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Full text of "Über Entwickelungsgeschichte der Thiere. Beobachtung und Reflexion .."

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ÜBER 


ENTWICKELUNGS  GESCHICHTE 


DER 


T    H    I    E    R    E. 


BEOBACHTUNG    UND     REFLEXION 


VON 


Dr.    KARL    ERNST    v.    BAER. 


ERSTER   THEIL. 


MIT     DREI     COLORIRTEN     KUPFERTAFELN. 


KÖNIGSBERG    1828. 

BEI   DEN   GEBRÜDERN   BORNTR.ir,  ER. 


Simplex    est    sigillum    yeritatis  '. 


AN 


MEINEN    JUGENDFREUND 


Dr.    CHRISTIAN    PANDER, 


-ßeilräge  zur  Entwicklungsgeschichte  wollen  hier  ia  die  Welt  treten.  Be- 
vor sie  selbst  reden,  ist  über  ihre  eigene  Entwickelungsgeschichte  zu  berich- 
ten, danüt  man  wisse,  was  sie  erzeugt,  gepflegt  und  sonst  auf  sie  gewirkt 
hat.  Wer  aber  wird  ein  freundliches  Ohr  schenken  der  Rede  des  Vaters, 
die  vielleicht  länger  sich  ausspinnt,  als  sie  sollte,  da  er  kaum  weifs,  ob  er 
das  Vorliegende  eine  verspätete  Frühgeburt  oder  eine  frühzeitige  Spätgeburt 
nennen  soll?  Wohl  nur  der  Jugendfreund,  den  früh  gleiche  wissenschaftliche 
Liebe  mit  ihm   verband ! 

Du  hast  noch  ein  näheres  Recht,    ja  vielleicht  eine  Verpflichtung,    des 
Kindleins  Pathe  zu  seyn.      Wenn   nämlich  die  Bildung  der  Frucht  ein  Wachs- 
thuni  über  die  Schranke  des  Individuums  hinaus  ist,    so  dürfen  die  vorliegen- 
den Untersuchungen  sich  rühmen,    eine  Folge  jener   für   die  Naturwissenschaft 
ewig  denkwürdigen  Verbindung  zu   seyn,    in  welcher  ein  in  physiologischen 
Forschungen   ergrauter  Veteran,    ein   von  Eifer   für  die  Wissenschaft  glühen- 
der Jüngling   und   ein    unvergleichlicher   Künstler   sich    verbanden,    um   durch 
vereinte  Kräfte  eine  feste  Grundlage  für  die  Entwickelungsgeschichte  des  thie- 
rischen  Organismus  zu  gewinnen.       Du  wurdest  der  Sprecher  dieses   Triumvi- 
rates,   Dir  also  überreiche  ich,    was   ich  dem  Vereine   widmen  möchte,    zu 
dessen  Bildung  eine  zufällige  Veranlassung  gegeben  zu  haben,    mir  das  unver- 
diente Glück  zu  Theil  wurde,    indem  ich  Dich  bei  unsrer  Begegnung  in  Jena 
bewog,   nach  Würzburg  zu  kommen,   um  meinen  Herrn  und  Meister  Döllin- 
ger  kennen  zu  lernen,    in  dessen  Hause  jeder  angehende  Naturforscher  Anre- 
gung,   Unterstützung  und  Belehrung   jeglicher   Art   fand.      Du    bliebst   länger, 
als  Du  gewollt  hattest.      Da  entwickelte  sich  jene  glückliche  Zeit,    (wie  gern 
verweilt  meine  Erinnerung  bei   ihr!)   in   welcher  uns  Döllinger   und  Nees 
von  Esenbeck    nach   Würzburg   und    Sickershausen   wie  zwei  Pole   zogen, 


VI 


die  sich  aber  nicht  gegenseitig  flohen,  sondern  selbst  anzogen.  Auf  einer 
solchen  Wanderung  nach  Sickershausen  war  es,  wo  Döllinger,  als  wir  über 
den  kleinen  Steg  gingen,  der,  von  dem  Wege  aus  Kitzingen  nach  Mainbern- 
beim  ab,  gegen  Sickershausen  leitet,  den  Wunsch  äufserte,  dafs  ein  junger 
Naturforscher  unter  seinen  Augen,  eine  neue  Reihe  von  Untersuchungen  über 
die  Entwickelung  des  Hühnchens  anstelle,  und  hinzufügte,  er  hoffe,  dafs  sich 
wichtige  Resultate  ergeben  würden.  Der  Vorschlag  zog  mich  ungemein  an, 
aber  mein  Aufenthalt  in  Würzburg  konnte  nicht  mehr  lange  währen  und  auch 
in  andrer  Hinsicht  ging  die  Unternehmung  über  meine  Kräfte.  Zum  bessern 
Glücke  für  die  Wissenschaft  warst  Du  in  der  Nähe  und  Du  fafstest  den  Ge- 
danken mit  Wärme  auf,  der  in  Sickershausen  zu  einem  festen  Plane  sich  ge- 
staltete. So  begannen  die  Untersuchungen,  deren  Anfängen  ich  noch  beiwoh- 
nen konnte  und  für  die  ich  eine  grofse  Vorliebe  mitnahm.  —  In  Königs- 
berg zu  einem  neuen  Berufe  angekommen,  hatte  ich  anfangs  diesem  Gegen- 
staude keine  Zeit  zu  widmen.  Als  ich  aber  im  Jahr  1818  Deine  Disserta- 
tion erhielt,  ward  der  Wunsch  in  mir  rege,  dafs  auch  der  ungenannte  Freund 
der  ersten  Zeile  sein  Scherflein  zur  Entwicklungsgeschichte  beilragen  möge. 
Er  wurde  bald  noch  lebendiger,  als  Deine  Beiträge  ankamen.  Sie  gaben  mir 
Licht,  aber  das  Faltensvstern  wollte  mir  durchaus  nicht  zusagen  und  gegen 
die  Darstellung  von  der  allmähligen  Bildung  des  Amnions  meinte  ich  Zwei- 
fel hegen  zu  dürfen.  So  ging  ich  1819  an  die  erste  eigene  Beobachtung, 
die  nur  auf  Verständuifs  Deiner  Untersuchungen  gerichtet  seyn  konnte.  Die 
Bildung  des  Amnions  fand  ich  zwar  wie  Du  sie  angegeben  hast,  aber  die 
Faltungen  glaubte  ich  als  Abschnürungen  auffassen  zu  müssen.  Im  folgenden 
Sommer  wurde  eine  neue  Reihe  von  Untersuchungen  begonnen.  Jetzt  ward 
es  mir  zuerst  klar,  dafs  ein  Schatten,  den  die  innere  Fläche  Deiner  Primi- 
tivfalten wirft,  und  die  schräge  Richtung,  in  welcher  diese  Erhebungen  nach 
aufsen  in  die  Fläche  der  Keimhaut  übergehen ,    wodurch  ihr  Uebergang  schwer 


VII 


kenntlich  wird,  Dich  zu  der  Ansicht  verleitet  haben,  als  lägen  die  Wirbel- 
aufänge  nach  aufsen  neben  den  Primitivfallen,  während  sie  doch  in  ihrem 
Innern  liegen.  An  diese  Bemerkung  knüpfte  sich  meine  ganze  fernere  Unter- 
suchung, denn  gleich  einem  leuchtenden  Strahle  schofs  es  mir  nun  durch  die 
Seele,  wie  der  Typus  im  Bau  der  Wirbel thiere  sich  allmählig  im  Embryo 
ausbildet.  —  Schon  früher  nämlich  hatten  sich  in  mir  die  Vorstellungen  von 
den  verschiedenen  Typen  im  Bau  der  Thiere  gestaltet,  von  denen  ich  endlich 
im  Vten  Bande  der  Verhandlungen  der  Leopoldinischen  Akademie  eine  Skizze 
vorgelegt  habe,  und  über  welche  bereits  im»  Winter  von  1816  auf  1817 
Hartmann,  Fowelin  und  andre  unsrer  Freunde  in  Berlin  meinen  ersten 
Lehrkitzel  in  vier  oder  fünf  Vorlesuugen  aushalten  mufsten  *).  Es  sind  die- 
selben Vorstellungen,    welche   ich   in   jener  Schrift  im  Jahr    1819   zu   enlwik- 


*)  Also  vor  Erscheinung  von  Cuvier's  Regne  animal.  Ich  erlaube  mir,  diesen  geringfügigen 
Umstand  zu  bemerken,  um  mich  zu  rechtfertigen,  wenn  ich  die  in  dem  vorliegenden  Buche 
tum  Grunde  gelegten  Ansichten  über  die  Verwandtschaftsverhältnisse  der  Thiere  als  die  mei- 
nigen behandle,  in  so  fern  man  Etwas  sein  Eigenthuro  nennen  kann,  was  eine  Frucht  der 
Zeit  ist.  Denn  dafs  Cuvier's  Eintheilung  des  Thierreiches  in  vier  grofse  Gruppen,  die  so 
unendlich  fruchtbar  für  die  Erkeuntnifs  des  thierischen  Baues  geworden  ist,  durch  mehr- 
fache Entdeckungen,  unter  denen  seine  eigenen  oben  an  stehen,  vorbereitet  gewesen  seyn 
mufs ,  sieht  man  schon  daraus,  dafs  Rudolph  i's  vorgeschlagene  neue  Eintheilung  der 
Thiere  in  seinen  Beiträgen  zur  Anthropologie  und  allgemeinen  Naturgeschichte  im  Grunde 
dieselbe  ist.  Auch  diese  vortreffliche  Abhandlung,  die  später  mit  Cuvier's  unsterblichem 
Werke  meinen  Vorstellungen  mehr  Festigkeit  und  Klarheit  gegeben  hat,  war  mir  damals 
noch  nicht  bekannt.  Nur  der  Einwirkung  war  ich  mir  bewußt,  die  Oken's  Nachweisung 
der  Wirbel  im  Schädel  auf  mich  gehabt  hatte,  und  der  Vergleichung  dieses  Verhältnisses  mit 
denjenigen  niedern  Tlueren ,  die  ich  selbst  untersucht  halte.  Hiermit  mag  man  meine  Vor- 
liebe für  diese  Ansichten  von  den  thierischen  Verwandtschaften  entschuldigen,  die  mir  die 
Beobachtung  im  Felde  der  Entwickelungsgeschichte  überall  wieder  zu  geben  schien.  Ru- 
dolphi  und  Cuvier  haben  mehr  den  Zweck,  Einthcilungsgründe  für  eine  systematische  An- 
ordnung der  Thiere  zu  geben.  Worin  ich  von  ihnen  abweichen  zu  müssen  glaube,  habe 
ich  in  der  siebenten  Abhandlung  meiner  Beiträge  für  den  genannten  Band  der  Nova  Acta 
Acad.  Nat.  Curios.  hervorgehoben.  .Ueberhaupt  bitteich  jenen  Aufsatz ,  so  wie  die  Bemerkun- 
gen über   das   äufsere    und   innere   Skelet   in    M  e  ekel  's   Archiv    1826    mit    dem    vorliegenden 


Buche  als  ein  organisch  zusammengehöriges  Ganzes  zu  betrachten.      Sie  kommen  aus  dersel-     /y\^y\CA  / 
ben  Wurzel  und  sind  nur  verschiedene  Blätter  desselben   Stammes.  /Cv  ---V75">s. 

LI  :.}  RAR 


\ 


VIII 


kein  unternahm,  von  der  ich  Dir  die  vier  ersten  Bogen  mitgetheilt  habe. 
Mehr  sind  nicht  gedruckt,  weil  es  mich  in  Verlegenheit  setzte,  mein  eige- 
ner Verleger  zu  seyn  und  ich  das  nonum  prematur  in  annum  in  Anwendung 
bringen  wollte.  Es  wurde  nach  dieser  Vorbereitung  mir  nun  klar,  wie  von 
einer  Mittellinie  aus  sich  Deine  Primitivfallen,  die  ich  später  Rückenplatten 
benennen  lernte,  nach  oben  und  die  Bauchplatten  nach  unten  schlagen,  um 
den  aninialen  Theil  des  Wirbelthiers  zu  bilden,  und  wie  im  plastischen 
Theile  der  Typus  der  Mollusken  sich  offenbart.  So  wurden  mir  die  Unter- 
suchungen über  Entwickelungsgeschichte  immer  lieber,  da  sie  sich  mit  mei- 
nen übrigen  Ansichten  von  der  thierischen  Organisation  überall  verschmolzen 
und  beide  gegenseitig  die  Gewähr  ihrer  Wahrheit  zu  geben  schienen.  Jetzt 
wird  man  freilich,  wenn  der  Entwickelungsgang  sich  so  unendlich  einfach 
zeigt,  finden,  dafs  sich  das  alles  von  selbst  so  verstehe  und  kaum  der  Be- 
stätigung  durch  die  Untersuchung  bedurft  hätte.  Aber  die  Geschichte  vom 
Ei  des  Columbus  wiederholt  sich  täglich,  und  es  kommt  mir  darauf  an,  es 
einmal  auf  den  Ring  gestellt  zu  haben.  —  Wie  langsam  man  übrigens  in 
der  Erkeuntiiifs  dessen,  was  sich  von  selbst  versteht,  fortschreitet,  besonders 
wenn  beachtungswerthe  Auctoritäten  entgegenstehen,  davon  habe  ich  an  mir 
selbst  Erfahrungen  genug  gemacht.  Obgleich  ich  schon  im  Jahr  1820  er- 
kannt hatte,  dafs  der  Typus  der  Wirbelthiere  die  ganze  Entwickelungsge- 
schichte beherrscht,  und  meine  Untersuchungen  während  der  Sommer  1821, 
1822  und  1823  fortsetzte  und  in  dem  zuerst  genannten  Jahre  bereits  nach  die- 
sen Ansichten  in  der  hiesigen  physicalisch  -  medicinischen  Gesellschaft  eine 
Reihe  von  Vorlesungen  mit  Demonstrationen  verbunden  hielt ,  so  halte  ich 
doch  den  dunklen  Streifen,  der  sich  schon  früh  in  der  Mittelebene  zeigt, 
nicht  für  das  erkannt,  was  er  ist,  weil  Du,  mein  Freund!  ihn  für  das 
Rückenmark  angesehen  hast.  Ich  hatte  ihn  nicht  erkannt,  obgleich  ich  im- 
mer eingestehen  mufste,    den  Zusammenhang  zwischen    der  spätem  Form  des 

Rü- 


IX 


Rückenmarkes  und  diesem  dunklen  Faden  nicht  begreifen  zu  können.  Ueber- 
haupt  hat  mich  die  Erfahrung  gelehrt,  dnfs  der  Fortgang  der  Entwicklung 
so  einfach  und  so  gleichmäfsig  ist,  dafsman,  so  bald  er  für  irgend  einen  Theil 
gefunden  ist,  nicht  begreifen  kann,  wie  man  ihn  nicht  vorher  gesehen  hatte. 
Es  wird  sich  immer  finden,  dal's  unter  allen  möglichen  Weisen,  die  man 
sich  ersinnen  kann,  die  Natur  die  einfachste  und  zunächst  liegende  befolgt. 
So  kann  ich  jetzt  nicht  ohne  Vergnügen  an  die  lange  Sorge  denken,  die  mir 
die  Entstehungs weise  der  Leber  verursacht  hat.  Ihr  erstes  Auftreten  ist  sehr 
schwer  aufzufinden,  und  wird  nur  zu  leicht  verkannt,  weil  die  Vorbildung 
zur  Leber  seihst  gar  keine  aufsehe  Aehnlichkeit  hat.  Nachdem  ich  nun,  im- 
mer rückwärts  gehend,  die  Weise  der  Entstehung  vollständig  gefunden 
konnte  ich  nicht  mehr  begreifen,  wie  ich  andre  Möglichkeiten  in  meinem 
Geiste  gestattet  hatte.  Nicht  anders  ist  es  mir  mit  dem  Athmungsapparate 
ergangen.  Seine  Entstehungsweise ,  lange  ein  Räthsel  für  mich ,  ist  die  mög- 
lichst einfache.  Unsre  Phantasie  aber  schreitet  so  leicht  über  den  einfachen 
Gang  der  Natur  weg! 

Ich  habe  aber  noch  Historisches  zu  berichten.  Bis  zum  Jahr  1823 
waren  also  meine  Untersuchungen  fortgesetzt  und  halten  mir  bereits  die  Fun- 
damental-Resultate  gegeben,  von  welchen  aus  alles  übrige  betrachtet  werden 
mufs.  Vorzüglich  hatte  ich  jedoch  in  der  frühern  Bildung  mich  zu  orienti- 
ren  gesucht,  und  da  ich  schon  mit  dem  Gedanken  umging,  einst  eine  aus- 
führliche Darstellung  zu  geben,  mich  vor  allen  Dingen  bemüht,  die  schwie- 
rigen ersten  Tage  der  Entwickelung  vollständig  kennen  zu  lernen.  Darauf 
trat  eine  lange  Lücke  ein,  indem  die  Anlegung  eines  zoologischen  Museums 
hieselbst  mir  die  Nöthigung  auflegte ,  mich  näher  mit  der  beschreibenden  Zoo- 
logie zu  beschäftigen,  auch  einzelne  anatomische  Arbeiten  mich  in  Anspruch 
nahmen. 

b 


Die  Wiederaufnahme  der  unterbrochenen  Untersuchungen  verdanke  ich 
dem  freundlichen  Zureden  unser»  ersten  Lehrers  in  der  Anatomie  und  Physio- 
logie, der  die  Liebe  für  diese  Fächer  in  uns  erweckt  hat,  meines  jetzigen 
Collegen  Burdach.  Nachdem  von  demselben  der  Plan  zu  einer  umfassen- 
den Bearbeitung  der  Physiologie  entworfen  und  die  Reulisirung  derselben  be- 
gonnen war,  halte  er  die  Güte,  mich  zu  einer  Bearbeitung  der  Entwicklungs- 
geschichte des  Hühnchens  für  diese  Physiologie  aufzufordern.  So  schmeichel- 
haft es  mir  auch  war,  an  einem  so  ehrenvollen  Platze  eine  kurze  Darstel- 
lung meiner  bisherigen  Erfahrungen  zu  geben,  so  wäre  es  meinen  Wünschen 
noch  mehr  entsprechend  gewesen,  nur  über  die  Entwicklung  der  ersten  fünf 
Tage  zu  berichten,  weil  ich  nur  für  diese  Zeit  mit  einiger  Vollständigkeit 
orientirt  zu  seyn  glaubte,  und  ich  den  Wunsch  hegte,  bei  meiner  Darstellung 
der  Entwickelungsgeschichle,  so  viel  au  mir  läge,  die  Aufnahme  von  Unrich- 
tigkeiten zu  vermeiden.  Indessen  liels  ich  mich  zur  Uebernahme  des  Ganzen 
bewegen  und  glaubte  mir  nur  das  Recht  vorbehalten  zu  müssen,  meinen  Bei- 
trag als  opusculum  in  opere  betrachten  zu  können.,  und  nicht  iblofs  erzählend 
zu  verfahren,  sondern  die  zunächst  liegenden  allgemeinen  Resultate,  wie  ich 
sie  schon  im  Jahr   1821   vorgetragen  hatte,     mit  aufnehmen  zu  dürfen. 

So  entstand,  nachdem  ich  im  Jahr  1826  und  1827  die  früheren  Pe- 
rioden noch  einmal  untersucht  und  in  der  spätem,  so  viel  die  Zeit  erlaubte, 
mich  umgesehen  hatte,  die  nachfolgende  Abhandlung.  Sie  wurde,  so  wie 
sie  niedergeschrieben  war,  theilweise  von  Ende  des  Augusts  1827  au,  meinem 
Collegen  übergeben.  Nachdem  gegen  Ende  des  Septembers  die  Ablieferung 
his  zu  dem  Schlüsse  des  §.  7  (nach  dem  vorliegenden  Abdrucke)  erfolgt  war, 
fand  es  sich,  dafs  Avir  uns  doch  nicht  gehörig  verständigt  hatten.  Burdach 
wünschte  einige  allgemeiner  scheinende  und  nicht  streng  zur  Erzählung  gehö- 
rige Bemerkungen  entweder  an  andere  Stellen  versetzt  oder  ganz  weggelassen 
zu  sehen.      Ich  konnte  mich  zu    den  Versetzungen   nicht  entschliefsen,    da  ich 


XI 


die  Stellen  ,  in  welche  sie  eingerückt  werden  sollten  ,  noch  nicht  kannte 
willigte  aber  gern  in  die  Wcglassung,  für  welchen  Fall  ich  einen  schon  ge- 
schriebenen Bogen  (es  ist  der  §.  8  dieses  Abdruckes)  zurückbehalten  zu  müs- 
sen glaubte,  da  die  meisten  allgemein  scheinenden  Bemerkungen  nur  Vorbe- 
reitungen für  diesen  Paragraphen  sind. 

Später  erst ,  nach  Ablieferung  des  Ganzen  bis  §.  14,  fand  ich ,  dafs 
durch  ein  Mifsverständnifs  dennoch  einige  jener  Bemerkungen  an  andre  Orte 
des  Hauptwerkes  verlegt  waren,  und  in  der  für  den  Druck  genommeneu 
Abschrift  meines  Manuscriptes ,  um  es  mehr  dem  Ganzen  anzupassen,  noch 
kleine  Umgestaltungen  vorgenommen  waren,  die,  wenn  sie  auch  nicht  we- 
sentlich sejsn  mochten,  doch  um  so  mehr  den  Wunsch  in  mir  rege  machten, 
das  Ganze  in  seiner  ursprünglichen  Form  mit  seinen  Unvollkommenheiten  er- 
scheinen zu  lassen ,  da  ich  den  Umfang  der  Veränderungen  nicht  kannte, 
während  ich  ursprünglich  die  Absicht  hatte,  dieser  vorläufigen  Skizze  eine 
erweiterte ,  mit  zahlreichen  Abbildungen  versehene  Entwickelungsgeschichle 
des  Hühnchens  später  folgen  zu  lassen. 

Bei  einer  neuen  Durchsicht  des  Manuscriptes  habe  ich  nur  einige  Un- 
vollkommenheiten des  Ausdruckes  verändert,  Marginalien  über  den  Inhalt  der 
einzelnen  Abschnitte  zum  bequemern  Gebrauche  beigefügt,  und  ein  Paar  Be- 
merkungen, eben  nicht  von  Bedeutung,  sind  unter  den  Text  gesetzt.  Selbst 
was  ich  über  die  Bildung  der  Wölfßschen  Körper  gesagt  hatte,  ist  in  seiner 
ursprünglichen  Form  geblieben,  obgleich  ich  bei  Ausarbeitung  des  Manu- 
scriptes üljer  sie  durch  Bathke's  Darstellung  der  spätem  Umbildung  (ver- 
gleiche: Neueste  Schriften  der  natttr forschenden  Gesellschaft  in  Danzig ,  Bd.  I. 
Heft  4.)  sehr  in  Zweilel  gesetzt  Avar.  Jetzt  hat  Rathke,  wie  ich  erfahre 
selbst  seine  frühere  Ansicht  geändert.  Wenn  ich  seine  jetzige  auch  noch 
nicht  näher  kenne,  so  würde  ich  doch  nun  nicht  mehr  zweifeln,  dafs  die 
Wolffischen  Körper  nichts  sind,    als  vorübergehende  Nieren,    ähnlich  den  Llew^jvjIC/}/ 

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7  VV 


XII 


elenden  Fischnieren.  Es  freut  mich  wenigstens,  für  die  Art  ihrer  Bildung 
die  Ansicht  verfochten  zu  haben,  dafs  sie  aus  einem  Blutgefässe  hervorspros- 
sen.     Ich  hoffe,    dafs  diese  sich  bewähren  wird. 

Vielleicht  hätte  ich  das  Ganze  umarbeiten  sollen,  um  die  trockne  Er- 
zählung durch  eingestreute  Anwendungen  auf  physiologische  Fragen  lebendiger 
zu  machen.  Das  aber  hätte  ein  neues  Werk  gegeben,  was  ich  nicht  beab- 
sichtigte, und  mir  die  Möglichkeit  einer  spatem  ausführlichen  Bearbeitung  ab- 
geschnitten. Auch  hebt  sich  wohl  nach  einer  Frist  von  drei  Vierteljahren 
allerdings  manches  Verhältnifs  klarer  hervor,  und  besonders  tritt  uns  eine 
cousequentere  Benennung  entgegen,  wenn  wir  die  angenommene  erst  in  der 
Ausarbeitung  erprobt  haben.  Indessen  habe  ich  in  dieser  Hinsicht  auch  nur 
Eine  Umänderung  vorgenommen.  Ich  habe  die  Benennung  Keimhaut  nur  für 
den  hautförmigen  Theil  gebraucht,  welcher  nach  allen  Seiten  vom  Embryo 
sich  ausbreitet,  für  die  frühere  Zeit  aber,  wo  der  Embryo  noch  gar  nicht 
verschieden  ist  von  einer  umgebenden  Keimhaut,  sondern  beide  Theile  nur 
ein  indifferentes  Ganzes  bilden,  schien  mir  die  Bezeichnung  Keim  der  Sache 
und  der  Sprache  am  angemessensten.  Das  Wort  Keimblatt,  welches  Du  zu- 
gleich mit  Keimhaut  anwendest,  hat  das  Unbequeme,  dafs  in  diesem  Blatte 
wieder  Blätter  zu  unterscheiden  sind  und  in  manchen  Thieren  der  Keim  schon 
beim  Hervortreten  sackförmig  ist.  Die  Benennung  Rückenplatten  und  Bauch- 
platten hätte  ich  auch  vielleicht  nach  einer  Verbesserung,  die  ich  später  ken- 
nen lernte,  verändern  sollen.  Burdach  nennt  sie  Spinalplatten  und  Visce- 
ralplatten.  Nun  bilden  die  ersten  allerdings  in  den  Wirbellhieren  die  obere 
Hälfte  des  Leibes,  welche  das  Rückenmark  enthält,  und  die  letztern  die  un- 
tere Körperhälfte,  welche  die  bildenden  Organe  einschliefst.  Allein  ganz 
entschieden  schien  mir  der  Vorzug  auch  nicht,  denn  die  Benennung  medulla 
spinalis,  von  welcher  das  erstere  Wort  abgeleitet  wird,  ist  selbst  wieder  ab- 
geleitet,  und  zwar  morphologisch  unrichtig  abgeleitet  von  Spina,  dem  Stamme 


XIII 


der  Wirbelsäule.  Dieser  Stamm  hat  aber  eben  sowohl  Beziehung  zur  obern, 
als  zur  untern  Hälfte  des  Körpers  der  Wirbelthiere.  Zweitens  würden  die 
beiden  Platten,  aus  welchen  die  gegliederten  Thiere  sich  bilden,  nach  dieser 
Benennung  Visceralplatten  genannt  werden  müssen.  Die  Thiere  sind  aber 
wohl  nicht  blos  Bäuche.  Ueberdiefs  hatte  ich  die  frühere  Benennung  auch 
schon  in  Druckschriften  gebraucht.  So  ist  sie  denn  auch  hier  beibehalten, 
da  die  obere  und  untere  Fläche  der  Thiere  nicht  nur  im  gemeinen  Sprach- 
gebrauche, sondern  auch  in  der  zoologischen  Kunstsprache  Rücken-  und  Bauch- 
fläche (v enter ,  gastraeum)  benannt  werden.  Wenn  in  gegliederten  Thieren  nicht 
für  beide  Flächen  besondere  Plattenpaare  auftreten,  so  wird  es  am  passendsten 
seyn,  das  einfache  Paar  Seitenplatlen  zu  nennen,  besonders  da  die  Centrallinie  die- 
ser Platten  mehr  in  der  Bedeutung  der  Centrallinie  der  Baucliplatten  der  Wirbel- 
thiere,  die  Schlufslinie  in  der  Bedeutung  der  Schlufslinie  der  Rückenplatten  der- 
selben steht,  (worüber  ich  auf  das  4te  Corollarium  zu  Schol.  V.  verweise,)  ohne 
jedoch  vollständige  Uebereinstimmung  zu  haben.  Hiervon  suche  ich  den  Grund 
in  dem  Schema  der  Entwickelung  selbst,  welches  in  den  Wirbellhieren  den  Pri- 
mitivstreifen, den  Inbegriff  aller  Centrallinien ,  in  die  Mitte  stellt,  in  den  geglie- 
derten Thieren  ihn  aber  an  der  einen  Fläche  läfst,  welche  die  untere  wild;  — 
Dieselben  Gründe,  die  mich  bestimmt  haben,  das  Wort  Rückenplatten  beizu- 
behalten, mufsten  mir  aber  auch  die  Benennung  Rückensaite  als  unpassend  er- 
scheinen lassen ,  da  dieser  Theil  zwischen  Rücken  und  Bauch  in  der  Mitte  liegt. 
Ich  habe  ihn  in  dem  zweiten  Abschnitte  dieses  Buches  Wirbel-  oder  Spinalsaite 
genannt,  konnte  aber  die  Umänderung  in  der  bereits  zum  Drucke  beförderten 
Entwickelungsgeschichte  selbst  nicht  mehr  anbringen.  Die  Veränderung  ist  in- 
dessen so  einfach,   dafs  Mifsverstäudnisse  dadurch  nicht  zu  fürchten  sind. 

