelbüd der Weber 'sehen Broschüre
zum Gregenstande seines Misstrauens wählt, da es „auf der Hand liege,
dass dasselbe allenfalls ein schlechtes Leichenpräparat, aber nun und
nimmermehr einen lebendigen Hund darstellen könne'', — ist auch bei
längerem Nachdenken nicht zu ergründen. Wir geben zu, dass dieses Bild
insofern nicht schicklich gewählt sei, als Herr von Weber sehr leicht ein
viel grässlicheres hätte finden können. Sehr vortrefflich hätte sich z. 6.
die Fig 94 aus C. Bernard*s Physiologie opiratoire hiezugeeignet,
die den „ Catheterismus der grossen G^fasse" darstellt. Der Hund liegt
•auf dem Bücken, in gekreuzigter Stellung; die vier Pfoten sind an die
g outiikre festgebunden; der Bauch ist aufgeschlitzt, die Eingeweide halb
lierausgenommen. Im rechten Schenkel sieht man ein grosses Loch, in
'W'elchem die arteria und vena femoraUa erkennbar sind. In jedes dieser
Hlatgefässe ist eine lange elastische Hohlsonde (Catheter) eingefElhrt, welche
die Pole eines danebenstehenden thermo-electrischen Apparats enthalten.
Der Zweck ist zu ermitteln, ob das arterielle oder das venöse Blut das wär-
mere ist. „Doch ist diese Frage schwer zu beantworten*', fügt der Vater der
modernen Physiologie hinzu, „denn nach mehr als fünfdgjähiigem Experi-
mentiren haben sich die Physiologen hierüber nicht einigen können. Einige
liab^ erklärt, das arterielle Blut sei wärmer als das venöse, andere (zu
denen auch ich gehöre) haben das venöse wärmer gefunden als das arterielle,
während eine dritte Classe von Forschem behaupten, . . . zuweilen sei das
arterielle, zuweilen das venöse das wärmere". Dass es auch eine vierte
Classe giebt, deren Meinung über die drei vorigen wir hier verschweigen
vollen, davon sagt uns der schlaue Mann nichts, obwohl er es ganz gut
wosete. — Auch das Herz und die Hohlvenen sind von der Jugularvene
ans mit langen elastischen Tuben durchwühlt worden. Aber das Gräss-
liche dieser Operation lässt sich, da die äusserliche Zerfleischung geringer
ist, nicht adäquat in einem Bilde darstellen.
Auch das Büdchen auf S. 347 m'RQtnSkT^''^ Leqons surla chaleur
nnimale hätte ein ganz erquickliches Titelbild für Herrn von Web er 's
Broschüre abgegeben, da es einen Ofen darstellt, in welchem ein Kaninchen
za Tode gebacken wird. Es ist nämlich dem Vater der Physiologie ge-
Inngien, durch zahllose Versuche dieser Art zu ermitteln, dass „Kaninchen
t&L 100** Celsius meist im Laufe einer halben Stunde, Hunde aber schon
1>ei geringerer Hitze in acht Minuten sterben, und dass die Symptome in
aDen Fällen dieselben sind, nämlich Angst und Aufregung, dann lechzendes
Athmen bei offenem Munde, zuletzt Krämpfe und Tod".
Man sieht, welche tiefe Weisheit die unwissende Welt diesen Forschern
sa verdanken hat. Wenn Herr von Weber bei solchem Eeichthum der
Auswahl sich mit einem verhältnissmässig zahmen Titelbilde begnügt hat,
so geschah es wohl, um die Verdienste der hochschuligen Forschung
möglichst zu verbergen. Herr X. aber, dem in seiner Unschuld auch
— 296 —
dieses zahme Bildchen unglaublich vorkam, hat, wie man sieht, durch sein»
vorlaute Bekrittelung desselben nichts gewonnen.
n.
Es kostet uns einige Ueberwindung, auf die ferneren Argumente dieses
Vertheidigers der Vivisection einzugehen.
Derselbe versichert uns, die Vivisectoren machten ihre Versuche nicht
in's Blaue hinein, sondern zu bestimmten Zwecken. Im Ganzen ist dies
wahr und auch nie oder fast nie in Ab^rede gestellt worden. Dennoch
hätte man wohl daran gethan, es häufiger in Abrede zu stellen. Versichert
uns doch schon John EUiotson in seiner Human Physiologie (Lau-
don 1S40) Seite 428, dass „Dr. Magendie nicht selten lebende Thiere
an verschiedenen Stellen (here and there) geschnitten habe und zwar
ohne jeden bestimmten Zweck, bloss um zu sehen, was dabei herauskommen
würde (to see tohat would kappen), und dass er sich oft damit amü*
sirte, Nadeln in das verlängerte Mark von Tauben zu stecken, wo er dann
das Vergnügen hatte, die so geschmückten Vögel einen Monat lang rück-
wärts fliegen und rückwärts gehen zu sehen^^
Doch sind wir weit entfernt, die Zwecke der physiologischen Forschung-
zu leugnen. Unsere Angriffe gelten der Wahl der Mittel. Dass der Ver-
such am lebenden Thiere der einzig mögliche Weg zur Erforschung der
organischen Functionen sei, können nur diejenigen postuliren, welche Phy-
siologie und Physik, Organisches und Unorganisches in dieselbe Kategorie
des Wissbaren zu stellen belieben. Es ist eine Voraussetzung, die jedes
empirischen Grundes entbehrt und die sich noch nie und nirgends bewährt
hat. Man kann Niemand zwingen, eine solche Voraussetzung aufzugeben.
Es ist Sache des Geschmacks, des Glaubens, der Geduld. Kommt es aber
zur Beflexion und zur Polemik, so ruht das onus probandi auf den
Schultern der Gläubigen, die ihren Glauben für inductives empirisches
Wissen ausgeben und die Früchte desselben der Menschheit als Wohlthaten
aufdrängen wollen.
Wenn ein Chemiker die Eigenschaften des Eisens studiren will, so
muss er seine Versuche am Eisen und nicht am Kupfer machen. Wer
also, so meint Herr X., die Eigenschaften des lebenden Organismus studiren
will, muss seine Versuche am lebenden Organismus und nicht an der
Leiche anstellen. Giebt es aber wirklich keinen Unterschied zwischen den
Competenzen und Methoden der physikalischen und der biologischen Wissen-
schaften, so müssen wir offenbar noch weiter gehen und sagen: Wer die
Physiologie des Menschen studiren will, muss nicht an Hunden und
Kaninchen, sondern am Menschen selbst experimentiren. Und so klug
scheinen auch schon die Florentiner Gerichtsbehörden des sechzehnten
Jahrhunderts gewesen zu sein, welche im Laufe von fünfundzwanzig Jahren
dreizehn zum Tode Verurtheilte den Anatomen von Pisa zur Vivisection
überantworteten. Was mit diesen Unglücklichen vorgenommen wurde^
ehe sie den Gnadenstoss erhielten, davon schweigt die Geschichte. Wir
— 297 —
wissen nur, dass jene Zeit eine Glanzperiode italienisclier Coltur war, denn
Künste und Wissenschaften blähten, — und neben ihnen blühten Mord
und Giftmischerei, Laster und Verrath. Was mag sich wohl Herr Tyndall
dabei denken, wenn er seinen Zuhörern weiss machen will, die Wissenschaft
könne sich rühmen, keine Märtyrer gehabt zu haben. Und Pisa war nicht
die einzige Alma Mater, die solche blutigen Opfer forderte. Auch
Montpellier erhielt zu jener Zeit wenigstens einen Verbrecher jährlich von
der französischen Eegierung, der unzähligen Vergiftungsversuche nicht zu
gedenken, die namentlich auf italienischen Universitäten an Verbrechern
gemacht zu werden pflegten. Unsere heutigen Gelehrten aber gebahren
sich, als wären sie Priester einer unbefleckten Gottheit, deren Cultus
etwas Heiliges, ja Heiligendes ist und deren Gebote man nur zu erwähnen
braucht, um alle anderen Bücksichten vergessen zu machen.
Herr X. irrt, wenn er meint, wir riefen der Wissenschaft zu, sie
sollte „ umkehren *^ Wohin sollte auch eine solche Umkehr führen, wenn
man sieht, was die Vergangenheit war ? Wir fordern nur, dass die Wissen-
schaft sich die Unart abgewöhne, von ihren Interessen als den höchsten
und heiligsten zu reden. Sie soll manierUch werden, denn gute Manieren
hat eben nur der, der neben seinen eigenen auch fremde Interessen aner-
kennt und berücksichtigt. Die Philosophie ist bekanntlich, unter Kant 's
Leitung, mit gutem Beispiel vorangegangen, indem sie ihre eigenen Schranken,
die Schranken ihrer Befugnisse wie ihrer Befähigung, freiwillig anerkannte ;
und die Physiologie, sowie alle anderen biologischen Wissenschaften werden,
später oder früher, ihrem Beispiele folgen müssen.
Von der Heilkunde lässt sich nachweisen, dass sie dies schon einmal
geth%a hat; da sie aber einen Bückfall gehabt hat, so wird sie es noch
einmal thun müssen. Denn es giebt nur zwei grosse Kategorien, auf die
sich alle Schulen und Systeme der Medicin zurückführen lassen: die ratio-
nelle nnd die agnostische. Die Medicin kann entweder rationell sein wollen,
indem sie ein vermeintliches Verständniss des organischen Lebens zur
Grundlage ihres Handelns wählt, dieses Verständniss theils suchend, theils
Toraossetzend, — oder sie kann agnostisch sein, d. h. die Möglichkeit eines
solchen Verständnisses leugnen, und in diesem Falle muss sie entweder
die Symptome oder die klinische Arzneiwirkung als das einzig Erkennbare
und somit als die einzig mögliche Bichtschnur ihres Handelns zu verwerthen
bemüht sein. So erhalten wir statt zweier, drei Grundformen des medici-
nischen Denkens. Galen' s Schule wollte rationell sein, und da der
Bationalismus stets lange regiert, weil er dem Dünkel der Menschen
schmeichelt, so blühte diese Schule bis in's sechzehnte Jahrhundert hinein.
Paracelsus und die Jatrochemiker waren Agnostiker, mussten sich aber
nodi als Mystiker verkleiden, um ihren Gienten zu imponiren. Erst im
neonxehnten Jahrhundert durfte sich der Agnosticismus als offene Skepsis
geltMid machen, und hier finden wir denn auch die beiden möglichen
Fonnen desselben in Hahnemann's Symptomentdeckerei und in Bade-
— 298 —
mach er* 8 pharmacologischem Empirismus vertreten. In Eademach^
hatte die agnostische Skepsis ihren Höhepunkt erreicht.
Da aber dieMedidn, gleichviel wie die herrschende Theorie derselbe :k:
heissen möge, sich noch niemals durch die Sicherheit ihrer Erfolge aus^^
zeichnet hat, so konnte sich das medicinische Denken auch bei dies^:i
Doctrinen als endgültigen unmöglich beruhigen. Und da der Cyclus d^:
theoretisch möglichen Formen vollendet war, so musste es wieder to:k
vom anfangen und rationell werden wollen, nur mit dem Unterschied.^
dass man jetzt den Muth hatte, sich einzubilden, man könne, dürfe ueb.<
müsse es in der Medidn machen wie in der Physik und Chemie, wo msLi
die natürlichen Phänomene aus ihren künstlichen Modifikationen erforsch^x
kann« Dies war die Entstehung der physiologischen Schule; wir nannt^r:
6s oben den Bückfall der Medicin. Beschränkte sich die experiment&Ue
Methode auf den klinischen Versuch, oder, wie Herr X. sich ausdrücken
würde, studirte man die Eigenschaften des Eisens nur am Eisen, so würden
wir in dem Betonen dieses Princips einen willkommenen Fortschritt aner-
kennen. Aber das thut man nicht. Man studirt die Krankheit an dem
gesunden Organismus, den Menschen am Thier. Man bildet sich ein,
durch Gifte, Beize und Verstümmelungen im gesunden thierischen Organis-
mus Zustände erzeugen zu können, die mit unseren durch Laster, vorväter-
liche Sünden und culturhistorische Einflüsse oft langsam in uns erzeugten
Krankheiten und Grebrechen vergleichbar seien. Und auf dieser Voraus-
setzung, der verkehrtesten, deren sich der Menschengeist je schuldig
gemacht hat, beruht die ganze pathologische Physiologie oder wie man
sie ^wohnlich nennt, die experimentelle Pathologie. Man rühmt sich
zwar, die gewoimenen Besultate für die Heilkunde verwerthet zu haben,
und selbst die kranke Laienwelt stimmt gern in das Loblied ein. ^ber
daraus folgt nicht viel. Denn wer Augen hat zu sehen, wird zugeben,
dass die Fortschritte der Medicin wohl in einer erspriesslichen Verein-
fachung der Behandlung, aber keineswegs in einer Erhöhung ihrer Wirk-
samkeit bestanden haben. Ihre Ohnmacht fühlend, ohne sie einzugestehen,
hat die Medicin eine Läuterung der Hygiene, der öffentlichen wie der
privaten, zu erwirken gesucht. Krankheiten werden theoretisch vermeid-
barer: wo sie aber factisch idcht vermieden werden, da sind sie heute
genau so heilbar oder unheilbar, wie sie es vor fünfzig Jahren waren.
Herr X. führt die Abschaffung oder Beschränkung des Aderlasses als
eine der segensreichen Früchte der Vivisection an. Streng genonmien, tappt
man inmier noch im Dunkeln, denn man hat den Aderlass aufgegeben und
auch nicht aufgegeben , — wie man's nehmen will. Um aber gegen den
Unfug der Sangrados des siebzehnten Jahrhunderts protestiren zu können,
dazu gehörte nicht viel physiologische Weisheit. In der That verdanken
wir diese Beaction nicht nur nicht den Vivisectoren, sondern einem bekannten
Verächter der Physiologie, dem alten Brown, der aUe Fieber, im G^n-
satz zu den Pyrexieen, für asthenische Krankheiten hielt. AUerdings reagirten
Basori und Broussais wieder gegen Brownes Lehre, sodass in Italien
— 299 —
und Frankreioh der Aderlass noch lange in hohem Ansehen blieh. Aber
^ £^land und Deutschland hat eine solche Beaction gegen den Brownia-
Jiismiis nie stattgefunden.
^ie sollte denn auch die Nützlichkeit, Entbehrlichkeit oder Schädlich-
keit des Aderlasses in gewissen Krankheiten der Menschen durch Versuche
^ Thieren ermittelt werden können? Herr X. scheint zu glauben, man
iiabe sich durch Blutzapfen an Thieren „besser orientirt über die Blutmenge,
^® der Körper hat, über die, die er nothwendlg braucht, und über die,
wdlelie er entbehren kann'^ Aber kennt man denn die normale Blutmenge
diicl^ nup einer einzigen Thiergattung? Man glaubt sie zu kennen, wie
^^1:1 so manches Andere zu kennen glaubt. Man will gefunden haben, dass
"*i Warmblütern die Blutmenge ungefähr */„ des Körpeigewichts betrage
Tl erordt, Physiologie des Menschen, § 162). Doch wechseln die Bräche
i^ ^ach der Methode. So fanden Bise hoff und Heidenhain Vis ^i
^^i:^chen, und andere Forscher ^/j^ beim Pferde. Denn man hat nicht
^^niger als fünf verschiedene Methoden zur Bestimmung der Blutmenge
^^es Thieres, welche sämmtUch nichts zu taugen scheinen. Wie wollte
^^n auch das Wasser im Fass der Danaiden messen? Denn während es
^^erseits nie gelingt, selbst nicht durch „ Kneten '^ die ganze Blutmasse
^Us einem verblutenden Thiere zu entfernen, so erhält man andrerseits, wie
Vierordt selbst sich ausdrückt, oft mehr „Blut*^ als in den Adern ent-
^ten war, indem Lymphe und Plasma in das Blut treten. Und wenn man
vollends bedenkt, dass das Blut in jedem Augenblick Wasser an die Nieren
abgiebt, so werden wir uns einen Begriff machen können von der Werth-
loaigkeit der obigen Eesultate imd von der Unmöglichkeit, bessere zu finden.
Aber gesetzt auch, wir wüssten genau, dass ein gesunder Mensch von
130 Pfand Gewicht 10 Pfund Blut in seinen Adern haben müsse: wie in
aller Welt können wir es einem 130 -pfundigen Menschen ansehen, ob er
einige Unzen Blut mehr oder weniger als 10 Pfund in seinen Adern hat?
Greift Dr. Sangrado zur Laneette oder verschreibt er Eisenmittel, so
verdankt er diesen Entschluss doch wahrlich nicht dem Bruche Vit* Gab
es aber schon vor Aufgang dieser physiologischen Sonne diagnostische Zeichen
für Plethora und für Anämie, so sind wir nach Sonnenau^ang um kein
Haar besser daran, als wir vor Sonnenau^ang waren. Wer in der stets
reichen (nur allzu reichen) ZufaUsempirie und in dem seit Jahrtausenden
am Menschen verübten Blutzapfen kein genügendes Material findet, um
aich über das ungefähre Maximum der entbehrlichen Blutmenge zu „orien-
^iren", der wird sich auch an verblutende Hunde vergebens mit der Frage
wenden: „Hat dieser Mensch zu viel Blut in seinen Adern, und wie viel
darf ich ihm abzapfen?*' Auch das Hämadynamometer und das Häma-
tachymeter wird ihn im Stiche lassen. Denn man beantwortet dergleichen
]Pragen nicht nach der Weisheit des Laboratoriums, sondern nach den zur
Zeit herrschenden Anschauungen von dem Wesen des Fiebers und der
Entzündung, und diesen Anschauungen haftet immer etwas Speculatives an,
dem sich durch Beobachtung und Experiment gar nicht beikommen lässt.
— 300 —
Leider ist nun alles was auf Ursprung, Vertheilung und Gleichgewichts-
störungen der thierisch^n Wärme Bezug hat, hls auf den heutigen Tag
unseren Physiologen ein Eäthsel gehliehen, wie man unter Anderm auch
aus ohigem Citat aus Cl. Bernard's Physiologie operatoire ersehen
kann. Man hat Tausende von Thieren fieherkrank gemacht, was leicht
genug ist. Ja man hat den wissenschaftlichen Humor so weit getriehen,
die Natur des Wechselfiehers an Fröschen studiren zu wollen, d. h. eine im
warmhlütigen Menschen durch Sumpfmiasma erzeugte Krankheit an kalt-
hlütigen und nur im Sumpf lohenden, also für jenes Miasma ganz unem-
pfänglichen Thieren, denen man dann auch statt des unmöglichen Wechsel-
fiehers irgend ein Eiterfieher einimpfen musste, wie im X. Bande von
Pflüger's Archiv nachzulesen ist. Aher auch dieser Forscher schliesst
seinen Bericht mit dem ehrlichen Geständniss: „Das ganze Wesen des
Fiehers sei noch in Dunkel gehüllt". Und worin sollte es auch sonst
gehüllt sein? Denn wenn man die Eigenschaften des Eisens nicht am
Kupfer studiren kann, so kann man sie auch nicht am Schwefel oder am
Kochsalz studiren.
Dass wir Fieherkranke zuweilen mit kalten Einwickelungen zu hehandeln
wagen, heruht wahrlich nicht auf einem Verständniss der Natur des Fiehers.
Wir verdanken diese Methode hekanntlich einem schlesischen Bauer, der
sie vor fünfzig Jahren mit allem Muth eines genialen Fanatikers versucht
hat. Doch wird Niemand hehaupten, dass die Anwendung der Kälte hei
Entzündungen und Fiehem eine allgemeine geworden sei und durch die
Sicherheit ihrer Erfolge jede andere Behandlungsweise üherflüssig gemacht
hahe. Die Unsicherheit ihrer Erfolge aher liegt in der Eohheit der mecha-
nistischen Anschauungsweise, die das Organische nie als Organisches auf-
fassen kann. Der lohende Körper ist einerseits etwas schlechthin Warmes,
das durch äussere Kälte ahgekühlt werden kann; aher er ist auch zu
gleicher Zeit ein Wärme erzeugendes Ohject, welches gegen die Kälte als
Eeiz reagirt und neue Wärme producirt. In ähnlicher Weise wirkt der
Genuss von Alkohol zu gleicher Zeit wärmend durch den Verhrennungs-
prozess und kühlend durch die Yerlangsamung des allgemeinen Stoffwechsels,
und es ist ganz verkehrt, die Frage entscheiden zu wollen: Wirkt Alkohol
erwärmend oder ahkühlend ? und erst das eine und dann plötzlich das andere
zu glauhen und zu predigen.
Die Gesammtwirkung, die man durch Anwendung äusserer Kälte erzielen
kann, ist demnach stets das Eesiduum zweier entgegengesetzter Wirkungen.
Bei schwacher Reaction ist der Wärmeverlust grösser als der Gewinn , hei
starker ist der Gewinn grösser als der Verlust. Nun wissen wir aher gar
nicht, welche von diesen heiden Eventualitäten hei einer solchen Behand-
lung des Fiehers die erwünschtere ist. Denn schliessen wir aus der erhöhten
Temperatur der Achselhöhle, dass das Fieber in einem allgemeinen Ueher-
mass von Wärme bestehe, so wird die Anwendung der Kälte zwar rationell,
aber unsere Stoffwechseltheorien werden dann unhaltbar, da eine Beschleu-
nigung des Stoffwechsels beim Fieber nicht füglich angenommen werden
— 301 —
darf. Halten wir dagegen die beobachtete Temperaturerhöhung für eine
bloss locale Erscheinung und fassen das Fieber als einen Zustand der Her-
abstimmung auf, so kann die Anwendung der Kälte nur dadurch rationell
gemacht werden, dass wir die mechanistische Anschauung aufgeben und
die Kälte nicht als Kühlungsmittel, sondern als Eeiz und Erreger reac-
tiver Wärme gelten lassen.
Wie dunkel aber muss es in dem Kopfe eines Menschen aussehen, der
Folgendes schreiben kann:
„Unser an Lungenentzündung erkrankter Patient fiebert; auch der Laie
f&hlt die hohe Temperatur der Haut, den beschleunigten Puls. Heut zu
Tage weiss der Arzt, dass er diese Hitze bekämpfen darf und muss. Jene
Tielgeschmähten Tersuche, bei welchen die Eigenwärme von Thieren erhöht
wurde, haben die Bedeutung der hohen Temperatur kennen gelehrt und
die Yerminderung derselben durch kaltes Wasser oder innere Mittel wie
Cbinin, Digitalis, Salicylsäure zum ersten Grebote gemacht. Woher in aller
Welt konnte der Arzt vorher wissen, dass die hohe Temperatur überhaupt
von Bedeutung, oder dass sie nicht geradezu ein Heilmittel der Natur war,
welches er unterstützen, nicht bekämpfen musste?**
Durch Backen und Kochen lebendiger Thiere hat man weder Lungen-
entzündungen noch Fieber zu Stande gebracht, sondern nur eine Erhöhung
der Körperwärme, und die „Yielgeschmähten** Versuche haben gezeigt, dass
bei gewissen Mazimaltemperaturen Convulsionon und zuletzt der Tod
erfolgt. Dass Krebse das Kochen nicht überleben, wussten unsere Köchinnen
schon Yor dem Advent vivisectorischer Weisheit. Die tödtliche Maximal-
temperatur aber bei menschlichen Fieberkranken, die natürlich nicht iden-
tisch ist mit den Temperaturen der zu Tode gebackenen Kaninchen und
Hunde, musste man trotz dieser Weisheit in Hospitälern ermitteln. Ob
kein Fieber als heilsamer conatua naturae betrachtet werden darf,
imd ob jeder Grad von Fieberhitze antagonistisch zu behandebi ist, das
wissen wir nach diesen Leistungen der physiologischen Küche ebenso wenig,
wie vor denselben. Jedenfalls meinte schon Priessnitz, dass Fieberhitze
durch kaltes Wasser bekämpft werden müsste, und dass die Chinarinde
in gleichem Sinne wirkte, wussten schon die Licas in Peru. Will man
uns aber weiss machen, dass das Warme dieser Wirkungen erst von
denen begriffen werden könne, die die Geheimnisse des physiologischen
Backofens kennen, so macht man sich eines Gallimathias schuldig, der
etwa so lauten würde : „Die längstbekannte Heilwirkung des Chinins und
des kalten Wassers gegen Heber wird erst begreiflich, wenn man Thiere
nicht am Fieber, sondern an Ofengluth sterben sieht."
Weniger sinnlos, aber ebenso unbegründet ist es, den grossen Nutzen
4es Lister'schen Wund Verbandes als Beweis für die Nützlichkeit der
Thierversuche anzuführen. Die panspermistische oder Sporentheorie und
die Entdeckung der antiseptischen, desinficirenden Kraft der Carbolsäure
mussten nothwendig, später oder früher, zur Anwendung dieses Mittels
-beim Verbinden der Wunden führen. Man hatte bereits gelernt, Luft
— 302 —
durch Watte zu filtriren, man hatte Mischungen von Gype und Theer mit
dem hosten Erfolge in chirurgischen Hospitälern und Kliniken angewandt,
und im Jahre 1859 wusste man hereits, dass diese Erfolge der Carholsäure
und dem Paraffin des Theers zu verdanken seien. Warum sollte denn
Herr Li st er erst die Thierwelt zu consultiren hahen, um auf den Gredanken
zu kommen, statt des Theers diese heiden Ingredienzien des Theers bei
seinen Patienten zu versuchen? Die Patienten risMrten nichts dabeL
Auch wissen wir nicht, wie man die Schutzkraft dieser Mittel gegen
Hospitalhrand an Hunden hätte ermitteln können, da es noch keine Hunde-
hospitäler giebt. Das grosse Verdienst Li st er 's liegt übrigens nicht in
der Wahl der Yerbandmittel , sondern in seiner meisterhaften Berück*
sichtigung aller störenden Nebenumstände. Dieser Vorsicht verdanken
wir seinen „doppelten Verband^*, der aus dem sogenannten „Protective*^
und dem äusseren ,^Lac plaster^^ besteht. Das letztere ersetzte er später
durch theergetränkten Werg (Oakum), und diesen wieder durch einen in
Harz, Paraffin und Carholsäure getränkten lilousselin. Aber er giebt
selbst zu, dass das Beispiel anderer Chirurgen ihn auf diese Ideen gebracht.
Wenn List er sich dennoch seiner Vivisectionen rühmt und sich ein-
bildet, seine antiseptische Verbandmethode würde ohne seine Thierversnche
weder von ihm noch irgend einem andern erfunden worden sein, so beruht
dies auf einer sehr erklärlichen und sehr gewöhnlichen Selbsttäuschung.
Ein Gelehrter, der einen guten Einfall hat, würde sich desselben
schämen, wenn er ihn nicht als mühsam errungenes Eesultat hochschuliger
Studien darstellen könnte. Die natürlichste Stätte solcher Studien ist das
Laboratorium. So wird die Vivisection zu einer lasterhaften Gewohn-
heit, die durch kein legitimes Bedürfniss des Menschengeistes gerecht-
fertigt oder entschuldigt werden kann. Man hat sich daran gewöhnt, die
Thierwelt zu consultiren, auch wo das menschliche Elend das reichste
Material zur Forschung darbietet. Wie wäre man sonst auf die Idee
gekommen, die Wirkungen des Alkohol an betrunkenen Hunden studiren
zu wollen? Ist aber die Vivisection ein Laster, so dürfen wir uns nicht
wundem, wenn sie gleich andern Lastern durch Sophismen sich zu
vertheidigen Uebt. J
Sophisma freilich ist ein viel zu milder Ausdruck für Argumente wie
das, welches wir in einer Anmerkung des mehrfach erwähnten Artikels
im ,Jjeipziger Tageblatt" finden, wo der Verfasser uns klar macht, dass
die Segnungen der Vivisection ja nicht nur der Menschheit, sondern auch
der leidenden Thierwelt zu Statten kommen müssen. Wie es seheint, hat
der Erfinder dieses Arguments nie etwas von der Veterinärschule zu Alf ort ^
gehört, wo man Pferde (also Thiere, die ihre Kräfte im Dienste der ?
Menschheit aufgerieben haben) den vierundsechzig Stud^ten zu über-
antworten pflegte, damit sie, einer nach dem andern, ihre Geschicklichkeit
im Schneiden, Brennen, Enthufen, Haarseilsetzen, Aderlassen und Ampu-
tiren an einem solchen Thiere üben möchten. Glücklicherweise haben {
die Gräuel von Alfort einen Sturm des Unwillens erregt, und ein franzö- ^
— 303 —
sischer Mmister hat gethan, was nur wenige an seiner Stelle gethan
haben würden: er hat jenem Unwillen Bechnong getragen und dem Eifer
der Thierbeglüeker die nothigen Schranken gesetzt
Mochten doch alle Vivisectoren bedenken, dass weder die leidende
Menschheit nodi die leldrade Thierwelt ihrer Wohlthaten bedarf. Die
Thiexe leiden von der Brutalität der Menschen, und die Menschen leiden
an den Folgen ihrer eigenen Laster: die Brutalitat der Maischen ist also
der Grund, auf den sich die Leiden aller empfindenden Wesen, die mit
dorn Menschen in Beziehung treten, zurückführen lassen. Das einfachste
Ifittel, die Summe dieser Leiden zu yerringem, ist die Verminderung
mensdilicfaer Brutalitat, die Humanisirung des Menschen. Die Zwecke
der Menschen waren von jeher gut: es kostet uns nichts, gute Zwecke zu
hab^D. Aber die Schwierigkeit lag und liegt in der Wahl der Mittel.
Der Fortschritt des Menschengeschlechts, insofern es einen solchen giebt,
hat nicht sowohl in der Veredlung der Zwecke, als in der Veredlung der
Mittel bestanden. Weltbeg^ücker wollte man wahrscheinlich yon jeher sein,
sber man schickt jetzt nicht mehr Verbrecher nach Montpellier und nach
lisa, um sie viviseciren zu lassen. Man hat gelernt, sich mit Thieren zu
begnfigm, und jetzt, nachdem auch dieses Mittel ein halbes Jahrhundert
lang mit traurigem Erfolge ausgebeutet worden ist, treten wir mit der
Eardemng an die Physiologen heran, entweder auf edlere und weniger an-
stfisaige Mittel zur Erreichung ihrer Zwecke zu sinnen, oder ihre Zwecke
in emer ihren Befugnissen und Fähigkeiten angemesseneren Weise zu
&nnu]iren.
Der Vivisections-Streit und das „Leipziger Tageblatt''.
Eddl Wortstreit endet nie befriedigend : das lehrt die tägliche Erfahrung.
Wird schon des Freundes guter Eath verschmäht, so wird des Gegners
Widerspruch verspottet und bekämpft Wer hielte sich je für besiegt?
Sind es doch gerade die grössten Thoren, welche nicht sagen können: ich
weiss nicht Auch tüchtigen Leuten wird es schwer, zu sagen: ich habe
geirrt und Peccavi zu sagen fallt überhaupt Niemand mehr ein.
Alles dies macht einen Friedensschluss unmöglich. Doch folgt hieraus
dnichaas nicht, dass jeder Wortstreit überflüssig und unfruchtbar sei. Denn
die Folgen eines öffentlichen Ideenaustausches sind schon wegen der Oeflent-
BchlBit desselben unabhängig von der Charakterschwäche der Streiter und
madien sich früher oder später fühlbar im Bichterspruch des Publikums.
Damit aber dieser Bichterspruch möglichst gerecht ausfalle, müssen die
stratendm Parteien nicht nur jede sachliche Unwahrheit, sondern auch
iede logische Unklarheit zu vermeiden suchen.
Die erste Bedingung zur Lösung einer Streitfrage ist eine vernünftige
Fragestellung. Leider aber scheint nichts unserer armseligen Menschen-
nator schwerer zu fallen als eine solche objectiv gehaltene Fragestellung
mit Aofisehluss alles Persönlichen und sachlich Fremdartigen. Verstände
— 304 —
man es, bei Besprechung der Yiyisectionsfrage sich über die Eormulining
der Frage zu einigen und den so gewonnenen Gesichtspunkt während der
ganzen Dauer des Streites treulich festzuhalten, so würde man dem lesenden
und hörenden Publikum eine höchst unerquickliche Mühe ersparen.
Es bedarf doch kaum eines Beweises, dass es sich zunächst und Tor
Allem darum handelt, zu ermitteln, ob die von Herrn von Weber dtirten
und den Originalwerken der Physiologen entlehnten Thatsachen wahr oder «
nicht wahr sind, — und wenn sie wahr sind, ob sie zu entschuldigen oder
zu missbilligen sind, und wenn sie zu entschuldigen sind, aus welchen
Gründen sie entschuldigt werden können. Hierum, und um nicJits anderes
handelt es sich. Es handelt sich weder um Motive, noch um mögliche
Folgen , am allerwenigsten handelt es sich um Namen. Es handelt sich
einzig und allein um Facta und deren Eechtfertigung.
Statt aber diese einfachen Fragen mit aller Euhe und Unparteilichkeit
zu prüfen, wirft man uns fortwährend das tu quoque an den Hals. Treten
Offiziere in unseren Verein, so fragt man sie, wie sie die Thierquälereiin
«inem Cavalleriegefecht billigen köimen. Ist man aber nicht CavaUerie-
Offizier, so wird man gefragt, ob man Pferderennen, Jagd und Fiscb&ng
entschuldigen wolle, und es würde einem wenig helfen, diese Fragen zu
verneinen, so läge man die alte Gewohnheit nicht aufgiebt, Suppe und
Braten zu Mittag zu essen: denn werFleich isst, sanctionirt ja damit das
Mästen, Verstümmeln und Schlachten der Thiere, und was noch schlimmer
ist, die Gräuel des Viehtransports zu Wasser und zu Lande, hat also kein
Kecht (so meint man), den Vivisectoren Vorwürfe zu machen, ja verlöre
dieses Eecht selbst dann, wenn die Grausamkeiten der Vivisectoren nicht
ungleich höheren Zwecken dienten als die der menschlichen Gamivoren.
Gresetzt nun aber, der Angriff auf die Vivisection ginge von Vegetariern
aus, und zwar von Vegetariern, die zugleich Quäker oder Mennoniten, oder
Chihasten, oder Mitglieder des Vereins far Freiheit und Völkerfrieden
wären, kurz von Leuten, die weder Cavalleristen noch Jäger, noch Fleisch-
«sser wären, so würden die Vivisectoren allerdings ihr tu quoque fallen
lassen müssen, würden aber augenblicklich zu einer andern und zwar viel
derberen Waffe greifen, und diese Waffe ist die Competenzfrage.
Ist nämlich der gegen das tu quoque gesicherte Gegner ein Laie, so
wirft man ihn als unbefugten Eindringling ohne Weiteres zum Tempel
hinaus, „denn", wie das „Leipziger Tageblatt" in seiner Beilage vom
8. December uns belehrt, „etwas, was zum Nutzen der Menschheit unter-
nommen wird, kann nicht unsittlich sein"; da also die Vivisectionsfrage
keine Frage der Sittlichkeit, sondern nur eine Frage der Nützlichkeit ist
imd der Nutzen der Vivisection nur von Fachmännern gewürdigt werden
kann, so darf kein Laie an den Grausamkeiten der Vivisection Anstoss
nehmen, sondern muss seinen beschränkten Laienverstand gefangen nehmen
in dem Glauben an die Beglücker der Menschheit, deren Wohlthaten ihm
ja auch dereinst in den Nöthen der Krankheit und in der Stunde des
Todes zu Theil werden können. Sollten sich aber ja Fachmänner unter
— 305 —
den ketzerischen Kritikern finden, so sagt man ihnen, sie seien „keine
Autoritäten *% weil sie ,,nie das Mindeste für die Wissenschaft geleistet*'
hätten und weil es in jeder grossen Berufsdasse Indiriduen gebe, w^che
^, unfähig, die Aufgabe ihres Standes zu begreifen und zu erfüllen, Ton
demselben abfallen/* Auch sie hätten daher „kein Becht, mitzusprechen,
und ihr Wort wiege wie Spreu". (Lpz. Tagbl. 8. Dec.)
Bei dieser Art des Hin* und Herredens kommt man begreiflicherweise
der Wahrheit nicht näher. Denn hätte man endlich einen Wundermann
gründen, der nicht nur alle obengenannten Eigenschaften in sich vereinigte,
sondern auch das Verdienst hätte, für die Physiologie etwas geleistet zu
haben, selbst Vivisector zu sein und doch die Zulässigkeit der Vivisection
bei anderen Yivisectoren zu beanstanden : so würde man ihm ohne Zweifel
den Vorwurf machen, dass er trotz aller seiner merkwürdigen Eigenschaften
immer doch ein armer Sünder sei wie alle andern Menschen, — ein Kranker
unter Kranken im grossen Welthospital, wo der Schwindsüchtige die dicken
Beine des Wassersüchtigen bespöttelt und der Fieberkranke des Nachbars
Nasenkrebs yerhÖhnt. Heine, der uns eine ähnliche Scene in seinen
^,EeiBebildem" schildert, sieht in ihr eine Mahnung zu gegenseitiger Nach-
sicht, und in diesem Sinne sind wir gern bereit, auch das tuquoque als
allgemeines Armesünderargument gelten zu lassen.
Allein man darf in sittlichen Fragen diese Nachsieht und diese
Demuth nicht zu weit treiben, denn sonst hörte jede Kritik menschlicher
Handlungen und Sitten auf, und die üebelthäter könnten sich mit dem
Wahne trösten, dass sie nur dann von ihrem Thun und Treiben Bechen-
«chaft zu geben hätten, wenn ein vollkommenes engelhaftes Wesen als
Kritiker und Bichter vor ihnen stände, dem sie auch beim besten Willen
keinen Gegenvorwurf machen könnten.
Ist es den Vivisectoren auMchtig um eine kritische Besprechung der
Vivisectionsfrage zu thun, so sollten sie sich bemühen, die Namen, Schwä-
chen, Laster und Sünden derer zu vergessen, die sie zu dieser Besprechung
auffordern. Denn Personalien führen nie zur Sache. ^ sollt^i bedenken,
dass sie nichts, absolut nichts dabei gewinnen, wenn sie Vorwürfe mit
Gegenvorwtirfen erwidern. Denn wäre auch jeder einzige dieser Gegen-
Yorwürfe an sich ein gerechtfertigter, und hätten wir alle gegen uns ge-
richteten Anklagen zugegeben (was wir, ohne unserer Sache zu schaden,
thun könnten), so blieben ja immer noch unsere eigenen Fragen zu be-
antworten übrig: „Ist's wahr? Ist's zu rechtfertigen? Und wodurch?". —
Und ebenso sollte das grosse Publikum, vor dessen Bichterstuhl diese
Streitfrage besprochen wird, sich Mühe geben, bei dem sachlichen Inhalt
der Frage zu bleiben und die Anreger derselben, gleichviel ob sie Ernst
von Weber, Jatros oder sonst wie hdssen, ganz und gar zu vergessen,
als hätten sie nie gelebt und geschrieben.
Ein ernstliches sachliches Eingehen auf den Inhalt der Streitfrage ist
bis jetzt nur von einem unserer Gregner, von Herrn Professor Heiden-
hain versucht worden ; alle Anderen ziehen es vor, entweder zu schweigen
20
— 306 —
oder sich in ewigen Wiederholungen gewisser schon mehrfach widerlegter
liehlingsargamente zu ergehen. Und von der Art und Weise diesea
Baisonnirens kann man sich einen Begriff machen, wenn man den oben
citirten Artikel des „Leipziger Tageblattes" liest, sowie auch den Bericht
über die Sitzung des Leipziger Thierschutzvereins in dem ,Jjeipziger Tage-
blatt" vom 10. December.
Der Verfasser des Artikels sagt, Herr von Weber habe in seiner Schrift
(Seite 41 ff. der 7. Auflage) 36 Beispiele aus physiologischen Schriften als
,,Belege. vivisectorischer Thaten" angeführt. Nun fanden sich aber 6 unter
diesen 36, welche sich auf „Versuche an unverletzten Thieren bezogen.
Ergo wisse Herr von Weber nicht, was Vivisection sei.
Hier sind wir nun wieder im tu quoque und die beste Antwort T^axe,
zu sagen, es gehe uns gar nichts an, ob Herr von Weber wisse oder nicht
wisse, was Vivisection ist. Denn gesetzt, er wüsste dies nicht, und gesetzt,
wir wären so gefällig, die sechs beanstandeten Beispiele ganz zu ignoriren,
so würde die Präge lauten: Sind die übrigen dreissig Beispiele „Belege
vivisectorischer Thaten", oder sind sie es nicht? Aber diese Frage, die
einzige auf die es ankommt, wird keiner Besprechung gewürdigt. Uebrigens
ist hier zu erwähnen, dass die sechs beanstandeten Beisjäele sich auf Ver-
hungerungs-, Vergiftungs- und „Abkühlung8"-Versuche beziehen, d. h. auf
Versuche, in denen man Thiere 5 bis 21 Tage lang hungern lässt oder sie
nach mehreren Hungertagen mit Alkohol vergiftet, oder sie in Starrkrampf
versetzt, oder sie in Wasser von 0° zu Tode „abkühlen" {vulgo „erfrieren")
lässt. Diese Thiere nennt der Verfasser jenes merkwürdigen Artikels
„unverletzt", d.h. er rächt sich an den Kritikern der Vivisection, indem
er das Wort Vivisection etymologisch versteht. Schon Herr Professor
Ludwig hat uns einmal in der „Gartenlaube" darauf aufinerksam gemacht,
dass Verhungernlassen und £rfrierenlassen nicht Schneiden ist: und wer
sein Latein vergessen hat, wird ihm gewiss für diese Belehrung dankbar sein.
