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1^
53
FxealgTiÄnasium des Johanneums zu Hamburg. ^tern_1886.
Zu der
Msier fles Geliiiilsiaps Sr. Majestät i%i Kaisers lUielm I
luul
zur Entlassig fler AMtiirienten
ISonnabend, «len 20. März,
inoi'ueiis von 11 l lir an.
ladet im. Namen sämtlicher Lehrer ergebenst ein
der Direktor
Dr. Konrad Frledlaender.
Hamburg, 188 6.
Gedruckt bei TU. G. Meiliiier. Kiifs Holirn Souiites. «i>' aiicli iU^ .J .ih;iimeuni9 »uohdruoker.
Ify^O, l'rogr. Jfr. ßfifS.
über
die Lykinosdialoge des Lukian
von
Hermann Richard Dr.
RSb
I-
lu den rhetorischen Schriften aus der Zeit seiner Lehr- und Wanderjahre spricht
Lukian entweder in der ersten Person zu einem oder mehreren seiner Zuhörer, oder er läßt,
indem er als Autor vollständig zurücktritt, eine andere Person, theils eine bestimmte, wie
die Gesandten des Phalaris, ') theils eine unbestimmte, wie den Tyrannenmörder, ') eine
Prunk- oder Lobrede halten. Auch in den Abhandlungen der späteren Perioden spricht er in
der ersten Person, wogegen er in den satirischen Schriften in verschiedener Weise den Autor
bald gänzlich aus dem Spiele läßt, bald mehr oder minder persönlichen Anteil zeigt.
In letzterem Falle greift er in zwei Schriften, im ipfvdoloyiaTtjg^) und n^oc änaCdsvrov
xul Tto'/.ld ß(ßUa oh'oi'fjfvor,*) einen andern, von welchem er beleidigt worden ist, direct auf
das heftigste an und sagt demselben die unerhörtesten, ehrenrührigsten Dinge ins Gesicht.
In der erstgenannten Schrift scheut er sich sogar nicht, den Namen des Angegriffenen auf
das verständlichste anzudeuten. *)
Mit nicht geringerer Schonung und ebenso persönlich vei-fahrt Lukian im 'PrjroQwi'
dtdctGxa/.og gegen seinen Zeitgenossen, den Grammatiker Julius Pollux,^) welcher zur Zeit des
Kaisers Marc Aurel auf eigne Hand eine Rednerschule in Athen eröffnet hatte und bald nach
der Thronbesteigung des Commodus, als sein Lehrer Hadrian nach Rom berufen wurde, gegen
den ausgesprochenen Wunsch der Athener vom Kaiser, welcher von seiner honigsüssen Stimme
bezaubei't war, den öffentlichen Lehrstuhl, welchen Hadrian bisher bekleidet hatte, erhielt.
Freilich redet Lukian ihn weder direct noch mit Namen an. Er- unterhält sich mit einem
Jünglinge, welcher ihn um Rat fragt, wie er ein berühmter Redner werden könne, und läßt
statt seiner dann den Angegriffenen reden. Aber die Beschreibung der Persönlichkeit') des-
selben, seiner Lehrweise') und seines Lebenswandels ist so durchsichtig, die Andeutung auf
') Im ^dXapiq npStrot.
'^) Im TupavvoxTÖvos.
ä) Der in dieser Schrift Angegriffene hat sich über einen von Lnltian gebrauchten Ausdruck lustig gemacht.
*) Dieser hat dem Lukian seine Bitte, ilim ein Buch zu leihen, abgeschlagen. Daß nur dieses tlie Veranlassung
zu dieser Schrift gewesen sein kann, bemerkt schon der Schohast: ibg oütuxtI slxdaai, ßißUoM alv^aas
rivä, Aouxiave, xai ßij Xaßwv xaX^ toüt(/) de^twßon dt' al&noq ijßsi(pm abröv.
») Er hieß Timarch, wie Solauus mit Recht aus § 27 schließt, wo es heißt: ^A^%ijvaht ßkv yaj) ßiXritnoi
ahiyixaTwÖEZ obSiv^ äXla YpdßijaTOq kvdg Tzpoat^xrj rißi^irai/rig as ''Azißap^on wvößaZot/. Suidas Bemerkung,
daß der Sophist IloXusuxros gemeint sei, verdient demnach keinen Glauben.
*) C. F. Ranke. PoUux et Lucianus, Quedlinburg 1831, p. 30 sqq.
') § 11 namentlich peXi/pnv rd pwvTjßa.
8) § 16 sqq.
— 4 —
den Namen so verständlich, ') daß das Verfahren einem offenen Angriffe gleichkommt und
auch eine ähnliche Wirkung auf die Zeitgenossen ausgeübt haben wird.
Auch in den übrigen polemisch-satirischen Schriften, in welchen Lukian in der ersten
Person spricht, redet er die angegriffenen Persönlichkeiten oder Gruppen nicht an, sondern
spricht über dieselben mit seinen Freunden, im \l)J'S;ai6Q0Q mit dem bekannten Epikureer
Celsus, gegen welchen Origenes schrieb,''') in ntgl rnc UeQeyQCvov nlevTric mit dem Kronios,
welchen er durch den Gruß in der Adresse Aovxiavöc hgov/'w av ttqÜithv statt yafQui' als
Platoniker kennzeichnet, ') in nmc dtZ ImoQCav avyyQceiftiv mit Philon, in den beiden Büchern
äXti^ovc iG[OQ(ag mit einem Ungenannten, vielleicht dem eben genannten Philon *), in negl tmv
tnl fiiaOü) avrörTwr mit Timokles, in der ano/.oyfa mit Sabinus, welchen er zum Wortführer
derjenigen macht, welche ihm vorwerfen, sich selbst in die Knechtschaft der Mächtigen be-
geben zu haben. Auch in der Verteidigungsschrift rnfQ tov h' rrj nQoattyoQevan Tiiaia/iaioi;
ist nicht der angeredete Asklepios der Angegriffene, sondern die Anwesenden, welche sich
über den Gruß vyiadtir statt des gebräuchlichen xuCquv lustig machten.
Es sind jedoch in denjenigen Schriften, in welchen bestimmte Personen angegriffen
werden, mit Ausnahme des (litväo/.oytartjc und ttqoc unaCdtvtov, diese nicht allein Gegenstände
des Angriffs. Sie dienen dem Lukian nur als nächste Zielscheibe seines Spottes; sie sind
diejenigen, welche seinen Zorn vor allem zu tragen haben. Im 'Prjröqun didäaxuloc werden
neben Pollu.x alle die Redner verspottet, welche seiner Schtile angehören oder ähnliche
Grundsätze über die Redekunst haben oder in übertriebenem Maße dem Atticismus huldigen.
Auch werden einzelne bestimmte Personen mit verspottet, indem bekannte Eigentümlichkeiten
von ihnen auf die Hauptpersonen übertragen und ins lächerliche gezogen werden. Wenn
der Lehrer § 19 sagt xal o /JtjQoc naranafa^oi, so wird dies von Philostratos vom Skopelian ')
berichtet, dem Sophisten, welchem Herodes Atticus seine Geschicklichkeit im Extemporieren
vei'dankte ; ') und über denselben Skopeliau wird ebendaselbst eine ähnliche Giftgeschichte'')
erzählt, wie die 'Pfjt. did. § 25, deren Hauptperson der diduaxaXoc ist. § 1 1 sagt Lukian zu
dem Jüngling, daß der Lehrer ihn in kurzem zu einem König im Reden machen werde; den-
selben Ausdruck gebrauchen die Sophisten Hadrian und Rufus bei Philostratos') von ihrem
Lehrer Herodes Atticus.
Im Alexander werden nicht allein die Betrügereien dieses falschen Propheten und
Goeten aufgedeckt und gebrandmarkt, sondern es wird auch der Aberglaube und die
Deisidaimonie der Menschen verspottet, zunächst der Paphlagonier, die als stumpfsinnig und
') § 24 itfyüJTOv /iiv oöxsTt floi^scvds dvoßäCoßae, rj/i/i' ijfJrj rotg Jt«s xal A:^ias itataiv 6fuönj/ins ytyivTj/xat.
') Solamis nd Alex. § 1.
■<) Bernays „Luciaii und die Kyniker". Berlin 1879. p. 3.
*) Gewiss der wahre Nanie, wie Solanus bemerkt, ebenso wie der in Tzepi riäv hzl iua9<u ipjvövtiov angeredete
Timokles. Auch darin stimme ich der Ansicht von Solanus bei, daß der im Zeug rpay^ds geschilderte
Stoiker Timokles ein anderer ist wie dieser mit Lukian befreundete.
») Philost. ed. Kayscr. II p. 32 (vitae soph. I c. 21).
«) ib. II p. 34. Ranke 1. 1. p. 36.
>) ib. II p. 80. Ranke 1. 1. p. 36.
») II p. »0. II p. 101.
einfältig gescliildert werden. ') An einer andern Stelle macht Lukian denselben geradezu ein
Verbrechen dai-ans, solch offenkundigem Gaukelspiel ruhig mit zugesehen zu haben. ''') Später
erzählt er, wie dieser Aberglaube sich verbreitet habe und selbst in Rom angesehene Männer
wie Rutilianus avi^Q rd (jfv aj.'/.a xtüoc xal aya^oi xai 'r TJo/.knTc rci'ieai 'Püifiai:y.ct7c
f'^fjTccafifvoc, ') ja sogar die meisten am Hofe des Kaisers von demselben ergriffen worden
seien. Vor allem aber ist es Lukian darum zu thun, den Epikur zu rächen wegen der vielen
Angriffe, welche die Anhänger desselben, zu denen Lukian sich offen bekannt, von dem Be-
trüger erlitten, haben. *) Er sagt, es sei ganz selbstverständlich,^) daß dieser wahrhaft
heilige und göttliche Mann, ^) welcher die Natur der Dinge durchschaut habe und allein die
Wahrheit in denselben kenne, '') von einem solchen Gaukler, der die Wahrheit mehr als Alles
hasse, als der schlimmste Feind angesehen und verfolgt sei. ') Wenn Lukian dann fortfährt,
daß Alexander die Anhänger des Piaton, Chrysipp und Pythagoras als Freunde betrachtet und
mit diesen im tiefsten Frieden gelebt habe, so enthält dies indirekt einen schweren Vorwurf
gegen diese Philosophen der späteren Zeit, welche sich nicht ebenfalls offen gegen den Be-
trüger aufgelehnt hatten. ^)
Auch in der Schrift ntgl ttjc r/fQtyQi'rov if hvrrjc will Lukian nicht allein die Person
und das Leben des Peregrinus Proteus angreifen und den freiwilligen Opfertod desselben
als eine That der Ruhmsucht (doSoxon(u) und Thorheit (dßt?.TtQi'a) ins lächerliche ziehen,
sondern er hat es ebensosehr auf den Kyniker Theagenes'") und die Kyniker abgesehen, welche
diese That als eine herrliche priesen. Auch verspottet Lukian hier wiederum die Leicht-
gläubigkeit und den Aberglauben der Menschen, indem er erzählt,") wie begierig die einfältigen
Leute die Wundergeschichten, die er hinzugedichtet habe, angehört und geglaubt hätten, wie
ferner ein alter Mann den Geier wirklich gesehen habe, welchen er aus Scherz und Spott
habe auffliegen lassen.
In den übrigäli Schriften polemisch - satirischen Inhalts, in welchen Lukian einen
seiner Freunde am-edet, werden ganze Klassen von bestimmten Leuten angegriffen. In
') Alex. § 9 XiyuD'j .... (Jn?/)u«rftiv ütlv na-^ituv xal r^Miun t&v hiioi)s^aiJ.i'/iav^ otnug TOijg lla^Xa)'ni>ag slfac
l<paay.Ev xtX.
') § 11 xai n'i uXs&[not ixsifot llapXaymes slijoreg adroS aiitput roug yoviag d.(fiavtXg xal xaTtEivobg iitiareuov
. reu j(prjaiiw.
') §'30. '
*) § 61. Taüra . . ypdtpai ^^iuxra xal aol iJ.iv -(afHZo/i.evog . . rö TrXion <?£, offs/) xal ool ffitov, ^Emxoü/iu)
rtßwpiüv.
5) § 25.
6) § 61.
') § 25. _ ^
*) Die xü/jtai ßn^at, das Hauptbuch des Epikur, nach Lukian t« xdXXtaTov t<üv ßtßXiwn waren von Alexander
öffentlich verbrannt werden. § 47. — Dem Lukian selbst hatte Alexander nach dem Leben getrachtet.
§ 5«.
9) Neben den Epikureern werden die Christen von Alexander verfolgt. Lukian ei-wähnt § 25 nur den
Namen derselben ohne weiteren Zusatz.
'") Bernays: Lucian und die Kyniker, p. 3 u. 18. In diesem Buche werden auch die Angriffe gegen
Lukian als Feind des Christenthums zurückgewiesen.
»") § 39 u. 40.
— 6 —
nüic dtt latoQCuv avyyQufiiv macht er sich über die elenden Skribenten lustig, welche unter-
einander wetteiferten, den in den Jahren 102—165 glücklich geführten Partherkrieg zu be-
schreiben. Von diesen werden jedoch nur drei mit Namen angeführt, Creperius Calpurnianus
(§ 15), der Ar/t Kallimorphos, welcher meint, daß die Geschichtschreibuug vorzüglich den
Ärzten zukomme (§ Kl) und Antiocliianus (§ 30). —»Eine ähnliche Tendenz verfolgt Lukian
in den „Wahren Geschichten". Das Anziehende solle nicht allein in der Fremdartigkeit des
Inhalts oder dem spaßhaften P'infall liegen noch auch darin, dafi Lügen mannigfaltiger Art
mit dem überzeugenden Tone der Wahrheit vorgetragen würden, sondern auch darin, daß
eine jede der erzählten Begebenheiten nicht ohne Komik eine Anspielung enthalte auf irgend
einen der alten Dichter, Historiker und Philosophen, welche wunderbares und sagenhaftes
zusammengeschrieben hätten. Er würde diese mit Namen angeführt haben, wenn sie nicht
seinem Freunde beim Lesen von selbst einfallen müßten. ') — Diese Anspielung nun ist
zugleich eine Verspottung. Durch Uebertreibung im Erzählen bei der Beschreibung verwandter
Situationen zieht Lukian die Sache ins lächerliche. '^) Zwei von den Wunderhistorikern, auf
welche er anspielen will, erwähnt Lukian mit Namen, ■') Ktesias von Knidos, der in seinem
Werke über Indien manches erzählt habe, was er weder selbst gesehen noch von einem
andern gehört habe, und Jambulos, der über das „grosse Meer" so unglaubliches berichte,
daß alle ehisähen, daß es eine Lüge sei, die ihnen aber gefalle und ergötzlich sei. Auch
Homer muß herhalten, indem Odysseus der Lehrmeister dieser Aufschneiderei und Possen-
reißerei*) genannt wird. Homer selbst wird zum Babylonier gemacht mit Anspielung auf
den Streit deV sieben Städte, und die Grammatiker Aristarch und Zenodot werden der Wind-
beutelei beschuldigt, indem sie dem Homer ganze Verse absprächen, wodurch der allzugroße
J^ifer mancher Kritiker verspottet wird. °) Die Philosophen seiner Zeit greift Lukian au,
indem er sagt, daß selbst bei diesen das Lügen nichts ungewöhnliches sei, *) und die Häupter
der verschiedenen Sekten werden mit Namen verspottet. Piaton lebt in der von ihm selbst
erfundenen Republik nach den Gesetzen, welche er selbst gegeben hat. ') Die Epikureer sind
als angenehme und liebenswürdige Leute und wackere Zechgenosseu am angesehensten,
Diogenes hat die Hetäre Lais geheiratet , tanzt und bezecht sich. ') Die Stoiker versuchen
noch immer, den Berg der Tugend zu erklimmen; die Akademiker wollen nicht kommen und
untersuchen noch, ob es eine solche Insel wohl wirklich gebe. Nicht besser kommt Sokrates .
weg. Er schwatzt noch immer und kann die Ironie nicht ablegen. Auch scheint er verliebt
in den Hyakinthos zu sein, weshalb Rhadamanthys ihm zürnt und ihn fortzujagen dioht.
In TTfQi tmv tnl /iiia^üi avvovimv ist Timokles nicht nur der Angeredete, sondern
auch einer derjenigen, welche Lukian zum Gegenstände seines Angriffs maclit. Er glaubte
•) I § 2.
'■') z. B. bei der UeschreibunR des Lel)ens auf der Insel der SeliRen. II S ö sqii.
')I§3. 8 , 41
*) diSdtnaißi; zffi Toiaünjs ßto/ioXo^iat. I § 3.
') II § 20.
•) I § 4.
») n § 17.
") Mit Anspielung auf seine Abneigung gegen die Ehe, Diog. Laert. VI, cap. II, 54: ipwnjßtig noüp xatpöi
Csi ya/ith; fyrj, Tob( /ih fiout fir^äsTtors, roüi äi npsaßini/ioui ßrjdc-umoTe.
— 7 —
seit längerer Zeit bemerkt zu haben, daß sein Freund die Reichen um ihr herrliches Leben
beneide und Lust verspüre, in den Dienst eines solchen vornehmen und reichen Mannes zu
treten, um ein ähnliches Leben führen zu können. Deswegen tadelt er ihn und will ihn
warnen, indem er ihm zeigt, wie das Leben solcher Gelehrten, die im Dienste der Reichen
ständen, keineswegs glücklich und beneidenswert sei. Aber nicht Timokles allein, sondern
mit ihm alle Philosophen, Grammatiker, Redner, Musiker, kurz alle Gelehrte,') welche es
nicht verschmähen, um Lohn Reichen zu dienen, sollen gewarnt und zurückgeschreckt werden.
Diejenigen, welche diesen Schritt bereits gethan haben, werden auf das rücksichtsloseste bios-
gestellt. Lukian wirft ihnen schließlich vor, daß sie die Schuld daran trügen, daß die
Hellenen") bei den Römern so verachtet seien. Als besonders abschreckendes Beispiel wird
die Behandlung erzählt, welche der Stoiker Thesmopolis, der damals im Hause einer reichen
und vornehmen Dame^) lebte, sich auf einer Reise gefallen lassen mußte. Lukian thut
wohl daran, die Quelle anzugeben, indem er sagt, daß er es von dem Philosophen selbst
gehört habe.*)
An zwei Stellen in diesen Schriften, in welchen Lukian als Autor in der ersten
Person redet, nennt er außerdem seinen Namen, erstens in einem Epigramm l-//. Iotoq. H § 28
yiovxiavoc Tcede nuvta tfCXoc ftaxaQfüai %}eotaiv \\ sldf xs xat nä'/.iv ^IS-sv IrjV tc narQida
yatav und zweitens i-/A«J. § 55 xanetdr/ iatki^ovra fie fc t^v no/.ip ijad^fro xal f/ita^tv e»c
^xfUroc {l'rjv o Aovxmvoc Gmjyöi^iTjv xt).).'') Es ist immer etwas bedenklich, wenn ein Schrift-
steller mitten in der Erzählung seine Person in dieser Weise dem Leser aufdrängt, und
Lukian ist ^^el zu fein, um das nicht selbst zu fühlen. Dies geht deutlich aus der Art und
Weise hervor, wie er sich in den beiden Dialogen nennt, in denen er sich gegen Anklagen
und Vorwürfe verteidigen will, dem '^^/htt'c nnd Jtc xaTrjyoQovjjsvoc. — Im V/A. antwortet
er auf die Frage der Philosophie, wie er heiße, Ua^^ijamdr^c l-Ikij^ioivoc %ov ^Ehy'^ixKovc,^)
und wenn im Jlc xaTijy. sein Prozeß ausgerufen wird, heißt es') 'P^toQixrj xaxmasux; tw
^VQO). Jiä'/Loyog tu) ttvtm vßqi-wc. Aber abgesehen von diesem Bedenken gegen die Anführung
des Namens überhaupt, ist in dem Epigramm ein prosodisclier Fehler, indem das a in
Aovxiavoc fälschlich als Kürze gebraucht ist, und an der zweiten Stelle fehlen im codex
Marcianus HI i'l') dessen Vortrefflichkeit Cobet, Sommmerbrodt und Fritzsche *) bezeugen, die
Worte o Aovxtcwog, indem sich zwischen ei'rp' und tntjyöfirjv eine Lücke befindet. — Man
') § 4. ^ ^
*) § 40 au Sk "EkXrjv xal fijtSwg töv rpimov xal iz/inq niiaav äSixiav sSxoXog- rotoüroug ydp axat/rag ijßäq ehai
oio^rac, xal /idAa elxörwg.
') Gegen solche Frauen, welche philosophiereu und gelehrt sein wollen, wird § 36 ein heftiger Ausfall
gemacht.
*) § 33.
') Die Stelle am Anfang des Peregrinus : Aouxtaydg Kpoviio eij -npfizTetv darf nicht mit in den Vergleich ge-
zogen werden. Hier steht der Name am Anfang der Begrüßungsformel außci-halb des Zusammenhanges.
— Auf den Nigrinus komme ich erst am Schluß zu sprechen.
«) § 19.
') § 14. Ebenso § 32. Tläaatg 6 Süpog jzXi/v [uäg (sc. xparel) cf. § 34.
8) Vol. I, praef. IX.
könnte dem prosodischen Versehen in dem Epigramm dadurch ahhelfen, daß man y/orxtav6g
mit Synizese') liest; aber die Dürftigkeit des Inhalts läßt mit größerer Wahrscheinlichkeit
vermuten, daß das ganze Epigramm ein späteres Einschiebsel und die Worte von t6 di
InCyQOfji^ia bis /«««>' interpoliert sind. Da ferner die Lesarten des Marcianus auf eine gute
Quelle zurückzuführen sind, glaube ich, daß auch im Alexander der Name ^lovxiavoi ein
allerdings schon in früher Zeit in den Text geratenes Einschiebsel ist, welches das richtige
Wort verdrängt hat, und daß Lukian geschrieben hat Je txeTvoc (l'^v o xataQaToc^) oder
auch mit Anspieluug auf die oben voraufgegangenen Worte •') o (x^iavoc.
Eine weitere Erage nun ist die, ob Lukian, der sich im i^ktet'c JJa^^tiaiddi]g nennt,
das Lob der Ereimütigkeit, deren er sich in den erwähnten Schriften mehrfach*; rühmt, im
vollsten Maße verdient. Da wird das Urteil nicht imbedingt zustimmend ausfallen. Lukian
macht in dieser Beziehung bei den verschiedenen Personen einen Unterschied und sieht sich
sowohl die Leute, gegen die er seine Hiebe austeilt, als auch diejenigen, von denen er sonst
irgend etwas erzählt oder auf die er sich beruft, wohl an. ^) Den Namen des Timarchos im
Pseudologistes glaubte er ruhig nennen zu können; derselbe war eine Persönlichkeit, welche
sich nicht nur zu Olympia in Gegenwart so vieler Zuhörer lächerlich gemacht hatte, *) sondern
auch weit und breit, in Ägypten und Syrien ebenso wie in Italien bekannt und verschrieen
war. Den Namen des vornehmen Eöniers dagegen, in dessen Hause der Angegriffene bei
einer Schelmenthat ertappt war, will er nicht nennen ') unter dem Vorwaude, daß alle wüßten,
wen er meine. — Der Name des ungelehrten Büchernarren wird verschwiegen. Sicherlich
wäre Lukian, wenn er ihm solch schimpfliche Dinge mit Nennung des Namens ins Gesicht
gesagt hätte, nicht ohne Ungelegenheiten davongekommen. Obgleich ferner im 'PfjToQoir
diddaxakog in einer für die Zeitgenossen nicht mißzuverstehenden Weise auf Pollux hinge-
deutet wird, so konnte doch der Umstand, daß auch Eigentümlichkeiten von andern bekannten
Rednern als Eigenschaften des diduaxa/.oc geschildert werden, dem Verfasser zur Entschuldigung
und als Beweis dienen, daß nicht eine einzelne bestimmte Person darunter zu verstehen sei.
Dazu kommt noch, daß die Größe des Wagnisses dadurch gemindert wird, daß Pollux in
Athen eine große Anzahl von Gegnern hatte. *)
Die Schrift '^Ikf$avd(ioc ist erst nach dem Tode des falschen Propheten und seines
mehrfach erwähnten Schwiegervaters, des in llom einflußreichen Rutilianus geschrieben. Der
Name des höheren Beamten, von dem Lukian verlangt, daß er den Alexander wegen des
gegen ihn versuchten, aber glücklich vereitelten Mordanschlags zur Verantwortung ziehe,
wird verschwiegen. Es war wohl zu befürchten, daß es in höheren Kreisen Mißfallen erregen
würde, wenn der Name des Mannes, welcher aus Rücksicht gegen den Rutilianus den Lukian
») cf. Gessner ad. h. 1. (ed. Reitz. U p. 126).
') So nennt ihn Sokratcs am Anfang des 'AXtsüs.
*) § 54 iftiast, äit rd eixSe, xal i/iharov ^j-eho.
*) z. B. Iltpi Tütv iici fu<r&<f) auv. § 4. 'AKolayia § 13.
*) üernays 1. 1. p. 5 sqq.
•) §5.
') § 21 Toüvo/ia di aM doMrsts dmomuiir^aal not, xal raüra n/>dj Tzäyras elSSras ov Xifto.
') of. oben p 3.
— 9 —
so kläglich bat, von seinem Vorhaben abzustehen, allgemein bekannt würde. Auch sonst,
wo nichts verschwiegen zu wei'den braucht, zeigt Lukian bei der Erwähnung höherer Beamten
ähnliche Zurückhaltung. Im Peregrinus heißt der Beamte in Syrien, welcher den Peregrinus
als eitlen Prahlhans betrachtete und behandelte, nur „Liebhaber der Philosophie",') der
römische Stadtpräfekt , der den Peregrinus auswies, «V«p aoijöc.') — Wenn Lukian ferner
Herodes Atticus nicht namentlich, sondern nur als livdQa mubela xai a^iiri/jaTt nQot'Xovtce
erwähnt, so geschah es wohl aus Rücksicht gegen diesen, dem es nicht angenehm sein mochte,
den lächerlichen Vorwurf, den Pcregiinus ihm wegen der Anlegung einer Wasserleitung zu
Olympia machte, noch einmal vor einem weiteren Leserkreise wiederholt zu sehen. — Die
derben Ausfälle gegen den Theagenes, der nach Galen ein berühmter Philosoph war, welcher
im Gynmasium des Trajan täglich öffentliche Vorträge zu halten pflegte, 'J sowie gegen die
Kyuiker konnten allerdings unangenehme Folgen nach sich ziehen, aber man mu(.i dagegen
bedenken , daß sie andererseits dem Lukian bei den Gegnern der Kyniker Anhänger und
Freunde erwarben. — Der lachende Gegner des Theagenes, welcher sich über die Thränen
desselben lustig macht, wird als ein glaubwürdiger Mann geschildert. Er sagt, daß er den
Lebenslauf des Peregrinus von Anfang an beobachtet und ferner bei den Mitbürgern desselben
und den Leuten, die etwas genaueres wissen mußten, Erkundigungen eingezogen habe. Nach
diesen Vorbemerkungen erzählt er den Versammelten die Lebensgeschichte des Peregrinus
und schildert den Lebenswandel desselben in den grellsten Farben. Den Namen dieses
Mannes erfahren wir nicht. Lukian sagt, er wisse nicht, wie er geheißen habe.'') Lidern
er dadurch die Verantwortung für das Erzählte auf sich nimmt, *) ist er zugleich die Sorge
los, den Erzähler in Ungelegenheiten zu bringen. Bei der Erzählung über die Krankheit des
Peregrinus kurz vor seinem Tode ist er nicht so zurückhaltend, dort nennt er den Arzt
Alexander als seine Quelle.