Diesen  ausführlichen  Bericht  über  die  erste  Abhandlung  der  vorliegenden 
kleinen  Sammlung,  glaubte  ich  mehr  mir  selbst  als  dem  Publicum  schuldig  zu 
seyn,  um  den  neuen  Abdruck  zu  rechtfertigen.     Die  Erzählung  der  Entwickelung 


XIV 


des  Hühnchens  ist ,  wenn  auch  nicht  kurz ,  dennoch  ihrer  ursprünglichen  Bestim- 
mung gemäfs  gedrängt  und  beschränkt  sich  nur  auf  das,  was  zur  Darstellung  der 
Vorgänge  gehört,  ohne  vollständige  Rücksicht  auf  die  Leistungen  meiner  Vorgän- 
ger zu  nehmen.  An  einigen  Stelleu,  wo  mir  eigene  Beobachtungen  fehlten,  und 
ich  doch  wichtige  Verhältnisse  nicht  übergehen  wollte,  wie  das  Maafs  des  Gewichts- 
verlustes und  die  Weiterbildung  der  an  der  Lunge  hängenden  Blasen  zu  Luftsäcken, 
habe  ich  die  benutzten  Auctoritätcn  genannt.  Alles  übrige  bitte  ich  als  den  Be- 
richt über  eigene  Untersuchungen  anzusehen.  So  ist,  was  ich  über  tue  Blutbil- 
dung  zweifelnd  anführe,  auch  nicht  als  Widerspruch  gegen  Deine  oder  Wo  1  fr  s 
Darstellung  zu  betrachten ,  sondern  soll  nur  genau  angeben ,  wie  weit  ich  selbst  ge- 
langt bin.  Das  erste  Strömen  im  dunklen  Theile  der  Keimhaut  aufzufinden,  scheint 
mir  so  unendlich  schwierig,  dafs  ich  darauf  aufmerksam  zu  machen  nicht  für  über- 
flüssig hielt,  da  man  jetzt  in  Inaugural- Dissertationen  die  Sache  so  darstellt,  als 
ob  sie  nach  Eröffnung  von  ein  Paar  Dutzend  Eiern  Jedem  entgegenträte.  Dafs  es 
C.  Fr.  Wolff  und  Dir  gelungen  ist,  die  erste  Bewegung  zu  erkennen,  wenn  Ihr 
Euer  Augenmerk  anhaltend  auf  diesen  Gegenstand  gerichtet  habt,  bestimmt  läug- 
nen  zu  wollen ,  war  meine  Absicht  nicht.  Auch  bin  ich  vollkommen  davon  über- 
zeugt, dafs  erst  durch  die  Bewegung  des  Blutes  die  Gefäfswand  sich  bildet,  aber 
zwischen  dem  Mangel  einer  festen  Gefäfswand  und  der  Bewegung  ohne  vorgebil- 
dete Bahn,  sind  noch  viele  Zwischenstufen ,  welche  wohl  in  Embryonen  kaltblü- 
tiger Thiere,  die  lange  unter  dem  Microscope  leben ,  sich  auffinden  lassen.  Im 
Hühnchen  wird  man  die  erste  Bewegung  kaum  iu  tausend  Fällen  einmal  treffen 
können,  vielleicht  nie.  Dieses  näher  aus  einander  zu  setzen,  würde  mich  hier 
zu  Aveit  führen. 

Die  Zahl  der  von  mir  geöffneten  Eier  mag  sich  auch ,  wie  bei  der  Würzbur- 
ger Untersuchung,  auf  ein  Paar  Tausend  belaufen.  Du  weifst  aber  sehr  wohl,  dafs 
solche  Zahlen  den  Erfolg  eben  nicht  ausmachen,  und  dafs  es  vielmehr  darauf  an- 
kommt, die  Embryonen  in  den  am  meisten  belehrenden  Momenten  zu  erhalten, 


XV 


und  diese  gehörig  zu  benutzen,  nachdem  man  die  uöthige  Fertigkeit  erlangt  hat, 
vor  allen  Dingen  aber  auf  ein  deutliches  Bewufstsevn  von  Dem ,  was  man  sucht. 
Die  Verwunderung  über  die  Kleinheit  der  Thede,  an  der  die  Vorzeit  sich  erfreute, 
genügt  nicht  mehr".  Wie  und  woraus  sie  sich  hervorbildeten,  müssen  wir  erfor- 
schen, sie  deshalb  in  der  Bildung  rückwärts  verfolgen  und  zu  diesem  Zwecke  eine 
grofse  Zabl  von  Embryonen  untersuchen. 

Eine  vollständige  Reihe  von  Abbildungen  zu  liefern,  war  mir  jetzt  nicht 
möglich,  theils  weil  ich  ein  noch  wenig  geübter  Zeichner  bin,  theils  weil  Kupfer- 
stiche ,  die  man  nicht  unter  seinen  Augen  ausarbeiten  lassen  kann ,  selten  genügen, 
und  eine  bedeutende  Zahl  derselben  in  Königsberg  anfertigen  zu  lassen  nicht  mög- 
lich ist,  der  Kosten  nicht  zu  gedenken.  Die  idealen  Abbildungen,  die  diesen 
Theil  begleiten ,  werde  ich  unter  meinen  Augen  stechen  lassen ,  und  dem  zweiten 
Theile  eine  Tafel  Abbildungen  über  einige  wichtige  Momente  der  Entwickelungs- 
geschichte  beifügen.  Diese  soll  auswärts  gestochen  Averden ,  um  daran  zu  erfah- 
ren, welchen  Grad  von  Richtigkeit  man  auf  diesem  Wege  erlangen  kann.  —  So 
sehr  ich  mich  bemüht  habe,  in  den  Zeichnungen  der  beiden  ersten  Tafeln  die  mög- 
lichste Richtigkeit  mit  einleuchtender  Verständlichkeit  zu  verbinden ,  und  sie  des- 
halb im  Verlaufe  von  sieben  Jahren  mehrmals  umgezeichnet  habe,  so  finde  ich 
doch ,  dafs  beide  Aufgaben  sich  nicht  vollkommen  verbinden  lassen.  Wo  sie  sich 
entgegentraten,  habe  ich  die  der  Deutlichkeit  vorwalten  lassen,  und  ich  hoffe  in 
der  That,  dafs  die  Betrachtung  derselben  in  fortlaufender  Reihe  das  Wesentlichste 
in  der  Entwicklungsgeschichte,  die  Hervorbildung  des  Embryo  aus  einem  blattför- 
migen Theile,-  dem  Beschauer  lebendig  vor  die  Seele  stellen  wird.  Indessen  niufs- 
ten  doch  offenbare  Unrichtigkeiten  vermieden  werden.  So  durften  die  Figuren  V 
und  VI,  da  sie  Längsdurchschnitte  in  der  Mittelebene  des  Thiers  sind,  das  Herz 
nicht  so  lang  darstellen,  als  es  um  diese  Zeit  mit  seinen  Zipfeln  wirklich  ist,  son- 
dern nur  die  Länge  seines  Mitteltheiles  zeigen.  Eben  so  wird  man  in  den  Oueer- 
durchschnitten  der  letzten  Zeit  die  Höhe  der  häutigen  Theile  der  Bauchwand  we- 


L    RfiARV 
•    >  - 


XVI 


ni^er  ansehnlich  finden,  als  man  sie  vielleicht  nach  dem  beschreibenden  Texte  er- 
wartet. Man  inufs  sich  hierbei  erinnern ,  dafs  diese  Schnitte ,  um  die  allniählige 
Metamorphose  des  Darmes  zu  zeigen ,  sämmtlich  in  derjenigen  Gegend  der  Bauch- 
höhle gedacht  sind ,  die  sich  zuletzt  schliefst.  Anderes  bemerkt  die  schon  in  den 
Druck  gegebene  Erklärung  der  Abbildungen.  Ich  erinnere  nur  noch,  dafs  nicht 
alle  Zwischenglieder  gegeben  werden  konnten  und  eben  deshalb  eine  Figur  auch 
wohl  zur  Erläuterung  einer  Bildung  angeführt  wird,  die  einige  Stunden  vorher- 
ging- 

Für  die  Darstellung  der  Entwickelungsgeschichte  habe  ich  noch  zu  bemer- 
ken dafs  ich  den  Embryo  immer  nach  seiner  horizontalen  Lage  beschrieben  habe, 
nicht  so  wie  man  die  Baumverhällnisse  in  organischen  Körpern  wohl  nach  dem 
Baue  des  menschlichen  bestimmt.  Die  Bauchfläche  heifst  also  die  untere,  das 
Kopfende  (las  vordere. 

So  viel  über  den  ersten  Abschnitt!  Ihm  ist,  um  dem  Ganzen  Leser  und 
Käufer  zu  verschaffen,  ein  zweiter  neu  beigegeben,  in  welchem  ich  unter  dem 
Namen  Scholien  und  Corollarien  einige  allgemeine  Bemerkungen  mittheile.  Eine 
aröfsere  Strenge  für  Reinheit  der  deutschen  Sprache  mag  sie  Folgesätze  und  Zusätze 
nennen.  Sie  sollen  Skizzen  aus  meinem  wissenschaftlichen  Glaubensbekenntnis 
über  die  Entwickelungsgeschichte  der  Thiere  geben,  wie  es  sich  aus  der  Beobach- 
tung des  Hühnchens  und  verwandten  Untersuchungen  in  mir  bisher  gestaltet  hat. 

Es  war  vielleicht  zu  kühn,  jene  allgemeinen  Umrisse ,  die  bestimmt  waren, 
nach  längerer  Zeit  auf  das  gröfsere  Werk  zu  warten,  schon  jetzt  zu  geben ,  da  für 
sie  kaum  die  Frucht  eines  ganzen  Lebens  hinreicht ,  und  die  genauere  Untersu- 
chung über  Entwickelungsgeschichte  der  übrigen  Thierklassen  erst  begonnen  ist, 
ich  auch  von  Rathke's  Untersuchungen  über  das  Krebsei  nur  die  frühem  Resul- 
tate und  von  den  Ergebnissen  seiner  Beobachtungen  am  Blennius  viviparus  noch 
war  nichts  kenne ,  meine  eigenen  Beobachtungen  an  wirbellosen  Thieren ,  so  wie 
an  Fischen  aber  noch  dürftig  sind.  Was  ich  von  wirbellosen  Thieren  untersucht 
habe  ist  hie  und  da  in  der  Schrift  angeführt.  Von  Fischen  hatte  ich  vor  mehre- 
ren 


xvn  :-/0 


VX4 

fsv     — _ 


ren  Jahren  bereits  Gelegenheit,  ein  Paar  kleine,   durchsichtige  Individuen  in  deikü 
Kiemen  von  Muscheln  zu  finden.     Alle  spätem  Bemühungen  haben  mir  nur  ein-x> 


mal  lebendigen  Barschlaich  verschafft ,  der  in  zweien  Tagen  abstarb ,  noch  ehe  es 
zur  Entwicklung  eines  Gefäfssystems  kam,  so  dafs  meine  Keuntnifs  des  Fisch- 
embryo viel  mangelhafter  ist,  als  die  der  andern  Wirbelthiere ,  da  ich  Amphibien 
und  Säugethiere  wohl  untersucht  habe. 

Dennoch  habe  ich  nicht  angestanden,  jene  Umrisse  schon  jetzt  zu  geben, 
weil  einige  Jahre  in  dem  Leben  eines  einzelnen  Beobachters  wohl  nur  wenig  in  ih- 
nen ändern  werden,  und  weil  Niemand  sicher  ist,  ob  die  vorgefafste  Meinung  nicht 
aufsein  Auge  mehr  einwirkt,  als  er  glaubt  und  weifs.  Deswegen  hoffe  ich  Dank 
zu  verdienen,  wenn  ich  sie  jetzt  gebe,  und  zur  Prüfung  und  Berichtigung 
auffordere;  denn  irrige,  aber  bestimmt  ausgesprochene  allgemeine  Resultate, 
haben  durch  die  Berichtigung,  die  sie  veranlassen,  und  die  schärfere  Beach- 
tung aller  Verhältnisse ,  zu  der  sie  nöthigen ,  der  Wissenschaft  fast  immer 
mehr  genützt,  als  vorsichtiges  Zurückhalten  in  dieser  Sphäre.  Anders  ist  es 
mit  der  Beobachtung.      Diese  kann  nie  genau  genug  seyn. 

Erfolgreicher  ist  es  freilich  für  die  Anerkenntnifs  unserer  Bemühun- 
gen, solcher  allgemeinen  Resultate  sich  so  viel  möglich  zu  enthalten.  Man 
bekämpft  diese  Aussprüche,  wenn  sie  zu  allgemein  scheinen  und  übersieht 
nur  zu  leicht  alles  Andere  darüber.  Das  habe  ich  nicht  übersehen  können, 
da  die  Geschichte  der  Arbeiten  über  die  Entwicklung  der  Thiere  mich  nur 
zu  lebhaft  daran  erinnert.  An  Oken's  Untersuchungen  über  die  Entwicke- 
lung  der  Säugethiere  hat  sich  der  stumpfeste  Witz  geübt  und  hat  nicht  auf- 
gehört den  allgemeinen  Resultaten,  die  er  ausspricht,  zu  widersprechen. 
Darüber  scheint  man  aber  fast  nicht  anerkennen  zu  wollen,  welchen  Werth 
die  unmittelbare  Beobachtung  in  diesen  Untersuchungen  hat.  Sie  gehört 
offenbar  zu  den  genauesten,  die  wir  über  Säugethiere  besitzen,  und  die  all- 
gemeinen Sätze,    obgleich  ein  grofser  Theil  von  ihnen   jetzt  als   irrig  erschei- 


XVIII 


neu  mufs,  haben  doch  die  Erkenntnii's  der  Entwicklungsgeschichte  dadurch 
unendlich  gefördert,  dafs  sie  die  Naturforscher  zu  einem  deutlichem  Bewufst- 
seyn  brachten.  So  hoch  ich  auch  Dutrochet's  und  Cuvier's  Belehrun- 
gen über  die  Entwickelung  der  Säugethiere  schätze,  so  scheint  es  mir  doch 
unläugbar,  dafs  üken?s  Untersuchungen  der  Wendepunkt  für  eine  richtigere 
Erkenntnifs  des  Eies  der  Säugethiere  geworden  sind. 

Die  Erinnerung  an  das  Schicksal  der  0  keuschen  Bestrebungen  flöfst 
mir  nur  Einen  Wunsch  ein,  den  ich  nicht  unterdrücken  will.  Möeen  meine 
Nachfolger,  die  nothwendig  meine  Richter  sind,  mir  die  Bitte  nicht  abschla- 
gen, meinen  Bericht  über  die  Entwicklungsgeschichte  des  Hühnchens  stets 
von  den  angehängten  Folgerungen  zu  unterscheiden,  und  die  Erzählung  über 
die  Veränderung  der  letzten  Tage  nur  als  gelegentliche  Ergänzung  anzusehen. 
Es  würde  Beschränktheit  verrathen,  wenn  ich  glaubte,  nicht  auch  in  der 
frühern  Zeit  geirrt  zu  hahen,  aber  das  Zeugnifs,  den  Irrthum  nach  Kräften 
vermieden  zu  haben,  hoffe  ich  zu  verdienen.  Dafs  ich  in  den  Anhängen 
dreister  gewesen  bin,  habe  ich  so  eben  erklärt.  Obgleich  ich  immer  von 
dem  Bestreben  erfüllt  war,  nichts  zu  sagen,  was  ich  nicht  vertheidigen  könne, 
so  habe  ich  aus  den  angegebenen  Gründen  doch  manches  Verhältnifs  sehr 
scharf  und  bis  ins  Einzelne  bestimmt  ausgesprochen.  Das  gilt  besonders  von 
einem  Theile  dessen,  was  ich  über  das  Schema  der  Entwickelungsweise  der 
Wirbelthiere  sage.  Ich  glaubte  dieses  Schema,  nach  dem  was  ich  in  Yögeln, 
Amphibien  und  Säugethieren  beobachtet  habe,  vollständig  ausmalen  zu  müs- 
sen, damit  es  Richtschnur  für  künftige  Untersuchungen  und  Vergleichuntren 
werden  könne.  Diese  mögen  bestimmen,  was  weniger  allgemein  ist  und  wie 
sich  das  Schema  im  Einzelnen  modificirt,  dessen  Gültigkeit  im  Allgemeinen 
ich  nicht  bezweifeln  kann.  Ich  betrachte  das  Einzelne  als  hinbestellte  Fraee- 
sätze.  Deshalb  wird  mich  jede  Belehrung  und  Beleuchtung  herzlich  freuen. 
Es  ist  nicht  Sache  Eines  Menschen,  die  Gesetze  der  Entwickelungsgeschichte  in 
allen  Modilicationen  zu  durchschauen ,  und  es  soll  mir  vollständiger  Lohn  sej'n 


XIX 


Gedanken  aufgeregt  zu  haben.  Das  Meiste  scheint  mir  freilich  so  schlagende 
Wahrheit  zu  haben,  dafs  ich  nicht  umhin  kann,  zu  hoffen,  es  werde  hak! 
als  solche  anerkannt  werden.  Dahin  rechne  ich  die  Ansicht  von  der  Meta- 
morphosenreihe des  Individuums. 

Um  diese  beiden  Abhandlungen  auch  für  angehende  Naturforscher  und 
Aerzle  verständlich  zu  machen,  die  mit  dem  Studium  der  Entwicklungs- 
geschichte sich  noch  nicht  beschäftigt  haben,  suchte  ich  nach  zweien  früher 
von  mir  gehaltenen  populären  Vorträgen  eine  leicht  fafsliche  Darstellung  zu 
entwerfen,  die  ich,  da  dieser  erste  Band  schon  ansehnlich  geworden  ist,  für  ei- 
nen zweiten,  in  wenigen  Wochen  nachfolgenden,  mit  dem  das  Ganze  schliefst, 
zurückgelegt  habe.  Sie  wird  vor  allen  Dingen  auch  als  Ergänzung  der  ersten 
Abhandlung  dieses  Bandes  zu  betrachten  seyn.  Hier  setze  ich  den  Bau  des 
befruchteten  Eies  als  bekannt  voraus.  Dort  soll  ein  Abril's  der  Bildung  des 
Eies  bis  zur  Befruchtung  gegeben  werden  und  eine  Beschreibung  seiner  Theile, 
damit  man  sich  in  der  Darstellung  der  Entwickelungsgeschichfe  orientiren 
könne.  Wenn  ich  dabei  wenig  Eigenes  gebe,  so  ist  hierüber  Niemand  an- 
zuklagen als  Purkinje,  der  mir  so  wenig  Neues  zu  sagen  und  zu  finden 
übrig  gelassen  hat.  Dennoch  hoffe  ich,  dafs  diese  Darstellung  für  Anfänger 
nicht  überflüssig  erscheinen  wird.  Ich  weifs  aus  eigner  Erfahrung,  wie 
schwierig  es  ist,  sich  die  erste  Einsicht  in  die  bisherigen  Leistungen  im  Fache 
der  Entwickelungsgeschichte  zu  erwerben,  besonders  wenn  man  mehrere  Schrift- 
steller zugleich  oder  rasch  nach  einander  studirt,  wo  die  Verschiedenheit  der 
Benennungen,  auch  wenn  sie  nicht  grofs  ist,  doch  sehr  verwirrt.  Daher 
wird  auch  das  Wesentlichste  in  dem  Fortgange  der  Entwickelung  des  Hühn- 
chens mit  zwei  Pinselstrichen  nochmals  zusammengefafst  werden,  weil  man, 
ohne  mit  dieser  Vorkenntnifs  ausgerüstet  zu  seyn ,  in  der  Darstellung  des  Ein- 
zelnen sich  nur  zu  leicht  verliert.  Auch  soll,  da  die  Aerzte  in  der  Recel 
mehr  mit  der  Form  des  Eies   des  Menschen   und    der  übrigen  Säugethiere  in 

späterer  Zeit  bekannt  sind,    zur  Zurechtfmdung  derselben   eine   kurze  Verglei- 

c  2 


XX 


chung  des  Eies  der  Vögel  und  der  Säugetlüere  gegeben  werden.  Für  Männer 
vom  Fache  werde  ich  noch  eine  oder  die  andre  Abhandlung  hinzufügen,  viel- 
leicht auch  eine  bereits  ausgearbeitete,  aber  vorläufig  noch  zurückgelegte,  in 
welcher  ich  versuche,  dem  Grunde  der  verschiedenen  Organisation- Typen  nä- 
her zu  treten. 

Doch  schon  zu  viel,  wenn  auch  nicht  dem  Freunde,  doch  wohl  jedem 
Andern.  Mögen  Dir  diese  Blätter  eine  lebendige  Erinnerung  an  glückliche 
Tage  seyn !  Was  ich  im  Anfange  erzählte ,  brauchte  ich  freilich  Deinem  Ge- 
dächtnisse nicht  zurückzurufen,  allein  ich  glaubte  es  unter  Deiner  Adresse 
öffentlich  berichten  zu  müssen,  weil  ich  im  frohen  Gefühle,  eine  Veranlas- 
sung zu  den  Würzburger  Untersuchungen  gegeben  zu  haben,  in  einer  Druck- 
schrift öffentlich  gesagt  habe,  ich  hätte  eine  „ansam  qualemcunque"  dazu 
geboten.  Da  könnte  ein  Glossenmacher  glauben,  ich  hätte  mehr  Verdienste 
um  dieselben,    als  ich  habe,    nämlich  gar  keine. 

Ein  Anderes  habe  ich  aber  noch  Dir  und  dem  Würzburger  Trium- 
virate zu  sagen.  Indem  ich  die  nachfolgende  Erzählung  über  die  Entwicke- 
lungsgeschichte  des  Hühnchens  nochmals  durchlese,  finde  ich,  zu  eigner 
Ueberraschung ,  dai's  ich  Deiner  Darstellung  mehrmals  widersprochen  habe, 
obgleich  ich  nichts  weniger  im  Sinne  hatte,  als  einen  Commentar,  sey  er 
widerlegend  oder  bestätigend,  über  frühere  Arbeiten  zu  schreiben.  Habe  ich 
etwa  Eure  Leistungen  herabsetzen  wollen?  Dann  müfste  ich  verkannt  haben, 
wie  viel  ich  Euren  Untersuchungen  für  die  eigenen  verdanke.  —  Oder  ist  es 
meine  Absicht  gewesen,  durch  Widerspruch  gegen  meine  Vorgänger  mir  einen 
Schimmer  zu  erborgen?  Dann  hätte  ich  von  Malpighi  bis  auf  die  neueste 
Zeit  wohl  reichlichem  Stoff  finden  können. 

Nur  der  Wunsch  hat  mich  immer  beseelt,  die  Vorgänge  der  Entwicke- 
lung,  wie  sie  mir  erschienen  sind,  überzeugend  darzustellen.  Deswegen 
mufste  ich,  wo  ich  solchen  Lehren,  die  vielfach  in  die  Wissenschaft  über- 
gegangen sind  und  die  mir  nicht  begründet  schienen,   bestimmt  widersprechen, 


XXI 


um  den  Leser  nicht  m  Zweifel  zu  lassen.  Aus  diesem  Grunde  habe  ich, 
wenn  meine  Darstellung  auch  sonst  gedrängt  ist  und  keinesweges  auf  histo- 
rische Erörterungen  eingeht,  doch  bei  der  Entwicklungsgeschichte  des  Dar- 
mes den  immer  noch  von  manchen  Seiten  mifsverstandenen ,  zum  Theil  aber 
auch  irrenden  Wolff  ausführlich  berücksichtigen  müssen.  Aus  demselben 
Grunde  habe  ich  aber  auch  Dir  zuweilen  widersprochen,  da  Dein  Werk  mil 
Recht  die  höchste  Achtung  sich  erworben  hat  und  seine  Unvollkommenheiten, 
wenn  sie  da  sind,  Gewicht  erhalten  haben.  Untersuchungen  zu  widerlegen, 
die  bald  spurlos  vorübergehen,  ist  überall  vergeblich  und  lag  ganz  aufser  der 
ursprünglichen  Bestimmung  dieser  Abhandlung.  Es  ist  aber  das  Erkennungs- 
zeichen einer  tüchtigen  Arbeit,  dafs  man  oft  auf  sie  zurückkommen  mufs, 
entweder  bestätigend  oder  widerlegend.  Linne  hat  man  fast  ein  Jahrhundert 
hindurch  widerlegt,  und  noch  sehr  lange  wird  man  bei  irgend  einer  Unter- 
suchung aus  dem  Felde  der  beschreibenden  Naturforschung  Linne  nicht  über- 
gehen können.  Das  eben  ist  die  Spur  eines  grofsen  Mannes,  die  sich  Jahr- 
hunderte lang   erhält. 

So  ist  es  also  nur  eine  Frucht   der  Anerkenntnifs  der  Würzburger  Ar- 
beiten,   die  Du  bekannt  gemacht  hast,    wenn  ich   Deinen  Namen  öfter  nenne, 
als  andere.     Dafs  eine  Nachlese  auch  für  die  erste  Zeit  der  Entwickelung  noch 
übrig  geblieben  sey,    wirst  Du  nach  eilf jähriger  Frist,    in  der  Du  selbst  wei- 
ter   geforscht    hast,     am    wenigsten   bezweifeln.       Und   wer   liefse   auf  diesem 
schwierigen  Felde,    wo  jeder  Halm  einzeln  und  sorgsam   gesammelt   seyn   will, 
nicht  noch  volle  Aehren  stehen,    auch  wenn  er   sein   ganzes  Leben  der  Ernte 
widmete,    und  wer  nähme  nicht  einige   taube  Aehren   für   volle    mit.       Selbst 
Caspar  Friedrich  Wolff,    der  wohl  das  Vollendetste  in   anatomischer  Un- 
tersuchung  leistete,     hat   geirrt!    Glücklich  nur,     wem  es   gelang,    Eine  reife 
Garbe  zu  binden,    welche  Frucht  giebt   für   fernere  Aussaat!     Du   hast  durch 
nähere  Erkenntnifs  der  Spaltung  im  Keime,     welche  Wolff  dunkel   geblieben 
war,    ein  Licht  gegeben,    das  sich  auf  alle  Formen  der  Entwickelung  ausbrei- 


^  4°. 


XX11 


tet.  Zufrieden  würde  ich  seyu,  wenn  man  es  als  meinen  Antheil  betrach- 
tet, nachgewiesen  zu  haben,  flafs  der  Typus  der  Organisation  die  Entwicke- 
lungsweise  bedingt.  Noch  Manchem  wird  ein  Preis  zu  Theil  werden.  Die 
Palme  aber  wird  der  Glückliche  erringen,  dem  es  vorbehalten  ist,  die  bil- 
denden Kräfte  des  thierischen  Körpers  auf  die  allgemeinen  Kräfte  oder  Le- 
bensrichtungen des  Weltganzen  zurückzuführen.  Der  Baum,  aus  welchem 
seine  Wiege  gezimmert  werden   soll,    hat  noch   nicht  gekeimt! 


I.  Ent- 


Verbesserungen. 