Wir dürfen uns natürlich nicht wimdem, wenn derselbe Verfasser,
welcher vergiftete, verhungernde und erfrierende Thiere „unverletzte Thiere"
nennt, auch von den blutigen Vivisectionen aussagt, sie seien „nicht grau>
samer als der Gebrauch, den wir überhaupt von Thieren machen". Nur
gehört freilich ein beneidenswerthes Mass von Dreistigkeit dazu, so etwas
dem Publikum zu sagen, — es ihm zu sagen, nachdem man soeben gelesen
hat, dass ein junger Mediciner ein Kaninchen „aufs Brett gespannt",
„ihm den Schädel, angebohrt" und es dann, so aufgespannt und so ver-
stümmelt, dreizehn lange Stunden, von 6 Uhr Abends bis 7 Uhr Morgens,
hat liegen lassen ; dass derselbe hofiEhungsvoUe Jüngling diesen Versuch
an 70 anderen Thieren wiederholt hat (Pf lüger 's Archiv VUi, 578); und
dass ein bekannter Physiolog mehreren Hunden nach Anbohrung des
Schädels monatlich einmal ein Stückchen Hirnsubstanz mit heissem Wasser
ausgespült, ihnen dann das rechte, nach einigen Tagen auch das linke
Auge ausgestochen, anderen ähnlich verstümmelten Hunden aber Draht-
klemmen an die empfindlichsten Körpertheile, die Zehen und das Präputium,
— 307 —
angelegt hat, bis Omen der Schaum vor den Mnnd trat {Und. XIV, 412).
Halt man denn das Pabliknm för Idioten, dass man ihm zu sagen sich
erdreistet, dies ad nicht grausamer, als „der Gebrauch, den wir überhaupt
von Thieren zu machen pflegen?*^
Auch Herr Professor Zürn, ein, wie es scheint, humaner und billig
denkender Mann, muss sich ein klein wenig von dieser Dreistigkeit ange-
eignet haben , um den Mitgliedern des Leipziger Thierschutzvereins sagen
zu können, „dass in einem einzigen Cavalleriegefecht mehr Qualen für Pferde
eitstehen, als sie von Tausenden von Yivisectoren ihr ganzes Leben lang
bereitet werden''. Es scheint fast frivol, ihm vorzurechnen, dass, ange-
nommen, es fielen in einer Schlacht ebenso viele Tausende von Pferden,
als es Tausende von Yivisectoren giebt, die durchschnittliche Qual eines
einzigen an Stich- oder Schusswunden sterbenden Pferdes nach Herrn
Zürn 's Bechnung grösser seia müsste, als die von einem Yivisector im
Laufe seines ganzen Lebens verursachten Thierqualen zusammengenommen.
Wenn man bedenkt, dass manche Yivisectoren über 500 Hunde jährlich,
also 10,000 im Laufe einer zwanzigjährigen Thätigkeit, zu Tode experimen-
tomi; dass viele dieser Experimente den oben beschriebenen durchaus
nichts an Grässlichkeit nachgeben, während die Yerletzungen auf dem
Schlachtfelde meistens Stich- oder Schusswunden sind: so wird man sich
einen Begritf machen können von der Ungeheuerlichkeit der obigen
Behauptung.
Weniger ungeheuerlich, wenn auch immerhin gewagt, ist die Behaup-
tung des Herrn Professor Ludwig, welcher die Skeptiker des Leipziger
Thierschutzvereins durch die Yersicherung beruhigte, dass, Dank den
y,Ueberwännungs- vulgo Back-) Yersuchen, die Zahl der Typhus -Todes-
fidle von 40 Procent auf 2 Procent herabgesetzt worden seien." Man
noochte fragen: von wem wurden sie herabgesetzt? Wir glauben nicht,
daas Herr Professor Ludwig diese Herabsetzung gegen seine lieber-
zengong gemacht habe. Doch muss man, um diese Operation zu verstehen,
den Umstand in Erwägung ziehen, dass man heutzutage die Begriffe Typhus
und Meber nicht mehr so scharf trennt wie früher; dass man die alten
Classificationen der Fieber hat fallen lassen und nun, wie gewöhnlich von
einem Extrem zum andern übergehend, alle Fieber in eine Kategorie
zusammen wirft. Handelte es sich um den ächten Beotyphus, so würde es
dem Herrn Professor sdiwer gewesen sein, jene 40 Procent auch nur auf
20 zu redudren. — Was aber den causalen Zusammenhang dieser
Mortalitätsabnahme betrifft, so leugnen wir die Möglichkeit eines solchen.
Denn den Gebrauch der kalten Einwickelungen bei Fiebern verdanken
wir dem alten Priessnitz, der nie ein Thier lobendig gebacken hat, und
die Anwendung der Yentilation nebst kühlen Einwickelungen verdanken
wir unseren Hygienikem. Da Ofengluth die Eigenwärme des Thieres
erhöht, aber niemals Typhus erzeugt oder erzeugen kann, so begreifen
wir nicht, wie aus der Tödtlichkeit der Ofengluth die Heilwirkung der
Xälte bei Typhus gefolgert werden kann. Dergleichen erinnert an die
20*
— 308 —
e Aufgabe, uua der Länge dm Kiela und c
dee Mast«» das Alter des Capitäns zu berechnea.
Uebrigens ist man erst Im Laufe dieaei Foiemik auf den Gedanken
gekonmien, die grossen Erfolge der rein hj'^esiiicJien Behaadluiig des
Typhus jenen Backofenversuchen verdanken m woUei). Und wie leicht es
ist, äch über dei^leichen Causalbeziehungeu zu täuschen, aieht man auch
an dem hochverdienten Edinbiu-ger FrofeHBor, Herrn Li st er, welcher sich
einbildet, dass ohne seine Tbierversuuhe weder er noch irgend ein anderer
Mensch auf die Idee hatte kommen können, das schon vor ihm zum Wand-
verbande gebraucht« Üakum, d. h, also theeigetränkten Werg, durch
carholisitten Mousselin zu ersetieo.
Die ZogeständnissB, die uns andrerseits theüa willkürlich, theiU nn-
willkiirUch von unseren Gegnern gemacht werden, erfüllen uns mit Freude
und EoSnnng. Herr Professor Zürn sagt uns ausdrlickUch , ,,er atelle
durchaus nicht in Abrede, dass Aiuschreitungen in der Ausübung der
Vivisection vorgekommen seien." Auch giebt es mit«r den auf jenoi
Versammlung gefassten Resolutionen wenigstens drei, die diese Aus-
schmtungen implicite einr&umea und voraussetzen. Denn warum soUta
man sonst beantragen, „dass die Vivisection auf das uotbwendigste Uass
beschränkt" werde; dass sie „unstatthaft sei, so oft todtes Material mr
Erreichung des Zweckes genügen würde"; dass die AnestheMrung A&
Thiere nicht vernachlässigt werden, und dasa den Leiden des Thieres nach
Beendung des Versuchs durch den Tod ein Ende gemacht werden hoUb
(§§ -I 3, 4). Wahrlich man hätte dergleichen Resolutionen nicht gefaast,
wenn man nicht gewusst hätte, dass gerade gegen diese Vorscluiften aofs
Unbarmherzigste gesündigt worden ist und noch tägUch gesündigt wird.
' Und wenn dem so ist, warum ereifert man sich gegen Herrn von Weber?
Giebt es „Ausschreitungen" in der Vivisection, was ja zug^eben wird, ao
bedenke man doch, war solche Ausschreitungen bedeuten, und danke Gott,
daaa ea Leute giebt, die es nicht für ihre Pflicht lialten, aolchen Aus-
schreitungen gegenüber zu schweigen.
Der Verfasser des obenerwähnten Artikels beunruhigt sich bei dem
Gedanken , unsere Agitation gegen die Vivisection könne den Glauben an
die Medicin erschüttern und so „eine Quelle unsäglichen Elends'' werden.
„Wie unglücklich", meint er, „würden die Kranken werden, wenn sie dta
Anldagen des Herrn von Weber Glauben schenkten und das Vertraueu
zu ihrem Arzte verlören. Denken Sie sich die Leiden der armen H^m-
gesuchten noch dadurch vergrössert, dass er in dem Arzte einen Peiniger
zu finden glaubt. Denken Sie an die Angehörigen, die nicht wissen, wu
Hilfe suchen, und die vor Angst vergehen werden!" Als vor einigen
Jahrzehnten die biologischen Wissenschaften ihr MSglichstes tbaten, den
Menschen ihren alten Glauben, den Gottosglauben nnd die Unsterblielikeita-
hcffiiung, zu rauben, da hörten wir nichts von diesen zarthchen Besorg-
nissen um „die armen Heimgesuchten". Da hioas os immer nur: „wer
leidet und schweren Herzens ist, der sehe zu, wie er fertig werde; wie ,
— 309 —
haben die Bäthsel des Lebens gelöst, und die Entschleierang der Wahr-
heit kann um seinetwillen nicht verzögert werden/* Herr Du Bois-
Beymond rühmt sich ja öffentlich, auf der Leiter der Wissenschaft die
Höhe erklommen zu haben, Ton der er „unverzagt in die entgötterte Welt
zu schauen** vermag, und diese starken Geister sagen uns, sie könnten
nicht ohne Zittern und Zagen in eine entärztete Welt schauen?
Welche Früchte die Entgötterung und Entseelung der Welt durch
den wissenschaffclichen Materialismus tragen werde, können wir noch gar
nicht ermessen, und diese Ungewissheit wäre wohl geeignet, uns Besorg-
jusse einzuflössen. Aber die Früchte des medicinischen Unglaubens kennen
wir bereits: wir haben sie gekostet und wissen, dass sie erquickend und
heilsam sind. Denn aus diesem Unglauben erwuchs ja die Hygieine,
welche sich nie hätte entwickeln können, wenn man dem Glauben an eine
unbeschränkte Perfectibilität der Medicin treu geblieben wäre. Die Ent-
täuschung mag in einzelnen Fällen eine bittere und grausame gewesen
sein, aber im grossen Ganzen wirkt sie wohlthätig und erziehend: denn
der Mensch, dessen Leben von der Wi^e bis zum Grabe ein Gewebe von
lasterhaften Gewohnheiten ist, kann nur gewinnen, wenn er sich mit dem
Gredanken vertraut macht, dass es für seine Alltagssünden keine Ablass-
zettel giebt, die er beim Arzt und beim Apotheker kaufen könnte, um
nach erlangter Vergebung den alten Schlendrian wieder anfangen zu
däifen; dass Krankheit als etwas Yermeidbares aufgefasst werden muss;
dass sie oft, sehr oft vermieden werden kann, und dass jeder, der seiu
eigener Priester und Seelsorger zu sein versteht, auch die Pflicht und die
Befähigung hat, sein eigener Arzt und Gesundheitshüter zu werden.
Es versteht sich von selbst, dass wir hiermit nur eine Bichtung
lieaseiehnen, nicht etwas schon Erreichtes oder in naher Zukunft Erreich-
iMfes. Auch wissen wir sehr gut, dass die leidende Menschheit den Aerzten
der Schule viel zu danken hat, namentlich den Chirurgen und den Augen-
ärzten, deren Verdienste kaum hoch genug angeschlagen werden können.
Das Verdienst der übrigen Aerzte aber besteht nicht in dem, worauf sie
selbst am stolzesten sind und was ihren Patienten am meisten Vertrauen
einflösst, — nicht in ihren gelehrten Diagnosen und ihren Becepten, sondern
in den grossen hygienischen Beformen, die sie, ganz unabhängig von ihren
gelehrten Prämissen, nicht selten befürworten und befördern helfen. Wie
wollte man sonst die enorme Verschiedenheit der Mortalität (für eine und
diefielbe Krankheit) in den verschiedenen Hospitälern Londons erklären, die
flieh nicht in den Behandlungsmethoden, wohl aber in den hygienischen
Frincipien ihrer Vorsteher von einander unterscheiden?
Wir glauben daher nicht, dass diejenigen, die ihren Glauben an die
Apotl^ke und die ärztliche Weisheit verloren haben, unseres Mitleids
bedürftig sind. Der neue Glaube an das Evangelium der Hygieine ist
fertig. Er mag unbequemer sein als der alte Glaube an die Vergebung
hygienischer Sünden , denn er mahnt an eine Beform der Sitten und an
oLalten der Instincte, — aber or hat den Vorzug, (
täuscht, weil er Männer, nicht Kinder, zu seinen Belienneni hut. .
Der innere Mensch ist frd geworden von den FeBsehi der Kirche und
der Vebme, aber die Fesaein mediciniachen Alierglaubens bdt4!n unsere Leiber
immer noch gefangen: rii)d je früher wir anfangen, dieselben abEostreifen,
desto besser iat's für uns und unsere Nachkommen.
Dr. med. E. GrjzBnowaki.
Ich habe bereite vor 2 Jahren im zweiten Tbeile deB
2. Bandes meiner wiaeenschaftlichen Abhandlungen (S. 1153),
gelegentlich eines wörtlichen Abdruckes der ersten Auflage
der „Folterkammern der Wissenschaft" von Ernst v. Weber,
auf eine Schrift hingewiesen, welche im Jahre 1877 unter
dem Titel: „Die Vivisection, ihr wissenschaftlicher Wertli und
ihre ethische Berechtigung von lATPOX" bei J, A. Barth
in Leipzig (Preis 2 Mark) erschienen ist. Bezüglich Abb,
anonymen Verfassers bemerkte ich a. a. O. wörtlich FoIgeDdl
„Der oben unter dem PBeudonjTii verborgene, Tordionatvolle denti
Mann ist mir als ein tief philosophisch und mathemathisch gebildeter J
aus Kön^sberg persönlich bekannt. Er hat neben seinen medlcü
Fachstudien aus Neigung auch Ästrondmie, Mathematik und Phydk gottifll
Er hat zu denPQsGen eines Bessel gesessen (über dessen Yorlesim,
ein sorgfältig aiisgoarheitetes Heft noch jetzt besitzt), ^t hat bei Rich|
Mathematik und bei F. Neumann matbematiscbe Physik gehört.
£. du Boia-Beymand mag hieraus entnclunen, duss dieser Mann ji
falls eben so viel von der niatbematiscb-ph;sikaliBcben Metliode u
Laplaeo'aehen Weltformel vorsteht als er selber.
loh habe bei der letzten Aiiwesenheit meines Freundes ü
Juni 1878 um die Erlaubnias gebeten und erhalten, seinen Name&l
einor mir passend erscheinenden Gelegenheit öfFontlich nennen z
Diese Galegenheit wird eintreten , sobald die deutsche E^emng »
l'iTJBectdonsfrage nach dem Voi^ange der Englischen Eegiertmg S
genommen hat."
Da gegenwärtig eine Petition um gesetzliche Bescl
kling der Vivisection dem deutschen ßeichstag zugchen i
halte ich mich entsprechend der mir ertheilten Erlaubnis» zu
der Erklärung ermächtigt, dass der Verfasser der oben i
lieh reproducirten „Flugschrift des internationalen Va
eins zur Bekämpfung der wissenschaftlichen Thii
folter", Hr. Dr. med. Gryzanowski, identisch mit
bisher unter dem Pseudonym lATPOE verborgenen Verfasser
der erwähnten Schrift ist.
Da meine Leser aus meinen bisherigen Schriften wissen,
daes ich nicht nur Angriffe gegen mich, sondern mit besonderem
Nachdruck auch unberechtigte Angriffe gegen meine Freunde
zurückweise, so bitte ich dies auch bezüglich meines Freundes
Gryzanowski zu berücksichtigen.
S.timmen der Presse
ftber
Ernst Ton Webei^s
„Folterkammern der Wigsenschaft".
(Abdinclc ans der Sonntagsbeilage zu den Leipziger Nachricliten vom 30. M&rz 1879.)
Weserzeitungr Nr. 11368 v. 7/9. 1878. „Baron E. v. Weber, der
kürzlich im Dresdener Thierschutzvereine einen interessanten Vortrag über
V.-S. gehalten hat, hält sich gegenwärtig zu Thierschutzzwecken hier in
Bremen auf. Derselbe ist der Verfasser des unlängst in unseren Spalten
besprochenen interessanten Werkes: „„Vier Jahre in Afrika"*', das wegen
der darin besprochenen patriotischen Ideen, namentlich aber wegen seiner
80 eingehend motivirten Aufforderung zur Gründung deutscher Colonien
auf der südlichen Halbkugel, in der deutschen Lesewelt einen so sympa-
thischen Anklang gefunden hat."
Berliner Fremdenblatt t. 14/2. und 21/2. 1879. „In England ist
das (jewissen der Nation schon seit 2 Jahren erwacht und hat die über
die Greuel der Vivisection empörte öffentliche Meinung, ausgesprochen in
772 Petitionen mit 145,774 Unterschriften, dem Parlament ein Gesetz zum
Schutze der unglücklichen Opfer dieser „wissenschaftlichen Untersuchungs-
methode" abgerungen. Dürfen wir da zurückbleiben? Die Leetüre des
Weber'schen Werkchens ist eine Arznei und zwar eine bittere, geradezu
ekelhafte Arznei. Ihre Wirkung wird aber bei keinem ruhig denkenden
Menschen ausbleiben und die Thierschutzvereine scheinen uns berufen, in
allererster Eeihe Stellung gegen diesen schwarzen Hecken in unserer Cultur
zu nehmen.''
„Es ist nichts damit gethan, dass das Publikum sich mit Ekel und
Entrüstung von der Kenntniss dieser Thatsachen abwendet, sondern es
moss mit Energie und Beharrlichkeit dagegen eingeschritten werden. Dazu
müssen alle öffentlichen Organe beitragen und ein gesetzliches Verbot gegen
— 312 —
solche Greuel, welche in dem barbarischsten Zeitalter nicht abschreckender
stattgefunden, von Oben herab zu erreichen gesucht werden. So sei denn
dies Buch Allen zum Lesen empfohlen, so grauenhaft die Eindrücke sind,
die man dadurch empfängt, und thue Jeder das Seinige, dass dieser Schand-
fleck der Wissenschaft endlich ausgelöscht werde. Nicht durch stül-^
schweigenden Abscheu, sondern nur durch energisches Handeln einfluMK
reicher Männer kann es besser werden, aber schnelles Eindeki, denn
jeder Tag kostet neue unglückliche Opfer."
]>eiitsehes Montagsblatt (Berlin) Nr. 12 v. 24/3. „Nur 60 Pfg. kostet
das 5 Bogen starke Büchlein, aber nicht leicht dürfte es werden, zum
zweiten Mal auf so wenigen Seiten so viel Jammer und Greuel zu enthüllen
als hier geschieht. Es ist der dunkle Punkt der Vivisection, den E. v. Weber
in ruhiger aber schonungsloser Weise berührt. Die Zahl der thatsächlichen
Belege, die er anführt, bieten des Grausigen genug, um die in England,
Italien und der Schweiz herrschende Aversion der öffentlichen Meinnng^
gegen die Vivisection zu erklären. Das Buch erhebt schwere Anklage,
es steht daher zu erwarten, dass die Männer der Wissenschaft, welche die
Vivisection für nothwendig halten, es an Antworten nicht fehlen lassen,
damit die Forschung in den Augen des Volks von dem Makel der Grau-
samkeit befreit werde, der schlecht zu dem Herrschermantel passt, mit
dem sie sich zu umgeben pflegt."
Deutselie Romanzeittingr (Berlin) Nr. 24 v. 12/3. „Die Schrift ist
ein lebhafter Appell an die Menschlichkeit und wir hoffen, dass er nicht
vergebens sein werde. Man l^se die Schrift und man wird mit uns über-
einstimmen, dass das Gewissen der deutschen Nation sich endlich regen
und der Barbarei der Vivisectionen ein Ende machen müsse."
Krenzzeitang Nr. 41 v. 18/2. „Insbesondere ist es der Dresdener'
Thierschutzverein, welcher durch eine von seinem Vorsitzenden, E. v. Weber,
verfasste Plugschrift: D. F. d. W., welche er in 10,000 Exempl. hat ver-
theilen lassen, eine Agitation in's Werk zu setzen versucht hat. Auf welche
Seite wir uns in dieser Frage zu stellen haben, wird angesichts der so
vielen im Namen der Wissenschaft verübten und auch in obiger Btoschüre
nachgewiesenen Grausamkeiten nicht zweifelhaft sein. Zudem dürfte e«
sich doch wohl auch schwer nachweisen lassen, dass eine üntenassung
der von der bisherigen Wissenschaft geübten vivisecirenden Thätigkeit von
den bedenklichsten Folgen für das leidende und Heilung suchende Publicum
selbst sein könnte. Und darauf wird es doch schliesslich ganz allein
ankommen."
Nene eyangrelisehe KireheBzeituni: Nr. 10 v. 8/3. „Gegen die Vivi-
sectionen hat der Hauptvorkämpfer der deutschen Thierschutzvereine,
E. V. Weber in D., kürzlich eine neue Broschüre: D. F. d. W. ausgehen
lassen. Dieselbe enthält eine reiche Sammlung von Thatsachen etc.".
„Gleichviel ob Herrn v. Weber's Ziel wird erreicht werden können
oder nicht, so besitzt auf jeden Fall diese antivivisectionistische Bewegung
darin ihre Berechtigung, dass das schädliche Uebermass vivisectorischer
— 313 —
üebongen an unseren mediciniscben Lehranstalten zum nicht geringen Theil
das Ueberhandnehmen materialistischer Gesinnung bei den Aspiranten für
den ärztlichen Beruf befordert hat und noch befördert."
Dieselbe Nr. 12 t. 22/3. .«»Aus Anlass der antiviviseotionistischen
Agitation, an deren Spitze £. v. Weber steht, haben die mediciniscben
Facultäten von 11 deutschen in Verbindung mit schweizerischen und östeiv
reiddschen Universitäten eine öffentliche Erklärung erlassen. Als wirklich
sbgethan durch diese sehr summarisch gehaltene Erklärung kann die lange
Bfiihe der gegen die zootomische Praxis unserer Hochschulen erhobenen
Anklagen noch keineswegs gelten. Und wenn die medidnischen Facultäten
in den Vordergrund ihrer Erklärung die nachdrückliche Erinnerung an
ihre Verantwortlickeit dem Staat gegenüber zu stellen für gut beftmden
haben, so kann dieser Hinweis die Forderung gesetzlicher Massnahmen
nicht überflüssig machen, welche ihr Verfahren künftig hin einer schärferen
Controle unterwerfen.^'
Seblesisebe Zeitung Nr. 304 v. 3/7. 1878. „Wir wiederholen gern
die "Worte der Webe r'schen Flugschrift: „der menschliche Forschimgstrieb
ist eine schöne edle Eigenschaft, aber er hört auf, lobenswerth zu sein in
allen solchen Fällen, wo er nur noch auf dem Wege der empörendsten
Grausamkeit unser Wissen erhöhen kann", und wir begreifen und billigen
mit voller Ueberzeugung femer die entschiedene Abfertigung, die den Vivi-
sectoren unter den Physiologen auf ihre Ansicht, dass nur -Sachverständige
einTJrtheil über den Verth der Vivisectionen haben können, ertheilt wird:
, Jhr seid entschieden Laien und keine Sachverständigen in Sachen der
Moral, der Ethik und der Humanität, und dürfte daher in ethisch-mora-
lisehen Fragen, zu denen die Vivisectionsfrage doch auch gehört, ebenso*
vremg mitreden. WoUt ihr fortfahren, der öffentlichen Stimme zu trotzen,
welche unbedingt die Grausamkeit, in welchem Grewande sie sich auch zeige,
Terdammt, so sollte der Staat als Vertreter des öffentlichen Sittengesetzes
encb zwingen, eure Ansichten der öffentlichen Stimme unterzuordnen und
euch Selbstbeschränkungen aufzuerlegen, denn das öffentliche Bewusstsein^
das nttliche Gefühl der Majorität der Gebildeten steht über den Bechten
des Einzelnen, wie privilegirt auch seine Stellung sein möge, und die
Ffliditen der Humanität stehen über den Prätensionen wissenschaftlicher
Experimentirmanie." Einer Wissenschaft, welche Moral, Beligion, Huma-
müt, Philosophie für die grössten Hindemisse ihrer Entwickelung , ihrer
Eortsohritte, und die Ifitgüeder der Thierschutzvereine für „hysterische
Weiddinge und Pharisäer*' und, sofern sie Frauen sind, für „fanatische
Betschwestern" erklärt, — einer solchen Wissenschaft soUte man keinen
Groschen mehr für ihre Experimente bewilligen.'*
FnudoTarter Zeitiingr Nr. 51 v. 20/2. 1879. „Unter diesen Um-
stfinden ist es angezeigt, eine Eeihe von Thatsachen mitzutheilen , welche
die öffentliche Meinung vollkommen aufzuklären geeignet sind. Wir ent-
nehmen dieselben der neuerschienenen Schrift E. v. Webers, D. F. d. W.
Der Leser wird sich überzeugt haben, dass die Agitation gegen die
iW/VE UDn;'.aY. c :;ic;:t!= >i^Mi^%\T\
— 314 —
f
y.-S. eine sehr berechtigte ist. Es bleibt nur zu wünschen übrig, dm
^e auch auf dem Festlande zu ähnlichen Beibultaten wie in. England ge-
langen möge."
Selileswiger yaehriehten Nr. 49 v. 27/2. 1879. „Es dürfte an der
Zeit sein, dass das civilisirte Jahrhundert, das mit Mördern und Dieben,
Verbrechern und Schandbuben, die alles Menschliche verlernt und mit
Füssen getreten haben, die zarteste Schonung und galanteste Eücksicht
übt, dass es sich endlich auch dieser armen Thieropfer erbarme. Die
öffentliche Meinung ist ja eine Macht, wenn sie erst einstimmig dieser
Frage sich bemächtigt hat, wird ja auch der Erfolg schnell sich zeigen.
Wir empfehlen deshalb Weber's Schriftchen besonders den Thierschutz.
vereinen zur weiteren Bekanntmachung."
Sondershausen'sehes Begierongsblatt Nr. 22 vom 20/2. 1879.
„Weber's Schrift, welche Allen, denen Humanität und Christenthum am
Herzen hegen, empfohlen zu werden verdient, hat bereits einen grossen
Leserkreis gefunden und bei allen Lesern, falls sie nicht selbst Yivisectoien
waren, einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen gegen die Abscheolicb-
keiten, von denen die meisten kaum eine Ahnung hatten. Möge der Sturm
der Entrüstung nicht eher zur Buhe kommen^ als bis jene Greuel gründ-
lich und für immer beseitigt sind."
Sehmiedeberger Spreeher Nr. 483 vom 26/2. 1879. „Wer die obige
Schrift, die volksverständlich geschrieben ist, liest g wird zurückschandem
vor den Grausamkeiten, die verübt werden. Es wird den Lesern wohl
nicht schwer werden, sich darüber ein Urtheil zu bilden, ob die Thierschutz-
vereine Unterstützung verdienen, wenn sie gegen derartige Thierquäleieien
' ankämpfen und wenn sie ein Schutzgesetz vom Beichstag dagegen anstreben,
und ob die obige Schrift E. v. Web er 's Verbreitung verdient."
Hamburger Naebriehten Nr. 57 vom 7/3. 1879. „Zu aufrichtigem
Danke muss jeder humaner Begungen Fähige, jeder Thierfreund insbesondere,
einem Manne verpflichtet sein, der seit eioiger Zeit diese Frage aufs Tapet
gebracht und schonungslos diese Greuel ans Licht gezogen und der öffent-
lichen Beurtheilung zugängig gemacht hat, die im geheimnissvollen Dunkd
der physiologischen Laboratorien in majorem gloriam der Wissenschaft
bislang geübt worden sind und noch immer geübt werden. Die Weber- -
sehe Schrift bringt eine Fülle mit grossem Fleiss zusammengetragenen
Materials. Es erscheint wahrlich an der Zeit, dass auch in Deutschland
die öfTentliche Meinung eingehender der V.-S. -Frage sich zuwende und
eine Agitation in Fluss komme, die es sich ernstlich angelegen sein liesse,
dem bisherigen, aller Schranken haaren, Treiben der Vinsectoren nicht nur
in Worten, sondern auch durch die That entgegenzutreten. Vor Allem
müssten die deutschen Thierschutzvereine es sich zur Ehrenpflicht machen,
die Frage gründlich in Erwägung zu ziehen. Die Web er 'sehe Schrift aber
sei hiermit allen deutschen Männern und Frauen, denen Humanität kein
leerer Schall ist, ans Herz gelegt und dringend empfohlen."
— 315 —
Hamburger lUfcm Nr. G3 v. 14/3. „Fast in sämmtliehen Tagoa-
Uättem aller poliÜBchen fiichtangea werden Stimmen ge^n die Y.-S. laut
Gegen solche Zustande muss Front gemacht werden; derartige
Bestialitäten länger zu dulden, gebt durchaus nicht an. Die Vereine gegen
Ihifirqaälerei haben in erster Beihe gegen die Yivisectoren zu Felde zu
■dien, in zweiter Linie aber soll das grosse PubUkum seine Unterstützung
leUiBn und energisch fordern, dass die Thierwelt gesetzlich gegen die Bruta-
iUiten der 'Wlssmschaftler geschützt werde , die in vielen Fällen Nicht-
liBier aiger Sorte sind."
HlMbirgor FremdenbUtt Nr. 59 v. 11/3. „Der Kampf gegen die
V.-S. ist über den Kreis der Fachmänner längst hinausgetreten. Wir ent-
ifibmen eine Beihe Yon Thatsachen einer neuerdings erschienenen sehr
JeHOBwerthen Schrift: D. F. d. W. von E. v. Weber."
Leifariger ZeituBg (Wissenschaftliche Beilage Nr. 14) vom 16/2. 1879.
«Der YeiliEisser der vorliegenden Flugschrift, der bekannte Schriftsteller
1 T. Weber, hat die Agitation gegen die V.-S., deren wissenschaftlicher
Veftih und Nutzen für die Heilkunde zum Mindesten bestritten ist, deren
Fanmbarkeit mit den Grandsätzen der Beligion, der SittUchkeit und Moral
ihf o g e n kaom in Zweifel gezogen werden kann, durch einen im Thier-
fehatzverain in Dresden gehaltenen Vortrag mit Geschick eröffiiet und in
lier vorliegenden Broschüre, deren grösstmögliche Verbreitung im Inter-
MW der gaten Sache dringend erwünscht ist, mit Energie fortgesetzt
Wann man Kenntniss davon erhält, mit welcher Grausamkeit alljährlich
m den physiologischen Laboratorien der „civilisirten Welt" viele Tausende
gacade hochentwickelter und empfindsamer Thiere bei lebendigem Leibe
getehmtden und gemartert, in Brütöfen erstickt, denselben das Bückmark
dnrcfasehnitten, das Gehirn durchbohrt, die Nahrung entzogen wird, bis
ä» langsam Hangers sterben, Alles, irni eine neue physiologische Theorie
entweder za begründen, oder zu bekämpfen, so muss man gegen ein solches
lUen Hnmanitätsgnmdsätzen Hohn sprechendes Verfahren protestiren und
«ne geaetzliGfae Beschränkung der V.-S. fordern. Müssen solche
Berichte deatacher Gelehrten nicht den peinlichsten Eindruck auf alle
Di^jemgen hervorrnfen, die sich noch nicht zu der Anschauung emporzu-
Kinringen vermögen, dass im Namen der Wissenschaft Alles gestattet sei, selbst
dai LoBsagen von Sitte und Moral? Wir unsererseits wenigstens wünschen
ißt Agitation zur gesetzlichen Beschränkimg der \.-S. auf Grund unseres
Hnzens einen günstigen Erfolg."
Leiyiigar Naehriehten N. 42 vom 11/2. und Nr. 47 vom 16/2. 1879.
Jks Tei£a88er führt eine Menge von Beispielen an, die geradezu grässlich
lind und es dringend wünschen lassen, dass die auf Beseitigung solcher
entsetzlichen Thierquälerei gerichteten Bestrebungen von Erfolg begleitet
Miea. — Wird man auch von der Seite, gegen welche sich die in's Work
gaeetcte Agitation richtet, zunächst nichts Andres als überlegenes Achsel-
ncken oder höchstens den Versuch, sich mit dem Schilde der Wissenschaft
n decken, erwarten dürfen, so steht doch andrerseits mit Bestimmtheit
— 316 —
ZU hoffen, dass es der Stimme der öffentlichen Meinimg gelingen we
selbst bis in die physiologischen Laboratorien unserer Hochschulen
dringen und das Gebot der Humanität auch an diesen Stellen laut
nachdrücklich zu verkünden/'
Leipzigrer Tagreblatt Nr. 69 v. 10/3. 1879. ,J)ie Qualen und Mart
welchen die Thiere durch die Y.-^. ausgesetzt sind, müssen jeden fühlen
Menschen mit' Entsetzen erfüllen, und es ist Herrn y. Weber aufrid
dafür zu danken, dass er diese Angelegenheit in gewandter und berei
Weise vor das licht der Oeffentlichkeit gezogen hat Wir sind der Ansi»
dass der Streit nicht ruhen darf, dass er aber dahin geführt werde,
er allein einen practischen Erfolg haben kann: vor die Begierungen,
die Ständeversammlungen.''
Dresdner Journal Nr. 52. v. 4/8. 1879. „Es sind wohl nur wen
Xeser dieses Blattes, denen nicht bereits die Web er 'sehe Schrift ni
die Hände gekommen wäre. Auch der Unterzeichnete hat die Broscht
welche einem Arzte nichts wesentlich Neues bieten konnte, durchgeles
Möge Niemand über die Sache ein ürtheil fallen, der den Inhalt des Bue
nicht kennt. Der Verfasser bringt eben Thatsachen, denen man allerdii
eine auf Effect berechnete Zusammenstellung zugestehen muss, aber es s
doch im Wesentlichen nicht wegzuleugnende Thatsachen, und — Thatsad
sprechen. Jeder Mensch — sei er Arzt oder Laie — der noch 'för
Eegungen des Gefühls und Gewissens empfanglich ist, muss bekem
dass die Herrschaft des Menschen über die Thiere nicht in einer sold
unbeschränkten Weise aufgefasst und ausgeübt werden darf, und dass
diesem (rebiete auch in Deutschland- eine Aenderung gewünscht wen
muss, um so mehr, da die für das Wohl der kranken Menschheit erziel
Besultate dieser lOOOfachen, oft nur von Schülern und Stümpern un
nommenen Versuche bis jetzt in gar keinem Verhältnisse zu der Grau»
keit und Gefühllosigkeit stehen, die dabei zu Tage treten. Für die Aei
besonders die werdenden, haben diese Experimente, welche in der neuec
Zeit die ungeheuerlichsten Blüthen treiben, oft noch den ganz specie
Nachtheil, dass sie das sittliche Gefühl allmälig abstumpfen. Es i
überhaupt nur wenige Fragen der rein ärztlichen Wissenschaft, und i
vorzugsweise aus dem Capitel der Vergiftungen und der Verletzun;
sowie der Helminthologie, welche ohne Experimente an lebenden Thi*
nicht gelöst werden können — wenn sie überhaupt von uns zu lösen e
Am allerwenigsten aber ist Jedermann befugt, die Marterschrauben
wissenschaftlichen Forschung an den vollkommensten Geschöpfen der Tl
weit immer und immer wieder anzusetzen, um oft nur Hypothesen
zubauen, die der nächste Experimentator ivieder umstürzt. Wie niei
und nirgends, darf auch hier nicht der Zweck die Mittel heiligen."
Dresdner Naehriehten Nr. 44 vom 13/2. 1870. „Ein Schand
unserer Zeit ist die grauenvolle Thierquälerei, die von Männern der Wis
Schaft angeblich im Dienste der Wissenschaft geübt wird. Das deut
Volk hat gar keine Ahnung von den haarsträubenden Greueln, welche
— 317 —
itglhmligteii' Hmaem der Tempel der Wissenschaft in sich hergen. Als
itiger Streiter g^en das barbarische Unwesen der Vivisection steht
Deatsdiland E. r. Weber, der Verfasser der vorliegenden Schrift Aus
dieser Schrift erfahren wir, dass auch in uuserm Yaterlande unter dem
itel der Wissenschaft Thierquälerei in entsetzenerregender Weise
in ganz ansaerordentiichem Umfange getrieben wird. Herr v. Weber
ein Werk äditer Menschlichkeit begonnen, dem sich die Sympathie
ünterstfitzmig aller ethisch fühlenden Menschen zuwenden muss."
Aaslaad (1879 S. 192 — 5. „ Culturgeschichtliche Bandglossen von
|& T. Hellwald'*.) „Herr E. v. Weber, dem wir ein trefPliches Buch
ite seinen 4jährig6n Aufenthalt in Südafrika verdanken, ist kürzlich mit
{nur Ehigschiift vor das Publicum getreten, in welcher er die bei den
I iddam gewordenen Vivisectionen begangenen scheusslichen Greuel bloslegt
irgend wie Eeinfühlender wird Herrn v. Weber's schauderhafte Ent-
[MBhiägeii lesen können, ohne mit ihm in den Wunsch nach Unterdrückung
Giansamkeiten aus vollem Herzen einzustimmen, v. Web er 's
t, deren Leetüre dringend zu empfehlen ist, kostet blos 60 Ff. Wir
i%flm vollständig seine Ansicht, wenn er fragt: „Ist die absolute Herzens-
• laliirtiing , die Gefühls- und Mitleidslosigkeit , die durch das häufige
ianlien und Mitausüben von Vivisectionen in den jungen Studirenden
ivMedidn grossgezogen werden, für die gesammte Gesellschaft nicht von
dem verderblichsten Einflüsse?*'
ülmer Selmellpost Nr. 43 v. 11/2. 1879. „H. v. Weber hat in seiner
liSdist verdienstvollen Schrift sich eingehend über die Barbarei der Y.-S.
mfaieitet and wollen wir nicht unterlassen, dieselbe bei dem billigen Preise
Jedirmann zu empfehlen."
FfUiMr Courier Nr. 45 v. 22/2. 1879. „Man klagt heutzutage so
' nA über die zunehmende Verrohung und Verwilderung ; aber wenn von
«^genannten (rebildeten solche Greuel kaltblütig verübt werden, was für
ftfidite kann man von minder Gebildeten erwarten? Wir empfehlen das
lüge Sohriftchen allseitiger Beachtung.
A]i]|MiiBeller Tolksfreund Nr. 21 v. 12/3. 1879. „Ein Nothschrei
«ito die Grausamkeit gegen die Thiere. Unter den vielen Uterarischen
Zosendungeii, die einer Bedaction zukommen, verdient seit langer Zeit
hanß eine solche Aufinerksamkeit wie die Schrift: D. F. d. W. von
£. v. Weber. Die wirklich haarstreubenden Grausamkeiten, von denen
W. erzählt, entfallen zu einem guten Theile auf Schweizerboden; es liegt
k der Ehre des Scbweizervolks , der Barbarei entschieden Einhalt
m gebieten.*'
Oberaargauor Tageblatt Nr. 42 v. 19/2. 1879. „Wir empfehlen
dringend das bereits in 5. Aufl. erschienene und in viele fremde Sprachen
übersetzte humanistische Werk: D. F. d. W. von E. v. Weber. Gegen
dieees fluchwürdige Verfahren der V.-S. sollte mit den härtesten Strafen
eingeschritten werden. Der Vivisector sollte überdies den Abscheu und
die Verachtung der Gesellschaft zu fühlen bekommen. Sollten die
— 318 —
Deutschen, sollten die Schweizer weniger Gefühl haben als die Engländc
Wir empfehlen die Weiterverbreitong der Schrift allen humanen Mämu
und Frauen, um auch bei uns eine wirksame Agitation zum Schutze
Thiere vor solchen Ausschreitungen der Wissenschaft in Muss zu bring8n«1j|
Präger Bohemia Nr. 56 t. 26/2. 1879. „W.'s Schrift vertritt
grosser Wärme die Anschauung, dass in der Yivisections- Frage der TOOlg
geschützte höhere Zweck unmöglich die grausamen Mittel heiligen kömul;
und dass hier der unmoralische Auswuchs einer vom ^ttengesetze hm^
gelösten, verwilderten Wissenschaft vorliege. Gleichzeitig führt der mel
Thierschutzvereinen angehörige Autor mit Berufung auf mannigfaltige
männische Aeusserungen aus, dass die Besultate der Yivisectionen einaac
in der buntesten Weise durciikreuzen und in ihrer Divergenz, in
Geringfügigkeit durchaus in keinem Verhältnisse stehen zu dem gnadloa»
waltenden riesigen Apparat der angewendeten barbarischen Mittel.^'
Wiener Telephon v.. 10/10. und 10/12. 1878. „Wenige Yorträgb, die
auf dem Gebiete der Kunst, Literatur und der exacten Wissenschafteoi
gehalten werden, tragen den Stempel des Werths und der Dauerhafdgkeztr '
in sich. Anders verhält es sich mit dem Vortrage E. v. Weber's, dessettj
Werth selbst nach Jahren nicht erbleichen, sondern bei seiner stel
Verbreitung auch immer in weiteren Kreisen gewürdigt werden winL^
Wir wünschen, dass diese literarisch mit grösster Sorgfalt,
kenntniss und warmem Gefühl und Gründlichkeit zusammengestellte, jedock •
wir möchten fast sagen: entsetzenerregende Arbeit den weitesten Kreisea
zugänglich gemacht werde."