Wie wir oben bereits erwähnt haben, werden in der Schrift nwc öet latoQCav
avyyodftiv drei von den getadelten Schriftstellern namentlich angeführt: Antiochianus,
Creperius Calpurnianus und Kallimorphos ; andere werden durch Anführung von Stellen^) aus
ihren Büchern oder durch Aufzählung auffallender Ausdrücke kenntlich gemacht.') Hier übt
Lukian nur das Recht des Kritikers aus. Um so auffallender ist es, daß er an einer Stelle,')
wo er von einem weisen Manne spricht, der kürzlich in Korinth ein Geschichtswerk heraus-
gegeben habe, ausdrücklich hinzufügt to fiev orofiu tv difut'tl xtCaO-aa. Wenn wir aber
bedenken, daß er dem Autor übertriebene Schmeichelei zum Vorwurf macht') und gleich darauf
bemerkt, daß in der Vorrede des Buches gesagt werde, wie es doch für den Herrscher etwas
') ^ 14 ä^ei&T^ bn& roü TÖre ttj? lu/iiag ö/j^ovtos, rMfmg ifi.Xoao<piif. ^aipovroq. cf. Bernays 1. 1. p. 7.
2) § 18.
3) Bernays 1. 1. p. 14 u. 15.
4) § 31 oü yap oXda iiarti ö ßikurrog ixshoq ixaXetTO.
') Bernays 1. 1. p. 5.
6) § 18.'
') 8 22.
8) § 17.
ä) § 17 TÜ rr^g xoXaxeiag ig xopov, xai rä iyxw/ua xal xoßtd^ ßmßoXo/cxd.
b
— 10 —
ganz außerordentliches sei, daß Philosophen seine Thaten erzählten, so werden wir den
Schlüssel zu dieser Zurückhaltung finden. Die Schrift wird ein Panegj'rikus auf Verus
gewesen sein, und da war es weder taktvoll noch klug, mehr als andeutungsweise zu
verfahren.
In Bezug auf den in nml vwv tnl (naOo) orvoriMV verspotteten Thesmopolis bemerkt
Solanus mit Recht, daß dieser, welcher im U'ltxrQvuiv schon als Halbtoter vorkomme, zur
Zeit der Abfassung dieser Schrift wohl nicht mehr am Leben gewesen sei. Sonst würde
dieser Spott dem Lukian gewiß verargt sein, zumal Thesmopolis selbst ihm die scherzhafte,
aber für den Erzähler recht fatale Begebenheit berichtet hatte. Lukian scheint sich auch
jetzt noch nicht ganz sicher zu fühlen, wie die Worte im Anfang der Erzählung andeuten. ')
Aber in gewisser Hinsicht leistet er dem Thesmopolis auch wiederum einen Dienst. Der
Kinaede Chelidouiou hatte die Geschichte mit lügenhaften Zuthaten und boshaften Be-
merkungen weitererzählt. Lukian führt dieselbe nun auf den wahren Sachvei'halt zurück, der
allerdings noch immer auf den Thesmopolis ein bedenkliches Licht wirft.
Es war gewiß nicht immer Furcht vor Ungclegenheiten, welche Lukian bestimmten,
diesen Unterschied bei der Erwähnung bestimmter Personen zu machen. Die geflissentliche
Schonung, welche er im \l)JiavdQoc dem römischen Beamten gegenüber zeigt, ist nicht so
sehr ein Akt der Politik wie ein Zeichen der Achtung, die er dem Beamtenstaiide schuldig
zu sein glaubt. •'} Bernays bemerkt, daß die in dem Kaiser gipfelnde römische Bureaukratie
das Einzige sei, was Lukian in seinen Schriften nie verspottet. •') In andern Fällen hielt ihn
sein Taktgefühl zurück — z. B. bei Herodes Atticus — den Namen an die Öffentlichkeit zu
bringen. Zuweilen jedoch, wie in IIqoc unufdtvtov und 'PijtoQoyv diöüax. war sicherlich seine
Absicht bei diesem Verfahren keine andere als die, welche er scherzhafter Weise in den
Wahren Geschichten 1 §4 angiebt, nämlich: «;»• ttuqix xüiv äXXon' xartjyoQiav tx<pvytTr. So
tritt uns Lukian in diesen Schriften entgegen als „Freimund," aber als ein schlauer.
IL
Auch in einem Teile der übrigen satirischen Schriften, welche in dialogischer Form
verfaßt sind, tritt die Person des Schriftstellers hervor, indem derselbe als eine der handelnden
Personen in der Erzählung auftritt. In den Dialogen Jic xartiyoQovfifyoc und '^iXitrc verteidigt
Lukian sich gegen Vorwürfe und Anklagen. In dem ersteren erklärt er unter dem Namen
o 2'i'(>oc, warum er sich von der Rhetorik losgesagt und diese Art des satirischen Dialogs
gewählt habe. Im „Fischer" verteidigt er sich unter dem Namen Parrhesiades „mehr schlau
als wahr" gegen die Vorwürfe der Häupter der Philosophenschulen, indem er sagt, daß er
nicht diese, sondern die Afterphilosophen seiner Zeit angegriffen habe.
'), §, 83 oöx üxvüi lU iTOt xrii livffp^aaaHai ö ßot (^ea/iSTroXtg ohrof »5 ^rui'ixbi tftTjjrjaaro xrH Um der ffuten
Sache willen seheut Lukiau sich nicht, etwas zu erzählen, was er sonst verschwiegen haben wurde.
") AizoXoyia § 9.
') 1. 1. p. 44 u. 45.
— 11 —
In zwölf Dialogen tritt Lukian unter dem Namen Lykinos als feiner Spötter und
Satiriker oft angreifend auf. Daß unter Lykinos der Schriftsteller zu verstehen ist, ergiebt
sich aus den chronologischen Daten im Hermotinios, ') welche dem Leben des Schriftstellers
entnommen sind, sowie aus dem Umstände, daß die Veranlassung zu der Abfassung einiger
Dialoge, wie des ^nmöaior und Eri oryoc, nur dann begreiflich wird, wenn wir annehmen
können, daß Lukian eine wirkliche Begebenheit als Augenzeuge hat schildern wollen. Es
fragt sich nun, weshalb Lukian mit seinem wirklichen Namen zurückhält, und andererseits,
warum er unter einem so durchsichtigen Pseudonym auftritt. Denn mag yivxXvoc ein anderer
Name '■*; sein, welchen Lukian des ähnlichen Klanges wegen wählte, oder nichts anderes als das
dem griechischen Ohre accomodierte Aovy.inröc,') jedenfalls ist der Name von dem verschieden,
unter welchem der Schriftsteller seine Schriften herausgegeben hat. Der Grund für eine
derartige Pseudonymität lag meiner Meinung nach darin, daß Lukian in den satirischen
Dialogen einer Stimmung, welche ihn gerade beherrschte, oder demjenigen, was ihn geistig
beschäftigte oder was er sonst persönlich erlebt hatte, Ausdruck verleihen, andrerseits sich
die Freiheit bewahren wollte, sich seiner Laune ungestört hingeben zu können, ohne für jedes
Wort einstehen zu müssen. In diesem Wechsel zwischen Ernst und Scherz, welcher es dem
Urteil des Lesers überläßt, zu entscheiden, was als wirkliche Meinung des Schriftstellers, was
als ironische Bemerkung und poetische Zuthat zu betrachten ist, liegt das Charakteristische
der Lykinosdialoge. PjS ist der Zweck dieser Arbeit, daraufhin die einzelnen Dialoge durch-
z,ugehen, sowie den Versuch zu machen, die Tendenz eines jeden derselben zu erklären und
die Zeit der Abfassung zu bestimmen, um danach die Frage zu beantworten, weshalb Lukian
in den andern Dialogen mit seiner Persönlichkeit vollständig zurücktritt.
1. tj p jj.6r i/Aog.
In diesem Dialog zeigt sich Lykinos als Meister in der Kunst, in ironischer Weise
zu disputieren und seinen Gegner in die Enge zu ti-eiben. Ein feiner Spott zieht sich durch
den ganzen Dialog, selbst durch die ernsteren Partien am Schlüsse, hier allerdings in ge-
milderter, humoristischer Weise.
§ 1—12 Lykinos, ein Mann um die vierzig Jahre herum,') trifft mit seinem Freunde
Hermotimos auf der Straße zusammen. Dieser, ein eifriger Stoiker, der trotz seiner sechzig
Jahre ^) und trotz zwanzigjährigen Studiums noch immer die Vorträge eines stoischen Philo-
sophen hört, da er noch nicht zu der ersehnten Glückseligkeit gelangt ist, will gerade zu
seinem Lehrer. Er ist abgemagert, sieht blaß und übernächtig aus und trägt einen zottigen
Philosophenbart. In launiger Weise beschreibt Lykinos seinen Gang. Er liest im Gehen,
') § 13 u. 14.
') Demosth. ed. Pindorf. L. 53 ißßtßäirag ßot Aoxhov töv UaXXtj'.'ia äpyovra elg ttju vativ.
') C. F. Hermann, Quom. bist, conscrib. p. 140. Schwarz „Lukians Hermotimos" (Progr. d. niederoester.
Landes-Real- und Obergymnasiums zu Hörn 1877) p. 9. — Hermann weist darauf liin, daß der römische Name
Lucius von den Griechen in Aeuxiog umgewandelt wurde. Polyb. ed Dindorf 1. 52. 5. Aei'jxtov 'Inuvtov. —
Damit zu vergleichen ist die bei Boeckh. Corpus inscr. No. 158 vorkommende Form Aeuxlmg.
*) § 13 rerrafiaxonTOÜryjg trj^edov.
^) § 77.
b»
— 12 —
spricht mit sich selbst und schlenkert mit der Hand hin und her, um, wie Lykinos ironisch
hinzufügt, in jedem Augenblick in seiner Wissenschaft gefördert zu werden. Nur aus diesem
Grunde thue er es, antwortet Hermotimos, indem er den Ausspruch des Hippokrates hinzu-
fügt, daß das Leben kurz, die Kunst lang sei. Mit noch größerem Eecht könne man
letzteres auf die Philosophie anwenden, die unerreichbar sei, wenn man nicht mit der größten
Wachsamkeit wie eine Gorgo ') beständig auf sie blicke, deren Studium ein großes Wagestück
sei, bei dem es sich darum handele, entweder zur Glückseligkeit zu gelangen oder mit der
gemeinen Menge unterzugehen. Das sei allerdings ein staunenswerter^) Kampfpreis, antwortet
Lykinos; er wundere sich nur, daß Hermotimos noch nicht zu dieser Glückseligkeit gelangt
sei, da er sich doch schon seit fast zwanzig Jahren Tag und Nacht abmühe, diesen Preis
zu erringen, so daß er abmagere und blaß werde. Aber es werde gewiß nicht mehr lange
dauern ; vielleicht sei er bereits glückselig, wolle dies jedoch vor den Andern noch geheim
halten. Wie das wohl möglich sei, fragt Hermotimos, da er sich noch am Anfang des Weges,
welcher zur Tugend führe, befinde und dieser Weg nach Hesiod lang, steil und rauh sei.
Ln Hesiod ist Lykinos nicht weniger bewandert; mit Anspielung auf die eben erwähnte Stelle
fragt er, ob Hermotimos denn noch nicht genug geschwitzt habe und noch nicht genug ge-
wandert sei. Da ferner ebenderselbe Hesiod •*; sage, daß der Anfang die Hälfte des Ganzen
sei, so könne Hermotimos sich doch noch unmöglich am Anfang des Weges befinden, sondern
müsse doch mindestens in der Mitte des Aufstieges sein. Keineswegs, antwortet Hermotimos;
er stehe noch am Fuße des Berges. Dann müsse sein Lehrer, welcher schon lange die Höhe
erstiegen habe, ihm durch seine Lehre helfen, fährt Lykinos fort, und ihn wie Zeus beim
Homer, an einer goldenen Kette heraufziehen. Wenn es an diesem läge, -antwortet Hermotimos,
so wäre er längst oben ; derselbe thue, was er könne ; er selbst jedoch sei zu schwach.
Lykinos spricht ihm Mut ein und meint, wenn sein Lehrer ihn so bereitwillig unterstütze,
werde alles gut gehen; er müsse nur immer das Ziel, die Glückseligkeit, fest im Auge behalten.
Dann fragt er weiter, ob der Lehrer ihm denn nicht wenigstens eine bestimmte Zeit in
Aussicht stelle, wann er oben sein werde, etwa im nächsten Jahr nach den nächsten Mysterien*)
oder nach den Pauathenaeen oder in der nächstfolgenden Olympiade. Da alle diese Zeiträume
dem Hermotimos zu kurz scheinen, legt Lykinos noch zu und meint, daß das Ziel nach zwei
Olympiaden doch sicherlich erreicht sein müsse. Sonst könne er mit Recht beide, ihn und
den Lehrer, der Nachlässigkeit beschuldigen. Denn das sei ein Zeitraum, so lang, daß man
') Der Ausdruck yopyhi/ dnzoßkinrj g 1 ist absiclitlich übertrieben, wird jedoch von Hermotimos mit
dem Brustton der Ueberzeugung gesprochen. In der anfänglichen Vertrauensseligkeit des Ilcrinotimos
liegt keine geringere Komik, als in der feinen Ironie des Lykinos.
') tfaü//aVi« «iWa ironisch. Ebenso Ntyp. § 33 xai /irjv xäxtifoug 3cs)-eXu rouf i^auitdmnv rtva rijv moiidijv
Tcepl rd fJeörva Tcoiou/iivouq.
') Hier verlässt den Lykinos sein Gedächtnis. Er verwechselt das Sprichwort äp^^ ii rot ij/uau navröt,
weiches er 'Evükv. § 3 ohne Gewährsmann anführt, mit dem Verse des Hesiod: 'fyra x. 'H/i. v. 40.
NijKm, oMh Xaamv, Saip izXiov ^/uau -rayrSq, cf. Solanum et Hemstcrhuys ad. 'Evürzv. § 3 (ed. Heitz. I
pag. 5).
•) Daß dies die Bedeutung der Worte ptra tä äXka /tvan^ux ist, zeigt Fritzscho ad. h. 1. (Vol. 11, pars II
p. 133).
— 13 —
in demselben dreimal von den Säulen des Herakles bis nach Indien hin- imd zurückreisen
könne, und zwar so, daü man garnicht den geraden Weg innezuhalten brauche. Und dann
möchte er doch wissen, ob der Berg der Tugend und Glückseligkeit noch höher als die
Bergfeste Aornos sei, die Alexander in wenigen Tagen erobert habe. Hermotimos antwortet,
daß seine Sache damit nicht verglichen werden könne. Er schildert noch einmal die
Schwierigkeit derselben und schließt mit den Worten, daß diejenigen, welche zur Höhe empor-
gestiegen seien, ein bewunderungswürdiges ') Leben führten und auf die Übrigen wie auf
Ameisen herabsälien. Lykinos thut sehr erstaunt,^) daß er so klein erscheine und daß die
gewöhnlichen ILeute, zu denen er gehöre, den Glückseligen gegenüber nicht einmal mit Pygmaeen,
sondern nur mit so kleinen Tieren verglichen werden könnten. Aber das sage Hermotimos
nur aus Hochmut. Er wandele bereits in den Wolken und verlange, wie ein Gott angebetet
zu werden, da er bereits auf der Höhe sei. Dann kommt er wieder auf die Länge der Zeit,
die Hermotimos noch wandern müsse, zurück. Hermotimos sagt, er wisse nicht, wie lange
er noch zu steigen habe, glaube aber, nach zwanzig Jahren oben zu sein. Das sei nicht zu
lange, da er nach etwas großem strebe. Letzteres giebt Lykinos nur bedingt zu. ') Dann
fragt er ihn, ob sein Lehrer denn auch ein Seher sei und ihm versprochen habe, daß er so
lange leben werde. Denn sonst würde er doch gewiß nicht alle diese Mühen auf sich ge-
nommen haben, wenn er nicht sicher sei, daß das Verhcängnis ihn nicht, wenn er beinahe
oben sei, wieder herunterziehen werde. Hermotimos beschwört den Lykinos, so etwas nicht
zu sagen, und sagt, daß er zufrieden sei, wenn er auch nur einen .Tag als Weiser glücklich
sei. Lykinos wundert sich, daß ihm eine so kurze Spanne Zeit genüge; dann fragt er weiter,
von wem Hermotimos wisse, daß die Zustände oben so glücklich seien. Von seinem Lehrer,
antwortet Hermotimos, der bereits auf der Höhe sei. Nun möchte Lykinos gern wissen,
worin die Glückseligkeit bestehe, ^ ob in Reichtum, Ruhm und Vergnügen. Keineswegs, ant-
wortet Hermotimos, sondern in Weisheit, Tapferkeit, dem sittlich Guten und Gerechten und
darin, daß man gründlich das Wesen aller Dinge kenne. Auch werde man dort von keiner
Leidenschaft, wie von Zorn, Furcht oder Begierde beherrscht. Darauf möchte Lykinos gern
etwas erwidern, thut aber furchtsam. Nach längerem Sträuben sagt er, von Hermotimos er-
mutigt zu sprechen, da sie allein seien, daß es mit der Verachtung des Reichtums doch eine
eigene Sache sei, indem der Lehrer des Hermotimos vor kurzem seinen Schüler Diou, welcher
das Honorar nicht zur rechten Zeit gezahlt habe, vor Gericht geschleppt habe. Aus der
Autwort des Hermotimos erfahren wir ferner, daß der diöuaxaXoc Geld auf Zinsen auslieh.
Hermotimos entschuldigt ihn damit, daß er es seiner Kinder wegen thue, worauf Lykinos
schon mehr boshaft als ironisch antwortet, lieber solle er diese zur Tugend führen, daß sie,
wie der Vater, den Reichtum verachten lernten. Hermotimos mag nichts mehr hören, sondern
will zum Lehrer. Aber Lykinos hält ihn zurück, indem er sagt, derselbe lese nicht. Er habe
gestern bei einem Gastmahl im Hause des reichen Eukrates viel mit dem Peripatetiker
1) § 5 i%iiJij.äai6v TVja ßiov. Sehr fein läßt Lukian den Hermotimos hier ernsthaft dasselbe Wort ge-
brauchen, welches Lykinos § 2 {Saußäma u&Xa) ironisch anwandte.
') Tranae hier Ausdruck der Verwunderung wie § 55 Ttairai, tu 'E/i/wu/je, («s la^upä Taür' s^rjxag.
— 14 —
Eiithydemos philosophiert iiml habe sich mit demselben in erbitterter Weise gestritten. Dabei
habe er mehr gegessen und getrunken, als er habe vertragen können. Nun sei er krank und
könne nicht lesen. Hermotimos fühlt das Unpassende in dem Benehmen des Lehrers nicht
heraus, sondern fragt nur, wer im Streite gesiegt habe. Lykinos sagt, der Lehrer; denn
(lieser habe dem Peripatetiker schließlich einen Becher an den Kopf geworfen und ihn ver-
wundet. Hermotimos billigt dies und Lykinos spottet weiter, indem er scheinbar so recht
gutmütig sagt, es sei ganz in der Ordnung gewesen; warum Euthydemos auch den Lehi-er
habe rei/en müssen, der ein so leidenschaftsloser und seines Zornes mächtiger Mann sei und
einen so schweren Becher in der Hand gehabt habe.')
§ 13 — 21. Lykinos will gern wissen, aufweiche Weise Hermotimos zu philosophieren
angefangen habe und wie er zu den Stoikern gekommen sei. Diese Partie ist nicht durchweg
HO ironisch gehalten, doch kommt auch hier der Spötter nicht selten zum Vorschein, z. B. :
§ 13. Lykinos thut, als ob er mit Hermotimos und seinem Lehrer zusammen
philosophieren wolle,"'') während sein Zweck ist, den Hermotimos von der Beschäftigung mit
der Philosophie abzubringen.
Ib. Lykinos sagt, er sei zufrieden, wenn er nach zwanzig Jahren soweit, wie Hermotimos.
sei, während er § 2 sich nicht genug wundern konnte, dali Hermotimos trotz aller Arbeit und
Mühe noch nicht weiter sei.
§ 15. Lykinos spottet über das Orakelwesen, indem er fragt, ob Hermotimos vom
pythischen Gotte zu den Stoikern geschickt sei, wie Chairephon zum Sokrates. Der Gott wisse
wohl, welche Art zu philosophieren für einen Jeden die passendste sei.
§ Ifi. Hermotimos sagt, die meisten gingen zu den Stoikern; Lykinos will genau
die Zahl wissen.
Ib. Lykinos thut wiederholt so, als ob Hermotimos ihn verhöhnen wolle, um dadurch
auf die Ungereimtheit des Gesagten hinzuweisen.
§ 18. Hermotimos sagt, das äußere Auftreten der Stoiker sei ihm am ehrwürdigsten
erschienen. Lykinos fragt, schon mehr erbittert als ironisch, ob er darunter den Wucher
und die Streitsucht verstehe und die Besten nach dem ümwurf des Kleides beurteile. Doch
mildert er diese Worte durch den ironischen Schluß, daß Hermotimos dies nur im Scherz sage.
§ H). Auch die Bemerkung, Hermotimos thue nicht recht daran, sich um die Blinden
nicht zu kümmern, da diese vor allem philosophieren müßten, um ihr Leid zu vergessen, ist
ironisch aufzufassen.
§ 21. Lykinos rühmt spöttisch den Scharfsinn des Hermotimos, indem er ihn einen
Lynkeua nennt, worauf Hermotimos antwortet: naiXuc, w IvxTvf.
In dem folgenden Abschnitt § 21 — 63 nimmt Lykinos das Wort zu einer längeren
Rede, indem er die Tugend mit einer Stadt vergleicht, deren Bewohner der höchsten Glück-
seligkeit genössen. Dann disputiert er mit Hennotimos darüber, ob wohl einem der vielen
Führer, von denen ein Jeder behaupte, daß nur er allein den Weg wisse, welcher zu dieser
') § 12 ^ T(' yäp i:a>%uv El>&. ävipa yipovra napw^uvev, Aöpjr^ov xai f9o/toO xpsnrova, axü^nv othio ßapuv
*) § IS Uli xai af/rds . ■ . ouvodoazopohjii uyiv.
— 15 —
Stadt führe, zu trauen sei. Herniotimos meint, den Stoikern, worauf die Frage erörtert wird,
ob man darüber zur Gewißbeit gelangen könne, (iaß eine Philosophie das Wahre lehre, sowie,
welche Philosophie dies sei. Das Schluüresultat ist, daß dies nur nach genauer Untersuchung
sämtlicher Systeme geschehen könne, wozu aber hundert Jahre kaum ausreichten, so daß
Hermotimos unwillig wird und dem Lykinos Neid vorwirft, worauf dieser ihm ironisch den
guten Kat giebt, auf sein Geschwätz garnicht zu hören. ')
Im allgemeinen ist der Ton des Ljkiuos in diesem Abschnitt ernster, namentlich
am Schluß von § 34,"'') wo er sagt, daß man sich, so lange es noch unklar sei, in welcher
Philosophenschule das Wahre gelehrt werde, zu keiner bestimmten Sekte bekennen dürfe,
denn das sei ein Frevel gegen die übrigen. Ebenso ernst antwortet er dem Hermotimos
§ 29 oftac Tovro ok xotvör, o> 'l'J(i/i6i:ifi>-, f-lQrjxac; — § 31 y.at yuQ ifioiyt, u'i EQfioiifit-' a'Ü.a vo
fitrd Tovro ovxfi oiöa, tl oimCmc xal aol öö^n' &/j,ot fjfv )'d() aal rovio 7iuvx' öoxtT.
§37 ovxovv aa^fifaTi-Qor XQV ^.fyiir, fl tTtQoXÖv xi, a'i.Xd nr] tovro ((r/anc. — § ßl xca /lij fif
ro/jfGrjC ß'/.affffifJi-Tr nfQi avtt^c, tjv fl'nw. — § 52 xal nov rovro rjxovaac tfiov /.fyoiioc;
tyw yccQ ovy "U ot^ fpikoanf7ji/^or (ffifjC xxK. — In derselben Weise ist § 51 aufzufassen, wo
Lykinos sagt, daß die Wahrheit nicht angenehm zu hören sei und die Lüge weit mehr Beifall
und Ehre tinde. Auch verwahrt er sich § 53 ernstlich gegen den Vorwurf der Anmaßung.
An einer andern Stelle (§ 5!)) greift er die Philosophen an, indem er sagt, daß dieselben sich
ihre Lehre, wie die Weinverkäiifer ihren Wein, bezahlen ließen, ferner in ähnlicher Weise
mischten, betrögen und schlechtes Maß gäben. — Aber trotzdem verläugnet Lykinos auch in
diesem Abschnitt seinen Hang zur Satire nicht. Gleich zu Anfang desselben § 21 bittet er
den Hermotimos, ihn nicht auszulachen, wenn er sich ungeschickt^) bei der Untersuchung
anstelle, und fügt gleich darauf hinzu, daß so wohl der Lehrer sprechen würde. Neben den
ernsten Antworten finden wir eben so viele ironische, z. B. § 35 ^av/taarov ydf) rt ^(itiv
i'oixac. — § 3^ oQa rofvx'v, firj nißc fie naQa'/.oyC^rj, &) yfvvaif, xal ravin fü.or oi'ta.
§ 42 noTfQov tnaivfaw a(, oJ 'Egfj.j r^c avrfceoic, ij ^fkfic drctCnüi id y'^fiol ßoxorrra ;
§ 55 nanat, w 'Egfi., wc iaxvQa r«iV tlqrixac. Ebenso ironisch ist die Bemerkung (§ 59),
daß Hermotimos gewiß nicht zwanzig Jahre wie Odysseus umhergeirrt wäre, wenn sein Lehrer
jeden Tag dasselbe lehrte, sowie die (§ (iO), daß Hermotimos, wenn er nicht das ganze Faß
ausgetrunken hätte, u'/j.uic /je^Jvoir umhergehen würde. Einen etwas gröberen Scherz erlaubt
er sich § 50. Hermotimos solle nicht ihn, sondern seine Eltern oder die Natur tadeln, daß
er nicht wie Tithonos no/.vfttjc xal fiaxQnßmc sei, sondern höchstens hundert Jahre leben
könne Mit Anspielung auf frühere Äußerungen des Hermotimos sagt Lykinos § 25: f'nfl (if,
WC vfjf-Tc (fari-, (w rt xal Hdfodoc o ^aijioidoc) ndrv nö^yoi dnoixiCTai [sc. ly 7foA*?J nnd
§ 28 ^fiuc df ye ntgl to'i' otrm fityai.on' nvx oi/iai dttv rraQaßo/.wc aia^^imi-Ti' .... trjr
'?.7Ti'cia. Hermotimos muß es sich gefallen lassen, daß Lykinos die Häupter der Philosophen-
schulen heraufbeschwört und sagen läßt, über sie abzuurteilen komme einem Manne wie
') § 63 UKo <p^%moi) itrjXaiirj, im iyib iikv irpoSxmrroi' iu Totg pai^i^ßam. irit i}k tüXiyuiprjUag kauroü Tr^XtxoÜTng tun.
ib. ißoi /j.kv, Caanzp xOjiußiV'TtiävTi ij-tj -Kpöasyt ruy 'joiiv, äV.' in hi/ish.
2) ä)(fjt «> äärjkov 5, Tt's ä/:ri''tTjg iirrt itfjoaipsaiz iv puofTOfla, /tr^ihßirxv alpsiiT>9af i)ß/ng yafi ig Tag äXXag tö
•coioirtoM.