'^^^S^-?ma-^Bftl^-^dUtn  dnem°rte>  «»  welchem  ein  anstän- 

selbst  zu  b-n  t T  DrU,ckereien>    dafs  es  ihm  «"möglich  war,   die  Correctur 

So .haben  si  h  IT'  Au  ^^  CmreCt0T  Wste  der  Inhalt  unverständlich  seyn. 
V  ersä  1  Jf f  fch"lb;  und  Druckfehler  erhalten,  die  zum  Theil  wenigstens  das 

nS^dSS^S?i?^^falm'  je  mehr  schon  an  sich  eine  ausführliche 
den  d  rel  vo  H  f  "f g6SChiChte  SChWer  fofslich  iSt-  AuS  diesem  Grunde  wer- 
serunten     :  utr^e?      ZeiChnetCn  a^^Üich  ersucht>  *e  nachstehenden  Verbes- 


S.  V.  Z.  12.  lies:  Frucht   statt:  Folge 
-VIII.  Z.  15.1.:  rmr   st.. -mir 

-  IX.     —  10.  1. :    Leber  mit  der  ausgebildeten 

Leber  selbst  st.:  Leber  selbst 

-  9.  Z.  6.  1.  :  immer  mehr  st:  immer 

-  10.  Z.  7.  1. :    von     der     zwölften     Stunde     an 

st. :  in  der  zwölften  Stunde 
17.  Ij:  immer  st.  :  innere 
35.  1.  kreisförmigen  Gruben  st. :  kreis- 
förmige Grube 
~  ll-  —  *•  '•*  werdenden  Fötus    st.:   Fötus  ver- 
dünnt 
-12.  —  34.1.:   ausscheidenden   st.:    ausschnei- 
denden 

—  13.  —  12.  1.:  physical  st.:  phisical 

—  15.  —  10.  1.:  Dünne,  nur  st.:  Dünne  mir 
2*-    '•  ■"     Rückenplatten    st.  :     Rücken- 
platte 

-^  16.  —  14.  I. :  ihr  st. :  ihm 

—  20.  —  27.  I. :  die  Namen   st. :  den  Namen 
—  30  1  :  worden  ist  .  .  .  hat  st.:  worden 

sind haben 

—  26.  —  14.  1. :  vordem  st. :  andern 

—  28.  —  3.  1.  :  Abschnüren   st. :  Abscheuern 

—  31.  —3.  1. :   nicht  mehr    st.:  viel  mehr 

—  33.  —  6.  1. :  Decke    st. :  Dicke 

—  34.  —  15.  1  :  die  Seitenzipfel  st.  :   den  Seiten- 

zipfel 
_  37.  —  30.  1.  :  Bootes   st.:  Blattes 

—  38.  —  5.1.:  und  die   st.:  um  die 

—  41.  —  18.  1.:    Scheide,  umgeben  st.:  Scheide 

umgeben 


S.  41.  Z.  27.  lies:  einnimmt   statt:  vereint 

—  43.  —  37.  1.:   dreiseitig,   eine  Kante  st.:  drei- 

seitig eine  Kante, 

—  50.  —  24.    das    Wort:    „hervorgetreten"   ist 

auszustreichen 
53.  Z.  5.  1. .-  nicht  so  zu   st. :  so  zu 

9-1.:  die   Gefäfsbogen  st.:  den  Gefäfs- 
bogen 

—  54.  —  5.1.:  freien  st. :  feinen 

—  55.  —  19.  1.;    Lagenverhältnifs  st.:   Lagerver- 

hältnifs 

—  —  —21.  I.:  als  das  Hirn,  st.:  ,  dafs  das  Hirn 

—  56.  —  10.  1. :  den  st. :  dem 
11.  1.:  wie  st.:  nie 

~  57-  —  3-  !■=  wendend   st.  zuwendend 

8-  }•  '•  den  ersten  st. :  dem  ersten 
2S-  1-  •"  sich  theilt;  st. :  sich  theilt. - 

—  G4.  -  19.  1.:   Hülfe;   da ist,  st.  :   Hülfe, 

da  ...  .  ist ; 

—  67.  _  18.  1.:  eben  nichts  st.:  aber  nichts 

—  69.  _  33.  1.  :  der   st. :  der  der 

~  /0,  —  !•  '■!    des  Speisekanals  st.:    der  Speise- 
röhre 

—  74.—  12.  ].:  Arterien  st.:  Aorten 
24.  1, :  sie  st.  :  diese 

—  76.  —  14.  1. :  wulstigen  st. :  wülstigen 

27.     1.  :     viele     Schwierigkeit    st.  :    viel 
Schwierigkeit 

—  79.  —  18.  1. :  auch  oben  st.  :  nach  oben 

—  80.  —  33.    I.:    und   besteht,   der   Speiseröhre 

st.:   und  der  Speiseröhre 


S.  87.   Z.SO,  lies:  noch  einmal  statt:  nur  einmal 

88,   24.  1.  schon  deshalb  vermuthen  st. :  schon 

vermuthen 

89.   — 26.1.:  Asymmetrie   st.:  Aesymmetrie 

94    14.  1. •  bald  nachdem  st.:  bald,  nach- 
dem 
_    _    15.  1. :  schärfer  st.:  schiefer 

—  97.   —  36.  1. :  schickt  st. :  schickte 

98.   2.  1. :  fortsetzt  St.:  festsetzt 

33.  1.  :  venösen  St.:  nervösen 

—  102.  —  37.  1. :  den  Falten    st. :  der  Falte 
^i  107.  —  28.  1.  :  letzterem    st.:  letzterer 

_    _  30.   1. :    Verwachsung  st. :    Verwechse- 
lung 
108. 33.  1. :  bildet   st. :  bilden 

—  126. —  28.  1.:  Kropf  st.:  Kopf 

128. 81.  1. :  nach  innen   St.:  noch  immer 

37.  1. :  nah  an  der  st. :  nach  der 

_  i3i, 12.  1. :  umgiebt   St.:  umschnürt 

—  133.  —  9.1.:  auf   st.:  aus 

135,  3.  1.  :  Vorkammer   st. :  Kammer 

137. 20.  1.:  communicirende  st.:    concurri- 

rende 

!45. 37,  1. :  unterscheiden  st.  :  erkennen 

148. 31.  1. :  seinen  Leib   st. :  einen  Leib 

156. 1. :   polarische  st. :  plastische 

—  165.  —  23.  1.:  b.   st.:  I. 

—  167.  —  4  1.:  Dottersack  st.:  Dotter 
_  169.  —  33.  1  :  doppelt  st. :  doppelte 
_    _    —  35.  1. :   {.  3.  h.  st. :  (.  3.  I. 

_  170.  84.  1  :  nicht ,  dafs  die   st. :  nicht  die 

—  18.  1.  :  hier  auf  st. :  hierauf 

179.  —  6.  1. :  weniger  st. :  wenigen 

Auch  bitte  ich  um  Verzeihung,  dafs 
vorkommt.  Ich  habe  vielleicht  versäumt 
wie  meine  Absicht  war. 


S.  182.  Z 

—  191.  — 

—  195.  — 

—  196.  — 

—  199.  _ 

—  201.  — 

—  202.  — 

—  211.— 

—  213.  — 

—  215.  — 

—  219.— 


224.  _ 


—  229.  — 

—  238.  — 


—  239.  - 

—  243.  - 

—  246.  - 

—  253.  - 

—  259.  - 

—  262.  - 

—  266.  - 

—  269.  - 

derselbe 
,  ihn  an 


29.  lies:  den  statt:  der 

2.  1. :  Mittelhand  ist  st. :  Mittelhand 
9.  1. :  derselbe    st. :  der  Unterkiefer 
1.  1. :  in  der  Thierreihe  st. :  in  dasThier- 

reich 
12.  1.:  da  es  sich  mir   st.:  da  es  mir 
17.  1.  daran  st. :  dann 

3.  1.:  nur  wenig   st.:  nun  wenig 
27.  1. :  dem  folgenden  st. :   den  folgen- 
den 

27.  1. :  organischen  Strömung  st. :  Or- 
ganisation 

19.  1.  :  mufs   st. :  mufste 
9.  u.   10.    1. :   des  Haupttypus  st. :    der 
Haupttypen 

8.  1.:  Er  ist  St.:  Es  ist 

14.   1.:    Entwickelung:   St.:   Entwicke- 
lung, 

29.1.:  ihrem   st.:  seinem 

3.  1.:  ist,  andere  st.:  ist:  Andere 

-  1.  1. :  Diese  St.:  die 

-3.    1.:    fortgepflanzt    St.:   sich   fortge- 
pflanzt 

■  13.  1.  :  lebhaften  st. :  lebhaftem 

•  27.  1. :  Umhüllung  st. :  Umbildung 

-  4.  1. :  gesonderte    st. :  gerundete 

-  10.  1.:  Dotter  st.:  Dotter, 

■  16.  1. :  untere  st. :  innere 

-  1.   1. :   Frefswerkzeuge    st. :   Fufswerk- 

zeuge 

-  13.  1.:  ersten  Tages  st.:  zweiten  Tages 

-  27.  1. :  Gefäfshofes    st. :  Fruchthofes 

Satz  auf  Seite  225  und  Seite  231 
der  ersten  Stelle  wegzustreichen, 


Baer. 


t. 


Entwickelungsgeschir.hlc 


H 


u 


n 


n 


E    i    e. 


w 


iiach  Tan  der  erfolgt  die  Entwicklung  des  Hühnchens  im  Eie  unter  einem  Nothwendi- 
Wärmegrade  zwischen  28°  und  32°  R.  Ich  halte  diese  Angabe  im  Allgemeinen  frld.  armeT 
für  richtig,  wenn  mau  nicht  jene  Grenzen  für  unühersteiglich  ansieht,  und  ich 
weifs  aus  Erfahrung ,  dafs  es  räthlich  ist,  hei  der  Brotmaschine  sich  zwischen 
diesen  Extremen  zu  halten.  Indessen  irrt  man,  wenn  man  glaubt,  dafs  eine  hö- 
here Wärme  sogleich  tödtet,  und  eine  niedere  die  Entwicklung  hemmt.  Viel- 
mehr dürfte  bei  eifrig  brütenden  Hennen,  wenn  ihr  Nest  trocken  liegt,  die 
Wärme  wohl  häufig  über  32°  seyn.  Hieron  überzeugte  mich  vorzüglich  das  Ge- 
fühl der  eignen  Hand.  An  der  Brütmaschine  hatte  ich  mich  so  gewöhnt,  die 
Temperatur  von  3 1  ° ,  die,  wenig  die  menschliche  Temperatur  übersteigend ,  ein 
angenehmes  Gefühl  von  Wärme  erregt,  zu  erkennen,  dafs  ich  schon  ohne  An- 
sicht des  Thermometers  mit  Sicherheit  entscheiden  konnte,  ob  das  Lampenfeuer 
zu  vermehren  war ,  oder  nicht.  Ich  habe  aber  mehrere  Hennen  gehabt,  deren 
Nest  meiner  Hand  nicht  das  Gefühl  von  angenehmer  Wärme,  sondern  von  einem 
gelinden  Grade  von  Hitze  gab,  die  32°  zu  übersteigen  schien.  Unmittelbare  Mes- 
sungs- Versuche  habe  ich  noch  nicht  anstellen  können,  weil  mir  kein  hinläng- 
lich kleines  Thermometer  zu  Gebote  stand.  —  In  der  Brütmaschme  war  die 
Temperatur  zuweilen  auf  kürzere  Zeit  bis  zu  35°  gestiegen,  ohne  dafs  die  Eier  ab- 
gestanden wären,  ausgenommen  wenn  sie  das  Metall  unmittelbar  berührten. 
Im  letztern  Falle  zeigte  der  zunächst  gelegene  Theil  des  Dotters  eine  Zersetzuug, 
und  jüngere  Embryonen,  sie  mochten  mehr  oder  weniger  von  der  angegriffenen 
Stelle  des  Dotters  entfernt  liegen,  waren  immer  todt.  Bei  einer  Wärme,  die 
einige  Grade  geringer  als  28°  ist,  stirbt  der  Embryo  noch  weniger  ab,  sondern 
er  entwickelt  sich  nur  langsamer;  dann  folgt  ein  noch  tieferer  Grad  der  Tempe- 
ratur, welcher  ohne  Weiterbildung  das  Leben  doch  erhält.  An  einem  Eie,  wel- 
ches ich  im  Juli  öffnete,    nachdem  es  30  Stunden  lang  in  der  Stube  gelegen  hatte, 

.      A  2 


bemerkte  ich,  dafs  das  Herz  ohne  Anwendung  künstlicher  Wärme  eine  Pulsation 
machte.  Ich  wartete  nun  auf  einen  zweiten  Herzschlag ,  und  dieser  erfolgte  wirk- 
lich nach  einer  sehr  langen  Pause.  Hierdurch  aufmerksam  gemacht,  stellte  ich 
Versuche  an,  und  fand,  dafs  in  allen  Eiern,  die  ich  im  Juli  (hei  ansehnlicher 
Hitze  im  Freien)  in  einer  nach  Norden  liegenden  Stabe,  in  welcher  überdiefs  zur 
Abkühlung  die  Fenster  während  der  Nacht  immer  orten  standen ,  derEnibn  o  nach 
Verlauf  von  vier  und  zwanzig  Stunden  nie  abgestorben  war,  sondern  der  Herz- 
schlag in  sehr  langen  Zwischenräumen ,  zuweilen  von  weniger  als  einer  Minute, 
in  andern  Fällen  von  5  und  mehr  Minuten  fortbestand.  Meine  Versuche  stellte 
ich  mit  Embrj'onen  an,  die  nicht  über  fünf  Tage  alt  waren ;  es  ist  aber  nicht  zu 
zweifeln ,  dafs  die  altern  und  selbstständigern  Embryonen  mit  noch  mehr  Kraft 
ihr  Leben  erhalten.  In  der  zweiten  Hälfte  des  Augustes  überlebten  die  Jüngern 
Embryonen  eine  Abkühlung  von  24  Stunden  nicht.  An  den  längere  Zeit  hindurch 
ohne  Absterben  in  der  Abkühlung  erhaltenen  Embryonen  bemerkte  ich  keine  an- 
dere Veränderung,  als  dafs  mir  die  Gefäfse  weniger  voll,  und  das  Blut  weniger 
geröthet  schien. 
Eiiiflufs  der  Aufser  der  Wärme  hat  auch  die  Lage  des  Eies  auf  die  Entwickelung  Ein- 

I    5  iTp     OPA 

Eief.  flufs,  denn  Eier,    die  in  der  Brütmaschine  eine  senkrechte  Stellung  haben ,   pfle- 

gen bald  abzusterben. 
Ungleich-  Mit  dem  Einflüsse  des  verschiedenen  Wärmegrades  auf  die  Lebens- Aeu- 

ti'ei  Entwik-  fserung  im  Fötus  steht  die  Verschiedenheit  der  Zeit  für  die  einzelnen  Stufen  der 
kelnng.  Entwickelung  im  innigsten  Zusammenhange.  Ueber  die  Ungleichheit  in  der  Zeit, 
in  der  die  Eier  sich  entwickeln,  haben  schon  alle  Beobachter  geklagt,  welche 
diese  Entwickelungs- Geschichte  nach  der  Zeitfolge  darzustellen  unternahmen. 
Eine  neue  Erörterung  könnte  also  überflüssig  scheinen.  Indessen  finde  ich  sie 
nothwendig,  um  die  Grundsätze  vorzulegen ,  nach  welchen  ich  die  einzelnen  Pe- 
rioden der  Entwickelung  festgestellt  habe.  Wenn  man  nicht  solche  Grundsätze 
festhält,  so  kann  man  eine  ganz  monströse  Entwickelungs -Geschichte  liefern,  de- 
ren einzelne  Bestimmungen  durchaus  nicht  zusammen  passen.  Seihst  der  genaue 
VVolffhat  manche  Angaben,  die  gar  nicht  mit  einander  zu  vereiuen  sind.  Am 
Ende  des  zweiten  Tages  soll  nach  ihm  das  Herz  vom  wahren  Amnion  oder  der  se- 
rösen Schicht  des  Keimblattes  noch  nicht  bedeckt  seyn  (eine  sehr  langsame  Ent- 
wickelung!);  nach  dem  Ende  des  dritten  Tages  soll  sich  der  Fötus  so  krümmen, 
dafs  der  Kopf  den  Schwanz  berührt  (eine  Form,  die  er  selten  vor  dem  fünften 
Page  hat!),  und  erst  nach  dem  Ende  des  fünften  Tages  soll  der  Harnsack  (Allan- 
' tanh,  Chorion)  hervortreten  (wieder  eine  so  langsame  Entwickelung,  dafs  durch- 
aus ein  Aufenthalt  hier  Statt  gefunden  haben  mufs!).     Alle  drei  Beobachtungen 


können  an  sich  richtig  seyn ,  allein  sie  sind  auf  keine  Weise  mit  einander  zu  ver- 
einigen. 

Die  Ungleichheiten  in  der  Periodicität  der  Entwickelung  sind  von  doppel- 
ter Art:  l)  Ungleichheit  im  ]\Tebeneinanderseyn  der  Erscheinungen ,  2)  Ungleich- 
heiten im  Fortgange  der  gesammten  Entwickelung. 

Die  Ungleichheiten  der  ersten  Art  sind  nicht  sehr  bedeutend.     Im  Allee-  .   Ungleich 

o  r  °  m     nejt  im  iNe- 

meinen  findet  man,  dafs  Theile  um  so  mehr  in  gleichem  Maafse  fortschreiten  ,  je  beneinan- 
enger  ihre  physiologische  Beziehung ,    namentlich  in  der  Entwickelung  selbst  ist.  Erjchejmm 
Gekrös-  und  Darmbildung  bedingen  sich  gegenseitig  so  unmittelbar,  dafs  sie  ein-  s°n 
ander  nicht  voraneilen  können.     Dagegen  steht  die  Ausbildung  des  Hirns  und  des 
Darmes  weniger  in  Uebercinstimmung.     Am  unbestimmtesten  schien  mir  das  \er- 
hältnifs  der  allgemeinen  Krümmung  des  Körpers  zur  übrigen  Ausbildung.     Zu- 
weilen bildet  am  Ende  des  dritten  Tages  der  Hals  einen  rechten  Winkel  mit  dem 
llumpfe,  und  in  andern  Fallen  ist  um  dieselbe  Zeit  der  Rücken  vom  Hinterhaupte 
an  fast  gerade.     Augenscheinlich  ist  aber  das  Verschwinden  von  Theilen ,    deren 
Wirksamkeit   aufgehört   hat,     den    meisten  Abweichungen  unterworfen.        Die 
Grenzvene  habe  ich  zuweilen  am  Ende  des  fünften  Tages  nicht  mehr  und  in  an- 
dern Fallen  am  zehnten  Tage  noch  gauz  deutlich  erkannt. 

Viel  schwankender  als  das  Verhältnifs  des  Nebeneinanderseyns  ist  das  Fort-      Ungleich- 

.  ,  ,  heit    in    der 

schreiten  der  Ausbildung  nach  der  Dauer  der  Bebriitung ,  und  eine  wahre  Plage  Dauer  der 
für  den  Beobachter,  der,  wenn  er  einen  bestimmten  Moment  beobachten  will,  !nng 
fast  gar  nicht  zum  Ziele  kommt ,  wenn  er  nicht  alle  Verhältnisse  beachtet  und  be- 
herrscht. Ich  habe  schon  gesehen,  dafs  Eier,  die  bereits  im  siebenten  Tage  der 
Bebriitung  waren,  Embryonen  enthielten,  wie  sie  im  Anfange  des  dritten  Tages 
hätten  seyn  sollen.  Bei  den  Eiern  in  der  Brütmaschine  hört  ohnehin  fast  alle  Be- 
rechnung auf,  wenn  man  nicht  eine  stete  Wache,  die  für  gleichmäfsige  Tempera- 
tur sorgt,  unterhält.  Den  Grund  dieser  Abweichungen  in  jedem  einzelnen  Falle 
anzugeben  ist  nicht  leicht,  da  mehrere  Verhältnisse  zugleich  wirken.  Aus  eige- 
ner Erfahrung  glaube  ich  hierüher  Folgendes  sagen  zu  können. 

Zuvörderst  entwickeln  sich,  wie  es  mir  schien,  im  Allgemeinen  die  Eier  Einflnts  der 
schneller  im  Frühlinge  und  Anfange  des  Sommers,  als  im  Herbste.  Allein  die 
Mitte  des  Sommers  stand  auch  nicht  zurück ,  so  dafs  ich  noch  nicht  ganz  sicher 
bin,  ob  die  Jahreszeit  einen  eigentümlichen  Einflufs  hat,  oder  dieser  vielleicht 
auf  dem  Einflüsse  der  Wärme  beruht.  Indessen  schien  mir  doch  die  rasche  Ent- 
wickelung im  Anfange  des  Maies  ersteren  zu  beweisen.  Auf  jeden  Fall  erzeugt 
aber  die  Jahreszeit  nur  geringe  Abweichungen.      Viel  ansehnlicher  ist  der  oben  £'nflllfs  der 

o  O  o  Warme. 

berührte  Einflufs  der  Wärme,    und  so  allgemein  anerkannt,    dafs  er  nicht  näher 


zu  beweisen  ist.     Ich  habe  stets  gefunden ,  dafs  diejenigen  Eier ,  welche  unter  der 
Brust  der  Henne  liegen ,  sich  rascher  entwickeln ,  als  diejenigen ,   die  am  Rande 
des  Nestes  unter  dem  Flügel  sind. 
Einflufs  Am  auffallendsten  aber  ist,  wenigstens  für  die  ersten  Tage  der  Bebrütung, 

des  Kies.  die  Verschiedenheit  der  Entwickelung ,  je  nachdem  die  Eier  kurze  oder  lange  Zeit 
vorher  gelegt  waren.  Wenn  ich  am  Ende  des  Juli  vom  Markte  Eier  kaufte ,  so 
brachte  ich  im  Durchschnitt  kaum  die  Hälfte  derselben  zur  Entwickehmg,  im 
August  weniger  als  die  Hälfte,  und  im  September  unter  dreifsig  Eiern  zwei.  Da 
die  meisten  Eier ,  die  man  in  diesen  Zeiten  vom  Markte  kauft ,  lauge  gelegen  ha- 
ben, und  ich  zu  denselben  Zeiten  andere  Eier,  die  bei  mir  kurz  vorher  gelegt  A\a- 
reu,  fast  alle  zur  Entwickelung  brachte,  so  konnte  ich  nicht  nur  die  alte  Bemer- 
kung bestätigen,  dafs  Eier,  wenn  sie  längere  Zeit  gelegen  haben,  und  für  unsere 
Geruchsorgane  noch  völlig  frisch  erscheinen ,  doch  zur  Entwickelung  nicht  taug- 
lich sind ,  sondern  ich  glaubte  auch  zu  erkennen ,  dafs ,  abgesehen  von  den  gar 
nicht  befruchteten  Eiern,  im  Dotter  eine  Metamorphose  vorgegangen  war.  Be- 
kanntlich ist  auch  in  nicht  bebrüteten  Eiern  eine  langsame  Verdunstung.  Aufser- 
dem  schien  mir  aber  in  der  Umgebung  des  Keimblattes  eine  ansehnlichere  Lage 
von  weifslichen  Dotterkügelchen  sich  angesammelt  zu  haben ,  als  man  in  frischen 
Eiern  findet.  Da  diese  weifsen  Kügelchen  mit  denen  übereinstimmen,  welche 
während  der  Bebrütung  sich  in  den  Halonen  sammeln,  so  glaube  ich,  dafs  die- 
selbe Metamorphose ,  welche  der  Dotter  während  der  Bebrütung  unter  dem  Ein- 
flüsse des  Keimblattes  erfährt,  auch  ohne  Bebrütung  jedoch  überaus  langsam,  in 
ihm  eintritt.  Eine  Folge  davon  ist,  dafs  nun,  wenn  das  Ei  der  Bebrütung  unter- 
worfen wird,  ein  Mifsverhältnifs  zwischen  Keimblatt  und  Dotter  sich  findet,  wel- 
ches entweder  die  Entwickelung  ganz  hindert,  oder,  wenn  es  noch  nicht  so  weit 
vorgeschritten  ist,  sie  verzögert,  indem  das  Mifsverhältnifs  nur  langsam  überwun- 
den wird.  Alte  Eier  können  gegen  frische  bei  demselben  Wärmegrade  um  einen 
bis  zwei  Tage  zurückbleiben ,  wie  ich  im  Bereiche  der  ersten  fünf  Tage  gefunden 
habe.  Ueber  die  spätere  Zeit  habe  ich  weniger  bestimmte  Erfahrung. 
Nach  wei-  Um  nun  doch  die  Zeiten  für  die  einzelnen  Entwickelungsstufen  bestimmen 

sätien  die  Zu  können,  suchte  ich  eine  Normal  -  Entwickelung  festzustellen.  Ich  wählte  Eier, 
wtckelung1  welche  wenige  Tage  vorher  gelegt  waren,  und  schob  sie  unter  die  Brust  der  brü- 
bestimmt  tenden  Henne.  Ich  bestimmte  nun  die  Entwickelungsstufe  für  das  Ende  des  ei- 
sten, zweiten  u.  s.  w.  bis  zum  Ende  des  fünften  Tages,  und  suchte  (he  Zwischen- 
zeiten theüs  annäherungsweise  durch  Schätzung,  theils  durch  unmittelbare  Beob- 
achtung zu  finden.  Ich  glaubte  das  Ei  unter  günstige  Umstände  bringen  zu  müs- 
sen, um  darnach  die  Zeit  zu  bestimmen,    weil  offenbar  viele  Momente  die  Ent- 


ist. 


Wickelung  verzögern  können ,  es  aber  nicht  gut  denkbar  ist ,  dafs,  besonders  un- 
ter dem  Huhne,  nicht  in  der  Maschine,  die  Entwickelung  viel  über  das  Normale 
getrieben  werden  kann.  In  derThat  kam  es  mir  auch  nicht  darauf  an,  alles  recht 
frühzeitig  zu  finden ,  und  ich  habe  nicht  den  höchsten  Grad  der  Entwickelung, 
die  zuweilen  um  einige  Stunden  vorgeschritten  schien ,  sondern  den  unter  den  an- 
geführten günstigen  Umständen  gewöhnlichsten,  als  den  normalen  angenommen. 
Dazu  kommt  noch,  dafs  ich  nicht  eine  hinlängliche  Zahl  von  Eiern  erhalten 
konnte,  die  so  eben  gelegt  waren,  um  mit  ihnen  Versuche  anzustellen.  Auf  die 
Erwärmung  eines  Eies  müssen  Avenigstens  ein  Paar  Stunden  hingehen,  und  man 
würde  besonders  für  die  ersten  Momente  der  Entwickelung  eine  Priorität  von  eini- 
gen Stunden  erhallen,  wenn  man  Eier  beobachtete,  die  sich  noch  nicht  abgekühlt 
haben.  Schon  aus  diesem  Grunde  sieht  man  ,  dafs  ich  eher  zu  lange  als  zu  kurze 
Zeitmaafse  angegeben  habe. 

Man  könnte  noch  den  Einwurf  machen ,  ob  die  Entwickelung,  wie  ich  sie 
für  die  ersten  fünf  Tage  festgesetzt  habe,  zu  der  Durchschnittszeit  der  ganzen  Ent- 
wickelung von  21  Tagen  pafst,  oder  ob  nicht  die  Eier,  wenn  sie  immer  unter  der 
Brust  der  Henne  liegen,  früher  zur  Reife  kommen  würden :J  Es  ist  möglich  —  ja 
wahrscheinlich.  Allein  ein  Versuch  läfst  sich  darüber  kaum  anstellen,  da  die 
Hennen  nur  in  der  ersten  Zeit  die  Eier  ruhig  liegen  lassen,  nachher  aber,  wahr- 
scheinlich weil  sie  die  Ungleichheit  in  der  Ausbildung  bemerken ,  die  inneru  nach 
aufsen  schieben ,  so  dafs  dann  ein  Ei,  das  bis  zur  Beweglichkeit  des  Fötus  unter 
der  Brust  gelegen  hat,  nachher  an  den  Rand  des  Nestes  kommt,  wo  es  sich  etwas 
laugsamer  entwickeln  und  in  der  Regel  von  der  gewöhnlichen  Zeit  nicht  sehr  ab- 
weichen wird.  Ueberhaupt  ist  die  Bestimmung  der  Zeit  bei  dieser  Wandelbar- 
keit etwas  Unwesentliches,  leider  nur  etwas  Unvermeidliches  für  die  Darstellung, 
um  von  dem  Zusammenseyn  der  Erscheinungen  eine  Ansicht  zu  geben.  Genauig- 
keit ist  nur  für  das  relative,  nicht  für  das  absolute  Zeitmaafs  wichtig.  So  habe 
ich  nicht  angestanden,  die  Ausbildung  des  ersten  Kreislaufs  der  Einfachheit  we- 
gen an  das  Ende  des  zweiten  Tages  zu  setzen ,  obgleich  nach  meinen  vergleichen- 
den Beobachtungen  sie  eigentlich  um  ein  Paar  Stunden  früher  fällt. 

Die  ganze  Entwickelung  des  Hühnchens  imEie  habe  ich  zur  Bessern  Ueber-  Eintheihwg 
sieht  in  drei  Perioden  getheilt,  nach  der  Verschiedenheit  des  vorherrschenden  keiung.*' 
Kreislaufs.  Die  erste  Periode  reicht  bis  zur  völligen  Ausbildung  des  ersten  Kreis- 
laufs und  währt  ungefähr  zwei  Tage.  Die  zweite  Periode  umfafst  die  Zeit  des 
Kreislaufs  durch  die  Dottersackgefäfse.  Sie  wrährt  drei  Tage,  wenn  man  sie  bis 
dahin  rechnet,  wo  die  Harnsackgefäfse  genug  ausgebildet  sind,  um  wesentlichen 
Antheil  am  Kreislaufe  zu  nehmen.     Die  dritte  Periode,  durch  den  Kreislauf  ver- 


8 

mittelst  dieser  Gefäfse  bezeichnet ,    reicht  Ins  zur  Gehurt  oder  bis  zum  Vortreten 
des  Lungenkreislaufs,    welcher  endlich  die  vierte  Periode,  das  Leben  aufser  dem 
Eie ,  umfassen  würde. 
Verlust    am  Ein  Phänomen ,  das  während  der  ganzen  Brütezeit  sich  zeigt,    ist  die  Ver- 

minderung des  Gewichtes  vom  Eie.  Nach  Pfeil  (De  evolutione  pulli  in  ovo  incu- 
bato.  üissertat.  inaug.  ßerol.  1823.  in  appendj  verlieren  die  Eier  im  Durch 
schnitte  während  der  ganzen  Zeit  der  BebrütuDg  117  Gran  an  Gewicht ,  und  zwar 
ist  der  Verlust  in  den  letzten  Tagen  etwas  geringer ,  weil  auch  der  Vorrath  voi« 
flüssigen  Stoffen  geringer  ist.  Ein  Gewichtsverlust  zeigt  sich  auch  in  Eiern ,  die 
nicht  bebrütet  sind,  jedoch  in  weit  geringerem  Grade,  so  dals  diese  während 
ein  und  zwanzig  Tagen  ungefähr  29  Gran  verlieren. 