Wiener Kikeriki Nr. 22 v. 16/3. 1879. „Die medicinischen
Facultäten der 18 Universitäten und — die Vivisectioiu'^
„Das ewig wiederkehrende Schicksal der Opposition gegen vorgefasste
Meinungen vollzieht sich soeben wieder. Kaum hatten edle deutsche* |i
Menschenfreunde von dem erhebenden Beispiele der englischen ThierschutB- '
vereine Notiz genommen, und kaum begannen sie, den Schutz der Beichs-
vertretung für die Thierwelt gegen die im Namen der Wissenschaft in 1
Scene gesetzten Grausamkeiten anzurufen, so sind schon die obengenannten '
Facultäten hinter ihnen her, um die ganze Agitation gegen jene Thieiy
Schindereien als ein Attentat auf den Fortschritt der Wissen-
schaft zu bezeichnen.'* •;
Fortschritt der Wissenschaft! Wir danken für eine Wissen-
schaft, die sich zuerst aller menschlichen Empfindung, jeder Eegung des
Herzens, aller Stadien des Mitgefühls begeben müsste, um Besultat»
zum Segen der Gesellschaft zu erzielen! Wenn man sich stolzerfüllt
darauf beruft, dass man die Vivisection nur zum Wohle der Menschheit
betreibe, dass man die Thiere nur deshalb bei lebendigem Leibe zer-
schneide , sie in starkgeheizten Oefen dörre oder sie im halbverreckten
Zustande noch etliche Tage liegen lasse, um die Wirkungen aller dieser
Martern im Literesse der Menschheit zu belauschen, dann frage man
die Menschheit doch erst, ob sie begehrt, dass ihretwegen derartige Mar-
— 319 —
Im ins Werk gesetzt werden sollen? Kein Mensch, — dafür bürgt das
iGottesgeschenk in jedes Irdischen Brust; das Herz. — könnte sich einer
iTerlSngemng von etlichen Standen freuen, wenn er wüsste, dass sie
Tansendoi von Gräueln erkauft ist, die im Dienste der Humanität
ladit da ?) an armen Thieren begangen worden sind, dass seinetwegen
liebendes Geschoi^ mit zusammengeschnürtem Maul in den Schraubstock
und unsagbar gequält worden ist.
Was soUeo. wir aber erst zu der geradezu drastischen Behauptung
weldie die oben angeführten Facultäten, einerseits zur Einschüchte-
der TliierschutzTereine, anderseits zur Niederhaltung der Volksyei^
l, mit editer Bector magnificus-Grandezza in's Gefecht bringen, zu
mit eitler Professorenweisheit in öffentlichen Blättern niedergelegten
dass die Viirisections-Institute staatliche Einrichtungen seien,
die Section lebender Thiere von Staats wegen geschehe, und dass
Viriseetion von staatlich autorisirten Persönlichkeiten betrieben
I?
Off wohlweisen Facultäten, wem wollt Ihr denn mit dieser Hinweisung
den Staat eigentlich imponiren? Hat der Staat als solcher, ob wir
die Thaten des unsrigen oder jene anderer Beichsverwaltungen im
?or unseren Augen Bevue passiren lassen, im Laufe der Jahr-
nicht tausenderld Ungerechtigkeiten begangen?
Verbrannte der Staat nicht Hexen und zwang er nicht die Juden,
im Abzeichen zu tragen? Verfolgte der Staat nicht Lutheraner und
lossüen, sind die Inquisitionstribunale etwa keine Staats-
nstalten gewesen? Waren Eeuschheitscommissionen, Pranger
od Kriegsgerichte nicht staatliche Einrichtungen, waren der „Zwick
& die rechte und der Zwick in die linke Brust*' ?or einer
miiditiuig mittelst Bades etwa nicht „gesetzlicher Gerichts-
esehlass?'*
Welch* kurze Zeit trennt uns von jener Periode, in welcher der Soldat
njnger Vergehen halber die Prügelstrafe erdulden musste, der Deser-
nr mit zerfleischtem Bücken nach vollbrachtem Gassenlaufen im Kasernen-
ofe zusammenbrach, von jener Periode, in der die Erzählung von den
eiueckan der Spielberg -Gefangnisse vorgeschrittenen Nationen Angstrufe
es Entsetzens abgepresst hat?
Und alle diese „gesetzlichen Dinge" haben doch von Staats-
re gen bestanden. Der Staat nagelte einst dem Fleischhauer, der seinen
Anden am Gewicht verkürzte, das Ohr an seinen Laden, der Staat
gttote seinen Volkshelden Andreas Hofer nicht aus der Gefahr, der
taat hatte die Kettenstrafe eingeführt, die Tortur erfunden, der
taat knebelte im Vormärze die Presse — der Staat hat, kurz gesagt,
Huiehes grosse Unrecht begangen.
Wie können also Universitäten, auf welchen Geschichte und B e ch t
dehrt wird, sich auf den Umstand berufen, dass der Staat zufälligerweise
odi eine Unsitte duldet?
'• I
:?••!
Deutsclu'ii. -«•■!' r r»^^i«^rt wurdo; nun -v^ird er ab
Wir oin|»t'*i.]»«ii ....-r. dass unser Kaiser, «i-r so vie
und Fraut/u , .'t*berbleibs(d einer verr«.'ttvtfn Epod
Tliier«' vnr .-.«.l-' , i-seitigt und das Segenswv»rt ..Civilis
Prair«T '^ ' ;. ;a:. auch den in seinem Reiidie lebende
;.T«'<- r \\ ..'it'm irleich Mens<'lien empfindenden ThierE
i."*>'f »'■ • ■ ... "..issen.
• Vivisection, so weit ilirer der Furseheigei
•..:r'i-rn. wie wir sie heute in einem ander
.tiTkammern") erzählen, sind ein Sc^handnc
/.■■ Humanität den Stab brieht. und es wii
'v:s:»*r Volksvertreter sein, die ,,Vivis»*etion" imt
.i,«-u. damit sich nicht einseitige Xouj^ierde od
-.^x.it Ibor die Civilisationsideo der (Jegenwart stelle
s i! yiu'ultäten von Basel, Beni, Bonn, Dorj)at, Erlang*«
..H.*;ilde. Halle, Heidelberg, Kiel, Königsberg, Leipzi,
*•:»*:. Wien und Zürich — da haben Sie nun auch d
• i^ii^r Extrablatt v. 5/1. lüTi». ,,Der Verfasser di
Menschheit zu einem Kreuzzuge ixo^rtm <lie gelehrte
•r illustrirt seine Schrift durch Aufzählung von wirUie
'i. von denen in den Bericliten der Forscher üIk
N. -.u-htungen" mit \ielem Gleichmuthe erzälilt wird.**
^ . ./• von W e b r ' s Selirift brachten die W i e n e r d e u t s ch
. : :s7*> und das Telephon vom 10,12., 25 12. 1^7^10,1
V «lv»»^*- ^ '• -•*• »«^^IJ^ haben in der letzten Nummer davon Noti
..ux.N sich eine Anzalil von medic. Facultäten krampfhaJ
, V.-S. beschränkendes Gesetz streubt und <lass die hoc!
.-. ivii in ihrer Erklärung mit Geringschätzung auf alle Jen
» 'i'^-kon , die sich unterstehen wollen, den Segen der Vivise«
'.»eifehi. Jedenfalls haben die wolüweisen Herren jetzt, w
,ti Krankenbette des berühmten russischen Hausknechts 8
\ . .:,»n Charakter von dessen Krankheit herumstritt , einen seh
\ •• VugiMiblick zur Betonung ihrer rnfehlbarkeit gewählt, wd
. .• .isi die rrofossorenaut«»rität dur<'li die verschiedenen, sid
. • ^. ..;.'v.;borstehenden , Petersburger Diagnosen heute melir als j
,' • '.<*.. St) gut sich ab(»r Professoren irren können, wenn sie da
^ V- »oevchnen, was Andere als schlichte Svi)hilis definiren, ebenfi
• -. .:."'..'n aui'h bei der Vertheidigung der V.-S. bedeutende Schnitze
.• .:,•: Vi;vsordnung sein und wir ziehen es daher vor, uns jenen ebens
. ...,4....... .*:< erfahrenen Anatomen wie Kokitanski und Anderen anz\
Mh'.j**>si'n. welche in dieser „staatlich" zugestandenen ,,Forschungsstudi(
•!u-!its ;iN »:»Mnuthsverwildernde Akte medicinischer Neugierde, ab<'r keine
lu-oN »sMon 5H»gou für die Menschheit erblicken.'*
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amdmmt. indem mac t-ic d^x Wirbme^rn. die in dem einen
h e nwybiJÜi t werd« . asf dir;'*n:g«rD schbäSet . welche man in
aadem Zutand erf<%n steht. — Dbes^ Imhimi wird in der That
nur ID oft begangen imd ..Hekau^mben" t^« Tiexföse^m und anderen
in einem Zmtand ToDk«misrner «[iesondheit werden gemartert in
ä Weiae. um fE«tm£lellen . was niemals festgestellt
irden kann und wenn die VersncLe bis zu dem Ende aller Dinge
wfirden : ich meine die Wirtüng gewisser Ursachen anf Mnen
irper liehen Krankheitszostand der Menschen nach ihrem Einflüsse
den gesunden Körperzostand eines Thieres.**
*) Siehe die 6. Auflage des berühmten Ho oper's medical ffk-iiamfty
8. 148—149.
21
322
Stimmen der Presse
über Ernst von Weber's „Vier Jahre in Afrika".
(Leipzig« Broekhans 1878. 2 B&nde.)
OlBisebe Zeitangr No. 163 v. 13/6. 1878. „Weber's Berichte
hören zu dem Eingehendsten und Anziehendsten, was von deutscher Fe
über Südafrika geschrieben wurde. Es liegt darin ein dramatischer I
imd eiae Frische, die den Leser fortwährend in Athem hält."
Hambnrger yaehrieliteii No. 150 v. 26/6. 1878. (Von Ger ha
Bohlfs.) „Die Leetüre v. Weber's Buch ist nicht genug Denen
empfehlen, welche meinen, dass die Grösse und Machtstellung eines Voll
zum grössten Theil durch Colonialbesitz gehoben und gefordert wer(
können. Auch Die, welche am meisten gegen Colonisation eingenomn
sind, werden durch die Ausführungen des Herrn v. Weber überzei
werden, dass eine rationelle Colonisation fürs Mutterland nur vortheüh
sein kann."
Natnr Nr. 26 v. 25/6. 1878. „Das Ganze von Weber's Buch bil(
eine Fülle von Leben, das sicher jeder einmal gern an sich vorüberziel:
lässt, dem der afrikanische Welttheil der einer grossen Zukunft ist. '.
der Verfasser im Eeisen überhaupt kein Neuling mehr war und sdi
Blick schon auf vielen anderen Eeisen, auch in Amerika, für ein reife
Urtheil geschärft hatte, so wird man ihm sicher mit um so grösserem '.
hagen folgen, als er sich überall einen deutschen Sinn bewahrte und die/
häufig zur Folie patriotischer Betrachtungen macht, womit wir sein W(
unserm Leserkreise empfohlen haben wollen."
Nationalzeitmigr No. 304 v. 30/6. 1878. „Weber ist ein wisse
schaftlicher Bdsender, der es versteht zu belehren ohne langweilig
werden, der gut schildert und gut unterrichtet ist."
Augsburger Allgrem. ZeitangT) Beilage, No. J90, Juli 1878. „Es
nicht eine trockene Beschreibung von Land und Leuten, von deren Siti
und Gewohnheiten und Aehnliches was W. seinen Lesern bietet, sond(
das wirkliche Leben , und das ist es was solche Bücher zu einer so ]
ziehenden Leetüre macht. — Da bei der steten Zunahme der deutscl
Bevölkerung Auswanderung nicht zu umgehen ist, weil die Subsistenzmii
und der Nahrungsspielraum nicht in gleichem Masse wachsen, so plä^
der Hr. Verfasser in wärmster Weise dafür, dass die Eeichsregierung
Organisation der Auswanderung in die Hand nehme, um die Auswande
mit dem deutschen Vaterland in Verbindung zu erhalten."
Orenzboten HI, 1878, No. 27. „Ein sehr interessantes Buch, :
dem wir unsere Leser noch mehrfach zu beschäftigen gedenken. Kui
losigkeit, absolute Wahrhaftigkeit, rückhaltlose Offenheit zeichnet di
Berichte aus, die daneben doch sehr lesbar und fesselnd geschrieben si
Was aber vor Allem diesen beiden Bänden ihren besonderen Werth ^
leiht, ist die Thatsache, dass hier wohl der erste Reisebericht von solcl
— 323 —
Umfange und von oinem so kenntnissreichen Manne voriiegt, aus deut-
scher Feder über Lander, Zustände und Völker, die bisher literarisch,
wie leider mehr und mehr auch politisch, die Domaine der Engländer ge-
worden sind."
Allg. literar. Woeheiitaiehte No. 1, 1878. „Das Werk enthält
einen Schatz interessanter Erfahrungen."
Dentselier Baieluuiiizeiger No. 121 v. 24/5. 1878. „Der Verfasser
bat in Südafrika mit Fleiss statistisches, yolkswirthschafÜiches und histo-
risches Material gesammelt, — — was um so willkommener ist, als es
bisher an . Schilderungen aus jenen Ländern vom deutschen Standpunct
ans noch fehlte."
Horclieatsehe Allireiii. Zeituig No. 130 v. 4/6. 1878. „Wir vertiefen
uns an der Hand der lebenskräftigen Schilderungen des Verfassers so sehr
in das abenteuerliche Treiben der fernen Zonen, dass uns, wie dem Erzähler,
4ie Zeit im Fluge dahinrauscht Der Verfasser verfugt über ein so ausser-
ordentlich reichhaltiges und originelles Material, dass der Leser alsbald
-gewahr wird, wie er es hier mit einem hochgebildeten und fein beobach-
tenden Menschenkenner zu thun hat. Li dem ganzen Buche herrscht eine
&it dramatische Anschaulichkeit"
NMues Wiener Tageblatt No. 152 v. 4/6. 1878. „K v. W's. 4 Jahre
in Afrika bilden wohl eines der amüsantesten Bücher der neuesten Beise-
Kleimtar."
Land und Meer No. 41 1878. „Wir vermögen nur zu sagen, dass
^e Behandlung des Stoffes, was Beichhaltigkeit der Mittheilnngen, Charak-
toistik des Fremdartigen , . Leichtigkeit und Gefälligkeit der Darstellung
bvbxfffc, der vielgelesenen Beise HUdebrandt's „um die Erde" ähnelt.
Traber' s Werk unterhält nicht weniger als jenes Buch, es belehrt aber
A&C^ehender, und beruht auf einer sicherem Grundlage, als die liebens-
uMigin, docii meistens im Mug aufgehaschten Beiseskizzen des leider zu
hSk verstorbenen Malers."
WeimariselM Zeitung No. 172 v. 26/7. 1878. „Der gegenwärtige
iortand und die zukünftigen Aussichten der Kaffemrasse, die seit dem
neoausgebrochenen Kaffemkriege die Aufmerksamkeit des europäischen
JMblicums wieder so lebhaft .auf sich zu ziehen begonnen hat, bildet eines
ikr Hauptthemata des 2. Bandes. Grosses Literesse dürften die in Cap. 25,
'S9 und 81 ausgesprochenen und eingehend motivirten patriotischen Ideen
W.'s erregen. (Organisation imd CentraJüsation der deutschen Auswande-
zong bebufe der Eindämmung der gefahrvollen, Deutschlands Zukunft so
einstlich bedrohenden, socialistischen Bewegung.)"
Sataidaj Review No. 1186 v. 20/7. .1878. (London). „W. ist ein vor-
ligUcfaeorBeisesdiriftsteller, gefühlvoll, heiter und beobachtend, voU Herzens-
gute und warmem Patriotismus. Ueberall finden wir ihn als einen intelli-
genten und glaubwürdigen. Begleiter." .
WeaovZeltnng 11297—8 v. 27. u. 28/6. 1878. „Ws. Berichte sind
öiach, voll Unparteilichkeit und Treue. Wohlthuend berührt uns als
21*
— 324 —
Deutsche auch der Patriotismus, von dem er durchglüht ist. Die Stimme
eines Mannes, der auf vieljährigen Beisen eine Fülle von Einsicht und
Erfahrungen gewonnen hat und sich als ein guter deutscher Patriot be-
kundet, ist höchst beachtenswerth/'
Hambiirgiseher Correspondent No. 190 v. 11/8. 1878. „Was
Weber' s lebendigen und fesselnden Schilderungen noch eine besondere
Anziehungskraft verleiht, das sind die Beflenonen und Besüme's die er
an seine Betrachtungen vcm Land und Leuten anreiht. Durch das ganze
Buch zieht sich ein warmes patriotisches Grefühl.*'
Dresdner Journal No. 218—20 v. 18-20/9. 1878. „W. übte sich
schon früher auf amerikan. Boden in der Touristengeschicklichkeit von
grösserem Styl und ist in Afrika in der Schule gefahrvoller Kreuz- und
Querzüge, peinlicher Hindemisse und oft herabstimmender Erfahrungen
zum Bravourreisenden geworden, der sich mit geschickter Ausdauer durch
die Welt zu schlagen versteht, ohne guten Muth und Hoffnung zu ver-
Heren. Ein willkommener Zug des W.'schen Buches ist es, auch die
Lichtseiten und Naivetäten im afrikanischen Volksleben unbefangen hervor-
zuheben."
Globus No. 11 1878. „Was vor Allem eindringlicher Beherzigung
werth ist, sind die Cap. 25, 26 und 31 (über die Wünschenswürdigkeit
baldigster Erwerbung von Colonialbesitz für Deutschland). Wir empfehlffli
das anziehende W.'sche Buch, aus dem eine scharfe Beobachtungsgabe,
ein weiter politischer Blick und viel Welterfahrung sprechen, unsem Lesern
auf das Angelegentlichste."
Kaiser!. Wiener Zeitungr v. 19/9. 1878. „Dieses Werk verdient unser
Interesse in besonders hohem Grade. , Alle Schilderungen sind in einfacher
aber recht ansprechender Weise gegeben."
Oesterreieh. Monatsselirift für den Orient No. 7 v. 15/7. 187S.
„Mit Befriedigung begrüssen wir das Erscheinen des Weber' sehen
Werkes. Neben den vielen interessanten statistischen und national-
öconomischen Details finden sich ebenso werthvoÜe Daten in naturwissen-
schaftlicher und ethnographischer Eichtung; das Ganze ist in angenehmer,
stellenweise pikanter Form geschrieben."
Literarisehes Centralblatt No. 42 v. 19/10. 1878. „Unter
diesen Umständen müssen wir es als ein besonderes Glück schätzen, dass
durch das vorliegende Werk uns die sichersten Aufschlüsse über die ge-
sammten Verhältnisse Südafrikas gegeben werden, deren Werth um so
höher anzuschlagen ist, als die Berichte des Verfassers den Stempel der
Glaubwürdigkeit tragen."
Ausland No. 42 v. 21/10. 1878. „Weber's Buch gehört zu den
unterhaltendsten und zugleich in mancher Hinsicht belehrendsten die wir
besitzen."
Leipziger Zeitung No. 86 v. 27/10. 1878. „Die Weber 'sehen Be-
richte halten gerade die richtige Mitte zwischen einseitig gelehrten und
einseitig unterhaltenden Reisebeschreibungen. Auch die Männer der Wissen-
— 325 —
Schaft werden in ihnen eine reiche Fundgrube finden. Dabei geht durch
das Buch ein äusserst wohlthuend berührender frischer nationaler Zug;
Weber fühlt sich als Angehöriger einer grossen Nation, der er auch in
jenen fernen Wolttheilen einen Antheil an der inhaltschweren grossen
Culturmission verschaffen möchte, welche daselbst bisher die Engländer
monopoUstisch für sich in Anspruch nahmen. Mit Becht beklagt Hr. v. W.
die Gleichgültigkeit des grossen deutschen Fublicums in Bezug auf die
Auswanderungsfrage. W. hat in seinem trefiTlichen Buche die Zwecke
wissenschaftlicher Forschung und gediegener Unterhaltung sehr glücklich
in Einklang zu bringen gewusst."
TerhandluDgen der Gesellsehaft fflr Erdkunde in Berlin Nr. 7 u. 8
1878. „Der passionirten Liebhaberei des Diamantengrabens, welcher der
Verfasser sich jahrelang hingab, verdanken wir die eingehendsten Berichte
über das Leben auf den Diamantenfeldern, die den Leser durchw^ fesseln
dürften." — —
Wir bedauern mit dem Verfasser die Folgen der Eücksichtspolitik
zu einer Zeit, wo die Erwerbung der Delagoa-Bai der deutschen Aus-
ivanderung unstreitig ein höchst nutzbringendes Terrain eröffnet haben
würde; wir bedauern dies um so mehr in diesem Augenblicke, wo der
Erwerb eines eigenen, uneingeschränkten Besitzes in einem relativ gesunden
Xlima und in einem culturfahigen Grebiete jedenfalls zur Losung der
schwerwiegenden socialen Frage wesentlich beigetragen haben würde."
An die Eedaction des Leipziger Tageblattes.^)
Entgegnung und Berichtigung von Ernst von Weber.
Von einer mehrtägigen Eeise nach Dresden zurückgekehrt, fand ich
hier No. 342 Ihres Blattes vor, worin ein Anonymus mich mit den ge-
hässigsten Verdächtigungen und Verleumdungen überhäuft. Eine Eedaction,
^) Die Bedaction des Tageblattes hat es für gut befunden die
Aufnahme dieser E. v. Weber 'sehen Erwiderung zu verweigern. Die
Motivirung dieser Verweigerung, die uns im Original vorliegt, ist zu charak-
teristisch, als dass wir sie unseren Lesern vorenthalten möchten; der
Wortlaut ist folgender:
Nach Lage der Sache halte ich es für Pflicht, um alle Zweifel im
Publicum zu verhüten, nur solche Einsendungen aufzunehmen, welche
für die Berechtigung der Vivisection sich aussprechen.
Leipzig, d. 13. December 1879.
F. Hüttner, Red. des TagebL
Wir bemerken, dass ausserdem noch Strafantrag gegen die Eedaction
des Leipziger Tageblattes sofort eingeleitet werden wird. Dr. Voigt.
Zum Beweise der Gesinnungstüchtigkeit und Consequenz des in der
Vivisectionsfrage vom Eedacteur des Leipziger Tageblattes eingenommenen
— 326 —
die dergleichen heftigen persönlichen Angriffen ihre Spalten öfßaet, ist ge-
setzlich verpflichtet, eine Entgegnung des Ai^egriffenen anfzunehm^, und
dies nmsomehr, wenn es sich um die Berichtigung falscher Behauptungen
handelt. Ich hitte daher um die sofortige Inserirung der folgenden Zälen.
Auf den sachlichen Inhalt der drei ersten Spalten näher einzngehefn,
wurde soviel Drucktext erfordern, dass der für eine Zeitungsentg^^ining
zulässige Baum 20 fach überschritten werden müsste. Ic^ muss daher alk
Diejenigen, die sich durch die mit solcher Sicherheit hingestellten Bebaflp-
tungen des Anonymus blenden lassen, darauf hinweisen, dass die Sdunffcen
der Doctoren der Medicin: Jatros, Hammer, Grysanowski, Voigt
und Nagel alle jene apodiktischen Behauptungen gründlich und scdilagend
widerlegen. Ob Anonymus es refüsirt, diese ärztlichen Schriftsteller als
IW^hautoritäten anzuerkennen, bleibt für die Sache selbst ganz glei<^gfilt^.
Jeder ürtheilsfäliige kann sich für wenige Groschen selbst davon über-
zeugen, ob jene ärztlichen Schriftsteller die Geringschätzung verdieiMn, die
Anonymus ihnen zuwendet. Es ist im Anfange einer jeden neuen Be-
wegung schwer, gegen den Strom zu sdiwimmen, und deshalb ver£en6&
die edlem. Humanitätskämpfer , die unter unseren deutschen Aerzten geg«fl
die wissenschaftliche Thierfolter auftreten, desto mehr Anerkemmi^ f&r ün
muthvoUes Wagniss, der blinden AutoritätsglSubigkeit der einer Mode«
richtung huldigenden Menge mit kritischer Ürtheilsschärfe entgeg^h
getreten zu sein und die wissenschaftliche und ethische YerweTflidikeit
der Vivisection im Grossen und Ganzen (mit nur wenigen Ausnahmefallen)
in einer, dem gesunden Menschenverstände denkender Laien vollständig
genügenden, Deutlichkeit nachgewiesen zu haben. Statt jenen arztlichen
Schriftstdlem mit hochfahrendem Unfehlbarkeitsbewusstsein jeden autori-
tativen Charakter abzustreiten, ihre Namen zu discreditiren und zu be-
schimpfen und ihre so unwillkommenen Schriften cänfach todtzuschweigen,
würde es klüger und würdiger sein, ihre zahlreichen und gewiclit%«i
Argumente aufinerksam zu prüfen und zu widerlegen. Dies hat aber noeh
Keiner der Herren Vivisectionskämpfer gethan, und Derjenige, der waiig-
stens einen Versuch dazu machte, Herr Prof. Heydenhain in Breslau,
ist von Dr. Grysanowsky in dessen kürzlich erschienener Schrift : „Die
Ansprüche der Physiologen" sehr gründlich zurückgewiesen worden. Diese
Schrift des Dr. Grysanowsky scheint übrigens dem Anonymus ganzlich
unbekannt zu sein, denn er erwähnt nicht einmal des blosen Namens
ihres Verfassers! Nun freilich, es ist weit bequemer, über den Laien
herzufallen, der das Majestätsverbrechen gewagt hat, einen Belenchtnngs-
strahl in die dunklen Marterkammem einer entmenschten Wissenschaft
hineinzuwerfen, und ebenfalls ist es weit leichter, in verha magistri zu
schwören und sich um die ärztiiche antivivisectionistische Literatur gar
nicht zu kümmern, als sich der mühsamen Geistesarbeit zu unterziehen,
Blandpimkts verweise ich auf meine oben (S. 1 0) mitgetheilten Worte vom
10. Hirz d. J. in demselben Blatte. Z.
— 327 —
ihre mit grösster Sachkenntniss und Gründlichkeit geführten wissenschaft-
lichen Deductionen zu widerlegen. Nach Anonymus müssen offenbar
die 70 englischen Doctoren der Medicin, die vor 2 Jahren eine Petition
gegen die Vivisection unterschrieben, femer die 150 Londoner Doctoren,
die sich in ein für Gegner der Vivisection öffenflich ausgelegtes Buch
einschrieben, und die 500 englischen Thierärzte, die bei der französischen
Begierung um Abschaffung der Vivisection in den französischen Thier-
arzneischulen petitionirten , sämmtlich krasse Ignoranten sdn! Nur die
augenblicklich bei uns herrschende deutsche Vivisectorenschule hat das
Licht der Wahrheit erkannt, jede zweifelnde oppositionelle Stimme unter
den Aerzten muss dagegen scheu verstummen. Und nun gar mit den
Laien, die im Namen des beleidigte öffentlichen CrefÜhles das Wort er-
greifen, muss kurzer Process gemacht werden! Man überhäuft sie mit
Beschimpfungen und Verleumdungen, legt ihnen Behauptungen in den
Mund, die sie nie ausgesprochen haben, und bezeichnet sie kurzweg als
dem Gemeinwohl gefährhche Menschen. So ergeht es mir von Seit^i des
Anonymus, denn während fast sämmtliche regierenden deutschen Fürsten
mir für meine , J^olterkammem*' anerkennend gedankt und zahlreiche hoch-
gestellte deutsche Männer und Frauen mir ihre herzlichen Sympathien
dafür ausgedrückt haben, beliebt es dem Anonymus, mich schlechthin der
„absichtUchen*' und „böswilligen Föbel-Aufhetzerei'* zu beschuldigen.
Jeder nicht a priori fanatisch gegen meine Bestrebungen Eingenommene
muss bei ruhiger Durchlesung meiner „Folterkammern*' nothwendig zu der
TIeberzeugung gelangen, dass Nichts mir femer liegen konnte als eine der-
artige Absicht. Warum in aller Welt sollte denn ich, ein Mann, dem
seine unabhängige Stellung gestattet, überall in der Welt friedlich und
onangefochten zu leben, der ich also von einer „Aufhetzung des Pöbels^'
absolut nichts zu gewinnen habe, mich einer so widerwärtigen und undank-
baren Aufgabe widmen ? Jeder nicht von vornherein mir Uebelwollende
wird vielmehr auf allen Seiten meines Buches es herauslesen, dass ich in
der Vivisectionsfrage, wenigstens so weit sie die von mir und meinen Ge-
fflnnungsgenossen angestrebte Abschaffung des vivisectionellen An-
schauungs-Unterrichts betrifft, im eminentesten Sinne eine
Menschenschutzfrage erblicke. Und nur zur Begründung dieser
meiner innersten Ueberzeugung — die auch zugleich die Ansicht von
vielen Tausenden von gebildeten deutschen Männern und Frauen ist —
habe ich meinem Leipziger Vortrage Citate aus ärztlichen und phy-
siologischen Schriftstellern gebracht, nämUch:
1) S. 733 aus Dr. Guardia's System der Chirargie (1865): „Man be-
treibt nur zu viel Experimentalchirurgie in den Hospitälem. Man
glaubt nicht, in wie hohem Grade die Gewohnheit des Vivisecirens
die ganze heutige Operationspraktik beeinflusst.'*
2) Nr. 93 der Didaskalia, vom 5. April 1879 von Professor Dr. Falck
in Marburg : „In manchen Krankenhäusern herrscht der Missbrauch,
dass Kranke zu gewagten Experimenten verwendet werden."
— 328 —
3) S. 8 aus Professor Cyon's Methodik der physiologischen Experimente
und Vivisectionen (Giessen 1 876) : ,,Der Arzt, welcher mit Abscheu
von der Thierquälerei bei physiologischen Versuchen spricht, möge
sich nur erinnern, wie oft er dem Kranken höchst widerwärtige und
nicht immer gefahrlose Mittel verschrieben, um über deren Wirkung
irgend welche Aufschlüsse zu erhalten. Gar manche chirurgische
• Operation wird weniger zum Heile des Kranken, als zum Nutzen der
Wissenschaft vorgenommen."
und ausserdem noch ein Citat aus dem französischen Buche: „ZLa liffue
contre les Vwisections^^, S. 54, und aus dem römischen Journal „/Z Do-
vere^% welche dieselben Thatsachen cx)nstatiren. Wenn also in jenen Ci-
taten, denen ich übrigens noch viele andere, z. B. sehr kömige Stellen
aus Stromeyer's „Aus dem Leben eines Arztes" anreihen könnte, von
ärztlichen Schriftstellern selbst mit solcher Bestinuntheit auf
die verderblichen Folgen der heutigen Yivisevjtions-Manie hingewiesen und
die Gefährlichkeit derselben für die ärmeren Patienten unserer Hospitäler
eingestanden wird, so bin nicht ich es, der gegen einen Bruchtheil
unserer Hospitalärzte eine „"Verdächtigung" „böswillig*' ersonnen hat,
sondern ich habe nur die Aussprüche ärztlicher Fachmänner an
passender Stelle pflichtgemäss verwerthet. Alle die böswilligen An-
schuldigungen des Anonymus jedoch, als hätte ich „den ganzen Stand der
Aerzte" in corpore angegriffen und verdächtigt, fallen damit in sich selbst
zusammen und erweisen sich ihrerseits als eine absichtliche Verleumdung
meiner Person. Auch habe ich in meinem Vortrag ausdrücklich darauf
hingewiesen, wie peinlich allen Menschenfreunden imter denAerzten selbst
solche offene Bekenntnisse einzelner ihrer Fachgenossen sein müssen.
Vollends unerhört aber ist die Schamlosigkeit, womit Anonymus am
Schlüsse seines Schmähartikels mich bezichtigt, „dass ich alle Aerzte für
Verbrecher halte" und im Lande umherreise, um „Misstrauen gegen alle
Aerzte" zu säen, ebenso dass ich behauptet hätte, dass die obenerwähnten
Hospitalbräuche „allgemein" üblich seien! Wer mit solcher gewissenloser
böswilligen Verdrehung mir Ansichten und Bestrebungen andichtet, die
ich niemals ausgesprochen und an die ich auch nie im Entferntesten ge-
dacht habe — denn eine solche Denk- und Handlungsweise würde ja ge-
radezu einen gestörten Geisteszustand bekunden — der hat einfach eine
Lüge und eine Verleumdung beabsichtigt, die auf seinen sittlichen Cha-
rakter ein trauriges Licht fallen lässt. Ueberhaupt wirft Anonymus
mit der erfundenen Beschuldigung, „dass ich alle Physiologen und Aerzte
den Verbrechern gleichstelle", nur so um sich herum, dass man es ihm
anhört, welche Freude und Befriedigung er über seine Anschwärzung em-
pfindet. Ich habe in meinem Buche einen einzigen Physiologen einen
Verbrecher genannt, und zwar Magendie, und dies aus Anlass eines
ganz concreten Falles (S. 1 5), weil er nämlich ein feines nervöses Wachtel-
hündchen, das er in der Auction erstanden hatte, mit seinen vier Pfoten
und seinen langen seidenweichen Ohren auf den Tisch nagelte und nun
^ — 329 —
dem armen angstzitternden Geschöpf langsam den Kopf aufsägte, die
Augennerven zernss nnd das Backenmark zerschnitt, und nach allen diesen
Martern das immer noch lehende Thierchen noch für die Versuche des
nächsten Tages aufhoh! Nun, unter jeden 1000 Menschen wird es gewiss
900 gehen, die mein üher diesen Mann ausgesprochenes Urtheil willig
tmterschreihen werden. Ausser diesem Einen Physiologen ist es mir aher
nie in den Sinn gekommen, noch einen anderen seiner Fachgenossen mit
dem ^amen: Verbrecher zu belegen. Denn wenn Anonymus nicht
ganz unzugänglich für alles juristische Yerstandniss ist, so muss er doch
wohl zugeben, dass es ein himmelweiter Unterschied ist, ob gesagt wird:
„Diese oder jene Handlung ist vom moralischen Standpunkte ein Ver-
brechen'*, oder ob die Worte so gestellt werden: „Der Mann der diese
Handlung begeht, ist ein Verbrecher." Ein einfaches Beispiel macht dies
Mar. Gesetzt Jemand sagte : „Menschenmord ist ein Verbrechen**, so hätte
er damit noch nicht gesagt, dass z. B. die Offidere, die in ihrer Berufser-
fuUoiig im Kriege Menschen tödten lassen müssen, Verbrecher seien!!
(jenaa ebenso verhalt es sich mit meiner sittlichen Charakterisirung der
Vivisection. Moralisch ist sie schlechthin verwerflich und abscheulich
— deshalb fallt es mir aber noch nicht ein, die sämmtlichen sie ausüben-
den Professoren für Verbrecher zu erklären! Und wenn Anonymus mir
einen solchen Ausspruch andichtet, so macht er sich eben einer groben
Verleumdung schuldig, imd diese Verleimidung wird um so verabscheuungs-
würdiger, wenn er mir die Absicht einer VenmgUmpfung des gesammten
ärztlichen Standes unterschiebt — eine schmachvolle Taktik , die offenbar
nur darauf berechnet ist, die ganze einflussreiche Gasse der Aerzte gegen mich
und meine Gesinnungsgenossen aufzuhetzen.
Wahrlich, kein öffentlicher Missbrauch dürfte jemals angegriffen
werden, wenn jede öffentliche Büge eines solchen gleich zu einem Angriff
auf den ganzen Stand gestempelt werden sollte, in dessen Berufskreis der
Missbrauch Euss gefasst hat. Wie hätte das Laienpublicum jemals die
Inquisition bekämpfen und abschaffen können, wenn ein Angriff auf die-
selbe als eine Verunglimpfung des ganzen Standes der Theologen — oder
die Justizfolter, wenn die Bestrebung zur Abschaffung derselben als eine
Beleidigung des ganzen Standes der Bechtsgelehrten aufgefasst worden
w&reü Das Laienpublicum hat ein unveräusserliches Becht, den ethischen
Verirrungen einseitiger Männer der Wissenschaft entgegenzutreten überall
und in allen Fällen, wo das öffentliche Moralgefühl dadurch beleidigt wird,
und die Physiologen werden gut thun, sich an den Anblick eines solchen
Laienschwurgerichts zu gewöhnen, jenn mit dem Bäsonniren auf den be-
schrankten Laienverstand jst die Sache wahrlich nicht abgetlian.
Und wenn auch die Physiologen die Ansicht haben, dass der an-
gebliche Nutzen alle vivisectorischen (also auch alle anderen) Greuel
entschuldige — das ethisch fühlende Laienpublicum theilt diese Ansicht
nicht und kann sie schon der weiteren Consequenzen wegen niemals accep-
tiren. Es ist nun einmal jedem nicht durch VivisectorenlogLk getrübten
— 330 —
Gewissen tief der Satz eingeprägt, dass aller Nutzen, auch der
wissenschaftliche, an dem, was ethisch unzulässig und ver-
dammungswerth gilt, seine feste Schranke finden muss, die
er auf die Dauer nicht überschreiten darf.
Das Publicum aber, welches wiederholt im Leipziger Tageblatte die
gehässigen Angriffe auf meine Person liest, möchte bedenken, auf welchen
unsicheren Füssen eine Sache stehen muss, die solcher Mittel zu ihrer
Yertheidigung bedarf, wie einestheils die neuliche Inscenirung des wüsten
lärmenden Scandals im T riet schier 'sehen Saale bei der ersten öffent-
lichen Yersammlung des Neuen Leipziger Thierschutzvereins (worüber ein
Leipziger Blatt so richtig bemerkte, dass die Masse der zugeströmten
ungeladenen Gäste meinen Vortrag über den demoralisirenden Einflnss
des vivisectionellen Anschauungsunterrichts so handgreiflich ad ocnUm
demonstrirte) , anderentheils der yorstehende injuriöse Yerlenmdungs-
artikel des Anonymus. Die skrupellose Gewissenlosigkeit, welche in beideoi
Ausbrüchen des vivisectionistischen Fanatismus sich documentirt, wirdftr
uns nur ein Sporn sein, dem weiteren Umsichgr^en einer solchen Ab-
stumpfung des moralischen Gefühls in den Kreisen unserer zukünftigen
Aerzte mit allen uns zu Gebote stehenden gesetzhchen Mitteln entgegen-
zutreten.
Dresden, 12./ J2. 1879. Ernst von Weber.
Aufruf an alle deutschredenden Frauen und Jungfrauen
jeden Standes, jeden Alters und jeder Stellung.
(Abdruck eines im Juni dieses Jahres verbreiteten Flogblattes.)
„La ftmme ctu foyer^ vottä notre grande riforme sociale:
eile eontient-toui.''''
tJDie Frau am Heerde, das ist unsere grosse sociale Beform:
sie enth< Alles.*'
Ag^nor de Gasparin.
„Als vor einigen Jahren in Frankreich der berühmte Beohtsgelehrte
Dupin einen besonders schwierigen gerichtlichen Fall — bei welchein je- "'
dodi keine Frau betheiligt zu sein schien — verhört hatte , war sein erster
Ausspruch: „Cherchez lafemme!" „Suchet die Frau".
Was ist aus den lakonischen Worten des scharfsinnigen Juristea zu*
schliessen?
Dass Frauen ihren EinflusS überall ausüben. «
Fem sei von mir der Gedanke, das schwacl^e Geschlecht dürfe und
könne sich die Bechte des stärkeren zueignen; lehren uns doch die Phy- ■
siologen unserer Zeit, „dass die beschränktere Litelligenz des Weibes eine
anerkannte Thatsache sei, weil sein Gehirn durchschnittlich sich um einige
Unzen leichter als das des Mannes erweist'^ Dafür bedachte uns €k)tt
mit einigen Fibern im Herzen mehr.
- 331 —
Nehmen wir erstere Behauptung als voUgiltig an: lassen wir dem
Manne die Palme des Wissens nnd b^^nügen ans mit der Au%abe, nnsem
ganzen Einfluss auf die sittliche Veredelung des menschlichen Herzens
aa verwenden. Unser Berof wird dadurch keinesw^ geschmälert, denn
wer wollte es in Abrede stellen, dass die Rechte der Moral und der Ethik
weit über denen der so oft in trügerischen Frank gehüllten Wissenschaft
stehen? Oder wird die Lösung der grossen socialen Frage im Creringsten
nur gefördert, wenn einige Fraaen in der Jurisprudenz, in der Medicin
and in der Philosophie sich den Doctortitel erringen?