9) zl -Ka^^oTMaiv läiunixüig ävaZrjrü) aurö.
— 16 —
Hermotimos niclit zu (i(ur ööov h' (fi'l.oGo^Ca xut ot^öi- tuvtijv Iook uxi>ißwc xoraroi^aurTi (^ 30);
auch läßt Lykiiios diese deu Hermotimos auslachen (§ 33) und sein Verfahren durch Vergleich
mit einem Athleten, der gegen die Luft stößt und schlägt, mit dem Spiel der Kinder, welche
Häuser hauen und gleich wieder zertrüninierti, mit einem Bogenschützen, der aus der Nähe
nach einem Heuhündel schießt, ins lächerliche ziehen. Vor allem ist die humoristische Er-
zählung von dem Syrakusaner Gelon und seinem Weibe zu erwähnen (§ 34) mit den komischeu
Schlußworten xiu o 'Bq/j., <fcthj cer o ///.cermr, ttxöroic ccyrott onoTu röir ic}.Imv id ornfiuTci tartr.
Von humoristischen Bemerkungen nicht persönlicher Art sind noch folgende anzuführen:
§ 23 daß man in der Stadt der Tugend keinen ausschließe, wenn er auch nur im Unterkleide
komme;') §28 daß man den Zufall nicht anklagen dürfe, wenn er nicht gleich das Wahre
treffe, da nicht einmal der Homerische Bogenschütze Teukros die Taube getroffen habe;
§ 48 beim Studium der Lehre des Pythagoras dürfe man ja nicht die fünf Jahre des Schweigens
vergessen. ^) Von einzelnen Ausdrücken gehören hierher § 26 ^yenävtc vntQdiutuvöfievoi. '^
§ 28 ßA/' ardyxtj tv r<Jn ntkäyd- dia(ffQ€a^ai ravziüivTa oic to -xo't.v xul dtdtota xut
XUQTlßcCQOVVTtt.
Weit ernster noch, als dieser Abschnitt, ist der Schluß (§ 63 — 86) gehalten. Lykinos
verwahrt sich entschieden dagegen, daß Hermotimos sein Verfahren ein gewaltsames nenne.')
Auch will er nicht den Anschein erwecken, als ob er ein Vorurteil gegen die Stoiker habe (§ 85).
Seine Augriffe seien gegen alle Philosophen gerichtet, welche sämtlich um des Esels Schatten
kämpften (§ 71). Viele von ihnen merkten dies, wollten dies aber aus falscher Scham oder
F'urcht, nicht so, wie früher, geehrt zu werden, nicht eingestehen. Wenn aber einer dazu
den Mut habe, so sei dieser ein wahrer Freund der Wahrheit, ein braver und gerechter Mann,
ja, wenn man wolle, ein Philosoph (§ 75). Die Tugend bestehe in gerechtem, weisen und
tapfern Handeln, nicht darin, daß man mit spitzfindigen Untersuchungen sein Leben hinbringe,
wie es selbst die Ausgezeichnetsten unter den Philosophen thäten (§ 7!)). Ernst gemeint sind
ferner folgende Stellen:
§ 72. Lykinos verurteilt die Leute, welche ein Vergnügen darin finden, sich eine
leere Glückseligkeit vorzuspiegeln und aufgebracht sind, wenn man sie darin stört.
') otj yaf) iSiös, ßT] tri Ttg ihrnx^sitnj xal yußvbv ^xo^ra.
'') xal ß^ ßot i$aipet xal rä Ksyre Sttj ixslva rä r^g miuTz^g.
•') Elienso ironisch Demosth. \XV. I. rä ßkv äkka xaM'w; ivjrm rjyoüßriv Xiyeo. e> rU nOaiy.'LA-n ,,,,>'„>
ImepSimstvAßsvov.
') § iS'ii ßiaiov iii Xsymv ißi, rhahiov iioxstq ßOt xarä tiiv notrjTrjV alridair^at [so Jacobitz für ahiäiT^t
mit Anspielung auf II. XIII. 775, "Exrop, hzsc rot Soßog ä^akiov ahiadai^at, cf. _ Fritzsche ad. h. !.]
atnöv .... ?<rr' &v ßij irspöq oou Xöyog <Tußßa;(^<Ta{ ä^ihjTat t^j ßcag ^chj dyößtvof. Fritzsche hält aMv
für oorrupt und nimmt vor demselben eine' Lücke aH, die er folgendermaßen ausfüllt: äiov ßijdiva äXlov
ahiäa^at ^ rteainö)'. Itrr (tu ßij xrX. Er fügt erklärend hinzu, daß Lykinos sage, die Richtigkeit seiner
Beweisfidn'ung, gegen welche Hermotimos nichts Stichhaltiges vorbTingen könne, zwinge .<liesen ge-
waltsam, beizustimmen. — Daß dies die richtige Erkläi-ung ist, beweisen die unmittelbar darauf
folgenden Worte Wou yi toi xal rdde -KoXXiji ßiatötepa ^hj iv aot (5 köyog. Diese Worte verlangen
aber auch eine vorherige Erwähnung der gewaltsamen Ueberzeugungskraft de« ioyos. Daher ergänze
ich dem Sinuc noch die Lücke: diov t«v Xoyov ahtäari^ai, pöMov dk asaurüy, iar 3^ pTj xtL
— 17 —
§ 73. Lykinos gesteht Dichtern und Malern die Freiheit zu, wie die Träume
Phantasiegebilde wie die Chimaira zu schaffen, tadelt aber das Volk, daß es an solche
Dinge glaube.
§ 80. Der Jähzorn, die Streitsucht und Vergnügungssucht des Lehrers werden noch
einmal getadelt. — — —
Aber der Humor verläßt den Lykinos auch hier nicht. Die Unterredung des braven
Onkels mit dem Lehrer seines Neffen, ') einem berühmten Philosophen, der unwillig ist, das
ausbedungene Honorar nicht rechtzeitig erhalten zu haben, ist namentlich am Schluß durchaus
humoristisch gehalten, z.B. §81 IrCort öf xal xfquTa ^/jTv o ysrraToc dvuifvai. Ironisch sind
die Worte w davf^tccßis (§ 04). oxrdi yuQ aoi firretr, ort oi^de lorto noo Ixuvov (§ 65). xaCtoi
.loCa akXa nufjttdov ixun' aoi (§ 67). ov ixwv naqrjxa, dsdiooc fiij Cr dyavaxtriaric (§ 68).
Ironisch ist ferner das Spielen mit Hermotimos § 69. Nachdem Lykinos ihm mit feierlichen
Worten versichert hat, daß er dann, wenn er einen Lehrer gefunden habe, der ihn geschickt
mache, zu unterscheiden und zu urteilen, die Fähigkeit erlangen werde, zu philosophieren,
sowie zu der sehnlichst gewünschten Glückseligkeit gelangen und alles Gute vereint besitzen
werde, fahrt er gleich darauf fort: xal firj}' ovöfno) %äqiv uv [loi tidsfijc tixorwc' otöiv yccQ
(Toi r'f^j'pijxwc idtiSce, uK tyyvxfQw (Jf not^aon' t^c IXnCdoc.
So tritt uns Lykinos von Anfang bis zu Ende als Satiriker und feiner Spötter ent-
gegen, der jedoch im Stande ist, einen ernsten Ton anzuschlagen. Mit Recht wird daher
<lieser Dialog allgemein als eine Satire aufgefaßt. Gegen diese Auffassung polemisiert Schwarz,*)
welcher sagt, 'E^^io-iif^ioc sei der methodische Nachweis eines Überzeugungssatzes, aber keine
Satire, er sei mit blutendem Herzen, nicht mit dem tändelnden Sinne des teilnahmlosen
Nachbildners der dem Sokrates ehemals eigenen Manier zu disputieren geschrieben. Er sei
der Entscheidungsbrief, womit sich Lukian bezüglich der spekulativen Philosophie von allen
andern Sekten freispreche und der praktischen Skepsis sich verschreibe. ') Eine fast me-
lancholische Stimmung durchziehe die Schrift. Hierin geht Schwarz zu weit. Allerdings liegt
dem Dialog ein ernster Gegenstand zu Grunde.'') Lukian, welcher sich längere Zeit') mit
philosophischen Studien beschäftigt hatte und sich in der erwarteten Befriedigung seines
Wissensdranges bitter getäuscht sah, wollte dem Gefühle, welches er darüber empfand, in
diesem Dialoge Ausdruck geben. Es ist dies das Gefühl des Unmutes und Ärgers, nicht, wie
Schwarz meint, das Gefühl des Mitleids mit den Philosophen, den Genossen seines Irrtums.
Denn in dieser milden Stimmung würde er die harten Worte § 60 nicht gebraucht haben, wo
") § 80—82.
») 1. 1. p. 6.
3) ib. p. 1.
*) Fritzsche, vol. II pars II l'rolejjg. de Herrn. § 1 pag. XIII. Nam liio dialogus res est seria, non
iocusa; in quo satiricus magna urbanitatc disputat, non nieruni (ut alibi solet) agit scurram.
•""j Mit Recht nimmt Schwarz 1. 1. p. 3 an, daß der Ausdruck TeTTapaxovrnür^g it-(s36v {di? xaTtjy. § 32,
'Epii. § 13) nach beiden Seiten hin dehnbar sei und sowohl von einem Manne, der d^s 39. Jahr über-
schritten habe, als auch von dem, der noch nicht ganz 41 Jahr alt sei, gesagt werden könne. Wenn
man nun annehme, daß Lukian bald nach vollendetem 39. Jahre die Sophistenlaufl)ahn verlassen und
am Ende des 40. den Hermotimos geschrieben habe, so habe man damit die Zeit für die philosophischen
Studien bis zum Hermotimos.
— 18 —
die Philosophen mit den Weinverfälschern verglichen werden. Ebenso würde er in diesem Falle
§80 die entrüstete Frage, ob Hermotimos wohl so jähzornig, streitsüchtig und vergnügungs-
süchtig wie sein Lehrer sein möchte, unterdrückt haben. Auch die schonungslose Art, in
welcher der Lebenswandel des Lehrers aufgedeckt wird (§ 8 — 12), verträgt sich nicht mit
dieser Stimmung, was Schwarz selbst zugiebt, indem er diese Stelle satirisch nennt, allerdings
mit dem beschränkenden Zusätze, daß nur dieser kleine Teil so aufzufassen sei.')
Diesem Gefühl des Unmutes über das erfolglose Streben Ausdruck zu geben, war
die Satire die geeignete Form. Bei seinen Studien der Platonischen Schriften hatte Lukian
sich durch die Sokratische Ironie besonders angezogen gefühlt, die eine verwandte Ader in
ihm angeschlagen hatte. So ist es erklärlich, wenn er bei einem die Philosophie betreffenden
Gegenstände einen Versuch machte, in ähnlicher Weise zu disputieren. '') Auf die Form hat
er nicht geringeres Gewicht gelegt, als auf die methodische Beweisführung des Inhalts. Er
wollte einen ernsten Gegenstand in ein satirisches Gewand kleiden, wobei die Schrift doch
immer, „ein Werk der Überzeugung" genannt werden darf.
Daß die Wirkung der Satire eine weit kräftigere und anhaltendere wird, wenn die
Angriffe sich gegen bestimmte Personen richten und es dem Leser überlassen bleibt, ver-
allgemeinernde Schlüsse zu ziehen, hegt auf der Hand. Ich schliesse mich dem Urteil Rankes
an, welcher sagt, daß Lukian dies mit der alten Komödie gemein habe, daß er Jeden, den
er verspotte, entweder mit Namen nenne oder so beschreibe, daß er seinen Zeitgenossen
kenntlich gewesen sei. Dies gelte auch von den im Hermotimos angegriffenen Personen. '>
In Bezug auf Hermotimos stimmt Schwarz ihm bei,*) während er in dem Lehrer den Typus
aller damaligen stoischen Meister sieht. Letzteres nimmt auch Wichmanu*) an, der noch
weiter geht und auch im Hermotimos keine bestimmte Person, sondern den Typus dei'jenigen
sieht, welche, mit Glücksgütern ausgestattet, einen damals hochangesehenen Sport trieben,
dessen Wert und Gehalt sie nicht prüften, dessen Pflege ihnen aber ebenso notwendig er-
schienen sei, wie das liebe Brot. Gegen Wichmauns Annahme läßt sich dasselbe wiederholen,
was Schwarz') gegen Remacly anführt, daß dann kein Grund zu finden sei, weshalb Lukian
sich den Hermotimos als Sechziger denke. Mochte es auch wiederholt vorkommen, daß unter
den Schülern eines berühmten Philosophen sich Sechziger befanden, 'J ja selbst noch Achtzig-
') Auch pag. 8 heisst es bei Schwarz in der Disposition des Uialogs: Lukian wird in seiner Ironie
satirischer, in seinem Unmut offener.
■•') Fritzsche I. 1. Tum in via disserendi Platonem suuni optime imitari potest videri et magis etiara
Socratem, qui philosophus ad coarguondum erat captiosissimus. Gegen die Annalime Fritzsches, daß
dieser Dialog eine Nacliahmung einer Satire des Monippos von Gad^ira sei, wendet Schwarz p. 27 mit
Recht ein, daß, wenngleich Lukian auch einzelne Argumente, ja selbst einzelne Vergleiche und Aus-
drixcke den Skeptikern entlehnt habe, daraus nicht zu folgern sei, daß er alles einem bestimmten
Werke entnommen habe.
») 1. 1. p. 28.
*) 1. 1. p. 10—14.
») Jahresber. d. Berl. Philol. Vereins 1884, p. 161.
«) 1. 1. p. 10.
') z. B. Gukrates im 0tXo</)sui^s § 5.
— 19 —
jährige ') philosophierten, im ganzen wird der Kreis doch zu klein gewesen sein, als daß einer
derselben als Typus der ihrem Lehrer leidenschaftlich anhängenden Schüler hätte aufgestellt
werden können. Ferner ist die Bemerkung Lukians, daß er bereits vor ungefähr zwanzig
Jahren Hermotimos sich habe in ähnlicher Weise abquälen sehen, von dem Zusatz begleitet
.<* yaQ Ti /j/^fjyij/jai, wodurch Lukian die Kichtigkeit und Genauigkeit seiner Angabe besonders
betont. Wir müssen dieselbe deshalb auf einen speziellen Fall anwenden imd die Worte an
eine bestimmte Person gerichtet denken. Auch ist kein Grund vorhanden, mit Schwarz die
folgenden Worte vnofiv^fiaTa xüiv avvovaioiv anoyQuff^öfitvov, oixQor del vtto (fQovtCöwv xal
xo ffWjU« xaTtaxktjxoia als poetische Zuthaten zu betrachten. '') In derselben Absicht fügt
Lukian § 50, nachdem er den Namen des Vaters des Hermotimos Menekrates genannt hat,
' ausdrücklich hinzu, daß er den Namen der Mutter desselben nicht wisse. Dadurch weist er
auf den Menekrates als auf eine bestimmte Person hin. Mit diesen Andeutungen wird sich
Lukian begnügt haben. Neben der genauen Beschreibung der Person auch noch den wirk-
lichen Namen derselben anzuführen, wäre zwecklos und wenig zart gewesen. Ich halte daher
mit Schwarz den Namen Hermotimos für fingiert, ebenso den Namen Menekrates. Doch wird
die Veränderung eine solche gewesen sein, daß für die Zeitgenossen in der verwandelten Form
der wirkliche Name noch kenntlich war. Auf die Umwandlung des Namens spielt vielleicht
Lukian § 13 an in den Worten trye, w 'EQfi., j'j/ tot' '^Eq/j^v uvröv, ov Inuivvfjoc mr tii;';^«)'*«?. ')
Auch unter dem öiöocaxa'/.oc wird eine bestimmte Person und nicht der Typus aller damaligen
stoischen Meister zu verstehen sein. Wäre das letztere der Fall, so hätte Lukian nicht eine
so spezielle Thatsache erzählen dürfen wie § 9*) mit dem Zusätze, daß er Augenzeuge gewesen
sei Cdvafjj'ijG^tlc u nQüirp' sldov rcoiovria) und das Benehmen des Lehrers beim Gastmahl
des Eukrates, ') wo er dem Peripatetiker Euthydemos mit dem Becher ein Loch in den Kopf
wirft, nicht so ins einzelne beschreiben dürfen. Allgemeine Bemerkungen wie § 80 "J vnirden dann
weit passender gewesen sein. Wenn ferner der öidacrxaloc so allgemein aufzufassen ist, warum
finden wir nicht § 80, wo seiner erwähnt wird, die gleich darauf folgende Geschichte von der
Beschwerde des Onkels und der charakteristischen Antwort des Lehrers , des berühmten
Philosophen, auch von ihm erzählt?') Wozu braucht es da der Erwähnung eines andern
di'ÖQoc TTctvv ytytjQaxoToc, oi näfjjio'/j.oi, jwv vfon' tnl aotpCu nXrjaidCovaty? Mit Recht
schließt daher Solanus aus dem Verschweigen des Namens, daß Lukian auf bestimmte
Personen anspiele. Während er jedoch ad 'Eq/h. §11, allerdings nicht ohne leisen
Zweifel, die Vermutung ausspricht, daß unter dem diddaxakoc der ^^l'Uxx^. § 11 ebenfalls bei
einem Gastmahl des Eukrates erwähnte Stoiker Thesmopolis zu verstehen sei, erklärt er
>) 'Epii&T. § 48.
!>) 1. 1. p. 13.
3) So stellt Kritzsclie die Worte um. In den codd. steht Z 'Ep/x. hinter 'Epßfjv.
*) Dort schleppt der Lehrer seinen Schüler Dion , weil er ihm das Honorar nicht rechtzeitig gezahlt
hatte, vor Gericht xs/^ttJeis ys aliztp ^^ot/iärtof nsfii tov Tpaj(yjX6v.
^) § 12-
*) sl hHXoiq äf M^io rü>v X6ywv rä äXXa iotxeuat rtu ötdaaxdXm, oSrw /liv d/iyiXoq xrX.
') Solanus nimmt dies auffallcnderweise an. Aber dann hätte statt tivä? abroü stehen müssen, da des
dtädaxaXoq kurz vorher erwähnt wird.
— 20 —
ad ^vfJTT. § () weit zuversichtlicher und mit größerem Recht den dort erwähnten Stoiker
Zenothemis für die im 'Eqij. angegriffene Persönlichkeit. Denn die Worte, mit welchen
2v(j7i. § 32 der Peripatetiker Kleodemos den Zenothemis verhöhnt, ') stimmen so auffallend
mit dem überein, was Lykinos 'E()fi. §§ 9 und 10 vom di()ccoi<u/.oc berichtet, daß, so wenig
auch sonst auf die historische Wahrheit der gegenseitigen Anschuldigungen der Philosophen
zu geben ist, diese Übereinstimmung nicht zufällig sein kann. Auch heißt Zenothemis
2vfin. § 0 o nQtaßvTijg, auf welchen Beinamen Lykinos 'Hq/j. § 9 mit den Worten xat yfqon'
^ö^ ig %o vßtutov anspielt. ''') Der zweite stoische Meister § 80 wird durch den Zusatz uvöqoc
navv yeyTjQaxotoc, w nafinoXXoi twv rfo)v hil aotfia nXiiatü^ovGiv den Zeitgenossen wohl
kenntlich geworden sein.
Auch unter Eukrates rw ndvv und dem Peripatetiker Euthydemos (§11) haben
wir uns bestimmte Personen zu denken, dei-en Namen Lukian verändert haben wird, doch so,
daß der wahre Name für die Zeitgenossen daraus zu schließen war. 'j Unter Euthydemos
ist vielleicht der von Galen als Zeitgenosse des Lukian augeführte Peripatetiker Eudemos
zu verstehen (cf. Fritzsche ad 2:'v(in. § ß). Ebenso wird der Mitschüler des Hermotimos
aus Heraklea nicht Ji'wr geheißen haben. Die Persönlichkeit desselben war durch <lie Worte
ToV ^fvov . . . tov Hgaxlton-ijv, og Ix no'kXov avvt(fi/.oaü(fsi uvtm ficcittjirjg o>y, vor iar-
i^öv, tov iQiGTtxoi' für die. Zeitgenossen zur Genüge gekennzeichnet. Rücksicht auf den
diddaxaXog, dessen Namen er verschweigt, l)ewog Lukian, auch auf die zweite Haujitperson
in der Erzählung nur hinzudeuten, und so wählte er den gewöhnlichen, oft in den Schriften
der Philosophen angewandten Namen Dion. ■"/ Wenn wir dagegen den Namen des armen
Nachbarn Echekrates zweimal kurz nacheinander erwähnt finden, so haben wir darin wohl
kein Pseudonym, sondern den wahren Namen des Mannes zu sehen. Für eine so unbedeu-
tende Nebenperson einen Namen zu fingieren, hatte keinen Zweck, wogegen die Anführung
des wahren Namens als Beweis für die Richtigkeit des Erzählten dienen konnte und den
Zeitgenossen Schlüsse zu machen gestattete, welche Persönlichkeiten unter den Hauptträgern
der Handlung zu verstehen seien.
Es bleibt jetzt nur noch die Frage zu beantworten übrig, weshalb Lukian in diesem
Dialoge unter dem Pseudonym Lykinos auftritt. Er that es, weil sein Taktgefühl es nicht
zuließ, in einer so subjektiv gefärbten Schrift auch noch seine Persönlichkeit dem Leser auf-
zudrängen. Dieser mußte über die Stimmung und Absicht des Schriftstellers dem Scheine
nach durch eine dritte Person belehrt werden. So ist Lykinos der Protagonist des Lukian.
Sodann zwang ihn die Rücksicht auf die angegriffenen Personen, so zu verfahren, nicht allein
Furcht vor Ungelegenheiten An Angiiffen gegen ihn wird es auch so nicht gefehlt haben,
und wird er den betreffenden Personen gegenüber seine persönhche Verantwortlichkeit nicht
•) obik Toü feVou xai /jioi^ijro» Xaßüiv rohtfiMinv Ttapaxara^'^xai, hzetra w/iona xarä r^j [loXcdios /lij eUr^fcfat,
oM hzi T£TTaf>m Sfia^imit ßaveiZw ottSk '^TX*" ''""^ ß^'^^/Tfis, ijv /ii) xarä xat/niv dxoiiüim Tolig /ua/toüf.
*) üu/nc. § 11 nennt Kleodomos dun Zenothemis einfach , um ilin seinem Nachbarn zu bezeichnen, rm
yipovra.
*) Uehcr Kiikrutes s. oben S. 18 Anm. 7.
•) i'ritzsche ad. 'fyß- § *•• pro quolibet nomine, ut saepe apud Sextum Erapiricum aliosqne philosophos.
— 21 —
abgelelmt liabni. Dem f:;rörieieii Publikum dagegen wollte er als eine andere Persönlichkeit
erscheinen. Auf Vorwürfe und Bemerkungen, wie rücksichtslos es sei, andere Leute in dieser
Weise zu verspotten und anzugreifen, konnte er entgegnen: das that nicht Lukianos,
sondern Lykinos.
Der Dialog wurde verfasst, als Lukian rtTruQaxorrovitjC a'/i-änr war; demnach fällt
die Abfassung in das Jahr IfiO oder nach Schwarz lfiO/161.
2 . 2!vfin6aiov »'" yfmri&ai.
In diesem Dialog beschreibt Lukian das Hochzeitsmahl, welches der reiche, fein-
gebildete Aristainetos ') zur Feier der V^ermählung seiner Tochter Kleanthis mit Chaireas, dem
Sohne des reichen Wucherers Eukritos veranstaltet hat. Zu diesem Festmahl sind außei:
den Verwandten und Freunden des Hauses, zu denen Lykinos gehört, die berühmtesten
Philosophen, die Häupter der verschiedenen Sekten eingeladen,^) die Stoiker Zenothemis,
o nQf-ßßtnijc genannt, und Diphilos mit dem Beinamen o '/.ußr(jivüoc, der Peripatetiker
Kleodemos, welchen seine Schüler wegen seiner Redegewandtheit und seines Geschickes, den
Gegner zu widerlegen, „Schwert'- und ..Messer'- nannten,'*) der Epikureer Hernien, ein Mann
aus einem der vornehmsten Geschlechter, Priester der Dioskuren, *) vor allen der Platoniker
Jon, eine ehrwürdige Erscheinung von fast göttlichem Aussehen^ der wegen seines Scharf-
sinnes und seiner richtigen Einsicht von vielen „Muster" (xuronO genannt wurde. Ausserdem
waren unter den eingeladenen Gelehrten der Rhetor Dionysodoros und der Gram.matiker
Histiaios. Der Arzt Dionikos, durch einen Kraukenbesuch verhindert, dem Gastmahl von
Anfang an beizuwohnen, erscheint erst später.
Das Gastmahl, bei welchem auch die Frauen des Haui^es zugegen sind, nimmt nach
einem Streit um den Ehrenplatz zwischen dem Stoiker Zenothemis und dem Epikureer
Hermon, der durch das Nachgeben des Epikureers beigelegt wird, anfangs einen ruhigen
Verlauf. Nur machen sich Kleodemos und Hermon leise über die Gefräßigkeit des
Zenothemis lustig und stoüen auch Lykinos deshalb an, der dies aber schon längst bemerkt
hat. Da stürmt uneingeladeu der Kyniker Alkidamas herein, der größte Schreier unter allen
Kynikern, weshalb er für bedeutender gehalten und am meisten gefürchtet wurde. Ohne
sich um die spöttischen Bemerkungen der Gäste zu kümmern, bleibt er da, verschmäht einen
Sessel, da ihm die Erde genüge, spottet über das goldene Geschirr, wandelt im Saale umher,
ißt und trinkt im Übermaß. Infolge dessen wird er immer streitsüchtiger und roher;
schließlich ringt er mit einem zwerghaften Possenreißer, von dem er besiegt wird. Da er-
scheint der Arzt Dionikos und erzählt, welche Gefahr er soeben bei einem verrückten Kranken
ausgestanden habe. Gleich darauf passiert dem Kleodemos eine fatale Geschichte mit einem
schönen Sklaven, welchem er zwei Drachmen in die Hand drückt, die dieser aber fallen
läßt. — Daneben deklamiert Dionysodoros, Histiaios trägt Stellen aus Dichtern vor und
') § 10 iare fäp ohyl rü)'/ T:oXkü)v rouriov -Kkouaiiov, ä)J.ä y.ai Tzaiäsing p.iXst atrrw, xai rii Tckstarov roü ßiou
TOig roioijTOt? aüvzarn.
*) § 10 ro x£<pa.}.aiov iS ixdarrjg alpiaswg.
3) § 6 oT<T{ta Toti ariuiJ.ukov, rm ihj-XTtxi'i^- f«'fog auToi' oi /J.w9r/rai xai xOTzida xakoüati'.