Der  Gewichtsverlust  beruht  ohne  Zweifel  auf  einer  Verdunstung  eines  Thei- 
les  vom  Inhalte  des  Eies. 


Ej 


Erste     P 


e  r  1  o  d  e. 


D 


§.  i. 

Erster     Tag. 


ie  erste  Wirkung  der  Bebrütung  besteht  in  fortgehender  Sonderung  zwischen  «.  Sondeping 
Keim,  Dotter  und  Dotterhaut,  wobei  ersterer  an  Umfang  zunimmt.  Schon  in  70m Dotter. 
den  ersten  Stunden  sondert  sich  nämlich  der  Keim  von  dem  Dotter  besser  ab,  als 
früher,  hängt  aber  immer  an  der  Dotterhaut,  so  dal's  er  beim  Abziehen  derselben 
ihr  folgt.  Allein  im  Umfange  des  Keimes  hängt  die  oberflächliche  Schicht  des 
Dotters  in  den  ersten  Stunden  doch  noch  so  an  der  Dotterhaut,  dafs  sie  mit  ihr  ab- 
gezogen wird,  nach  der  Mitte  des  ersten  Tages  nicht  mehr.  Auch  der  Hügel  der 
Keimschicht  (Pander's  Kern  des  Hahnentrittes)  folgt  der  Dotterhaut,  schält  sich 
jedoch  auch  nicht  glatt  vom  Dotter  ab,  sondern  nimmt  etwas  Dottersubstanz  mit. 
Dagegen  ist  schon  sehr  früh  die  Mitte  dieses  Hügels  etwas  von  der  Mitte  des  Kei- 
mes getrennt  durch  eine  sehr  geringe  Quantität  Flüssigkeil.  Der  Keim  wird  da- 
bei dünner  und  mehr  in  sich  zusammenhaltend,  d.  h.  also  mehr  blattförmig. 

Bei  zunehmender  Consistenz  des  Keimes  entwickeln  sich  in  ihm  2  Lagen,  *•  Sonderling 
eine   oberflächliche   dünnere  aber  festere  Oberhaut- ähnliche,    und  eine  untere,  des  KeimU 
dickere,    mehr  körnige,    weniger   in   sich   zusammenhängende.      Die  Sonderling  „.  \>  '"  tler 

.....  ^  Dick**. 

selbst  läfst  sich  natürlich  in  ihrem  Beginnen  nicht  erkennen,  sondern  erst,  wenn 
sie  ein  Resultat  geliefert  hat.  Ihr  Anfang  fällt  wahrscheinlich  in  den  Anfang  der 
Bebrütung.  Sie  läfst  sich  schon  vor  der  zwölften  Stunde  nachweisen,  wenn 
man  den  Keim  vorsichtig  mit  Nadeln  unter  dem  Microscope  zerreifst.  Vollstän- 
dig ist  die  Sonderung  aber  erst  später,  und  zwar  kurz  vor  dem  Auftreten  des 
Embryo  etwas  deutlicher,  als  bald  nachher.  Wir  nennen  die  obere  Lage  mit 
Band  er  das  seröse  Blatt  *),  die  untere  das  Sdileimblatt. 


*)  Diese  Benennung  ist  wenig  passend  und  mufs  einst  mit  einer  neuen  vertauscht  werden,  da 
diese  Schicht,  jetzt  zwar  wie  ein  blolser  Ueberzug  erscheinend,  doch  eiie  Grundlage  des  gan- 
ien  animalischen  Theiles  ist.  Darnach  könnte  man  sie  etwa  das  animalische  Blatt  nennen- 
Ich  habe  die  Pander'sche  Benennung  der  Bialter  beibehalten. 

ß 


10 

2)   in  der  Ungefähr  gleichzeitig  mit  dieser  Sonderung  in  der  Dicke  des  Keimblattes 

Fläche.  fe  .  . 

erfolgt  eiue  andere  vom  Mittelpunkte  nach  der  Peripherie ,  indem  die  Mitte  des 
Keimblattes  heller,  der  Umfang  aber  dunkler  wird,  weil  in  der  Mitte  das  seröse 
Blatt,  im  Umfange  das  Schleimblatt  vorherrscht.  Der  helle  Raum  in  der  Mitte  — 
der  durchsichtige  Fruchthof  (Area  pellucida)  ist  anfänglich  klein  und  ziemlich 
rund ,  wird  aber  bald  länglich  und  an  einem  Ende  breiter.  Aus  dieser  eirunden 
Form  geht  er  gewöhnlich  in  eine  deutlich  birnförmige  über,  die  er  in  der  zwölf- 
ten Stunde  nur  bis  zur  Bildung  der  Kopfkappe  des  Embryo  zu  haben  pflegt,  in- 
dem das  breitere  Ende  immer  mehr  an  Breite  zunimmt.  Der  dunkle  Theil  des 
Keimes  umgiebt  den  hellen,  wie  ein  breiter  Ring. 
c.Erhebung  j;m  (][ese  Zeit  hat  der  Keim  einen  Durchmesser  von  3  bis  4  Linien,    ist 

des   Keimes. 

mit  Ausnahme  seines  Randes  stark  nach  oben  gewölbt,  wodurch  auch  die  Dotter- 
haut hier  hervorsteht,  wie  die  Hornhaut  des  Auges.  Ueber  ihm  wird  also  das 
"  Eiweifs  verdrängt.  Das  Schwinden  des  Eiweifses  über  ihm  ist  aber  zu  grofs ,  als 
dafs  es  allein  von  der  Wölbung  des  Keimes  und  des  darüber  liegenden  Thei- 
les  der  Dolterhaut  abhängen  sollte.  Es  scheint  vielmehr  die  ganze  Dotterkugel 
sich  innerhalb  des  Eiweifses  immer  mehr  zu  erheben,  wodurch  der  innere  nach 
oben  liegende  Keim  der  Schaalenhaut  näher  kommt.  Diese  Veränderung  ist  na- 
türlich in  den  folgenden  Tagen  merklicher  als  im  ersten. 

Der  Keim  ist  unterdessen  vollständig  von  den  unter  ihm  liegenden  Theilen 
geschieden ;  denn  beim  Abziehn  der  Dotterhaut  mit  dem  Keime  bleibt  der  Hügel 
der  Keimschicht  zurück ,  der  nach  oben  eine  Vertiefung  zeigt,  umgeben  von  ei- 
d.  Unionen.  nem  weifsen  kreisförmigen  Rande.  Dieser  weifse  Rand  der  obern  Fläche  ist  durch 
eine  kreisförmige  Furche,  welche  eine  helle  Flüssigkeit  enthält,  von  einem  an- 
dern weifsen  Kreise  getrennt,  den  der  Dotter  bildet,  und  der  wieder  durch  eine 
Furche  sich  von  der  zunächst  nach  aufsen  liegenden  Dottermasse  scheidet.  Indem 
diese  kreisförmigen  Wälle  und  die  zwischen  ihnen  befindlichen  mit  Flüssigkeit 
gefüllten  Furchen  durch  den  Keim  durchschimmern,  entsteht  das,  was  man  Ha- 
lonen  nennt.  Aehnliche  Sonderlingen  in  helle  und  dunkle  Ringe  sind  auch  in  dem 
Keime,  und  zwar  schon  in  unbebrüteten  Eiern.  Wenigstens  ist  der  Rand  dessel- 
ben dunkler  als  die  Mille,  noch  ehe  der  eigentliche  fast  körnerlose  und  durch- 
sichtige Fruchlhof  sich  gebildet  hat.  Die  Halonen  im  Dotter  beginnen  bald  nach 
der  achten  Stunde,  sind  Anfangs  kreisförmig,  dann  ein  klein  wenig  länglich  und 
wachsen  mit  dem  Keime.  Ihre  Zahl  ist  ursprünglich  2  —  S.  Am  zweiten  Tage 
aber  werden  die  Wälle,  Avelche  die  kreisförmige  Grube  trennen,  durchbrochen, 
und  die  Gruben  laufen  wellenförmig  zusammen,  wobei  es  unmöglich  wird,  die 
Zahl  der  Halonen  zu  bestimmen.     Sie  liegen  in  dieser  spätem  Zeit  nur  unter  dem 


11 

Umfange  der  Keimhaut,  deren  Mitte  ganz  über  einer  Flüssigkeit  schwebt.  Es 
sammelt  sich  nämlich  unter  dem  Keime  immer  mehr  Flüssigkeit  weswegen  der 
Hügel  der  Keimschicht  schon  bedeutend  von  ihm  absteht ,  und  daher  auch  nicht 
immer  an  derselben  Stelle  im  Verhältnis  zu  dem  Fötus  verdünnt  liegt.  Diese 
Flüssigkeit  mag  theils  aus  der  Masse  des  benachbarten  Dotters  ausgeschieden  seyn, 
theils  aber  aus  der  Centralhöhle  des  Dotters  sich  erhoben  haben.  Da  der  Gans, 
der  aus  der  Centralhöhle  nach  dem  Keime  führt,  durch  den  Hügel  der  Keimschicht 
oben  gleichsam  verstopft  ist,  so  mufs  die  Flüssigkeit  sich  in  Kreisen  um  jenen 
Hügel  sammeln,  wodurch  sich  die  oben  bemerkte  Furche  zwischen  dem  Hügel 
und  der  übrigen  Fläche  des  Dotters  leicht  erklärt.  (Vergleiche  Fig.  I.)  Dafs  aber 
auch  der  Dotter  unter  dem  Embryo  selbst  umgewandelt  wird ,  lehrt  die  weifsliche 
Farbe,  welche  der  nicht  flüssige  Theil  annimmt. 

Um  die  Metamorphosen  zusammen  zu  fassen,    welche  von  der  Keimhaut  *.  NeueSou- 
als  solcher  abhängen,  erwähnen  wir  hier  noch  einer,  welche  allerdings  erst  deut-  derVlun" 
lieh  beobachtet  wird,  wenn  schon  die  erste  Grundlage  des  Embryo  erschienen  ist.  haut 
Zwischen   der    lßten   und  20sten  Stunde  bemerkt  man  in  dem  äufsern  dunkeln  in  der  F'!»- 
Theile  der  Keimhaut  eine  durch  gröfsere  Dunkelheit  auffallende  Kreislinie ,  welche 
wie  ein  aufgeworfener  Saum  nach  unten  vorragt.      Genauer  angesehen  zeigt  sie 
sich  nicht  ganz  kreisförmig ,  sondern  aus  2  Bogenlinien  bestehend ,  welche  zu  bei- 
den Seiten  am  meisten  ausgebildet  sind,   nach  vorn  und  hinten  (im  Verhältnifs 
zum  werdenden  Embryo  und  zu  dem  in  der  Mitte  liegenden  Fruchthofe)  aber  un- 
scheinbarer werden ,   und  vorn  gleich  Anfangs  auffallend ,    zuweilen  auch  hinten, 
aber  stets  weniger  deutlich  gegen  einander  eingebogen  sind.     Durch  diese  beiden 
Bogenlinien  wird  der  den  Fruchthof  umgebende  dunkle  Theil  der  Keimhaut  wie- 
der in   2  Ringe  getheilt,    einen  äufsern  und  einen  iunern.      Nur  in  dem  iunern 
Ringe  bilden  sich  die  am  2ten  Tage  entstehenden  Gefäfse,   weshalb  man  ihn  mit 
Recht  den  Gefäfslwf  (Area  vasculosa)  genannt  hat.      Schon  vor  dieser  Scheidung  "iderDicke. 
in  der  Fläche,  aber  weniger  in  die  Augen  fallend,  entsteht  eine  übereinstimmende 
in  der  Dicke  der  Keimhaut.     Zwischen  dem  serösen  und  dem  Schleimblatte  bil- 
det sich  nämlich  eine  Schicht  von  Kügelchen ,   welche  Pander  das  Gefäfsblait 
nennt,   da  aus  diesen  Kügelchen  sich  später  die  Gefäfse  bilden.      Es  fehlt  diese 
Schicht  in  dem  äufsern  Ringe.      Sie  findet  sich  dagegen  im  Gefäfshofe  und   im 
durchsichtigen  Fruchthofe.     Vorherrschend  ist  sie  als  wahre  Gefäfsschicht  im  Ge- 
fäfsraume,  so  dafs  derselbe  Wechsel,  welchen  wir  in  derKeimhaut  der  Tiefe  nach, 
d.  h.  in  seiner  Dicke  finden:    seröses  Blatt,    Gefäfsblatt,    Schleimblatt,  sich  auch 
in  der  Ebene  vom  Centrum  zur  Peripherie  zeigt ,   im  (durchsichtigen)  Fruchthofe,        /rCnT?1] 
dem  Gefäfshofe  und  dem  äufsern  Ringe,  den  man,   um  ilim  einen  Namen  zu  ge-    /c^y~^- — --^ 


B  2  AJ/o"  -~o> 


:  A  R  V 


13 

Leu ,  den  Dotterhof  nennen  könnte.  Im  Fruchthofe  nämlich  ist  das  seröse  Blatt, 
im  Gefäfshofe  das  Gefäfsblatt  und  im  Dotterhofe  das  Schleimblatt  vorherrschend. 

/.  Erste  An-  Bis  über  die  Mitte  des  ersten  Tages  hat  noch  kein  Theil  des  Embryo  sich 

bryo.  zu  bilden  angefangen.     Um  die  vierzehnte  oder  fünfzehnte  Stunde  tritt  das  erste 

Rudiment  desselben  auf.  Dieses  besteht  keinesweges  in  den  beiden  Primitivfal- 
ten Pander's,  sondern  in  einem  mittlem  Streifen,  der  etwa  lf  Linie  laug  ist, 
und  den  ich  Prhnitivstreifen  nenne.     Er  ist  der  Vorläufer  der  Wirbelsäule  und 

5.  Lage  des  liegt  in  der  Längenachse  des  durchsichtigen  Fruchthofes.  Die  Längenachse  des 
Fruchthofes  entspricht  aber  nicht  der  Längenachse  des  Eies,  sondern  der  Quer- 
achse desselben,  und  zwar  liegt  der  Kopf  des  zukünftigen  Embrj'o,  der  in  dem 
ersten  dunklen  Slreifen  schon  durch  ein  etwas  dickeres  Ende  angedeutet  wird, 
nach  links,  das  Schwanzende  nach  rechts,  wenn  man  das  Ei  in  seiner  Längen- 
achse so  vor  sich  stellt,  dafs  das  stumpfe  Ende  dem  Beobachter  zu-  und  das  spitze 
Ende  abgekehrt  ist,  der  Keim  aber  nach  oben  liegt.  Hiernach  ist  die  linke  Seite 
des  Embryo  nach  dem  stumpfen  Ende  des  Eies  gerichtet,  die  rechte  nach  dem 
spitzen  Ende.  Indessen  ist  diese  Lage  nicht  immer  so  bestimmt,  dafs  die  Län- 
genachse des  Embryo  mit  der  Längenachse  des  Eies  genau  einen  rechten  Winkel 
bildete,  der  Winkel  weicht  vielmehr  so  ab,  dafs  die  erstere  bald  auf  der  einen, 
bald  auf  der  andern  Seite  sich  mehr  der  letztern  nähert,  so  dafs,  freilich  in  sehr 
seltenen  Fällen ,  beide  Achsen  fast  zusammenfallen  können ,  wobei  denn  der  Kopf 
des  Embrvo  bald  dem  stumpfen,  bald  dem  spitzen  Ende  des  Eies  zugekehrt  ist. 
Nur  einmal  fand  ich  den  Embryo  umgekehrt  liegen,  so  dafs  sein  Kopf  in  der  Hälfte 
iles  Eies  lag,  in  der  das  Schwanzende  hätte  liegen  sollen.  Dieses  Ei  war  nach 
dem  spitzen  Ende  zu  in  seiner  Schaale  gebrochen.  Es  steht  nämlich  die  Entwik- 
kelung  der  Eier  nicht  gleich  still,  wenn  die  Schaale  Brüche  bekommt,  obgleich 
sie  auch  nie  bedeutend  vorzuschreiten  scheint,  so  weit  meine  Erfahrungen  reichen. 

k,    Gnmd  Diese  Beobachtung  scheint  eiuen  Wink  über  den  nächsten  Grund  von  der 

a§e'  Stellung  des  Embryo  zu  geben.  Da  nämlich  die  Luft  immer  am  stumpfen  Ende 
des  Eies  eintritt,  das  nicht  verbrauchte  Eiweits  dagegen  nach  dem  spitzen  Ende 
desselben  allmählig  getrieben  wird,  so  scheinen  sich  stumpfes  und  spitzes  Ende  zu 
einander  zu  verhalten,  wie  aufnehmender  und  ausscheidender  Pol ,  und  berück- 
sichtigen wir  die  Lage  des  Eies  während  seiner  Büdung,  so  erkennen  wir,  dafs 
es  im  Eileiter  so  liegt,  dafs  das  stumpfe  Ende  dem  aufnehmenden  und  das  spitze 
Ende  dem  ausschneidenden  Pole  nicht  nur  des  Organes,  sondern  des  ganzen  müt- 
terlichen Körpers  zugekehrt  ist.  Auf  jeden  Fall  müssen  die  heterogenen  Substan- 
zen ,  die  in  der  Längenachse  des  Eies  hinter  einander  liegen,  erregt  durch  Wärme, 
einen   dynamischen  Prpzefs  hervorbringen ,    der   längs  der  Achse    des  Eies   vor 


13 

sich  geht ,  und  der  vielleicht  nach  genauen  physikalischen  Versuchen  näher  zu  be- 
stimmen sejn  wird.  Dagegen  glaube  ich  auf  dieversclüedene  Wanne-Empfindung, 
die  man  hat,  wenn  man  das  stumpfe  oder  das  spitze  Ende  des  Eies  mit  der  Zunge 
berührt,  wenig  Gewicht  legen  zu  dürfen,  denn  da  das  Eiweifs  ein  gröfseres  Lei- 
tungsvermögen  für  die  Wärme  hat,  als  die  Luft,  so  folgt  daraus,  dafs  die  wär- 
mere Zunge  am  spitzen  Ende  schneller  abgekühlt  wird,  als  am  stumpfen.  Ein 
Ei,  das  auf  29° — 30°  R.  erwärmt  ist,  scheint  der  Zungenspitze  an  beiden  Enden 
gleich  warm  zu  seyn.  Ein  ziemlieh  empfindliches  Thermometer  an  beide  Enden 
eines  nicht  erwärmten  Eies  angesetzt,  oder  in  dieselben  eingesenkt,  liefs  mich  kei- 
nen Unterschied  finden.  Indessen  will  ich  auf  diese  Beobachtung  gar  kein  Ge- 
wicht legen,  da  ich  nicht  alle  störenden  Einflüsse  vermeiden  konnte.  Aber  auch 
die  Versuche  von  Murray  (Edinb.  phisieol  Journal  1826),  nach  denen  das  stum- 
pfe Ende  wärmer  seyn  soll ,  erregen  nicht  volles  Vertrauen.  Vielmehr  scheint 
diese  Frage  noch  einer  neuen ,  sehr  sorgfältig  anzustellenden  Untersuchung  zu  be- 
dürfen. 

DerProzefs,  der  längs  der  Achse  des  Eies  wirksam  ist,  hat  die  Folge,  dafs 
in  dem  über  dieser  Achse  liegenden  Keime  der  neu  anschiefsende  Stoff  nach  links 
sich  in  rundern,  d.  h.  für  die  Fläche  in  breitern,  für  die  Masse  in  dickern  For- 
men sammelt,  als  nach  rechts,  wo  die  Formen  mehr  spitz  auslaufen.  So  war  es 
schon  in  der  birnförmigen  Gestalt  des  Fruchthofes ,  so  ist  es  in  dem  Primitivslrei- 
fen  des  Embryo  und  allen  übrigen  Theilen  desselben  im  Allgemeinen.  Dieses  Ver- 
hältnifs  dürfte  daher  mit  dem  Electromagnetismus  in  Beziehung  zu  bringen  seyn. 

Was  nun  den  früher  erwähnten  Primitivstreifen  anlangt,  so  besieht  er  nur 
kurze  Zeit,  weshalb  P ander  ihn  in  der  Darstellung  der  Entwicklungsgeschichte 
ganz  ausgelassen  hat.  Gesehen  hat  er  ihn  jedoch  ohne  Zweifel,  denn  die  Abbil- 
dungen in  Tab.  1.  Fig.  4.  5.  Tab.  II.  Fig.  2.  in  P ander' s  Beiträge  u.  s.  w.  kann 
ich  nur  auf  diesen  Streifen  beziehen.  Er  ist  auch  sehr  verschieden  in  seinem  Aus- 
sehen. In  der  Regel  besteht  er  aus  einer  Ansammlung  von  ziemlich  lose  zusam- 
menhängenden Kügelchen.  Der  Fruchthof  ist  nämlich  um  diese  Zeit  noch  nicht 
so  hell,  als  später,  und  enthält  noch  ziemlich  viele  Kügelchen,  die  sich  aber  im 
Primitivstreifen  noch  besonders  ansammeln,  der  daher  wegen  gröfserer  Dunkel- 
heit von  geübten  Augen  schon  ohne  Vergröfserung  erkannt  wird.  Er  ist  mehr 
oder  weniger  erhaben ,  und  wenn  ich  nicht  sehr  irre ,  steht  seine  Erhebung  mit 
der  Dunkelheit  im  Gegensätze.  Einige  Mal  sah  ich  ihn  als  einen  erhabenen,  nach 
unten  holden ,  dann  aber  fast  durchsichtigen  Wulst,  der  sich  wohl  ^  Linie  aus 
der  Ebene  erhob ,  wie  nicht  nur  der  Schatten,  sondern  besonders  auch  das  Her- 
nbjdeiten  an  seinen  Seiten  mit  einer  feinen  Sonde  oder  Borste  lehrte.     Kaum  ist  es 


i.    Primitiv- 
ste eiffeo. 


14 

«laublich ,  dafs  diese  Variationen  auf  einander  folgen  müssen  als  Stufen  der  fort- 
sclireitenden  Entwicklung ,  vielmehr  ist  wohl  die  hohe  Auftreibung  des  Primitiv- 
streifens  nur  Abweichung  von  dem  normalen  Verlaufe ;  denn  man  sieht  nicht  recht 
ein ,  wie  sich  diese  beiden  Formen  des  Frimitivstreifens  aus  einander  entwickeln 
sollen.  So  viel  ist  aber  gewifs,  dafs  vor  dem  Auftreten  der  Pander'schen  Primi- 
tivfallen der  Stamm  der  Wirbelsäule  immer  zuerst  durch  einen  mittlem  unpaari- 
gen Streifen  markirt  wird. 
k.  Rücken-  Aus  diesem  Streifen  erheben  sich  bald  zu  beiden  Seiten  die  Erhabenheiten, 

P  *  welche  P  and  er  Primitivfalten  nennt,  die  aber  einen  andern  Namen  erhalten  müs- 

sen indem  sie  weder  das  Erste  des  Embryo ,  noch  wahre  Falten  sind.  Sie  sind 
zuerst  unregelniäfsige,  rundliche,  ziemlich  dunkle  Wülste.  Der  Raum  zwischen 
ihnen  ist  heller.  Es  scheint  also,  dafs  die  Körner  aus  dem  Primitivstreifen  nach 
den  Seiten  weichen.  Sie  treten  zwischen  der  löten  und  18ten  Stunde  auf,  und 
erreichen  einander  beim  ersten  Auftreten  weder  am  vordem  noch  am  hintern 
Ende.  Ueberhaupt  bilden  sich  die  beiden  Enden  zuletzt ,  aber  doch  bald  aus. 
Mit  dem  obern  Rande  stehen  sie  etwas  weiter  von  einander,  als  mit  der  Grund- 
fläche, indem  der  obere  noch  zugerundete  Rand  über  der  Mitte  der  Grundfläche 
lie^t.  (FiCT.  2.)  Aus  diesen  beiden  Wülsten  wird  der  Rücken  (denn  nicht  an,  son- 
dern in  ihnen  bilden  sich,  wie  wir  zeigen  werden,  die  Rudimente  der  Wirbel- 
bogen) ,  weshalb  sie  Rückenplatten  heifsen  mögen. 

Die  Metamorphose  der  Rückenplatten  ist  verschieden,  je  nachdem  der  Pri- 
mitivstreifen mehr  körnig  und  weniger  gewölbt,  oder  mehr  ein  hohler  Wulst  ist. 
Im  erstem  Falle  nämlich  erhebt  sich  unter  fortgehender  seitlicher  Ausbreitung  der 
Basis  die  obere  Kante  dieser  Platte  in  einen  scharfen  Kamm,  dessen  Schneide 
zuerst  gerade  in  die  Höhe  gerichtet  ist ,  nach  der  innern  Seite  ganz  senkrecht  ab- 
schüssig gegen  die  Furche  *)  (Spatium  carinatum  Malpighis  und  Panders), 
nach  aufsen  aber  allmählig  herablaufend.  Später  sind  die  Schneiden  gegen  einan- 
der gekehrt,  und  ragen  also  über  die  sie  trennende  Furche  vor  (Fig.  3.)  und  errei- 
chen einander  endlich,  wodurch  die  Furche  in  einen  geschlossenen  Kanal  verwan- 
delt wird.  Sie  verwachsen  darauf  mit  einander.  —  Je  mehr  aber  der  Primi- 
tivstreifen gewölbt  ist ,  um  desto  mehr  sind  die  Schneiden  oder  Kämme  der  Rük- 
kenplatten  nach  aufsen  gekehrt.  Ihre  Vereinigung  mufs  daher  später  und  lang- 
samer erfolgen.  Ja,  in  einem  Falle ,  wo  die  Erhebung  des  Primitivstreifens  wohl 
5  Linie  betrug,  waren  die  Kanten  der  Rückenplatten  so  nach  aufsen  gekehrt,  da& 
diese  fast  horizontal  lagen ,    wie  mau  durch  untergebrachte  Sonden  leicht  fand ; 


»)   Rückenfurche  oder  Riickentpalte. 


saite. 


15 

dennoch  war  schon  der  erste  Anfang  von  3  Wirbeln  in.  jeder  Platte  zu  erkennen, 
so  dafs  ich  nicht  glauben  kann,  dafs  sie  sich  jemals  vereinigt  hätten,  sondern  ver- 
muthe,  dafs  hier  sich  eine  Rückgratsspalte  gebildet  haben  müfsle,  so  selten  auch 
diese  Krankheit  in  Vögeln  vorzukommen  scheint. 