Steigen wir yon dem Katheder herab : lassen wir dem Manne die Toga
und den lauten Beifall der Tribüne, kleiden wir uns in die züchtige Stola,
das bescheidene Hausgewand der römischen Frau — ahmen wir der Cor-
nelia, nicht der Aspasia nach. Aus dem Sanctuarium der Familie, nicht
ans dem Credränge der lärmenden Volksmenge entsteige als gottgefälliges
Weihopfer unser wohltiiätiges Wirken, do dass auch wir — wie einst die
Mutter der Gracchen — auf unsere zu veredelten Jünglingen herangebil-
deten Söhne als auf unser kostbarstes Kleinod hinweisen können.
Ein tiefdenkender Schriftsteller nennt die Familie „die goldene Leiter,
die von der Erde sich zum Himmel erhebt". Sie birgt in sich die Zu-
kunft, die Freiheit, das Glück, den Fortschritt und die ^dlen Regungen
der Menschheit. Und ist es nicht eine längstbewährte Thatsache, dass
Lander, wo der Koran das Familienleben ausschliesst und wo dem zur
Sklavin herabgewürdigten Weibe die heiligsten Pflichten und Rechte vor-
enthalten werden, nie zu sittlicher, ethischer Freiheit emporblühen? Nur
wenn wir edle Keime in des Kindes Gemüth legen, dürfen wir auf edle
Früchte rechnen und wären wir uns dieser unwiderlegbaren Wahrheit stets
und innig bewusst, wir würden gewiss Grösseres für die sittliche Ent-
wickelung unserer Mitmenschen erzielen.^)
Jetzt aber, wo Unglaube, Materialismus und eitle Selbstsucht in un-
heilbringender Folge gleich einem aus der Wüste kommenden Glühwinde
die zart aufsprossenden Knospen jedes mitleidigen Gefühls versengen, drängt
sich eine neue, sehr ernste Pflicht an uns heran. Denn die erhöhte
CivÜlsation wirkt, trotz aller ihrer Segnungen, doch nach manchen Seiten
hm beirrend auf den menschlichen Geist und veranlasst, unter dem Deck-
mantel der Wissenschaft, sündliche, gar verdammungswerthe
Eingriffe in die Rechte unschuldiger, wehrloser Geschöpfe. Die Praxis
., jener monströsen EingrifTe erfüllt jedes nur halbmenschliche Herz mit
Trauer, Empörung und Grauen und lastet als schwere Schuld auf unserem
Jahrhundert.
*) Ich erlaube mir die Aufmerksamkeit meiner geehrten Leserinnen
anf die unvergleichliche Thätigkeit und verdienstvollen Errungenschaften
^ea Herrn Kühtmann in Bremen zu lenken, der als Gründer des
grossen deutschen Reichsbundes zum Schutze der Thiere
hierin das Unglaublichste leistet.
~ 332 —
Die Vivisection ist's, die ich meine.
Sollten einige meiner geehrten Leserinnen aus diesem Worte selbst
nicht seine haarsträubende Bedeutung verstehen, so bitte ich sie dringe nds t,
die Schrift des Herrn von Weber*) sofort zur Hand zu nehmen, um zur
wahren Eenntniss jener dämonischen Praxis zu gelangen.
Die Mütter und Töchter der so hochkultivirten deutschen und öster-
reichischen Kaiserreiche und des humanen Schweizervolkes werden doch
wahrlich nicht hinter ihren engUschen und amerikanischen Schwestern zu-
rückbleiben wollen? jetzt, wo heilige Gesetze der Eeligion und der Moral
unausgesetzt mit Füssen getreten werden?
Auf, auf, edle Frauen und Jungfrauen jeden Standes, jeden
Alters, jeder Stellung! Erwachet aus dem Schlafe bequemer Indiffe-
renz und unwürdiger Thatlosigkeit, denn es giebt unter Euch keine
Einzige, die nicht auf eine Weise sich am grossen Erlösungswerke
unserer unschuldig gemarterten Mitgeschöpfe betheiligen könnte. Jede Ver-
zögerung ist Hochverrath gegen den göttlichen Funken, den der Schöpfer
in uns legte. Küstet Euch zu einem Kampfe wie demjenigen, welchen
Eure Schwestern in England seit drei Jahren in humaner Begeisterung
führen. Erhebet stolz die unbefleckte Fahne des menschlichen Erbarmens:
bildet eine Phalanx und verlasset nicht die Keihen, bis die Macht der
feindlichen Sünde vor der Helle Eures gottgefälligen Strebens gewichen
sein wird.
Es naht ein wichtiger Moment: im August (v. 17. — 19.) bietet Euch
der allgemeine deutsche Thierschutzkongress zu Gotha die erwünschteste
Gelegenheit, Euch zur Gründung eines grossen deutsch-öster-
reichisch-schweizerischen Frauenbundes zu versammeln,
dessen erster Zweck die Bekämpfung der Vivisection sein müsste. In
Gotha, im Kreise sachkundiger, begeisterter Vereinsmänner wird es dem
schwachen Geschlechte an Kath, Theilnahme und Ermuthigungen zu so lobens-
werther Unternehmung nicht mangeln. Möge es auch mir gestattet sein, einer
solchen Gründungsfeier beizuwohnen! Es gilt einen schweren Kampf, doch
so schwierig die Aufgabe, desto unerschütterlicher muss unser Eifer sein.
Nur ernst gewollt und nimmer verzagt! Die erfolgreichen Kesultate eines
grossen Frauenbundes zum Schutze derThiere und vor Allem
der Opfer der Vivisection, können nicht ausbleiben. Denn wie das
zarte Glühen schneeiger Höhen im fernen Osten einen glorreichen Sonnen-
aufgang verspricht, so leuchten mir beim ersten Tagen des grossen Er-
lösungswerkes die Namen opferfähiger, im Dienste wahrer Mildthätigkeit
bewährter Frauen in feurigen liCttem entgegen: als beherzte Vorkämpfe-
riimen mit der Fackel der Humanität in der Kochten gehen eine Gräfin
^) „Die Folterkammern der Wissenschaft". Eine Sammlung
von Thatsachen für das Laienpublikum von Ernst von Weber. Berlin
und Leipzig 1879. Verlag von Hugo Voigt. 7. Auflage. Mit 10 Illu-
strationen. Preis 60 Pf.
— 333 —
I
Fürstenstein, eine Wirkliche Staatsrath Edle yon Schilling, eine ver-
dienstvolle Julie Lembcke, eine thatkräftige Baronin Philippsborn,
L «ine opferfreudige Prof. Zyro, eine Meta Wellmer und noch manche
I Andere, allen Frauen und Jungfrauen der deutschen und österreichischen
Kaiserreiche mit hochherzigem Beispiele voran.
Und werdet Ihr, meine geehrten Leserinnen, die innere Befriedigung
«rat gekostet haben, welche das Bewusstsein, sich in selbstloser Auf-
opferung einer grossen Idee zu widmen, gewährt, fürwahr — Ihr werdet
«ifahren, dass es an Süssigkeit jedes noch so glänzende Aussenglück bei
weitem übertrifft und Euch einen unvergänglichen Lohn bereitet.
Elpis Melena.
Khalepa auf der Insel Kreta im Juni 1879.
Einladung zum Beitritt in den Internationalen Verein zur
Bekämpfung der wissenschaftlichen Thierfolter.
(Abdruck einer Extrabeilage zu den Leipziger Nachrichten. Die Namen der mit einem *
▼ersehenen Herren sind von Herrn E. t. Weber nachtr&glich hlnzngef> worden.)
Die grauenhaften Enthüllungen der von Web er 'sehen Schrift: ,J)ie
Polterkammem der Wissenschaft** haben in der ganzen gebildeten Gesell-
schaft das peinlichste Aufsehen erregt. Die zahlreichen darin aufgeführten
und unsere Kultur so tief beschämenden Thatsachen konnten noch von
keiner der bisher erschienenen Gregenschriften widerlegt werden. Es er-
scheint daher als eine Pflicht aller Derer, die ein Grewissen und mensch-
liche Gefühle in sich tragen, sich zu dem Zwecke zu vereinigen, dem
bisherigen grenzenlosen Yivisectionsunfug energisch entgegenzutreten und
die Yerirrungen und Ausschreitungen der zu sogenannten wissenschaft-
lidien Zwecken verübten Thierfolter unter die Controle des öffentlichen
Gewissens zu stellen. Einige der höchstgestellten Persönlichkeiten des
Deutschen Eeichs- (Damen wie Herren) haben bereits ihren Beitritt zum
"Verein erklärt. Beitrittsanmeldungen werden vom Centralcomite (Dresden,
Direction des Thierschutzvereins, Augustusstrasse Nr. 4), sowie auch von
den unterzeichneten Herren entgegengenommen. Jahresbeitrag beliebig.
Statuten vom Central- Comite zu beziehen.
Freiherr von der Becke, Excellenz, k. preuss. (jenerallieutenant, Insp.
der 3. Feld-Artill.-Inspection.
Freiherr von Bissing, Hauptm. im Generalstab des 10. Armeecorps.
L. von Blumenthal, Excellenz, k. preuss. (jeneral der Infanterie,
commandirender General des 4. Armeecorps,
von Brandt, k. preuss. Polizei -Präsident.
Graf von Hacke, Excellenz, k. preuss. (jenerallieutenant z. D.
Fürst Hohenlohe-Langenburg, k. preuss. (Jeneral der Cavallerie und
Eeichstags -Abgeordneter.
— 334 —
Graf flohentlial-Bergen (vom Königshusaren- Kegiment).
Graf Hohenthal-Pücliau, königl. sächs. Eammerherr.
Dr. jur. von Hönigsberg.
Enoche, Divisionspfarrer der 20. Div.
von Kotze, Kittmeister im 18. ÜL-Eeg., Adj. im Generaist. d. 10. A.-C.
Graf K. zur Lippe-Weissenfeld, kaiserL östr. Kämmerer.
Graf. 0. Mengersen, Standesherr.
Freiherr J. von Moscon.
von Oidtman, Hauptmann im Greneralstab des 10. Armeecorps.
Graf von Pfeil, Oberst ä la suite des 2. Leibhusaren -Begiments.
von Be ibnitz- Janken dorf, Mitglied des preuss. Herrenhauses.
Dr. Büling, königl. sächs. Hofprediger und Consistorialrath.
Generallieutenant von Strubberg, Excellenz, Comm. d. 19. Division.
Stuckmann, Divisionspfarrer der 19. Div.
Freiherr von Tauchnitz, königl. Grossbritann. Generalkonsul.
Graf. 0. Vitzthum von Eckstädt, Kammerherr Sr. Maj. des Kais^a.
W. von Voigts-Bhetz.
Graf von Waldersee, Generalmajor, Chef des Generaist. d. 10. A.-C,
Graf von Waldearsee, Oberst, Commandeur des 13. Ulanen -Beg.
Graf A. Zedtwitz.
Bichard Wagner, Bayreuth.
Dr. med. 0. Alt, Hamburg.
Dr. med. Büttner, Dresden.
Dr. med. von Eelking, Bremen.
Dr. med. E. Gryzanowsky, aus Königsberg.
Dr. med. F. Holzhausen, Altena.
Dr. med. C. W. Müller, Sanitätsrath, Wiesbaden.
Dr. med. A. Heydenreich*, Chemnitz, (1864 — 65 erster Assistent des
Vivisectoriums der Universität Jena).
Dr. med. Kranz*, Wiesbaden.
Dr. med. Th. Nagel, Barmen.
Dr. med. J. Schindler, Gräfenberg.
Dr. med. G. Voigt, Leipzig.
Professor Bauer, Vorsitzender des Straubinger Thiersehutzvereins.
Baron von Kalchberg, Major \ Vorstandsmitglieder des
Baron E. Kavanagh, kaiserl. Kämmererf Grazer Thierschutzvereins.
Freiherr von Kochtitzky, L Vorsitzender des Dresdner Thierschutz-
Vereins, Vicepräsident des Intern. Vereins z. Bekämpfung der wissen-
schaftlichen Thierfolter.
Bobert Krausse, I. Vorsitzender des Kynologischen Vereins , Dresden.
F. W. Kubiczek, Vorstand des Wiener Antivivisectlons-Comites.
J. F. E. Kühtmann, Vorstand des Grossen Deutschen Beichsbundes
zum Schutze der Thiere, Bremen.
Kammerrath Lembcke, Präs. des Kopenhagener Thierschutzvereins.
Geheimer Begierungsrath Bast, Dresden.
— 335 —
A. von Seefeld, Torstuidsmü^ed des Hannov. ThierBchatiTereins.
Freiherr R. von Seydlitx, MändiML
Generalmajor Ton SiehroTski, Yorstandsmltglied des Grazer T.-S.-y.
A. Yon Steiger, Präsideiit des Berner Tfaierschutzrereiiis.
Graf von Taubenheim, Ezoellenz, Oberhofrathspräsident, Präsident des
Stuttgarter TliieischiitzTereins.
Wallnöfer, k. k. Oberfinanzrath, Präsident des Grazer T.-S.-Y.
Ernst von Weber, IL Vorsitzender des Dresdner T.-S.-V., Präsident
des Intern. Yerans zor Bekämpliing d. wissenschaftL Thierfolter.
Dr. J. Woeniger, Secretär des Schweriner Thierschntzvereins.
W. Wilibald Wulff, Schleswig.
Y. Zimmermann, Vorstand des Hamburger Vereins zor Bekämpfung
der Vivisection.
Erstes Mitglieder-Verzeichniss des Internationalen
Vereins zur Bekämpfung der wissenschaftlichen Thierfolter.
(Dresden, 1. Min 1880.)
Mitglieder des YorstaBdes.
(Central -Comitd.)
Ernst TOB Weber, Präsident, Dresden, Amalienstrasse S.
Castor Freiberr tob Koehtitiky, Viceprasident, Dresden, Johannisplatz 10.
Dr. med. Otiokar Alt, Hamburg, Holzbrücke 3.
Jek. Vepoarak Bauer, Professor, Straubing.
Theodor Bast, Eon. Pr. Geheim. Begierungsrath a. D., Dresden.
Kaiie Espiranee von Sehwarts (Elpis Helena), Ehalepa (Insel Creta).
Dr. med. O. Voigt, Leipzig.
Cassirer: J. A. Haumann, Kriegsministerial- Secretär,
Dresden, Eönigsstrasse 11.
L Mitglieder ans dem Militarstamde:
V. AI ven sieben, Greneralmajor, Hannover.
Andler, Premierlieutenant und Adjutant, 7. Württ. Infant. - Kegmt.,
Stuttgart.
V. Arnim, Secondelieutenant, Schleswig-Holstein. Ulanen -Regmt. Nr. 16,
Strassburg.
V. Banmbach, Lieutenant, Drag.-Kegmt. Nr. 19, Cloppenburg.
V. d. Becke, Frhr., Excellenz, Generallieutenant, Inspector der 3. Feld-
Art.-InspM9ction, Hannover.
V. Berg, Lieutenant und Kegmts. -Adjutant, Ostpr. Ulanen - Kegmt
Nr. 8, Mbing.
Beroldingen, Graf, Oberstlieutenant a. D., Stuttgart.
— 336 —
B e s t , Secondelieutenant, Inf.-Kegmt. Nr. 77, Celle.
V. Biedenfeld, Premierlieutenant, Inf.-Kegmt. Nr. 77, Celle.
y. Bismarck-Bohlen, Graf, Excellenz, Generaladjutant, Greneral der
Cavallerie, Berlin W.
y. Bissing, Frhr. , Hauptmann im General -Stabe des 10. Armeecorps,
Hannovei*.
y. Blumenthal, Excellenz, Commandirender General des 4. Armeecorps,
Magdeburg.
Blecken v. Schmeling, Oberstlieutenant, Hannoyersch. Art.-Begmt.
Nr. 16, Hannover,
y. Bonin, Lieutenant, Ulanen -Kegmt. Nr. 14, Verden.
Böhm jnn., Lieutenant der Eeserye des 1. Leibhusaren-Begmts. , Danzig.
y. Brauchitsch, Lieutenant, Inf.-Regmt. Nr. 67, Braonscbweig.
Braumüller, Hauptmann, Hannoversch. Art.-Regmt. Nr. 10, Hannover.
Brauns, Major, Husaren-R^mt. Nr. 17, Braunschweig,
y. Braunschweig, Hauptmann, 7. Lif.-Regmt. Nr. 14, Stralsund,
v. Buch n., Premierlieutenant, Schleswig - Holstein. Ulanen - Begmt.
Nr. 16, Strassburg.
V. Bülow, Oberstlieutenant, Comm. des Jäger -Bat. Nr. 10, Goslar,
de Ciaer, Lieutenant, Garde -Füs.-Regmt., Berlin N.
y. Colmar, Eittmeister, 13. Ulanen -Eegmt., Hannover.
Cordes, Secondelieutenant, Inf.-Regmt. Nr. 77, Celle,
v. Damnitz, Rittmeister, Drag.-Re^t. Nr. 19, Oldenburg.
Dannert, Hauptmann, Inf.-Regmt. Nr. 14, Stralsund.
Dillen-Spiering, Graf, Secondelieutenant, Schleswig- Holstein. Ulanen-
Regmt. Nr. 16, Strassburg.
Duvernoy, Premierlieutenant, 7. Württ. Inf.-Regmt., Stuttgart,
v. Ebart, Rittmeister, Fürstenwalde.
v. Eberstein, Frhr., Lieutenant, Inf.-Regmt. Nr. 78, Emden.
V. Ehrenstein, Major, Adjutant S. M. des Königs, Dresden,
v. Ehrhard, Major, Hannoversch. Art.-Regmt. Nr. 10, Hannover.
Engelmann, Rittmeister, Drag.-Regmt. 19, Oldenburg.
V. Fabrice, Oberlieutenant, K. Sachs. Gardereiter -Regmt., Berlin.
Fischer, Hauptmann, 7. Württ. Inf.-Regmt., Stuttgart.
Forst, Oberst a. D., Wiesbaden.
V. Fragstein-Niensdorff, Hauptmann, Hessisch. Inf.-Regmt. Nr. 82,
Göttmgen.
V. Frankenberg, Rittmeister, Kürass.- Regmt. Nr. 5. Guhrau.
Frielinghaus, Secondelieutenant, Train -Bat. Nr. 10, Hannover.
V. Gaza, Oberst, Inf.-Regmt. Nr. 67, Braunschweig.
V. Geyso, Frhr., k. k. Hauptmann a. D., Dresden.
V. Girsewald, Frhr., C. Secondelieutenant, Husaren -Regmt. Nr. 17,
Braunschweig.
V. Gizyki, Major, Hannoversch. Art. -Regrat. Nr. 10, Hannover.
Gremier, Hauptmann, Inf. -Begmt. Nr. 77, Celle.
— 337 —
^. d. Groben, Oberst, In£.-Begmt. Nr. TS, Emden.
Grün an, Fremierlientenant nnd Adjutant, 3S. Inf.-Brig., Hannover.
Oründel, B., Hauptmann, 3. Oberschles. Inf.-Begmt Nr. 62, CoseL
V. Hagen, Hauptmann, Cdle.
y. Hart mann, Lieutenant, 32. InH-Begmt., Meiningen.
Y. Hart mann, Lieutenant, z. Z. in Baudnitz in Westpreussen.
V. Hacke, Gral^ Excellenz, Generallieut^iant z. D., Hannover.
Happoldt, Hauptmann, 7. Württ. Inf.-Begmt., Stuttgart.
Heinrich, Major, 7. Württ Inü-Begmt., Stuttgart.
Hohenlohe-Langenburg, Fürst, Durchlaucht, Greneral der Cavallerio
und Reichstags -Abgeordneter, Karlsruhe.
T. Hohenthal-Bergen, Graf, Eönigshusaren-Begmt, Bonn.
V. Humbert, Hauptmann, Hess. Inl-Begmt Nr. 82, Einbeck.
V. Hügel, Secondelieutenant, 7. Württ Inf-Begmt, Stuttgart
Hülsemann, Oberst, Strassburg.
Jameson, Lieutenant, Ulanen-Begmt Nr. 14, Verden.
?. Jenssen-Tusch, Lieutenant, Inf.-Begmt. Nr. 78, Emden.
T. Jerin, Bitter, Major, Oberschles. Ulanen -Begmt Nr. 2, Hess.
?. Ealchberg, W., Baron, k. k. (jarde und Major, Graz.
Xempe, Hauptmann, Hannoversch. Art -Begmt. Nr. 10, Hannover.
Xieselbach, Bittmeister, Drag. -Begmt Nr. 19, Cloppenburg.
Xlötzke, Major, Hess. Inf.-Begmt Nr. 82, Gottingen.
V. Kleist, Ojb^rstlieutenant, Drag. -Begmt Nr. 19, Oldenburg.
V. Kleist, H., Major, Braunschweig.
V. Klienkowstroem, Graf^ Bittmeister, 13. Ulanen-Begmt, Hannover.
V. d. Knesebeck, Oberstlieutenant, k. Fr. Kürass.-Begmt Nr. 5, Guhrau.
V. Kotze, Bittmeister, 13. Ulanen-Begmt, Hannover.
V. Koenig, Major, Kürass.-Begmt Nr. 5, Guhrau.
V. Koellwarth, Hauptmann, 7. Württ. Inf.-Begmt, Stuttgart
V. Koschützki, Secondelieutenant, Schleswig-Holstein. Ulanen-Begmt.
Nr. 16, Strassburg.
Kraetchell, Hauptmann, Hannoversch. Art-Begmt. Nr. 10, Hannover.
V. Kutzschenbach, Secondelieutenant, Hannoversch. Art.-Begmt Nr. 10,
Hannover.
T. Kutzschenbach, Major, Uelzen.
v. Kuhlwein, Oberstlieutenant, Braunschweig.
Kübel, Lieutenant, 7. Württ ]iif.-Begmt., Stuttgart.
v. Küsserow, Major, Husaren-Begmt Nr. 17, Blankenburg.
Lebelt, Secondelieutenant, 7. Württ. Inf.-Begmt, Stuttgart.
V. Liebermann, Bittmeister, Kürass.-Begmt Nr. 5, Winzig.
Lindner, Hauptmann, Hannoversch. Art.-Begmt. Nr. JO, Hannover.
Ludwig, PremierHeutenant, Inf.-Begmt Nr. 77, Celle.
Lyons, Major, Inf.- Begmt Nr. 78y Osnabrück.
Mayer, Lieutenant, Inf.-Begmt. Nr. 78, Osnabrück.
V. Marwitz I., Premierlieutenant, Drag.-Begmt. Nr. 19, Cloppenburg.
22
— 338 —
V. Mai er, Major, 7. Württ. Inf.-Eegmt., Stuttgart.
Mortons, Socondolioutonaut, Kon.-Bat. Nr. 10, Minden.
Michaelis, Hauptmann, Hannovorscb. Art.-Eogmt Nr. 1 0,. Hannover.
Montü, Promierlieutonant, Hannoversch. Art.-Kegmt. Nr. 10, Hannover.
V. Müller, Socondelioutenant, Schleswig-Holstein. Ulanen-Eogmt. Nr. 16,
Strasshurg.
V. Oortzen-Woltow, Premierlieutenant, 1. Mecklenburg. Drag.-Kegmt.
Nr. 17, BorHn.
V. Oidtm ann, Hauptmann im Groneral-Stabe des 10. Armeecorps, Hannover.
V. Oidtm ann. Major, Drag.-Reg. Nr. 19, Oldenburg.
V. Oldenburg, Herzog, Hoheit, Lieutenant, Drag.-Eegmt. Nr. 1 9 , Oldenburg.
V. d. Osten, Rittmeister im Stab der 20. Div., Hannover.
V. d. Osten- Sacken, Premierlieutenant, Hannoversch. Art.-Regmt. Nr. 10,
Hannover.
Ordt, Hauptmann, Hannoversch. Art.-Begmt. Nr. 10, Hannover.
V. Perponcher, Graf, Socondelieutonant, 13. Ulanen-Rogmt , Hannover.
V. Peters dorf. Major, Hess. Inf.-Eegmt. Nr. 82, Nordheim.
V. Pieschol, Socondelieutonant, 13. Ulanen-Rogmt., Hannover.
V. Pfeil, Graf, Oberst a la smte d. 2. Husaren -Rogmts., Berlin.
Quenzel, Socondelieutonant, Hannoversch. Art.-Regmt. Nr. 10, Hannover.
Raabo, Hauptmann, 7. Württ. Inf.-Rogmt., Stuttgart.
V. Ramm, SocondeUeutenant, Schleswig -Holstein. Ulanen-Rogmt. Nr. 16,.
Strasshurg.
V. Ratzmer, Rittmeister, Kürass.-Regmt. Nr. 5, Hermstedt.
V. Rauch, Rittmeister, 13. Ulanen-Rogmt, Hannover.
Rehkopf, Hauptmann, Hannoversch. Art.-Regmt. Nr 10, Hannover.
V. Roodor, Baron, Excollenz, General der Infanterie, Ministor und Kaisorl.
Gesandter, Born.
Roh de, Graf, SocondeUeutenant, Schleswig-Holstein. Ulanen-Rogmt. Nr. 16,
Strasshurg.
V. Sauden, Secondohout^nant, Schleswig -Holstein. Ulanen- Regmt. Nr. 16,
Strassburg.
V. Salviati, Excellenz, Generallieutonant, Comm. d. 27. Div., Ulm.
V. Sichrovski, J., k. k. Generalmajor, Graz.
Sieg euer, Promierlieutonant, Hannoversch. Art.-Regmt. Nr. 10, Hannover.
V. Szymonsky, PremierUeutenant, 13. Ulanen-Rogmt., Hannover.
V. Schadow, Oberst, Husaren -Regmt. Nr. 15, Wandsbock.
Schaumann, Oberst, Coburg.
V. Schaff er, Oberst a. D., Gemünd.
V. Schätzlor, Prhr., Avantagour, Strassburg.
Schelor, Graf, Excellenz, Generallieutenant, Stuttgart.
V. Schimmelmann, Baron, lieutenant, Inf. -Regmt. Nr. 78, Osnabrück,
v. Schmidt, Lieutenant, Inf.-Rogmt. Nr. 78, Emden.
Schmidt, Premierlieutenant, Train -Bat. Nr. 10, Hannover.
Schmane, Premierlieutenant, 7. Württ. Inf. -Regmt., Stuttgart.
— 339 —
V. Schmädl, Kitter, Oberst, München.
Schönburg-Waldenburg, H. Prinz zu, Durclü., kgl. prouss. General-
major ä la Mutey Droyssig, Prov. Sachsen.
Schöttle, Hauptmann, 7. Württ. Inf.-Regmt, Stuttgart
V. Schrader, Hauptmann, Inf.-Begmt. N. 07, Braunschweig.
V. Schuckmann, Frhr., Lieutenant, Kürass.-Regmt. Nr. 5, Winzig.
V. Schutzbar, gen. Miichling, Lieutenant, 13. Ulanen -Regmt
Schwabke, Lieutenant, Drag. -Regmt. Nr. 19, Cloppenburg.
V. Strubberg, Excellenz, Grenerallieutenant, Comm. d. 19. Div., Hannover.
V. Sturmfeder, Hauptmann, Hess. Lif. -Regmt. Nr. 82, Göttingen.
Tappen, Hauptmann, Kon. -Bat. Nr. 10, Minden.
Tczrbinsky, Major, 13. Ulanen -Regmt., Hannover.
Theremin, Major, Hannoversch. Art. -Regmt. Nr. 10, Hannover.
Tottieben, Premierlieutenant, Inf. - Regmt. Nr. 74, Hannover.
V. Unruh, Lieutenant, k. Pr. Kürass.-Regmt. Nr. 5, Guhrau.
V. Voigts-Rhetz, Excellenz, Generallieutenant, Divis. - Comm. , Lisp. d.
4. Feld-Art.-Inspection, Hannover.
v. Vaerst, Major, 13. Ulanen- Regmt., Hannover.
v. Veitheim, Lieutenant, 13. Ulanen -Regmt., Hannover.
T. Vieteholt, F., Premierlieutenant, Kürass.-Regmt. Nr. 5, Guhrau.
v. Vogelgesang, Lieutenant, Lif.-Reg. Nr. 67, Braunschweig.
v. Waldersee, Graf, Generalmajor, Chef des Groneralstabs d. 10. Armee-
corps, Hannover.
V. Waldersee, Graf , Oberst , Comm. d. 33. Ulanen - Regmt. , Hannover.
V. Wasserschieben, Hauptmann, Lif.-Regmt. Nr. 82, Göttingen.
v. Wienskowsky, Generalmajor, Comm. d. 38. Inf.-Brig., Stuttgart.
Wich mann, Hauptmann, Inf. -Regmt. Nr. 78, Emden.
V. Willisen, Hans, Frhr., Oberstlieutenant, Greneralstabs-Chef d. 7. Amiee-
corps, Münster.
Wohlers, Ingen. -Lieutenant, Pion.-Bat. Nr. 10, Minden.
V. Wolfersdorf, Oberst, Ulanen-Regmt. Nr. 14, Verden.
V. Woelckern, Oberst, 7. Württ. Inf. -Regmt., Stuttgart.
V. Wulffen, Major im Inf. -Regmt. Nr. 14, Stralsund.
V. Zeuner, Generalmajor, 40. Inf.-Brig., Braunschweig.
V. Zülow, Premierlieut., Schlesw.-Holstein. Ulan.-Regmt. Nr 16, Strassburg.
n. Mitglieder au» dem CiYilstande:
Albrecht, Pfarrer, Hannover.
Alt, 0., Dr. med., Hamburg.
Anger milier, Martin, München.
Anger milier, Th., München.
Bach mann, S. C, Sonthofen i. Algäu.
Bardey, E., Dr., Bad Stuer, Mecklenburg.
22*
— 340 —
Bauer-Röder, Dr., Ober-Regierungs-Rath, Stuttgart.
Bauer, Job. N., Professor, Vors. d. Thierschutz-Ver., Straubing.
Beer, Probst, Uelzen.
V. Berckheim, Weinheim.
Bilfinger, Dr. med., Hall.
Bodo, Domprobst, Erfurt.
V. Brandt, Polizei- Präsident, Hannover.
Braune, Arnold, Dr., Pastor, Miltitz-Roitzschen b. Meissen.
V. Bredow, Wulf, Senzko b. Paulinenau.
Brücher, Dr., Thierarzt, Hannover.
Büttner, Dr. .med., Dresden -Kötschenbroda.
V. Calm, Baron, Rittergutsbesitzer, Sambleben b. Schöppenstadt.
V. Castel, Graf, Erlaucht, Student der Universität zu Strassburg.
Cavallo, J. N., Tonkünsüer, München.
Cobbe, P., Mr., London.
Dathe, C, Kaufmann, Dresden.
V. d. Decken, Baron, Grossenschneen b. Göttingen.
Demmin, 0., Wiesbad^i.
Dierbach, Schuldirektor, Berlin NO.
Dierbach, jun., Berlin NO.
Dohna, Graf zu, auf Carwinden b. Schlobitten.
Dohna-Schlodien, Graf zu, Excellenz, Schlodien.
Dohna, Graf zu, auf Lauch.
Dohna, Graf zu, auf Behlenhoff- Schlobitten.
Dressler, Landschaftsmaler, Berlin.
V. Eelking, Dr. med., Bremen.
E isser, Pfarrer in Nieder -Modau bei Darmstadt.
Engelbach, A., Postofficial, Würzburg,
Erler, Professor, Dresden.
Eulenburg, Graf, auf Prassen b. SchippenbeiL
Finke, Edm., Dresden.
Forst, Oberappellationsgerichtsrath, Wiesbaden.
Fleet, J. R., London.
V. Flemming, Graf, Rittergutsbesitzer und Reichstagsabgeordnete
Grossen, Reg. -Bez. Merseburg.
Frenkel, L., Bankier, Nordhausen.
Freudenberg, F., Nordhausen.
V. Freyberg, M., München.
Fülkruss, Pastor, Naundorf b. Osdhatz.
Gauernack, T., Mechanikus, Dresden.
G ermann, Pastor, Schweta b. Oschatz.
V. Gersdorf, C, Ostrichen b. Seidenberg.
Gilbers, Hofbuchhändler, Dresden.
Goersch, C. G., Kaufmann, Dresden.
Oryzanowski, Dr. med., E., Livorno.
— 341 —
Geissler, Dr., B., Berlin.
Glasenapp, Dr., Oberlehrer, Biga.
V. Grundner, Friedr., München.
Günther, Zahlmeister, Ron. -Bat. Nr. 10, Minden.
V. Guttenberg, Baron, Student der Universität zu Strassburg.
Gützlaff, V., Dr., Oberlehrer, Elbing.
Günzler, Karrer, Beinstein.
Haendel, J., Bayreuth.
Halm, Louis, Graveur, Schorndorf.
Hauptmann, Divisionspfarrer, Strassburg.
Hausburg, E., stud. phil., Königsberg.
V. Haxthausen, Baron, Oberststallmeister, Präsident des Kopenhagener
Thierschutzvereins , Kopenhagen.
V. Hayn-Uhenfels, Freiherr, K., Stuttgart.
Hecklesmiller, T., Scribent, Mühldorf a. Inn, Ober-Baiem.
Heldreich, F. J., Bürgermeister, OberMrch in Baden.
Henel, Hugo, Hoflieferant, Breslau.
Her ding, Bechtsanwalt, Bayreuth.
Hering, J., Eisenbahn -Direktor, Strassburg.
Hepp, Stadtpfarrer, Laupheim.
d' Heureuse, V., stud. art., Berlin.
Hey denr eich, A«, Dr. med., Chemnitz.
Heymel, Consul, Loschwitz b. Dresden.
Hohenlohe-Waldenburg, Prinz zu, Nik., Durchl., Stuttgart.
V. Hoff mann, 0., Baron, Leipzig.
V. Hoff, C, Postrath, Stuttgart.
Hofmann, Friedr., Architekt, Graz.
V. Hohenthal-Püchau, Graf, Kgl. Sachs. Kammerherr, Püchau.
Höchste tter, Pfarrer, Glashütte.
Hohl, L., Bayreuth.
Holzhausen, Dr. med., A., Altena.
V. Hönigsberg, Dr. jur., H., Baden b. Wien.
Jaeger, P., Bentier, Wiesbaden.
V. Jarmerstedt, W., Tit.-Bath, Vorstandsmitglied des Livländischen
Thierschutz Vereins, Biga.
V. Kaegler, B., Winzig.
V. Kasack, Bwitner, Wiesbaden.
y. Kavanagh, Baron, E., kais. österr. Kämmerer, Graz.
Kaiser, Dr. theoL, Divisionspfarrer,- Düsseldorf.
Kempe, Domänenpächter, Heiligenwalde b. Alt- Dollstadt.
V. Kischbeck, Freiherr, Bojanowo.
Kleinsckrod, W., München.
Klinkowström, Graf, auf Korklack b. Gerdauen.
V. Knebels dorf, Frhr., Winzig.
Knoche, B., Divisionspfarrer, Hannover.
— 342 —
Knodt, E., Pfarrer, Kothenberg, Oberhessen.
Kott lechner, Peter, Ingenieur, Oberlembecher Glashütte.
V. Koesler, Köderode b. Lessen.
Eolbe, £., Leisnig.
Köhler, Heinrich, Generalagent, Kiel.
Köhne, Geh. Kommerzienrath, Dresden.
V. König, Carl, Baron, Stuttgart.
V. König, Ferd., Baron, Stuttgart.
V. König, Wilh., Baron, Münster.
V. König, Kichard, Baron, Warthausen.
V. Korff, Baron, auf LauMtten b. Ludwigsort.
Kranz, Dr. med., Wiesbaden.
Krausse, K., Historienmaler, erster Vorsitzender des Kynologischen
Vereins, Dresden.
V. Kröcker- V ogtsbrtigge, Rittergutsbesitzer, Vogtsbrügge b. Havelberg.
V. Kronow, Uls, Bojanowo.
Krumbholz, C, Professor a. d. kön. Kunstgewerbeschule, Dresden.
Kubiczek, F. W., Schriftsteller, Wien.
V. Kuczkowski, Hydropath, Dresden.
V. Kunheim, auf Juditten b. Bartenstein.
Kunheim, Spandau b. Schlodien.
Küthmann, J. F. C, Vorstand des Grossen deutschen ßeichsbunds
zum Schutze der Thiere, Bi'emen.
Küthmann, A., Dr., Obergerichts- Anwalt, Bremen.
Kühn, R, Rittergutsbes., Graupe b. Colmitz, Halle -Sorauer Bahn.
Leicht, £., Cannstatt.
Lembcke, J. C., Kammerrath, Sekr. d. Thiersch.-Ver., Kopenhagen.
Lichtenhahn, S. B., Basel.
V. Linsingen, Bürgermeister, Uelzen.
zur Lippe-Weissenfeld, Gurt, Graf, Erlaucht, K. K. Kämmerer, Graz.
Liszt, Franz, Abbe, Tonkünstler, Rom (und Weimar).
Löh, G., Köhi.
Lüderwaldt, H. , Marienstifts -Forstkassenrend., Gollnow b. Stettin.
V. Lüdinghausen-Wolff, Edmund, Baron, Secr. des Kurl. Thierschutz-
Vereins, Mitau.
Manen, van, Dr. jur., Secr. des Thierschutz- Vereins, Haag.
Mangort, Rechtsrath, Bayreuth.
Märker, Dr. phil., Diakonus, Prediger in Pesterwitz b. Dresden,
de Massarellos, G., Dr., München.
Mengersen, 0., Graf, Zschepplin b. Eilenburg.
V. Mengden, Baron, Excellenz, Kais. russ. Kammerherr und wirklicher
Staatsrath, Riga.
Merkel, J., Kaufmann, Baj-reuth.
V. Michels, Amtsrichter, Strassburg.
V. Mos CO n, J., Freiherr, Graz.
- 343 —
Müller, C. W. , Dr. med., Sanitätsrath und Leibarzt Sr. kgl. Hoheit des
Grossherzogs von Oldenburg, Wiesbaden.
Muncker, Bürgermeister, Bayreuth.
Nagel, Dr. med.. Barmen.
V. Necker, Direktor, Stuttgart.
Nies, C, Berlin.
Nies, H., Berlin.
Nitzsche, Lehrer, Plauen b. Dresden.
Noire, L., Professor, Mainz.
Oidtmann, H., Dr. med., Linnich, Heg. -Bez. Aachen.
Ostertag, F., Commerzienrath, Stuttgart.
Oesterlein, N., Wien.
Oefinger, Pfarrer, Tiefenau.
Oeffinger, Pfarrer, Gross- Aspach.
Faul, Eduard, Kaufinann, Breslau.
Fartsch, J., Schlachter, Flensburg.
Plant, J., Luzem.
Foppe, T., Artem b. Halle.
Fr e US 8, Wiesbaden.
Putbus, Fürst und Herr zu, Durchlaucht, auf Putbus.
Pü ekler, Graf, Stuttgart.
Bast, Geheimer Begierungsrath, Dresden.
V. Eeibnitz- Jankendorf, Mitglied des K. preuss. Herrenhauses,
Jankendorf b. Christburg, Westpreussen.
V. Eeibnitz, auf Geissein b. Eeichenbach i. P.
V. Eeischach, Math., Stuttgart.
Eeimers, E. C, Consul, Wiesbaden.
V. Eeinhold, Friedr., Partikulier, Eiga.
T. Eeinhold, Alexander, Eiga.
Eheinberger, Jos., K. b. HofkapeUmeister, München.
Eier, Bayreuth.
Bichter, Färbereibesitzer, BajTcuth.
V. Bichter, Landrath, Kammerherr, Eiga.
Bosenmerkel, Magistratsrath, Bayreuth.
Bott, H. C. M., Wien.
Bubinstein, Jos., Tonkünstler, Bayreuth.
Büling, Dr. theoL, Hof -Prediger, Consistorial-Eath, Dresden.
Samelson, Bayreuth.
Schäfer, Pfarrer, Blumenau b. Beichenberg.
Schärdel, M. A. G., Mag.-Oftic, Bayreuth.
Schanz, Eichard, Dr., Eechtsanwalt, Dresden.
Schele, Pastor, Blönsdorf, Anhalt -Bahn.
Schepeler, J. G., Consul, Wiesbaden.
Schenkel, Dr. theoL, Pastor, Cainsdorf b. Zwickau.
Schindler, Dr. med., Gräfenberg.
— 344 —
•
Y. Schleinitz, Graf, Excellenz, Staats -Minister und Minister des Eöni
Hauses, Berlin.
Schlenk, Jean, Bayreuth.
Schnöppel, L., Apotheker, Bayreuth.
Schmidt, K., Zollassistent, Würzburg.
Schmidt, Henry, Kentner, Wiesbaden.
Schmid, Dekan, Hall.
Schmidt, Ferdinand, Schriftsteller, Berlin.
V. d. Schulenburg-Wolfsburg, Graf, Kammerherr, Hofmarschall (
Prinzen Albrecht von Preussen, Hannover.
Schultz, Christ, Berlin.
V. Schultzendorf f, Kammerherr, Dresden.
Securius, Partikulier, Wiesbaden.
V. Seefeld, A., Buchhändler, Hannover.
Seifert, G. F., Uhrmacher, Dresden.
V. Seydlitz, R, Freiherr, München.
St an dt, Seiler, Bayreuth.
V. Stankiewictz, Gariel, Dr. med., Eiga.
V. Steiger, A., Präsident des Bemer Thierschutz -Vereins, Bern.
V. Steiger-Jeandrevin, E.,.Bem.
V. Steinberg, Director der Frankfurter Bank, Oberkirch.
S t ein gr aber, E., Bayreuth.