— 22 —
Zenotliefriis liest aii.s einem mitgebrachten Buche. Da wird ein Brief von dem Stoiker
Hetoimokles an den Aristainetos vorgelesen, in welchem sich derselbe bitter darüber beklagt,
nicht eingeladen zu sein. Dieser Brief ist die Veranlassung zu einem gewaltigen Streit, indem
Kleodemos und Hermon die Stoiker verhöhnen. Zeuothemis antwortet mit Schimpfreden und
unerhörten Anschuldigungen (Hermon habe die goldenen Locken der Dioskuren abgeschoren etc.),
die Gegner antworten mit gleich schimpflichen Vorwürfen, Zeuothemis begießt den Kleodemos
mit Wein, dieser faßt den Zeuothemis beim Bart: da gelingt es dem Aristainetos, weitei-e
Thätlichkeiten zu verhindern, indem er sich zwischen die Streitenden setzt. Das Schimpfen
dauert noch eine Weile fort; schließlich unterbricht Jon die Streitenden, indem er sagt, er
wolle einen würdigeren Gegenstand zur Sprache bringen. Dann trägt er, ohne auf die an-
wesenden Frauen Rücksicht zu nehmen, die Ansicht Piatons über die Ehe vor. Er wird aus-
gelacht, und es beginnt ein neues Geschimpf zwischen ihm und dem Redner Dionysodoros,
welches aber unterbrochen wird, indem der Grammatiker Histiaios ein Hochzeitsgedicht, ein
Muster von Geschmacklosigkeit vorträgt. Plötzlich entspinnt sich ein Streit zwischen Zeuo-
themis und Hermon wegen eines fetten Huhnes. Es kommt zu Thätlichkeiten, an denen
Alkidamas und Kleodemos sich betheiligeu. Alkidamas rast mit seinem Stocke wie ein
Wütender. Durch einen unglücklichen Wurf mit einem Becher wird der Bräutigam verwundet.
Zeuothemis und lüeodemos tragen schwere Wunden davon. Ersterem ist ein Auge ausgebohrt
und ein Stück aus der Nase gebissen. So endet das Gelage unter Trauer und Wehklagen.
Schon aus dieser kurzen Inhaltsangabe geht zur Genüge hervor, daß in diesem
Dialog nur eine wirkliche Begebenheit behandelt sein kann. Dergleichen ehrenrührige Dinge
ohne bestimmte Grundlage zu erzählen, würde ohne Zweck und ohne Wirkung gewesen sein.
Wenn daher Fritzsche die Vermuthung ausspricht, daß Lukian in diesem Dialog eine oder
mehrere Satiren des Menippos oder des Kynikers Meleager nachgeahmt habe, so kann dies nur
ganz allgemein so aufgefaßt werden, daß Lukian ebenso wie Menippos das Benehmen der Philo-
sophen bei den Gastmählern «ler Reichen habe verspotten wollen. Für eine Nachahmung im
einzelnen, sowie für einen ähnlicheu Inhalt des Ganzen beweisen die von Fritzsche angeführten
Stellen, Athen. XIV p. 629 e ') und XI p. 502 c ") ebensowenig wie Athen. XIV p. 064 e , wo
eine Stelle der Menippischen Satire ^^loxtaü.uoc angeführt wird, in welcher der Nachtisch
ftattvij beschrieben wird. ') Mit dieser Stelle vergleicht Fritzsche § 38 unseres Dialogs, *)
sagt aber selbst, daß fjanvtj „mensa secunda" nicht mit dtlnvov IrrtUc „missus ultimus"
zu verwechseln ist, so daß kaum anzunehmen ist, daß dem Lukian diese Stelle des Menippos
vorgeschwebt hat.
') xaktaai lU Ttg xai äXhj dp)rfjms xöaßou ixKÜpioms, ijs ijvtjuovsuei Mivrnroe i> Kuytxog iv rm ^ußnomio. in
iliesen "Worten sieht Fritzscho eine Verspottung des HeraHleitos.
) xal Mekiaypog (T 6 Aufixog iv r<ü ^up.7!0m</j oürwai ypüiptt 'xä^ ToaoÜTip jrpoTTomv aürüi ßa/ielnv ihs'luixe,
Xtnpirita ßu9ea SwiUxa .
) !> 6s Auwung Mi-iXTmog iv rm i^iYpa<pnniv(p Wpxsaddm ^pfl<pet ourios' Kihog rjv izixtaßandvran TtKÜv xai
/imrürjv ixiXeuasv slirpspetv Aäxaivd ztf xat eüMg 7;sptspspsT0 Tzspätxta dkiya xai j^ijvsia «wrrd xai rputftj
TtXaxoüvTuiv.
) § 38 xai üpa shsxex6ßt<no ijßlv tu ivTS/.kg ävoßaCoßsuov äeatvot', ßia üpvig kxdarw xai xpsag üög xai
Aufipa ;[«( lj(t%g ix ray^vou zai ar^aaßoOvTeg xai tiaa ivrpaj-tlv.
— 23 —
Die Persönlichkeiten der auftretenden Philosophen waren durch die oben in der
Inhaltsangabe angeführten Zusätze den Zeitgenossen des Lukian zur Genüge kenntlich gemacht,
ebenso der Arzt Dionikos durch die Erzählung von dem verrückten Kranken. Histiaios wird
als unglücklicher Gelegenheitsdichter, bei dem häufig Dinge wie die Tniesis Enniana') im ersten
Verse des zu Ehren der Kleanthis gedichteten Liedes vorkommen mochten, in weiteren Kreisen
bekannt gewesen sein, und nicht anders wird es sich mit dem Redner Dionysodoros, der sich
mit dem Applaus der hinter ihm stehenden Sklaven begnügen muß, verhalten haben. Auch
der Gastgebei;. Aristaiuetos wird durch den lobenden Zusatz § 10, wo Lukian ihn ans der
Zahl der gewöhnlichen Reichen ausscheidet, einen Mann von Bildung nennt und bemerkt, daß
er den größten Teil seines Lebens im Verkehr mit Gelehrten zubringe, bestimmter charak-
terisiert. Daß Zenothemis mit dem Lehrer des Hermotimos (Eq/j. § 9) identisch ist, habe
ich oben zu beweisen gesucht. Ebenso glaube ich, daß unter Kleodenios derselbe Peripatetiker
Eudemos zu verstehen ist, welcher im Hermotimos unter dem Pseudonym Euthydemos erwähnt
wird. Derselbe Kleodemos, sowie der Platoniker Jon werden mit unter den wundergläubigeu
Philosophen im (l)iloiptv()i]c § 6 genannt, an welcher Stelle das bewundernde Lob, welches
in unserm Dialog dem letzteren gezollt wird, bedeutend abgeschwächt wird.'') Fritzsche
meint, daß auch in unserm Dialog Jon nicht ohne Tadel fortkomme, indem es g 40 heiße,
daß er mit Dionysodoros gemeinsam einen Diebstahl habe begehen wollen, was um so auf-
fallender sei, als diese vorher auf einander geschimpft hätten. Aber als Dieb wird Jon doch
nicht geschildert. Da die Unwahrheit des Dionysodoros auf der Hand lag, konnte er mit
einer gewissen väterlichen Gutmütigkeit, die zu dem oben beschriebenen Wesen wohl paßt,
um weiteren Eklat zu vermeiden, auf dessen EntschuUligung eingehen. Ob unter Hetoimokles
dieselbe Persönlichkeit zu verstehen ist, wie Timokles im Zn\ Tquy., läßt sich nicht bestimmen.
Selbst wenn man in der Stelle des Scholiasten (z. § 31) '() ydg Oliuic . . . ovx txältat,
oiantQ nvdi- o llQiaiaCruoc toi' Ti/iox'/.^a hu ro (hrnror nicht mit Fritzsche 'Eioifiox).fa lesen
wollte, würde diese Stelle nur beweisen, daß schon von den alten l>klärern diese Identität
vermutet ist.
"Wie im Hermotimos wird sich Lukian für die nähere Bezeichnung der Persönlich-
keiten mit diesen charakteristischen Bemerkungen begnügt haben. Die Namen wird er wiederum
so verändert haben, daß wie in Kleodemos und Euthydemos der wahre Name in irgend einer
Weise angedeutet blieb. ')
Diese Begebenheit erzählt nun nicht der Schriftsteller dem Leser, sondern Lykinos
seinem Freunde Philon. Dies ist derselbe, welchen Lykinos auch zu Anfang der Schrift
nälc d. lat. GvyyiJ. anredet w y.aU (Di'/.wr, gewiß, wie Solanus bemerkt, eine bestimmte
Persönlichkeit, die mit ihrem wahren Namen angeredet wird. Lykinos erzählt in dem-
') § 41 ij OiTj ttot' ''AjJtatV rjy' atvirou iv /j.syäpoimv. So hat l'"ritzsche die Lesart der codd. wrfr' «/i' ^ys
äfiUTTfio/irou iv iisydjioiq verbessert, eine der vielen conieeturae palmares dieses Gelehrten.
'^) § 6 oTa&a röv hzl rolg TlXthiotiog köyoig f^aoiJ.a.ZsTi'^ai ä^LOÜvza, iig pmov axpiß&c, xaraysi'OrjxnTa rrjv yudfjirjv
TOÜ ävdf>i>i; xal rotg äXXoiq bTtO(prjrsüaai duväßsvov.
3) In ähnlicher Weise verfährt der Sophist Alkiphion. Dieser verändert in dem Briefe III, 55, den
Bergler eine sciagraphia Lucianei symposii nennt, die Namen 'ETOtßOxXijg (!>. ^iptazatviTio in AdröxXrjTog
'ETOtiiapimw. od. J. A. Wagner Lipsiae 1798. vol. II p. 176.
— 24 —
selben Tone, wie in der Episode über den cliöaaxa/.oc im Hermotimos, voller Humor, oft recht
drastiscli, ja an einigen Stellen schweift er etwas über die Grenzen des Erlaubten hinaus.*)
Daneben fehlt es nicht au einer recht ernsten Bemerkung, wie es nichts nütze, viel gelernt
zu haben, wenn nicht zugleich der Lebenswandel zum Besseren geregelt werde. Mau müsse
fast befürchten, daß die Leute mit ihrer Behauptung Recht hätten, daß das viele Studieren
vom Wege der Vemunft abbringe. Während nämlich nicht einer der anwesenden Philosophen
sich nichts habe zu schulden kommen lassen, hätten die andern Gäste ein würdiges Baiehmen
gezeigt, über dieselben gelacht und sich gewundert. Dann wirft Lykinos noch eiumal den
Philosophen mit harten Worten vor, wie ungebührlich sie sich betragen hätten. An dieser
Stelle identificiert sich der Schriftsteller mit seinem Protagonisten, weshalb auch ausdrücklich
Philon noch einmal angeredet wird.
Im übrigen läßtLukian den Lykinos wie eine drittePerson handeln. Dieser tritt wederum
als feiner Satiriker und Spötter auf, der sich selbst nicht mit seiner Ironie versclnmt. Seine
Freunde legen ihm Eigenschaften bei, welche Lukian öffentlich gewiß nicht als die seinigen
anerkannt hätte. Der Arzt Dionikos verweist den Charinos, wenn er etwas Näheres über das
Gastmahl erfahren wolle, an den Lykinos, als einen Freund von Klatschgeschichten.*;
Charinos hat dies dem Philon erzählt, und dieser kommt zu Lykinos. Dieser thut indigniert.
Ueber solche Sachen müsse man einen Schleier ziehen. Dabei gedenkt er des alten Sprich-
wortes jiiafo) firüporit arfinnKtr. Philon antwortet, Lykinos solle sich doch nicht so zieren.
Er kenne ihn genau und wisse, daß er vor Begierde brenne, ihm die Sache zu erzählen.
Wenn er sich nun so tugendhaft stelle, so werde er ihm die Malice anthun und weggehen.
Aber er wisse wohl, daß Lykinos dann kommen werde und bitten, ihm zuzuhören. Lykinos
will nun auch erzählen, beschwört aber den Philon, es nicht unter die Leute zu bringen. Vor
ihm sei er sicher, antwortet Philon, wenn er selbst nur schweigen könne. Nun beginnt die
Erzählung.
Eine humoristische Bemerkung über sich selbst macht Lykinos ferner § 11. \'on
Jon darauf aufmerksam gemacht, wie Zenothemis die Speisen verschlinge, bemerkt er, daß
er schon von selbst denselben wie von einer Warte beobachtet habe.
Wenn Lykinos § !28 erzählt, er habe beim Lesen des Briefes Angstschweiß ver-
gossen und gewünscht, daß die Erde sich aufthun möchte, so ist das ebenfalls malitiöse Ironie.
Ironisch ist auch die Bemerkung am Schluß fjtfjctO^tixa ^öti, otg ovx uafaXf^
änquxTov ovra avrfariäaf)ai rotovroic ao(foTc. In dieser scheint mir jedoch anQuxror nicht
richtig. Daß dasselbe nicht in seiner eigentlichen Bedeutung dnyoc zu verstehen ist, liegt
auf der Hand. Davor warnt das Beispiel des Histiaios § 45, welcher bei seiner Bemühung,
die Kämpfenden auseinanderzubringen, verwundet wurde. Fritzsche erklärt an^axtot' inertem,
qui nihil profecerit in philosophia, und meint, Lukian habe es ironisch im Gegensatz zu
«To(/o?c gebraucht in ähuhcher Weise, wie § 35 die idioiiai den noiioi gegenübergestellt würden.
Aber dann erwartet man einen erklärenden Zusatz, etwa <fi),oaoff(ac. Die Lesart an^ciyfiora
>) X. B. § 35.
TOtoÜTiu)' dÄÄ' iv OTzoud^ äxj>ou>ixsvov.
— 25 —
ferner „als friedlicher Bürger" ') ist neben oi>y. da^faUc zumal am Schluß des Dialogs, wo
Lukiau kräftige Wendungen liebt, ') doch gar zu matt. Ich vermute daher ußaxxqov. „Es
ist nicht sicher, mit solchen Gelehrten zusammenzuschmausen, ohne einen guten Stock zu
haben.'' Lukian sagt dies mit Anspielung auf das wüste Treiben des Alkidamas, der mit
seinem Stocke (.ti\ ßay.trjQCa) alle niederhieb, bis derselbe zerbrach. — Das Adjektiv ist
gebildet wie arojoc 'EvdL Jiä?.. 19. 1.
Die Veranlassung zu der Abfassung dieses Dialogs war meiner Meinung nach folgende:
In Folge der Erzählung im Hermotimos über den Sidiiffxa/.og und den andern 'Egfi.
§ 81 erwähntenThilosophen waren dem Lukian gegenüber Zweifel an der Richtigkeit seiner Angabe
ausgesprochen und ihm Vorwürfe gemacht worden, daß er solches an die Öffentlichkeit bringe.
In dieser Zeit machte er das Gastmahl mit. Er ergriff die Gelegenheit einerseits, um durch
genaue Beschreibung und bestimmtere Zeichnung der Persönlichkeiten die Zweifel an seiner
Aufrichtigkeit zu heben, andrerseits, um für sich offen das Recht in Anspruch zu nehmen,
solch schimpfliches Benehmen öffentlich an den Pranger zu stellen. Dieser Dialog wird
demnach nicht viel später als der Hermotimos verfaßt sein, vielleicht noch im Jahre 161.
3. liXoiov fj Evj^ai.
In diesem Dialoge verspottet Lukian diejenigen, welche mit ihrem Geschick unzu-
frieden sind ■ (dvaaQfdToi) und in eitlen Wünschen und dem Bauen von Luftschlössern
CEqii. § vi xtvijv fiay.aqtur favToTg ca'a7T?.dzrovTfc) eine Entschädigung für das versagte
Glück suchen. Da er nun sah, daß die Liebhaber der Philosophie') sich diesem Hange am
eifrigsten hingaben, benutzte er diese Gelegenheit, um durch Verspottung dieses unnützen
Treibens die Nutzlosigkeit der philosophischen Studien und die Philosophen selbst mit
anzugreifen.
Auch hier läßt Lukian den Lykinos für sich reden. Dieser ist derselbe Spötter
wie in den beiden vorigen Dialogen, welcher durch ironische Bemerkungen voll feinsten Humors
die Erzählungen seiner Freunde imterbricht, dafür aber auch von diesen mit spöttischen
Gegenbemerkungen nicht verschont wird. Aber es fehlt auch wiederum nicht an Stellen, an
welchen Lykinos einen ernsteren Ton anschlägt und ermahnende Worte an seine Freunde
richtet, welche die aufrichtige Meinung des Schriftstellers wiedergeben.*)
Lykinos ist mit seinen Freunden Adeimantos und Samippos nach dem Peiraieus
gegangen, um ein ägyptisches Schiff von ungeheurer Größe zu besehen. Auf dem Rückwege
trifft er seinen Freund Timolaos, einen älteren Mann, ') den er mit der spöttischen Bemerkung
begrüßt, daß wohl eher den Geiern ein Leichnam entgehe, als dem Timolaos eine Sehens-
') Demosth. 4i, 12. ijyyjari/j.e.'Og fJ' fyü) xai ä7:pd]r/j.ovog dvat TtoXkou [xyj eüOög irtc zcjsa/iijv elg rd äuacr^rttoi'
■) cf. fin. Eüvoüy.
^) Dies geht aus der Beschreibung des Timolaos und den Schlussworten xai raina ydoao^iav iizanoüvTSi
hervor.
*) § 26 u. 27. § 40 u. 41.
^) fiiio^ra § 45.
d
— 26 —
Würdigkeit. Timolaos meint, daß I<ykinos wohl nicht minder neugierig gewesen sein werde,
was dieser zugiebt. Sie bemerken, daß Adeimantos zurückgeblieben ist. Samippos meint,
daß die Schuld daran der ägyptische Jüngling trage, denn Adeimantos sei rayrciuy.ovc h tu
iQontxü. Da gebe es doch andere, sagt Lykinos ironisch, oJc xal jutQctday.Qvcui ovx dytirfc. —
Timolaos schlägt vor, weiterzugehen ; Lykinos hält es zwar für unhöflich, ') stimmt aber bei.
Sie unterhalten sich über die Grösse und Pracht des Schiffes und die zahlreiche Mannschaft.
Timolaos rühmt namentlich die Geschicklichkeit des Steuermanns Ileron. Freilich hat die
Mannschaft eine sehr unglückliche Fahrt gehabt und ist nur durch den einen der Dioskuren
gerettet worden, so daß Lykinos die Bemerkung nicht unterdrücken kann : ., Ein bewunderungs-
würdiger Steuermann, dieser Heron, ein Altersgenosse des Nereus, der sich so weit vom
Wege verschlagen ließ." — Während sie sich so mit einander unterhalten, bemerken sie
plötzlich den Adeimantos, der ganz vertieft in Gedanken ist. Gefragt, worüber er nachsinne,
schämt er sich, es zu erzählen. Mutwillig fi-agt Lykinos (io,v t(>wiix6p xl taiiv; indem er
hinzufügt ovdf lovro utivtjioic rifitr ß^uyoQtvßtic. Da erzählt Adeimantos, wie er ein Luft-
schloß gebaut habe; er habe sich als Besitzer des großen Schilfes augesehen und in dem
Gedanken geschwelgt, welch herrliches Leben er nun führen werde. Nun habe Lykinos das
Schiit' und mit diesem seinen Reichtum in den Grund gebohrt. Lykinos ist über diesen See-
raub höchst betrübt und sagt, Adeimantos solle ihn nur verklagen. Aber er AvoUe ihn trösten.
Er solle fünf solcher Schiffe besitzen. Freilich werde er hochmütig werden, da er schon als
Besitzer Eines Schiffes nicht mehr auf ihren Ruf gehört habe. Adeimantos will nicht ver-
spottet werden. Er sagt, sie sollten nur weitergehen; er wolle wieder auf das Schiff.
Lykinos will mit dorthin und wirft dem Adeimantos, da dieser ihn nicht aufnehmen will, vor,
er sei schon stolz geworden und verachte seine Freunde. Schließlich bittet er ihn, ihm etwas
aus Ägypten mitzubringen, wo möglich eine Pyramide. Timolaos macht diesem Scherz ein
Ende mit den Worten ttkic natdulc, o? ^/vy.tit. Er schlägt dann vor, daß ein Jeder von
ihnen, um die Zeit zu verkürzen, einen Wunsch vortragen solle. Daran könne man sehen,
wer am besten zu wünschen und den Reichtum am besten anzuwenden verstehe. Alle stimmen
bei, Lykinos resigniert, um nicht neidisch zu erscheinen. Nun wünscht sich Adeimantos
unermeßlichen Reichtum und erzählt, wie er dann als großer Herr leben werde, wie stolz er
sicii gegen die jetzt so vornehm thuenden Leute wie Kleainetos und Demokritos benehmen
werde, wie er aber seine Freunde nach Gebühr belohnen werde, am wenigsten freilich I-ykinos
oTi /.äXoc ^Gtt y.ai tTTtaxomni /jov Tijr /-vx'i*'- Lykinos nimmt nun einen ernsteren Ton an
und spricht über die Vergänglichkeit des Reichtums. '•') Dieser sei ohne Gesundheit kein
Glück. Auch drohten dem Reichen Nachstellungen, er werde beneidet und gehaßt. Nun
solle Lykinos gar nichts haben, sagt .\deimantos beleidigt, worauf dieser erwidert, das mache
Adeimantos wie die meisten Reichen, daß er viel verspreche und wenig halte. — Jetzt ist
Samippos mit dem Wünschen an der Reihe. Dieser wünscht, ein Krieger zu werden, der
anfangs als Räuber lebe, dann infolge seiner Tapferkeit zum Anführer einer Schar gewählt
werde und stufenweise au Macht emporsteige, bis er schließlich ein mächtiger König geworden
M § 4 ipÖTt fiij cxatbv 5.
«) § 26 u. 27.
— 27 —
sei. Als solcher wolle er Griechenland und Asien erobern und den König der Feinde mit
eigener Hand töten. Lykinos solle Hauptmann der Reiter werden. Dieser will die Ehre nicht
annehmen, er könne nicht reiten und würde, wenn man ihn nicht festbinde, vom Pferde
fallen. Er will lieber als Satrap in Griechenland bleiben, da er furchtsam von Natur sei.
Aber er muß mit. Während eines Kriegsrates sagt Lykinos plötzlich, sie sollten sich, da
sie bereits am frühen Morgen nach dem Peiraieus gegangen und nun schon wieder .30 Stadien
marschiert seien und die Sonne brenne, etwas ausruhen und auf eine umgestürzte Säule
setzen. Von Samippos ermahnt, daß sie in der Nähe von Babylon seien , ruft er aus ^y"*
öf v^ffttr oi/Jtir xtd vnaQ anoffuivsaü^ui rrjv yvo)firjv. Während der Schlacht ist Lykinos
ängstlich, aber er siegt. Samippos tötet den König der Feinde und herrscht über Griechen
und Barbaren. An diesen Wunsch knüpft Lykinos wiederum ernste Worte über das wenig
beneidenswerte Leben eines Königs. ') Dann ermahnt er den Timolaos, besser als die andern
zu wünschen, da er ein verständiger ^) Mann sei. Aber Timolaos ist in seinem Wunsch noch
weit maßloser. Er wünscht sich verschiedene Einge; einer derselben soll ihm Stärke und
Gesundheit bringen und ihn unverwundbar machen, der zweite soll ihn unsichtbar machen, durch
andere will er instandgesetzt werden zu fliegen, die schwersten Lasten zu heben, die Leute
einzuschläfern und alle Thüren zu öffnen; der letzte soll ihn liebreizend machen, daß Alle
vor Liebe zu ihm vergehen. Dabei will er viele tausende von Jahren leben und nach tausend
Jahren sich stets wieder verjüngen. — Nun wird Lykinos in seinem Spott beißender. Er
fragt den Timolaos, ob er einen Mann kenne, welcher ein solches Glück genossen habe, und
besonders einen solchen, welcher, trotzdem er wie Timolaos kahlköpfig und stumpfnasig sei,
doch allen liebreizend erschienen sei. Auch wundere er sich, daß Timolaos so viele Ringe
gewünscht habe und nicht Einen, der alle diese Eigenschaften vereint besitze. Timolaos
bedürfe jetzt nur noch Eines Ringes, nämlich eines solchen, welcher ihn von diesem Stumpf-
sinn heile. Dann solle Lykinos S avxoffavTmr lovc aXloiK zeigen, was man wünschen solle,
erwidert Timolaos. Aber da der Weg zu Ende ist, hält Lykinos dies nicht für notwendig.
Er hält dann zum Schluß den Freunden das Unsinnige ihres Treibens noch einmal vor und
sagt, daß sie infolge dessen mit der Wirklichkeit unzufrieden seien. Ihm genüge es, über
solche Leute zu lachen, zumal wenn sie sich mit Philosophie beschäftigten.
Das Einlaufen eines vom Sturm verschlagenen ägyptischen Schiffes von seltener
Größe und Pracht, welches die Athener scharenweise nach dem Peiraieus lockte, wird eine
wahre Begebenheit gewesen sein. Für die Annahme einer weiteren historischen Grundlage
fehlen die Angaben. Dagegen wird aus der bestimmten Ai't und Weise, in der § Aly die
Persönlichkeit des Timolaos beschrieben wird, sowie aus den ernsten Worten, mit denen
Lykinos am Schluss die Freunde ermahnt, zu schließen sein, daß dem Lukian bestimmte
Personen vorgeschwebt haben, deren Namen verändert sind.
Während der Jahre 162 — 165 führten die Römer unter L. Verus Krieg gegen die
Parther. Wenn es nun § 33 heißt «rr öi lotxcc^ tnl l4Qfifv(oi'c y.ai I7ttQ'h<a(ovg fläaeiv,
') § 40.
ä) § 41 ä'jijpa a'jvsrw xat T.fidyitam ■/jiT^ai'tai. slSina.
d*
— 28 —
(juxifict tjvlu xul ri/r ro^txrjr tvaio^u, SO bemerkt Fritzsche ') mit Recht, daß diese Worte weder
nach dem Kriege, in welchem die Parther besiegt wurden, noch auch während des Krieges
geschrieben sein können, da man dann in den Worten des Samippos mit Recht eine Verspottung
des Verus finden könne. Demnach ist mit Fritzsche die Abfassung dieses Dialogs in die
Zeit 160/161 zu setzen.
4. Evvoi%og,
Mit übermütiger Laune schildert Lykinos seinem Freunde Pamphilos einen Prozeß,
welchen er soeben mit angehört hat. Von den vom Kaiser eingerichteten Lehrstühlen der
Philosophie sei einer durch den Tod eines Peripatetikers frei geworden. Um diese Stelle,
welche mit 10000 Drachmen jährlich dotiert werde, hätten sich viele beworben. Nun sei der
Gerichtshof, der aus den ältesten, besten und weisesten Männern gebildet werde, zusammen-
getreten und habe geprüft, welcher der Bewerber am würdigsten sei, als Nachfolger berufen
zu werden. Da hätten besonders zwei den Rang einander streitig gemacht, Diokles o nqeaßvT^c
und Bagoas, welcher bisher für einen Eunuchen gehalten worden sei. An Gelehrsamkeit,
bemerkt Lykinos mit bittrem Spott, sei keiner besser als der andere gewesen.*) Schließlich
sei dem Diokles die Geduld gerissen und er habe gesagt, ein Eunuch, welchem am frühen
Morgen zu begegnen eine Sache von übler Vorbedeutung sei, dürfe überhaupt nicht bean-
spruchen, für einen Philosophen angesehen zu werden. Ein Philosoiih müsse vor allem einen
tüchtigen Bart haben, welcher dem Bagoas gänzlich fehle. Bagoas habe darauf geantwortet,
daß man ebenso, wie man früher nichts darin gefunden habe, wenn Frauen wie Aspasia,
Diotima, Thargelia philosophische Studien getrieben hätten, auch die Eunuchen nicht von
der • Beschäftigung mit der Philosophie ausschließen dürfe. Manche Eunuchen hätten als
Philosophen großen Ruhm erlaugt, wie der kürzlich verstorbene Akademiker aus Gallien und
der Tyrann Hermias von Atarneus, welchem Aristoteles sogar geopfert habe. Wenn ferner
der Bart den Philosophen mache, dann sei der Bock der beste Philosoph. Ein Eunuch sei
weit mehr, als die andern, geeignet, diöc<axa/.oc zu werden, da er nicht wie Sokrates angeklagt
werden könne uic ur dmifijf(qun' id /.itiQuxia. Da kommt ein Dritter und sagt. Bagoas sei
gar kein Eunuch, sondern er habe dies, da er früher einmal als /.lor/Jc ertappt sei, vorge-
schützt, um einer Anklage zu entgehen. Die Richter seien ratlos gewesen und hätten die
Sache nach Rom an die höhere Instanz verwiesen.