Mit  den  Rückenplatten  bildet  sich  aber  noch  ein  anderer  Theil,  den  ich  ':  Rücken 
die  Rückensaite  (Chorda  dorsalis)  nenne.  Dies  ist  ein  Streifen,  der  gerade  in  der 
Achse  der  zukünftigen  Wirbelsäule  und  also  des  ganzen  Fötus  verläuft.  Er  be- 
steht ursprünglich  aus  einer  einfachen  Reihe  dunkler  Kügelchen,  die  nach  dem 
vordem  Ende  mehr  zusammengedrängt,  am  hintern  Ende  mehr  vereinzelt  sind. 
Man  erkennt  ihn  in  seiner  ersten  Bildung  -wegen  seiner  Dünne  nur,  wenn  das 
Wasser,  in  welchem  mau  den  Keim  untersucht,  sehr  rein  von  Dotterkügelchen 
ist.  Er  nimmt  darauf  an  Dicke  und  Festigkeit  zu,  indem  die  Zahl  der  Kügelchen 
in  ihm  sich  mehrt.  Das  vorderste  Ende  ist  schon  sehr  früh  in  einen  runden ,  viel 
dickern  Knopf  ausgebildet,  und  die  ganze  Rückensaite  gleicht  daher  schon  vor 
dem  Ende  des  ersten  Tages  einer  sehr  dünnen  Nadel  mit  einem  zarten  Knopfe. 
Dieses  Ansehn  behält  sie  auch  ferner ,  indem  sie  allmählig  stärker  wird ,  und  sich 
(freilich  mit  dem  ganzen  Embryo)  krümmt.  Diese  Saite  ist  offenbar  übereinstim- 
mend mit  der  Knorpelsäule ,  welche  sich  in  der  Wirbelsäule  einiger  Knorpelfische 
während  des  ganzen  Lebens  findet.  Wie  bei  jenen  legen  sich  im  Huhne  die  Wir- 
belkörper um  die  Saite ,  aus  denen  man  sie  bis  in  die  Hälfte  der  Entwickelung, 
wo  sie  allmählig  stärker  wird,  wie  eine  Schnur  hervorziehen  kann.  Sie  ist  nicht 
nur  die  Achse,  um  welche  sich  die  ersten  Theile  des  Fötus  bilden,  sondern  der 
wahre  Maafsstab  für  den  ganzen  Leib  und  alle  Hauplsystenie. 

llu-e  Entstehung  scheint  mir  mit  der  Entstehung  der  Rückenplatle  gleich- 
zeilig.  Zwar  sieht  man,  wenn  die  Rückenplatten  zuerst  deutlich  werden,  die 
Rückensaite  oft  noch  nicht ;  indessen  liegen  doch  in  der  Mitte  unter  der  Rücken- 
fürche  einzelne  Kügelchen  in  einer  geraden  Linie,  und  diese  Kugelreihe  ist  nichts 
Miiders,  als  die  werdende  Rückensaite.  Auch  habe  ich  deutlich  gesehen,  dafs  bei 
stark  gewölbten  Primitivstreifen  die  Rückensaite  bestimmt  schon  da  war,  ohne 
Spur  von  Rückenplatten.  Die  Norm  der  Entwickelung  scheint  also  darin  zu  be- 
stehen,  dafs  der  Primitivstreifen,  bald  nach  seiner  Entstehung,  in  zweiSeitenhälf- 
len,  die  Rückenplatten,  und  einen  mittlem  Streifen,  die  Rückensaite,  sich  scheidet, 
imd  zwar  so,  dafs  ziemlichJzugleich  beide  Theile  entstehen,  aber  zu  Anfange  die 
Entwickelung  nach  den  Seitenlheilen 'rascher -geht,  wenigstens  deutlicher  bemerkt 
wird1. 

Die  Rückensaite  nun  ist  es,  welche  von  allen  Beobachtern ,  die  das  Rücken- 
mark sehr  früh  gesehen  haben  wollen ,  für  dieses  Organ  gehalten  worden  ist ;  denn 


16 

das  Rückenmark  fehlt  als  gesonderter  Körper  durchaus  vor  der  Verwachsung  der 
Rückenplatten.  Die  Lage  der  Rückensaite  in  der  Mittellinie  des  Körpers  konnte 
zu  dieser  Verwechselung  Veranlassung  gehen  ,  indessen  ist  es  immer  merkwürdig, 
wie  man  einen  so  haardünnen  und  dabei  dunklen,  vorn  mit  einfachem  Knopfe  en- 
digenden Körper,  dessen  Knopf  zu  den  Hirnblasen  in  gar  keiner  Beziehung  steht, 
und  welcher  mit  seiner  Umgebung  eng  verwachsen  ist,  für  das  Rückenmark  hal- 
ten konnte. 
Scheide  Die  Einfügung  der  Rückensaite  ist  nämlich  ganz  eigentümlich.      So  wie 

der  Rücken-  ^urch  eine  einfache  Reihe  von  dunklen  Kügelchen  die  Riickensaite  sich  zu  bilden 
anfängt,  sieht  man  auch  diese  Linie  von  einem  hellen  Saum  umgeben,  tmd  je 
dunkler  die  Rückensaite  wird,  desto  heller  ist  dieser  Saum,  bis  er  die  Durchsich- 
tigkeit von  Glas  erhält.  Da  der  Saum  aber  von  allen  Seiten  erscheint,  so  ist  er 
eigentlich  eine  Scheide  für  die  Rückensaite.  Er  ist  mit  dieser  letzten  ursprüng- 
lich ein  Ganzes,  und  in  den  beiden  ersten  Tagen  so  eng  mit  ihm  verbunden,  dafs 
nur  die  allergcöfste  Geduld  und  die  feinsten  Nadeln  im  Stande  sind,  die  Saite  von 
der  Scheide  zu  trennen,  und  am  ersten  Tage  mag  der  Versuch  wegen  der  Dünne 
der  Saite  nie  ganz  gelingen.  Um  diese  Zeit  sind  beide  Theile  wirklich  nur  Eins, 
das  so  in  sich  gesondert  wird,  wie  wir  fast  überall,  wo  im  Embryo  sich  ein  dunk- 
ler Körper  bildet,  auch  neben  ihm  einen  Gegensalz  von  heller  Masse  ohne  Kügel- 
chen werden  sehen.  Auffallend  ist  nur  in  der  Scheide  für  die  Rückensaite  die  Fe- 
stigkeit, die  diese  glashelle  Masse  hat.  Am  dritten  Tage  läfst  sich  die  Riicken- 
saite mit  einiger  Vorsicht  aus  der  Scheide  ziehen,  und  vom  4teu  Tage  an  gelingt 
der  Versuch  ziemlich  leicht. 
n.  Umbeu-  Die  Scheide  umgiebt  auch  den  Knopf  der  Rückensaite.      Hier  ist  es,   wo 

gung  des       ^g  VGr(]ern  Enden  der  Rückenplatlen  zusammenstoßen ,  nicht  unmittelbar  an  deu 
ende«,  Knopf,  sondern  durch  die  Scheide  von  ihm  getrennt,    indem  alles,   was  gegen  die 

Bückensaite  wächst,  durch  die  Scheide  von  unmittelbarem  Anstofsen  an  sie  abge- 
halten wird.  Der  Rücken  ist  also  ursprünglich  grade  eben  so  lang,  als  der  Stamm 
der  Wirbelsäule  oder  die  Rückensaile.  Ailein  da  die  Rückenplatten  schneller 
wachsen,  als  die  Rückensaite,  so  krümmen  sie  sich,  uud  besonders  ihre  obere 
Kante.  Beim  ersten  Auftreten  der  Rückenplatten  sind  sie  nämlich  nicht  mehr  ge- 
krümmt, als  der  Primitivstreifen  war,  und  dieser  ist  in  der  Länge  nur  so  viel  ge- 
krümmt, als  die  Wölbung  der  Mitte  der  Keimhaut  beträgt.  Indem  sie  aber  sich 
ver^röfsern,  bilden  sie  nicht  nur  mit  ihrer  ganzen  Masse  einen  Bogen,  dessen 
Krümmung  nach  oben  gerichtet  ist,  sondern  vorzüglich  krümmt  sich  ihre  obere 
Kante  an  dem  vordem  Ende  etwas  um  den  Knopf  der  Rückensaite  nach  unten. 
Die  Folge  davon  ist,    dafs,    wenn  man  jetzt  den  FöIuj»  von  oben  Leu  achtet,    er 

vorn 


I II 11  - 


17 

vorn  2  Spitzen  (die  vorragenden  Umbettgungen  der  Rücken  platten)  hat.  Diese 
vordem  Umbeugungen  nehmen  immer  zu ,  und  ziehen  auch  das  vordere  Ende  der 
Rückensaite  mit  sich.  Es  ist  mithin  der  ganze  Stamm  der  Wirbelsäule,  aber  nur 
am  vordersten  Ende,  umgebogen,  und  diese  Umbeugung  wird  zum  Kopf,  in  wel- 
chem der  Knopf  der  Rückensaite  die  Mitte  der  Schädelbasis  einnimmt.  (Fig.  II. 
and  in  späterer  Form  Fig.  III.)  Nach  vorn  grenzt  diese  Umbeugung  mit  halb- 
mondförmigem Rande  an  den  nicht  umgewandelten  Theil  der  Keimhaut,  mit  dem 
sie  einen  Winkel  bildet ,    der  allmählig  spitzer  wird. 

Wenn  ich  so  eben  die  Umbiegung  des  Vorderendes  vom  Embryo  als  aus  «■  Absei 
dem  ftarken  Wachsthum  der  Rückenplatten  hervorgehend  dargestellt  habe ,  so  ge-  Embryo  von 
schall  es  mehr,  um  die  Metamorphose  anschaulicher  zu  machen;  denn  allerdings  h"it  eim 
sieht  man  bald,  dafs  diese  Veränderung  von  einem  tiefern  gemeinsamen  Grunde 
bedingt  wird,  der  sich  in  allen  Theilen  der  Bildung  als  ein  Streben  offenbart,  den 
Embryo  von  dem  umgebenden  Theile  des  Keimes  und  des  übrigen  Eies  zu  schei- 
den *).  Kaum  hat  sich  nämlich  das  vordere  Ende  der  Wirbelsäule  umgekrümmt, 
so  zieht  sich  der  benachbarte  Theil  der  Keimhaut  nach  hinten  an  die  untere  Flä- 
che des  Fötusrudimentes ,  indem  die  Stelle,  wo  der  Umschlag  der  Keimhaut  vom 
vordem  Ende  des  Fötus  in  die  Fläche  der  übrigen  Keimhaut  abgeht ,  immer  melir 
nach  hinten  rückt,  und  dadurch  wirklich  eine  Leibeshöhle  von  vorn  nach  hinten 
sich  zu  formen  anfängt,  deren  untere  Wand  jetzt  nur  von  der  Keimhaut  gebildet 
ist.     (Fig.  III.) 

Dieser  Vorgang  beruht  also  l)  auf  dem  Wachsthum  des  Embryo,  der  sich 
schneller  vergröfsert  als  seine  Basis,  aufserdem  2)  aber  auch  auf  beginnender 
Verengerung  der  Communication  zwischen  dem  Embryo  und  der  Keimhaut,  wel- 
che aber  erst  am  zweiten  Tage  deutlich  wird;  denn  die  erste  Umbeugung  der 
Rückenplatten  erfolgt  erst  um  die  20ste  Stunde,  das  weitere  Zurückweichen  von 
der  Umbeugung  der  Keimhaut  am  Ende  des  ersten  Tages.  Dadurch  wird  ein 
Theil  der  vordem  Hälfte  des  Fruchlhofes  aus  der  Ebene  gezogen  und  er  erscheint 
nun  nicht  mehr  birnförmig ,  sondern  bisquitförmig. 

Wir  verfolgen  nun  jene  Verengung  der  Verbindung  zwischen  dem  Embryo     ^Anlage 
und  der  Keimhaut  hier  nicht  weiter,    sondern  kehren  vielmehr  zu  den  Rücken- 
platten  zurück.      Während  sich  diese  mit  ihren  obern  Kauten  einander  nähern, 
erscheinen  in  ihnen  die  Wirbel  in  zwei  gegenüber  liegenden  Stücken  für  jeden 
Wirbel.      Sie  bestehen,   wie  die  Rückensaite,    aus  zusammengedrängten  Körn- 

*)  Denjenigen  Theil  des  Keimes,  welcher  sich  nicht  zum  Embryo  umgeformt  hat,  werden  wir  in 
Zukunft  die  Keimhaut  nennen,  und  wir  haben  diesen  Ausdruck  schon  angewendet  für  die  Zeit, 
in  welcher  schon  ein  Anfang  vom  Embryo  da  ist. 


1» 

chen,  welche  Flecken  bilden ,  umgeben  von  hellen  Umkreisen,  die  zu  ihnen  in 
demselben  Verhältnisse  stehen ,  wie  die  Scheide  zur  Rückeusaite.  Eine  andere 
dem  Knorpel  ähnlichere  Textur  ist  durchaus  noch  nicht  da.  Die  Flecken  sind 
zwar  beim  ersten  Auftreten  noch  nicht  ganz  viereckig ,  gehen  aber  sehr  bald  in 
diese  Form  über,  wodurch  die  hellen  Zwischenräume  Queerbändern  gleich  wer- 
den. Diese  Anlagen  der  Wirbel  bilden  sich  in  der  Gegend,  wo  der  kammfor- 
mige  erhabene  Theil  der  Rückenplatten  in  den  ebenen  übergeht ,  und  die  Kante 
des  Kammes  wird  von  ihnen  nicht  erreicht.  Die  Folge  davon  ist,  dafs  es  scheint, 
als  bildete  sich  der  Wirbel  neben  den  Rückenplatten,  indem  man,  wenn  der 
Rücken  sich  zu  schliefsen  anfängt,  bei  der  Ansicht  von  oben  auf  jeder  Seite  neben 
den  Wirbelanfängen  nach  innen  einen  hellen  Streifen  bemerkt,  den  zwei  Schatten 
begrenzen.  Dieser  helle  Streifen  ist  der  durchsichtige  übergebogene  Kamm.  Der 
äufsere  Schatten  ist  die  Grenze  der  Höhle  für  das  Rückenmark,  wie  besonders  die 
Betrachtung  der  Fig.  3.  deutlich  macht,  wo  wir  oben  in  3'  die  Ansicht  der  Rük- 
kenseite  haben,  durch  punktirte  Linien  auf  den  Queerdurchschnitt  reducirt. 
Dafs  die  Wirbelanfänge  wirklich  in  den  Rückenplatten  hegen,  erkennt  man ,  wenn 
man  beide  Platten  mit  Nadeln  aus  einander  legt,  wobei  ein  Theil  der  Wirbel- 
rudimente mit  umgelegt  wird ,  und  vorzüglich  in  den  Fällen ,  wo  die  Rückenplat- 
ten ,  auf  den  hochgewölbten  Primitivstreifen  sitzend ,  ganz  nach  aufsen  gekehrt 
sind.  In  diesen  sah  ich  die  Wirbelrudimente ,  die  ganz  im  ersten  Beginnen  wa- 
ren ,  vollständig  umgeworfen.  Die  ersten  Wirbelrudimente  entstehen  gegen  Ende 
des  ersten  Tages  und  zwar  in  der  Halsgegend ;  von  da  bilden  sich  nach  vorn  und 
hinten  neue, 

Dafs  sich  die  Ränder  der  Primitivfallen  kräuseln,  und  Buchten  bilden, 
9  Schlufs  indem  sie  sich  einander  nähern,  bezweifle  ich.  Zwar  sieht  mau  in  der  Regel 
'  solche  Kräuselungen,  wenn  man  Embryonen,  deren  Rücken  eben  im  Begriff  ist, 
sich  zu  schliefsen,  in  kaltem  Wasser  untersucht.  31a n  erkennt  aber  auch,  dafs 
diese  Kräuselungen  sich  allmählig  immer  mehr  von  einander  geben  und  die  Rük- 
kenfürche  sich  weiter  öffnet.  Durch  die  Einwirkung  des  kalten  Wassers  werden 
nämlich  die  Rückenplatten  von  einander  gezogen,  und  da  die  Wirbelrudimente 
etwas  fester  sind,  als  ihre  Zwischenräume,  so  zieht  sich  die; Mitte  jedes  Wirbels 
etwas  weniger  zurück.  Untersucht  man  Embryonen  um  dieselbe  Zeit  in  warmem 
Wasser,  so  sieht  man  die  Kräuselungen  so  lange  nicht,  als  das  Wasser  warm  bleibt. 
Weniger  gewifs  bin  ich  darüber,  ob  auch  im  vordem  oder  Kopf-  Theile  der  Wir- 
belsäule vor  dem  Schlüsse  keine  Erweiterungen  sind.  Es  hat  allerdings  zuweilen 
das  Anseh»,  doch  fand  ich,  dafs  wenigstens  die  innern  einander  zugekehrten 
Ränder  der  Rückenplatten  immer  gerade  waren,  und  nur  der  umschlossene  Raum 


19 

d.  h.  also  die  Seitentlieile  der  Platte  sich  nach  aufsen  wölbten,  jedoch  ohne  abge- 
sonderte Zellen  zu  bilden,  in  einer  gleichraäfsigen  Erweiterung,  mit  Ausnahme 
des  vordersten  Endes. 

Wahrend  diese  Veränderungen  im  Rücken  am  Ende  des  ersten  Tages  er-  r-  Erhebung 
folgen,    erhebt  sich  der  Embryo  von  dem  Dotter,    und  der  ganze  durchsichtige  und    deSry° 
Fruchthof  nimmt  an  der  Erhebung  Antheil ,   und  zwar  gleichmäfsig,   da  in  ihm  Fr,,chthoff'5 
der  Umfang  der  Bauchplatten  noch  nicht  bestimmt  ist.     Alle  Blätter  sind  zugleich 
erhoben  und  hegen  dicht  an  einander.     Nur  nach  vorn  fangen  die  Blätter  an,  sich 
zu  trennen,  und  zwar  in  Folge  des  Zurückziehens  unter  das  Kopfende,  was  wir  am 
zweiten  Tage  näher  ins  Auge  fassen  werden. 

Am  Ende  des  ersten  Tages  bat  also  der  Embryo  folgende  Beschaffenheit.  *■  Ailgemei- 
Man  erkennt  in  ihm  nur  noch  Bildungsgewebe,  oder  jene  Grundmasse  aller  thie-  f^nheh^'des 
rischen  Theile,    welche  aus  einem  eiweifsäknlichen  Gruudschleime  und  unvoll-  5ra,bry,°  am 

Ende  des  er- 

ständig  isolirten  Kügelchen  besteht.  In  einer  Gegend  sind  mehr  Kügelchen,  in  sten  Tages. 
einer  andern  ist  mehr  geronnener  Grundschleim  angehäuft ;  nirgends  ist  die  Spur 
einer  continuirlichen  Faser.  Der  Erub^o  ist  nach  oben  gewölbt ,  wie  ein  umge- 
stülptes ganz  flaches  Boot.  Von  den  zukünftigen  Theilen  des  Thieres  ist  noch 
nichts  kenntlich ,  als  die  Rückensaite  und  die  beiden  Rückenplatten ,  die  der  Ver- 
wachsung nahe  sind  und  5  bis  7  Wirbel  enthalten.  Ueberhaupt  ist  also  nur  die 
obere  Hälfte  des  Thieres  da.  Die  untere  oder  Bauch  -  Hälfte  ist  noch  gar  nicht  von 
der  Keimhaut  abgesondert.  Die  Theile ,  welche  wir  weiter  unten  als  Bauchplat- 
ten bezeichnen  werden ,  scheinen  zu  beiden  Seiten  der  Wirbelsäule  schon  ange- 
legt ,  denn  neben  der  Wirbelsäule  ist  die  Keimhaut  etwas  dicker ,  und  im  vorder- 
sten Ende  sind  die  Bauchplatten  schon  etwas  kenntlich.  Sie  sind  aber  nach  aulsen 
noch  nicht  begrenzt,  und  da  sie  sich  offenbar  nicht  aus  dem  jetzt  schon  sichtba- 
ren Rudimente  des  Embryo  entwickeln,  sondern  aus  dem  benachbarten  Theile 
der  Keimhaut,  so  sieht  man  daraus,  dafs  der  Embryo  noch  nicht  gegen  die  Keim- 
haut begrenzt  ist,  mit  Ausnahme  des  vordem  scharf  begrenzten  Endes.  Ueber- 
haupt wird  man  aus  der  Darstellung  erkannt  haben,  dafs  das  Rudiment  des  Em-  DerEmbno 
bryo  nichts  ist,  als  eine  besondere  Modißcation  einer  Stelle  des  Keimes,  eine  iso-  gehandelt™ 
lirte  Wucherung  desselben,    ein  Verhältnifs ,    welches  während  der  ganzen  Ent-  Theil    der 

•T---11-1  ■  •       t         tr  i  -!*>•  Keimliaiu. 

Wickelung  im  Eie  bleibt,  nur  mit  der  Veränderung,  dafs  jener  isolirte  Theil, 
den  wir  Embryo  nennen,  und  der  jetzt  noch  unbedeutend  ist  gegen  die  übrige 
Keimhaut ,  bald  der  wesentliche  wird ,  und  diese  beherrscht. 

Der  Embryo  dieses  Zeitraums  hängt  also  nicht  blofs  mit  der  Keimhaut  zu-  *•  Schichte» 
sammen,  sondern  geht  ohne  bestimmte  Grenze  in  sie  über.      Im  Embryo  kommen  "" 
daher  auch  alle  Schichten  der  Keimhaut  wieder  vor.      Das  Schleimblatt  liegt  ganz 

C  2 


20 

dünn  und  lose  an  der  untern  Fläche  der  Wirbelsäule.  Das  seröse  Blatt  setzt  sich 
ununterbrochen  in  die  glatte  äufsere  uud  innere  Oberfläche  der  Rückenplatten  fort. 
Der  Inhalt  der  Riickenplatten  ist  der  festeste  Theil  im  Embryo.  Viel  lockerer  ist 
eine  Schicht  von  weichem  Bildungsgewebe  zwischen  den  Bückenplatten  und  dem 
Schleimblatte.  Es  ist  durch  den  Augenschein  nicht  ganz  fest  zu  bestimmen ,  ob 
nur  diese  lose  Schicht,  oder  auch  der  Inhalt  der  Rückenplatten  als  der  Gefäfs- 
schicht angehörig  anzusehen  ist,  da  der  Inhalt  der  Rückenplatten  nach  aufsen 
nicht  scharf  begrenzt  ist.  Ueberdies  ist  die  Gefäfsschicht  in  der  Keimhaut  nicht 
ein  so  selbständiges  Blatt,  wie  das  seröse  und  Schleimblatt.  Sie  ist  gegen  beide 
nicht  scharf  begrenzt,  und  überhaupt  nur  das  Bildungsgewebe  zwischen  jenen 
beiden  Blättern,  gleichsam  die  Leibesmasse  zwischen  der  Oberhaut  und  der 
Schleimhaut  jenes  nicht  zu  höherm  Leben  bestimmten  Theiles  vom  Keime;  denn 
offenbar  kann  man  den  ganzen  Keim  ,  da  ein  Theil  desselben  zum  Embryo  wird, 
als  den  ungeformten  Leib  des  Thieres  selbst  betrachten,  der  nichts  ist,  als  ein 
«rolser,  nicht  geschlossener  Darmsack. 

Aul  jeden  Fall  ist  aber  jene  weiche  Schicht  unter  der  Wirbelsäule  der  Ge- 
fälsschicht  in  der  Keimhaut  durch  den  lockern  Bau  ähnlicher,  und  nimmt  auch 
allein  die  Gefäfse  aus  der  Gefäfsschicht  der  Keimhaut  später  auf  und  löst  sich  von 
den  Rücken-  und  Bauchplatten,  nicht  aber  von  der  Gefäfsschicht  der  Keimhaut. 
Ferner  ist  auch  die  innere  Masse  der  Riickenplatten  nicht  nur  jetzt,  sondern  auch 
un  ganzen  zweiten  Tage  innig  mit  der  Oberfläche  derselben  verbunden,  und  das 
Auge  unterscheidet  keine  Grenze  zwischen  jener  Masse  und  der  äufsern  allerdings 
helh  in  Bekleidung.  Beides  scheint  nur  eins,  und  erst  am  dritten  Tage  wird  eine 
bekleideude  Schicht  abtrennbar.  Man  kann  daher  die  ganzen  Rücken  platten  als 
Wucherungen  des  serösen  Blattes  betrachten  *). 

*)  Panders  Benennungen:  seröses  Blatt  und  Gefäfsblatt,  sind  nicht  recht  passend.  Indessen 
habe  ich  den  Namen  nicht  verändern  wollen  ,  theils  weil  die  Pa  nder  'sehen  Benennungen  der 
Schichten  des  Keimes  allgemeinen  Eingang  gefunden  haben,  und  eine  Unterscheidung  der 
Schichten  in  der  Keimhaut  ein  Wendepunkt  in  dem  Studium  der  Entwickelungsgeschichte  ge- 
worden sind  und  den  spätem  Forschungen  das  wahre  Licht  angezündet  haben,  theils  weil  ich 
noch  keine  ganz  conseqnent  durchgeführte  zu  geben  weifs.  Das  Wesentliche  in  der  Schichtung 
scheint  mir  nur  in  der  Vorbereitung  zu  künftigen  Bildungen  zu  bestehen.  Wie  nämlich  aus 
dem  weitern  Verlaufe  der  Darstellung  erhellen  wird,  tritt  beim  Uebergange  des  zweiten  Tages 
in  den  dritten  eine  Spaltung  des  Embryo  und  der  Keimhaut  in  einen  animalischen  und  einen 
plastischen  Theil  auf  (§.  5.C.).  Wenn  die  Spaltung  erfolgt  ist,  hat  jede  Lage  2  Schichten,  in  der 
untern  Lage  ist  ein  Schleimblatt  und  ein  Gefäfsblatt,  jedes  von  eigentümlicher  Organisation. 
In  der  obern  La°e  sind  auch  zwei  Schichten,  die  im  Embryo  deutlich  zu  unterscheiden  sind 
(§  ebend.)  als  zukünftige  Haut  und  der  animalische  Theil  des  Leibes.  Es  ist  aber  nicht  mög- 
lich zu  bestimmen  ,  ob  die  letztere  Schicht  in  die  Keimhaut  übergeht  oder  nicht.  Gesondert 
ist  sie  in  der  letztem  nicht,  sie  scheint  aber  in  die  untere  Begrenzung  der  obern  Lage  überzu- 
gehen.   Früher  lassen  sich  (im  Verlaufe  des  zweiten  Tages)  beide  Lagen  durch  künstliche  Tren- 


21 
Fassen  wir  alles,  was  von  der  Entwickelune  am  ersten  Tage  gesagt  ist,  in  "■  AiJgemei- 

.       ■,         „,  .      .  "er     Chara- 

einen  allgemeinen  Ausdruck  zusammen,  so  finden  wir  das  Characteristische  die-  cterderEnt- 
ser  ersten  Bddung  in  einen  bis  jetzt  nur  noch  am  vordem  Ende  begrenzten  Hervor-  ™™  ee""t«i 
wachsen  aus  dem  Keime,   wodurch  dieser  in  einen  Embryo  und  eine  Keimhaut  TaKe- 
sich  scheidet. 

Der  Stoff  für  das  Wachsthum  des  Embryo  kann  jetzt  wohl  nur  von  der  un-  "•  1Jer  Nfh- 

...  11  rungsstnß 

tem  Fläche  kommen,  wo  sich  eine  Flüssigkeit  aus  dem  Dotter  angesammelt  hat.  kommt  vo«. 
Dafs  der  Dotter  selbst  wieder  Stoff  aus  dem  Eiweil's  angezogen  hat,  scheint  mir 
nicht  zu  bezweifeln;  denn>  wenn  auch  der  Dotter  jetzt  noch  nicht  augenschein- 
lich gewachsen  ist,  so  ist  doch  die  Zunahme  desselben  in  den  folgenden  Tagen 
nicht  zu  verkennen.  Sehr  deutlich  ist  aber  jetzt  schon  die  Abnahme  desEiweifse» 
und  wohl  gröfser,  als  sie  durch  die  blofse  Verdunstung  seyu  könnte,  wie  man 
daraussieht,  dafs  sie  in  solchen  Eiern ,  die  keinen  Embryo  enthalten,  unbedeu- 
tend ist.  Besonders  ist  das  Eiweil's  über  dem  nach  oben  gewölbten  Fruchthofe 
zurück  gewichen. 

§.    2.  - 

Zweiter      Tag, 

Wenn  wir  die  Erzählung  der  Bildungen  des  ersten  Tages  damit  schlössen,  ^Air^"a- 
dafs  sie  im  Wesentlichen  auf  einem  Hervorwachsen  des  Fötus  aus  den  Ursprung-  cterderVer- 
licheu  Theilen  der  Dotterkugel  beruhen  (§.  1.  u.),  so  wollen  wir  den  Bericht  über  am    „,.i|Pn 
den  zweiten  Tag  mit  der  Bemerkung  beginnen,   dafs  in  ihm  die  Isolirung  des  Fö-  '  a?e- 
tus  aus  den  Theilen  der  Dotterkugel  auch  durch  Abgrenzung  des  Zusammenhan- 
ges immer  mehr  hervortritt,  welche  für  die  vordere  Hälfte  des  Körpers  schon  eine 
Abschnürung  wird ,    und  dafs ,  so  wie  anfänglich  aus  dem  Stamme  der  Wirbel- 
säule nur  eine  Entwickelung  von  der  Seite  nach  oben  bemerkt  wurde,    um  eine 
Höhle  für  die  Centrallheile  des  Nervensystems  zu  umschliefsen ,    nun  auch  eine 
Entwickelung  aus  derselben  von  der  Seite  nach  unten  hervortritt,    um  eine  Höhle 
für  die  plastischen  Organe  zu  bilden ,    und  somit  der  allgemeine  morphologische 
Character  des  animalischen  Theiles  vom  Wirbellhiere  vollständig  wird.       Wir 
schickeu  diese  Bemerkung  voran ,    weil  nur  nach  dieser  Ansicht  die  Vorgänge  in 
der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Tages,    die  alle  auf  den  bezeichneten  Metamorpho- 


nung  in  der  Keimhaut  unterscheiden.  Allein  am  ersten  Tage  ist  eigentlich  nur  eine  obera 
glatte,  und  untere  körnige  Begrenzung.  Dazwischen  ist  Etwas  ,  das  kein  continuirlicb.es  Blatt 
für  sich  ist.  Auch  ist  es  zu  viel ,  um  es  allein  auf  das  künftige  Gefäfsblatt  zu  beziehen,  wenn 
auch  allerdings  in  ihm  das  Blut  sich  bildet. 