Strohbach, E., Wien.
Stuckmann, Divisionspfaxrer der 19. Division, Hannover.
Stroh, Kanzleirath, Secr. d. württemb. Thiersch. -Ver., Stuttgart.
Taubenheim, Graf, Excellenz, Oberhofraths- Präsident, Präsident (
württemb. Thierschutz -Vereins, Stuttgart.
V. Tauchnitz, Freiherr, C, grossbrit. Generalconsul, Leipzig.
V. Tessin, Freiherr, Stuttgart.
Townsend, Mr., Eentner, Wiesbaden.
Trip SS, W., Bayreuth.
V. Trost, T., München.
Ullrich, A., Mag. -See, Beyreuth.
V. Vely-Junkenn, F., Freiherr, Schloss Hüffe, R-B. Minden.
Visconti, P. H., Commendatore, Kom.
Vitzthumv. Eckstädt, 0., Graf, kaiserl. Kammerherr und Ceremoni
meister, Berlin.
Voigt, G., Dr. med., Leipzig.
V. Voigts -Ehe tz, W., Oberkirch in Baden.
Wackenroder, Dr. med,, Hannover.
Wannschaff, C, Commerzienrath, Direktor d. sächs. Bank, Dresd
Waldbott-Bassenhein, Graf, Buxsheim.
V. Wächter, A., Darmstadt.
Wagner, Eichard, Tonkünstler und Dichter, Bayreuth.
Wagner, F., Bayreuth.
— 345 —
Walin öf er, Ober-Finanzrath, Präsident d. ThiersclL-Ver., Graz.
Wehrmann, Dr. jur., Leipzig.
Weller, Dr. med., Dresden.
Weilshäuser, Emil, Schriftsteller, Oppeln.
Wetzel, Pfarrer, Goldbach.
Weyneck, Superintendent, Gruna b. Dresden.
Wick, Bayreuth.
Wilt, Otto, Magdeburg.
Wilhelmi, Pfarrer, OberMrch in Baden.
V. Wylucki, Pfarrer, Weichsdorf b. Hirschfelde in Sachsen.
Wirth, Magistratsrath, Bayreuth.
Wölfel, C, Maurermeister, Bayreuth.
V. Wörz, Dr. med.. Ober- Med. -Kath, Stuttgart
Woeniger, J., Dr., Secretär des Thierschutz- Vereins, Schwerin.
Wulff, Willibald, Secretär des Thierschutz- Vereins, Schleswig.
V. Wollenwobiez, A., München.
T. Wuhmann, Wiesbaden.
Wüllen weher, Dr., Professor an der Sophien -Bealschule, Berlin.
V. Zedtwitz, A., Graf, Wien.
Ziemann, August, Stuttgart.
V. Zimmermann, Commerzienrath, Berlin.
Zöllner, Dr., Friedr., Universitätsprofessor, Leipzig.
Zorn V. Bulach, Freiherr, Student d. Universität Strassburg.
m. Damen -Mitglieder:
V. Ammon, Frau, Bentiere, Wiesbaden.
Anderson, A. M., Frau, Wiesbaden.
Aide seh, geb. de Boy, Frau Generalin, Biga.
Arnim, W., Gräfin, Berlin W.
Arnold, verw, Frau, Prof. Dr., Dresden.
Augspurg, A., Frl., Dresden.
Berg, Frl., Hofschauspielerin, Dresden.
V. Beriichingen, Baronin, Stuttgart
^•Bismarck, Fürstin, Durchlaucht, Berlin.
V. Blumröder, Frau Begierungsrath und Eammerherr, Ibenhain.
V- Blumröder, T. L. Lily, Frl., Ibenhain.
V. Bogageffsky, Frau, Wiesbaden.
Borcke, Gräfin, Loetzen.
Bor mann, Nat CaroL, Frl., Hausbesitzerin, Dresden.
V. Böse, Frau, Naumburg.
^- Brand, verw. Frau Majorin, Wiesbaden.
Brand, Philippine, Frl., Hofschauspielerin, Stuttgart
Bndd, Miss, Wiesbaden.
— 346 —
Eurckhard, FrL, Basel.
Camenisch, Nina, Frl., Schriftstellerin, Graubtinden.
Gasten, Willa, Frl., Bremen.
Cayallo, Frau, München.
V. Cromming, Frl.
Cuno, Frau Eegierongsrath, Wiesbaden.
Dathe, Helene, Frl., Dresden.
Dierbach, Frau, Vorsteherin des Pestalozzi- Vereins, Berlin NO.
Doenhoff, Gräfin, Loetzen.
Dorguth, Agnes, Frau, Eaudnitz i. Westpr.
Fbeling, Elise, Frau, Hamburg.
Elpis-Melena, Insel Greta.
V. Elterlein, Therese, Frl., Dresden.
V. Fabrice, Frau Oberlieutenänt, Berlin.
V. Fischer, Frau Majorin, Dresden.
Foltz, lina, Frl., München.
Forst, Frau Oberst, Wiesbaden.
Forst, Garoline, Frl., Wiesbaden.
Fournier, Frau, auf Baudach.
Funkhanel, Frau, Glauchau.
Fürstenstein, Elisabeth, Gräfin, UUersdorf.
Gais, Frau Assessor, München.
G ei ssler, Marie, Frau Dr., Berlin.
Gerbing, Wilh., FrL, Greifswald.
Gilbers, Frau, Dresden.
Glasenapp, Frau Oberlehrer, Eiga.
Grunewald, Mathilde, geb. Eieger, Frau, Gnadenberg.
V. Häss, Adelinde, Frau, geb. v. Fischer, München.
Hasse, Frl., Gesellschafterin, Wiesbaden.
Hatzfeld-Trachenberg, Fürstin, Durchlaucht, Berlin.
V. Haus er, Ghrist., Frau Generalin, München.
Heinemann, Frl., Dresden.
Hecker, A., Frl., Wiesbaden.
Herr mann, Baronin, Stuttgart.
Hertling, Garoline, Frau Baronin, München.
Henel, Auguste, Frau, Breslau.
Hinseimann, Mathilde, Frl., Zittau.
y. Holtz, Baronin, Stuttgart.
Jaegerhuber, Fanny, Fr., München.
Jahn, Frau Dr., Bern.
Jänichen, Frl., Lehrerin, Dresden.
V. Jankiewicz, Frau, geb. v. Keinhold, Eiga.
Y. Jarmersted, Mathilde, Frau, Eiga.
V. Jarmersted, Alwina, Frl., Eiga.
Jeserich, M., Frau, Berlin.
— 347 —
V. J ochmus, Frau. Florenz.
^ürgeiisen. Auguste, FiL. Grossensdineen b. Gottingen.
Keinschrod-Stieler. Ottilie, Fraa. Mönchen.
Knodt, Pastor, Fiao. Bothenberg.
Kolb, A-, Fri-. Mönchen.
KomorzvnskT, M.. FrL, Lehrerin. Wien.
Kon ig, Lydia. Baronin, StattgarL
Konig, Baronin, geb. VeUiagel, Stuttgart
r. Eönig-Warthausen. Elise, Freiin, Stattgart.
r. Kramer, Fraa Oberstlientenant, Mönchen.
V. Krazeisen, Fraa Generalin, Mönchen.
Lacbmann, Baronin, Dresden.
Lamprecht, Paala, FrL, Blankenherg b. Oldenburg.
Lantz, Hermine, Wiesbaden.
V. La Roche, Frdin, Mönchen.
Lembcke, J., Fraa Kammerrathin, Kopenhagen.
Lindau, Frau Dr., Dresden.
V.Lippe-Schaumburg, Förstin, Durchlaucht
V. Loa bell, Fr., Schulvorsteherin, Blasewitz.
V. Lutzau, Caroline, Frl., Biga.
van Manen-Thesing, Frau Dr., Gravenhage.
V. Maucler, Freiin, Stuttgart
de Massarelles, Frau Dr., Mönchen.
de Massarelles, B., FrL, Mönchen.
Hatuschka-Greiffenclau, Gräfin, Schloss VoUradt, Rheingau.
Hengersen, Grafin, Zschepplin b. Eilenburg.
V. Mengden, Baronin und Kammerherrin, Riga.
Herian, W., Frl., BaseL
Herian, Frau (Eselin), BaseL
^erian, F., FrL, BaseL
Minder, FrL, BaseL
Minder mann, M., FrL, Bremen.
Holly-Laddey, Frau verw. pen. kais. russ. Hofschauspielerin, Wiesbaden,
Müller, Frau Superintendent, Grossfahner b. Grafentonne.
Maller, Frau Dr., Wiesbaden.
Muller-Gessler, Frau, BaseL
^ellis, L., Frau, Dresden.
Nellis, A., FrL, Dresden.
Niess, E., Frau, Berlin.
Oestreich, Frau verw. Geheim.-Räthin, Hoyerswerda.
Philippsborn, Elise, Baronin, Graz.
Paget, Miss, Rom.
7. Palm, Julie, Freiin, Stuttgart.
Paris, Frau Obertribunalräthin, Berlin.
Pertz, Frau Majorin, Althof b. Lötz.
— 348 —
Rhau- Wechsler, Aline, Frau, St. Gallen.
y. Baesfeld, Frau Mmisterialräthin, München.
Beed, Miss, Eom.
V. Beinliold, Frau Staatsrath, Biga.
Bethmann, Marie, Frau, Dessau.
Bethmann, Frau Oberst, geb. v. Voigts -Bhetz, Dessau.
V. Beicheneder, Lotte, Frl., München.
Beimers, Alwine, Frau geb. Schepeler, Wiesbaden.
Beichenbach, Gräfin, geb. Freiin v. Gerber, Frankfurt a. M.
Beichenbach, Gräfin, Dresden.
Bheinb erger, Franziska, Frau, München.
V. Biderlen-Wächter, Frau, Stuttgart.
Biehl, Bertha, Frl., München.
Bichter, Frau Schullehrer, Laubegast b. Dresden.
Bolle, Frau, Listituts -Vorsteherin, Stuttgart.
Bütering, Theodore, Frl., Frankfurt.
Salz mann, Johanna, Frl., Augsburg.
Salzmann, Cäcilie, Frl., Augsburg.
Salzmann, Victoria, Frl., Augsburg.
Salzmann, Julie, Frl., Augsburg.
Schimmelf ening v. d. Oye, Baronin, Berlin.
V. Schonetz-Ascheraden, Frau, Hofdame L M. der Kaiserin
Bussland, Biga.
V. Seydlitz, Baronin, geb. v. Gumpert, München.
V. Seydlitz, Baronin, geb. v. Schimony, München.
Seyfried, Frau Polizei-Director, Wiesbaden.
Simmen, Wilhelmine, FrL, München.
V. Stein, Frau, geb. v. Ostau, Coburg.
Stollberg, E., Gräfin, auf Giersdorf b. Lobendan i. Schlesien.
V. Stolberg-Wernigerode (Bolko), Gräfin, Schlemmin b. Semtow.
V. Sturmfelder, Freiin, Stuttgart.
Spieker, E., Frau, Steueramts -Control., Kaysersberg.
y. Spies, Therese, Excellenz, München,
y. Spies, Emma, FrL, München.
Schaumann, Minna, Frl., Berlin W.
Schaumann, Frau Geh. Ober -Finanzräthin, Berlin W.
Schepeler, lina, Frl., Wiesbaden.
Schepeler, Doris, Frl., Bentnerin, Wiesbaden,
y. Schilling, Mary, Excellenz, Frau wirkl. Staatsrath, Biga.
y. Schiller, Baronin, Stuttgart,
y. Schleinitz, Gräfin, Excellenz, Berlin.
Schott V. Schottenstein, Freiin, Stuttgart.
Schwarz, Frau, Bondorf.
V. Tautförus, Freiin, Wiesbaden,
y. Tetaw, Marie, Frau, München.
— 349 —
Townsend, Mrs., Wiesbaden.
V. Tungelmann, Olga, FrL, Riga.
Tlebel, Lonise, Frau, geb. v. Boux-Damiani, Tegemsee.
Hebel, Isabella, Tegemsee.
V. Ulm , Baronin, Stuttgart
V. Vattler, Frau (jeneralin, Wiesbaden.
Vitzthum V. Eckstädt, Grafin, Berlin.
7. Yoigts-Bhetz, Frau Generalin, Excellenz, Luxenburg.
Wagner, Frau Eichard, Bayreuth.
T. Waidenfels, Math., Freiin, München.
T. Wehr mann, Frau, Wiesbaden.
Wellmer, Meta, Frl., Ebersdorf.
Wydene, Bentiere, Wiesbaden.
V. Wylich u. Lottum, Gräfin, auf Putbua.
Zanetta nee Beed, Mme., Flymouth.
T. Zabel, Jenny, FrL, Wiesbaden.
Zyro, Frau, Professor, geb. v. Blumröder, Ibenhain.
11
»»
11
11
11
11
Dem laterBationaltn Yeraitt sind femer beigetreten:
Der Thierschutzverein zu Bayreuth.
„ Haag. (Protektor S. M. der König.)
11 Oppeln.
„ Pitschen.
Brudervereine:
Der Verein zur Bekämpfung der Vivisection zu Hamburg.
(Vorsitzender: Y. Zimmermann.)
Der Neue Leipziger Thierschutzverein.
(Vorsitzender: R Schiebold.)
„Es lässt sich sonst über jede Sache dispntiren, ohn»
dabei in den Ton der persönlichen Herausforderung zu ver-
fallen, ein Solches ist aber leider bei unserer Sache durch-
aus unmöglich!" (S. 18.)
„Es giebt noch etwas Höheres als die absolute Wissenschaft:
Der moralische Werth und die demselben entsprechende sittliche
Handlungsweise des Menschen sind Güter, welche alle andern über-
ragen und einem noch so grossen Keichthuin von Kenntnissen, falls dieser
auf einem Wege errungen ist, dessen Beschreiten nicht mit der Moral in
Einklang gebracht werden kann, weit vorzuziehen sind." (S. 4.)
„Die Wissenschaft soll mit der Humanität und Moral Hand in Hand
gehen, und ihr höchster Zweck ist Bildung und Veredelung des
Menschengeschlechtes." (S. 5.)
„Möge im Hinblick auf die englische Nation das Vertrauen auf
unsere Kraft gestählt werden und unser Muth wachsen, damit wir recht
bald den Tag erleben, an dem durch die Macht des Mitleids eine Umkehr
im Treiben der Menschheit hervorgerufen wird und eine neue Cultur auf-
blüht, wie die Knospe der Kose, die ganze Welt mit ihrem Dufte berauschend
und in allen neuen Generationen Begeisterung erweckend für das Sitt-
lich-Keine und Erhabene." (S. 37.)
„Ein Beitrag zur Yivisectionsft'age von Christoph Schnitt**
Berlin 1 880. (T h e o d o r B a r t h.) Preis 75 Pfg. "^
Nachtrag.
„HerrnHansen ist in Wien entschieden Unrecht geschehen
.... das onfireiwillige Ende seiner zuletzt behördlich verbotenen Pro>
dnctionen hat ihn in dem Urtheile der meisten Wiener mit einem schwer
auf ihm lastenden Makel behaftet, der ihn furtan in seiner Ehre und seinem
Erwerbe wesentlich zu beeinträchtigen vermag.. Die Gerechtigkeitsliebe
der Journalistik, die in Wien doch zuletzt fast immer die Oberhand ge-
winnt, verlangt, dass man das abföllige öffentliche TJrtheil über Hansen
corrigire . . . diese Correctur hat ihre eigentliche dringliche Berechtigung
weit weniger noch im Interesse des Individuums Hansen als in jenem,
dass gebildete Zeitgenossen sich über so auffällige Dinge,
wie es die Froductionen Hansen^s waren, ein richtiges und
sachgemässes Urtheil zu bilden vermögen/*
Dr. C. B. Brühl,
Ordentl. Profeasor m. d. UniversitKt su Wien.
(„Wiener Allgemeine Zeitung'' v. 17. u. 19. MKrs 1880.>
■
„Professor Schiff in Genf, belciuintlicli einer der leidenschaftlichsten
Virisectoreii , hat am 24. Sept 1879 einen Vortrag über «^etallotherapie**
gehalten. Derselbe Gegenstand und seine Beziehung znm thierischen
Magnetismns ist von mir (III. Bd. S. 461 u. 552) aosfOhrlich behandelt
worden. Vielleicht geht hierdurch den Virisectoren ein Licht über die
Nntzlosiglceit ihrer Grausamkeiten auf und zeigt ihnen, dass es im Gebiete
der Transcendentalphysiologie noch andere, moralisch weniger
anstössige, Wege gibt, um auch die bisherige Physiologie und Psychologie
mit neuen Entdechungen zu bereichern.'*
F. Zöllner.
„WissenschmftUche Abhandlongen'* III. Bd. S. 068 (October 1879).
,Jch glaube mit den Beobachtungen, zu welchen mich die Schaustellung
des Herrn Hansen veranlasste, eine neue Methode des Studiums der
Himfunctionen eröffnet zu haben, welche als dritte neben die anatoBiisehe
und die vivisec torische zu treten bestimmt ist und alle Aussicht hat,
Aufschlüsse nünentlich über die psychophysische Seite der Himthfitigkeit
zu geben, welche die beiden andern Methoden zu erlangen nicht im
Stande sind.""
R. Heidenhain,
ProfMBOr der Physiologie und Virlaector a. d. UnlirenitSt Breslau.
Separat-Abdruck «na der Brealmuer ftrstUchen Zeitschrift Ho« S.
(Sonnabend, den 18. MBm 1880.)
Es gereicht mir zur GenugthuuDg, noch unmittelbar vor
Abschluss dieser Schrift eine in der „Breslauer ärztlichen
Zeitschrift" (No. 5 — Sonnabend, den 13. März 1880) ver-
öffentlichte Abhandlung:
«Zur Kritik hypnotischer Untersuchungen von K. Heidenhain"
berücksichtigen zu können, weil darin Forderungen und Be-
hauptungen ausgesprochen sind, welche sowohl in sittlicher
als wissenschaftlicher Beziehung wesentlich mit meinen eigenen,
in der vorliegenden Schrift vertretenen, Anschauungen über-
einstimmen.
Hr. Professor Heidenhain scheint in Folge seiner ver-
1 dienstlichen Untersuchungen unliebsame Erfahrungen bei seinen
SpecialcoUegen in Berlin gemacht zu haben. Er sieht sich
genSthigt, sowohl seine „Medien" wie sich selber gegen den
Terdacht des absichtlichen Betruges und der Selbsttäuschung
2u vertheidigen. In dem guten Glauben, den jeder anständige
und ehrliche Mensch beim Beginn derartiger Untersuchungen
den gelehrten Skeptikern entgegenbringt, man könne letztere
durch Einwirkung auf ihren Verstand und ihre gesunden Sinne
überzeugen, erklärt Hr. Professor Heidenhain wörtlich:
„Es handelt sich für mich darum, Kechenschaft davon ahzulegen, wie
Weit meine hypnotischen Beohachtungen den Anspruch erheben können,
Düt denjenigen Garantieen der Sicherheit ausgestattet zu sein, welche eine
jede wissenschaftliche Untersuchung haben muss. Der Grad der Zuver-
lässigkeit derartiger Beobachtungen hängt offenbar von den Eigenschaften
sowohl des Beobachters als der Personen ab.
Von mir selbst zu sprechen würde wenig angemessen sein. Doch hoffe
ich auf Nachsicht rechnen zu dürfen, wenn ich meine, dass seit einer
^nfimdzwanzigjährigen wissenschaftlichen Thätigkeit in meinen Arbeiten
J^ichts vorgekommen ist, was dazu berechtigte, bei meinen Beobachtungen
Mangel an Vorsicht und Selbstkritik, Voreiligkeit und Leichtsinn voraus-
23
— 354 —
zusetzen. Diese Gerechtigkeit lassen mir auch Gegner hypnotischer Ver-
suche widerfahren, und bei meinen zahlreichen wissenschaftlichen Freanden
darf ich wohl auf eine ähnliche Stimmung rechnen. . . . (S. 1 u. 2.)
Ich bin ausser Stande, mir eine Verschwörung von Personen aus den
allerverschiedensten Ständen und von den verschiedensten Bildungsgraden
auszumalen, die sich alle dahin vereinigt hätten, mich und so viele sonstige
Medicinerin derselben Weise durch Schauspielereien zu betrügen. Eine solche
Verschwörung müsste von der Köchin oder der Wärterin im Hospitale bia ,
zur aristokratischen Salondame, von dem gemeinen Soldaten aus Ober-
schlesien, der kaum ein Wort Deutsch versteht oder spricht, bis zu dem
Philologen an dem Gymnasio, von dem jüngsten Studirenden der Medicin
bis zu dem in seiner Praxis in Ehren grau gewordenen Arzte, von dem
Studirenden der Jurisprudenz bis ^u dem Amtsrichter gehen. In dieselbe -
müsste mir gegenüber mein eigener Bruder einbegriffen sein, der seit Jahrm
mein täglicher Gast in meinem Hause ist; er müsste in den Chor der ;
Betrüger einstimmen, wohl wissend, dass er dazu beitrüge, das einzige^
auf das Spiel zu setzen, was ich mir in einem wahrlich
arb-eitsreichen Leben erworben, meinen ehrlichen wissen-
schaftlichen Namen." (S. 4.)
Obschon Hr. Heidenhain oben erklärte, „von mir selbst
zu sprechen würde wenig angemessen sein", spricht er dennoch,
wie man sieht, stets von sich selbst und seinen moralischen
und wissenschaftlichen Vorzügen. Ich bin weit entfernt,
meinem CoUegen deswegen einen Vorwurf zu machen; im
Gegentheil, ich erblicke hierin eine Entschuldigung und Recht-
fertigung dafür, dass auch ich in einer ähnlichen Lage ge^
zwungen bin, so viel von mir selbst zu sprechen. Es ist dies
eben absolut unvermeidlich, sobald man sich gegen unwissen —
schaftliche und verleumderische Insinuationen von Männern
zu vertheidigen hat, die man anfangs für anständig und ver^
nünftig hielt. Die Berliner Koryphäen der Fortschrittspartei
befanden sich ja vor Kurzem in einer gleichen Lage, und ich
zweifle sehr, ob der Geheime Medicinalrath und Akademiker
Professor Dr. Virchow, nachdem er eich als Candidaten für den
Reichstag aufstellen Hess, mit seiner öflFentlichen Erklärung:
„Was ich hier sage ist wahr!" einen grösseren Eindruck
als der Verteran der deutschen Fortschrittspartei Hr. Klotz^)
^) Nach dem Leipziger Tageblatt V. 18. März 1880 schreibt die „Tribüne''
über die „ Cliquen wirthschaft" in Berlin wörtlich:
„Der Abgeordnete Klotz, ein Veteran der deutschen Fortschritts-
partei, der auf ihre Präsentation seiner Zeit zum Vicepräsidenten j
— 355 -
machen wird. Hr. Professor Heidenhain spricht in fast
elegischem Tone von seinem „ehrlichen wissenschaftlichen
Namen'* und bezeichnet ihn als „das einzige, was er sich in
einem wahrlich arbeitsreichen Leben erworben bat". Ich
erlaulje mir nun an meinen Collegen die Frage zu richten,
ob er auch die Gerechtigkeit zu den Eigenschaften eines
ehrlichen wissenschaftlichen Namens rechnet. Bejaht er
mir diese Frage, so bitte ich um weitere Auskunft darüber,
weshalb er mir und meinen Freunden, die wir uns gleichfalls
mit Hansen und ausserdem mit Slade sehr eingehend be-
schäftigt haben und uns einbilden, mindestens ebenso viel
Anrecht wie er selber auf einen „ehrlichen wissenschaft-
des Abgeordnetenhauses gewählt wurde, musste sich dagegen ver-
wahren, dass man ihn öffentlich einen Lügner nannte, und erklären:
„„Was ich hier sage ist wahr!"" Zu unwürdigeren Extravaganzen,
um kein anderes Wort zu gebrauchen, hat auch der Streit zwischen den
Lassalleanern und Eisenachern nie geführt."
Die auf der äussorsten Linken der Fortschrittspartei stehende „Ber-
liner Zeitung" berichtet nach der Post v. 17. März:
„Einen pöbelhafteren Skandal als ihn gestern (Montag) Abend die
Anhänger der Clique Knörcke in den Reichshallen provocirten, hat
Berlin seit Menschengedenken nicht erlebt. ..."
Die „Volkszeitung", das „Organ" der Fortschrittspartei, bezeichnet mit
grosser Feinfühligkoit für den Berliner foetor judaicva als die hauptsäch-
lichsten Störenfriede die folgenden Herren. Sie sagt:
„Es waren insbesondere die Herren Salomon, Ball, Arons,
Pincussohn, Max Hirsch und Knörcke, die mit ihrem Anhang
einen so entsetzlichen Skandal erregten, dass der Vorsitzende sich
genöthigt sah, die Versammlung zu schliessen. Die anwesenden Social-
demokraten, denen solcher Gestalt die Arbeit abgenommen war, verliesson
den Saal mit der Bemerkung: Da waren einmal die Gebildeten
unter sich."
Ein fortschrittlicher Redner aber, der nicht zu Worte kommen
konnte, sprach der ganzen dort versammelten ,. gebildeton" (lesellschaft
mit folgenden Worten ihr ürtheil:
„Wenn jetzt einer aus der Provinz hierher käme, der
nicht wüsste, was los ist, der müsste glauben, in einer Ver-
sammlung von Nihilisten zu sein!"
Kann die Nemesis in der Weltgeschichte deutlicher illustrirt werden,
als durch die Selbstvemichtung der Unwahrheit und Cliquenwirthschaft ?
Mögen hierin auch die gelehrten Cliquen in Berlin und Leipzig an ihren
Untergang durch den erwachenden Volksgeist erinnert word(3n.
23*
— 356 —
liehen Namen" zu haben — ich frage Hrn. Profeeeoi
Heidenhain, nach welchen Gesetzen talmudischer Weisbei^
er mir und meinen Freunden den „ehrlichen wissenschaftliche]
Namen" durch folgende Erklärung zu beeinträchtigen sucl
„Wenn mir selbst heute irgend Jemand, wer es auch sei, ^die E^^ j
scheinungen, die ich in den letzten zwei Monaten vor meinen Augen hal^:;^^
entstehen sehen, in einem Aufsatze zusammengestellt zuschickte, so wür-^^cife
ich ganz gewiss ungläubig den Kopf schütteln. Ich würde aber, wen» jj
der Autor ein mir sonst als zuverlässig bekannter Forsch «/
wäre, allerdings Bedenken tragen, an meinem Schreibtisch^«
mir ein ürtheil zurecht zu legen, sondern mich gedrungen
fühlen, bevor ich ein solches ausspräche, mich durch eigene
Erfahrung zu orientiren. Und die eigene Erfahrung ist hier
das allein entscheidende." (Vgl. a. a. 0.)
Angesichts dieser öffentlichen Erklärung und der in
vier Auflagen seiner Schrift wiederholten Verdächtigungen ^) sind
für die moralische Beurtheilung des Hrn. Professor Heiden-
hain nur zwei Wege möglich. Entweder, er spricht in
obigen Worten seine aufrichtige Ueberzeugung aus und
kann mit dem Abgeordneten Klotz versichern: „was ich hier
sage ist wahr", alsdann erklärt er mich und meine Freunde
Fechner, Wilhelm Weber, Thiersch, Scheibner u. A.
für „nicht als zuverlässig bekannte Forscher" und widerspricht
in diesem Falle seiner eigenen Behauptung, dass „die eigene
*) „Spukt doch trotz aller naturwissenschaftlichen Aufklärung unserer
Zeit der sogenannte Spiritismus in den Köpfen nicht hlos der Laien,
sondern seihst ernsthafter, auf ihrem wissenschaftlichen Gehlete ausgezeich-
neter Gelehrter. Hat doch Einer unter ihnen mit Hilfe des Amerikaner»
Hm. Slade Geister citirt und deren Fusstapfen photographirt. Ist doch,
zu unsern althewährten sichtbaren drei Dimensionen des Eaumes ein^
vierte unsichtbare hinzugekommen, in welche hinein dreidimensionale Objecte ,
wie Tische u. dgl., vor den sehenden Augen verschwinden und aus welcher
heraus, von unsichtbaren Händen geworfen, Kohlenstücke den erschreckten
Zuschauern um den Kopf fliegen, Glieder ohne Eumpf auftauchen, und
was derTaschenspielerkunststücke mehr sind. Hat doch ein bekann-
ter Philosoph bona fide jene Märchen für eine Offenbarung der göttlichen
Allmacht erklärt, dazu bestimmt, die ungläubige Menschheit von Neuem
zum Glauben zu erwecken."
„In einer Zeit, wo Solches möglich ist, liegt die Gefahr nahe, dass Er-
scheinungen, wie sie Hr. Hansen vorführt, zu einer neuen Form des
Aberglaubens verleiten." Vgl. Heidenhain, der sogenannte thierische
Magnetismus. 4. Aufl. (Breitkopf & Hart ol.)
— 357 —
Erfahrung hier allein das Entscheidende sei". Oder aber,
Hr. Professor Heiden ha in ist in obigen Worten nicht auf-
richtig, sondern beansprucht für sich Rücksichten, die er gegen
mich und meine Collegen glaubt verletzen zu können. Ausser-
dem verführt ihn unbewusst sein semitischer Charakterzug zur
Sentimentalität, durch welche er Mitleid und Theilnahme für
seine verletzte Eitelkeit beim Leser zu erregen hofft. Aehnlich
wie Lasker in seinen „Erlebnissen einer Mannesseele" oder
Lassalle in der Berufung auf seine „treue Brust" ^) Theil-
nahme zu erwecken sucht, ähnlich folgt Hr. Heidenhain
— natürlich unbewusst und hypnotisch — . dem angestammten
Charakterzuge seiner israelitischen Vorfahren.
Bei der durchschnittliehen Treuherzigkeit und Gutmüthig-
keit des germanischen Volkscharakters mag die semitische
Sentimentalität in der Presse und im Salon mit grossem Er-
folg zur Hypnotisirung des „Volkes der Denker" angewandt
werden können, aber in der Wissenschaft ist diese Methode
nicht brauchbar, denn der Engländer Hr. Professor P. G. Tait,
der Freund von HelmhoJtz und Mitarbeiter des berühmten eng-
lischen Physikers Sir WilliamThomson, erklärt ^) mit Recht :
„In der Geschichte der Wissenschaft gibt es kein argumentum ad
müericordiam.^^
Durch die vorstehende psychologische Analyse des semi-
tischen Charakters beabsichtige ich keineswegs Herrn Professor
Heiden hain zu beleidigen, ebensowenig, als er selber dies
hoffentlich meinen Freunden und mir gegenüber durch seine
oben mitgetheilten Worte zu thun beabsichtigt hatte.
Diese gute Absicht, welche wir beiderseitig als Collegen
gegen einander hegen, verhindert jedoch nicht die subjective
Empfindung der Verletzung, ebensowenig wie der Schmerz
von gegenseitig ertheilten Fusstritten beseitigt wird, gleich-
gültig, ob wir uns dieselben absichtlich oder unabsichtlich,
bewusst oder unbewusst ertheilen. Ebenso wie hier die Grösse
des empfundenen Schmerzes, ausser von der objectiven Stärke
*) Vgl. oben S. 221.
*) P. G. Tait, „Vorlesungen über einige neuere Fortschritte der Physik".
Autoiisirte deutsche Uebersetzung von G. Wertheim. Braunschweig
1877. p. 48.
1 mit
m
des Reizes, auch noch von der Hubieciicen Sensibilität dar
gereizten Nerven abhängig ist, eben so hängt auch die sub-
jectiy verletzende Wirkung von Worten und Handlungen nüt
dem EntwicklungsBladium unserer moralischen Feinfiil
keil zusammen. Um jedoch die grosse Verechiedenheit dii
allen Menschen ■— also auch den deutschen Professoren
verliehenen Eigenschaft Hrn. Heidenhain gegenüber durch
Beispiele zu erläutern , erlaube ich mir folgende ThataacKen
und Selbstbekenntnisse anzuführen. Unser College, der ordent-
liche Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie
an der Universität Würzburg, Hr. Dr. Semper, erklärt in
seinem berühmt gewordenen Amselprocess') S. 21 wörtlich:
„Alk Saiten des MenscbetiherzßDS ivurden angcecblagoa , um mich
und mit mir meint) Freunde zu treffen. Leider äabe k'h aber den An<>n,vmeo
gegenüber von jeher ein ElephaotenfoU geliabt, in das sio bisher uooh
niemals irgend weilche J.oohor 7.u reissen rerstonden."
Dass mir persönlich solche „dickfellige Collegen" mit
,, Eleph an ten feilen" nicht angenehm sind, habe ich bereits oben
(S. 147J erwähnt und auf eine analoge Antipathie des Fürsten
v. Bismarck gegen „dickfellige Minister" hingewiesen. Aber
nicht nur „den Anonymen gegenüber", sondern auch gegen
freimüthig und mit vollem Namen auftretende ehrliche Kritiker
besitzen gegenwärtig eine sehr grosse Zahl von deutschen
Professoren das Semper'sche „Elephimtenfell", in welches
das Volk „bisher noch niemals irgend welche Löcher zu
reissen verstand". Ich erinnere hier nur an Vircliow,
Helraholtz,^) E. du B ois-Reymond, Ludwig und
die ganze Schaar der Vivisectoren, welche sämmtlich nicht
anonym und versteckt, aondcm öffendich von anständigen und
fiir das sildiche Wohl unseres Volkes aufrichtig besorgten
Männern angegriffen worden sind. Hr. Professor Semper
') „Mein Amsel - ProzesB . die Aniael- Fanatiker imd der Togolsd
Von C äemper, Professor d. Zool, und vei^ Anatumie a. d. ünivK
Wiirzburg." Würzburg. J. Staudinger. Preis SO Ptg.
*) loh iiabe hier speciell meine eigene, seit S Jahren (
Helmholtz wogen seines illoyalen Verhaltens gegen äohopenlti
geführte Polemik' im Auge. (Vgl. Austtilulicheres in meiner BcbriftHl
Äirfklärnng des deutschen Volkes u. s, w.")
— 359 —
hat in seinen obigen Worten mit fast ebenso grosser Selbst-
verleugnung wie Hr. Tyndall in seinem Geständniss, dass er
zuweilen schwache und zweifelhafte Stunden habe (vgl, S. 158),
gerade diejenige Charaktereigenschaft berührt, welche dem
deutschen Volke nicht nur bei seinen Professoren , sondern
auch bei allen zur semitischen Kasse gehörigen und von der-
selben abstammenden Deutschen so unerträglich und antipa-
thisch ist. Hierbei ist das Aeussere und die Farbe des Haupt-
haares durchaus gleichgültig, ebenso wie die Himmelsgegend
aus der sie gekommen sind, um sich im „Herzen Deutschlands'^
festzusetzen. Mögen sievonNoorden oder von Süden, von
'Holland oder von Spanien kommen, dies ist für unsere Anti-
pathien vollkommen „farcimentum'^ (Wurst) wie Bismarck
sagt. Der einzige Unterschied besteht nur in der grösseren
Schwierigkeit, die Blonden ebenso leicht wie die Schwarzen^)
zu erkennen, weshalb uns denn bereits Goethe vor den aus
Norden kommenden Blonden und Blondinen wegen ihrer
*) „ . . dann sah ich den kleinen Schwarzen an, denn nach meinem
selbstgeschaffenen Bilde musste er es ja sein/* Mit diesen Worten beschreibt
Helene von Dönniges in ihren ^^B^ziehungen zu Ferdinand Lassalle**
<S. 36) denjenigen Mann, welchen sie bei Hirse menz eis zuerst irrthüm-
lich far Lassalle hielt, von dem sie bis dahin nur gehört hatte,
dass er ein Jude sei. Der vollständige Wortlaut der betrefiFenden Stelle
isi^ folgender:
, J)a standen sie auf und das volle glänzende Licht fiel auf die drei
Herren, die alle zugleich durch die geöffnete Mügelthür eintraten.
Hirsemenzel, daneben ein kleiner, hässlicher Jude und — ein grosser,
sehlanker, schöner Mann mit römischem Cäsarenkopf und strahlenden
Augen, die er gerade, weil in lebhaftem Gespräch, zu voller Grösse Öffnete.
Nur einen Augenblick ruhte mein Auge auf ihm mit dem Gedanken:
wie schade, dass es nicht dieser ist! — dann sah ich denkleinen
Schwarzen an, denn nach meinem selbstgeschaffenen Bilde musste er
68 ja sein."
Wer der „kleine Schwarze** und „hässliche Jude** gewesen ist, ver-
«hweigt die Cousine meines Collegen Arndt. Vielleicht hat Frau Hof-
Titiiin Wiedemann die Güte, sich gelegentlich einer Visite bei Frau
.Ceheime Hofräthin Professor von Friedberg, der ehemaligen Frau
Hirsemenzel, hiemach zu erkundigen. Mein College Fried borg, der
^hnoh den Besitz eines hohen Würtembergischen Ordens den persönlichen
Adel erlangt hat, ist, als ein im Jahre 1837 (12. Dec.) Geborener, soeben
jfingsten Geheimen Hofrath ernannt worden, was im Leipziger Tageblatt
— 360 —
scharfen und behaarten Geisterzähne gewarnt und ihnen gegen-
über auf unserer Hut zu sein ermahnt hat. Im „Faust"
lauten die betreffenden Worte wie folgt:
„Von Norden dringt der scharfe Greisterzahn
Auf Dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen; . .
Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,
Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen,
Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,
Und lispeln englisch, wenn sie lügen."
Vom Sem per 'sehen Standpunkte aus wäre man eigentlich
berechtigt, die ganze gegenwärtig in Deutschland gegen das
jüdische Wesen entstandene Bewegung nicht als „Judenhetze",
sondern metaphorisch als „Elephantenjagd" zu bezeichnen.
Denn ohne Zweifel würde doch Professor Sem per von seinem
Jagdrecht nicht nur den Amseln, sondern auch den £lephanten
gegenüber Gebrauch machen, falls ein solcher in seinen Garten
einbräche und mit plumpen Tritten den von ihm „mit ziem-
lich bedeutenden Kosten angelegten Garten für Farrenkräuter
und Alpenpflanzen" verwüstete. Vergleicht man nun Deutsch-
land mit Professor Semper's Garten in Würzburg und die
darin gepflegten Anlagen von Alpenpflanzen mit den für „be-
deutende Kosten" unterhaltenen Universitäten, so kann sich
das deutsche Volk bei Ausübung seines Jagdrechts auf gelehrte
und semitische „Elephanten" ebenso wie Professor Sem per in
seinem Amselprocess von dem Würzburger Professor des
deutschen Privatrechts Schröder vertheidigen lassen.^) Wie
V. 14. März 1880 (7. Beüage) dem Volke (urhi et orhi) in folgenden Worten
verkündet wird:
— „Den ordentlichen Professoren der Theologie zu Leipzig D. theol.
Lechler und D. theol. Delitzsch ist der Titel und Hang als „Geheimer
Kirchenrath", und den ordentlichen Professoren der Rechte daselbst Dr.
jur. Müller, Dr. jur. Friedberg, Dr. jur. Stobbe, sowie den ordent-
lichen Professoren der Fhüosophie daselbst Dr. phil. Zarncke und Dr.
phü. Overbeck ist der Titel und Rang als „Geheimer Hofrath" ms-
gesammt in der dritten Classe der Hofrangordnung verliehen worden/'
*) Vgl. Der Würzburger Amsel -Prozess und die Amsel. Von Dr. E.
Baldamus in Coburg. Frankfurt a/M. Morgenstern 1880. Preis
50 Pfg. Seite 29 — 30 wird eine ausfuhrliche, von Professor Sem per
verfasste „Berichtigung" abgedruckt, in welcher es am Schlüsse wörtlich
hcisst:
f
— 361 —
glücklich wäre ich im Besitze eines solchen Elephantenfelles
gegen anonyme Kritiker, wie es mein College zu haben be-
dauert! Dann hätte ich ja den anonymen und denunciato-
i-ischen Schmähartikel von meinem Breslauer historischen
CoUegen Alfred Dove gegen mich und meine Freunde
gänzlich unbeachtet lassen können. Sicher wäre dies auch
geschehen, wenn es sich bei meiner Polemik um Personen
und nicht um Bekämpfung allgemeiner moralischer Schäden
in unserem Vaterlande und um die Vertheidigung der Frei-
heit der Wissenschaft handelte. In der That dienen
solche anonyme Schmähschriften dem literarischen Raubritter-
thume in Deutschland als Festungen und Raubburgen, von
denen aus unpatriotische und pietätlose literarische Freibeuter
wahrheitswidrige Darstellungen in alle möglichen auswärtigen
Blätter hiniiberspielen, und hierdurch „wider Willen zu einem
Werkzeug jenes Gesindels" werden, dessen gemeinsame Be-
kämpfung heute eine Culturaufgabe aller civilisirten Nationen
geworden ist. Ich habe mich in den vorstehenden Ausdrücken
streng an diejenigen Worte gehalten, mit welchen der juristische
Rechtsbeistand und Vertheidiger des berühmten Amselprofessor&
Sem per, der Professor des deutschen Privatrechtes Hr. Dr.
B. Schröder in Würzburg, seinen dienten in einem Briefe
V. 19. Januar 1880 vertheidigt, der gleichfalls S. 29 in der
Schrift von Dr. Ba 1 d a m u s abgedruckt ist. (Vgl. unten S. 365.)