Die Ausdrucksweise des Lykinos ist an manchen Stellen, namentlich am Schlüsse,
wo Lukian krasse Wendungen liebt, recht anzüglich und derbe. Im Gegensatz dazu finden
wir auch hier moralisierende Bemerkungen eingestreut, welche die wahre Meinung des Lukian
wiedergeben :
§ I. Es sei lächerlich, daß Philosophen mit einander prozessierten, die jede Sache
in Frieden mit einander ausgleichen müßten.-'')
') ad li. 1. vol. II pars II pap. 35.
"■') § 4 O'j'J' k'rspog uWöii' itisivtov yj.
ä) TOÜTO .... )-tÄow> /j;'S(f TU fdoaö^oui ut-TUi ihxdUaftat n/M/g äHÄrj/Loui, äio\', el xai rt iii^a «?)}, xax'
— 29 —
§ l). Pampliilos sagt, weun er Hiclitei- gewesen wäre, würdu er weit mehr Zeit auf
die Untersuchung des Lebenswandels der Bewerber, als auf die der erlangten Kenntnisse
verwandt haben. Lykinos stimmt ihm I)ei mit den Worten tv }Jytic xu/jt o(i6Wfj(pov tf
xoi'rw i-Xtic-
§ 13. Lykinos bemerkt, Diokles, welcher tÖ ttjc iioiy^tCac fyx?.rjija vnoy.ivn, mache
es wie alle schlechten Redner, die, um möglichst viele Anklagepunkte zu haben, sich nicht
scheuten, Dinge anzuführen, die mit dem früher Gesagten geradezu im Widerspruch ständen.
So laut Lykinos auch in diesem Dialoge an manchen Stellen die wahre Meinung
und Absicht des Schriftstellers durchschimmern, während er sich an andern ungescheut seiner
ungebundenen Laune hingiebt. Ebenso wie im ^virnöatov liegt hier eine wahre Begebenheit
zu Grunde, welche Lukian erzählt in der Absicht, die Philosophen lächerlich zu machen. ')
Er hat dieselbe mit poetischen Zuthaten eigner Erfindung ausgeschmückt. Als solche zu
erklären sind die Worte di'aotwviaröv ti dnotpairwi' xal drßuvTtjTor Oiufiu xt'j.i') die Forderung
des Ttwywv ßaiyvc und das Beispiel des TQciyoc in der Erwiderung, sowie vor allem die § 12
angeführten verschiedenen Ansichten der Pdchtei". Auch der Zusatz lexQi tov xal i^veiv
uihm xuxd raxhu toic ^toTc bei der Erwähnung des Verhältnisses des Aristoteles zum Hermias
wird nicht anders zu beurteilen sein. Bagoas wird sich auf Aristoteles und Hermias berufen
haben und Lukian des komischeu Effectes wegen diesen über den Aristoteles verbreiteten
Klatsch hinzugefügt haben. ^) Da er diese Geschichte dem Bagoas in den Mund legt und
überhaupt den ganzen Hergang dem Leser nicht selbst, sondern durch sein alter ego Lykinos
erzählt, schützt er sich vor der Gefahr in den Verdacht zu kommen, daß er an solche
Anekdoten wie an historische Thatsachen glaube.
Der Name Bagoas ist einfach für den wahren Namen substituiert. Der philoso-
phierende Eunuch war schon an und für sich bekannt genug. Auf Diokles, welcher S nqicßvtriq
heißt, wird mit den Worten o'i<sUct ov )Jyw, zov tgiaiixor wie auf eine bekannte Persönlichkeit
hingewiesen. Die Zeitgenossen werden aus dem veränderten Namen leicht den wahren heraus-
gedeutet haben. Dagegen wird der Name des Zeugen § 10 absichtlich verschwiegen,^) wodurch
Lykinos und mit ihm Lukian die volle Verantwortlichkeit für das Erzählte auf sich nimmt.
Auch der Name des berühmten Platonikers, des Eunuchen aus Gallien, wird nicht genannt.
Es war der Arelate Eavorinus, der Lehrer des Herodes Atticus, der Freund hochangesehener
Männer,^) welcher zur Zeit des Hadrian") und Antoninus Pius') lebte. Schon allein die
Rücksicht auf Herodes Atticus gebot, den Namen des kürzlich Verstorbenen bei dieser
Gelegenheit nicht zu erwähnen.
') § 1-
») § 16.
ä) Wie sehr dem Aristoteles sein Aufenthalt bei lieni Hermias (8traliO ed. Meineke XlII, I, 57) verübelt
und wie er verleumdet wurde, zeigt Athen. XV p. 69(5 a.
^) § 10 TW ')k oyo;jfi iv ä^aveX xst'(Tt9a>,
'•') z. B. des Frunto. Gellius ed. Hertz. II. XXVI. Favorinus jibilosuphus cum ad M. Frontonem consu-
larem pedibus aegrum visum iret, voluit nie quociue seuuiii ire.
0) l'hilüstr. 1 8 (ed. Kayser II pag. 8).
') .-f. pag. 30.
— 30 —
Fritzsche weist in der Anmerkung zu dieser Stelle (vol. II pars I p. 244) in über-
zeugender Weise nach, daß Favoriuus nicht, wie Suidas angiebt, 138 v. Chr., sondern kurz
vor 103, vieUeicht ICl gestorben ist. Da es nun § 7 heißt o'/Jyov nqo ^fiaiv n^öaxi/j^ffac, so
würde sich als Zeit für die Abfassung dieses Dialoges etwa das Jahr 10.'), das erste Jahr nach
Lukians Rückkehr nach Athen, ergeben. Damit im Widerspruch steht freilich die Angabe
des Xiphilinus ') : o df Mäqxoz t).\)-v,v }<; zdc l^^rjrac xal fivtjO-fic I'Ömxs (liv rolg \/0^ijvaioic
tifjäc, ldo}xf äf xal näair av%'}QM7Totc 6i,daffxdkorc tv tuTc yt^fjran: ^nl na<T^c /.oyo)!' nuiöfCac
fiißO^ov ,'njaior (ptQorrac. Danach müßte unser Dialog, da Marc Aurel im Jahre 170 in die
Mysterien eingeweiht wurde,*) lange nach diesem Jahre geschrieben sein. Aber Fritzsche
bemerkt dagegen, daß es viel wahrscheinlicher sei, daß Marcus, der Gönner der Philosophen,
gleich zu Anfang seiner lU^gierung solche Lehrstühle gegründet habe und nicht gegen das Knde
derselben, wo sein Wohlwollen gegen die Philosophen seiner Zeit nach dem Zeugnis des Galen')
bereits in Geringschätzung umgeschlagen sei. Ferner habe Herodes Atticus, dem Marcus den
Vorsitz des Gerichtes, welches die Philosophen prüfen sollte, übertragen habe,*) damals nicht
mehr beim Marcus in Gunst gestanden. Somit könne man selbst gegen die Autorität des
Xiphilinus und Zonaras, welch letzterer auch sonst Antoninus Pius und Marc Aurel verwechsele,
die Gründung der mit 10,000 Drachmen dotierten Stellen in den Anfang der Kegierungszeit
Marc Aureis setzen.
Auch bei dem in unserm Dialog erzählten Prozeß wird Herodes Atticus '') den Vorsitz
geführt haben. Umsomehr begreifen wir, weshalb Lukian den Namen seines Freundes
Favorinus verschwiegen hat.
5. Jiäi.e^ig TTQÖg Ifaiodov.
In diesem Dialog ist der Spott des Lykinos weit harmloser und gutmütiger.
Lykinos fragt den Hesiod, warum er, da er doch von den Musen mit dem Lorbeer
den göttlichen Gesang zu dem Zwecke empfangen habe, das Vergangene zu erzählen und zu
besingen und das Zukünftige zu verkünden, nur den einen das Vergangene betreffenden Teil
seiner Aufgabe erfüllt habe, während er den andern Teil, die Voraussagung des Zukünftigen,
welche für das Leben weit nützlicher sei und der göttlichen Gabe weit mehr entspreche, ganz
und gar vernachlässigt habe. Dies könne aus drei Gründen erklärt werden. Entweder habe
er — es koste ihm Überwindung, dies zu sagen*) — gelogen, oder er behalte diese Gabe aus
Mißgunst und Neid für sich, oder er habe schon etwas geschrieben, wolle es aber noch nicht
herausgeben, sondern damit, wer weiß, wie lange, warten. Denn das könne man doch nicht
') Dio (.'assiiis p<1. Dindorf LXXI !J1.
') i'f. Frib.ache 1. 1. Dio Cass. ibid.
') Galen ed. Chartier VIII p. 848 ätsrd^st re ~sp\ ißo') /.iywn üsi, xai9ä::ap olaitn xai aii, rüiv /Af larpm
npünov ehat, t&v dk ^iloan^mv /lövov izezsiparo ynp rfir^ zoXUöv, ob pö^o» jPe/.o//)i;,y«r<uv , liÄM xal
<piXovsixwv xai ^üoilö^wv xdi ^9ovsptuv xai xaxoijt'^iov.
*) Philostr. rd. Kayser II p. 73.
') Er war iiiitrofahr 101 n. Chr. gehören, also 165 M Jahr alt, gehörte also unter die ^nirroi xa;
TtpseßikaTOi xai anipmaroi {E>>v. § 2), cf. Fritzsche ad Demon. § 1 (vol. II p. I png. 189).
'■) e\ xai ztxpuv Blztif § ',>.
— 31 —
annehmen, daß die Musen einen Teil ihres Versprechens nicht gehalten und ihm die Gabe
der Weissagung garnicht verliehen hätten, zumal dies Versprechen im Gedicht an erster Stelle
gemacht sei. ') Hesiod antwortet, daß er sich leicht damit verteidigen könne, daß überhaupt
alles Gesungene nicht ein Werk des Dichters selbst, sondern das der Musen sei. Aber das
wolle er nicht, da er auch sonst nicht über eine Antwort in Verlegenheit sei. Man dürfe bei
einem Dichter nicht jede Silbe pedantisch abwägen,-) sondern müsse bedenken, daß die
Dichter manches nur des Versmaßes oder des Wohllautes wegen einfügten. Ja, manches werde
auch seiner Glätte wegen, er wisse nicht wie, ins Gedicht mit aufgenommen. ^) Lykinos nehme
dagegen dem Dichter das Größte, was er habe, die dichterische Freiheit und Ungebundenheit,^)
indem er das Schöne nicht sehen wolle, dagegen seine Freude daran finde. Unwesentliches
herauszunehmen und zu tadeln. Aber das thue nicht Lykinos allein, sondern mit ihm viele,
die nicht nur seine Gedichte, sondern auch die des Homer, seines Mitarbeiters in der Kunst,-')
in derselben kleinlichen Weise bekrittelten. Um sich aber auch so zu verteidigen, wie es
einer solchen Anschuldigung gegenüber am richtigsten sei, fordere er den Lykinos auf, seine
Werke und Tage zu lesen. Er werde dann sehen, wie vieles dort in prophetischer Weise
den Landleuten für die Zukunft verkündet sei, indem er ihnen voraussage, welchen Segen
ihnen die Ai'beit bringen werde, wenn sie zur rechten Zeit gemacht sei, und welchen Schaden,
wenn dies unterlassen sei. Das sei fürwahr die Antwort eines Hirten, erwidert Lykinos.
Dann wäre der Landmann ein weit besserer Wahrsager als der Dichter. Denn dieser wisse
z. B. ganz genau, daß die Saat, wenn es regne, schön emporsprossen werde, bei großer Dürre
dagegen Hungersnot eintreten werde. Von einem Seher erwarte man etwas anderes. Dieser
müsse das, was allen verborgen sei, im voraus schauen und verkünden, z. B. daß der Sohn
des Minos im Fasse mit Honig ersticken werde oder daß Troja nach zehn Jahren werde
erobert werden. Aber es werde das wohl richtig sein, was Hesiod am Anfang gesagt habe,
daß er selbst nichts von dem, was gesagt worden sei, gewußt habe, sondern daß ein göttlicher
Anhauch ihm die Verse gemacht habe. Freilich sei dieser nicht ganz zuverlässig, indem er
einen Teil des Versprochenen halte, den andern aber nicht.
Sommerbrodt '') hält diesen Dialog für unecht, weil derselbe an schwerfälliger Weit- l
schweitigkeit leide. Eine gewisse Weitschweifigkeit findet sich allerdings 5? 1, wo Lykinos 1
anführt, was Hesiod bereits gedichtet habe, und im ij 7, wo aufgezählt wird, was der Landmann I
alles im voraus wisse. Aber dieselbe ist nicht störend und nicht derartig übertrieben, daß/
daraus Schlüsse für das Ganze zu ziehen wären. Auch ist der Ton, in dem der Dialo«
geschrieben ist, nicht schwerfällig, sondern durchaus humoristisch. Folgende Stellen sind
echt lukianeisch : § 1 ot' (jiriöf nagu Movawv romov rv^öwtc o/aük nqoii}(anii,ov. — § '^ *'?
tifiiatCac df drtxaXfGavTo f^v vn6a'](^f(Siv . . . xal tavra nQorfQav avTtjv tv tm f'nti.
') Theog. 31 sqq i/sTz^coart^ 'Je ßOt aüiiyjv || ''Hot:v.>, l^ia y.Xtioipx t« ■r'iaaöij.t'jd r^(>ö r'iü./Ta.
') § 4 ij /isTTTflrarov änfnßoXoyo'jiis'.'O?.
') § 5 rä «?£ xal zu 'i-aoi abro 7:o^äxtg hta ij>ra O'jy. oid' ÜTtio? ::fi/)eöiS'j.TO.
*) ib. TT/V kksudepirr^ xal ii' Tw -ocsh i^oualrr/.
*) § 5 !>iuniyyo'i.
*) Ausgew. Schrift, d. Lukiaii. Hfi-lin. Wcidmaun. .\llg. Eiuleit. p. XVIII.
— 32 —
VTTKSyjjfifrni. — §7 ToTro fih' nvf, o'i ,'Jar/iaaTf HaCodf, xcti rtoifinixor fl'QTjzctC (Tni. ib.
tjv (?^ ai'y/joc fm?.dßri xctl dnp^rroiffiv at agoroai, ovdfßta /itjxcy^ /'^ "''z* ).i(iov fnaxo/.ov-
^t/ffat t(ii di'ipu. nvrwr. — Mit Recht führen demnach Bekker, welcher so viele Schriften dem
Lukian abspricht, und Dindorf diesen Dialog mit unter den echten Schriften des Lukian auf.
— Auch Wielaiid hat Unrecht, welcher diesen Dialog für ein Fragment erklärt. Derselbe
ist ein vollständig abgerundetes Ganze, dem auch nicht die Pointe ') am Schlüsse fehlt, das
charakteristische Zeichen der Dialoge des Lukian. —
Lukian verspottet in diesem Dialog die übermäßigen Bewunderer des Homer und
Hesiod, die in ihrer Ehrfurcht vor dem gottbegeisterten Dichter auch das kleinste für l'rlf^ta
xal fTf/ircK hielten und denen, welche auch nur das geringste zu tadeln hatten. Splitter-
richterei und Mangel an Verständnis für poetische Freiheit vorwarfen. Dieser Vorwurf wird
dem Lukian, obwohl er 'iJ^fi. § 72 ausdrücklich die poetische Freiheit betont, häufig
gemacht sein. Ebenso ist die Spitze gegen diejenigen gericlitet, welche in ihrem Wunder-
glauben die von den Dichtern erzählten Mythen als historische Thatsachen^ hinnahmen und
glaubten. Daher gleich am Anfang die ironische Bemerkung xat tj^itTc maTfvo/jfr orroig
l'xnr, während Lukian 'Eqf,. § 72 sagt: [o/] noirjTRi xal yQmfttg f?.ev!/eQoi orrft; dra-
n/.atTovair ovte yfvofieva nomoTt orrt y6v/^a!}-ttt övrctfjt-ra' xat ofioic o noXvc /.fotc
mattvoraiv avrotc xal xijXovviai xr)..
Gessner (Luc. ed. Eeitz III p. 246) meint, daß für das Verständnis dieses Dialogs eine
Stelle des Tansanias von Wichtigkeit sei, nämlich ;», 31, 5. ol öt «viol ovroi (die Boeoter
am Helikon) /.h'yovai. xal mc f^iai'nxfjr 'Hci'oöoc didayßirdj naQci \ixaQväron- xat ißtir Intj
fjat'Tixd, onöaa it fn(}.f'Sä/itt/a xal ^fjtlc xal t'i^yrjfTfic tnl ttqaatr. Diese Stelle beweist
nur, daß Lukian die Sage von den Inti fiavTixu noch nicht kannte und die Botonixa seines
Zeitgenossen Pausanias zur Zeit, als er diesen Dialog schrieb, nicht gelesen hatte. Sonst
würde er gewiß dieses wichtige Verteidigungsmittel dem Hesiod in den Mund gelegt und
mit entsprechenden ironischen- Bemerkungen dai-auf geantwortet haben. Da femer die neun
letzten Bücher des Pausanias zusammen oder nur in entsprechenden kurzen Zwischenräumen
erschienen' und die Vollendung des Werkes etwa in das Jahr 175 n. Chr. zu setzen ist,')
so ergiebt sich für die Abfassungszeit unseres Dialogs nur das sehr unbestimmte Resultat,
daß derselbe vor dem Jahre 175 n. Chr. geschrieben ist.
fi. Kvvixoi;.
In diesem Dialog macht Lykinos einem Kyniker seine Lebensweise zum Vorwurf.
Dieselbe unterscheide sich nicht von der eines Bettlers; ') ja man könne wohl sagen, daß er
wie ein Tier lebe. ') Der Kyniker antwortet, er habe alles, was er brauche, wie sein kräftiger
Körperbau beweise, und fügt dann eine lange Lobrede auf die Kyniker hinzu, die nicht allein
) oi'iijiv rfitint'ia t<üv /.iyoiiivtuv , riÄÄd rij i/izfota fiatfji'ifini; i>eKolst trat ra ."STfia, ou Jtä>u obSi ix^i'^rj
fiiftatog o'iirn' oij yiip ihi ra /tki/ izereXst tiüv ürsajfr^ßivutv, Tit <Y nxekii äireÄt/iiravef.
') Schubart. PauBanias und desaon Periejresc. Zeitschr. 1". Altorthuiiisw. 9. Jalir({. 1851 No. .38 p. 297.
• ) § 2 ßiaipiftttq yäp oüdhv trü t<ü> rr<»;c<üi', oi t^k iifi^xtpov Tf>oyij:> /leTacroömv.
*) § 1 iiräu>9f»oKov ßiov xa't OripMtj irriXe^ä/tevog.
-- 33 —
iu ihrer Bedürfnislosigkeit den Göttern glichen, sondern auch in ihrem Aeußeren. Uies zeigter
'"dife Götterbilder in den Tempeln nicht allein der Griechen, sondern auch der Barbaren.
Diesen Dialog erkhären Solanus, Bekker, Fritzsche, Bernays für unecht, während
Wieland, Sommerbrodt, Dindorf und Schwarz ihn mit in die Reihe der echten Schriften des^
Lukiali Uirteelimeu.
Wenn etwas für eine Hypothese auf dem Gebiet der Kritik und Exegese des Lukian
spricht, so ist es die Zustimmung Fritzsches. Um so genauer ist der Grund zu prüfen,
welchen dieser Gelehrte für seine Annahme anführt.
Fritzsche sagt,') erstens sei die Sprache in diesem Dialog eine ganz andere wie in
den übrigen, zweitens könne der Dialog dQanftai und der Kvyiy.og nicht denselben Verfasser
liaben. Die ÖQan. enthielten eine bittere Anklage gegen die Kyniker jener Zeit, der Kvvi/.oc,
dagegen eine Verteidigung derselben. Wielauds Bemerkung, daß Lukian den wahren Kynismus inf\^ '(%.
auch einmal habe loben können, werde dadurch hinfällig, daß nicht Diogenes oder Menippos ,._-. X\V 0*^ ^
■oder der Kynismus im allgemeinen, sondern nur die Kyniker jener Zeit gelobt würden. Nun ' , j^^v--«^ '
seien aber die d^unfcai entschieden eine Schrift des Lukian, also müsse der Kviixog unecht jJtJtAi/v^' "^
sein-) Derselbe sei vielleicht das Wei'k eines Zeitgenossen des Lukian, welcher sich eben-
falls des Pseudonyms Lykinos bedient habe, um unter dieser Maske den Lukian zu wider-
legen; doch könne er auch viel später, etwa 363 zur Zeit des Kaisers Julian geschrieben
sein, wo der Kynismus wieder aufgekommen sei. — Bernays nennt diesen Dialog ein Machwerk
eines Kynikers der byzantinischen Zeit.") -
Darin hat Fritzsche unbestritten Recht, daß unter dem Kvrixoc die Kyniker aus der
Zeit des Lukian und nicht sämthche Anhänger des Kynismus zu verstehen sind. Wenn
letztere gemeint wären, würde Lukian wie im Zsvg ti.iYi6iAtvoc und KatünXoiK den Namen
KvvCcry.oc gebraucht haben.*) Dagegen kann ich Fritzsches Auffassung von der Tendenz dieses
Dialogs nicht beistimmen. Fritzsche meint nämlich, daß derselbe eine ernste Verteidigung
der Kyniker der damaligen Zeit enthält. Derselbe ist vielmehr, v.'ie die übrigen Dialoge, als\
Satire aufzufassen. Diese liegt, wie Schwarz bemerkt,'') „in der Selbstverherrlichung des I
Kynikers und in seiner Hinweisung auf das andere Extrem gegenüber dem von Lukian ange- j
deuteten Mittelweg, sowie in der Selbstobjektivierung des Verspotteten." Ich gehe noch weiter /
und glaube, daß unter dem Kvrr/.6c eine bestimmte Persönlichkeit verspottet wird, ein Kyniker )
der damaligen Zeit, der durch seine übereifrige Verteidigung des Kynismus in weiteren Kreisen i
bekannt war. Indem Lukian die Denk- und Sprechweise desselben nachahmte, zog er sie j
zugleich durch Übertreibung ins lächerliche. Daraus erklärt sich auch die eigentümliche
Ausdrucksweise in diesem Dialog. Beispiele dieser Überti-eibung sind folgende Stelleu :
§11. Um zu beweisen, daß die Menseben die Dinge nicht zu ihrem wahren Zwecke
gebrauchten, führt der Kyniker an, daß sie das Fleisch der Tiere nicht zum essen, sondern,
') vol. II pars II j). 2.35 in der Einleitg. zu den dpa-irai.
*) atiiui Fugitivos scripsit Lucianus, ergo alius scripsit Cynicum.
■*) 1. 1. p. 105.
■*) Bernays 1. 1. p. 47.
*) Hermot. p. 32 Anm.
— 34 —
wie bei der Purpurschnecke, zum färben gebrauchten. Ebensogut könne man einen Misch-
kessel') als Kochtopf gebrauchen, nur daß er nicht dazu bestimmt sei.
§ 1!2. Wenn die Kyniker nach der Meinung des Lykinos wie die Tiere lebten, dann
lebten die Götter schlechter als die Tiere, da sie nichts bedürften. ')
§ 13. Der Kyniker fragt, ob Lykinos glaube, daü Herakles deshalb durch die Welt
gewandert sei, weil es ihm an Decken und Schuhen gemangelt habe.
§ 14. Der Kyniker verteidigt das ax^fia der Kyniker, den Bart und das lange
Haupthaar und das ärvnödijioc that xal yr/jvoc ßaditttv damit, daß dies den Alten, die
weit besser als seine Zeitgenossen gewesen seien, so gefallen habe, die es ebensowenig wie
die Löwen geduldet hätten, geschoren zu wci-den. Dann sei dies ai^fiu auch der Götter
würdig, wie die Standbilder derselben nicht allein bei den Griechen, sondern auch bei den
Barbaren zeigten; denn auch diese trügen langes Haar und einen Bart und seien meistenteils
dx(t(t)vtg.^) ■
§ 15. Der Kyniker wünscht sich rovi; fjtp nööac on?.o)v Inndmv ovdiv dta<ffQeiv.
§ 16. fl /jfr dtl ivoc Idiov ayijfjaroc %olc ayaO-oig, tC nqfnoi. ur /ja/.kop ^ rort'
07Tf-Q avaididtaTov tote axo?.daiotc tail xal ontq nnfv'^uivi' uv ovcoi ftähata ^X*"'-
Zu dieser Selbstverherrlichung paßt der weitschweifige Periodenbau, sowie die häufige
Wiederholung eines und desselben Wortes oder derselben Konstruktion unmittelbar hinter-
einander vortrefflich. Solche Wiederholungen linden wir in den >;§ b — l'i siebenmal:
§ 5. oig i%in' fitv i]ijäg anut Travioöand, l'xtn' dt notov /ydi', iy,tiv dt xQWata,
i'X'^iv de tvv^v xt'l.
§ 8. axonei ydq tov . . . xqvgov, cxönti xov ctQyvgov, axontt rcec taihr/iitc. —
ib. nöatav novtav, nöawp xivdi'von>, [td'Ü.ov de ai'^aroc xat . . . diuif^/oQcei; df^/Qumwf nöa^q;
§ 10. t( dei Xfyetv; %l dt xal '/.(ynv oGa xtX.
§ 16. ^avfiia^w dt aov, nwc noit xtOuQMdov /it'p tna fofif^nc ßjoh]v xal Gxfjfia
xal avÄfjcov vrj JCu yt Oir^ija xal Gioi.^v xal Tgaywdov yt ö'XW" ''"' O''o7.;;>/) ch'dQog de
dyaifov ff/^jU« xal atoX^v ovxfrt vo^I'Qik.
§ 17. ov t^ (ialaxoTtjfi, ov tw nX^^n twv pftTwr^ffxwi', ov roTg dftfftccGfjiaair. xi/..
§ 18 fünfmal nori di.
') i-zi xui r<ü xpazf/pt (Jüvair' äfi- rtg ßta!o;i£>os mansp y/'^p'J- yi^piioanftm, tMij oü n/iiis roOro Yeyo-^s-^.
'^) /.äKEtra tl &rjpioij ßio-j ßpit}(ia»/ dsöiisvn^ xai üXiyotg ypmrjisyoi Soxüi /rot CV' xtv^uvetjournv oi i?£Oe xai rüiv
fhyfiimv tX-^ai j(tipo)>ss xaTÖ. ys tov aöv /.öyo>.
') Solnnus schlipßt tliinius . daß iler Kyniker xopäi-j genannt werde, auf die Uncchtheit des I)ialu|i^8.
Allerdings werden die Kyniker an andern Stellen, z.B. öpa-sxat §27 als i" Xf'<P xexapuhot geschildert;
aber daß aueli langes Haar für ein elnirakleristisches Zeichen der Kyniker galt, geht hervor aus Athen IV
163 d. ö Jti'iSuipog .... T:u9ayopuug 31 dö^aq eXvat üiiwv rmv xui/txiäv rprmov SOi), xofjtü» xai (»jtz&v xai
äwmniJerö/i'. Viele werden aucli in der löwenartigen Mähne ihr Meal Herakles zu erreichen sieh lieniülit
haben.