£2 

scn  beruhen,  deutlich  dargestellt  werden  können.    In  der  zweiten  Hälfte  des  zwei- 
ten Tages  uehen  sie  zwar  noch  fort,   allein  sie  werden  mehr  verdeckt  durch  Ent- 
wicklung eines  Hauptgegensatzes  in  dem  nunmehr  selbstständig  gewordenen  Fö- 
tus, in  der  Entwicklung  des  Nerven-  und  Blutsystems. 
b.  Verwach-  Zuvörderst  betrachten  wir  die  Weiterbildung  dessen,  was  am  vorigen  Ta- 

ckenpiauen"  ge  schon  begonnen  war,  die  Bildung  des  Kückens  und  der  in  ihm  enthaltenen 
Höhle.  Nachdem  die  Aneinanderlegung  der  Rückenplatten  mit  geraden ,  nicht 
gebuchteten  Rändern  bewirkt  ist,  erfolgt  die  Verwachsung  derselben.  Sie  ist  am 
Anfange  dieses  Tages  so  zart,  dafs  die  leiseste  Berührung  mit  der  Nadelspitze  sie 
trennt,  ja  die  Contraction,  welche  die  Rückenplatten  durch  kaltes  Wasser  erfah- 
ren sie  zerreifst ,  und  die  wenigstens  in  einem  Theile  der  Länge  bestehende  Ver- 
bindung unter  den  Augen  des  Beobachters  sich  löst. 

Die  Verwachsung  tritt  - -zuerst  hinter  dem  künftigen  Kopfe  auf,  und 
verbreitet  sich  von  da  ziemlich  rasch  nach  vorn  und  hinten.  Nur  in  der 
Gegend  des  künftigen  Kreuzbeins  klaffen  die  Dorsalplatten  einige  Zeit  von  ein- 
ander, und  bei  flüchtiger  Untersuchung  scheint  es,  als  ob  sie  sich  hier  wäh- 
rend des  ganzen  zweiten  Tages  nicht  erreichten,  indem  die  dunkeln  Streifen, 
welche  die  Rückenplatten  ihrer  Dicke  wegen  jetzt  bilden,  hier  noch  am  Ende 
des  zweiten  Tages  aus  einander  laufen.  Indessen  zeigt  die  Untersuchung  mit  der 
Sonde ,  dafs  dennoch  um  diese  Zeit  eine  Verwachsung  erfolgt  ist ,  dafs  nur  die 
Grundflächen  der  Rückenplatten  hier  weiter  von  einander  stehen ,  die  obern  Kan- 
ten sich  dagegen  stärker  umgebogen  und  einander  erreicht  haben,  ihrer  Durch- 
sichtigkeit wegen  aber  nicht  sogleich  erkannt  werden.  Es  bleibt  also  der  Kanal 
für  das  Rückenmark  *) ,  der  eben  durch  die  Verwachsung  der  Rückenplatten  er- 
zeugt wird ,  in  der  Kreuzgegend  eine  Zeitlang  offen ,  schliefst  sich  aber  dann,  be- 
hält jedoch  eine  breite  Grundfläche, 
c    Vermehr  Während  der  Verwachsung  der  Rückenplatten  nimmt  die  Zahl  der  Wir- 

wi'rW  e'  belrudimente  zu,  und  da  die  neuen  Wirbel  sowohl  vor  als  hinter  den  frühern  sich 
ansetzen,  so  ist  es  eben  nicht  leicht,  die  Gegend  zu  bestimmen ,  in  welcher  die 
ersten  Wirbelrudimente  sich  gezeigt  haben,  da  man,  wenn  sich  eine  vermehrte 
Zahl  von  Wirbeln  zeigt ,  nicht  einmal  bestimmen  kann ,  wie  viele  sich  vor,  und 
wieviele  sich  hinter  den  frühesten  angesetzt  haben.  Zwar  liegen  um  die  30ste 
Stunde  die  vordersten  Wirbelrudimente  ziemlich  dicht  hinter  der  Gegend ,  wo  das 
Schleimblatt  sich  umbeugt,    allein  abgesehen  davon,    dafs  diese  Stelle  selbst  in 


*}  Dieser  Kanal  ist  zugleich  der  Kanal  im  Innern  des  künftigen  Rückenmarkes. 


33 

der  Wirbelsäule  in  Ermangelung  vieler  andern  Theile  sich  schwer  bestimmen 
läfst,  so  ist  es  auch  offenbar,  dafs  innerhalb  der  Wirbelsäule  der  Raum  vor  den 
ersten  Wirbeln  bedeutend  anwächst.  So  viel  ist  aber  gewifs,  dafs  weit  mehr  Wir- 
bel hinter  als  vor  den  ersten  sich  erzengen.  Die  Wirbel  werden  immer  deutlicher 
viereckig  und  zwischen  ihnen  die  hellen  Stellen  bandförmig,  nur  die  ersten  und 
letzten  Wirbel  sind  noch  unregelmäfsig.  In  der  Mitte  des  zweiten  Tages  sind 
1 0  bis  1 2  Wirbel  da. 

Schon  wenn  die  Verwachsung  der  Rückenplatten  im  vordem  Theile  des  *  SdbMel- 

.  i    •      i  •  rrii     •!      un"  Wirbel- 

Rückens  erfolgt,  ist  der  eingeschlossene  Kanal  etwas  weiter,  als  im  luntern  1  heile,  hoble. 

so  dafs  man  deutlicher  und  etwas  weiter  von  einander  stehend  die  zwei  Schatten 
sieht,  welche  die  innere  Höhlung  dieses  Kauais  zeigt.  Diese  Erweiterung  ist  die 
erste  Andeutung  der  Schädelhöhle,  und  ragt  mit  ihrer  hintern  Spitze  bis  über  die 
Stelle,  wo  die  Umbeugung  des  Schleimblattes  sich  um  die  30ste  Stunde  befindet. 
Inder  3  6sten  Stunde  reichen  beide  gleich  weit  nach  hinten,  iudem  die  Schädel- 
höhle durch  die  fortgehende  Umbeugung  der  Rückenplatten  mehr  nach  vorn  rückt. 
Die  Schädelhöhle  hat  im  ersten  Auftreten  noch  keine  Einschnürungen  und  Erwei- 
terungen, bis  auf  das  vorderste  Ende,  welches  sehr  früh^'und  wenn  nicht  zu- 
gleich mit  dem  Schlüsse  der  Rückenplatten ,  doch  gleich  nach  demselben ,  eine 
ganz  kleine  rundliche  Höhle  bildet,  die  kaum  den  6ten  Theil  einer  Linie  im 
Durchmesser  haben  kann ,  so  dafs  die  gesammte  Höhle  für  den  Centraltheil  des 
Nervensystems  einen  hohlen  Raum  bildet,  der  eben  so,  wie  die  Rückensaite  ,  die 
Gestalt  einer  Nadel  hat,  nur  weiter  ist,  als  die  Rückensaite.  Sehr  bald,  und 
zwar  schon  um  die  SOste  Stunde,  vergröfsert  sich  die  vorderste  Höhlung  auf  eine 
sogleich  näher  zu  beschreibende  Weise ,  und  hinter  ihr  entsteht  eine  zweite  Er- 
weiterung für  die  Vierhügel,  hinter  dieser  eine  dritte  sehr  viel  längere  für  das 
verlängerte  Mark.  Diese  letzte  Zelle  hat  selbst  wieder  geschlängelte  Wandungen, 
so  dafs  man  in  ihr  eine  gewisse  Unbestimmtheit  der  Bildung ,  oder  eine  Neigung, 
in  mehrere  Zellen  zu  verfallen,  erkennt.  Besonders  ist  eine  Einschnürung  ziem- 
lich deutlich,  welche  den  Raum  in  eine  vordere  kürzere  rundliche,  und  eine  hin- 
tere längere  engere  Abtheilung  einigermaafsen  trennt.  Diese  Einschnürung  ist 
bald  mehr  bald  weniger  früh  bemerkbar,  bildet  sich  aber  nicht  weiter  aus.  Da- 
her kommt  es,  dafs  die  Beobachter  bald  3,  bald  4  Hirnzellen  auftreten  lassen. 
Die  vorderste  dieser  Zellen,  oder  diejenige,  welche  die  früheste  war,  umschlielst 
in  späterer  Zeit  die  Schenkel  des  grofsen  Hirns  und  die  Sehhügel.  Die  eftge  ru;. 
de  Gestalt,  welche  sie  im  ersten  Erscheinen  hat,  verändert  sie  schon  um  die 
dreifsigste  Stunde,  indem  sie  im  hintern  Theile  ihres  Unifanges  sich  erweitert 
hat,  uud  nach  vorn  sich  etwas  zuspitzt.      Diese  seitliche  Ausdehnung  des  hintern 


24 

Theils  nimmt  ziemlich  rasch  zu  und  treibt  zu  beiden  Seiten  rundliche  Erhöhun- 
gen hervor,  —  die  ersten  Anfänge  der  Augen.  Um  die  33ste  Stunde  hat  das 
vordere  Ende  des  Embryo  sehr  viel  Aehnlichkeit  mit  dem  Kopfe  einer  Fliege ,  in- 
dem die  vordere  Zelle  nach  hinten  sich  stark  erweitert  hat,  nach  vorn  aber  ver- 
engt ist.  Auf  dem  Vorderende  selbst  sind  kleine  Vorragungen,  welche  man,  nach 
der  Ansicht  von  oben,  für  Spitzen  halten  könnte.  Es  sind  aber  vielmehr  Leisten, 
wie  man  erkennt,  wenn  man  das  umgebogene  Vorderende  an  seiner  vordem  Flä- 
che betrachtet.  Um  die  86ste  Stunde  sind  diese  Leisten  stark  vorspringend,  auch 
erkennt  man  um  diese  Stunde  die  Augen  sehr  bestimmt  als  solche.  Sie  sind  ein 
wenig  nach  unten  gerückt.  Wenn  mau  nämlich  das  Vorderende  etwas  auf  die 
Seite  dreht,  bemerkt  man  nach  unten  eine  seilliche  Vorragung.  Dreht  man  den 
Kopf  ganz  auf  die  Seite,  so  sieht  man  in  dieser  Gegend  eine  helle  Kreisfläche,  uni- 
seben von  einer  dunklern  Kreislinie.  Der  Kreis  seihst  ist  so  hell,  dafs  man  durch 
ihn  und  durch  den  ganzen  Kopf  wie  durch  Wasser  sehen  kann  ,  wenn  beide  Au- 
genrudimente in  der  Achse  des  Beobachters  liegen,  während  die  übrige  Seiten- 
fläche des  Vorderendes  schon  einige  Uudurchsichtigkeit  hat.  Die  Augen  sind  also 
seitliche  Hervortreibungen  der  hintern  Region  der  vordem  Hirnzelle.  Ich  habe 
nicht  finden  können,  dafs  diese  Stelle  vorher  in  dem  Kopfende  der  Rückenplatten 
angedeutet  oder  vorgebildet  wäre,  vielmehr  mufs  ich  glauben,  dafs  die  Augen 
aus  dem  Iunern  der  Hirnzelle  hervorgetrieben  wurden,  und  nur  ihre  äufsere  ver- 
dünnte W  ölbung  der  ursprünglichen  Seitenwand  des  Kopfendes  angehörte. 
e.  Inhalt  der  -yyas  jsl  nun  a]Jer  t]as  Hervortreibeude ?-    Diese  Fräse  führt  uns  noth wendig 

Schädel  - 

und  Wirbel-  aur  eine  andere.  Was  ist  im  Kanal  für  Hirn  und  Rückenmark,  und  wann  und 
wie  treten  die  Ceutraltheile  des  Nervensystems  auf?  Ich  habe  schon  früher  be- 
merkt ,  dafs  ich  gewifs  bin ,  sie  seyen  noch  nicht  da ,  wenn  die  Rückenplatten 
sich  der  Verwachsung  nähern.  Dieselbe  Beobachtung  habe  ich  auch  in  Frosch- 
eiern gemacht,  die  ich  in  Salpetersäure  erhärtet  hatte.  Läge  liier  ein  Rücken- 
mark offen  da ,  es  könnte  auf  dem  dunklen  Grunde  der  schwarzbraunen  Rücken- 
furche,  da  das  Eiweifs  durch  die  Salpetersäure  verzehrt  wird,  schwerlich  der 
Untersuchung  entgehen.  Ich  glaube  aber  auch  mit  Sicherheit  behaupten  zu  kön- 
nen, dafs  Rückenmark  und  Hirn  noch  nicht  angeschossen  sind ,  wenn  die  Rük- 
kenplatten  des  Hühnchens  erst  kürzlich  verwachsen  sind;  denn,  wenn  man  die 
Verwachsung  mit  einer  feinen  Nadel  trennt,  erscheint  der  Inhalt  des  eingeschlos- 
senen Kanals  völlig  hell,  und  auch  die  innere  Fläche  der  Wände  ist  hell.  Selbst 
wenn  die  Hirnzellen  auftreten ,  enthalten  sie  noch  gar  keine  feste  Nervenmasse. 
Es  mufs  aber  doch  etwas  da  seyn ,  was  sie  aus  einander  treibt.  Wenn  man  den 
Bücken  eines  Fötus  aus  dieser  Periode  unter  Wasser  öffnet,  so  tritt  keine  Luft- 
blase 


25 

blase  hervor,  auch  findet  man,  dafs  die  Hirnblasen  im  kalten  Wasser  nur  wenig 
zusammenfallen.  Man  sieht  hieraus ,  dafs  weder  Luft  noch  ein  blofser  Dunst  im 
Iiückenkanale  und  den  Hirnzellen  sich  fiudet,  sondern  eine  tropf hare,  durchsich- 
tige Flüssigkeit.  Spater,  wenn  das  Hirn  schon  gebildet ,  aber  noch  sehr  hohl  ist, 
läfsi  sich  in  ihm  eine  Quantität  Flüssigkeit  sehr  leicht  und  bestimmt  erkennen ,  und 
es  ist  wohl  keine  Frage,  dafs  diese  früher  die  ganze  Höhlung  ausfüllte.  Statt  des 
Hirns  und  Rückenmarkes  ist  also  ursprünglich  nur  eine  Flüssigkeit  da.  Der  erste 
Anfang  vom  Auftreten  des  Auges  wird  auch  nur  von  ihr  bewirkt.  Sie  ist  die  Vor- 
läuferinn  der  Centraltheile  des  Nervensystems ,  und  als  solche  war  Site  schon  bei 
Erhebung  der  Rückenplatte  vorhanden.  Gegen  die  Mitte  des  zweiten  Tages  wird 
Hirn  und  Rückenmark  erkennbar.  Unter  welchen  Formen  es  geschieht,  soll  an- 
gegeben werden,  wenn  wir  auch  die  übrigen  Veränderungen  bis  zu  dieser  Zeit 
verfolgt  haben  werden. 

Die  Bildung  des  Gesichtstheils  vom  Kopfe  scheint  durch  das  Hervortreten  j.  Gesicht. 
der  Augen  veranlafst  zu  werden.  Das  Auge  bezeichnet  die  Grenze  zwischen  Schä- 
del und  Gesicht.  Zugleich  aber  zeigt  sich  eine  Masse  hinter  dem  Auge,  die  nicht 
unmittelbar  zu  dem  Kopftheüe  der  Rüclcenplatten  gehört ,  sondern ,  —  da  auf  der 
untern  Fläche  Kopf  und  Rumpf  (mit  Inbegriff  des  Halses)  noch  durch  gar  nichts 
unterschieden  werden,  denn  noch  fehlt  die  MundöfFnung,  —  das  vorderste  Ende 
der  Bauchplatten  zu  seyn  scheint. 

Die  Bauchplatten  aber  sind  es ,   von  welchen  wir  schon  oben  bemerkten,     g.  Baucli 
dafs  sie  nach  unten  eben  so  (§.  2. «.)  zu  einer  Höhle  unter  der  Wirbelsäule  sich  p  at,en 
verbinden,  wie  es  oben  die  Rückenplatten  thun,  jedoch  geht  jenes  Schliefen  sehr 
viel  langsamer  vor  sich,    und  wird  im  Grunde  nur  mit  dem  Ende  der  Bebrütung 
vollständig  bewirkt.     Da  die  Metamorphose  der  Bauchplatten  nicht  in  ihrer  gan- 
zen Länge  gleichzeitig  ist,    so  kommt  es  vor  allen  Dingen  darauf  an,    von  den 
Bauchplatten  überhaupt  eine  Vorstellung  zu  gewinnen.      Man  sieht  in  der  Mitte 
des  zweiten  Tages  in  der  hintern  nicht  geschlossenen  Hälfte  des  Embryo  zu  bei- 
den Seiten  der  Rückenplatten  in  der  Keimhaut  ein  Paar  breite  dunkle  Bänder, 
welche  parallel  mit  der  Wirbelsäule  herablaufen.     Durch  eine  helle  Linie  sind  sie 
von  den  Rückenplatten  und  durch  eine  andere  nach  aulsen  von  der  nicht  veränder- 
ten Keimhaut  getrennt;      Sie  liegen  hiej  hinten  noch  innerhalb  der  allgemeinen 
Wölbung,   welche  der  Fruchthof  um  diese  Zeit  bildet,    und  bestehen  aus  einer 
verhältnifsmäfsig  festen  und  halb  durchsichtigen  Masse ,  welche  eng  an  dem  serö- 
sen Blatte  anhängt,   und  aus  diesem  gleichsam  herausgewachsen  scheint,  gerade 
wie  früher  die  Rückenplatten.     Verfolgt  man  diese  Platten  nach  vorn,    wo  schon 
der  vordere  Theil  des  Leibes  geschlossen  ist  (§.  l.o.  §.  2.£.)>    so  bemerkt  man, 

D 


26 

dafs  die  Baucliplalten  hier  iu  den  geschlossenen  Theil  hineingehen  und  die  Seilen- 
wand bilden.  Sie  reichen  bis  zum  Knopf  der  Rückensaite.  Wolft' schon  hat 
ihnen  den  passenden  Namen  Baucliplatten  (Laminae  abdominales)  *)  gegeben,  al- 
lein P  ander  hat  diese  Benennung  mit  dem  Ausdrucke  Bauchfalten  (Plicae  abdo- 
minales) vertauscht,  und  setzt  ihre  Entstehung  an  den  Schlufs  des  zweiten  Tages. 
Allerdings  krümmen  sie  sich  um  diese  Zeit  nach  unten,  und  bilden  dadurch  eine 
Faltung  in  der  Keimhaut,  allein  es  ist  keinem  Zweifel  unterworfen,  dafs  sie  schon 
viel  früher  in  der  Ebene  der  Keimhaut  kenntlich  sind,  und  sobald  der  vordere 
Theil  des  Embryo  von  unten  umschlossen  ist,  zeigen Queerschnitte  desselben,  dafs 
die  Seitenwände  aus  zwei  ansehnlich  dicken  Platten  gebildet  werden.  Sie  sind  also 
im  Vorderende  schon  am  Anfang  des  zweiten  Tages,  weiter  nach  hinten  etwas 
später  kenntlich,  ja  im  Grunde  schon  am  Ende  des  ersten  Tages  angelegt,  aber 
noch  nicht  von  der  übrigen  Keimhau!  abgegrenzt.  (§.  l.s.) 
h.    Ko»f-  Um  die  Schlielsung  des  andern  Leibesendes  genauer  zu  beschreiben,  keh- 

laPPe-  ri.n  wjr  zulll  Ende  des  ersten  Tages  zurück,   und  erinnern  nur,    dafs  die  Rücken- 

saite oder  der  Stamm  der  Wirbelsäule  am  vordersten  Ende  sich  nach  unten  ge- 
krümmt hatte,  und  die  Linbeugung  des  Keimblattes  eine  ganz  kurze  Strecke  sich 
hinter  den  Knopf  der  IlückensaiLe  zog  (§.  I/o.  Fig.  III.).  Mit  dem  Beginnen  des 
zweiten  Tages  rückt  diese  Umbeugung  immer  weiter  nach  hinten ,  und  so  wird 
denn  der  Embryo  immer  weiter  von  unten  geschlossen  und  bekommt  in  seinem 
vordem  Ende  eine  stets  wachsende,  vom  Schleimblatte  ausgekleidete  Höhle. 
(Fig.  IV.) 

Zugleich  mufs  der  Theil  der  Keimhaut,  welcher  von  der  Umbeugung  nach 
vorn  verläuft,  um  in  die  übrige  Fläche  der  Keimhaut  überzugehen,  das  Vorder- 
ende des  Kopfes  verdecken,  wenn  man  es  von  unten  betrachten  will.  Wir  nen- 
nen diesen  Theil  die  Kopfkappe  (Fig.  IV.  p  r)..  Es  wird  aus  der  Darstellung  so- 
wohl als  aus  der  Ansicht  der  Abbildung  allgemein  verständlich  seyu,  dafs  die 
Kopfkappe  nichts  Selbslständigcs,  sondern  ein  unmittelbarer  Theil  der  Keim- 
haut ist. 
;.  Eiste  Sobald  mit  dem  Finde  des  ersten  Tages  die  Anlage  der  Kopfkappe  entsteht, 

devBUiter  wird  in  ihr  auch  schon  eine  Trennung  der  Blätter  der  Keimhaut  angedeutet.  In 
der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Tages  geht  diese  Trennung  rasch  vorwärts,  so  dafs 
um  die  Mitte  desselben  das  obere  oder  seröse,  im  Umschlage  also  das  vordere,  Blatt 
um  eine  halbe  Linie  vom  Schleimblalle  absteht.     Die  Trennung  verliert  sich  auch 


*)  Da  sie  aber  die  ganze  Länge  der  unter«  Fläche  einnehmen,  was  Wolff  nicht  erkannte,    so  sollte 
man  sie  lateinisch  Laminae  ventrales  nennen. 


27 

nie  wieder,  denn  es  wird  hier,  da  die  Abschnürung  nicht  blols  von  vorn  nach 
hinten,  sondern  auch  zugleich  von  der  Seife  im  Vorderende  des  Körpers  erfolgt, 
der  körnige  Inhalt  des  Gefäfsblaltes  von  beiden  Seiten  zusammengeschoben,  wo- 
durch schon  das  seröse  Blatt  vom  Schleimblatte  entfernt  geludten  werden  mufs. 
Eine  unmittelbare  Folge  davon  ist,  dafs  die  Kopf  kappe  in  der  Mitte  des  zweiten 
Tages  in  ihrem  serösen  Blatte  viel  kürzer  ist,  als  im  Gefäl's-  und  Schleimblatte. 
(Fig.  IV.) 

Das  Zurückweichen  des  Umschlages  der  Keimhaut  ist  der  Anfang  der  Ab-  k.  Bildung 
schnürung  des  Embryo  von  der  übrigen  Keimhaut,  welche  wir  am  dritten  Tage  d"ievneden 
allgemein  im  ganzen  Umfange  finden  werden.  Da  sie  vorn  zuerst  auftritt ,  so  er-  HöhIe- 
hält  der  Embryo  auch  im  vordem  Ende  zuerst  eine  Höhlung.  Diese  Höhlung  (dg) 
ist  unmittelbar  durch  das  Schleimblatt  von  allen  Seiten  gebildet,  denn  das  Schleim- 
blatt ist  die  unterste  Schicht  im  Rudiment  des  Embryo ,  und  die  oberste  im  um- 
geschlagenen Theile  der  Keimhaut.  Die  Höhlung  selbst  ist  noch  sehr  weit,  und 
reicht  vorn  an  die  Unibeugung  der  Wirbelsaule,  welche  den  Boden  der  Höhlung 
Lüdet.  Sie  ist  also  hier  in  Form  eines  Blindsackes  geschlossen.  Nach  hinten  geht 
sie  durch  eine  ansehnliche  runde,  offene  Mündung  (wo  der  Umschlag  aufhört) 
in  den  Raum  über,  in  welchem  der  Dotter  liegt.  Offenbar  ist  diese  Höhlung  der 
vorderste  Theil  des  werdenden  Speüekanals ,  und  mit  diesem  unbestimmten  Na- 
men wollen  wir  ihn  vorläufig  belegen ,  da  noch  keine  Abtheilungen  in  ihm  sich 
gebildet  haben ,  um  sie  als  Rachenhöhle ,  Speiseröhre  oder  dergl.  zu  unterschei- 
den, obgleich  der  umgebogene  Theil  der  Wirbelsäule  sich  als  Decke  der  Rachen- 
höhle schon  jetzt  characterisirt.  Das  offene  Ende  der  vordem  Höhlung  (Fig.  III. 
IX. g)  nennen  wir  den  vordem  Eingang  in  den  Speiselanal.  Die  Wolff'sche  Be- 
nennung Fovea  cardiaca,  welche  Me ekel  bald  Magengrube,  bald  Herzgrube 
übersetzt,  mufs  durchaus  vermieden  werden.  Sie  hat  gewifs  zu  dem  schweren 
Verständnisse  der  Wol  ff  sehen  Arbeit  sehr  wesentlich  beigetragen.  Denn  wie 
soll  man  es  verstehen ,  dafs  die  Fovea  cardiaca  bald  in  die  Speiseröhre,  bald  in 
den  Magen,  dann  in  den  Darm,  oder  gar  in  (he  Darmrinne  Wol  ff 's,  d.  h.  in  die 
Lücke  zwischen  den  Blättern  des  Gekröses  führen  soll,  abgesehen  davon,  dafs  die 
letztere  Angabe  nicht  ganz  richtig  ist  ? 

Indem  sich  nun  der  vordere  Theü  des  Speisekanals  bildet ,  sieht  mau  schon 
an  den  Seitenwäuden  desselben  die  vordem  Enden  der  so  eben  beschriebenen 
Bauchplatten.  Am  Knopf  der  Rückensaite  stofsen  sie  unter  sich  zusammen,  wei- 
ter nach  hinten  aber  stehen  ihre  untern  Ränder  von  einander  ab,  und  die  Lücke 
ist  also  blofs  von  der  zurückgezogenen  Keimhaut  (§.  1.  o.)  ausgefüllt.  In  der  Ge- 
gend des  Unischlages  gehen  die  Bauchplatten  noch  mehr  aus  einander,    und  ihr 

D  2 


28 

hinterer  Theil  liegt,  wie  bemerkt  wurde,  nur  schwach  ausgebildet  in  der  Ebene 
des  Keimblattes.     » 
i.  Anlage  Wir  erwähnten ,  dafs  durch  das  Abscheuren  der  vordem  Hälfte  des  Leibes 

dangT™  '  und  das  damit  verbundene  Zusammenrücken  der  vordem  Enden  der  Bauchplatten, 
(denn  dafs  auch  diese  ursprünglich  ziemlich  horizontal  gelegen  haben,  versteht  sich 
von  selbst,  und  ist  auch  in  den  ersten  Stunden  des  zweiten  Tages  kenntlich,) 
indem  der  körnige  Inhalt  der  Gefäfsschicht  aus  dieser  Gegend  zusammengedrängt 
wird.  Es  zeigt  sich  nämlich  zwischen  dem  serösen  und  dem  Schleimblatte  schon 
am  Ende  des  ersten  Tages  eine  dunkle,  körnige  Masse,  die  in  2  seitliche  Schen- 
kel nach  hinten  in  die  Seilenränder  der  Kopfkappe  ausläuft.  Beide  Schenkel 
sind  nach  vorn  durch  einen  ganz  dünnen  Faden  verbunden.  Während  der  ersten 
Hälfte  des  zweiten  Tages  rücken  beide  Schenkel  immer  mehr  zusammen,  wodurch 
allniählig  eine  dunkle  Masse  in  Form  eines  umgekehrten  \  sich  bildet.  Sie  hat 
nämlich,  da  die  Schenkel  von  vorn  nach  hinten  zusammengeschoben  werden ,  ei- 
nen vordem  gemeinschaftlichen  Stamm  und  hinten  zwei  Schenkel,  und  ist  der 
Stoff,  aus  dem  sich  das  Herz  bilden  soll.  Der  Stolf ,  sage  ich,  denn  noch  kön- 
nen wir  ihn  nicht  das  Herz  selbst  nennen,  da  er  weder  scharf  begrenzt,  noch  hohl, 
sondern  eine  Körnerinasso  von  zäher  Consistenz  ist,  welche  ihrer  Dicke  wegen 
etwas  nach  unten  vorragt. 