„Es ist unwahr, wenn behauptet wird, ich hätte die Amseln in
meinem Garten verfolgt, um meine Kirschen und Weintrauben zu retten;
ich habe diese Früchte, wie überhaupt irgend welche anderen Beeren-
früchte, im vorigen Jahre gar nicht darin gehabt. Ich verfolgte sie
vielmehr nur, um ihren Verwüstungen in einem kleinen von mir mit
ziemlich bedeutenden Kosten angelegten Garten für Farrenkräuter und
Alpenpflanzen ein Ende zu machen. Dies soll nach Herrn Dr. Euss
engherzig sein. . ."
In der That ist mir die Ethik und Logik meines zoologischen Collegen
Sem per nicht ganz klar, nach welcher er die Eettung von „Kirschen
und Weintrauben" den Amseln gegenüber zu missbilligen, dagegen die
Rettung seiner „Farrenkräuter und Alpenpflanzen" zu vertheidigen unter-
nimmt. Eine solche Anschauung von akademischen Eeservatrechten in
Bayern „engherzig" zu nennen, scheint mir in Uebereinstimmung mit dem
bayrischen Volke nicht unbeerechtigt zu sein.
TÄNE lj::":y. z::::^^:^
- 3r.3 —
M^e Würzburger Collegeo werden aus den mir und
Dieiaen Freunden zu Theil gewordenen öffentlichen
Seil mähun gen und pereönHühen Beleidigungen ersehen, wie
Unrecht sie dem bayrischen Volke thun, wenn sie die Animo-
eitäi der dortigen Presse bei Verfheidigung der Amsel daraus
erklären wollen, daas man ihnen ,,ale geborenen Norddeutschen
nicht wohl will". Unser College Alfred Dove ist nicht nur
Norddeutseher, sondern ebenso vie ich sogar Berliner, und
trotzdem hat er ohne die geringste persönliche Veranlassung
von meiner Seite durch seine anonyme Seil mäh schrifl zuerst
denjenigen Ton gegen mich und meine würdigen und hoch-
berühmten alten Freunde angeschlagen, von dem gegenwärtig
die in- und ausländische Presse wiederhallt. Das Beschämende
für das deutsche Nationalgefühl bei diesen ausländischen
SchmähungeD liegt jedoch nicht nur in ihrem Jahahe, sondern
auch in dem Umstände, dass die Urheber überall Deutsche
Bind und zwar deutsche Professoren und Literaten im „ H erzen"
Deutschlands. Bereits vor acht Jahren, als eich meine CoUegen
Helmholtz und E. du Bois-Reymond für berechtigt
hielten, tendenziöse Unwahrheiten über meine Zurechnungs-
fähigkeit im Publikum zu verbreiten, und zwar auf Grund
ebies Buches („Natur der Coraeten"), in welchem weder von
Spiritismus noch animalischen Magnetismus die Rede war, er-
hielt ich von einem rheinischen Gelehrten, nach Publikation
meiner nothgednmgenen „Abwehr", das folgende Schreiben
d. d. 2. Juli 1872:
„Diro Worte „^iir Abicefir" linbo icli mit geiiiiBchten EmpfindmigiMi
gelesen: mit Bcdimem, dass doutscbe tiololirte zu den gemeinea und nie-
drigen Waffen der Verdächtigung und Varleuindung greifen und ihre An.
griJfe gleich den Wegolagram Hua flneteren Verstecken oder mit maskirtein
Gesicht gegen ihren Gegner richt«n; mit Bedauern lener, duss Se Ihre
Zeit auf die Abwehr m zweitelliafter Freonde verwenden mÜBscm. wie sie
in Du Bois-Raymonil und doiu schonungslosen Briefschreiber von 8. Vm.
hervortreten: mit Freude dagegen, daae Sie den Stier bei den Hömcm
anfassen und die Besorgniss der ,J'roniido" lozüglicb der Unaurechnunga-
filhigbeit und dos usKute Hineinziehen Ihrer Familie mit Mutb der OeCFent-
üchlceit übergeben. Wie wrid Sie getliau haben, von diesen eigentUch docll
«ehr delicaten Dingen öffentlich zu reden imd damit dem Fuldieuin den
Nachweis cu liefern, dass Sie Kraft genug besitzen, um auch die gemäneti
und verleumderisclien Angriffe auf Üir Nichts znrilrkzufiihren, davon z«ugt
— 363 —
der Umstand, dass dieser nichtswürdige YertheidigangsTersuch Ihrer
Oegner bereits den Weg über den Canal in das Lager der befreundeten
Clique gefunden hat. Ein Herr aus London .... schreibt mir unter dem
22. Juli wörtlich .... Folgendes . . . ." *)
Sechs Jahre später colportirte dann wieder College Lud-
wig mit Unterstützung seines Schwiegersohnes Alfred Dove
Unwahrheiten über mich und meine Freunde, welche in
Petersburg unter den Akademikern und Professoren der medico-
chirurgischen Akademie weiter verbreitet wurden.*) Professor
Wundt äusserte hierauf in einem Privatkreise von CoUegen
und Studenten, dass er nicht gesonnen sei, auf Professor
U 1 r i c i ' 8 Beantwortung seines offenen Briefes zu erwidern, —
und sofort wird dies durch geheime Verbindungen zwischen
Leipzig und Paris an einen Literaten Jules Soury berichtet,
der dann in der BepuUique frangaise hieran eine öffentliche
Beleidigung unseres alten Collegen Ulrici knüpft, indem er
behauptet, derselbe leide an der folie raisonante.^) Da jedoch
Hr. Jules Soury bereits in gelehrten Schriften bewiesen
hat, dass auch Christus wahnsinnig gewesen sei*) und nur
^urch seinen frühzeitigen Kreuzestod vor der Aufnahme in
"ein Irrenhaus bewahrt geblieben sei, so wird sich Professsor
XJlrici mit mir auch ohne Beleidigungsklage über solche
öffentliche Insulten zu trösten wissen. Um schliesshch hier
noch die neueste Blüthe auf diesem Gebiete der Verleumdung
2U erwähnen, welche wiederum beweist, dass Leipzig als das
„Herz Deutslands" seine unsichtbaren Hemmungsnerven nicht
nur nach London, Petersburg und Paris, sondern sogar nach
Amerika entsendet, erlaube ich mir aus einer mir soeben aus
Philadelphia übersandten Zeitung^) wörtlich Folgendes in deut-
scher Uebersetzung mitzutheilen :
„Die „„^a^/on*"' vom 12. Februar druckt einen Brief aus Leipzig
über den Fortschritt des Spiritualismus in Deutschland ab (pinnts a lettei^
from Leipzig ort the progress of Spiintualism in GermanyJ, welcher, ob-
*) Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. II. ThL 1. S. 423.
*) Ebendaselbst. Bd. 11. Thl. 2. S. 1092.
') Tgl. Ausführliches hierüber in meiner Schrift „Zur Aufklärung des
deutschen Volkes."
*) Ebendaselbst.
*) „ Mind aml Matter,'' Philadelphia d. 28. Febr. 1 880. S. 4.
— 364 — !
schon von einem erbitterten Feinde der neuen Wissenschaft geschrieben,
dennoch einige Thatsachen enthält, welche geeignet sind, ihre Freunde zu
ermuthigen.'*
.... Die „„Ansteckung"'* scheint sich „„besonders unter den
Studenten und den halbgebildeten Arbeiter-Classen auszubreiten".". Nun
gut, wenn deutsche Studenten eine Frage in Angriff nehmen, so können
wir uns zuversichtlich darauf verlassen, dass dieselbe mit Sorgfalt, ohne
Furcht und ohne Encksicht auf die daraus fliessenden Consequenzen
behandelt werden wird. Das Gleiche kann weder von den gebildeten dessen
in England noch in Amerika behauptet werden. Deutschland mag, vom
practischen Gesichtspunkte aus betrachtet, als eine militärische Despotie
angesehen werden, — in geistiger Beziehung ist es das Land der Frei-
heit. Der Leipziger Correspondent der „iVa^z'on" sagt alsdann:
„„Ein hervorragender Berliner Irrenarzt weist mit Nachdruck auf
die in Zöllner 's Familie vorhandene Tendenz zum Wahnsinn hin und
nimmt keinen Anstand, Zöllner selber für wahnsinnig zu erklären. Ea
junger Docent (Christiani), welcher sich in einem Spielwaaren- Laden,
in welchem Taschenspieler ihre Kunststücke kaufen, Slade's berühmtes
Tafel -Kunststück und Anderes besorgt hatte, durch welche Zöllner"
behauptete, überzeugt worden zu sein, producirte diese Kunststücke mit
grossem Geschick in Abendgesellschaften. . . . Zöllner nimmt den Kampf
in vier dicken Bänden auf, welche er in 20 Monaten geschrieben hat. . • .
Obschon der heftige Angriff auf Helmholtz nur eine der zahlreich.©ii
Verletzungen des collegialen Anstandes war, wofür der arme, blinde PrivaLt-
docent Dühring mit vollem Eechte seines Lehrstuhles in Berlin berauLbt
wurde, so wünscht doch keiner der von Zöllner am schärfsten an-
gegriffenen CoUegen, dass er seines Amtes entsetzt werde, sondern man
will ihn der Universität erhalten zur Illustration des in Deutschland
fast allgemein aufrecht erhaltenen Frincipes, dass die Stellung eines
Professors eine lebenslängliche ist."" ^ :
„So ist also Professor Zöllner des Wahnsinnes angeklagt! Nun, er j
befindet sich in guter Gesellschaft! ..."
Was den anonymen Verfasser dieses aus Leipzig stammen-
den Briefes betriflft, so erlaube ich mir zur Ehre meines Collegen
Wiedemann u. dgl. m. zu bemerken, dass ich gegründete Ur-
sache habe, einen nicht im Lehrkörper unserer Universität be-
findlichen Juden als den Verfasser jenes Briefes zu vermuthen,
insofern sich derselbe in ganz ähnlicher Weise bereits öffent-
lich in einer hiesigen Versammlung über mich ausgesprochen
haben soll. Uebrigens befindet sich der anonyme Briefschreiber
bezüglich der Absetzbarkeit von deutschen Professoren im Irr-
thunie. Ich erlaube mir hier nur an den begeisterten Patrioten
Ernst Moritz Arndt und an die „Göttinger Sieben": Wil-
— 365 —
heim Grimm, Jacob Grimm, Dahlmann, Gervinus,
Ewald, Albrecht und Wilhelm Weber zu erinnern. Ich
befinde mich also nicht nur hinsichtlich des gegen mich aus-
gesprochenen Verdachtes des Wahnsinnes in sehr guter Ge-
sellschaft, sondern würde auch im Falle meiner Amtsentsetzung
oder „Remotion" in die Gesellschaft von deutschen Männern
mit unsterblichem Ruhme versetzt werden.
Dass sich übrigens alle anständigen und ehrlichen Leute,
welche fest entschlossen sind, der zunehmenden Anmassung
des jüdischen Literaten- und Gelehrtenthums öffentlich ent-
gegen zu treten, durch solche injuriöse Insinuationen ebensowenig
verletzt fühlen dürfen, wie berühmte englische Staatsmänner,
das mögen die folgenden Worte der Wiener „Neuen Freien
Presse"^) beweisen:
,yD er by wurde damals als „„momentan gestört"" angesehen; Glad-
8 tone macht den Eindruck eines Monomanen."
Selbst Fürst v. Bismarck muss es sich gefallen lassen,
von jenem „Gesindel" (um mit Professor Schröder^) zu
1) Nach dem „Leipziger Tagehlatt" v. 22. März 1880. (1. BeUage.)
*) Die betreffenden Worte Professor Sehr öder 's in seinem Briefe lauten
«i. a. 0. wie folgt (Würzburger Amsel-Process von Dr. Bald am us S. 29):
„Da es mir ausserdem darauf ankam, festzustellen, dass der Garten
des Professor Sem per ein solcher sei, welcher nach Maassgabe des
bayrischen Jagdgesetzes dem Eigenthümer das Jadgewähr leiste, so
wurde Professor Kindfleisch als Jäger auch über diesen Punkt ver-
nommen. Nur um die moralische Seite des Amselfanges in das rechte licht
zu stellen, wurde von ihm noch entwickelt, dass die Amsel, wo sie sich
in den Städten angesiedelt habe, ihren sonst so harmlosen Charakter
verleugne und unter Umständen gemeinschädlich werden könne, nament-
lich durch Vertreibung der Nachtigall und anderer Singvögel. Ausführ-
lich bestätigt wurde dies durch den zweiten Sachverständigen, Apotheker
Landauer, besonders aber durch einen zur Vorlesung gekommenen
Brief des Herrn Dr. Baldamus. Alles andere sind Tendenzlügen,
angestiftet von einer Presse, die uns als geborenen Norddeutschen nicht
wohl will. Sie hat mit wirklich bewundernswürdigem Geschick jene
wahrheitswidrige Darstellung in alle möglichen auswärtigen Blätter
hinübergespielt. Nachdem auch Ihre „gefiederte Welt" so wider
Willen zu einem Werkzeug jenes Gesindels — ich finde wirklich kein
anderes bezeichnendes Wort — geworden ist, glaube ich mit Bestimmtheit
annehmen zu dürfen, dass Sie eine Ehre darein setzen werden, Ihre
— 36G —
reden) als „verrückt" erklärt zu werden. Denn das „Leipziger
Tageblatt" (v. 3. April 1880) berichtet über den „hochin-
teressanten Vortrag" (über Bismarc k und Napoleon. III.)
des Geschichts-Professor's Dr. W. Oncken aus Giessen im
Kaufmännischen Verein zu Leipzig am Geburtstage Bis-
marck^s wörtlich Folgendes:
„Wohl suchte Napoleon Preussen zu ködern durch ein Bündniss und
die Unterstützung von 300,000 französischen Soldaten, wenn es das linke
Kheinufer an Frankreich preisgäbe, Bismarck aber widerstand allen
diesen Verlockungen, und wir wissen heute, welches Urtheil Napoleon
in Folge dessen über Graf Bismarck aussprechen zu müssen glaubte,
indem er zu seiner Umgebung in Biarritz die Worte sagte: „„Der
Mann ist verrückt."" . . . „Der Kedner erinnerte, dass der Mann,
der diese Erfolge für Deutschland errungen, soeben sein 65. Lebensjahr
zurückgelegt habe, und schloss seinen mit langanhaltendem, stürmischem
Beifall aufgenommenen Vortrag mit den Worten : „„Die wahreGrÖsse
des Fürsten Bismarck besteht darin, dass er im Kampfe
mit einer Welt von Feinden machtvoll gestaltet, was einst
unsern Vätern vor der Seele geschwebt.""
Ich frage nun aber alle meine deutschen Collegen, ob
wir mit Professor Semper ein Recht haben, mit unseren
„Elephantenfellen" zu prahlen und mit Professor Schröder
über das literarische „Gesindel" und seine „Tendenzlügen" zu
wehklagen, wenn dieselbe Kasse von Menschen mitten unter
uns so üppig wuchert und jenen Literaten, „welche ihren Be-
ruf verfehlt haben", zuerst den Ton angibt? Nicht auf das
deutsche, englische, französische und russische Volk, sondern
gegen einen grossen Theil der sogenannten gebildeten und
orelehrten Gesellschaft in diesen Völkern sind die Worte
E. du Bois-Reymond's anzuwenden:
„Krieg, Krieg, Krieg gegen diese wandelnde Lüge!"
Als weiteren Beweis für meine Behauptung, dass sich
vorzugsweise jüdische Literaten an den Verleumdungen von
Männern betheiligen, die ihrer wissenschaftlichen Ueberzeugung
pflichtgemäss und kraft des ihnen übertragenen öffentlichen
Lehramtes Ausdruck verliehen haben, erlaube ich mir hier
Leser darüber, dass Sie das Opfer einer Mystification geworden, auf-
zuklären, auch über das, was Professor Semper Ihnen als Berichtigung
zugesandt hat, hinaus. In grösster Hochachtung ergebenst
Würzburg, 19. Januar 1880. Professor R Schröder."
— 367 -
den Scblu68 eines anonymen Feuilleton -Artikels *) aus der
„Frankfurter Zeitung" vom 23. März d. J. (Morgenblatt) mit-
zutheilen, der zuerst in Berlin, im Organ des Hrn. Elcho
(Volkszeitung) erschien :
*) Es wird hierin eine von jenen „Entlarvungen" mitgetheilt, durch
welche man glaubt, die Beweiskraft von Thatsachen widerlegen zu können,
welche von anerkannten Physikern unter zwingenden, d. h. die Mög-
lichkeit eines Betruges ausschliessenden, Bedingungen beobachtet worden
sittd. Ich habe bereits im 2. Bd. Thl. 2 meiner „Wissenschaftlichen Abhand-
lungen" (S. 218) darauf hingewiesen, dass sich alle die Medien, mit welchen
Professor Crookes und ich selber experimentirt haben, gegenwärtig
getrost in Betrüger verwandeln könnten, ohne dass hierdurch der Beweis-
kraft unserer Versuche der mindeste Abbruch geschähe. Wenn die
Literaten und die an Verstandesverdunkelung leidenden Gelehrten sich
durch solche negative Eesultato in ihrem Glauben an dieKealität der
sicher beobachteten positiven Thatsachen erschüttern lassen, so liegt
der Grmid hiervon in dem mangelnden Verständniss derjenigen Principien,
auf denen sich unsere ganze bisherige Naturerkenntniss entwickelt hat.
Gesetzt z. B. die Astronomen und Physiker würden über die Realität der
von ihnen beobachteten Erscheinungen nicht ihr eigenes ürtheil als ent-
scheidend anerkennen, sondern die Bestätigung, ob sie getäuscht oder
betrogen worden seien, von dem Richterspruch von „practi sehen Juristen"
oder vom grossen unwissenden Haufen abhängig machen, welche Schopen-
hauer als „Fabrikwaare der Natur" bezeichnet, alsdann wäre doch kein
Astronom oder Physiker mehr sicher, öffentlich als düpirter armer Teufel
dem Spott und Hohn der grossen Menge Preis gegeben zu werden. Ich
erinnere hier an die Enttäuschung, welche Laien empfinden, wenn sie auf
Sternwarten zum ersten Male durch ein Fernrohr den Mond oder die
grossen Planeten betrachten. Hätte ich z. B. im Jahre 1 869 , als ich zum
ersten Male mit der von mir angegebenen spectroskopischen Methode in
Leipzig die Protuberanzen der Sonne in ihrer ganzen Ausdehnung beobach-
tete, das Publicum aufgefordert, die Richtigkeit meiner Beobachtungen zu
bestätigen und mir ein öffentliches Zeugniss darüber auszustellen, dass
ich kein Schwindler sei, so würde dies für mich und meinen wissenschaft-
lichen Ruf ein höchst gefährliches Experiment gewesen sein, wenn ich
mich nicht bei demselben auf die weltbekannte Liebenswürdigkeit des
sächsischen Volkscharakters hätte verlassen wollen. Aehnlich verhält es
sich mit der wissenschaftlichen Untersuchung spiritistischer That-
sachen. Gesetzt, wir hätten noch niemals die symmetrische Verdoppelung
der menschlichen Gestalt in einem grossen ebenen Planspiegel beobachtet
und wären gänzlich unbekannt mit den Reflexionsgesetzen der Lichtstrahlen.
Die hierbei für unseren Gesichtssinn eintretende Materialisationserschei-
nung würde nun öffentlich dem Publicum gezeigt, welches mit den Bedin-
gungen des Phänomens unbekannt ist. Jeder Skeptiker würde dieses „Wunder"
— 368 —
„Ist hier nicht ebenso positiv die vierte Dimension des Herrn Zöllner
unter Null herabgedrückt, me kürzlich von Professor Wiedemann in
Leipzig die strahlende Materie und der vierte Aggregatszustand des Herrn
Crookes in ihr Nichts aufgelöst worden sind?
Werden die Herren Professoren zu Leipzig endlich zur Besinnung
kommen, werden sie durch das Geständniss, dass sie getäuscht worden
sind, die auf der Universität Leipzig lastende Schmach, welche die Affaire
Slade herbeigeführt hat, wieder gut machen und den Schandfleck deutscher
Wissenschaft von der Alma mater an der Pleisse wieder wegwischen?
Der Unfug mit den hochtrabenden Kodensarten von vierdimensionalen
Eäumen und dem vierten Aggregatzustande ist entlarvt und die Leipziger
Pakultät sollte ihre geistersehenden Mitglieder durch ein kaltes Sturzbad
ernüchtern, indem sie ihnen die Alternative stellt, entweder Irrthum zu
bekennen und künftig derartigen Blödsinn nicht mehr drucken zu lassen,
oder von der Lehrthätigkeit zurückzustehen. Mögen die genannten Männer
noch so bedeutende Verdienste um die Wissenschaft haben, so hat dio
ihnen schuldige Rücksicht doch nicht so weit zu gehen, dass man, wenn
sie an der Grenze des Wahnwitzes stehen, ihnen die Erziehung der aka-
demischen Jugend noch weiter überlässt. Treffend spricht sich hierüber \
«in amerikanisches Blatt, das „Newyorker Belletristische Journal" aus, \
indem es sagt: \
„ „Diese Herren ziehen die Wissenschaft und die freie Forschung in i
den Staub, indem sie die erbärmlichsten Gaunerstückchen, die offen- J
barsten Betrügereien in unglaublicher Verblendung für Wahrheit hin- '
nehmen und verächtliche Albernheiten, die in Tingel- Tangeis gehören, \
in die Hallen der Wissenschaft einführen, als wären sie ebenbürtig mit ■
deren höchsten Problemen. Wenn sie die politische und wirthschaftliche
Reaktion, welche jetzt in Deutschland waltot, auch auf das wissen-
für Betrug und den Spiegel für ein Loch in der Wand — nicht in der
Causalität, wie Prof. Wun d t glaubte — halten, hinter welchem körperliche
Objecto aufgestellt wären. Würden solche Skeptiker sich nicht wie Thiere
benehmen, welche, erschreckt durch die Wiederholung ihres Leibes, auf das
vermeintliche Loch stürzten, den Spiegel zertrümmerten, um sich dann
mit der „Entlarvung von Betrug" zu brüsten? Mit Ochsen und Ziegen-
böcken, welche man vor einen grossen Spiegel stellt, kann man sich jeder-
zeit von der Richtigkeit meiner Behauptungen überzeugen.
Auf derselben Höhe der Verstandesentwickelung eines Ochsen gegen-
über den Gesetzen der Spiegelung befindet sich aber heutzutage noch
unser menschlicher Verstand gegenüber den Gesetzen der spiritistischen
Materialisationserscheinungen. Ebensowenig wie wir die Gesetze der Optik
durch Verletzung der Bedingungen studireu können, unter denen sich
Spiegel-Bilder erzeugen, ebensowenig kann dies durch gewaltsame Verletzung
-derjenigen Bedingungen geschehen, unter denen Materialisationen in Gegen-
wart geeigneter Medien eintreten.
— 369 —
schaftliche Gebiet übertragen, wenn sie die Quellen vergiften, an denen
die Jugend der Nation sich lagert, um ihren Durst nach Wahrheit zu
stillen — dann ist es wahrhaftig an der Zeit, dass man ihnen ein
donnerndes „„Halt! bis hierher und nicht weiter!"" zurufe. Sie müssen
zorficktreten von ihrer Hüterschaft des Bornes der Weisheit und ilm
■ würdigeren und fähigeren Händen überlassen, bis dieser Zustand krank-
hafter Geistesthätigkeit vorüber und die Vemimft bei ihnen wieder in
ihreBechte eingetreten ist. Eine weitere Fortsetzung und Unterstützung
solchen Unfuges kann den Dunkelmännern nur zur Freude gereichen,
soluige Jene in ihren verantwortlichen autoritativen Stellungen verbleiben.*'
Bereits im dritten Bande meiner „Wissenschaftlichen
Abhandlungen^' (S. 382) und oben (S. 96) sind diese letzten
Worte des Hrn. Dr. Geo. Rachel im Zusammenhang mit
seinem vollständigen Aufsatze citirt worden. Dieser jüdische
Literat liefert aus Amerika naturwissenschaftliche Beiträge
2a der von Hrn. Dr. Klein in Cöln herausgegebenen Zeit-
schrift „Gaea" und steht mit „Landsleuten" in Dresden in
literarischer Verbindung.*) Ob sich mein College Wiede-
manuy der, so viel mir bekannt, hinsichtlich seiner Ab-
stammung kein Jude ist, besonders geschmeichelt fühlen wird,
dass er in dem Organ des Frankfurter Demokraten Sonne mann
als wissenschaftliche Autorität neben Dr. Geo. Rachel an-
geführt wird, wage ich nicht zu entscheiden. Dagegen sind
die herausfordernden Worte der „Frankfurter Zeitung" zum
Widerruf unserer wissenschaftlichen Ueberzeugung und die
daran geknüpfte Forderung unserer Absetzung deshalb höchst
bemerkenswerth, weil sie die Verwandtschaft mit der Inquisition
beweisen, welche einst Galilei zum Widerruf seiner wissen-
schaftlichen Ueberzeugung von der Bewegung der Erde zwang.
Wenn nun dem deutschen Volke und den aufrichtigen und
intelligenten Socialdemokraten durch diese Uebereinstimmung
zwischen unfehlbarem Pfaffenthum und unfehlbarem Literaten-
thum noch nicht ein Licht aufgeht über diejenige Art von
Freiheit, mit welcher die Völker beglückt werden würden,
wenn es gelänge, die Herrschaft des Proletariates und „Pöbels
in Künsten und Wissenschaften" (Sehe Hing) zu proklamiren,
dann leiden sie wie die Vivisectoren an hypnotischer Verstandes-
verdunkelung. (Vgl. S. 117.)
*) Vgl. „Zur Aufklärung des deutschen Volkes" . . . S. 1 6 Anmerkung.
24
— 370 —
Efl beweisen jedoch unwiderlegliche Thaisachei
sich an derartigen Manifestationen gegen noch lehende Ziei
nnserer deutschen Nalurwisaenachaff, wie Fechner und \
heim Weber, ebenso wie an den schamlosen Demoostratia
der Nihilisten in hervorragender Weise Juden oder Abköi
linge des Judenthuma und die ihnen durch eine
Affinität verwandten „ gebildeten " nnd „ gelehrten "
Deutschlands betheiligen. Wir haben wisBcnschaftlich ;
moralisch ein Interesse, die volkerpaychologische Ursache d
so merkwürdigen Erscheinung zu diacutiren. Dass ich i
theiisch und durch Vorurtheile meines gelehrten Standes ^
dieser Discussion heeinflusat worden sei, werden mir doch a
meine iaraeli tischen Mitbürger nicht vorwerfen können.
ich habe gezeigt, dass ca zuerst deutsche Professoren 1
Schlage Karl Vogt'a gewesen sind, welche trotz ihrer t
lich-germ an lachen Abalammung das Gifl eines achamlosen fl
bestialischen Materialiamus ausgesät und Haas und Vei
tung gegen das Christ ent hu m mit den wirksamsten MitteliL^
Volke verbreitet haben, Aehnlich nun, wie man die Lebi
Tähigkeit und Gesundheit eines Organismus durch seine VPl3
atandsfahigkeit gegen Gifte prüfen kann, ähnlich verhSj
sich mit jener Aussaat moralischer Gifte. Dieselben w«
in denjenigen Rassen zuerst ihre verhängnias vollen Fd
offenbaren, welche vermöge ihrer moralischen und phyi
Constitution weniger kräftig und widerstandsfähig sind,
die germanische Rasse mehr als alle anderen die Fähiraj
besitze, verderbliche Einflüsse siegreich zu überwindenj
weiat die Culturgeschichte und die Blüthen, welches
Chrietenthum auf germanischem Boden gezeitigt hat.
Reformation von der sittlichen Tiefe, ivie sie sieh
Luther vollzogen und uns aua der Knechtschaft einer dani^
sittlich angefaulten Pfaffenherrschaft befreit hat, vermag nur
Deutschland aufzuweisen. Aehnlich verhält es sich mit dem
Materialismus. Während der Germane, Dank der Stärke seiner
sittlichen Instincte, gegenwärtig nur Schmerzen und Unbehagen
in Folge des genossenen Giftea des Materialismus verspürt,
hat dasselbe bei den Juden bereits in solchen Charaktere vrie
Liassalle und den weiter auf der Bahn des sittlichen Ver-
J
— 371 —
fall es YorgeecbritteneD jüdiBcfaen Nihilisten Erscheinungen
geseitigt, welche die unfehlbaren Vorzeichen des Todes sind.
i-| MTollen wir daher in Deutschland uns vor dem gleichen Schick-
sale bewahren und das Aufspriessen giftiger Saaten vermeiden,
80 muss nicht nur das fernere Ausstreuen des Samens in
«uerem Volke verhindert, sondern auch der Boden gereinigt
werden, auf welchem jener Same vorzugsweise und mit be-
Mmderer Ueppigkeit bisher aufgegangen und gewuchert hat.
:^l In diesem Lichte bitte ich meinen israelitischen CoUegen
a:| Professor Harry Bresslau^) in Berlin meinen Kampf gegen
die auch unserer Universität drohende Gefahr der Ver-
te^ jadung zu betrachten. Mein College täuscht sich und seine
Leser, wenn er S. 23 a. a. O. behauptet:
„Geht es doch so weit, dass sogar schon Herr Prof. Zoll ner jüdischen
Intrigaen eine Mitschuld an dem geringen Fortschritt der spiritistischen
Bewegung zoschreiht.'*
Abgesehen davon , dass dieser Fortschritt kein geringer,
sondern im Gegentheil ein mich selber in Erstaunen setzender,
gewaltiger und grossartiger ist, habe ich mich niemals um
die propagandistische Verbreitung des Spiritismus gekümmert
und werde dies auch in Zukunft nicht thun. Das Einzige,
was ich kraft meiner Stellung als öffentlicher Universitäts-
lehrer im Interesse einer imgeschmälerten Aufrechterhaltung der
Freiheit der Wissenschaft in Deutschland zu thun mich
verpflichtet halte, ist die Vertheidigung des bisher imbestrittenen
Bechtes, wissenschaftliche Ueberzeugungen von der Realität
naturwissenschaftlich beobachteter Thatsachen aussprechen zu
dürfen, ohne bei der Ausübung dieses Rechtes durch belei-
digende Manifestationen von Collegen und obscuren jüdischen
Literaten insultirt zu werden. Wenn sich hierdurch meine
israelitischen Mitbürger verletzt fühlen, so haben sie hierzu
nach allen Gesetzen der Billigkeit kein Recht, denn sie selber
sind es zuerst gewesen, welche uns durch einen ihrer her-
vorragendsten Gelehrten, Professor Graetz in Breslau, in
einer unseren christlichen Glauben und unser deutsches National-
*) Zur Judenfrage. Sendschreiben an Herrn Prof. Dr. Heinroich
V. Treitschke von Dr. Harry Bresslau, a. o. Professor der Geschichte
an der Universität zu Berlin. (Dümmler.) Preis 50 Pfg.
24*
— 372 —
gefühl tief verletzenden Weise den Fehdehandschuh hinge-
worfen haben, den aufzuheben gegenwärtig für uns nur ein
Gebot der Selbstvertheidigung und des nationalen Ehrgefühls
ist. Professsor Heinrich v. Treitschke^) hat aus dem
11. Bande der „Geschichte des Judenthums" von Professor
Graetz in Breslau Stellen zusammengetragen, welche die
obige Anklage unwiderleglich begründen. Ich erlaube mir
liier nur einige Worte aus der unten erwähnten Schrift
Treitschke's (S. 12ff.) mit Citaten aus dem Werke von
Professor Graetz anzuführen:
„Herr Graetz nennt das Christenthum „,,den Erzfeind, welcher das
Heil vom Judenthum empfangen hatte und es dafür einkerkerte und an-
spie"" (S. 389). Und jene Stelle steht keineswegs allein, sie giebt viel-
mehr den Ton an , worauf der ganze Band gestimmt ist. Wenn Juden
sich taufen lassen, so „„gehen sie ins feindliche Lager über"" (S. 172)
oder „ „ sie verlassen die Quelle lebendigen Wassers, um sich Labung aas
übertünchten Gruben zu holen " ** (S. 183). Und so sprudeln die Schmähreden
weiter über „ „die übermüthige Tochter der geknechteten Mutter" ", „ „den
gekreuzigten Gott"" und „„die Kluft, welche das Christenthum zwischen
sich und der Vernunft*), gehöhlt hat"". Dann wird rundweg für unwahr
*) „Ein Wort über unser Judenthum von He in rieh von Treitschke."
Separatabdruck aus dem 44. und 45. Bande der Preussischen Jahrbücher.
Berlin 1880. (Beim er.)
*) Hr. Professor Graetz wird vielleicht gegen uns Deutsche so nach-
sichtig sein, um uns bei Erwähnung seiner '„Vernunft" die Erinnerung
an Kant 's Vernunft zu gestatten, insofern derselbe sich bekanntlich gerade
mit diesem kritischen Artikel sowohl in seiner „Kritik der reinen Vernunft"
als ,, der praktischen Vernunft" sehr eingehend beschäftigt hat. Kant würde
also, wenn er noch lebte und Mitglied des deutschen Reichstages wäre, in eine
über die „Vernunft" zuberathende Commission als „Sachverständiger" gewählt
werden müssen, ähnlich wie ja Hr. Virchowso häufig das Vergnügen hat, in
andere Commissionen als „Sachverständiger" gewählt zu werden. Hr. Pro-
fessor Graetz müsste sich aber alsdann der Autorität Kant 's unterordnen,
nachdem derselbe sein Urtheil über „die Kluft, welche das Christenthum
zwischen sich und der Vernunft gehöhlt hat", in dem betreffenden Commis-
sionsbericht schriftlich abgegeben hätte. Ich erlaube mir nun dem gelehrten
Juden Graetz zu bemerken, dass man zu Kant 's Lebzeiten dessen Philo-
sophie ganz allgemein als die Philosophie des Christ enthums
bezeichnete und die „ Vergleichung Kant 's mit Christus" von Vielen
„bis zum Ekel wiederholt" wurde. (Vgl. Borowsky: Ueber Immanuel
Kant. Bd. I. S. 86. Königsberg 1 804). Professor K e i n h o 1 d , der Schwieger-
sohn Wieland 's und berühmte Anhänger der Philosophie Kant 's und
-^ 373 —
erklärt, dass das Christenthum die allgemeine Menschenliebe und Brüder-
lichkeit predige (S. 197); und wieder: „„factisch war kein Jude ein Shylock,
wohl aber einGirist'***. . . . Nach solchen Aeusserungen über das Christen-
thum können die maassvollen*) Urtheile über unsere Theologen nicht mehr
befremden "
„Mancher Leser mag vielleicht dem Glaubenseifer Alles zu gute halten ;
für seine Schmähungen wider Deutschland hingegen kaun Ur. Graetz
eine solche Entschuldigung nicht beanspruchen. iy„T>ie Germanen, diese
Erfinder der Leibeigenschaft, des Feudal -Adels und des gemeinen Enecht-
sinnes"" — so schildert er uns (S. 260). Demgemäss war der junge
Börne durch den patriotischen „„Taumel schon so sehr verdeutscht, dass
er blinden Gehorsam predigte**" (S. 367). Der gereifte Börne aber
undHeinrichHeine wurden die „„zwei Eacheengel, welche mit feurigen
Bathen die Querköpfigkeit der Deutschen peitschten und ihre Armselig-
keit schonungslos aufdeckten (S. 367) . . . Herr Graetz gesteht offen ein,
<ia8s er Deutschland mit nichten als sein Vaterland betrachtet; er
schildert den trefflichen Gabriel Riesser als das merkwürdige Beispiel
eines Juden, der „,4n seinem zufalligen Geburtslande vollständig aufging'***,
Und fügt herablassend hinzu: Riesser „„theilte die Beschränktheit
deutschen Wesens, die Vertrauensseligkeit, die pedantische Ueberlegtheit
Und die Scheu vor rascher That**** (S. 471). Allerdings ist Herr
Graetz, wie er in seinem offenen Briefe hervorhebt, einmal so freundlich,
Goethe und Fichte zwei Männer ersten Ranges zu nennen; doch er
verschweigt, mit welchen gehässigen Worten er auf S. 245 ff. diesen Beiden
Zeitgenosse Schiller 's, hatte behauptet: „nach hundert Jahren müsse
Kant die Reputation von Jesus Christus haben.'* (VgL Scherr:
Schiller und seine Zeit. H. S. 84). Gegen Bor owsky (S. 86 a. a. 0.) aber
äusserte sich Kant bezüglich der damals vielfach verbeiteten Behauptung:
„dass Christus und die Apostel nur Eins und dasselbe lehrten was
Kant sagt**, wie folgt: „Ich beuge mich vor jenem Namen tief
und sehe mich, gegen ihn gehalten, nur für einen, ihn nach
Vermögen auslegenden, Stümper an." Ich hoffe das deutsche Volk
wird es vorziehen, lieber dem Beispiele Kant 's als demjenigen des Bres-
lauer Juden Professor Graetz zu folgen. Hat doch auch der deutsche
Kronprinz Friedrich Wilhelm bei seiner letzten Anwesenheit in Königs-
berg den deutschen Studenten das Studium der Philosophie Kant 's aufs
dringendste empfohlen, und der deutsche Kaiser in denselben Tagen die folgen-
den Worte an sein Volk gerichtet : „Die christliche Religion ist der
Grund und Boden, auf dem wir stehen bleiben müssen." (Vgl.
meine Abhandlungen Bd. HI. (Vorrede S. XCH) Bedeuten solchen Worten
unsers Kaisers gegenüber die Aeusserungen des jüdischen Professors Graetz
über das Christenthum nicht etwas mehr als Lehrfreiheit an einer
preussischen Landesuniversität ?
*) Ist wohl em Druckfehler und soll heissen „„maasslosen**". Z.
— 374 —
ziteLeibe geht; er verschweigt seine anmuthigen Bemerkungen über .^„^e
giftige Frucht von Fichte's Samen"" (8. 361) . . .
„Und zu Alledem noch dieser unbeschifeiblich freche und hämisehe
Ton: der Mann schüttelt sich vor Vergnügen, so oft er den Deutschen
etwas recht ünfläthiges sagen kann."
,^and in Hand mit solchem üngUmpf gegen Deutsdiland geht eine
ungeheure üeberhebung. HerrGraetz wird nicht müde, seine Stammes-
genossen zum „„Ahnenstolze"" zu ermahnen, ihnen von ihren „„uisdten
Adel"" zu sprechen. Ich habe nichts dawider, aber wer so denkt, hat
doch wohl nicht das' Becht, uns Grermanen als „„Erfinder des Fendal-
Adels"" zu brandmarken? . . . Nachdem Herr Graetz uns gelehrt,
Lessing sei der grösste Deutsche gewesen, versichert er erhaben:
„j^örne war mehr als Lessing**". Wir haben also die Freude, in Börne
den allergrössten Sohn deutscher Erde zu verehren, werden jedoch in
solchem Genüsse sogleich gestört, da der Verfasser uns ausdrüeUich erklärt,
Börne sei keineswegs ein Deutscher, sondern ein Jude."
,.Nun frage ich, kann ein Mann, der also denkt und schreibt, seiher
für einen Deutschen gelten? Nein, Herr Graetz ist ein Fr^ndliDg auf
dem Boden „„seines zufalligen Geburtslandes"", ein Orientale, der unser
Volk weder versteht noch verstehen will; er hat mit uns nichts gemein,
als dass er unser Staatsbürgerrecht besitzt und sich unserer Muttersprache
bedient — freilich um uns zu verlästern. Wenn Leute dieses Schlages,
die von dem Geiste Nathan's des Weisen gar nichts ahnen, ihren Hass
und ihren Stammesdünkel hinter dem Namen Lessing 's, des Deutschen
und des Christen, zu verschanzen suchen, so schänden sie das Grab
eines Helden unserer Nation. Das Budi des Herrn Graetz aber
wird leider von einem Theile unseres Judenthnms als ein Standard work
angesehen, und was er mit der Plumphdt des Zdoten heranspoltert, das
wiederlK^t sich in unzähligen Artikeln jüdischer Joumaliaten, in der Form
gehässiger Witzelei gegen Christenthum und Germanen-
thum."
Und solchen y uns zum Kampf herausfordernden Worten
eines sogenannten „deutschen^ Professors an der Umversitat
Breslau gegenüber sollten wir schweigen und aus Rücksiditen
der sogenannten Toleranz nicht energisch Front madien gegen
die Verjudung und das Ueberhandnehmen des jüdischen Geistes
an unseren deutschen UniTcrsitaten ? Das wäre Fdgheit und
Verrath an den mit Blut eii^auften Vermachtnissen unserer Vor-
&hren und an der nächsten Greneradcm.
Was ist zu thun, wird man mich fragen? Als Antwort
auf diese Frage gestatte ich mir hier einige praktische Vor-
«difiiige zugleich im Hinblick auf die Vivisectioiisfrage und
— 375 —
.die Cormption der Presse zu machen, obschon ich Herrn N au dh
im Allgemeinen beistimmen muss, wenn er behauptet^):
„es ist immer bedenklich, wemi pracüsche Streitfragen in die Hände
von Professoren gerathen , weil die Gefahr nahe liegt , dass der Zwiespalt
endlich mit einer bequemen Formel überdeckt und so die Heilung des
üebek verzögert und verhindert werde."