*) xai vor rpnyiodoi) und die Worte ys "-/rriH't xai tTTtXr^-u vor äv'}pAg fehlen in den codd., sind aber meiner
Meinung nach für den Sinn der Stelle und die Gleiehniäßigkeit der Konstruktion durchaus nötig. —
Ebenso glaube ich, daß § 4 nach oixia die Worte toü X''/"^) «nsgefallen sind und der Kyniker in
ähnlicher Weise wie gleich darauf rt 'U iiT>9rjg toü x"f"'' • ''."' "'^Z' '''^- «"ch hier gefragt hat otov oixia
— 35 —
Aber wo l)leil)t der Spötter Lykinos? Dieser verstellt sich und niniint dein ernsten
Kyuiker gegenüber denselben ernsten Ton und dieselbe eniste Ausdrucksweise an. Docli wird
ihm dies recht schwer und verfällt er stellenweise in den alten, gew<ihnteu Ton. Die Worte § 2
ort oi'x irVtt'/JattQfyf (loi, fid Ji'ct, rm> TwÜ.uiv öianüa^'ß^ai öoxtlc. u'/j^ ^vdsfarfQor, ^ici).'/,or
öf tf)Jo)<; fvöto.c y.ccl dnoQüic' öiccffQfic )'c<q ovdi-r cSv tüiv mwyimr, o'i.' rtjy t(fri(jitQov TQoifr/V
/jaruiioi~air zeigen durchaus die sonstige Färbung und Klarheit; auch die gewohnten mut-
willigen Äuüerungen fehlen nicht. Ironisch ist § 1 der Zusatz aufzufassen ov /i/^froi y.u) rovio
ItTTTov ot'iii- fta/.ay.or ortU drOijQov' — ferner § 4 die Antwort orx nid« auf die Frage nörtf)'
ovv ro) noöi- xuy.iov l'yjir i)ny.o> (ioi ; - und § 10 der erschrockene Ausruf y.al n'c ovtoc nach
der langatmigen Anschuldigung des Kynikcrs. — Bei dieser Auffassung des Dialogs als Satire
fällt der von Fritzsche angeführte Widerspruch mit den ÖQu-nfrui fort, wie auch die Eigen-
artigkeit des Ausdrucks ihre Erklärung findet. Es ist somit kein Grund vorhanden, den
Dialog für "unecht zu halten.
Derselbe ist in einer Zeit geschrieben, in welcher Lukian sich bereits von der
Deschäftigung mit der Philosophie losgesagt, aber doch noch Interesse daran hatte, sich
ausführlicher über das Ungereimte in der Lehre der einzelnen Sekten auszusprechen. Er
gehört demnach mit zu den ersten Dialogen und ist um dieselbe Zeit wie 'Ei)ij6Tipoc, IGO n. Chr.,
vielleicht, wie Schwarz annimmt, noch etwas früher verfalit.
7 . JJt Ol 6 Q y ri (J e 0) g.
Diese Schrift, in welcher die in dialogischer Form geschriebene Partie nur den
kleinsten Teil ausmacht, ist dem ersten Anschein nach eine Lobrede auf die seit Augustus
blühende Pantomimik. Wieland glaubt, da(j dieser Panegyrikus . von Lukian ernst gemeint
sei. Von diesem Standpunkte ausgehend nennt er die Schrift eins der schlechtesten Produkte
des Lukian. Die Lobrede sei im Geschmack der sophistischen Deklamationen der damaligen
Zeit geschrieben und ersetze den Mangel an philosophischem Geiste durch falschen Witz und
Hyperbolen. Dies mag auch der Grund gewesen sein, weshalb Bekker die Schrift für
unecht erklärt.
Anders urteilt Grysar.') Dieser bemerkt, auch Lykinos bei Lukian spreche als
Enthusiast seine Apologie der Pantomimik; und wenn auch der Schriftsteller selbst nach
seiner gewohnten Weise es etwas ironisch mit seinem Apologetikus nehme, so habe er doch
ganz im Geist seiner Zeit gesprochen, wo die Zuschauer ihr Entzücken auf eine so aus-
schweifende Weise an den Tag gelegt hätten, daß man sie mit Recht für Rasende hätte
halten können.
Mit Recht sieht Grysar in der Lobrede eine Satire. Dieselbe ist ebenso wie die
bewundernden Bemerkungen des Lykinos in der Unterredung mit Kraton nichts weiter als
Ironie, durch welche die allzu leidenschaftlichen Liebhaber der Pantomimik verspottet
werden. Aber diese sind nicht allein die Angegriffenen. Wenn Wieland sagt, daß diese
Schrift im Geschmack der sophistischen Deklamationen geschrieben sei und dies als ein
') filier die l'niitomiiiiik ilci- Itiniifi'. Uli. Mus. 2. .Tiihi'g. 1834 ji. (Ki.
— DG —
Zeichen vdii Schwäclie der Urteilskraft anführt, so nennt er das Schwäche, was bei Lukian
bestimmte Absicht war. Lukiau wollte in diesem Ton schreiben, um durch Nachahmung und
absichtliche Übei'treibuDg die Schriftsteller zu verspotten, in deren Lobschriften über die
Pantominiik die seltsamsten Dingo vorkamen. Dies geht deutlich aus folgenden beiden
Stellen hervor. . .
§ 7. Lykinos sagt, daß diejenigen, welche -die Untersuchung über die Entstehungs-
zeit der Pantominiik am richtigsten anstellten, den Ursprung derselben wohl zugleich mit der
Entstehung des Weltalls ansetzen würden.
§ 33. Mit einer gewissen Würde verwahrt sich Lykinos gegen den Vorwurf der
Unwissenheit und Ungelehrsamkeit; er wolle nicht so geschmacklos sein, wie viele Schrift-
steller, die in ihren Werken über die Tanzkunst die einzelnen Arten derselben durchgingen,
die Namen aufzählten und hinzufügten, von wem eiue jede erfunden sei, indem sie glaubten,
dadurch recht gelehrt zu erscheinen. In demselben Sinne sagt er § 35, daß es geschmacklos
sei, die Erzählung zu lang auszudehnen, um gleich darauf in eine solche Geschmacklosigkeit
zu verfallen und § 37 — 60 die Mythen einzeln aufzuzählen, die der Pantomime kennen müsse,
bis ihm schließlich der Athem ausgeht und er sagt (§ 60) am'/.övrt df tfntJr, oi'äii' imv
vno Tov O/jijQov xai Hffiodov xai tmv uqCcrwv noir^TMi' xal [lühcra rijc TQuymdfac
).hyoii(vitiv uyi'orjoei.
Der satirische Charakter dieser Lobrede läßt sicli besonders aus folgenden Stellen
ei-kennen.
§ 8. Rhea hat von der Einsetzung der Karoten großen Nutzen gehabt; diese hätten
durch ihr Tanzen den Zeus gerettet, so daß dieser selbst wohl eingestehen würde,'; denselben
den Ilettungslohn schuldig zu sein, da er nur durch ihr Tanzen den Zähnen seines Vaters
enti'onnen sei.
§ 10. Die Tanzkunst des Neoptolemos habe Ilion, welches so lange uneinnehmbar
gewesen sei, eingenommen und zerstört. "0 '
§ 10. In rationalistischer Weise wird der Mythus von Proteus erklärt. Dieser sei
nichts weiter als ein gewandter Tänzer gewesen, der ein außergewöhnliclves Nachahmungs-
talent besessen habe, so daß er durch die Schnelligkeit seiner Bewegung auch das Fließen
des Wassers und das Auflodern des Feuers habe nachahmen köunen.^)
§ 23. Es sei Frevel gegen die Götter CdvoGior), gegen solch göttliche und mystische
Beschäftigung etwas zu sagen, die von so vielen Göttern getrieben werde, die man ferner
ausübe, um die Götter zu ehren. Sie ergötze nicht allein, sondern sei auch nützlich.
§ 24. Hesiod preise als höchstes Lob der Musen ihren Tanz o»' tt«^' a/./.ov axovaac,
u/,/. id(ih> avxoc xtX.
') wäre xai awtnpa sh.6rcu>i äv ö Zsug (Weustv änoMYoltj aörocg ixfuyiiiv Uta Tr/> ixeiMiiv önyiiin.' roh{
TzaTpöiong öjöuras.
'^ TOtyapo'iv TTjV Ihnv ziius äfä/Mjrnn oTiaav ij ixslnou üfi/T/trTixij xn9tt).e xat slg S'}apoe xarripliuf'tv.
•') Mxti ydp iiot ö Tzakatos ixüdog xai Upania .... oux äkko Tt r/ öp^,<TTfii/ rca fsfiirtiai Äiyeiv, ,ui;i7,rtxio
fhSpoiJiov xai ::piii Krhra tr/r^pari'sni'hu xai psraß'Vltnftat ii'ivä;isiO>, ün; ;c«i '/rJaTOi uyiiifrr,Ta lupsTaftat
xai npug ö^ürrjTa xr/..
— 37 —
§ ^"i, Sokrntes, der weiseste Mann — wenn man der Pythia glauben dürfe — sei
ein großer Verehrer der Tanzkunst gewesen. ') Wenn dieser die Pantomimik in ihrer höchsten
Vollendung gekannt hätte, würde er die Jugend nichts anderes eher gelehrt haben.
§ 32. Die Pantomimik sei nur deshalb nicht ein Gegenstand öffentlicher Wettkämpfe
Ci'ruyuhioc), weil sie den Kampfrichtern. zu groß und ehrwürdig erschienen sei, um vor ihren
lüchterstuhl gezogen zu weiden,
§ 3.'). Der Pantomime müsse selbst in der Philosophie bewandert sein, wenigstens
in der Physik und Ethik, während die Dialektik für ihn nicht nötig sei.
§ 3f).' Die Worte, mit denen Thukydides den Perikles lobe, paßten auch auf den
Pantomimen (yvwvaC if iu Sforza xal fgfi'iji'f-vfTut avtu).
§ 70. Wenn die Seelenlehi-e Piatons richtig sei, so sei der Pantomime der beste
Interpret der drei Teile der Seele, des ^vpixor, wenn er einen Zornigen, des tniÜv/j/rjTixor,
wenn er einen Liebenden darstelle, des /.oytßTixov, wenn er diese Leidenschaften in maßvoller
Weise wiedergebe. Ferner bewahrheite') er die Lehre des Aristoteles, daß auch das Schöne
ein Teil des Guten sei xiilXovc ngorooiv xctl jtjc tv tolc oQxij/jaaiv st'fioQft'nc. Auch hiibe
er, fährt Lykinos fort, jemanden behaupten höi-en, daß das Schweigen der Maske des Pan-
tomimen geheimnißvoll auf ein Dogma des Pythagoras hindeute,^) was aber eine übereilte
Bemerkung sei. Solche Stellen, wie der Schlußsatz , welche dem ganzen den Schein der
Glaubwürdigkeit und des Ernstes verleihen sollen, wirken in der Parodie doppelt komisch.
§ 76. Nachdem Lykinos ein paar witzige Bemerkungen der Zuschauer über die
Pantomimen, deren Wuchs nicht normal gewesen sei, angeführt bat, fährt er fort, dies erwähne
er nicht des Lächerlichen wegen, sondern um zu zeigen, daß ganze Völker die Pantomimik
zum Gegenstand ernsten Studiums gemacht hätten.
§ 79. Die Zuschauer lernten durch den Anblick des Pantomimen sich selbst
erkennen. Man beachte hier den übertriebenen Ausdruck dtf/,vwc ydo to Jehfixov txtlvo
z6 Y^öti}! anxvTov Ix T^c dfac ^xsirric uxhoTc nt^iyiYvsTui.
Aber obgleich diese Parodie den größten Teil der Schrift ausmacht, ist die in der-
selben liegende Verspottung gewisser Schriftsteller nicht der Hauptzweck derselben. Dieser
ist vielmehr die Verspottung der Philosophen, welche in dem Dialog zu Anfang und in der
Schlußbemerkung geschieht. Lukian macht sich über dieselben lustig, weil sie diejenigen,
welche an Dingen, wie dem Anblick einer Pantomime, Vergnügen fänden, auf das heftigste
tadelten und dann selbst diesem Vergnügen nachjagten, wenn sie es unter irgend einem
Vorwande mit Anstand thun zu können glaubten.
Der Kyniker') Kraton überschüttet den Lykinos, welcher die Pantomimik zu ntyi<nov
Twv tr rü) ßCoi uyathMV genannt hat, mit den heftigsten Vorwiirfen, zumal derselbe sich etwas
') Mit Anspielung auf Xeu. Symp. II § 1(5.
*) zi 'DJ.n fi r« ro'7 'A/xirroTiHong i-aXrfisust, tö xfi/.Xog trav^n'^/zog xal ;t-i(irii ti yyo'j/iJvO'i räya&oü xiii toOto
dvai; — iiifiog rt Sommerl>ro(lt für idfioq rfiko'j.
•'') ri/.nijaa tli rtvog xal TZsptTTorsfiöv rt ysavtsun;j.ifn') f/::;// rrjg rw^ njiyj^(r:v/.üy^ ■Zfinminzzuo'j mwTzr^g. i'Jrc xal a'krj
ll'ii'^ayi'ipixi'ii' T( ööyp.a ahhrsTai.
') TViclit. Stoikor, wio Grysar I. I. sant. cf. § 4 -a-ai, iu h/iäviui', i'ug xäir/aimv rtvu Ihiirag ijp' ?///«>,• riiv
tra'irrt'i X'ha.
— 38 —
mit Philosophie l)eschäftigt hahe.') Lykinos arttwortet ironisch, das. Beispiel mit den Sirenen
passe vortrefflich,"'') indem diejenigen, welche diese gehört hätten, in ihr Verderhen gestürzt
seien, während er aus dem Theater weit verständiger und mit klarerem Blick für das Leben
zurückgekehrt sei. Ob denn Kraton aus Erfahrung spreche und ein solches Schauspiel ge-
sehen habe. Kraton erwidert voller Entrüstung, das .fehle noch, daß er, ein Mann mit Bart
und weissem Haar unter der rasenden Menge sitzen und- die Windungen eines solchen
Janunermenschen mit ansehen solle. Dann sei seine Enti'üstung begreiflich, erwidert Lykinos.
Er sei aber fest überzeugt, daü Kraton, wenn er ihm folge und nur so lange die Augen
offen halte, wie es des Versuches wegen nötig sei, bald mehr als alle anderen nach einem
passenden Platze suchen werde. Wenn er das thue, möge er nicht d.'is nächste Jahr erleben,
ruft Kraton aus. Auf die Bitte des Lykinos, ihm einmal ruhig zuzuhören, wenn er ihm
beweise, daß diese Kunst nicht nur ergötze, sondern auch bilde und belehre, antwortet er,
daß er eigentlich keine Zeit habe, einen Tollen anzuhören ; er wolle ihm jedoch diesen Liebes-
dienst erweisen. Nun hält Lykinos die Lobrede. Kaum hat er diese beendet, als Kraton
ausruft, er folge ihm mit offenen Ohi-en und Augen. Bei der nächsten Gelegenheit solle
Lykinos für ihn einen Platz mit belegen, damit er nicht allein „weiser" aus dem Theater
r.uiückkehre.
Lykinos ist in diesem Dialog ein Enthusiast, welcher in den bewundernden Be-
merkungen des Dialogs und in der übertriebenen Verherrlichung der Pantttmimik nicht die
Meinung des Lukian wiedergiebt, wohl aber in dem in der Übertreibung liegenden Spotte.
Die Worte § 2 naiöei'u avvTQOffoc. xccl (pi'/.oaoffCa r« /jfrQiu o'fii?.i]y.u)c beweisen,
daß auch dieser Dialog in einer Zeit abgefaßt ist, wo Lukian die Beschäftigung mit der
Philosojdiic noch nicht gänzlich aufgegeben hatte, also 100 — 161 n. Chr.
8. LixüVf-g.
Lykinos unterhält sich mit seinem Freunde Polystratos. Er ist durch den Anblick
einer schönen Frau wie versteinert und begreift jetzt erst den Sinn des Mythus von der
Gorgo. Polystratos will ihm anfangs nicht glauben (av y"Q ^'^" 1'^'' *"'*' fieiQaxCon' xal
nih'v ()cn)(o)c avTo nc(a-/nc), möchte dann aber gern mitversteineit werden. Lykinos verwahrt
sich dagegen, daß er übertreibe. Den Namen der Schönen weiß er nicht; nur hat er von
einem in der Nähe Stehenden gehört, daß sie aus Smyma sei. Nun allerdings gebe er zu,
sagt Polystratos, daß Lykinos wirklich versteinert gewesen sei, da er sich nicht einmal darum
bemüht habe, den Namen zu erfahren. Er solle ihm die Schöne doch wenigstens beschreiben.
Das sei sehr schwer, antwortet Lykinos. Ein Bild derselben könne er nur mit Hilfe der
besten Künstler, wie Pheidias, herstellen. Er zählt dann die berühmtesten Kunstwerke der
Meister in der Plastik und Malerei auf und setzt, indem er von jedem derselben denjenigen
Teil nimmt, welcher ihm am vollendetsten zu sein scheint, daraus das Bild der unbekannten
Schönen zusammen. Dieselbe habe ferner ein Buch in der Hand gehabt. Im Gehen habe
') § 2 xai fitXotrnyta t« /lixpta üt//.ür^xtug.
') § 4 ''^'' '■'"'' AiOTOyäj'mi' xai ^st/n^non sui'im zävn önoinzaTtiV tiot ooxsTi si/ir^xi^^iit — n^rnnrärr^i' liest
Sommerhrodt mit Hecht für das liniidsi-lir. üvniioinT»zr/V. ,
— 30 —
sie sich mit einem ilirer Begleiter unterhalten und heim Lächeln die schönsteu, hlendend
weißen Zähne gezeigt. Nun erkennt Polystratos die Schöne. Es ist die Geliebte des Kaisers,
die denselben Namen hat, wie die Gemahlin des Abradatas bei Xenophon.') Diese kenne
er sehr gut, fährt Polystratos fort. Als ihr Landsmann habe er häufig mit ihr gesprochen.
Noch weit schöner, als ihr Körper, sei ihr Geist und ihre Seele. Von Lykinos gebeten, ihm
diese herrlichen Eigenschaften näher zu beschreiben, ziert er sich anfangs in ähnlicher Weise
wie Lykinos vorher, indem er sagt, daß dies sehr schwer sei. Dann aber ruft er wie Lykinos
die Bildhauer und Maler zur Hilfe, ferner die Philosophen, und beginnt die Beschreibung.
Nur kann er" nicht alles in einem Bilde zusammenfassen, sondern eine jede dieser herrlichen
Gaben verlangt, in einem besonderen Bilde beschrieben zu werden, was Lykinos zu dem
Ausruf veranlaßt toqrriv, m Tl., -/.al navöaiantr tnuyyf/.hic.'^) Nun beschreibt Polystratos
die Stimme der Schönen, von der Homer mit größerem Recht gesagt haben würde, daß sie
süßer als Honig sei, als von dem Pylischen Greise, ferner ihr Citherspiel, ihren Gesang, ihre
Bildung und ihre Weisheit (ao^pia xul avvtatc).' Das Bild der letzteren sei nach dem Bilde
der Weisheit der Aspasia gemacht, übertreffe dasselbe aber weit an Größe, indem es ein
Koloß sei, ebenso wie die jetzige römische Macht bei weitem gewaltiger sei als die des da-
maligen Staates der Athener. Dann beschreibt Polystratos noch ihren trefflichen, menschen-
freundlichen Charakter, sowie ihre Demut und Bescheidenheit in ihrem Glücke. — Nachdem
Polystratos geendet, sagt Lykinos, der brave, milde Kaiser verdiene ein solches Glück, daß
ein so herrliches Weib ihn zärtlich liebe.'^) Polystratos fordert den Lykinos auf, aus allen
diesen Bildern eins zu machen und in einem Buche der Nachwelt zu überliefern. Ein solches
Bild sei bleibender als die Kunstwerke eines Apelles und Polygnot, von denen es sich auch
noch dadurch unterscheide, daß es nicht aus Holz, Wachs und Farben gemacht sei, sondeni
durch den Anhauch der Musen entstanden sei; ein solches Bild sei das getreueste, indem
es sowohl die Schönheit des Körpers, als auch die Tugend der Seele zeige.
Solanus meint, daß unter dem ßaßilsvc L. Veras, der Adoptivbruder und Mitregeut
des Marc Aurel zu verstehen sei. Die schöne Frau sei seine Geliebte gewesen während des
Partherkrieges. Dieselbe sei aus Smyrna gewesen. Ob sie wirklich Panthea geheißen habe,
lasse er dahingestellt. Der Name könne von Lukian lingiert sein, um der Sache das Ge-
hässige zu nehmen. Freilich paßten die Worte ßaniht rm /nyakm zC"?"'r';~ ''«* W^Q''? nicht
gut auf Verus. Da aber Lukian, sonst ein Verspotter der Schmeichlei', in diesem Dialog
alle an Schmeichelei übertreffe, so seien auch diese Worte nicht auffallend. Gegen diese
Hypothese wendet sich Wielaud mit großer Schärfe. Er behauptet, dieselbe ermangele
jeglicher thatsächlichen Unterlage ; ferner dürfe mau einem so feingebildeten Manne wie
Lukian solche fade Schmeichelei auf Verus, der sich in den .\ugen aller Syrer lächerlich
und verächtlich gemacht habe, nicht zutrauen. Wieland selbst sieht in der gefeierten
Schönen die Geliebte des Marc Aurel und führt zum Beweis Capitolinus an. Derselbe sagt
am Schluß der vita Marci Antoniiii Philosoph!: Enisa est Fabia, ut Faiistina mortua in eins
') n<h»s.ui Cyrop. VI 4 § 2.
■■') § 15.
3) § l'l r^oHti'j abzi'iv.
-- 40
niatrimonium coiret. Secl illc coiiciibinam sil)i ailscivit, procuratoris iixoris siiac filiaiii, iin
tot liberis siiperduceret novercam. Diese scheint aber aus Rom, nicht aus Sniyrna gewesen
zu sein. Wenn sie ferner so bedeutend gewesen wäre, würde Capitolinus gewiß mit einem
AVort diese Tref'Hichkeit erwähnt haben. Die Hypothese von Solanus dagegen stützt sich auf
die ausdrückliche Bemerkung des Scholiasten, daß dieser Dialog eine Lobrede auf die Panthea,
die Gemahlin des Veras, enthalte ■). Nur darin weicht Solanus von dem Scholiasten ab, daß
er die Panthea nicht für die Gemahlin des Verus , sondern für eine amica desselben hält.
Dies thut er mit Recht. Denn die Gemahlin des Verus war Lucilla, Marci tilia^'l. Diese
konnte nicht „eine Schönheit aus Smyrna" genannt werden. Auch ist die Schmeichelei in
den Worten ßuaiXtX löi fityühn, xc/ww xal »y/'^pm, wenn diese auf Verus bezogen werden,
nicht so groß, daß Wielands Entrüstung berechtigt wäre. AUyctXo) bezeichnet nur die Macht
des Mitregenten. Daß ferner mit Leichtsinn häufig eine gewisse Biederkeit (xQijaroTiic) und
Milde verbunden sind, ist eine bekannte Thatsache. Wie liebenswürdig Verus war, geht aus
dem schönen Verhältnis hervor, in welchem er trotz seiner nicht eben glänzenden geistigen
Gaben mit seinen Lehrern stand, den berühmtesten Gelehrten der damaligen Zeit''). Trotz
seines Leichtsinns liebte Antoninus Pius an ihm simplicitatem ingenii puritatem(|ue vivendi*).
Auch hatte er bei einer in Pom ausgebrochenen Hungersnot als Regent die größte Umsicht
gezeigt*). — Ich stehe daher nicht an, die Vermutung von Solanus zu unterschreiben,
weiche jedoch darin von demselben ab, daß ich den Namen Panthea nicht für tingiert halte.
Wenn Lukian den Namen Panthea erdichtet hätte, um der Sache das Gehässige zu nehmen,
würde er ihn offen genannt haben, um dadurch die Aufmerksamkeit von dem wirklichen
Namen abzulenken. Nun deutet er diesen nur an. und zwar so versteckt, daß er nur für
die im Xenophon Bewanderten kenntlich war. Diese Beschränkung läßt sich nicht anders be-
gründen als damit, daß auf den wahren Namen in verblümter Weise angespielt werden soll.
Wie bei den übrigen Dialogen wird man auch bei diesem zunächst vermuten, daß
derselbe eine Satire sei. Lukian habe die Icouographie , eine rhetorische Liebhaberei, die
namentlich in Fronto*) einen Vertreter fand, durch Nachahmung und Uebertreibung verspotten
wollen. Gegen diese Anuahme jedoch spricht die offene Bezugnahme auf den ßaaüet'c. Man
wird diesen Dialog nur als eine überschwängliche Lobrede auf die Panthea auffassen können,
so daß Lukian von jeglicher Schmeichelei nicht freizusprechen ist. Es fragt sich nur, ob nicht
vielleicht der (iruud dafür ein solcher war, der dieselbe einigermaßen rechtfertigt, zum
mindesten entschuldigt. Einen solchen glaube ich gefunden zu haben.
Wie der Kaiser Marc Aurel einerseits die leichtsinnigen Streiche des N'erus ab-
sichtlich nicht bemerkte, um nicht gezwungen zu sein, demselben Vorwürfe zu machen'),
) Jjckp T. eh, init. '0 löyoi ouToe livrcyfio^ij rn'i iqllii./>'Uinv zrjn }liinnvnurj. yn-^iÜKi n\ (l'iri.nn. rn'i ym.rrrnCi
2) Capit. Verus cap. 2.
) Cai)it. Verus c. 2. Hos onines amavit unicc, atque ab his invicem dilectus est, nee tarnen ingcniosus
ad litteras.
*) Cap. Verus e. .3.
•) Capit. Marr. .\iit. c. 8. Quao omnia mala Marcus et Verus sua cura et pracsentia temperarunt.
«) Fritzsche vol. II pars II Prolegg. de Hermot. p. XV.
') Capit. Verus c. 4.
- 41 —
suchte er amlicrseits denselljeii, wo er mir konnte, von diesem Leben abzubringen. Zu dein
Zweck schickte er ihn in den Partherkrieg') und befahl si^äter, als Verus in Asien sein
leichtsinniges Leben fortsetzte, der Gemahlin desselben Lucilla, ihm nach Ephesus zu folgen-).
Ebenso wie in der Umgebung des Kaisers wird auch in den Kreisen der Gelehrten, der
früheren Lehrer des Verus, mit Bedauern darüber gesprochen sein, daß der liebenswürdige
Jüngling Gefahr laufe, sich zu Grunde zu richten, und wird Lukian während seines Aufenthalts
in Rom ähnliche Klagen wiederholt gehört haben. Nun sah er auf seinen Reisen , die er
vor seiner Niederlassung in Athen machte, in Asien die Panthea, hörte, daß dieselbe die
(ieliebte des Verus sei, die denselben aufrichtig liebe und als feine und geistreiche Frau den
größten Einfluß auf ihn ausübe. Da mag Lukian mit andern gehofft haben, daß durch den
dauernden Einfluß dieser Frau Verus von seinem leichtsinnigen Treiben abgebracht werden
könne. Zu dem Zweck schrieb er diesen Dialog, damit durch dies öffentliche Lob der Panthea
die Leidenschaft des Verus verstärkt werde und die Anhänglichkeit desselben an die Geliebte
erhalten bliebe. Freilich war der Erfolg nicht der gewünschte. Es wird nichts über einen
dauernden Einfluß der Panthea überliefert. Im Gegenteil, Verus setzte dasselbe üppige
Leben auch noch nach dem Partherkriege fort.