Um  die  Mitte  des  zweiten  Tages  nun  wird  die  beschriebene  Masse  hell  und 
im  Innern  flüssig ,  während  die  äufsere  Fläche  sich  zu  einer  Wandung  umformt. 
So  entsteht  das  Herz,  indem  diese  Masse  sich  in  flüssiges  Blut  verwandelt,  wäh- 
rend gleichzeitig  oder  ganz  kurz  vorher  im  flüssigen  Inhalte  des  Rückenkanals  sich 
die  feste  Nervenmasse  von  Hirn  und  Rückenmark  zu  sondern  angefangen  hat. 
Die  beiden  wichtigen  Momente  der  Blut- und  Nervensystem -Bildung  haben  wir 
nun  näher  ins  Auge  zu  fassen. 
m.  Hirn  und  Kurz  vor  der  Mitte  des  zweiten  Tages  sieht  man  zuerst  an  der  innern  Flä- 

m'ark?"  che  der  Rückenplalten  ,  die  vor  wenigen  Stunden  einen  geschlossenen  Kanal  mit 
mehreren  Zellen  im  vordem  Theile  desselben  gebildet  haben ,  eine  trübe  Abson- 
derung. Diese  Absonderung  enthält  ansehnliche,  ziemlich  dunkle  Körnchen,  die 
durch  eine  helle  zähe  Masse  verbunden  werden,  und  sieht  aus  wie  ein  mit  dem 
Pinsel  aufgetragener  Ueberzug,  welche*,  mit  der  innern  Fläche  der  Rückenplatteu 
sehr  fest  verbunden  ist.  Er  ist  zu  weich,  um  ihn  ein  wahres  Blatt  zu  nennen. 
In  der  2ten  Hälfte  des  2ten  Tages  bildet  der  Niederschlag  mehr  ein  Continuum  und 
kann  den  Namen  eines  Blattes  erhalten.  Man  erkennt  das  Blatt  beim  OeiFnen  des 
Rückenkanals  als  eng  an  der  Wand  desselben  anliegend.  Auch  im  senkrechten 
Durchschnitte  ist  das  Blatt  kenntlich,  —  allein  es  ist  noch  so  dünn,   dafs  bei  un- 


£9 


als  ein  geschlossener 
Wandung  des  Kanals  sehr  dünne 


geöffnetem  Fötus  der  Rückenkanal  blofse  Flüssigkeit  zu  enthalten  scheint.  Lälsl 
man  den  Embryo  einige  Stunden  in  kaltem  Wasser  liegen,  so  wird  diese  Körner- 
schicht weit  deutlicher,  und  man  erkennt  nun,  namentlich  in  den  Hirnzellen, 
auch  von  aufsen  eine  dunkle ,  körnige  Bekleidung,  die  ganz  das  Ansehn  von  matt 
geschliffenem  Glase  hat. 

Viel  habe  ich  mich  mit  dor  Frage  beschäftigt,  ob  diese  erste  Anlage  de* 
Centraltheils  vom  Nervensysteme  aus  zwei  von  einander  gesonderten  Blättern  be- 
steht, welche  erst  später  unter  sich  verwachsen,  oder  nicht.  Ich  mufs  mich  ge- 
gen die  gewöhnliche  Meinung  erklären.  Oft  habe  ich  nämlich  aus  Queerschnitten 
von  Embryonen  der  2ten  Hälfte  des  zweiten  Tages,  und  noch  öfter  aus  dreilägi- 
gen  Embryonen  das  zarte  Rückenmark  herausgenommen,  und  wenn  dieses  ohne 
Quetschung  und  Zerreifsung  gelungen  war,    zeigte  sich  das  Rückenmark  immei 

seillich  zusammengedrückter  Kanal.       Nach  oben  ist  die 
,    eben  so  auch  ursprünglich  nach  unten,    wo  sie 
jedoch  bald  an  Dicke  zunimmt.     An  den  Seiten  ist  die  Wand  aber  dicker,  dunk- 
ler, körnerreicher,  und  diese  vorherrschende  Dicke  der  Seiten  nimmt  immer  zu. 
so  dafs  man  allenfalls  sagen  könnte,   der  hohle  Cylinder  bestünde  aus  zwei  ur- 
sprünglich vereinigten  Hälften,    die  wir  in  Zukunft  mit  dem  Namen  der  Blätter 
des  Rückenmarks  belegen  werden.     Die  Marklage,   welche  die  Hirnzellen  im  In- 
nern bekleidet,   scheint  bei  erster  Ansicht  wirklich  während  des  zweiten  Tages 
nach  oben  gefheilt  zu  sevn,    weil  die  Wandung  der  Zellen,    von  oben  angesehen, 
ganz  durchsichtig  ist;    diese  Ansicht  gewinnt  dadurch  noch  an  Augenscheinlich- 
keit,   dafs  in  der  Mittellinie  der  oberu  Wölbung  ein  zarter,    dunkler  Strich  ver- 
läuft.     Allein  eine  nähere  Betrachtung  zeigt,    dafs  dieser  Strich  die  noch  nicht 
verwischte  Naht  der  Rückenplatten  ist,    und  wenn  man  den  Embryo  längere  Zeit 
in  Wasser  liegen  läfst,    und  die  dunkelkörnige  Lage,    wie  oben  bemerkt  wurde, 
deutlicher  erscheint,  sieht  man  bestimmt,  dafs  die  Hirnzellen  auch  von  oben  von 
ihr  bekleidet  sind,    sogar  die  Gegend,    wo  später  die  vierte  Hirnhöhle  entstehen 
soll.      Ich  halte  also  auch  das  Hirn  für  eine  in  mehrere  Zellen  «etheille,    oben  völ 
lig  geschlossene  Blase,  und  spreche  dieseMeinung  nur  nach  sehr  sorgfältigen,  viel- 
fach wiederholten  und  nicht  blofs  im  Vogeleie  bestätigten  Untersuchungen  aus.    In- 
dessen mufs  ein  sehr  wesentlicher  Umstand  ins  Auge  gefafst  werden.     Der  Gtett- 
Iraltheil  des  Nervensystems  enthält  am  2ten  Tage  nicht  blofs  das  eigentliche  Ner- 
A'enmark,  sondern  auch  seine  Hüllen  in  indifferenter  Verbindung.     Keineswegs 

fr  fr 

aber  kann  ich  beistimmen,  wenn  man  behaupten  wollte,  was  ich  in  der  Mittel- 
linie des  Körpers  am  2ten  Tage  gesehen  habe,  sey  blofs  harte  Hirnhaut,  und  aus 
oder  an  dieser  bilde  sich  erst  später  Markmasse,    vielmehr  glaube  ich,    es  sey, 


so 

was  jetzt  in  der  Mitte  liegt,  dasselbe,  was  die  Seileinheile  bildet,  und  daraus 
würden  erst  die  Hüllen  für  Hirn  und  Rückenmark  ausgeschieden.  Denn  ganz  iti 
der  Mittellinie ,  so  dünn  auch  liier  das  Blatt  seyn  mochte,  sah  ich  doch  immer 
noch  Kügelchen,  die  ich  für  wahre  Nervenkügelchen  hielt. 

Was  nun  die  äufsere  Form  des  Cenlraltheiles  anlangt,  so  ist  das  Rücken- 
mark, wie  ich  bemerkte,  eine  seitlich  zusammengedrückte  Röhre  mit  verhält- 
uifsmäfsig  ansehnlicher  Höhlung,  die  eine  Flüssigkeit  enthält.  Das  verlängerte 
Mark  ist  eine  unmittelbare,  allmählig  sich  erweiternde  Verlängerung  dieser  Höhle, 
in  -welcher  die  Gegend  für  das  künftige  kleine  Hirn  ein  wenig  abgegrenzt  ist.  Die 
Vierhügel  bilden  eine  Zelle  vor  diesem.  Bis  hieher  liegt  das  Hirn  in  gerader  Linie 
mit  dem  Rückenmarke.  Nur  die  Zelle,  welche  am  frühesten  sich  gezeigt  hatte, 
ganz  am  vordem  Ende  lag,  und  aus  -welcher  die  Augen  herausgetreten  sind,  liegt 
vor  dem  Knopfe  der  Wirbelsäule,  und  da  diese  nach  unten  umgebogen  ist,  unter 
dem  übrigen  Hirne. 

Untersucht  man  die  Dicke  der  Hirnwand,  so  findet  man,  dafs  sie  im  obern 
gewölbten  Theile  sehr  unbedeutend  ist,  nach  unten  aber  zunimmt,  so  dafs  der  un- 
tere Rand  jeder  Hälfte  im  vordem  Theile  des  Hirns  schon  das  Ansehn  eines  ver- 
dickten Fadens  hat.  Dieser  Faden  nun,  der  zukünftige  Schenkel  des  groisen 
Hirns,  läuft  um  den  Knopf  der  Riickensaite  herum,  und  erreicht  hier  auf  der 
Schädelbasis  sein  Ende  in  einer  Verlängerung,  die  nach  unten  geht,  und  sich  zum 
Trichter  ausbildet.  Dieser  ist  wohl  das  wahre  ursprüngliche  Ende  vom  Central- 
theile  des  Nervens}stems ,  und  ein  umgebogenes  Ende  der  zuerst  erschienenen 
Zelle.  Aber  es  liegt  nun  (gegen  Ende  des  zweiten  Tages)  vor  dieser  Zelle  noch 
eine  durch  einen  mittlem  Einschnitt  gelheilte.  Diese  vorderste  Doppelzelle  halte 
ich  jetzt,  nachdem  ich  mich  lange  nicht  Labe  orientiren  können,  für  entwickelt 
aus  den  beiden  Leisten,  deren  ich  aus  dem  Anfange  des  zweiten  Tages  erwähnte 
(§.  2.  d.),  und  lür  die  Hemisphären.  Hiernach  werden  die  Hemisphären  erst  spä- 
ter entwickelt,  aus  der  Zelle,  welche  ursprünglich  die  erste  ist,  und  das  vordere 
umgebogene  Ende  der  Hirnschenkel,  mit  ihrer  blattförmigen  obern  Ausbreitung, 
und  den  Trichter  umfafst. 
n.  Sehnerve.  Der  Kanal  vom  Hirn  zum  Auge  ist  nun  auch  mit  einer  dünneu  Lage  Ner- 

venmark  ausgekleidet,  und  somit  ist  auch  der  Sehnerve  anfänglich  hohl  und  un- 
mittelbare Fortsetzung  des  Hirns. 
o.  Ohr  und  So  wie  in  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Tages  das  Auge  aus  der  vordem 

Hörnerve.  Hirnzelle  hervorgetrieben  wird ,  eben  so  tritt  in  der  zweiten  Hälfte  das  Ohr  aus 
dem  verlängerten  Marke  hervor,  als  ein  mit  Nervenmark  ausgekleideter  hohler 
Cylinder ,  der  die  Rückenplatte  an  dieser  Stelle  etwas  hervortreibt.     Die  Hervor- 


31 

treibuug  endigt  aber  nicht  sphärisch ,  wie  im  Auge,  sondern,  wie  es  scheint,  ist 
die  äufsere  Fläche  etwas  concav.  Auf  jeden  Fall  steht  der  vordere  Rand  der  Auf- 
treibung nicht  mehr  vor,  als  der  hintere.  Die  Auskleidung  von  Nervenmark  ist 
der  Gehürnerv. 

Von  andern  Nerven  sah  ich  nichts. 

Die  Ausbildung  des  Blutsystems  habe  ich  nicht  in  allen  einzelnen  Momen-  ,  p-  B]»tbl1- 

,  düng. 

teu  verfolgen  können.  Nach  Fand  er  sollen  schon  sehr  früh  unter  dem  serösen 
Blatte  dunkle  Iuselchen  sich  bilden,  welche  aus  kleinen  Kügelchen  bestehen. 
Gegen  die  20ste  Stunde  soll  das  inselartige  wieder  verschwinden  und  die  ganze 
Fläche  gleichförmig  mit  Kügelchen  angefüllt  sejn.  Gegen  die  30ste  Stunde  zei- 
geu  sich  wieder  zarte  Risse  zwischen  den  Kügelcheu.  Diese  sammeln  sich  von 
neuem  zu  Inseln,  welche  zuerst  eine  gelbliche  Farbe  annehmen,  dann  nach  und 
nach  roth  werden,  und  nun  die  von  Wolff  beschriebenen  Blutinseln  sind.  Diese 
Inseln  verlängern  sich,  werden  schmaler,  greifen  mit  ihren  Enden  in  einander, 
und  bilden  ein  röthliches  Netz  mit  durchsichtigen  Zwischenräumen.  So  entstehen 
zarte  Ströme  röthlicher  Kügelchen ,  die  sich  nach  ihrer  verschiedenen  Dicke  in 
Aestc  und  Stämme  einreihen.  Der  Zwischenraum  zwischeu  diesen  Strömungen 
wird  unterdessen  durch  eine  zarte  Haut  ausgefüllt. 

Ich  kann  über  die  Blutbildung  nur  sagen,  dafs  in  dem  Gefäfsblatte  am  er- 
sten Tage  Bläschen  entstehen ,  vom  Bildungsgewebe  zusammengehalten ,  dafs  et- 
was später  dunkle  Körner  sich  zeigen,  dafs  dann  zwischen  diesen  Körnern  Risse 
sich  bilden,  welche  die  Körner  wie  Maschen  umgeben.  Den  Inbegriff  der  Kör- 
ner, welche  von  einer  solchen  Masche  umgeben  sind,  nennt  Pander  eine  Insel. 
In  den  Rinnen  erkennt  man  bald  eine  Strömung,  welche  ich  jedoch  nur  im  durch- 
sichtigen Fruchlhofe  sehen  konnte,  da  der  Gefäfshof  zu  dunkel  ist,  um  so  zarte 
Strömungen  erkennen  zu  lassen.  Im  Gefäfshofe  sieht  man  vielmehr  eine  Flüssig- 
keit in  grofsen  Massen  sich  ansammeln,  sich  röthen  und  dem  blofsen  Auge  als 
Blutstropfen  erscheinen,  und  zwar  sah  ich  im  Gefäfshofe  schon  Blutinseln  ,  wenn 
ich  im  Fruchthofe  noch  keine  Strömung  entdecken  konnte.  Dagegen  ist  das,  was 
im  Fruchthofe  zuerst  (liefst,  ungefärbt,  und  es  bilden  sich  in  demselben  gar  keine 
rothen  Blutstropfen.  Ja  es  schien  mir,  dafe  zuerst  Bewegung  im  Herzen  sich  fin- 
det, etwas  später  die  Strömung  in  den  Rinnen  des  Fruchthofes  und  zuletzt  erst  ein 
Hinzuströmen  des  rothen  Blutes  aus  dem  Gefäfshofe.  So  viel  ist  gewifs,  dafs  im 
Herzen  einige  Stunden  hindurch  eine  ganz  helle  Flüssigkeit  sich  bewegt,  die  nicht 
etwa  nur  deshalb  ungefärbt  erscheint,  weil  ihre  Quantität  gering  ist,  denn  zu  der- 
selben Zeit  sind  schon  rothe,  oder  wenigstens  gelbe  Blutinseln  im  Fruchthofe,  de- 
ren Durchmesser  geringer  ist ,  als  die  Weite  des  Herzens.     Nicht  ohne  grofse  Be- 


32 

deukliehkeit  gebe  ich  diese  Darstellung  als  das  Resultat  meiner  bisherigen  Unter- 
suchungen ,  da  sie  durchaus  meinen  Vermuthungen  nicht  entsprochen  haben.  Es 
schien  nämlich  vielmehr  wahrscheinlich,  dafs  durch  Zuströmungen  aus  dem  Keim- 
blatte das  Herz  zuerst  mit  Blut  versorgt  werde,  deshalb  möchte  ich  zu  wiederhol- 
ten Untersuchungen  auffordern,  denn  die  Blutbildung  in  warmblütigen  Thieren 
zu  erforschen ,  unterliegt  fast  unendlichen  Schwierigkeiten ,  und  nur  sehr  viel- 
fache Beobachtungen  können  so  viele  einzelne  glückliche  Momente  geben,  dafs 
daraus  eine  vollständige  und  zuverlässige  Geschichte  dieser  Bildung  entworfen  wer- 
den kann.  Selbst  die  vielbesprochene  Strömung  des  Blutes,  ohne  Kanäle, 
würde  mir  am  Hühnchen  nicht  erweisbar  scheinen,  denn  so  oft  ich  auch  Strömun- 
gen im  durchsichtigen  Fruchthofe  sah,  erkannte  ich  doch  jedes  Mal  einen  überaus 
zarten  Schatten  zu  beiden  Seiten  der  Strömung ,  der,  wenn  er  auch  nur  die  Grenze 
des  benachbarten  Bildungsgewebes  andeutete,  doch  anzeigte,  dafs  das  Blut  in 
einer  ausgefurchten  Bahn  sich  bewegte.  Dagegen  habe  ich  an  Eidechsen  -  Em- 
bryonen, deren  Kreislauf  man  stundenlang  beobachten  kann,  mit  Bestimmtheit 
»esehen ,  dafs  aus  einer  Schlagader  für  das  Hirn  sieben  bis  acht  dünne  Strömchen 
über  die  Wölbung  dieses  Organs  flössen,  und  dafs,  je  nachdem  jeder  einzelne  Herz- 
schlag kräftiger  oder  schwächer  war,  die  beiden  hintersten  Strömungen  näher  oder 
entfernter  von  den  vordem  verliefen ,  als  entscheidenden  Beweis,  dafs  durch  ein 
halbflüssiges  Bildungsgewebe  hier  das  Blut  ohne  vorgezeichnete  Bahn  getrieben 

wurde. 
Heribil-  Wir  gehen  zur  Bildung  des  Herzens  und  der  Gefäfsstämme  über.     Der  er- 

dung.  steren  <daube  ich  sehr  vollständig  gefolgt  zu  seyn.      Gegen  die  Mitte  des  zweiten 

Tages  scheint  die  dunkle  Masse,  die  in  der  untern  Wandung  des  vordem  geschlos- 
senen Theils  des  Enibrro  zusammengetrieben  war,  zu  schwinden;  indem  diese 
Gebend  hell  wird.  Untersucht  man  das  vordere  Körperende  aber  von  der  Seite, 
so  bemerkt  man  eine  stärkere  Hervortreibung  nach  unten,  also  nicht  Abnahme, 
sondern  Vermehrung  des  Umfanges.  Sehr  bald  sieht  man  auch  Pulsationen  und 
die  Wandung  des  Herzens.  Dafs  das  Herz  aus  der  dunklen  zusammengescho- 
benen Masse  geworden  ist,  wird  schon  daraus  ersichtlich,  dafs  dieSchenkel  jener 
Masse,  deren  äufserste  Zipfel  nicht  hell  geworden  waren,  jetzt  Schenkel  des  Her- 
zeus sind.  Die  früheste  Form  des  Herzens ,  die  ich  beobachtet  habe ,  war  näm- 
lich folgende.  Nach  hinten,  dicht  am  Umschlage  des  Schleimblattes ,  lief  es  nach 
beiden  Seiten  in  zwei  Schenkel  aus,  deren  Anfang  hohl  zu  seyn  schien,  die  aber 
nach  der  Seite  ganz  unbestimmt  sich  in  die  Keimhaut  verloren ,'  ohne  Gefäfse  auf- 
zunehmen, aber  durchaus  auch  nicht  mit  offeuen  Mündungen,  sondern  von  noch 
nicht  aufgelöster  Körnermasse  begrenzt.  Von  dem  Vereinigungswinkel  der  Schen- 
kel 


33 

kel  verlief  ein  ganz  heller  Kanal  nach  vorn,  nicht  gerade,  sondern  unregehuäfsig 
geschlängelt,  weil  der  Raum  ihm  offenbar  zu  kurz  war.  Nach  vorn  verengerte 
sich  der  Kanal  ein  wenig  und  theilte  sich  in  2  ä'ufserst  dünne  und  zarte,  ich 
möchte  sagen,  mehr  angedeutete  als  ausgebildete  Schenkel.  Diese  vordem  Schen- 
kel gingen  etwas  aus  einander  und  zugleich  nach  vorn  und  nach  oben,  als  ob  sie 
die  Dicke  und  die  Rückenflache  der  Rachenhöhle  erreichen  wollten ,  schienen  sich 
aber  im  Bildungsgewebe,  das  das  Vorderende  der  Wirbelsäule  von  unten  verdeckt, 
mit  unbestimmten  Grenzen  zu  verlieren ,  noch  ehe  sie  die  Wirbelsäule  erreichten. 
Im  Herzen  befand  sich  eine  ganz  helle  Flüssigkeit,  die  durch  Fulsalionen  bewegt 
wurde.  Die  Bewegung  in  dem  Herzkanale  war  eine  undulirende,  von  hinten  nach 
vorn  verlaufende,  die, sich  durch  lange  Beschreibung  unmöglich  so  deutlich 
machen  läfst,  als  wenn  ich  sage,  dafs  die  Art  der  Bewegung  grofse  Aehnlichkeit 
mit  der  Bewegung  in  dem  Rückengefäfse  der  Insecten  hat,  wie  man  diese  Bewe- 
gung in  den  Larven  des  Nashornkäfers  schon  von  aufsen  beobachten  kann.  Indem 
nämlich  eine  Contraction  von  hinten  nach  vorn  verlief ,  sah  man  deutlich,  dafs 
das  enthaltene  Blut,  noch  ehe  die  Contraction  das  andere  Ende  erreicht  hatte, 
wieder  zurücklief,  eine  Bewegungsart,  welche  in  dem  Herzen  der  Insecten  den 
Streit  erregt  hat ,  ob  die  Bewegung  von  vorn  nach  hinten  oder  von  hinten  nach 
vorn  geschieht,  die  aber  nothwendig  daraus  hervorgeht,  dafs,  weil  das  Gefäfs 
geschlossen  ist,  oder  nur  enge  Ausgänge  hat,  nur  die  von  der  Contraction  zunächst 
gefafste  Blutmasse  vorwärts  und  eben  deshalb  die  übrige  Masse  zugleich  rückwärts 
getrieben  wird.  Hieraus  schon  kann  man  schliefsen,  dafs  das  Herz  in  dieser 
Bildungsperiode,  wenn  es  nicht  ganz  verschlossen  ist,  doch  nur  wenig  Blut  aus- 
treibt. Auch  habe  ich  in  dem  durchsichtigen  Frucht hofe  keine  Blutströmung 
nach  dem  Herzen  hin  entdecken  können.  Im  Gefäfsraunie  war  noch  keine  deut- 
liche inselartige  Ansammlung  der  Kügelchen.  Die  Lage  des  Herzens  ist  um  diese 
Zeit  ganz  unter  dem  zukünftigen  Kopfe,  denn  die  Anlage  des  verlängerten  Markes 
reicht  nach  hinten,  wie  wir  bemerkten,  bis  an  die  Gegend,  wo  nach  unten  der 
Umschlag  der  Keimhaut  ist.  Die  hintern  Schenkel  des  Herzens  liegen  aber  grade 
in  diesem  Umschlage.  Hirn  und  Herz  reichen  also  nach  hinten  gleich  weit.  Die 
vordem  aus  dem  Herzen  tretenden  Schenkel  gehen  bis  an  den  Knopf  der  Rücken- 
saite, und  nur  sehr  wenig  ragt  also  nach  vorn  das  Hirn  über  das  Herz.  In  dieser 
Lage  ist  das  Herz  zu  beiden  Seiten  umschlossen  von  den  vordem  Theilen  beider 
Bauchplatten.  Es  scheint  in  seinem  Räume  sehr  beengt  und  eben  daher  die  ge- 
schlängelfe  Gestalt  zu  haben.  Bei  der  Weiterbildung  treibt  das  Herz  die  Bauch- 
platten wie  ein  Keil  auseinander,  und  ragt  nach  unten  heraus  in  Form  eines 
Bruches.     Die  Schlängelungen  des  Herzkanals  verwandeln  sich  nun  sogleich  in 

E 


34 

Eine  conlinuirliche  Krümmung ,  welche  schon  jetzt  nach  rechts,  zugleich  aber 
noch  mehr  nach  unten  gewölbt  ist.  Nur  die  vordersten  Enden  der  Bauchplatten, 
welche  wirklich  verwachsen  waren,  bleiben  verbunden.  Hinter  diesen  Stelleu 
ist  der  Zwischenraum  zwischen  den  Bauchplaüen  nur  von  der  Keimhaut  ausgefüllt, 
und  zwar  ist  nur  die  vordere  Hälfte  des  Herzens  vom  serösen  Blatte  bedeckt ;  die 
hintere  Hälfte  des  Herzens  liegt,  da  der  Umschlag  des  serösen  Blattes  nicht  so 
weit  nach  hinten  reicht,  zwischen  dem  serösen  und  dem  Schleimblatte.  Von  der 
Kopf  kappe  ist  aber  das  ganze  Herz  überdeckt,  wenn  wir  die  Kopfkappe  nach 
dem  Schleimblatte  messen.   (Vergl.  Fig.  IV.) 

Das  so  hervorgetretene  Herz  ist  weit  deutlicher  sichtbar,  als  früher.  Sein 
Inhalt  ist  anfangs  noch,  völlig  ungefärbt.  Ich  habe  die  Bewegungen  in  ihm,  etwa 
2  bis  3  Stunden  nach  der  früher  beschriebenen  Form,  sehr  deutlich  gesehen.  Sie 
sind  nicht  mehr  undulirend,  sondern  von  hinleu  nach  vorn  gehend  beinahe  in 
<ler  ganzen  Länge  gleichzeitig  und  treiben  den  Inhalt  wirklich  heraus,  so  wie  sie 
auch  Blut  aus  den  Venen,  die  in  den  Seitenzipfel  des  Herzens  eintreten,  auf- 
nehmen. Nach  jedem  Austreiben  des  Blutes  ist  ein  Moment  der  Fiuhe.  Dann 
dehnt  sich  das  Herz  in  seiner  ganzen  Länge  aus  und  saugt  das  Blut  aus  den  Venen 
in  einem  langsamen  Zuge  ein.  Darauf  folgt  eine  kürzere  Contraction.  Da  das 
Herz  um  diese  Zeit  in  einem  einfachen  Bogen  hervorragt,  so  geben  seine  Bewe- 
gungen das  Bild  einer  sehr  laugsamen  Infpiration  mit  kürzerer  Exspiration.  Diese 
BewetHin«en  hatten  «anz  das  Ansehen,  als  ob  die  Aufnahme  des  Blutes  das  Primäre 
und  Bedingende,  die  Ausslofsung  desselben  das  Secundäre  sey. 
/■.    Bildung  j)|e  beiden  Kanäle,    die  aus  dem  vordem  Ende  des  Herzens  hervortreten, 

sind  um  diese  Zeit  ganz  deutlich  ausgebildet.  Sie  gehen,  die  Rachenhöhle  um- 
fassend ,  bis  an  die  Decke  derselben ,  d.  h.  bis  an  die  umgebogene  Fläche  der 
Wirbelsäule,  und  krümmen  sich  hier  an  die  vordere  Grenze  der  innern  Höhlung 
des  Körpers  nach  oben ,  laufen  an  der  untern  Fläche  des  Rückgrats  fort  und  ver- 
einigen sich  wahrscheinlich  nachdem  sie  eine  Zeitlang  getrennt  gewesen  sind, 
was  man  freüich  jetzt  noch  nicht  nachweisen  kann,  da  sie  unter  der  Wirbelsäule 
alle  Wandung  zu  verlieren  scheinen,  und  ihr  Inhalt  zu  hell  ist,  um  sie  nach 
diesem  zu  verfolgen,  das  Zusammeufliel'sen  ist  aber  noch  vor  dem  Schlüsse  des 
zweiten  Tages  deutlich  nachzuweisen.  Es  ist  nach  dem  Frühem  wahrscheinlich, 
dafs  durch  das  Blut  aus  diesen  beiden  Gefäfsen  erst  allmählig  eine  Aorta  aus- 
aeoralten  wird,  nachdem  eine  Zeitlang  vielleicht  das  Blut  sich  unbestimmt  im 
Bildun^sgewebe  verloren  hatte.  Wenigstens  konnte  ich  in  der  erwähnten 
Bildungsstufe  noch  durchaus  keine  aus  dem  Fötus  hervortretenden  Arterien  er- 
kennen.    Uebersieht  man  nun,    wie  die  erste  im  Herzen  bemerkhehe  Strömung 


35 

gegen  das  Vörderende  des  Hirns  andrängt,  wie  dann  das  Blut  sich  eine  Bahn  längs 
der  Basis  des  Schädels  und  der  untern  Fläche  des  Rückgrats  ausgräbt,  so  scheint 
aus  der  Beobachtung  selbst  unmittelbar  hervorzugehen,  dal's  das  Blut  vom 
Vörderende  des  Nervensystems  angezogen  und  nach  dem  hintern  Ende  desselben 
forlgestofsen  wird. 