Da sich der Appell in den vorliegenden Fragen an den-
jenigen Theil des deutschen Volkes richtet, welcher im Besitze
binreichender Mittel ist, um seine Söhne auf Universitäten zu
schicken, so möge man beim Studium diejenigen Universitäten
bevorzugen, welche nach dem deutschen „Universitäts-Kalen-
der ^^') die wenigsten jüdischen Namen im Professoren- und
Docenten-Verzeichniss aufweisen. Da bekanntlich auch bei
Universitäten das Geld als nenms rerum eine bedeutende Rolle
spielt, so wird hierdurch zugleich ein heilsamer Druck auf die
Berufung und Anstellung jüdischer Docenten an maassgebender
Stelle bewirkt werden. Aehnlich verfahre man hinsichtlich
der Vivisectionsfrage. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der
Druck der gegen die Missbräuche der Vivisection erregten
öffentlichen Meinung sehr bald, nach dem Vorgange Englands,
die principielle Abschaffung der demonstrativen Vivisection an
einigen deutschen Universitäten aus eigener Initiative der
Facultäten herbeiführen wird. Eltern, denen alsdann die sitt-
liche Erziehung ihrer Söhne für den so schönen aber ver-
antwortungsvollen Beruf des Arztes am Herzen liegt, mögen
diese vivisectionsfreien Universitäten allein berücksichtigen.
Bezüglich der Emancipation von der corrumpirten Juden-
presse mögen sich in Deutschland und Oesterreich- Ungarn
Vereine bilden, deren Mitglieder sich verpflichten, den Be-
schlüssen eines aus verschiedenen politischen Parteien gewählten
/Ehrenrathes pünktlich zu folgen. Yot dem Forum dieses
\Rathes mögen dann Klagen über Eechtsverietzungen und
Verleugnung des sittlichen Anstandes durch die Presse ver-
handelt werden. Dieser Bath entscheidet nach Art eines
Strike-Comit^ bei den Arbeitern, ob auf eine betreffende Zeitung
*) „Professoren über Israel" von Treitschke und Bresslau. Von
H. Naudh. Berlin 1880. (Hentze.)
*) Herausgeg. von Dr. F. Ascherson. Berlin beiLeonhard Simion.
— 376 —
oder Zeitschrift i'iir gewisse Zeit ferner abonnirt werden aoH.
Treten diese Vereine dann unter einander in Verbindung,
ähnlich wie die Gaalwirthe zur Warnung vor betrügerischen
Keisenden durch Herausgabe einer Höfel-Zeitung, ao ist die
Macht der unanatändigcn und sittlich unser Volk coiTumpir enden
Presse mit einem Schlage gebrochen. Die Beiträge, welche
Ton den Mitgliedern erhoben werden, dienen dazu, um ihnen
während des Strikes die noth wendigsten Mittheilnngen, wie
Telegramme u. dgl. m., in geeigneter Weise zu vermitteln,
Scheut das deutsche Volk — ich meine denjenigen Theil des
Volkes, zu dem sich auch Fürst v. Bismarck gelegentlich
einer Beschwerde Lasker'a über verletzte Volksrechte zählte
— die mit der praktischen Ausführung dieser Vorschläge
verbundenen Unbequemlichkeiten und Opfer, so beweist es
hierdurch, dass es zu seiner Erlösung von den bedrückenden
Leiden noch nicht reif ist. Dann müssen sich die empfundenen
Schäden noch stärker bemerkbar machen, denn kein Volk hat
ein Recht, mehr Wohlbefinden und Freude am Dasein zu
gemessen, als es nach Maassgabe seiner sittlichen und geistigen
Reife zu beanspruchen verdient. Dann hat der Jude Professor
Graetz in Breslau ein Recht, uns an unsere National fehler
zu erinnern und uns höhnisch „die Beschränktheit deut-
schen Wesens, die Vertrauensseligkeit, die pedan-
tische Ueberlegtheit und die Scheu vor rascher
That" vorzuwerfen. Wir verdienen alsdann diese Vorwürfe!
Dass mein Mahnwort zur sittlichen Befreiung aus den Banden
des Judenthnmes und einer corrurapirten Presse besonders in
Oesterreich-Ungarn lebhaften Wiederhall finden dürfte, möchte
ich, ausser nach den bereits oben über die Behandlung meines
dänischen Freundes Carl Hansen in Wien mitgetheihen
Thatsachen, auch aus einem soeben erhaltenen Schreiben aus
Wien d. d. 28. März 1880 schtieaeen, dessen Absender mir
bis jetzt persönhch gänzlich unbekannt ist. Ich erlaube mir
hier nur folgende Stellen anzuführen:
„Hansen png ton Wien nauh Pest, wo er mehrere gelungeno Vor-
steUnngen, in Privatkreiacn gab ; ötfentÜehe Voretelliuigoa wurden ihm
aber aus Eesplrt vor der raedicinisehen pMnItät Wien 's nicht geatattet.
In Ariul gab er zwei öffentliche Vorstellungen, welehe er mir als äaeserat
J
— 377 —
gelungen schilderte, trotztkm er dorch einen Dolmetsch zu den „ „Medien'' **^
sprechen mosste, während einige Wiener Jadenblatter die Nachricht
brachten, dass es in Arad einen argen Skandal gegeben habe, weil alle
seine Experimente misslangen sein sollen.
(jestem den 27. März fand Hansen's Process in zweiter und letzter
Instanz statt. Derselbe endigte mit abermaliger Freisprechung Fi s ch er *s !
Bezeichnend ist, dass sich das Vier- Rieh tercoUegium der Urtheilsbegründung
des Einzelrichters anschloss, dass nämlich das Wort „„gemein'*** nicht
als Schimpfwort au&ufassen sei, da man ja auch zu sagen pflege: „„die
gemeine Heckenrose*"' zum Unterschiede von der nicht gewöhnlichen
oder gemeinen! Nicht minder bezeichnend für das Verfahren in dem
Prooess ist auch der Umstand, dass von Seite des Geklagten Fischer
Zeugen zugelassen und vemonmien wurden, welche an dem Abend, an
velchem der Skandal im Bingtheater stattfand, gar nicht der Vorstellung
Hansen's beiwohnten, wahrend von Seite Hansen's kein einziger Zeuge
zugelassen wurde, welcher nicht bei der AfTaire zug^en war.
Damit ist also zum zweiten Male festgestellt, dass man in Oe st er-
reich ungestraft auf öffentlicher Bühne einen ehrlichen
Menschen „„gemeiner Schwindler'*" nennen darf! — Ich hatte
erwartet, dass das so plötzlich aufs Tapet gekommene Thema „ „Magnetis-
mus**** und „ „Hypnotismus*' " nachtraglich doch einige Aerzte veranlassen
wärde, Forschungen auf diesem interessimten Gebiete anzustellen — weit
gefehlt! Nachdem die durch Hansen's unbequemes Erscheinen herauf-
beschworene Crefahr, ein Geständniss der Unwissenheit ablegen zu müssen,
durch das Unschädlichmachen Hansen's glücklich beseitigt war, schlafen die
Herrrai Autoritäten auf ihren mit Lorbeeren und Orden gefutterten Matratzen
ruhig den Schlaf der Gerechten weiter. Gott gebe ihnen die ewige Kühe!
Charakteristisch ist auch, dass von den vielen angesehenen und bekann-
ten Männern, welche sich hinreichend von Hansen's Reellität überzeugt
haben, keiner^), mit Ausnahme des Baron von Hellenbach, den Muth
') Ich erlaube mir hier berichtigead aaf das anerkennende Urtheil
über Hansen vom üniversitätsprofessor Brühl im Feuilleton der „Wiener
Allgemeinen Zeitung** vom 17. u. 19. März 1880 aufmerksam zu maciien.
Dasselbe beginnt mit folgenden Worten:
„Herrn Hansen ist in Wien entschieden Unrecht geschehen. Dies
soll hier nachgewiesen werden. Er hat zwar namhafte Einnahmen erzielt
und Tausende von Zusehem angelockt, allein das unfreiwillige Ende
seiner zuletzt behördlich verbotenen Productionen hat ihn in dem Urtheile
der meisten Wiener mit einem schwer auf ihm lastenden Makel behaftet,
der ihn fortan in seiner Ehre und seinem Erwerbe wesentlich zu beein-
trächtigen vermag.
Die Gerechtigkeitsliebe der Journalistik, die in Wien docli zuletzt
fast immer die Oberhand gewinnt, vorlangt, dass man das abflUlige
Öffentliche Urtheil über Hansen corrigire, wenn dies — möglich und
— 378 —
hatte, zu Uuiuten UaDaea's uufziitroten , natflrilch liloa
Dioeii BD klaBsieoh definirten „„Furcht vor Lävherlidikäit"".
Es bleibt nun keine Appellation mebr übrig; als die ■
einer autgeklärten Generation "
Der vorsteheDd mitgetbeilte Ausgang des Hft
Proceaaea erläutert mehr als lange gelehrte Abhandlungen, iIim
der Öffentliche Rechtsschutz ebenso wie der Öffentliche Schati
der Freiheit der Wisscnaehaft bei einem Volke lediglich Ton
der Höhe der Intelligenz und der Stiu-ke der sittlichen Em-
pfindungen derjenigen abhängt, welchen offictcll die Hüierac^lfl
der Gesetze und desjenigen Schatzee von Intelligenz anvettrairt
ist, den man mit dem Namen „Wiesenachaft" belegt.
Da nun aber sowohl Gesetze als auch wisaensehaf dick
Wahrheilen nur in Gestalt von Schrift zachen ßxirt werilto
können, deren Versländniss und Auslegung mit Hülfe des Ve^
Standes und Gewissens von intelligenten Wesen bewirkt, d. li.iii
Vorstellungen umgesetzt wird, die sich in praktische Motive för
Handlungen verwandeln, so leuchtet ein, dass durch eine all-
gemeine Herabsetzung der moralischen und intellecluelkn
wahrheitsgemäBB ist. Ja — immer unter der letutou VorausMbniiig —
muea man uodi weiter sagen: diese Correotur hat ihre eigentliclie dringe
liehe Berechtignng weit weniger noch im Interesse des IndiiiilainiB
Hansen, als in jenem, dass gebildete Zeitgenossen siili
über so aul'fäUige Dinge, wie oa die Froductionen Hansen''
waren, ein richtiges und sachgemSsses Crtbeil zu lti1iL«ii
denateA
— 379 —
Fähigkeiten einer Generation auch der Rechtsschutz eines
Volkes illusorisch werden kann, welchen es glaubt in seinen
geschriebenen Gesetzen ebenso sicher zu besitzen, wie die
Professoren die Schätze der Wissenschaften in ihren gedruckten
Büchern. Man braucht daher weder bei letzteren noch bei
den Richtern an der bona fide zu zweifeln , mit der sie ihre
Urth^ile abgeben, aber der unerschöpfliche Quell der sittlichen
Empfindung in der Seele eines unverdorbenen und lebensrähigen
Volkes muss hier als Correctiv wirken und eine sittliche
„Reformation an Haupt und Gliedern '* zur Erneuerung des
alternden Verstandes und übertäubten Gewissens erzeugen.
Es sei mir gestattet, meine Anschauungen durch ein
Beispiel zu erläutern. Angenommen, der öffentliche Verleumder
Hansen's, der Assistent für Chemie an der technischen Hoch-
schule Wien's, Hr. Carl Fischer, wäre ein frommör und
gläubiger Katholik, der sich sowohl durch die schroffen An-
griffe meines Collegen E. v. Friedberg auf den Erzbischof
Ketteier von Mainz als durch seine Anschauungen über die
Ehe^) tief verletzt fühlte. Gesetzt nun, der Herr Assistent
Fischer befände sich in einer Loge des Ringtheaters in
Wien und ein ihm befreundeter Nachbar machte ihn darauf
aufmerksam, dass der kleine, etwas jüdisch aussehende Herr
mit dem schwarzen Schnurrbarte in der Nebenloge, der König-
lich Sächsische Geheime Hofrath Professor Dr. Emilv. Fried-
berg sei. Fischer vergässe sich und riefe als fanatischer
Feind des Kulturkampfes meinem Collegen öffentlich die Worte
zu: „Sie sind ein gemeiner Mensch!" und zwar ebenso laut wie
die Worte zu Hansen: „Sie sind ein gemeiner Schwindler!"
Hr. Dr. Benedict, der Vertheidiger Fischer's, würde dann
in dem hypothetisch vorausgesetzten Processe Fried berg
contra Fischer beweisen, dass „gemein" soviel bedeute wie
„gewöhnlich" (communis) in der „unschuldigen"*) botanischen
*) ^gl- »I^er Hamburgische Entwurf eines Gesetzes über Ehetrennung.
Gutachten von Dr. Erail Eriodberg. Professor an der Universität
Leipzig. 2. Aufl. Hamburg 1874."
*) „Diese Unschuld der Pflanze beruht auf ihrer Erkenntnisslosigkeit :
nicht im Wollen, sondern im Wollen mit Erkenntniss liegt die
Schuld. Die Pflanze offenbart ihr ganzes Wesen dem ersten Blick und
Verbindung „die gemeine Heckenrose", also nichts
leidigendee involvlre. Da nun auch dae Wort „Mensch" keine
Beschimpfung involvirt, so würde mein College in Oesterreich
ecinen Procesa gegen Fischer ebenso in beiden In^tauzeD
verlieren, wie Hr. Professor Hansen. Ob dies auch bei uns
im wieder erslandenen deutschen Reiche der Fall wäre, ver-
mag ich aus Unkenntnias der durchschnittlichen Höhe <
Moral und Intelligenz des deutschen Richterstondea und ^
„praktischen Jurisien" nicht zu beurtheüen.
Dagegen wäre in IJaj'em selbst nach zweimaliger J
sprechung in beiden Instanzen noch eine Revision der Aäj
durch einen obersten Gerichtshof zulässig, wie dies ,
wärtig der Am sei- Professor Semper erfährt, Über deas3
Procesa die „Post" vom 28. März wörtlich folgende Mittheilung
enthält :
„Würzburg, 22. März. In dem äempor'scheii AmsDl-Froceds
hat der StatitaaDwalt j^gcn daa KweitinstAnzlicho (freiBprechende) Erkenntr-
nisa wegen unrichtigur tiesetzesanweudung die Kevirnn heim
obi^rsten Gerich tehuf» in MüDcben beantragt.''
Man ?iebt hieraus, wie begründet meine Behauptung ist,
dass alle geschriebenen Gesetze in ihrer Anwendung und
praktischen Wirksamkeit gänzlich illusorisch werden , wenn
das Niveau der durchschnittlichen Intelligenz und Moral in
einem Volke sinkt, Dass sich aber die civiliairte Menschheit
auf ihrer mühsamen Wanderung zur Vollkommenheit gegen-
wärtig in einer morahschen und inte llec tue llen Thal furche
befindet, glaube Ich im Hinblick auf die Gräuel des Nihilismus,
der Commune und die Attentate von Nobiling und liödel
auf unseren alten Kaiser nicht näher begründen zu sollen.
Dass übrigens auch mir ebenso wie der „Frank furter- Zeltung"
des Hm. Sonnemann die Ehre unserer Universität am
Herzen liegt, und dass auch ich nach Kräften bemüht bin,
zwar nicht die Schmach zu beseitigen, welche der ,,Älma mafnr
an der Pleisse" angeblich durch unsere Untersuchungen mit
mit Tollkoinmpner Unschuld, die nicht darunter leidet, dass aie <tie Geni-
talien, welche bei allen Thieren den verstocktesten Platz erhalten haben,
auf ihrem Gipfel zur Schau trägt." (Schoyenhuiier „Die Welt als Will«
und Vorsteliung" I. S. 16Ö.)
— 381 —
Slade zugefugt sein soll, wohl aber diejenige Sehmach,
welche ihr durch die Promotion von Verbrechern wie Nobi-
ling und Glatt Stern zugefugt worden ist, dafür glaubeich
in vorliegender Schrift hinreichende Beweise gegeben zu haben.
Sollten sich jedoch meine Bestrebungen als gänzlich nutzlos
erweisen, sollte es sich in der That bestätigen, was mir ein
College, vermuthlich unüberlegt, gelegentlich des Glattstern-
schen Falles bemerkte, dass wir uns über solche Vorkommnisse
bei der hohen Frequenz unserer Universität „gar nicht zu
wundem hätten '% sondern darauf gefasst sein müssten, dass
sich solche Vorfälle „alle paar Jahre" wiederholten, — ich
sage, sollte diese Anschauung unter meinen Collegen eine
allgemeiner verbreitete sein und ausserdem die von Pro-
fessor Alfred Dove und seinen Gesinnungsgenossen gegen
mich und meine Freunde W. Weber, Fechner und Scheib-
ner angewandten Kampfesmittel von der Majorität meiner
Collegen gebilligt und gut geheissen werden, so würde ich
es mit meiner Ehre nicht mehr verträglich halten, länger meine
Professur zu bekleiden und daher Sr. Majestät den König Albert
von Sachsen, als Rector magnificentissimus unserer Univer-
sität, freiwillig um die Enthebung aus meiner Stellung bitten.
Der Gedanke, die moralische Mitschuld an der Promotion von
Verbrechern und an der Immatriculation von bereits wegen
öffentlicher Verleumdung bestraften Studenten (vgl. S. 197)
dauernd zu ertragen, ohne wenigstens einen energischen
Versuch zur Verhinderung einer Wiederholung derartiger
Vorfälle machen zu können, wäre für mich ebenso unerträglich
wie die Ueberzeugung, gleichzeitig mit Männern an derselben
Universität wirken zu müssen, deren sittliche Vergangenheit
keine moralisch reine gewesen ist, gleichgültig, ob sie mit
Orden und Titel geschmückt, ihren äusserlich weniger begün-
stigten Collegen mit jüdischer Anmassung zu imponiren suchen.
Das sind unc:esunde und das sittliche Gefühl eines deutschen
Professoren-CoUegiums verletzende Verhältnisse, für welche
nicht die Regierung und das betreffende Cultusministerium,
sondern lediorlich der Manorel an Taktgefühl bei den Vor-
Schlägen zur Vervollständigung unseres Lehrkörpers durch
neue Berufungen verantwortlich gemacht werden muss. Die
— 382 —
Erwägung aller dieser Umstände könnte, wie gesagt , sehr
bald in mir den £nt8chluss zur Reife bringen , selber die
Regierung um Enthebung von meinem Amte zu ersuchen, da
ich, wie Plato im .7. Buche des Staates sagt:
„viel lieber wünschen würde, das Feld einem dürftigen Manne ohne
Erbe als Tagelöhner zu bestellen oder irgend sonst etwas über mich ergehen
zu lassen, als jenen Euhm davon zu tragen und in jener Weise zu leben."
Denn in Sachen der Ehre und Pflicht mache ich meine
Entschlüsse nicht von Büchern und den Urtheilen anderer
Menschen abhängig, sondern bin auf diesem Gebiete
ein vollkommener Trutz- und Schutz -Zöllner, indem ich
meine sittlichen Bedürfnisse ausschliesslich nur aus eigenen
Mitteln bestreite. Auch habe ich nicht Lust, mir, wie Fer-
dinand Lassalle, zur Abwehr von eventuell thätlichen
Insulten „den Stock ßobespierre's"^) schenken zu lassen.
^) Helene von Dönniges erzählt in ihren „Beziehungen zu Fer-
dinand Lassalle" (S. 119) wörtlich:
„Lassalle hieb um sich wiegln Verzweifelter! Er hatte den Stock
Eobespierre'sbei sich, der in getriebenem Gold als Knopf die Bastille
trägt und den ihm der Geschichtsschreiber Förster gescl^enkt hatte."
Dass derartige Eaufereien in der „fein gebildeten und geistreichen"
Berliner Gesellschaft, in welcher Lassalle „als verwöhntes Schoosskind"
verkehrte, nicht's Unanständiges oder Auffallendes „für einen genialen
Mann" enthielten, beweist folgende Bemerkung Karl vonThaler's über
den Vetter Helenen 's Dr. Arndt, gegenwärtig Professor der Geschichte
an der Universität Leipzig:
„Ihr Vetter, Dr. Arndt, hatte ihm Worte gesagt, für die ein
jähzorniger Mann, wenn sie ihm in's Gesicht geschleudert werden, den
Sprecher mit dem nächstbesten Stuhle niederschlägt. Arndt'
entschuldigte sich später bei La ss alle, aber dieser behielt den Stachel
im Herzen. Er lechzte nach Eache und er wollte Blut." (Vgl. Sonn-
tags -Beilage der Leipziger Nachrichten vom 1. Februar 1880.)
Gesetzt nun, es befanden sich in dem Professoren -Collegium unserer
Universität einige solche nach „Bache und Blut lechzende" Collegen, welche
mir ihre bereits von Professor Wundt empfohlene Ueberlegenheit als
„practische Juristen" thätlich beweisen wollten, sei es auch nur durch
eine mir im Dunkeln beigebrachte „Berührung des Kopfes", an der ich,
wie der Freiherr von Aufsess bei der Eröffnung der Universität Strass-
burg, nach einigen Tagen „in Folge eines bereits vorhandenen Uebel-
befindens" stürbe, — müsste ich dann nicht ernsthaft daran denken, wie
jeder anständige amerikanische Bürger ausser Uhr und Portemonnaie noch
einen Kevolver stets bei mir zu tragen, um mich gegen unerwartete Atten-
55
— 383 —
Dagegen würde ich es mir unter der Voraussetzung, dass an
unserer Universität „unbewusst" und „aus Versehen" alle
paar Jahre" ein Meuchelmörder oder Attentäter promovirt
würde, zur Ehre anrechnen, für unseren alten Kaiser Wilhelm
und den König Albert, meinen Landesherren, als Blitz-
ableiter für Attentäter zu dienen, um mein Leben, wie jeder
andere deutsche Soldat, auf dem Felde der Ehre zur Ver-
theidigung des Vaterlandes gegen seine inneren Feinde zu
opfern. Die kommende Generation wird dann von der gegen-
wärtigen Rechenschaft für das vergossene Blut fordern und dem
vor Scham erröthenden deutschen Volke die Worte Schiller's
in's Gedächtniss zurückrufen:
„Nichtswürdig ist die Nation, die nicht
Ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre!"
Literatur über die Vivisectionsfrage.
(Abdruck einer Extrabeilage zu den Leipziger Nachrichten.)
Die YiTiseetion, ihr wissenschaftlicher Werth und ihre ethische
B^reehtigrung von Jatr o s (Doctor der Medizin). 6V2 Bogen. Preis 2 Mk.
Leipzig, bei J. A. Barth 1877.
Eine klare und präcise, streng wissenschaftliche Darlegung der wissen-
schaftlichen Werthlosigkeit und der praktischen Nutzlosigkeit der Vivisection.
We Foltericammem der Wissenschaft. Eine Sammlung von Thatsachen
für das Laienpublicum von Ernst von Weber. 8. Aufl. Mit 10 Illu-
strationen. 6 Bg. Preis 60 Pf. Leipzig bei H. Voigt 1879.
Diese Schrift von gegnerischer Seite auf das Heftigste und Gehässigste
angegriffen, hat durch ihre Enthüllungen unwiderleglicher Thatsachen
überall das ausserordentlichsto Aufsehen erregt und ist bereits in 7 fremde
Sprachen übersetzt worden.
^r Yertheidiger der Yivisection und das Laienpnhlicum von Dr.
med. E. Hammer. 2 Bg. Preis 50 Pf. Leipzig, bei H. Voigt 1879.
Eine entschiedene Widerlegung der Schriften von CarlVogt, Hermann
und Berthold.
Die Ansprüche der Physiologen. Eine Erwiderung auf Prof. Heiden-
hain 's Schrift: „Die Vivisection im Dienste der Heilkunde". Von
täte zu schützen? Allerdings würden dann die deutschen Professoren
ausser den beiden Gattungen der Salon- und Am sei -Professoren noch um
eine dritte Species bereichert werden, für die ich mir erlaube, den Namen
„vierdimensionale Revolver -Professoren" vorzuschlagen.
— 384 —
Dr. med. E. Gryzanowski. Leipzig, bei H. Voigt. Preis 50 Pf.
Eine glänzende und schlagende Widerlegung der Heidenhain 'sehen
Schrift.
Für oder irider die Vivisectlon? von Dr. med. G. Voigt. 6 Bg.
Preis 60 Pf. Leipzig, bei H. Voigt 1876. Eine fleissige und leicht-
fassliche Zusammenstellung der wissenschaftlichen und humanen Argu-
mente gegen die vivisectionelle üntersuchungsmethode. Namentlich
zur Orientirung des grösseren LaienpubUcuras geeignet.
Die TiTisectioneB 9 yerbreelierisclie Irrwege der Wissenseliaft , von
Dr. med. R. Nagel. 4^/^ Bogen.
Stimmen der Presse Aber die 9,wissensebaft]ielie Thätigkeit in den
physiologischen Instituten^^. Eecensionen von den „Folterkammero ^
der Wissenschaft" von Ernst von Weber. Preis 20 Pf. Leipzig,
bei H. Voigt.
Die dunkelste Seite der Wissenscliaft , von Wilibald Wulff.
Hamburg, bei Paus er 1871. Preis 50 Pf. Eine Schrift voll Wanne
und Begeisterung.
Glossen zur modernen Tiviseetion von Dr. jur. von Hönigsberg.
Preis 30 Pf. I-icipzig, bei H. Voigt. Treffendes Urtheil eines scharf-
sinnigen Juristen über die ethischen Verirrungen der modernen Physio-
logenschule.
Die Vivisection. Ist sie nothwendig oder zu entschuldigen? Preisschrift
von G. Fleming. Berlin, bei Grieben 1870. Preis 75 Pf. (5 Bogen.)
Oemma. Novelle von Elpis Melena. München, bei Franz 1877.
Preis 2 Mk. (Namentlich Frauen zu empfehlen.)
Bieliard Wagner: Oflfener Brief an Ernst von Weber über die
Vivisection. 1 Bg. 40 H. Leipzig, bei Hugo Voigt 1880. Der
Eeinertrag dieses sich voll Empörung gegen die Schandthaten der
Vivisection wendenden Briefes unseres berühmten Dichtercomponisten
ist zum Besten des Liternationalen Vereins zur Bekämpfung der Vivi-
section bestimmt.
Schopenhauer über die Thiere und den Thierschutz. Ein Beitrag
zur ethischen Seite der Vivisectionsfrage von Dr. V. Gützla.ff. Berlin,
A. Nauck 1879. Preis Mk. 1,20. Eine für alle Kenner und Verkennet
des grossen deutschen Philosophen höchst lesenswerthe Schrift.
Ein Beitrag zur Vivisectionsfrage von Christoph Schultz. Berlin
1 880. Verlag von TheodorBarth. Preis 75 Pfg. Ein sehr beherzigens-
werther Appell an das Mitleid des deutschen Volkes.
Petition an den deutschen Reichstag
eingereicht vom Centralcomite
des
„Internationalen Vereines
zur
Bekämpfung der wiBsensohaftliohen Thierfolter**.
Hohe Versammlung!
In England wurden bereits im Jahre 1876 gewisse in die OeflTentlichkeit
gedrungene Thatsachen der Vivisection, d. h. der Zergliederung lebender
^hiere behufs physiologischer Forschung und des academischen Unterrichts,
Veranlassung zu einer so grossen und allgemeinen Erregung der Gemüther,
^ass die Eegierung sich bewogen fand, eine Coramission zur Untersuchung
^er von der empörten öffentlichen Meinung incriminirten Missbräuchc
einzusetzen.
Vergebens suchten die in ihrem fanatischen Treiben bedrohten Vivi-
^ectoren die gegen sie gerichtete Bewegung als ein Werk der die Wissen-
schaft fürchtenden Orthodoxie zu verdächtigen: der 388 Folioseiten um-
fassende Bericht der Königlichen Commission rechtfertigte den öflTentlichen
Unwillen durch seine zahlreichen Enthüllungen von im höchsten Grade
grausamen und unmenschlichen vivisectorischen Experimenten so vollkommen,
-der Abscheu und die Empörung des Publicum s traten in Folge dessen mit
so grosser Heftigkeit hervor, dass das Parlament sich veranlasst sah, jene
mit den Sitten und Anschauungen jeder civilisirten Nation im schreiendsten
Widerspruche stehenden Experimente in gewisse Grenzen zurückzuweisen.
Dieselben Ursachen haben neuerdings in Deutschland dieselben Wir-
kungen hervorgebracht. Eine der in England stattgehabten und dort betreffs
der Verengerung jener Grenze, beziehungsweise Abschaffung der Vivisection
noch fortdauernden Bewegimg ganz ähnliche ist auch in Deutschland
«rwacht, seitdem die bisher hinter den Thüren der physiologischen Institute
und Privatlokale verborgen gebliebenen Vorgänge der Vivisection, welche
alljährlich viele Tausende gerade der mit der höchsten Organisation und
Empfindungsfähigkeit ausgestatteten Thiere in der qualvollsten Weise hin-
opfert, von den bedeutendsten Fachmännern und anderen Gelehrten, nament-
lich aber durch die v. Web er 'sehe Schrift: „Die Folterkammern der
Wissenschaft", dem Kichterstuhle der öffentlichen Meinung überliefert
worden sind. Diese Bewegung konnte dadurch nur gesteigert und ver-
25
— 386 —
grössert werden, da«8 eben jene wissenschaftlichen Autoritäten, welche zum
grossen Theile selbst Vivisectoren waren, zugleich erkennen Hessen, wie
die Vivisection in der Mehrzahl der Fälle nicht einmal als scheinbar gerecht-
fertigtes Mittel zur erspriesslichen Erforschung eines wichtigen wissen-
schaftlichen Problems, sondern lediglich aus Eitelkeit, Nachahmungssucht
oder als entbehrliches Unterrichtsmittel unternommen werde. Man erschrak
endlich über die sittlichen Verwüstungen, über die Erstickung des Mitleids,
über die Verödung und Verhärtung des Herzens und über die Rohheit
und Verwilderung, welche die Vivisection nothwendig für die anschauende
akademische Jugend zur Folge haben muss. Religion, Sittlichkeit, Humar
nität und eine in den thierischen Geschöpfen^ ebenfalls beseelte Organismen
anerkennende Weltanschauung verdammen gleichmässig die entsetzlichen
Grausamkeiten, denen die unglücklichen für die Vivisection verwendeten
Thiere durch äussere oder innere Mittel, zwar der Bewegung aber nicht
der Empfindung beraubt, auf einem unberechtigten Altare der Wissenschaft
zum Opfer fallen. Diesen Greueln gänzlich zu steuern vermag nur die
völlige Beseitigung der Vivisection. Würden wir uns dabei bescheiden
müssen, dass einem so weitgehenden Antrage nicht gewillfahrtet werden
könne, so hoffen wir wenigstens, dass die hohe Versammlimg unserem
eventuellen Gesuche um Einschränkung der Vivisection in der unten
präcisirten Art geneigtes Gehör schenken werde.
Sollen die Gebote der Religion und Moral nicht allein den Ausschlag
geben dürfen, soll die Macht dieser Gebote sich unter das Joch des Nütz-
lichkeitsprincips beugen müssen, so darf dies unseres Erachtens doch aller-
höchstens imd unter bestimmten Cautelen nur zu Gunsten der Forschung
henifener Sachverständiger im Gebiete der Physiologie des Menschen und
zum Zwecke der Entdeckung neuer, zur Erweiterung der Menschenheil-
kunde dienenden Momente geschehen. Vivisectionen an Thierarzneischulen
würden niemals statthaft erscheinen können, weder vom Standpunkte des
menschlichen Nutzens, da es sich hierbei für den Menschen nur um Ver-
mögensobjecte, also um ein untergeordnetes Gut handelt, noch vom Stand-
punkte des für die thierische Gesundheit selbst zu erzielenden Nutzens,
da das Thier ebensowenig darauf Anspruch hat, dass in seinem Interesse
ein Thier den Martern der Vivisection unterworfen werde, als der Mensch
darauf Anspruch hat, dass in seinem Interesse ein Mensch vivisecirt werde.
Nach Vorstehendem erlauben wir uns, unser ehrerbietiges eventuelles
Gesuch unter Bezugnahme auf die besonders angeschlossenen Motive dahin
zu formuliren:
Der hohe Reichstag wolle hochgeneigtest die Initiative zu einem Reichs-
gesetz ergreifen , welches die folgenden Verhote und Anordnungen enthält
A. Einschränkung hinsichtlich der Qualität und Quantität der Versuche
[Experimente].
1) Verbot jeder Art von Vivisection ausserhalb der physiologischen
Institute an Universitäten, also Verbot sowol der Privatvivisection,
als auch der Vivisection an Thierarzneischulen.
— 387 —
2) Verbot der vivisectorischen Experimente an den physiologischen
Instituten der Universitäten zum Zwecke der Demonstration beim
Unterricht und behufs Erlangung manueller [operativer] Fertigkeiten.
3) Die für die Forschung zulässig bleibenden Vivisectionen an den physio-,
logischen Instituten der Universitäten unterliegen folgenden Ein-
schränkimgen :
a) das nur lähmende imd anerkanntermassen die Vorsuchsthiere nicht
empfindungslos, sondern nur bewegungslos machende Curare ebenso
wie die Anwendung der sogenannten ,,künstlichen Athmung" sind
verboten.
b) Die Durchschneidung der Stimmnerven, um das Schmerzensgeschrei
der Thiere zu verhindern, ist verboten.
c) Das Verhungern- und Verdurstenlassen, femer alle auf Verbrennung
und Verbrühung von Thieren abzielenden Versuche, desgleichen das
Backen und das Erfrierenlassen, also die in der euphemistischen
Sprache der Vivisectoren sogenannten „Ueberwärmungs- und Ab-
kühlungsexperimemto", die von den Vivisectoren selbst als verwerflich
bezeichnet worden sind, sind verboten.
d) Alle Vorsuchsthiere müssen nach Beendigung eines verstümmelnden
oder qualvolle Gebrechen hinterlassenden Versuchs sofort schmerzlos
getödtet und dürfen nie zu neuen Versuchen aufbewahrt werden.
e) Jeder Laie, der sich als Mitglied eines Thierschutzvereins legitimirt,
hat während der Versuche Zutritt in den physiologischen Laboratorien.
B. Einschränkung hinsichtlich der Art der Vorsuchsthiere.
Pferde, Hunde und Katzen dürfen nicht zu vivisectorischen Ver-
suchen benutzt werden.
C. Ausübung einer Controle über die nach B. nicht ausgeschlossenen Ver-
suchsthiere und zwar:
der Art, dass die physiologischen Institute gesetzlich dahin zu ver-
pflichten sind, ihren Bedarf an solchen Versuchsthieren, welche sich
im menschlichen Eigenthume zu befinden pflegen , nur von solchen
Personen zu entnehmen, die sich als Eigenthümer der betreflfenden
Thiere oder doch als Beauftragte oder Bevollmächtigte Jener aus-
zuweisen im Stande sind. Die Behältnisse, worin die Thiere eine
gewisse Zeit und mindestens so lange als durch die ortspolizeilichen
Bestimmungen für die Aufbewahrung weggefangener Thiere den
Cavillern vorgeschrieben ist, bis zum Versuchstage aufzubewahren
sind , stehen jeden Tag von . . . Uhr bis . . . Uhr zur Inspection
offen. Jedes reclamirte Thier muss augenblicklich in einen anderen
Behälter gethan und' darf nicht eher zu Versuchen verwendet
werden, als bis die Ansprüche des EeMamanten als grundlos
erwiesen worden sind.
D. Alle Contraventionen gegen vorstehende Bestimmungen sind mit Strafe
und zwar diejenigen gegen die Bestimmungen sub A. und B. mit Ge-
fängniss zu belegen.
25*
— 388 —
Der gehorsamst unterzeichnete Verein gestattet sich in dem Folgenden
in aller Kürze die Motive darzulegen, durch welche er hei der Abfassung
der vorstehenden Petition geleitet wurde.
In der letzteren selbst haben wir bereits die höheren Rücksichten
hervorgehoben, welche principaliter die gänzliche Beseitigung der Vivisec-
tion als einer des Menschen und der Wissenschaft unwürdigen Forschungs-
methode bedingen. In den gegenwärtigen Motiven werden wir daher nur
die eventualiter erbetene Einschränkung in's Auge fassen, indem wir
dabei auf den Utihtätsstandpunkt hinabsteigen, wie ihn die Anhänger der
Vivisection einnehmen. Von diesem Standpunkte aus sind wir zunächst
zu der Ueberzeugung gelangt, dass ad A, alinea 1 unseres Petitums,
die Privatvivisection anlangend, letztere zu verbieten sei.
Denn wenn auch zugegeben werden mag, dass bei uns in Deutschland
die Ausübung privater vivisectorischer Versuche nicht allgemein betrieben
werde, so besteht dieselbe doch, obschon — weil überhaupt schwer contro-
lirbar — in einem nicht genau nachweisbaren Umfange, eine Thatsache,
welche die Fachmänner der Vivisection nicht nur keineswegs in Abrede
stellen, sondern selbst als solche bestätigen, wie dies beispielsweise der
ältere Leipziger Thierschutzverein , dessen zweiter Vorsitzender ein Vivi-
sector [Geh. Hofrath Prof. Dr. Ludwig] ist, dadurch bewiesen hat, dass
er es zu seinem Beschluss erhob, auf die Abschaflfung der Privatvivisection
hinzuwirken. Gerade in dem Umstände nun, welchen die Fachmänner der
Vivisection anführen, nämlich dass die Privatvivisection in Deutschland
keineswegs eine sehr verbreitete sei, da bei der Kostspieligkeit der zur
kunstgerechten Ausführung erfolgversprechender vivisectorischer Versuche
erforderlichen technischen Hilfsmittel verhältnissmässig nur sehr wenige
Studirende im Stande seien ^ die nothwendigen Requisiten zu beschaffen,
finden wir schon Grund und Anlass genug zu einem gesetzlichen Verbot
der Privatvivisection. Denn in Anbetracht, dass derartige private Versuche
entweder ohne alle hierzu erforderliche technische Hilfsmittel, oder doch
nur unter Anwendung und Beihilfe eines äusserst mangelhaften und des-
halb unzureichenden technischen Rüstzeugs angestellt und ausgeübt werden,
können sich derartige „Versuche" niemals über das Niveau eines nutz- und
erfolglosen Probirens erheben und sind deshalb blossen wissenschaftelnden
Stümpereien gleich zu achten. Somit bilden gerade derartige plumpe,
in das Beheben jedes angehenden Mediciners gestellte Nachahmungen
blutiger und schmerzhafter vivisectorischer Experimente die Basis, auf
welcher jener wimdärztliche Thatendurst entsteht und gross gezogen wird,
der die Gelegenheit herbeisehnt und unter Umständen herbeizieht, um
derartige kühne und blutige Experimente auch an menschlichem Ver-
suchsmateriale nachahmen zu können.
Betreffs der Thierarzneischulen beziehen wir uns auf das bereits in
der Petition selbst dagegen Angeführte. Der Utihtätsstandpunkt kommt
in dieser Hinsicht überhaupt nicht mehr in Betracht, da derselbe höchstens
in Ansehung der Menschenheilkunde zugelassen werden könnte.
— 389 —
Unter den vivisectorischen Experimenten sub A, alinea 2 unseres Peti-
tums verstehen wir schmerzhafte oder blutige Eingriffe in den thierischen
Organismus.
Wenn die Vivisectoren behaupten wollen, dass ja die meisten Thiere
während der Versuche anästhesirt, also empfindungslos gemacht würden,
so würde dem entgegengehalten werden müssen, dass eine vollständige und
anhaltende Anästhesirung dadurch, dass sie die Aufmerksamkeit des Ex-
perimentirenden zu sehr in Anspruch nimmt, für letzteren beinahe in
allen Fällen eine höchst unliebsame Zumuthung bedeutet und die Anästhe-
sirung ebendeshalb oft genug nur beim Beginn der vivisectorischen Ver-
suche und zwar weder ausgiebig noch nachhaltig genug angewendet oder
aber ganz unterlassen wird. Letzteres geschieht ohnedies bei allen solchen
Versuchen, bei denen eine Anästhesirung den Zweck des Experimentes
vereiteln würde.
Da nun nach dieser Richtung eine erfolgversprechende Controle seitens
der Staatsbehörde kaum denkbar ist, so haben wtr es unterlassen, unter
den erbetenen Einschränkungen der Vivisection eine obligatorische Anästhe-
sirung und die alsdann erforderlich werdende Controle zu erbitten; denn
es wird ein Schutz in dieser Richtung am wirksamsten durch die Gewäh-
rimg des unter A alin. 3e erbetenen Zutritts für Personen, welche sich
als Mitglieder eines Thierschutz Vereins legitamiren, realisirt werden.
So wenig wir den pädagogischen Standpunkt des Anschauungsunterrichts
auf dem Gebiete der Naturwissenschaften an sich in Zweifel ziehen, so sind
wir andererseits fest überzeugt, dass überwiegende Gründe vorliegen, die
es geboten erscheinen lassen, den Anschauungsuntefrricht in den physiolo-
gischen Vorlesungen, soweit derselbe in der Vorführung vivisectorischer
Experimente in unserem Sinne besteht, vollständig zu beseitigen.