Capitolinus Verus c. VII berichtet: Fertur praeterea ad amicae vulgaris arbitrium
in Syria posuisse barbam , unde in eum a Syris muUa sunt dicta. Vergleicht man damit
die Worte cap. X. Fuit barba prope barbarice promissa und die gleich darauf folgende Er-
zählung, daß Verus besonders eitel auf sein Haar gewesen sei, welches er mit Goldstaub
bestreut habe, so scheint die Annahme nicht unmöglich, daß c. VII eine Forderung der
Panthea erwähnt wird, welche dieselbe an den Verus stellte, um seine Eitelkeit zu unter-
drücken. Da Verus sich bald von ihr lossagte, wurde sie von den Syrern verspottet und
unter die vulgares amicae gerechnet und ihre Forderung als ein lächerliches Verlangen
verhöhnt.
Dieses Lob konnte nur von Lykiuos ausgesprochen werden. Diese Pseudonymität
gestattete dem Lukian ferner, bei Gelegenheit die gewohnten satirischen Bemerkungen ein-
zustreuen. Diese sind hier meistens gegen den Lykinos selbst gerichtet, z. B. gleich am
Anfang die Bemerkung des Polystratos tri' yaQ i'no tow ijkiquxCwv y.i/.., die keinen Vorwurf
gegen den Schriftsteller enthält, ferner die VS^orte des- Polystratos § 1 ot'df tijXotvrr^ffaic, el
ljf'?,'/.oiiJfV TTÄtjaiov nov y.at nvtol naQantn^yfrai ffo» Idoyifc. § 3 Ovxovt' intl X(i^ot) tovto ye mc
dkijÜüK tnofriauc ktX. Ebenso sind die Worte am Schluß aX).K taTc naqu Movawv ^nmvoCan;
t)'xaaitt( ironisch aufzufassen. So sehen wir in dieser ernstgemeinten Schrift an einzelnen
Stellen den alten Mutwillen durchschimmern'). — Der Dialog ist während des Parther-
krieges geschrieben. Nach unserer Hypothese muß Verus sich bereits einige Zeit im Orient
aufgehalten haben. Dieser Umstand führt auf die Zeit 163/164.
') ib. c. 5.
"0 ib. c. 7.
^) Ueber die Pei-soii des Polystratos s. unten pag. 43.
— 42 —
9. Yrtip Tbiv tJixövojv.
Polystratos will dem Lykiuos berichten, welchen Eindruck die Elxövn; auf die
Panthea gemacht hätten. Zu dem Zweck läßt er diese selbst sprechen und die Worte, welche
sie zu ihm gesagt hat, dem Lykinos gegenüber noch einmal wiederholen. Sie freue sich
über die ihr erwiesene Ehre und über das in der Schrift gezeigte Wohlwollen. Das Lob
jedoch sei übertrieben und nicht weit von Schmeichelei entfernt, vor der sie zurückschaudere.
Ein solches Lob verfehle seinen Zweck. Es hebe nicht den Gelobten in den Augen der
andern, sondern mache denselben lächerlich. Dies zeigt sie an einer Reihe von Beispielen.
Dann fährt Polystratos selbst fort. Eins vor allem sei der Panthea unerträglich erschienen,
daß Lykinos sie mit der Hera und Aphrodite verglichen habe. Denn dieses halte sie für
Gottlosigkeit und für ein Vergehen (n/.tj/ifjf/.rjfia). — Und er selbst, fügt Polystratos hinzu,
könne nicht umhin, wenn er die W'ahrheit sagen solle, einzugestehen, daß Panthea Hecht
habe. Wenn er auch früher dies Vergehen nicht bemerkt habe, so sei er doch jetzt, von
ihr darauf aufmerksam gemacht, anderer Meinung. Diese Sinnesänderung begründet er noch
weiter durch einen Vergleich und ein Beispiel. Schließlich fordert er den Lykinos auf, da
Schmeichelei durchaus nicht in seinem Charakter'! liege, das Werk umzuarbeiten, wie es
Pheidias mit dem Zeus zu Olympia gemacht habe. Lykinos, in diesem Dialog ganz der alte
Satiriker, drückt erstens seine Verwunderung darüber aus, daß es ihm so lange entgangen
sei, welch ein Kednertalent Polystratos besitze; sodann beschwert er sich über ein solches
Gericht, bei welchem der Kläger zugleich Kichter sei und der Angeklagte abwesend ohne
Verteidiger verurteilt werde. Es sei leicht (tövov iy^otna xQatelv. Ob er deim, um sich
zu verteidigen , Berufung einlegen dürfe. Polystratos gesteht ihm dies zu , wenn er sich
verteidigen könne, und verspricht auf den Einwurf des Lykinos, dass eigentlich Panthea
zugegen sein müsse, derselben die Verteidigung wortgetreu zu berichten. -Lykinos ist in
großer Eurcht, schwitzt vor Angst und ist in der grössten Verwirrung. Endlich ermannt
er sich und beginnt seine Verteidigung.
Die Bescheidenheit und Demut in den Worten der Panthea bewiesen, wie Uerechtigt
sein Lob gewesen sei. Denn ebenso wie derjenige nach der Meinung des Diogenes berühmt
werde, welcher den Ruhm gering achte, sei derjenige am meisten des Lobes würdig, welcher
nicht gelobt werden wolle. Aber die^ gehöre eigentlich nicht zur Sache. Er müsse sich
vielmehr deswegen verteidigen, weil er die Panthea mit der Hera und Aphrodite verglichen
habe. Das könne er nun sich leicht machen, indem er behaupte, daß der alte Satz, Dichter
und Maler dürften nicht zur Verantwortung gezogen werden, mit noch größerem Rechte auf
den Lobredner angewandt werde. Aber das wolle er nicht, um nicht unwissend zu erscheinen.
Der Lobredner habe Vergleiche nötig''). Da sei nun die Kunst, richtig zu vergleichen. Das
geschehe nur dann, wenn der gelobte Gegenstand mit etwas Höherem verglichen werde. Wie
lächerlich würde es sein, den Milon stärker als eine Erau zu nennen. Ganz anders mache
es ein berühmter Dichter''). Dieser rühme den Glaukos, weil nicht einmal die Kraft des
') § 14 oi yäp n/iijg -oü aoii rpönou tö rotoüroy.
^) fÜTnonidcs.
— 43 -
Polydeiikes sich mit ilun messen könne. Weder Glaukos noch die Götter hätten dem Dichter
gezürnt, dieser sei vielmehr durch jenes Gedicht herühmt geworden. So habe er auch die
Panthea mit einem höheren Wesen vergleichen müssen. — Wenn. Pantliea ferner von
Schmeichelei gesprochen habe, so lobe er sie, weil sie die Schmeichelei hasse. Zwischen
einem Schmeichler und einem Lobredner, wie ihm, sei jedoch ein großer Unterschied. Der
Sclimeichler, welcher aus unlauteren Motiven ') lobe, kümmere sich nicht um die Wahi'heit,
lobe alles auf das übermäüigste und löge nicht selten Falsches hinzu, wie er z. B. nicht
anstehen würde, den Thersites den wohlgestaltetsten aller Menschen zu nennen. Der Lob-
redner dagegeii preise, indem er das vorhandene Gute vergröriere, und auch dabei gehe er
nicht über eine bestimmte Grenze hinaus. Wenn er eine mißgestaltete Frau Aphrodite
genannt hätte, wäre er ein Schmeichler gewesen; nun aber, wo er eine so schöne Frau mit
der Aphrodite von Knidos verglichen habe, treffe ihn kein Vorwurf. — Er hätte sie nicht
mit Göttiunen vergleichen dürfen, habe sie gemeint. Das hahe er auch offen gestanden —
denn sie zwinge ihn, die Wahrheit zu sagen — nicht gethan. Der Vergleich sei nur mit
Götterbildern, Werken von Menschenhand, gemacht; das sei nicht gottlos, es müßte denn
sein, daß sie die Athene des Pheidias für die Göttin selbst halte. Das würde gottlos sein;
denn die wahren Bilder der Götter seien seiner Meinung nach für menschliche Nachahmung
unerreichbar-}. Aber selbst wenu er sie wirklich mit Göttinnen verglichen hätte, würde er
nur das gethan haben, was vor ihm die Dichter, vor allem ihr Landsmann Homer gethan
habe. Dieser habe in derselben Weise Menschen mit Göttern verglichen, und zwar
nicht immer geschmackvoll, wenn er z. B. das blutige Haar des Euphorbos mit den Chariten
vergleiche. Ja, er sei noch weiter gegangen und habe die Götter durch Vergleich mit Kleinerem
und Niedrigerem gelobt'), wie die Hera durch Vergleich ihrer Augen mit denen der Binder.
— Trot^ alledem sei Homer nicht zur Verantwortung gezogen. Wenn überhaupt einer sich
eines Vergehens gegen die Götter schuldig gemacht habe, wäre er es, nicht die Panthea,.
Aber dann müßten die Götter erst den Homer und die andern Dichter imd den besten der
Philosophen bestrafen, welcher den Menschen ein Bild der Gottheit genannt habe. — Polj^-
stratos bezweifelt, ob er eine so lange Rede der Panthea wiedererzählen könne, will es aber
versuchen. Lykinos will so lange fernbleiben und erst nach dem Urteil kommen, um zu
hören, was über ihn beschlossen ist.
Ich glaube nicht mit Wieland, daß die in den Elxovec gefeierte Schöne durch iiire
Beschwerde den Lukian veranlaßte, diesen Dialog zu schreiben. Ich halte vielmehr die
ganze Unterredung zwischen der Panthea und Polystratos und den Auftrag an den letzteren
für eine Erfindung des Lukian. Dies geht besonders aus der Art und Weise hervor, wie
Polystratos auftritt. Dieser kann nur eine fingierte Persönlichkeit sein. Sonst würde Panthea
ihm, der den Lykinos aufgefordert hatte, die Unterredung niederzuschreiben (§ 23), der sie
ebenso wie Lykinos mit Göttern verglichen hatte (§ l(i),*) gewiß dieselben Vorwürfe gemacht
') § 20 r^s yjitidii 'ivzy.a.
•') § 2() OM wxfY^aBv aTTu Ttüv i).aTzmmv ir.mi/iaai.
*) —n;T<-i 7« iy. roO ' VMy.urjO.; uyf/Jta l'/fniaa .... y.ai —fjOffizt ra ' ilono^) y.m \i7:ö/./.uji/0-^.
)•*
_ 44 —
und Polystratos- dies bei der Erwähnung seiner Sinnesänderung angedeutet liaben. Nun sagt
ai' aber einfach: rö ö^ aviyqwnov ovCnv i/ifgodlrrj xul 'Hq(( eixädai tl loj.o ^ ih'TixQx'c
tarir tiht/J^nr rdc ^tag', ohne der von ihm gemachten Vergleiche und irgend eines Wortes
der Pautliea darüber zu gedenken. Auch würde es Lykinos an einer darauf bezüglichen
ironischen Bemerkung nicht haben fehlen lassen. Femer ist die Beschreibung des Benehmens
der Panthea beim Vorlesen recht übertrieben,'^ und die Verteidigung, daß er sie nicht mit
Göttinnen, sondern nur mit Standbildern verglichen habe, mit dem ironischen Zusatz, es
müßte denn sein, daß sie die Athene des Pheidias für die Göttin selbst halte, einer Dame
gegenüber recht boshaft.
Ich glaube, daß Lukian hier ein ähnliches Verfahren eingeschlagen hat wie später
in der ^tnoXoYfa. Ebenso wie er in dieser Schrift dem Sabinus die Worte seiner Gegner
in den Mund legt, läßt er in unserm Dialog die Panthea die Vorwürfe wiederholen, welche
ihm von seinen Zeitgenossen wegen der EIxÖvk; gemacht waren. Wie viele werden ihn einen
Schmeichler genannt haben. Gegen diese ist der Dialog gerichtet. Daraus erklärt sich die
Berufung auf Diogenes zu Anfang der Verteidigung (§ 17) und am Schluß. Denn daß unter
dem besten der Philosophen Diogenes zu verstehen ist, zeigt Diog. Laert. VI 51 ror?
aya^ovc rad()ag x)ton' Iktyt n'y.orac tlvat. Unter den Angreifern werden die Kyniker sich
am lautesten hervorgethan haben. Indem nun Lukian sagt, daß vor iiim erst der beste
aller Philosophen bestraft werden müsse, richtet er mit dieser ironischen Bemerkung die
Spitze gegen die Kyniker, indem er ihnen zeigt, daß das, was sie ihm als Schmeichelei vor-
werfen, nichts weiter ist, als die Anwendung eines Dogma ihres Meisters. Auch der
philosophische Ausspruch über das wahre Bild der Götter findet so eine bessere Erklärung,
als in einer Verteidigungsrede, welche einer auf dem Gebiete der Religion so ängstlichen
Dame gegenüber gehalten wird.
Daß Lukian wieder den Lykinos reden läßt, erklärt sich daraus, daß diese Schrift
ein Gegenstück zu den Eixött-c ist. Die Panthea konnte Lukian ohne Weiteres anführen.
Ganz abgesehen davon, daß dieselbe in ehrenvoller Weise geschildert wird, war ihr Einfluß
mit der Auflösung ihres Verhältnisses zu Verus geschwunden; in den Augen der Zeitgenossen
gehörte sie fortan dem großen Kreise der vulgares amicae dieses Piegenten an.
Dieser Dialog ist jedenfalls nicht viel später als die IuxÖvk;, vielleicht gleich nach
dem Partherkriege verfaßt in der ersten Zeit der Niederlassung des Lukian zu Athen, im
Jahre 16.'j.
H). y/t^Kfnv iig.
Lykinos begegnet dem schönen Lexiphanes, welcher ein Buch in der Hand trägt.
Dieser drückt sich sehr gespreizt und geziert aus. Der mutwillige Lykinos thut, als ob er
die fremdartigen Wörter nicht verstehe, wodurch ein komisches Mißverständnis entsteht.
Lexiphanes belehrt ihn und erzählt ihm, daß er ein Symposion geschrieben habe, eine Nach-
ahmung des Platonischen. Lykinos richtet an Lexiphanes die Bitte, ihm von diesem Nektar
') ^'J'/T/c/ians xal fejjr/XTTs . . . . xai ;r«//}r£(TO rüg i9e»i u^uig shm «vrj.
— 45 ■—
einziisclieiiken. Daiui solle er das Spotten lassen nnd genau /.iihören, sagt Lexipliancs. Nach
einer scherzhaften Bemerkung des Lykinos liest Lexiphanes aus dem Buche vor. Dasselbe
strotzt eineiseits von veralteten, andrerseits von neuen, seltsam gebildeten und schwer
verständlichen Wörtern, S" daß Lykinos es schlieülich nicht länger aushalten kann und den
Lexiphanes unterbricht. Er sagt, anfangs habe er lachen müssen, dann aber habe er den
Lexiphanes bemitleidet bei dem Gedanken, wie viel Zeit und Mühe er darauf verwandt habe,
einen solchen Schwärm von seltsamen und verdrehten Wörtern (^(T/iop ihonoiv x«l öianrQmfun'
oin/iuToir) zu sammeln. Er habe keinen aufrichtigen Ereund gehabt, der ihm gesagt habe,
wie eine solche Arbeit ihn in den Augen aller Gebildeten nur lächerlich mache. — Da
kommt der Arzt Sopolis. Lykinos erzählt demselben, an welcher Krankheit Lexiphanes leide
und bittet ihn um ein Heilmittel. Der Arzt hat gerade einen Trank bereit, welchen
Lexiphanes nach einigem Sträuben nimmt. Er bricht alle die unglückseligen Wörter aus
und ist geheilt. Lykinos schlägt nun einen ernsteren Ton an und unterweist Lexiphanes,
wie er ein tüchtiger Redner werden könne. Er solle die besten Dichter und alten Redner,
ferner den Thukydides und Piaton studieren und sich nicht bethören lassen durch die Red(!-
l)]umen der Redner der jüngsten Zeit. Vor allem solle er nach Klarheit und Deutlichkeit
streben und den Hochmut fahren lassen, in welchem er stets die Werke der Anderen
herabsetze. Seine fremdartigen Wörter würden nur von den Ungebildeten angestaunt, die
Gebildeten lachten über dieselben. Das Komischste dabei sei, daß Lexiphanes, der ein so
feiner Atticist sein wolle, noch häufig solche Ausdrücke gebrauche, die selbst Schulkindern
auffällig seien. Er habe sich geschämt zu sehen, wie unwissend Lexiphanes in solchen
Dingen sei. Aber noch könne er sich eines Besseren belehren. Thue er dies, so habe er
sich gut beraten, verfalle er dagegen wieder in die alte Näscherei (h^vfCa), so habe er,
Lykinos, seine Pflicht gethan und Lexiphanes selbst trage die Schuld daran, wenn man ihm
sage, daß er schlechter geworden sei. —
Von den älteren Literpreten bemerkt Graevius, daß er in einem Scholion des
codex Vossianus gelesen habe, daß in dieser Schrift das Onomastikon des PoUux verspottet
werde, und andere Gelehrte, wie Kuehnius betrachten dies als eine Thatsache. Gegen diese
wendet sich Hemsterhuys in seiner \'orrede zum Pollux '). In dem damals erst seit kurzem durch
den Druck bekannt gemachten Vossianus, welchen Graevius nur gemeint haben könne, stehe
das betreffende Scholion nicht am Anfang des Lexiphanes sondern am Anfang des 'Pijioqwv
öidüüxaXoc, und Graevius werde diese beiden Schriften mit einander verwechselt haben.
Auch sonst sei die Annahme, daß auf das Onomastikon angespielt werde, nicht stichhaltig.
Eine große Anzahl von Wörtern, welche im Lexiphanes gebraucht würden, fehlten im Pollux ;
ferner träfen bei diesem die Vorwürfe nicht zu, die Lykinos dem Lexiphanes mache, daß er
selbst neue Wörter erfunden habe^) und diese, ohne sich um den Sinn zu kümmern, in irgend
einen Gedanken hineinzwänge. Somit könne Pollux nicht gemeint sein. — Ranke sieht in
dem Lexiphanes eine Pai'odie auf das Werk irgend eines Grammatikers, etwa des Herodian,
welcher ein Symposion geschrieben habe'').
') p. 29 u. ao.
'■') § IT" mv TÖ. /liv aÖTug iizohjaai.
■*) I>iici;iiuis et PiilliiK p. 27.
— 4G -
Ich stimme mit Hemsterluiys darin iibeicin , dali eine Ansjjielung anf das Onoma-
stiken nicht stattfindet, einerseits wegen der vielen Wörter, welche beim Pollux nicht vor-
kommen , sondern von Lykinos neu gebildet sind {?.. B. S 1 InCßvctqa § 2 InO.ovxiior,
lovnÜv, avvTv^ißwQvyriv, odvvriQwc. (Adv.), aironoÖriTl § 3 JMtuyiJv § 4 oifOa'/./waoqoc,
Xti/jaXfoc § ö aQaydrjV, x*'Qoßo?.t(„, ÖthftnXm § fi ^/jßQvudöxoq, tnroy.u^c. S 7 y.Qviinfifxurnoi;
§15 loyam, dnoyX(,nt('C,M u. a. m.) andrerseits weil der Scherz nicht allein in der Sammlung
von veralteten und der Bildung von neuen, seltsamen W.irtern, sondern auch darin besteht,
durch auüergewöhulichen Gebrauch l)ekannter Wörter und doppelsinnigen Ausdruck komische
Wirkung zu erzielen. Als Beleg dafür mögen folgende Stellen dienen:
a. Außergewöhnlicher Gehrauch bekannter Wörter:
>, ■•• c<XQfi<yru i/iäria . . . xai ucfOQrjTct vnoörifjarcc. äxotjaroc hier „ungebraucht",
sonst „unbrauchbar" (Flaton Lys. 204 b. *,>J dVV« xu ,ufv «//.«'.)«, 7.0 c xal «x^'/ffroc) dy^6-
QilTOi „ungetragen", sonst „unerträglich" (Thuc. 4 12fi).
S 2.
S
aqtoaittTv „essen", sonst „Brot essen" Xen. Cjt. VI 2 §28, im Gegensatz zu
ct/.ifnoffiTtTr. ib. xav^uza „Frost", sonst „Hitze".
S ^- itnoDQf'^ofiiu „laufen", sonst „davonlaufen" (Xen. Anab. VII fi § 5).
^ 4. rciQaSac <p<XQfiaxoi\ tuq. „mischen" '). ib. dn^Qv^qir~Gai ,.nicht mehr rot sein"
sonst „nicht mehr' erröten, schamlos sein" (Luc. .lud. Voc. § 8.).
8 •>• uXtxTQvah' unwdoc hier „der ausgesungen liat, senex", sonst ..miliiöuend"
(Eui-ip. Oycl. ed. Dindorf v. AM).
§ 7. yriysvtj für oatqüxiva „irden".
§ 11. dnayxoviXm „vom Strick losmachen", sonst „erdrosseln" Diog. Laert. VI 52.
§ l'^>- x^f'ccnntti; Uluktc) für dQVTrtrfTc. ÖQvnfrtic (sie) das attische Wort für
nfnuqoc Moeris ed. Pierson p. 120.
§ !•''■ i<Qxc<ioXoyriaon> „altertümlich reden", sonst „alte Geschichte erzählen".
Thuc. VII f,9.
b. seltsame Verbindungen.
§ 4. Öie^ov ßXfnsiv „feucht sehen" (triefäugig).
J. i](i€i, Tfjv vrjariv „den Leerdarm ausbrechen".
§ 6- oh'oc antnioc. § 10 Sßcnoc yrrtj.
§ 15. dvaxati(^oi tov ÖQofjov xo ^öOtov eigentlich „an den Ilaaren das Wogon-
gebrausis der Fahrt zurückziehen« für .^das Schiff im Laufe hemmen".
c. Jocus in ambiguo.
S '>■ ^r>tQ^ioxQctyfi „Warmes oder Bohnen essen".
§ 0. o dxqaxriyoc, dnxoc.
§ 10. J ff^yg aavXov/jn'og i'ftnföoc lanv. J^fin. hier „in Fesseln- .
§ 12. r^v xeipal^v tioXiuc, „grau", sonst Beiname der Athene.
§ 15. fxxoQag („Anker") dfjfpKrtoftovc.
ih. iaxttduc („Anker", gew. „getrocknete Feigen«) ffiÖr^Q/Hc.
') F.l.cnso Eiasistratos ],.! Atli..i.. VII ,)Mi. ix ro', aT,'jaroi Tsrnpay/iivO', ,ucMU.
— 47 —
ib. n/..t xcu vt7 xal ^h. Der Scherz liegt in der Zusammenstellung von itt (attisch
für )'ij&fir „spinnen") mit nht nnd ^tt und in dem Doppelsinn dieses Wortes.
ib. dno ([cö.dxqior. Td (DdXnxqa und «f. (IhiXaxQai „Vorgebirge des Ida" und
(fctlaxQoc „kahlköpfig".
Für die Richtigkeit der Meinung von Hemsterhuys, Aa,& auf das Onoraastikon nicht
angespielt werde, spricht ferner eine Stelle in diesem Werke des Pollux, nämlich IX 137.
Dort wird der Ausdruck nviu'Cfir, der im Lexiphanes § 21 gebraucht wird, getadelt und
verworfen: xal t6 nvtctCtir naqü ts riläiwvi, xal dXloic i-lQijfih>ov' ä)J.' ox< n^oaCfftai t6
ovofict. Auch zeigt Athen. III c. .53 und 54 (p. 98 a— f), wie zahlreich die Klasse der
oro/(«ro.>^()«t oder ,>)/(>oAfi"*/e') vertreten war. Das von den Ovlntärtioi aofiaial gebrauchte
InroKßrjC und manche der c. 53 angeführten Ausdrücke des Pompejanus {u^poQiiToc und dxQriaiog
„ungetragen" und „ungebraucht", das Doppelsinnige ontöc, xai'para vom Frost) finden wir
bereits im Lc-xiphanes, ein Beweis, daß diese Wörter und Ausdrücke Gemeingut eines größeren
Kreises waren. Wir sehen ferner dai'aus, wie vorsichtig Lukian gearbeitet hat. Er konnte
gewiß die seltsamsten Wörter und Verbindungen durch irgend ein Beispiel erklären und
verteidigen.
.\ber wenn auch Hemsterhuys darin Recht hat, daß eine Anspielung auf das Ono-
niastikon im Le.xiphanes nicht stattfindet, so geht er doch darin zu weit, daß er überhaupt
jegliche Anspielung auf Pollux verwirft. Ein ^'erg]eich mit der Schrift 'Prjc6Qwv didüaxu'/.oc,
beweist das (iegenteil. Alle Eigenschaften des Lexiphanes, welche Lykinos erwähnt und tadelt,
verlangt der Lehrer dort von seinem Schüler. Lykinos sagt zu Anfang .ii^ttfrivijc o htt?.oc.
Der Lehrer sagt (§ T6) Ku'/.oc, ydQ ihui i^flf. Lykinos sagt (-/*?. § 24) xal o iv(foc dt xal
/jeyalai'xta xal rj xaxotj^fin . . . an fßiw. Der Lehrer fordert (§ 15) xofjt'Qe . . . t^i^
((/uu'Xaf, iittt UQaßoc tiil rovTU) xat löljiav xai ctvaics'/vviiuv. Lykinos sagt (§ 24) anfatw
. . . oiKf^at öti TTQono^ i'rfii avTÖc, tjv td ndrio)i> nrxoipanTjc, der Lehrer (§ 22) ö dt
fifyiOToi' . . . andvtwr xarayf/.a rwv Xtyövtwr. Lykinos verlangt § 23 fit] (ji/ifta^ai twi'
o'/.i'yo)' TT (50 ^/iwt' yfyo/u'rwv (To<ft0twv td ffavXoTaia, der Lehrer (§ 17) dvayt'yrayffxt r« na?.aid
^ifr ,<(// av ;f, «AA« lovc oh'yov tcqo ^fiiHv köyovi; xvl. Im Lexiphanes bricht dieser nach dem
Trank des Sopolis folgende Wörter aus: ngoitov roinl to /iwv, thu fjti' avto t§i-).ijkv,'te
in xattt, iha f/f' avtoic To ö' tj (5' de xal dfUjyfntj xal Xwßxf. xal d^novO-fr xal avvtxfc to atxa,
der Lehrer schreibt vor (§ 16) ov nXeCm yt tmv ti'xoffip Ir/tttxd oi'o>-«Ta ixXf'iac noi^fv, xal
ittvta axQißwc txjifXf-tijaac, riQnyj-iQa fn axQac trjc yXuniijc f'xf to atra xal xdra xal /löir
xal d/Jtjyfjiij xal Xmait xal td roiuvta. Auch die dnoQ^ijta xal '§fra ^tj/jata xal anaviaxic
fiorifjifva fehlen ebenso wenig wie die xaivd xal dXXoxota ovöfiata. Das von dem Lehrer
augeführte x^iodcotpoc steht ,/f'£. § 14 (ähnlich oijdaXfionoiioc § 4) und das ebenfalls als
Beispiel angeführte unoatlfyyCGaaOai und flXri^k(,fla;)ai. überbietet die Ausdrücke (,/tS. g 2)
(TiXtyyCda und ngdc tr/v t'i'Xtjv O^f^tadai. Lexiphanes fragt § 1 den Lykinos, ob seine Rede
tvXfitc ist, und der Lehrer sagt: rof)ot}fttt tdt> ijfr iQiujvevffai ötnoi' ti'Xt'§it> xaXtlv.
Aus dem Vergleich dieser Stellen scheint mir zur Genüge hervorzugehen, daß wir
uns unter Lexiphanes und dem 'PrjTÖqotv ötödaxaXog dieselbe Persönlichkeit zu denken haben.
J) ^rjpö}.s^is ü ras ^i?£ts Srj/ju>ߣ>og llesych. t'd. Soliniidt 11 p. 31t).
Lcxij)haiies ist I'ollux in seinen jüngci'en Jaluen, der diöän/u'/.oc dei" Mann in reiferem Alter,
der Theoretiker, der Lehrer der Beredsamkeit. Schon vor seiner amtlichen Thätigkeit
hatte PüUux in Athen auf eigne Hand eine Ilednerschule eröffnet. ') Außer seinem
Onomastikon hatte er rhetorische Schriften veröffentlicht: diaXfinc tjioi /m/.iuc, ferner
fit).(tac.^) Diese erregten den Spott des Sophisten Athenodoros (Philostr. ed. Kayser II
]). 98), der sich über Ausdrücke wie ol l'artd'/.ov x^noi lustig machte. Auch Philostratos
urteilt nicht günstiger II p. Oti lovc dt coijianxovc rvr löyo^v lokfjtj ^ciJJ.ov tj rt'xrij
'iv)fßa/.'/.t {/ctQQriffac lij (fvGfi. Ein Symposion wird allerdings unter den bei Suidas an-
geführten Titeln nicht erwähnt. Der ./t^Kfätijc zwingt auch nicht auf ein solches Werk des
Verspotteten zu schließen, wie Ranke meint, indem er unter dem Loiphaues den Herodian
versteht.') Lukian wollte nur die Sprache verspotten ; dies konnte er thun, welchen (Jegen-
stand er auch immer behandeln mochte.
Lukian wird gleich nach seiner Niederlassung in Athen mit Pollux bekannt ge-
worden sein. Bei der Verschiedenheit der Charaktere fühlten sie sich bald von einander
abgestoßen und Lukian machte seinem Unmut über das unwissenschaftliche Treiben des
Pollux durch die Abfassung des Lexiphanes Luft. Ganz gebrochen hatte er noch nicht mit
ihm, wie die ernste Mahnung am Schluß beweist. Später, vielleicht infolge dieses Dialogs,
artete das Zerwürfnis in bittere Feindschaft aus, die von seiten des Lukian im 'Pi^x6(i(t)v
öiöüaxa'/.oc einen so kräftigen Ausdruck findet. Der Dialog wird demnach in den ersten
Jahren des dauernden Aufenthalts in Athen, etwa l(i(i n. Chr. verfaßt sein.
Einen so persönlichen Angriff' konnte Lukian in einer dialogischen Schrift nur unter
der Maske des Lykinos macheu. Dieser zeigt am Anfang seinen gewohnten feinen Spott
(ridii yiia -not avy^/joir ^fjilv )'(jo.(ptic; --- t'^xiuQoc y^'-Q nt'oc loixac oh'oxoijanv rjfiJv cxn
avTo{i. " Afyt UaQQUiV, lac ifjioiyt ovTt KvilJt'loc Tic ovtf /JfQiitidgoc tr tolc w0» ruOr^iai}.
Die ernsten Worte am Schluß geben die Meinung des Schriftstellers wieder.
II. Wtvdoao(/ iaT7,g fj ^oko/xiarr $,
Ungebildet wäre ich, wenn ich in meinem Alter uoch fehlerhaft spräche (d ao-
koiyJ^oifji) sagt derjenige, gegen welchen in diesem Dialog der Spott des Lykinos gerichtet
ist. Dieser wird einfach :^o/.oiy.iair]i; genannt. Mit diesem Namen wird keine einzelne be-
stimmte Persönlichkeit, sondern wie mit hrn'moc im Zftc t/.*yx- eine ganze Gruppe
bezeichnet, und zwar die der vnfgaiTixftoiT.c, welche in ihrem Streben, reiu und fehlerlos
zu sprechen, die Feinheiten des Attischen sicli aneigneten, dagegen über die gewöhnlichsten
Dinge hinwegsahen und in diesen oft große Unwissenheit zeigten.
Der Dialog zerfällt in drei Teile. In dem ersten zeigt Lykinos ganz den gewohnten
Übermut und Mutwillen, indem er den Soloecisten beständig in die Enge treibt. Er sagt,
er würde nur dann glauben, daß der Soloecist fehlerlos spreche, wenn er auch bei andern
solche Versehen merke. Dann weiß er bei der Probe die Soloecismen so geschickt als etwas
') Raiiko 1. 1. 1). .10.
") Suidas. Ilaiikc 1. 1. \>. 11.
") i>. 27.
— 4!) --
Nebciisachliclies in deiu (iedauken uiizubiingen-, daß die Aufmerksanikeit des Soloecisten sich
iiuwillkiirlicli auf ein anderes Wort richten muß. Man muß sich denken, daß Lykinos sehr
schnell spricht mit starkor Betonung der für den Sinn bedeutenden Wörter.
{jl. l'^i rrf ^iiov ).aßov Go'/.oixiXorroc, cxoii di ao'/.oiy.io) (iür avrdia ^Kxla (Jo?.oixiw).
Der Solüccist denkt noch an die Auft'orderung ).aßov, wenn er antwortet ovxovv dnL
ibid. avOiq di axojtei.' ov yctQ af <f>ji.n diU'aad-ai xccravo^aat, tuet S /jiv olffd-\ « di
ovx olffOu (für td fjh' . . zu df). Auch hier denkt der Soloecist bei der Antwort eirce fiovov
noch an axöriti.
ibid. -tntl otpt'/.ov xal tri' dxoXovOijaai övr^atj.^) Hier wird xai rvr besonders
betont, so daß das folgende Futur weniger bemerkbar wird.
§ 2. ^o).. rfvttc TQtic; ^Ivx. oloi'c aQityn'tCorc ffür aQTtysvt'^Tovc). Der Soloecist
denkt noch über die drei früheren nach.
ibid. y/t/.fxiai xcü aeao?.o{x'i0Tai TfiQankrj , ßv ö'oilx l'yroic' fifya ovv clDJ.ov (für
/ifyar ovv cl^Xor) xaxrTiQa'^ttc ccv, tXixfq lyroc. Auch hier denkt der Soloecist noch darüber
nach, welches der vierte Soloecismus gewesen sein mag; durch die folgenden Worte oib 7,0
üüKov Iffr/v at xaTanQaSni wird er mehr auf die Redensart geführt als auf den Artikel.
Ebenso § .S dk/.d fiijr /jtl/ijxa 'Mv )Myw (für /.aywr) rai^mc' dgce naQrj'Sfv; Hier
denkt der Soloecist zunächst daran, was der Sinn bedeute, wobei er den Accusativ ?.ttyo)
leicht überholen konnte.
.\liiilich verhält es sich bei den folgenden Soloecismen 6if(jl^oQc<c, ilt)).aC,6vtMv und
cdiiärovra.
In dem zweiten Teil ^ .5—8 nimmt Lykinos einen ernsteren Ton an. Er will dem '
Soloecisteu zeigen , in welcher Weise man die andern auf Versehen aufmerksam machen
müsse, nicht in verletzender Weise unter Hohn und Spott, sondern freundlich und ohne
denselben lästig zu fallen (.dnnctyjt^wi;). Zu dem Zweck führt er den Grammatiker Sokrates
von Mopsus an,"'') dessen Vorträge er in .Ägypten gehört habe und zeigt an einer Reihe von
Beispielen, wie dieser bei ähnlichen Soloecismen die Betreffenden in freundlicher und scherz-
hafter Weise belehrt habe.
Dann beginnt wiederum i^ 8 die Unterredung zwischen Lykinos und dem Soloecisten.
Anfangs verfährt Lykinos in der früheren mutwilligen Weise z. B. tl d( rtg ?Jyoi aoi naQf).-
^uiv, WC dno'/Jnoi') ri^p yvi'atxa, «p' äy tniVQfnon; aitüi; Hier wird durch den zweiten Satz
die Aufmerksamkeit von dem Wort dno/Jnoi auf den Inhalt des Gedankens gelenkt, so daß
dem Soloecisten die Geduld reißt und er dem Lykinos den gewohnten Vorwurf macht:
rßQißiijc ff. — Aber bald wird Lykinos ernster und belehrt den Soloecisten jedesmal, worin
das Fehlerhafte bestehe, z. B. § lU ort c6 fitv fft i'ßgtXnv %o amiiü laxi to o6r ^toi n/.tjycttg
') otp^Xo'j . . '^'j'yr^arj. Der bclioliaftt bciiifikt: ri o^eXov oudinoTB /icMoi'TOS ao',Tdaasrrj.t äicape iKpdrw 9j
ÜKOToxTixüJ /.tX. lih glaube nicht, daß daiiii der Soloecismus besteht, sondern in der Zusammen-
stelhing xoi >/J> 'h/^rjor^. IjcUlert'S ist Indic. fut. wie Epist. ad Galat. v. 12 oifshv xal u-oxi'xJ'O'^rm ol
oyaarazoiH'Ttg ü/xäg.
^) 11 mfi Moi^o", sonst nicht weiter bekannt.
■''I l'hum. Maff. cd. Ritschi. '^9, 1.3 äTToAzt'mt fj yji'ij rm ävu/ia, ixßdAXct dz ö dt^ijp ■'■'i" yjxztxa.
— 50 —
tj df(T/io7c 1] xai «AAm tqottw, rö Sf i'c Gf, öiar fi'c ri rwr o'oTr yfyvijTCd tj vß{)ic. Zum Schluß
fügt Lykinos dann noch die Mahnung liinzu, daß der Soloecist noch manches zu lernen
habe, wenn er sich nicht den falschen Schein von Gelehrsamkeit geben wolle, während er
im Grunde nichts wisse. \l).).' ovx av ö6'S.ui(.n antwortet der Soloecist.
Es kann wunderbar erscheinen, daß manches von dem, was hier als Soloecisuius
angeführt wird, von Lukian selbst in seinen übrigen Schriften angewandt wird. So finden
wir«, «fr . . ä di wieder '^Pfjt. dtd. § 15. f'neira xavioc a fiiv nqoi'övti tTnöeixviig xatti t-qv
udör, u ()f y.cel nuqatvwv. ferner Ttfimv § 57 m (t^v . . . w Sf, worüber Thomas Magister
ganz ratlos ist (p. 48, 10 tl xal .iovxiavog l^yet, ovx olöa fl'te nctt^oir fl're (mnv(i(<^oif)
§ 5. nat()ma für natQia. Ebenso Errovx- § ^- ""' if-Qow naiQMwv:
ibid. fS tTunoliic (Thoraas Magister 113, 4 ordne iwr doxi'^ow ti ^nmoX^c tlnn',
d?.ktt jicirifc xwp'c T^c ^S.) Ebenso JS'tyQ. § 35 ov yaQ ,''§ IniTiokric.
§ 7. ■ nqoc öe tov Xfyovra nXfjv ei ju?/, tuvta, i(pij, dnikä ^agC^i}. Dies getadelte
nX'^r n' fti^ finden wir ßlmv nqaa. § 7. ntql rwr ?nl piaO^. air. § 9 und 23. —
Dieser Widerspruch ist jedoch nur scheinbar. Wir müssen bedenken, daß dieser Dialog
eine Satire ist und Lukian unter der Maske des Lykinos auftritt. Dieser führt, um auf die Frage
des Thomas Magister zu antworten, rral^on' manches als Soloecismus an, was dem Schriftsteller
nicht als solcher erschien, sondern nur bei den strengen Atticisten für fehlerhaft galt, deren
Inkonsequenz verspottet wird. Sich selbst hatte Lukian damit keineswegs die Hände gebunden.
Fritzsche hält diesen Dialog für unecht. Die Gründe dafür hat er noch nicht an-
gegeben. Sommerbrodt setzt denselben mit unter die Schriften des hohen Alters, vielleicht
aus demselben Grunde wie Solanus, nämlich wegen der Worte § 5 ^wxQai^^ o dno Möi^iov,
o) (rvvfyfvöjitji' h' AlytTJurt. Es ist nicht unmöglich . daß Lukian während der Zeit seiner
amtlichen Thätigkeit in Ägypten in seinen letzten Lebensjahren noch einmal auf kurze Zeit
nach Griechenland kam und von der alten Schreiblust ergriffen wurde. Aber das ganze
Auftreten des Lykinos in dem Dialog, der Wechsel zwischen Scherz und Ernst sprechen für
eine frühere Zeit der Abfassung. Auch spricht Lukian in allen übrigen Schriften des hohen
Alters wiederum in der ersten Person. Ferner paßt der Ausdruck avifynoijr,!' ..icli genoß
als Schüler seinen Unterricht" (Plato. Meno. pag. 91 e /J^ouayoQac .... öicctiOtCqmv rorg
cvyyiyvofifrovc) nicht auf den Lukian in reiferem Alter. — Es ist nicht ausgeschlossen, daß
Lukian in seinen jüngeren Jahren auf seiner Überfahrt von lonien nach Griechenland sich
eine Zeitlang in Ägypten aufhielt, wenn dies auch im Jic xatijy. nicht ausdrücklich erwähnt
wird. Ich setze die Abfassung des Dialogs in dieselbe Zeit wie die des Lexiphanes.
Die ^'Egamc halte ich mit Cobet, Fritzsche (De libris Pseudolucianeis vol. III pars II
Prolegg. pag. LXXII) Bekker, Dindorf für unecht.
111.
Die obige Untersuchung hat das Resultat ergeben, daß die größte Zahl der Lykinos-
dialoge in der Zeit von 160 — 166 n. Chr. verfaßt ist und daß in den Dialogen, von denen
dies nicht so bestimmt behauptet werden kann, auch wiederum nichts zwingt, eine spätere
Abfassungszeit annehmen zu müssen. Wir dürfen daraus wohl den Schluß ziehen, daß die
— 51 --
Lykinosdialogc die ersten von den in dieser Form verfaßten sutirisclien Schriften des Lnkian
sind. Damit ist auch eine Antwort gegehen auf die Frage, weshalb Liikian in den übrigen
Dialogen mit seiner Persönlichkeit zurückhält. Bei seinem Bestreben, den satirischen Dialog
immer mehr zu vervollkommnen und zu künstlerischer Reife zu bringen, kam er zu der
Überzeugung, daß es vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet besser sei, den Schrift-
steller nicht mit in die Handlung eingreifen zu lassen. Es wird ferner trotz der Pseudo-
nymität an Unannehmlichkeiten von Seiten der Angegriffenen und an höhnischen Bemerkungen
über die Maske des Lykinos nicht gefehlt haben. Alles dies bestimmte Lukian, in den
spätei'en Dialogen, in welchen er sich nicht wie im ./»c xartj}.^) und \//.uvc verteidigen,
sondern selbst angreifen oder spotten wollte, seine Person ganz aus dem Spiele zu lassen
oder da, wo er persönlich angreifen wollte, dies direkt in der ersten Person zu thun, wie
z. B. im Alexander.
Mit dem aus dieser Untersuchung über das persönliche Auftreten des Schriftstellers
gewonnenen Resultat steht ein Dialog im Widerspruch , nämlich der I\iy(>7roc. In diesem
ist liukian die Hauptperson. Ferner ist demselben ein Brief des Lukian an den Platoniker
Nigrinus voraufgeschickt, in welchem er diesem schreibt, daß dieser Dialog ihm beweisen
solle, welch großen Eindruck seine Vorträge auf ihn gemacht hätten').
Lukian unterhält sich mit einem Freunde (t-ralQoc), dessen Namen wir nicht
erfahren. Dieser spricht seine Verwunderung darüber aus, daß Lukian plötzlich so hoch-
mütig geworden sei. Dazu habe er alle Veranlassung, antwortet Lukian. Er sei nämlich
so ganz beiläufig C68ov nctQf-(/yoi') glückselig (tvöuffiow te /ul futxctQtoc) oder vielmehr
dreimal glücklich (i()iG6?.ßioc) geworden, indem er aus einem Sklaven ein Freier, aus einem
Armen ein wahrhaft Reicher, aus einem Unverständigen und Aufgeblasenen ein bescheidener
und maßvoller Mensch geworden sei. Der Freund weiß nicht, wie er dies verstehen soll.
Da erzählt Lukian ihm, daß er in Rom, wohin er wegen eines Augenleidens gereist sei,
den berühmten Platoniker Nigrinus besucht habe. Dieser habe ihm einen Vortrag gehalten,
welcher einen gewaltigen Eindruck auf ihn gemacht und die von dem Freunde beobachtete Ver-
änderung seines Wesens bewirkt habe. Der Freund bittet den Lukian, ihm, als einem Freunde,
den Inhalt des Vortrages nicht vorzuenthalten, besonders da er sich mit ähnlichen
Arbeiten beschäftige, wie Lukian. — Dieser antwortet, daß der Freund nur seinen Wünschen
zuvorkomme. Er sei so bezaubert von dem Gehörten, daß er immer darüber sprechen müsse.
Nichtsdestoweniger hält er eine lauge Vorrede darüber, daß er vielleicht mit seinen schwachen
') Fritzsche (ad Herniot. § 13) setzt die Alifassung dieses Dialogs in das Jahr l.öD. Aber die Rede des
Dialogos setzt voraus, daß dem Leser bereits eine Anzalil dialogischer Schriften l)ekannt sind. Andrer-
seits treten die Götter erst in den späteren Werken des Lukian auf. Ich setze die Abfassung in das
Jahr 166. Lukian wird oft genug gefragt sein, weshalb er die Laufbahn eines Redners, welche ihm
so viel Ruhm und Ehre eingebracht hatte, aufgegeben und mit der des Schriftstellers vertauscht habe,
ferner, weshalb er diese Art des satirischen Dialogs gewählt habe. Um darauf zu antworten, schriel)
ei- diesen Dialog, welcher in eine Zeit fällt, in welcher Lukian den Entschluß faßte, in Bezug auf seine
l'erson die oben erwähnte Änderung eintreten zu lassen.
-) iT£( (Jl /jöuji/ aot (}rjXwirat -ri/v ißijv yvciifir^i/ hH?M, mmi T£ >ijv s^m xal an /J.ij napifiywg s'ürj/i.imt -/<«;
Kräften iiiclit im Stande sein weivle, so etwas Ilcrrliclies wiederzuerzählen, bis der Freund
ungeduldig wird. Nun beginnt er mit dem Wiedererzählen.
Nigrinus habe begonnen mit einer Lobrede auf Atlien und die feine , geistreiche
Art, in welcher die Athener das lächerliche Treiben und den Übermut der Reichen ver-
si)otteten und diese dadurch von einem solchen Leben abzubringen verständen. Im Gegensatz
dazu habe er das Leben in Rom scharf getadelt und die Vergnügungssucht der Römer, die
unsinnige Verschwendung und den lächerlichen Hochmut der Roichen , die Kriecherei und
Schmeichelei der weniger Bemittelten beschrieben und verspottet. Besonders heftig habe er
die Philosophen angegrift'en, welche es nicht verschmähten, unter die Schar solcher Schmeichler
zu gehen, um an diesem üppigen Leben teilnehmen zu können, die sich ferner bei den Oelagen
der Reichen durch ihre Habgier und Unmäßigkeit lächerlich machten. Audi diejenigen habe
er getadelt, welche aus dem Studium der Philosophie einen Erwerbszweig machten und ihre
Weisheit für Geld glcichsan» zu verkaufen pflegten. Ebenso jedoch habe er die übermäßige
Askese anderer Philosophen gerügt. Dann habe er über sich selbst gesprochen. Um nicht
mit in diesen Strudel hineingezogon zu werden, halte er sich von allem fern und führe ein
einsames, in den Augen der Menschen ..weibisches" Leben, nur mit dem Studium des Piaton
und der Pliilosopliie und dem Studium der Wahrheit beschäftigt. An einer Stelle dieser
Wiedererzählung Hiebt Lukian die Bemerkung ein, daß Nigrinus das, was er andere gelehrt
und von diesen verlangt habe, auch selbst gethan habe, indem er kein Geld für seine Lehre
genommen, die Bedürftigen unterstützt und jeglichen ÜberHuß geringgeschätzt habe. ') Die
Wirkung dieses Vortrages, fährt Lukian fort, sei eine ganz außerordentliche gewesen. Ihm
sei schwindlig geworden, der Sehweiß sei hervorgebrochen, die Stimme sei ihm stecken
geblieben, bis er zuletzt geweint habe. Schließlich bethätigt Lukian diese Wirkung, indem
er selbst zu philosojdiieren anfängt und die Seele mit einem Ziele, die guten Eindrücke mit
einem gut geschossenen Pfeile und denjenigen , welcher diesen Eindruck hervorbnngt , mit
einem Bogenschützen vergleicht. Diese Wiedererzähluug des Lukian hat bei dem Schüler
dieselbe Wirkung erzielt. Gemeinsam beschließen sie deshalb zu dem zu gehen, welcher sie
verwundet habe, um sich von diesem heilen zu lassen.
Schwaiv,-') meint, daß der Spott in diesem Dialog gegen den Nigrinus selbst gerichtet
sei. Lukiau habe dessen Schüler weiden wollen. Anstatt den mütmaßliehen Schüler nun
in die platonische Lehre einzuführen, habe der Philosoph ilin mit moralisierenden Vorträgen
und Lamentationen über die sittlichen Zustände der Stadt Rom traktiert. Daher die fingierte
Ekstase, durch welche der lächerliche Versuch des schülersüchtigen Philosophen noch
lächerlicher werde. Gegen diese Auffassung spricht der Inhalt des voraufgeschickten Briefes
sowie das aufrichtige Lob, welches Lukian in die Erzählung § 2() eiiiHicht, namentlich die
Worte fif^' anuai fif tovtoic i^c öictroCac ro rjQiioaiifror. Die Satire ist vielmehr, wie Wieiand
bemerkt, gegen die Verderbnis und ausschweifende Thorheit der Bewohner des damaligen
Rom und besonders gegen die Afterphilosopbeu. welche zur Zeit der Antonine den Kopf
hoch trugen, gerichtet. Auch die übertriebene Ausdrucksweise des Lukian am Anfang des
') § 2«.
*) H(l IKtiu. p. 3 An 111.
— 53 —
Dialogs erklärt Wieland richtig, indem er darin eine Verspottung des prahlerischen Tones
mancher Philosophen, namentlich der Stoikei', erblickt. Nicht anders wird die Ekstase am
Schluß des Vortrags zu erklären sein. Dieselbe ist eine Parodie der übertriebenen Aus-
drucksweise, in welcher viele ilu'e Bewunderung über den Vortrag oder das Werk eines
Philosophen und über die gewaltige Wirkung desselben aussprachen, wie /. B. Marcus
Antoninus dem Pronto ') den gewaltigen Eindruck schreibt, welchen das Werk des Stoikers
Ariston auf ihn gemacht habe.
Ans -der genauen Beschreibung des Charakters und Lebens des Nigrinus ■') geht zur
(ienüge hervor , daß wir uns unter demselben eine bestimmte Persönlichkeit zu denken
haben. Der wahre Name derselben wird, wie in den übrigen Dialogen, nur angedeutet sein.
Fritzsche vermutet daher mit Recht, daß der von Galen ') erwähnte Platonische Philosoph
Albinus gemeint sei vir Luciano aeijualis doctorumipie iuveuum patronus. Der Dialog wurde
in einer Zeit geschrieben, wo Lukian, dem Beispiele des Platonikers Albinus folgend, fern
von dem geräuschvollen Treiben der Welt in dem Studium der Platonischen Philosophie die
gewünschte innere Befriedigung zu finden suchte, eine Hoffnung, in welcher er sich bald
getäuscht sah, wie der 'Eofioiifioc zeigt. Ich glaube daher mit Schwarz,^) daß derselbe
vor dem Hermotimos verfaßt ist und halte denselben mit Wieland für den ersten der
satirischen Dialoge. Da sich nun Lukian erst TtiraQdxovta fti] axtöov ytyoroic von der
Rhetoi-ik losgesagt hatte (Jig xuTtjy. § 33) und Lykinos im Hermotimos (|^ 13) tsTtaQaxovrov iti<;
aytdov genannt wird, ist die Abfassung in das 40. Jahr des Schriftstellers, d. h. 160 n. Chr.
zu setzen. Wichmann*) hält den Nigrinus für den ersten philosophischen Gruß Lukians
nach Rom aus seiner neuen Heimat Athen und setzt die Abfassung in das Jahr 165. Aber
ein solcher Gruß würde nach dem Hermotimos, in welchem selbst der Platonischen Philosophie
der Absagebrief geschrieben wird, dem Nigrinus wohl kaum willkommen gewesen sein.
Wenn wir nun bedenken, daß die Abfassungszeit des Nigrinus nicht weit von der
der ersten Lykinosdialoge entfernt ist, daß ferner im Nigrinus, wie in den übrigen Lykinos-
dialogen, neben ernsten Stellen, welche die wahre Meinung des Schriftstellers wiedergeben,
Stellen voll ironischer Uebertreibung sich finden, so werden wir mit Recht einer Variante
des code.K Vaticanus I (31), einer vortrefflichen Handschrift"), Bedeutung beilegen. An drei
Stellen finden wir in demselben (§ 1 1 und § 38 zweimal) ^/vx. d. h. ^IvxTvoc. Fritzsche be-
') Fronto ed. Xabev p. 75 u. 76. Avistonis libri ine hac tempestate bene accipiunt, atque idem liabent
male: cum docent meliora, tum scilieet bene accipiunt, cum vero oatendunt, quantum ab Ins melioribus
ing:eniuni meum rolictum sit . nimis quam saepe erubescit discipulus tuus sibi<iue suscenset , quod
viginti (|uinqiie natus annos nibildum boiianim opinionum et |iuri<)i-um ratidiium animo hauserini.
Itaque poeuas do, irascor. tristis fsuni, Oj^or'mw. cibo careo.
») § 26.
') Galen ed. Chartiei- !>. 38 i-Kauf/hSov /j.h o^iv ix 'Fiiß/n/S eig T/yu KUT/JiSa ■KsrdT/iJwiii'JWJ iioi rwy ix yt)/tTifi
iröii' Z xat k. — Tpia di p.ot ßißUa itafid ri'^mv idMrj, yzypaiiniva nfih elg S/nJpvai' ix Hefiydiftoi) ,u£Taßyj>ac,
lliXoTcög TS To'i larpo'i xac 'AXßifO'j zoü IIXaTuinunü •/dinv.
*) Henii. p. 23.
5) 1. 1. p. 153.
'') fritzsche viil. I pai-- I |iiai-l'. \t. 9.
h
— 54 —
nieikt zu der ersten Stelle: „21. (Vaticanum) qui etiani infra § 38 bis pro Luciano uomeii
habet Lycini, fortassis recte. Nach den obigen Ausführungen, glaube ich, dürfen wir dies
mit Bestimmtheit annehmen. Somit haben wir im Nigrinus den ersten der Lykinosdialoge.
Es bleibt jetzt noch die Frage zu beantworten, ob auch in dem vor dem Dialoge
stehenden Briefe anstatt ylovxiuroc .Ivy.ivoc zu lesen ist. Dieselbe ist zu verneinen. Der
Brief ist kein integrierender Bestandteil des Dialogs, sondern nur das Dedikationsschreiben an
den Albinus, welches die Sendung begleitete. Wenn Lukian in demselben den fingierten
Namen Nigrinus gebrauchte, so war das ein Scherz, welcher auf die Veränderung des Namens
im Dialog vorbereiten sollte. Für die Oeffentlichkeit war dieser Brief nicht bestimmt. Wenn
wir denselben dennoch an der Spitze des Dialogs linden, so ist dies nicht die Schuld des
Absenders, sondern die des dankbaren Empfängers.
I
Ni 'aanoMp uaoNvxa-iv
notia
Richard, Hermann
Über die Lykinosdialog
des Lxikian
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