Wenn man auf den augenscheinlichen Nutzen des Anschauungsunter-
richts in den übrigen Zweigen der Naturwissenschaften verweist, wie er
beispielsweise in den Vorlesungen über Physik und Chemie zur Geltung
kommt, so muss doch diesem Hinweis gegenüber vor allen Dingen auf die
leicht ersichtliche Incongruenz aufmerksam gemacht werden, welche zwischen
den in den physikalischen und chemischen Vorlesungen angewendeten
todten Versuchsobjecten und dem in den Vorträgen über Experimental-
physiologie zur Verwendung kommenden lebenden Versuchs-„Materiale"
besteht. Es mag zugegeben werden, dass die in den physiologischen Vor-
lesungen zu Demonstrationszwecken vorgenommenen vivisectorischen Experi-
mente der Phantasie sowol wie auch dem Gedächtnisse der angehenden
Mediciner zu Hilfe kommen ; auch ist es richtig, dass ein Theil der hierbei
gewonnenen Anschauungen, soweit dieselben physiologische Geschehnisse be-
treffen und allgemeiner Natur sind, mithin jedem Lebewesen zukommen,
auch auf den Menschen übertragen werden können. Sobald aber die
Lebensverrichtungen [Functionen] einzelner Organe durch vivisecto-
rische Versuche an Thieren demonstrirt werden, um weiterhin auf die
physiologische Bethätigungsweise des menschlichen Körpers übertragen zu
— 390 —
werden, bo iat eine derartige vermeintlidie praktische Nutzanwen
mehr oder weniger willkürliche, weil lediglich dem peradnlioben 4
meeeen des ßcholera aabeimgegelicne , mithin von aase
wiBaenschaftlicIi(>r und praMischer Dignität. Denn ganz abgesehen i
der durch die Individualität dieses odoi jenes höher orgiuiiairt«n Lebewesens
gegebenen BBSonderheiten und Nuaucimngen in der phvaiologiachen Be-
thätigungswaise der verschiede neu Organe kommen vor allen Dingen die
dieser oder jenor ThierspecieB eingeborenen Eigentfaümlichkeiten in Betracht
und die hierdurch gewonnenen Anathaimngen , wenn sie nicht mit sehr
verständnisBvollen Sestrictionen auf den Menschen übertragen werden,
fögan nicht aUein dem Schüler grossen intellectuellen Schaden z
stellen auch weiterhin für seine zukünftigen Pfl^bcfolileneii ein
Behandlnng von sehr zweifelhaftem Werthe in Attasicht.
Infolge der durch beständige vivisectoriache Versuche an
bewirkten einseitigen Beeinflussung der Medicinstudirenden wird b^^iäl
weise den phyaiabgisch^n und pathologischeu Vorstellungen und Ansichten
der jungen angelienden Aerzte ein Belcbes speciflsches und einseitiges Ge-
präge verliehen und ihrem ärztlichen Handeln eine solche einseitige lüchtung
gegeben , daas Bich achon allein hieraus eine grosae Anzahl der so ausser-
ordentlich häufigen, irrigen ärztlichen Bifitverordnui^n erklärt Denn, die
sich beinahe ausschliesslich auf diesbezügliche vivisectnrisohe Versuche an
Thiercn stützende physiologische Schule verordnet nur zu oft diät«tiaf
Hsssnahmen, die wol den Besonderheiten und den individuellen ]
thümUchkeiten des Verdauungsproceaaes bei Thieren entsprechen, ;
weg« aber — worauf es doch allein ankommt — den doch zum tnmdM
ebenao berechtigton. thatsächlichen Besonderheiten und individuellen 1
Bchiedeuheiteu in der ph.vaiolt^schen BethätigungBweise des n
Organismus Rechnimg tragen.
Aber nicht genug, dasa der Werth vivisectorischer Experimente, sow»
in wissenschaftlicher, wie auch in praktischer Hinsicht ausserotdentUeh
fraglich und eben deahalb selbst imter den Fachmäraiem streitig ist, liegt ei
ausserdem noch im praktischen Interesse des Laienpiiblikums, hinsiolltli
der Folgewirtungen der Vivisectiou sich selbst, nämlich a ~
und sein Leben zu schützen.
Denn da die wissenschoftüche Thierfoltet unvermeidlich i
höchsten Grade gefühlsverhirtendem Einfluas nicht blos auf alle Diejra
welche sie prakticiren, sondern auch auf die Zuschauer aaaöbt,
klar, doaa dadurcli eine unheilvolle und besorgnisserregende Gflflihl-'
Mitleidslosigkeit unserer zuL-Onftigen Aerzte grossgezogen wird. Und '£
ist der Punkt, wo sich die Thierschutzf rage zugleich zu einer Men schenk
achutzfrage im eminentesten Sinne des Wortes erweitert, indem durch
die Bekämpfung der wissenschaftlichen Thierfolter imd Überhaupt doroh
alle thierachotzerisclien Bestrebimgen in erfolgversprechender Weiss X
Beseitigung der lieblosigkeit und die Eindümmung der nicnschlichen T
rohung angratrebt wird.
— 391 —
Nicht nur unterrichtete Laien , sondern ' auch ärztliche Schriftsteller
haben wiederholt auf die gemeinschädlichen Folgen des zur Zeit an unsem
Universitäten herrschenden Vivisectionsunfugs hingewiesen und mit Kecht
als unmittelbare Folge hiervon das rücksichts- und mitleidslose Experi-
mentiren am Krankenbette , wie es in manchen Hospitälern besonders an
unbemittelten Patienten ausgeübt zu werden pflegt, hingestellt. So sagt
Dr. med. Guardia auf S. 733 seines Buches „System der Chirurgie":
„Man betreibt nur zu viel Experimentalchirurgie in den Hospitälern. Man
glaubt nicht, in wie hohem Grade die Gewohnheit des Vivisecirens die ganze
heutige Operationspraktik beeinflusst." Desgleichen constatirt einer der
leidenschaftlichsten Anhänger der Vivisection, Professor Falck in Marburg,
in einem Artikel in Nr. 93 der „Didaskaüa" (vom 5. April), „dass in
manchen Krankenhäusern der Missbrauch herrsche, dass Kranke zu gewagten
Experimenten verwendet werden." Und der Autor der Schrift: „Zxi ligue
eontre les vivisecttons*^ (Paris 1879) macht auf Seite 54 die Bemerkung:
„Wie es gar nicht anders erwartet werden kann, die Moral des Laborato-
riums und des Operationszunmers ist auch die des Hospitals, und man
widmet hier den Leiden der Kranken eben so wenig Aufmerksamkeit wie
dort denen der Thiere. Unter dem Verwände, dass sie gratis behandelt
werden, geht man nur zu oft mit ihnen um, als hätten sie werder Rechte
noch Gefühle, und als wären sie nur empfindungslose Objecto zur Experi-
mentation. Die Hospitäler werden mehr als praktische Laboratorien betrachtet
als wie als Zufluchtsstätten für die mittellosen Kranken." Femer sagt der
Vivisector Professor Cyon, ein Schüler des Professor Ludwig in Leipzig,
auf S. 8 seiner „Methodik der physiologischen Experimente" (Giessen 1876):
„Der Arzt, welcher mit Abscheu von der Thierquälerei bei physiologischen
Versuchen spricht, möge sich nur erinnern, wie oft er dem Kranken höchst
widerwärtige und nicht immer gefahrlose Mittel verschrieben, um über
deren Wirkung irgend welche Aufschlüsse zu erhalten. Gar manche
chirurgische Operation wird weniger zum Heile des Kranken, als zum
Nutzen der Wissenschaft vorgenemmen." Ein anderer Vivisector, Dr. med.
von Lesser in Leipzig, legt auf S. 309 inVirchow's Archiv für patholo-
gische Anatomie und Physiologie und für klinische Medicin S. 79, B.,
IL Hälfte, 7. Folge, 9. B., 2 Heft, (ausgegeben am 12. Februar 1880) am
Schlüsse eines Berichts über Verbrennung zahlreicher Hunde und Kaninchen
das folgende ofiTene Bekenntniss ab:
„Die experimentelle Prüfung obiger therapeutischer Vorschläge habe
ich unterlassen. Solche Experimente gehören an das Kranken-
bett, nachdem die wissenschaftliche Forschimg durch Thierversuche ihre
Berechtigimg nachgewiesen hat."
Auf Grund der vorstehenden Motive ist der gehorsamst unterzeichnete
Verein von der Ueberzeugung durchdrungen, dass die antivivisectionistischen
Bestrebungen, wie sie in dem Liternationalon Verein zur Bekämpfung der
wissenschaftlichen Thierfolter zum Ausdruck kommen, eine Culturbestrebung
von grösster Tragweite bilden, und giebt sich derselbe deshalb der zuvor-
— 392 —
Bichtlichen Hoffnung hin, die hohe Versammlung werde die vorstehende,
die ethischen, humanitären wie auch die praktischen Interessen des Gremein-
Wohles tief hertihrende Petition auf die Tagesordnung der Beichstagsverhaiid»
longen setzen und dieselhe in wohlwollende und gründliche Erwägung ziehen.
Der IntematioBale Yerein
zur Bekämpfung der wissenschaftlichen Thierfolter
durch sein Central-Comite
Ottocar Alt, Dr. med. Hamburg.
Johann Nepomuk Bauer, Straubing.
Castor Freiherr v. Koohtitsky, Vicepräsident, Dresden.
Theodor Rast, Geheimer Begierungsrath , Dresden.
Marie Esperanee von Soh^vrartz (Elpis Helena) Greta.
Gustav Voi^rt, Dr. med. Leipzig.
Brnst von Weber, Präsident, Dresden.
Zur Motivirung
der gegen Leipziger Vivisectoren erhobenen Anklagen.
(Abdruck aus der unter dem Protectorate Sr. Majestät des Königs A 1 b e r t herausgegebenen
Zeitsehrift: Androclu». April 1880.)
„Der Neue Leipziger Thierschutzverein hatte in Erfahrung
gebracht, dass Dr. med. von Lesser eine grosse Anzahl von Hunden und
S^inchen •— (ein Bericht sprach von 70 Hunden und 140 Kaninchen)
durch Verbrühung einem langsamen und qualvollen Tode preisgegeben habe.
Aus den engen Beziehungen, die Herrn Dr. von Lesser mit dem Herrn
Geh. Hofraüi Prof. Ludwig verknüpfen, wurde der Schluss gezogen, dass
die Experimente im Lud wig'schen Laboratorium ausgeführt worden seien,
weshalD der Neue Leipziger Thierschutzverein beimKönigl.Cultusrainisterium
Beschwerde erhob. Es wurde ihm hierauf Seitens des letzteren nach
einiger Zeit der Bescheid ertheilt, dass Herr Prof. Ludwig die besagte
Anschuldigung für völlig aus der Luft gegriffen erklärt hätte und
hiermit scnien nun die Sache abgethan.
Da führte uns ein günstiger Zufall das neueste Heft des Virchow-
sehen Archives (vom 12. Februar 1880) in die Hände. Dasselbe gab uns
über diese Angelegenheit die werthvollsten Aufschlüsse, denn es bestätigte^
dass jene überaus grausamen und, nebenbei bemerkt, völlig nutzlosen
Experimente wirklich in grosser Zahl stattgefunden haben, freilich nicht
im physiologischen (Ludwig 'sehen), sondern im pathologischen
(Cohnheim'schen) Laboratorium der Universität.*) Und dieser letztere
Umstand gab allerdings dem Prof. Ludwig ein formelles Eecht, die
Thatsache rundweg abzuleugnen, dass die Experimente in seinem Labora^
*) „Dr. med. Julius Cohnheim, Professor der allgemeinen Patho-
logie imd pathologischen Anatomie, Director des pathologischen Listitutes,
Prosector am städtischen Krankenhause." (Seit 24. Decembr. 1877 an der
Universität Leipzig.) Der erste Assistent Professor Cohnheim 's ist
Professor Weigert. — (Vgl. Personal-Verzeichniss der Universität Leipzig.
Wintersemester 1879 — 80. Leipzig. Edelmann.)
— 393 -
torium stattgefunden hätten. Indessen die^ Hauptsache , auf die es doch
allein ankommt, die Thatsache nämlich, dass oiese scheusslichen Thier-
qiiälereien in einem zur Universität gehörigen Laboratorium, also auf
öffentliche Kosten, wirklich stattgefunden haben, bleibt trotz der
Ludwig 'sehen Zurückweisung unumstösslich! Welches charakteri-
stische Licht wirft diese Ludwig 'sehe Antwort auf die Taktik der
gesammt^n Vivisectorenzunft! Wir wollen nun unseren geehrten Lesern
ein paar ganz kurze Auszüge aus der langen, 63 Seiten in dem oben be-
zeichneten Hefte anfüllenden Schilderung jener Leipziger Thierquälereien
mittheilen. (Seite 248 bis 311.)
Seite 248. „Nicht minder reichhaltig ist die Verbrennungsliteratur. (!)
Trotzdem bietet der rasche Eintritt des Todes nach ausgedehnten Ver-
brennungen noch heute viele unaufgeklärte Momente."
Seite 249. „Zwei weiteren Hunden das Eückenmark zerschnitten, nach
mehreren Wochen wurden sie verbrüht. Die Thiere überlebten die Ver-
brühung 6 bis 1 Tage (!) und gingen dann unter stetem Sinken der Körper-
wärme septisch zu Grunde. Drei andere Hunde, denen das Kückenmark
durchschnitten, überlebten die folgende Verbrühung 3 Tage, 1 Woche,
3 Wochen." (!).
Seite 251. „Zahlreichen Kaninchen das Eückenmark durchschnitten.
Allein nach der Eückenmarkdurchschneidung pflegen die Thiere langsam
abzusterben." (!) (Vergl. auch v. Lesser in den „Arbeiten der physiolog.
Anstalt zu Leipzig 1878".)
Seite 252. „Fünf Hunden das Eückenmark durchschnitten, später
verbrüht, üeberleben die zweimalige Verbrühung 6 und 10 Tage."
Seite 253. „Ein grosser Schäferhund ging 36 Stunden nach dreimaligem
Eintauchen des Hinterkörpers in siedendes Wasser zu Grunde."
Seite 254. „Kleiner lebhafter Hund wird mit Zwischenpausen von
4, 21 und 15 Minuten viermal verbrüht. Stirbt in der folgenden Nacht."
Seite 267. Versuch 47. „Ein junger, lebhafter, sehr munterer Hund
hatte vor 31 Tagen die Blutinfusion aus einem verbrühten Hunde über-
standen, wurde in siedendem Wasser verbrüht. Nach 20 Stunden tödtlich
verblutet."
Seite 269. Versuch 21. „Kaninchen verbrüht. Das Thier stöhnt.
Nach 1 Stunde 10 Min. verblutet."
Seite 270. „Versuch 31. Hund um 11 Uhr 15 Min. aufgebunden.
1 1 Uhr 50 Min. 30 Min. lang in siedendem Wasser verbrannt. Ära näch-
sten Tage mürrisch, sehr niedergeschlagen, keine Fresslust. Tod 44 Stunden
nach der Verbrenung."
Versuch 26. „Kleiner, junger, munterer Hund. Stirbt 8 Stunden nach
der Uebergiessung mit siedendem Wasser."
Seite 276. „Junger lebhafter Hund wird einer Transfusion des Blutes
eines verbrühten Hundes unterzogen. Nach 4 Tagen sehr matt, schwankt
auf den Füssen (verhungert?*) wird getödtet."
Versuch 26. „Hund stirbt nach 8 Stunden."
Seite 281. „Junger, lebhafter Hund, am vierten Tage nach der Ver-
brühung getödtet."
Seite 309. Hier finden wir das folgende unbezahlbare Bekenntniss dea
Dr. von Lesser: „Die experimentelle Prüfung obiger therapeutischer Vor-
schläge habe ich unterlassen. Solche Experimente gehören an's
') Eigene Anmerkung des Dr. v. Lesser.
— 394 —
Krankenbett (! ! !) , nachdem die wissenschaftliche Forschung durch
Thi er versuche (sie!) ihre Berechtigung nachgewiesen hat.
Wir bemerken hierzu, dass ein hochgebildeter Arzt, dem wir die aus
obigen Experimenten von Dr. von Lesser gefolgerten therapeutischen
Vorschläge mittheilten , dieselben als eine Ausgeburt des höheren Blöd-
sinnes bezeichnete!
Indem wir diese Experimente des Dr. v. Lesser der öffentlichen
Beurtheilung übergeben, wollen wir nicht unterlassen, zur Charakteristik
der Grausamkeit seiner Versuche unseren geehrten Lesern noch die folgen-
den Citate aus den Schriften zeitgenössischer Vivisectoren in Erinnerung
zu bringen:
Prof. Cyon's Methodik der physiolog. Experimente und Vivisectionen
(Giessen, 1876).
Seite 522 : „Die Entfernung der Eückenmarkshäute ist die zarteste und
vielleicht wegen der ganz ausserordentlichen Empfindlichkeit derselben die
für das Thier eingreifendste Operation."
Pflüg er 's Archiv für Physiologie, Bd. 8.
S. 468. Prof. Goltz: „Die Durchschneidung des Rückenmarks ist
eine furchtbare Operation, denn wie viele sensitive Theile werden dadurch
zerquetscht und in einen entzündlichen Reizungszustand versetzt!"
Die von Dr. v. Lesser ausgesprochene Empfehlung des Experi-
mentirens am Krankenbett, um die Richtigkeit seiner aus Thier-
versuchen (!) gefolgerten Schlüsse zu erproben, bestätigt aufs Neue die
traurige Wahrheit, auf die wir schon wiederholt im „Andiwslus" hingewiesen
haben und wegen deren furchtloser Aussprache wir vom Organe der Vivi-
sectoren, dem Leipziger Tageblatte, mit einem so wuthentbrannten Angriffe
beehrt worden sind: dass nämlich manche Aerzte, die ihre Erziehung im
vivisectorischen Laboratorium, der Erstickimgsstätte alles Mitleidsgefühls,
genossen haben, die armen Kranken in den Hospitälern . — natürlich nur
solche, die gratis behandelt werden, also die armen unglücklichen
Proletarier — nur als menschliches Versuchsmaterial betrachten,
an welchem ihre vivisectorischen Studien fortzusetzen sie für eine vollständig
erlaubte Sache halten."
Erklärung.
Zur Widerlegung irrthümlicher Gerüchte sehe ich mich zu der
^Erklärung veranlasst, dass von mir weder direct noch indirect jemals über
Vorgänge an Lehranstalten der hiesigen Universität etwas nach Dresden
berichtet worden ist. Ich würde eine solche nicht öffentliche Bekämpf img
vorhandener Schäden und Missbräuche, ganz abgesehen von dem Bedenken
eines zweifelhaften Erfolges, mit meiner amtlichen Stellung nicht für ver-
einbar halten. Aus dem gleichen Grunde bin ich, trotz meiner lebhaften
Sympathie für die Bestrebungen des „Neuen Leipziger Thierschutz-Vereins",
demselben nicht als Mitglied beigetreten und werde es auch in Zukunft,
zur Bewahrung der iVeiheit meiner Handlungen, so viel als möglich vermeiden,
Vereinen oder Parteien beizutreten. Denn ich wünsche nicht durch die
Autorität meines Namens, sondern durch den Inhalt meiner Schriften auf
meine Mitmenschen zu wirken, um sie aus den Banden einer geistigen
Knechtschaft zu befreien, zum HeileDeutschlands und zur Förderung
einer sittlichen und christlichen Wiedergeburt des deut-
schen Volkes,
Leipzig, d. 19. April 1880. h\ Zöllner.
PROSPECT.
Bei L. Staackmann in Leipzig erschien:
WISSENSCH ABTLIC H E
ABHANDLUNGEN
VON
JOHANN CARL FRIEDRICH ZÖLLNER,
o. 5. Professor der Astrophysik an der UniversitXt zu Leipsig, Mitglied der KSnigl. Sttchsischen
Gesellschaft der Wissensrhaften , auswSrtigem Mitglied der Königl. Astronomischen Gesellschaft
asu T^ondon, der Kaiserl. Akademie der Naturforscher zu Moskau, Ehrenmitglied des physikalischen
Vereins zu Frankfurt am Main, der „Soei^t^ scientifique d'Etudes psychologiques" au Paris und der
,, British National Association of Spiritualists" au London.
,,Lectur6S which really teac h will never be populär;
Lectures which are populär will never really teac h."
Faraday.
Unter dem Titel „Wissenschaftliche Abhandlungen von
Friedrich Zöllner" beabsichtigt der Verfasser in Verbindung mit
den seit 20 Jahren in Poggendorff's Annalen, den „Astronomischen
Nachrichten" und den „Berichten der Königl. Sachs. Gesellschaft der
Wissenschaften" veröffentlichten Abhandlungen alle seine ferneren Unter-
suchungen naturwissenschaftlichen und philosophischen Inhaltes herauszu-
geben. Deragemäss werden von jetzt an alle neuen Arbeiten des Verfassers
nicht mehr in fachwissenschaftlichen Journalen, sondern als laufende
Fortsetzung seiner bisherigen Publicationen unter dem obigen Titel
erscheinen. Mit Ausnahme der ersten Bände, die ein in sich abgeschlos-
senes Ganze bilden, werden die später folgenden Abhandlungen in einzelnen,
für sich verkäuflichen Heften erscheinen, die jedoch bezüglich ihres Umfanges
und der Zeit ihrer Veröffentlichung an keine Beschränkungen gebunden
sind. Der Inhalt eines jeden Heftes soll ein möglichst gut zusammenhängendes
Ganze bilden. Wenn es zum Verständnisse der Continuität seiner eigenen
Arbeiten wünschenswerth erscheint, gedenkt der Verfasser die nicht
genügend beachteten oder fast vergessenen Schätze der älteren und neueren
naturwissenschaftlichen und philosophischen Literatur im Originaltexte und
in möglichst sinngetreuer Uebersetzung für die Leser seiner Abhandlungen
wieder fruchtbar zu machen. Die ursprünglich beabsichtigte gleichzeitige
Herausgabe in fremden Sprachen wird von der Theilnahme abhängen,
deren sich das Unternehmen im Auslande zu erfreuen hat.
Die Gründe, welche den Verfasser bestimmt haben, hinfort alle
seine Publicationen unter der angegebenen Form erscheinen zu lassen,
beruhen im Wesentlichen in der fortdauernd sich steigernden Arbeitsthei-
lung auf aUen Gebieten der Wissenschaft, sowie auf der hierdurch stets
anwachsenden FüUe der fachwissenschaftlichen Journal -Literatur. Dies
/
führt zu einer Zersplittemng der Abhandlimgen, deren nachtheilige Folgen
ßich sowohl für die Leser als für den Verfasser in empfindlicher Weise
geltend machen.
Die ideelle Einheit und das geistige Band, welche naturgemäss die
literarischen Erzeugnisse ein und desselben Autors verknüpfen müssen, gehen
bei der Veröffentlichung in Journalen oder akademischen Schriften für das
Publicum meist verloren. Hierdurch wird die sittliche Aufgabe der
Wissenschaft, nämlich wahreAufklärung unter dem Volke zu verbrei-
ten und dasselbe zu einer höheren Stufe seiner Verstandes-Entwickelung
zu erheben, vereitelt und zum Theil in ihr Gegentheil verwandelt.
Als unerlässliche Bedingung für eine moralische Einwirkung der
Wissenschaft auf das Volk betrachtet der Verfasser eine kategorische
Forderung, welche Kant unter der erleuchteten R^erung Fried rieh 's
des Grossen mit folgenden Worten ausgesprochen hat;
«,Der öffentliche Gebrancli seiner Vemimft muss jederzeit frei sein und der allein
kann Aufklärung unter den Menschen zu Stande bringen. Ich verstehe aber unter dem
Ö f f e ntlichen Gebrauche seiner eigenen Yemnnft demjenigen, den Jemand als Gelehrter
von ihr vor dem ganzen Publicum der IJesewelt macht.** i)
Die heute ziemlich allgemein vernommene Klage, dass sogenannte
„populäre, wissenschaftliche Vorlesungen" statt solides Wissen nur
den Wahn des Wissens und die damit verbundene Anmaassung gefördert
haben, hat bereits vor mehr als dreissig Jahren der berühmte englische
Physiker Farad ay vorausgesehen, indem er sagte:
„Yorträge, in denen wirklich etwas gelernt werden soll, werden niemals
populär sein, und Vorträge, die populär sind, werden niemals wirklich lehrreich sein.
Diejenigen, welche glauben, man könne eine Wissenschaft mit weniger Mühe lernen oder
erlernen als das ABC, verstehen wenig von der Sache und doch, wer hat jemals das ABC
ohne Noth und Mühe erlernt!" 2)
Der Verfasser setzt zum Verständnisse seiner Abhandlungen ein Pu-
blicum voraus, welches wenigstens in so weit mit ihm auf dem Boden des
philosophischen Idealismus steht, dass es im Stande ist, sich von der
Wahrheit der beiden folgenden, von Cartesius und Lichtenberg
ausgesprochenen, Sätze ohne fremde Hülfe zu überzeugen.
Cartesius*) sagt:
,4>er gesunde Verstand ist das, was in der Welt am gerechtesten vertheilt ist; denn
Jedermann meint damit so gnt versehen zu sein, dass selbst Personen, die in allen aadeni
Dingen schwer zu befriedigen sind , doch an Verstand nicht mehr zu wünschen pflegen
uls sie haben.**
Lichtenberg fragt:
„Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstossen und es klingt hohl, liegt denn das
allemal am Buche?**
Die mangelhafte Berücksichtigung dieser Wahrheiten führt nicht selten
zu bitteren Klagen, wie sie z. B. noch kürzlich von hervorragender Seite
Kaufs Werke. (Rosenkranz und Schubert) Bd. VII, S. 511.
'^) Faraday und seine Entdeckungen. Eine Gedenkschrift von John Tyndall. Antori-
sirte deutsche Uebersetzung. Herausgegeben von H. Helmholtz 1870. S. 204. — Original:
The Life and Letterg of Faraday^ by Dr. Bence Jones. Vol. IL p. 228.
3) Ren4 Descartes, philosophische Werke (deutsch von Kirchmann). 1. Ahth. S. SO.
gegen die Gesammtheit der deutschen Naturforscher und unsere grössteii
Dichter ausgesprochen worden sind. Der beständige Secretär der Königl.
Preuss. Akademie der Wissenschaften^) behauptet in seiner Rede „über
eine Akademie der deutschen Sprache*':
,,E8 sei den Natarvrissensehaften, auf der Höhe, zu welcher sie sich erhoben hubei;,
nationale Farbe fast entwichen", „mit seltenen Ansnahmen spricht j«der Deutsche, wie ihm
der Schnabel gewachsen ist", „auf einen kleinen Denkfehler kommt es uns nicht an**. „Um
bei den deutschen Naturforschern stehen zu bleiben, wie viele giebt es denn unter ihnen,
welchen der Gedanke , dass man auf Darstellung Fleiss verwenden müsse , und dass eine
wissenschaftliche Abhandlung ein Kunstwerk sein könne, wie eine Novelle, nicht als
wunderliche Grille erscheint? . . . Unbelrümmert um die äussere Erscheinung treten sie
im Schlafrock vor die Oeffentlichkeit, und was kaum minder schlimm ist, die Oeffentlichkeit
ist es zufrieden!'*
„unser grösster Dichter hat auf den deutschen Stil lange keinen guten Einfluss geübt.
Auch da er die Iphigenie „ „Zeile für Zeile , Periode für Periode regelmässig erklingen
liess**'*, war Goethe in den grundlegenden Eigenschaften des Stils im Allgemeinen kein
Muster .... man kann nur den Gegensatz zu Voltaire beklagen.**
„Minder stürmischen Adlerschwunges vielleicht wäre Schiller*s Genius in groHS-
städtischer Atmosphäre emporgestiegen. Aber vielleicht hätte er Schwulst und Hart«*
seiner ersten Periode früher abgelegt**
Diesen Klagen gegenüber hat sich der Verfasser nicht zu jener leiden-
schaftUchen Aeusserung hinreissen lassen, welche einer seiner berühmten
Collegen*) zu Berlin kürzlich bei einer andern Gelegenheit in folgenden
Worten ausgesprochen hat:
„Und bei diesen schreienden Tbatsachen sollen wir noch die hergebrachte akade-
mische Leisetreterei weiter üben und, um gute Collegen zu bleiben, der Schändung des
deutschen Namens fernerhin geduldig zusehen?**
Derselbe hat sich vielmehr auf das Sorgfältigste bemüht, jener scharfen
Kritik unserer nationalen Fehler gerecht zu werden, indem er den schüch-
ternen Versuch machte, den Kritiker selber als den Helden einer patrio-
tischen Novelle dramatisch zu behandeln. (Vgl. Bd. I. S. 289 — 416.)
Was den philosophischen Standpunkt des Verfassers betrifft, so betrachtet
er es als ein Glück, nicht der Vertreter eines „neuen Systems" zu sein, sondern
lediglich ein Anhänger und Vertheidiger derjenigen Weltanschauung, welche
sich in den unsterblichen Werken Plato's und Kant's der cultivirten
Menschheit offenbart hat. Das Verständniss dieser Werke im engen An-
schluss an die Ergebnisse der Naturwissenschaft für das nach Aufklärung
strebende deutsche Volk zu vermitteln und dasselbe hierdurch moralisch
zu heben, ist eins der w^esentlichsten Ziele, welche dem Verfasser bei seinem
Unternehmen vorgeschwebt haben. Denn er hat an sich selber die tiefe
Wahrheit und beglückende Kraft der Worte Kant's") erfahren:
1) E. du Bois-Reymond, „Ueber eine Akademie der deutsche Sprache**. Festredo
gehalten in der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 26. März 1874. Die
obigen Stellen sind wörtlich der gedruckten und im Buchhandel erschienenen Rede
entnommen.
'^) Th. Mommsen in einem Aufsatze „zur Promotionsreforra** in den Preuss. Jahr-
büchern, herausg. von H. r. Treitschke und W. Wehrenpfennig. 1876. April. Heft IV, S. 31 r».
3) Kant's Werke VIIL S. 312.
,,Zirei Dinge erfüllen das Gemüth mit imm« neuer und zunehmender Beirnnderwig,
je öfter nnd anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel
Aber mir, and das moralische Gesetz in mir."
Des Verfassers Glaube an die Zukunft und den Beruf Deutschlands für
die menschliche Cultur ist noch heute ebenso hofihungsvoll wie vor
6 Jahren, wo er demselben in folgenden Worten Ausdruck verlieh:
,,UnerschtLtterlich lebt in mir der Glaube an eine beyorstehende Epoche der dedue-
tiyen Erhenntniss der Welt, wie sie schöner, herrlicher und reicher an Harmonien nie
zuvor gesehen worden ist Deutschland allein ist berufen der Trftger und Schauplatz
dieser Epoche zu werden, denn nur der germanische Geist birgt in seinen Tiefen jene
FtQle dednctiver Bedürfhisse und Fähigkeiten, welche zur erfblgreichen BewSltagiing des
durch die exacten Wissenschaften aufjgespeicherten inductiyen Materials erforderlich
sind!**!)
Ueber die intellectuellen und moralischen Grebredien der Gegenwart
aber tröstet sich der Verfasser mit den folgenden Worten Kant's:*)
„Ehe wahre Weltweisheit aufleben soll, ist es nöthig, dass die alte sieh selbst zer-
störe, und, wie die Fäulniss die vollkommenste Auflösung ist, die jederzeit Toraagelit,
wenn eine neue Erzeugung anfangen soll, so macht mir die Krisis der Gelehreaaüceit zu
einer solchen Zeit, da es an guten Köpfen gleichwohl nicht fehlt, die beste Hoffirang, daas
die so längst gewünschte grosse Revolution der Wissenschaften nicht mehr weit entfernt sei**
Hundert Jahre später erklärt aber Fürst Bismarck:*)
„TJeberall wo Fäulniss ist, stellt sich ein Leben ein, welches man nicht mit reinen
Glacehandschuhen anfassen kann!'*
Mögen es daher die wohlwollenden Leser der „Wissenschaftlichen Ab-
handlungen" der aufrichtigen Verehrung des Verfassers für die Verdienste
unseres grossen Staatsmannes um die Zukunft Deutschlands zuschreiben,
wenn er zuweilen seine wissenschaftlich reinen Glacehandschuhe mit
moralisch reinen Fausthandschuhen vertauscht hat.
Leipzig, im Januar 1878. * F. Zöllner.
Erster Band«
Mit den Bildnissen und Handschriften von Newton, Kant und Faraday,
nebst 4 Tafeln.
Inhalt:
Einleitung: Ueber die sittlichen Grundlagen der Wissenschaft. Abhand-
lungen: 1. Ueber Wirkungen in die Ferne. 2. Ueber Emil du Bois Beymond*s GrensMn des
NaturerkenneDs. 3. Ueber die Ableitung der Newton*schen Gravitation aus den statischen
Wirkungen der Elektricität. 4. Ueber die Ableitung der Beibung und ihrer Gesetze aus
den dynamischen Wirkungen der Elektricität. 5. Ueber die Existenz bewegter elek-
trischer Theilchen in allen Körpern. 6. Ueber die Ableitung der Adhäsion und Cohäsion
aus den dynamischen Kräften der Elektricität. 7. Ueber die mechanischen Wir-
kungen des Lichtes und der strahlenden Wärme. 8. Ueber die magnetischen Wirkungen
des Lichtes und der s'brahlenden Wärme. 9. Ueber dieelektrischen Wirkungen des Lichtes
und der strahlenden Wärme. 10. Badiometrische Untersuchungen. 11. Ueber die elektrische
Emissions-Hypothese. 1 2. Kosmische Anwendungen der elektischen Emissions-Hypothese.
]3. Thomson*s Dämonen und die Schatten Plato*s.
Preis des ersten Bandes , 46 Bogen 8®. :
brochirt M. 13. 50. — eleg. gebunden M. 15. — .
1) Ueber die Natur der Cometen. 2. Aufl. 1872. Vorrede S. LXX.
2) Kant's Werke L 8. 361.
3) Ausgewählte Reden des Fürsten von Bismarck aus den Jahren 1862—76. Th. I. S. 437.
Zweiter Band.
(In zwei Theilen.)
Mit den Bildnissen und Handschriften von Gauss, Wilhelm Weber,
Riemann und Kepler nebst 14 Tafeln in Lithographie und lichtdbruck
und einigen Holzschnitten.
Erster Theil.
Mit den Bildnissen und Handschriften von Gauss, Wilhelm Weber
und Eiemann nebst Tafel I bis X.
Inhalt:
1. lieber die universelle Bedeatang des Weber^schen Gesetzes. 2. Ueber das Yer-
liältniss des Weber^scben Gesetzes zun Amp^re*8chen Gesetze. 3. Ueber die von Helmholtz,
Thomson nnd Tait gegen das Weber*sche Gesetz erhobenen Einwände. 4. Widerlegung
des Potentialgesetzes Ton Helmholtz durch Versuche mit geschlossenen Strömen.
5. Ueber die unipolare Induction eines Solenoides. 6. Ueber die Einwendungen von Clausiu»
gegen das Weber'sche Gesetz. 7. Ueber eine von Clausius in der elektrodynamischen
Theorie angewandte Schlussweise. 8. Ueber die durch gleitende Reibung fester und
flüssiger Körper erzeugten elektrischen Ströme. 9. Theorie der Elektricit&tserregung bei
der Berührung und Reibung der Körper. 10. Ueber die metaphysische Dednction der
Naturgesetze. 11. Kepler und die unsichtbare Welt.
Preis des ersten Theils vom zweiten Bande, 30 Bogen 8**.:
brochirt M. 12. — . — eleg. gebimden M. 13. 50.
Zweiter Theil.
Mit Bildniss und Handschrift Kepler' s nebst Tafel XI bis XIV.
Inhalt:
12. Kepler, über die Natur der Cometen und ihre Bedeutung. 13. Newton, über die
Natur der Cometen. 14. Euler, über die Nater der Cometen. 15. Olbers* Untersuchungen
über Cometenschweife. 16. BesseFs mathemalisch -physikalische Cometentheorie. 17. John
Herschers Bemerkungen über die physische Beschaffenheit der Cometen. 18. Ueber die
Stabilität kosmischer Massen und die physische Besohaffenheit der Cometen. 19. Ueber
den ZusammenhangVon Sternschnuppen und Cometen. 20. Kritik der Zenker'schen Cometen-
theorie. 21. Ueber die Grösse und elektrische Dichtigkeit der Schweiftheilehen eines
Cometen. 22. Widerlegung der Einwendungen von Helmholtz gegen meine Cometentheorie.
23. Ueber die elektrische Repulsivkraft und Grösse der Cometenkeme 24. Nachtrag zur
Kritik des elektrodynamischen Grundgesetzes von Clausius. 26. Zur Metaphysik de»
Kaumes. 26. Zur Abwehr. 27. Ueber die Freiheit der Wissenschaft und die Nothwendigkeit
einer sittlichen Wiedergeburt des deutschen Geistes. 28. Nachtrag zur Metaphysik de»
Raumes. — Anhang.
Preis des zweiten Theils vom zweiten Bande, 45 Bogen 8°.i
brochirt M. 12 — . — eleg. gebunden M. 13. 50.
Dritter Band.
Mit den Bildnissen und Handschriften von Cr ookes, Slade und Hansen
nebst 8 Tafeln in Lichtdruck und 1 Tafel in Steindruck.
Inhalt:
Vorrede. 1. Der Spiritismus und die sogenannten Philosophen. Offener Brief an
Prof. Wilhelm Wundt. 2. Der Spiritismus und die sogenannten Mathematiker. Offener
Brief an Prof. A. Butlerow. 3. Zur Vertheidigung des Amerikaners Henry Slade. 4. Deutsche
Naturforscher „von unanfechtbarer Glaubwürdigkeit'' vor dem Richterstuhl von Buch-
händlern, Juden und liberalen Protestanten. 5. Die Transcendentalphysiologie und der
sogenannte animalische Magnetismus mit besonderer Rücksicht auf die. Experimente des-
Magnetiseurs Carl Hansen. 6. Der Spiritismus und die christliche Offenbarung. Offener
Brief an Prof. Ch. E. Luthardt.
Preis des dritten Bandes, 48 Bogen 8°.:
brochirt M. 20 — . — eleg. gebunden M. 22 — .
^
Der Verfasser nimmt im vorstehenden 3. Bande seiner ^^Wissenschaft-
lichen Abhandlungen", der als selbständiges Werk unter dem Titel: „Die
transcendentale Physik, eine deutsche Antwort auf eine so-
genannte wissenschaftliche Frage" erschienen ist, eniscfaieden und
positiv Stellung zu allen brennenden Culturfragen der Gegenwart. Unter
der Aegide der Worte Schiller's an Goethe: „Den Deutschen
muss man die Wahrheit so derb als möglich sagen" (Brief-
wechsel II. 206) bekämpft er mit rückhaltsloser Offenheit und patriotischer
Wärme vom Standpunkte der christlich-germanischen Weltanschauung die
intellectuellen und moralischen Gebrechen der modernen Gesellschaft. Bei
allen Lesern wird die Fülle neuer, bisher noch nicht veröffentlichter Ver-
suche sowohl mit Slade als auch mit dem Magnetiseur Hansen das
grösste Erstaunen hervorrufen. Eine kurze Selbstbiographie Hansen' s.
sowie ausführliche Berichte über dessen sensationelles Auftreten in Leipzig,
Dresden, Zwickau, Chemnitz, Altenburg, Schwerin, Eostock, Greifswald
etc., sowie wissenschaftliche Atteste anerkannter Autoritäten werden nicht
verfehlen, jeden Zweifel an der Realität der wunderbaren Kraft des Mag-
netiimirs Hansen zu beseitigen.
Verzeichiiiss der früher vom Verfasser TerOfPentliehten
Schriften.
Photometrische Untersuchungen, insbesondere über die Lichtentwickelung
galvanisch glühender Planndrähte. Inauguraldissertation der philoso-
phischen Faeultät der Universität zu Basel zur Erlangung der l)octor-
würde vorgelegt. Basel 1859.
GrundzUge einer allgemeinen Photometrie des Himmels. Mit fünf Eupfer-
tafehi. 1861. 4». Preis 6 Mark.
, Photometrische Untersuchungen mit besonderer Riioksicht auf die physische
Beschaffenheit der Himmelskörper. Mit sieben Tafeln. 1865. gr. S^.
Preis 9 Mark.
Ueber die universelle Bedeutung der mechanisehen Prinoipien. Akademische
Antrittsvorlesung, gehalten am 15. December 1866 in der Aula der
Universität zu Leipzig, gr. S®. Preis 75 Pf.
Ueber die Natur der Cometen. Beiträge zur Geschichte und Theorie der
Erkenntniss. Mit zehn Tafeln. 2. Auflage mit einem Nachwort „zur
Abwehr". 1872, gr. 8<>. Preis 10 Mark.
Principlen einer elektrodynamischen Theorie der Materie. I. Band. l. Buch
mit Abhandlungen zur atomistischen Theorie der Elektrodynamik von
Wilhelm Weber. Mit dem Bildnisse W. Weber's in lichtdruek und
3 lith. Tafeln. 1876. gr. 4^ Preis 18 Mark.
Gedniclct bei E. Toi z in Leipzig.