Die  Umbildung.,   die  das  Herz  hk  zum  Ende  des  zweiten  Tages  oder  bis  b;jdu™citde~ 
zur  vollständigen  Ausbildung  des  ersten  Kreislaufes,  mit  der  wir  den  ersten  Zeit-  Herzens. 
räum  beendigen ,    erleidet ,   besteht  darin ,   dafs  seine  Krümmung  sich  vermehrt, 
indem  es  noch  weiter  zwischen  den  Vorderenden  der  Bauchplatten  hervortritt. 
Zugleich  nähern  sich  seine  beiden  Enden  ein  wenig.     Namentlich  zieht  sich  das 
vordere  Ende  zurück.      Das  vorderste  Paar  der   austretenden  Arterienbogen  ist 
jetzt  leicht  zu  erkennen  und  steigt  noch  bis  au  die -Decke  der  Rachenhöhle  hinauf, 
schlägt  sich  also  nicht  sogleich  um  die  verdauende  Hohle,    sondern  steigt  noch 
erst  nach  vorn,   indem  sich  das  vordere  Ende  des  Herzens,    welches  zur  Wurzel 
der  Aorta  wird,  zurückgezogen  hat.     Aulserdem  findet  mau  im  dritten  Yiertel  des 
zweiten  Tages  noch  ein  zweites  hinteres  Fa^r  am  Gefäfsbogen ,  welches  aus  dem 
Herzen  tretend  hinter  dem  vorigen  um  den  Anfangstheil  der  verdauenden  Höhle 
sich  bildet,    und  eben  so  zart  werdend,    wie  früher  das  erste  Paar,    nach  oben 
verschwindet.     Am  Ende  des  zweiten  Tages  scheint  sich  ein  dritter  Bogen  hinter 
dem  zweiten   auf  dieselbe   Weise   zu  bilden.      Die  vermehrte  Krümmung   des 
Herzens  ist  am  Ende  des  zweiten  Tages  mit  der  Convexität  nicht  nur  nach  unten, 
sondern  schon  sehr  merklich  nach  rechts  gerichtet.     Genauer  angegeben  liegt  der 
Zusammentritt  der  Venen  ziemlich  in  der  Mitte  des  Leibes.     Von  hieraus   geht 
der  durch  die  Verbindung  derselben  entstandene  gemeinschaftliche  Herzkanal  an- 
fangs ein  wenig  nach  links,   krümmt  sich  dann  stark  nach  rechts,    zugleich  geht 
er  zuerst  nach  unten  und  dann  nach  oben,    und  in  dem  ganzen  Verlauf  von  hinten 
nach  vorn.     Das  Herz  bildet  also  einen  nach  unten  und  rechts  vorragenden  Bauch, 
und  es  ist  ganz  unrichtig,  wenn  Fander  dem  Herzen  eine  Krümmung  nach  links 
giebt,  indem  die  Krümmung  des  hintern  Endes  nach  links  immer  geringer  ist,  als 
die  Krümmung  nach  rechts  und  die  erstere  sich  schon  am  Anfange  des  folgenden 
Tages  ganz  verliert.     Im  Wesentlichen  ist  das  Herz  noch  am  Ende  des  zweiten 
Tages  ungetheilt,    indessen  erkennt   man   doch  schon   in  der  äufsern  Form  die 
Spuren  emer  Abgrenzung  der  Kammern  gegen  den  venösen  Theil  und  gegen  den 
Aortenwulst.     Da  die  bestimmtere  Ausbildung  aber  invlie  nächste  Periode  gehört, 
so  werden  wir  dort  die  Art  der  Entwicklung  angeben.     Auch  sieht  man  eine 
dunkle  Linie  in  dem  mittlem  Theile  des  Herzens,    deren  Bedeutung  auch   erst 
später  klar  wird. 

E  2 


36 

t.    Bildung  Das  übrige  Gefäfssystem  hat  Lei  seiner  ersten  Ausbildung  folgende  Ge- 

Gefäfs-"2"1  stallung.  Ein  grofser  Blutbehälter,  nächst  dem  Herzen  der  weiteste  Kanal  für 
Systems.  ^as  ßjut .  ^at  ^^  £|,  jen  beiden  dunklen  Halbbogen  gebildet,  welche  den 
Gefäfshof  gegen  den  Dotterhof  begrenzen.  Da  beide  Bogen  einen  Kreis  bilden, 
der  nach  vorn  immer  einen  deutlichen  Einschnitt  hat,  zuweilen  auch  nach  hinten 
einen  weniger  tiefen,  so  ist  das  GefäTs  auch  ein  kreisförmiges,  aus  zwei  Bogen- 
hälften  bestehendes.  Jeder  Bogen  ist  nach  hinten  am  dünnsten,  nach  vorn 
weiter.  Dieser  Blutkreis  (sinus  termiualis)  ist  lange  ohne  eigene  Wand,  eine 
blofse  Lücke  zwischen  dem  serösen  und  dem  Schleimblatte ;  es  ist  aber  unrichtig, 
dai's  er  nie  eine  eigne  Wand  bekomme,  vielmehr  ist  am  Ende  der  zweiten  Periode 
die  Wand  leicht  darstellbar,  indem  man  das  seröse  Blatt  abtrennt.  h\  diesem 
spätem  Zustande  verdient  er  den  Namen  Grenzvene  (vena  terminalis).  In  dem 
Blutkreise  sieht  man  am  frühesten  rothes  Blut.  In  jedem  Halbbogen  ist  die  Auf- 
nahme des  zuströmenden  Blutes  in  der  Mitte,  indem  diese  von  den  letzten  Enden 
der  Schlagadern  erreicht  wird.  Die  Bewegung  des  Blutes  geht  von  der  Mitte  in 
einem  stärkern  Strom  nach  vorn ,  in  einem  schwächern  nach  hinten.  Am  vordem 
Ende  treten  aus  dem  Blutkreise  eine  Bienge  Blutadern  hervor,  die  sich  sammeln, 
so  dafs  sie  bald  in  einem,  bald  in  zwei  Stämmen  zum  Embryo  gelangen.  Diese 
Verschiedenheit  beruht  nicht  auf  verschiedenen  Entwicklungsstufen,  sondern 
findet  sich  in  allen  Perioden  bis  zum  Verschwinden  des  Blutkreises.  Sind  zwei 
Venenstämme  da ,  so  tritt  jeder  in  einen  Schenkel  des  Herzens  ein.  Ist  nur  ein 
Stamm  gebildet,  so  geht  er  in  den  linken  Herzschenkel ,  der  rechte  Schenkel  ist 
dann  doch  nicht  ganz  ohne  Vene.  Es  tritt  nämlich  eine  kleine  Vene  von  der 
rechten  Seite  aus  dem  Gefäfshofe  in  ihn  ein,  die  durch  ihre  feinsten  Zweige  wohl 
mit  dem  Blutkreise  in  Verbindung  steht,  aber  nicht  als  Stamm  aus  ihm  kommt. 
So  wie  die  eine  oder  das  Paar  vorderer  Venen  nach  hinten  gegen  den  Embryo 
herabsteigt,  so  verläuft  dagegen  eine  etwas  später  sich  entwickelnde  aufsteigende 
Vene  aus  dem  hintern  Theile  des  Gefälshofes  nach  vorn  und  senkt  sich  iu  den 
linken  Schenkel  des  Herzens  ein.  Die  beiden  Schenkel  sind  überhaupt  nichts  al? 
die  doppelten  Venenstämmchen ,  die  alles  Blut  in  das  Herz  führen.  Es  Uiefst  nun 
durch  das  Herz ,  durch  eine  gemeinsame  Pulsation  des  Heizens  fortgestof'sen ,  in 
die  zwei  oder  drei  Bogen  -  Paare ,  kommt  durch  diese  au  die  untere  Fläche  der 
Wirbelsäule,  fliefst  hierin  zwei  Armen  fort,  die  endlich  über  dem  Speisekanafe 
in  einen  Stamm  zusammenlaufen.  Dieser  Stamm  der  Aorta  theüt  sich  bald  wieder 
in  zwei  Aeste,  welche  ziemlich  nahe  zusammen  liegend  nach  dem  hintern  Ende 
des  Fötus  verlaufen,  vorher  aber,  in  der  Mitte  des  Verlaufs,  fast  im  rechten 
Winkel  einen  Ast  abgeben ,   der  viel  stärker  als  die  nach  dem  hintern  Ende  ver- 


37 

laufende  Fortsetzung  ist,    sich  im  Gefäfsraunie  verzweigt  und  mit  seinem  letzten 
Ende  den  Blutkreis  erreicht. 

Da  das  Herz  noch  ein  fast  ganz  ungetheilter  Kanal  ist,  so  ist  die  Pulsation 
anfangs  auch  noch  eine  ununterbrochene  in  der  ganzen  Länge  des  Herzkanals, 
durch  die  Arterien  bis  in  den  ßlutkreis.  Am  Schlüsse  des  Tages ,  wo  das  Herz 
stärker  gekrümmt  ist ,  wird  die  Einheit  der  Pulsation  weniger  kenntlich. 

Die  Bedeckung  des  Herzens  hat  sich  unterdessen  auch  verändert.  Hie  ,  "•  Ko^f' 
Umbeugung  des  serösen  Blattes,  welche  in  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Tages 
lange  still  zu  stehen  schien,  während  der  Umschlag  der  andern  Blätter  fort- 
rückte ,  wodurch  denn  auch  nur  der  vorderste  Theil  des  Herzens  in  der  36sten 
Stunde  vom  serösen  Blatte  bedeckt  war,  geht  im  letzten  Viertheil  des  Tages 
rasch  weiter,  so  dafs  am  Schlüsse  diefer  Periode  fast  das  ganze  Herz  von  unten 
einen  Ueberzug  vom  serösen  Blatte  hat  und  nicht  viel  mehr  als  die  Herzschenkel 
in  der  Umbeugung  zwischen  dem  serösen  und  Schleimblatte  hegt. 

Da  wir,  mit  Ausnahme  des  Nerven-  und  Gefäfssystems ,  die  übrigen  Ver-  kapSptehwaÄ£l 
Änderungen  nur  bis  zur  Mitte  dieses  Tages  fortgeführt  haben,  so  ist  hier  noch  schnürung 
kurz  zu  bemerken ,  dafs ,  wie  so  eben  gesagt  wurde ,  die  Kopfkappe  mit  allen 
ihren  Schichten  weiter  nach  hinten  sich  verlängert.  Auch  wölbt  sie  sich  nach 
unten,  während  sie  früher  fast  flach  gelegen  hat.  Ihr  gegenüber  bildet  sich  am 
Ende  dieses  Tages ,  indem  das  Schwanzende  nicht  nur  über  die  Verbindung  des 
Embryo  mit  der  Keimhaut  hinaus  gewachsen  ist,  sondern  diese  einen  ähnlichen 
Umwurf  am  hintern  Ende  beginnt,  wie  schon  viel  früher  am  vordem,  eine 
Schwanzkappe ,  die  jedoch  am  Ende  des  zweiten  Tages  noch  ungefähr  so  kurz  ist, 
als  die  Kopfkappe  am  Ende  des  ersten  Tages.  Indessen  wird  hiermit  hinten  auch 
schon  eine  Grube  durch  das  Schleimblatt  gebildet  —  ein  hinteres  Ende  des 
Speisekanals  vom  Embryo.  Zugleich  senken  sich  die  Bauchplatten  etwas,  so 
dafs  also  eine  Abschnürung  des  Embryo  vom  Keimblatte  schon  von  allen  Seiten 
eingeleitet  ist. 

Die  Form  des  Einbryo  ist  nach  der  gegebenen  Darstellung  die  eines  um-  ^pjf111,", 
gekehrten  Schuhes ,   in  welche  die  Form  des  umgestülpten  Blattes  dadurch  über-  Embryo, 
gegangen  ist,    dafs  das  vordere  Ende  auf  eine  ansehnliche  Strecke,   das  hintere 
auch  schon  auf  .eine  ganz   kurze  umschlossen  ist  und  die  Seitenwände   herab- 
gebogen sind. 

Der  Vollständigkeit  wegen  führen  wir  nur  noch  an ,    dafs  in  den  Seiten-  SferMBiwin 
theilen  eine  Spaltung  der  Blätter  beginnt  und  dafs  aus  der  vordem  Grenze  der  dfn    Bauch. 

*  °  °  *  .  platten. 

Kopfkappe  eine  Falte  nach  oben  sich  zu  erheben  anfängt  (§.  5.  g.).     Die  Bedeu- 
tung beider  Vorgänge  wird  aber  erst  am  dritten  Tage  klar. 


38 

y.  Anlage  zur  Nach  der  Mitte  des  zweiten  Tages   sieht  man  hinter  dem   umgebogenen 

düng.  Ende  der  Rückensaite  an  der  untern  Fläche  eine  dunkle  Bogenlinie.     Es  ist  eine 

Art  Narbe  in  umgekehrtem  Sinne.    In  dieser  Bogenlinie  wird  nämlich  das  Vorder- 
ende der  Bauchplatten  immer  dünner,    um  am  Anfang  des  folgenden  Tages  ganz 
aufzureifsen ,  um  die  Mundöffnung  zu  bilden. 
i.   Krüm-  j)ie  Krümmung  des  Embryo  nimmt  in  der  ersten  Hälfte  dieses  Tages  wenig 

Embryo.       zu ,    in  der  zweiten  krümmt  sich  das  Kopfende  so ,   dafs  die  Zelle  fiir  die  Vier- 
hügel die  vorderste  Spitze  bildet. 
aa.  Verän-  Der  Fruchthof  ist  schon  im  Anfange  dieses  Tages  biscuitförniig  geworden, 

des  "Wucht-  indem  bei  Bildung  der  Kopfkappe  ein  Theil  seiner  vordem  Hälfte  sich  an  den 
hofes'  Embryo    gelegt    hat,     diese    vordere  Hälfte    also    schmaler  erscheint,     als    sie 

früher  war. 
bb.   Die  Die  Halonen  waren  am  Anfange  des  Tages  geschlängelt ,  und  verlieren  sich 

"h^nden.    am  Ende  ganz  wegen  Zunahme  der  Flüssigkeit  unter  dem  Embryo. 

«.   3. 
Allgemeiner    Character    der    ersten    Bildung s  -  P eriode. 

Die  Geschichte  der  ersten  Periode  lehrt,'  dafs  der  Embryo  ein  zu  höherer 
Selbstständigkeit  erwachter  Theil  des  Keimes  ist,  dafs,  so  wie  seine  Selbstständig- 
keit sich  offenbart,  der  Typus  der  Vfirbelthiere,  Entwickelung  aus  einem  Stamme 
nach  oben  und  nach  unten  hervortritt,  und  dafs  dann  im  animalischen  Theile 
eine  Gliederung  als  Hineinbüdung  des  Typus  der  gegliederten  Thiere  sich  zeigt. 


39 


Zweite    Periode. 

Korbemerhung. 

Die  zweite  Periode  -wird  characterisirt  durch  den  Kreislauf  iu  den  Dotter- 
gefäfsen,  ohne  Kreislauf  in  den  Gefäfsen  des  Harnsackes,  der  erst  am  Ende  dieser 
Periode  vorbereitet  wird ,  .^o  wie  der  Kreislauf  durch  die  Dottergefäfse  am  Ende 
der  ersten  Periode  vorbereitet  wurde.  Die  Grenze  zwischen  der  zweiten  und 
dritten  Periode  ist  noch  weniger  genau  zu  bestimmen,  als  die  zwischen  der  ersten 
und  zweiten.  Indessen  scheint  die  natur«emäfseste  Grenze  in  dem  Momente  zu 
liegen,  wo  der  Harnsack  so  weit  vorgetreten  ist,  dafs  er  die  Schaalenhaut  erreicht, 
und  daher  die  Athmuug  übernehmen  kann.  Nach  dieser  Abtheilung  umfafst  der 
zweite  Zeitraum  den  dritten ,  vierten  und  Fünften  Tag.  Iu  dieser  Zeit  steht  also 
der  Embryo  mit  der  Keimhaut  in  lebhafterer  Wechselwirkung,  als  früher,  wo  er 
sich  nur  von  ihr  abzugrenzen  schien.  Die  Isolirung  geht  auch  im  zweiten  Zeit- 
räume fort,  und  erscheint  räumlich  als  Abschniirung ,  d.  h.  als  gesteigerte  Form 
der  Abgrenzung  und  als  Einhüllung  des  Embryo. 

§•    5. 
Dritter       Tag. 

Indem  die  Abschnürung  des  Embryo  von  der  Keimhaut,    welche  schon  «.  Aiigemei- 

t>  J  •     l      r  1         •  ner   Charac- 

in  der  ersten  Periode  begonnen  hatte,  während  der  zweiten  Periode  fortschreitet,  ter. 
wird  durch  sie  die  Bildung  der  Brust  und  des  Unterleibes ,  so  wie  des  Gekröses 
und  des  Speisekanals  bewirkt.  Die  Erzeugung  dieser  Theile  geht  nur  aus  einer 
besondern  Modification  der  Abschnürung  hervor,  welche  schon  am  Ende  des 
zweiten  Tages  auftrat ,  die  aber  erst  am  dritten  Tage  sich  in  ihren  Wirkungen  zu 
erkennen  giebt,  und  die  wir  daher  jetzt  im  Zusammenhange  betrachten. 

Vorher  bemerken  wir  nur  noch,    dafs  Brust-  und  Unterleibshöhle  in  der     *•    Untere 
Entstehungsweise  nicht  verschieden  sind ,    sondern  gemeinschaftlich  durch  die  Körpers. 
Bauchplatten  gebildet  werden.  —     Da  sie  im  Embryo  mehr  noch  als  im  erwach- 


40 

senen  Vogel  eine  gemeinsame  ununterbrochene  Höhle  bilden,  die  unter  der 
Wirbelsäule  des  Rumpfes  hegt ;  so  werden  wir  unter  der  Benennung :  Bauchhöhle, 
beide  zusammenfassen ,  und  in  dieser  Brust  -  und  Unterleibsgegend  unter- 
scheiden. —  Da  aber  die  Bauchplatten  auch  den  Hals  umschließen ,  und  dieser 
ursprünglich  hohl  ist ,  so  ist  auch  seine  Höhlung  von  der  Bauchhöhle  nicht  ge- 
trennt. Erst  später  schwindet  seine  Höhlung,  indem  das  Herz  zurücktritt. 
«.    Spaltung  Die  Bauchplatten  waren  am  Ende  der  ersten  Periode  noch  fast  in  der  Ebene 

Bauchplat-    des  Keimblattes,    jedoch  schon  nach  der  untern  Fläche  concav,    und    mit  dem 
ten"  äufsern  Rande  liefer  stehend,  als  mit  dem  inuern.     Vom  Schlüsse  des  zweiten 

To^es  an  nimmt  die  Aushöhlung  der  Unterfläche  des  Embiyo  rasch  zu  ,  indem  die 
Bauchplatten  sich  immer  mehr  mit  ihrem  äufsern  Rande  nach  unten  neigen. 
Zugleich  aber  erfolgt  eine  Trennung  innerhalb  der  Bauchplalten.  —  Die  Tren- 
nung besteht  darin,  dafs  eine  obere  Lage  von  einer  untern  in  der  ganzen  Breite 
der  Bauchplatten  bis  zum  innern  Rande  geschieden  wird.  Da  dieser  innere  Rand 
bis  an  den  Stamm  der  Wirbelsäule  reicht,  so  geht  also  die  Trennung  bis  an  den 
Rand  der  Unterfläche  der  Wirbelsäule.  —  Sie  erfolgt  sehr  rasch  und  die  untere 
Lage  vergröfsert  lieh  zugleich,  wodurch  sie  nach  unten  sich  wölben  mufs, 
während  sich  etwas  Flüssigkeit  zwischen  beide  Lagen  absetzt.  Eine  nothwendige 
Folge  der  Wölbung  nach  unten,  oder  vielmehr  ein  Begleiter  derselben,  ist  der  Um- 
stand, dafs  am  Rande  der  Wirbelsäule  der  innere  Rand  der  gelösten  untern  Lage, 
da  sie  hier  angeheftet  bleibt ,  sich  immer  mehr  senkrecht  stellt.  Indem  der  senk- 
recht  gestellte  innere  Rand  sich  zugleich  verdickt,  so  erscheint  er  natürlich  von 
unten  oder  von  oben  betrachtet  nur  als  ein  duukler  Streifen ,  indem  das  Uebrige 
der  untern  Lage  fast  durchsichtig  ist.  —  Ferner  wird  es  leicht  verständlich ,  wie 
es  das  Ansehen  habe ,  als  ob  der  senkrechte,  durch  Dicke  ausgezeichnete  Rand- 
streifen ,  wenn  mau  seinen  Uebergang  in  den  durchsichtigem  gewölbten  Theil  der 
untern  Lage  nicht  berücksichtigt,  aus  den  Seitenrändern  der  Wirbelsäule  hervor- 
ncwachsen  sey.  —  Dieses  Ausdruckes  hat  sich  denn  auch  Wo  HF  zuweilen  be- 
dient,  um  die  Sache  anschaulicher  zu  machen,  allein  er  hat  so  vielseitig  und  um- 
ständlich die  ganze  Metamorphose,  so  wie  den  Uebergang  dieser  Blätter  in  die 
nach  unten  gewölbte  tiefere  Lage  der  Keimhaut  (WolfF's  falsches  Amnion)  dar- 
gestellt, dafs  jener  Ausdruck  nicht  zu  Mißverständnissen  hätte  Veranlassung  ge- 
ben sollen.  —  Wolff  hat  die  Metamorphose,  die  wir  darzustellen  angefangen 
haben,  mit  einer  Sicherheit  und  Vollständigkeit  beschrieben,  welche  gar  keine 
wesentliche  Unrichtigkeit  zuliefs.  —  Leider  aber  hat  er  sich  mancher  Benennung 
bedient,  welche  für  den  Gegenstand  nicht  recht  pafst,  und  daher  zu  falschen 
Vorstellungen  führen  konnte.      So  steht  die  Rinne,    welche  Wolff  Darmrinne 

nennt, 


41 

nennt,  mit  dem  Darmkanale  gar  nicht  in  nächster  Beziehung,  sondern  ist  eine 
Lücke  zwischen  Leideu  später  geschlossenen  Blättern  des  Gekröses.  Hierzu  kom- 
men noch  seine  vielfältigen  Wiederholungen ,  welche  mehr  verwirren  als  aufklä- 
ren. —  Selbst  Pan der  scheint  über  die  W o  1  ff'sche  Darstellung,  so  wie  über 
den  eigentlichen  Hergang  in  Zweifel  geblieben  zu  seyn.  (Beiträge  zw  Entwieke- 
lungsgeschichte  S.  22 .)  —  Ich  habe  es  mir  daher  besonders  angelegen  sern  las- 
sen, die  Entstehungsweise  des  Gekröses  und  Darmes  mit  Genauigkeit  zu  verfolgen, 
und  kann  als  Resultat  dieser  Bemühungen  versichern,  dafs  Wolff's  Darstellung 
nur  an  der  Unvollkommenheit  leidet,  dafs  er  das  Scbleimblatt  vom  Gefäfsblatte 
nicht  unterscheidet.  —  Fügt  man  diese  Unterscheidung,  durch  welche  P ander 
der  ganzen  Entwickelungsgeschirhte  Licht  gegeben  hat ,  noch  hinzu,  so  sind  alle 
einzelnen  Angaben  Wolff's  richtig. 

Wir  wollen ,  um  diese  Metamorphose  gehörig  verstehen  zu  können ,  vor- 
her noch  einen  Blick  auf  den  Zustand  des  Embryo  vor  Beginn  derselben  werfen.  — 
Wir  haben  au  ihm  einen  Mittellheil  und  zwei  Seite  ntheile.  Diese  sind  die  bei- 
den Bauchplatten ;  jener  besteht  nach  oben  aus  den  verwachseneu  Rückenplatten, 
welche  schon  Rückenmark  umschliefsen.  Unter  ihnen  liegt  die  Rückensaite  mit 
ihrer  Scheide  umgeben,  von  ungeformtem ,  nicht  ganz  lockerem ,  an  die  Basis  der 
Rückenplatten  anstofsendem  Bildungsgewebe ,  als  Grundlage  der  künftigen  Wir- 
belsäule. Weiter  nach  unten  ist  die  Aorta  umgeben  von  einer  durchsichtigen, 
lockern,  der  untern  Fläche  der  Wirbelsäule  lose  verbundenen  Masse  von  Bildungs- 
gewebe. —  Fragt  man  nun  nach  den  ursprünglichen  Schichten  des  Keimblattes, 
die  alle  in  die  Bildung  des  Embryo  übergegangen  sind ,  so  findet  man  das  Schleim- 
Watt  noch  sehr  dünn  auf  der  ganzen  untern  Fläche  vom  Mitteltheile  des  Embryo 
ausgebreitet,  und  bei  gehöriger  Vorsicht  und  Uebung  leicht  trennbar,  indem  es 
überall  nur  durch  ein  wenig  Bildungsstoff  angeheftet  wird.  —  Die  Aorta,  mit  der 
hellen  umgebenden  Masse ,  welche  die  untere  Hälfte  des  Stammes  vereint ,  gehört 
wohl  dem  Gefäfsblatte  an.  In  den  Seitentheilen  oder  den  Bauchplatten  ist,  so 
lange  sie  horizontal  liegen,  keine  bestimmte  Trennung  der  Lagen  erkennbar. 
Indem  sie  sich  aber  am  Ende  des  zweiten  Tages  herabkrümmen,  entsteht  in  ihnen 
jene  oben  berührte  Spaltung  in  eine  obere  und  eine  untere  Lage.  —  In  der  un- 
tern Lage  lassen  sich  wieder  zwei  Schichten  deutlich  erkennen  ,  die  jedoch  immer 
au  einander  geheftet  bleiben.  Die  untere  ist  das  Schleimblatt ,  die  obere  ist  dik- 
ker,  durchsichtiger,  enthält  die  Blutgefäfse,  und  wird  von  nun  an  als  das  eigent- 
liche Gefäfsblatt  von  uns  betrachtet  werden,  da  es  sich  in  das  Gefäfsblatt  des  Ge- 
fäfshofes  fortsetzt ,    obgleich  wir  es  immer  als  durch  Beobachtung  noch  nicht  ent- 

F 


42 

schieden  müssen  gelten  lassen ,  ob  die  eigentliche  Bauchplatte  nicht  auch  dem  ur- 
sprünglichen Gefälsblatte  (der  ersten  Zeit)  ihren  Ursprung  verdankt. 

In  der  obern  Lage  nämlich  lassen  sich  jetzt  auch  zwei  Schichten  erkennen, 
die  noch  enger  an  einander  gefügt  sind,    als  die  Schichten  der  untern  Lage.  — 
Es  hat  sich  das  seröse  Blatt  als  eine  Oberhaut  etwas  gesondert,  von  einer  dickem, 
anfangs  gefalteten ,    bald  aber  in  sanfter  Wölbung  ausgebreiteten  Platte  aus  dunk- 
lerem Bildungsgewebe.  —     Letztere  ist  die  eigentliclie  Bauchplatte,   aus  der  das 
fibröse  System ,    die  Knochen,    Muskeln  und  Nerven  der  Bauchwände  (mit  Ein- 
schlufs  der  Brust-  und  der  Halswände)  sich  erzeugen.      Sie  bilden  also  mit  den 
Diese  öpai-  Jiückenplatten  gemeinschaftlich  den  animalischen  Theil   des  Rumpfes ,  während 
TrtmBungin  die  abgelöste  untere  Lage  den  vegetativen  Theil  bildet.      Diese  am  Schlüsse  des 
lischeT'uifd  zweiten  Tages  in  den  Seitentheilen  eintretende  Trennung  ist  im  Grunde  nur  eine 
vegetativen    Fortsetzung  der  schon  früher  in  der  Kopfkappe  bemerklichen.  —     Sie  geht  wäh- 
bes.  rend  des  dritten  Tages  rasch  fort,    so  dafs  bald  die  untere  Lage  stark  nach  unten 

Durch  die-  gewölbt  ist.  —  Die  Wölbung  wird  noch  dadurch  vermehrt,  dafs  auch  die  ei- 
entst^ht'dif  gentlichen  Bauchplalten,  indem  sich  ihre  Faltung  hebt,  ihren  untern  Rand  nach 
«fP7&:   °fV  unten  und  innen  krümmen.  —     Da  aber  unter  der  Wirbelsäule  das  Gefäfsblatt 

Wollt  s    tal- 

sches  Am-  sich  nicht  ablöst,  so  hat  das  nach  unten  gerichtete  Gewölbe  eine  tiefe,  mittlere, 
rinnenförmige  Einsenkung,  welche  WolfF  die  Oeffnung  des  falschen  Amnions 
nennt ,  indem  bei  ihm  der  nach  unten  gewölbte  Theil  der  Keimhaut ,  da  er  den 
Embryo  gewissermafsen  von  unten  verhüllt,  das  falsche  Amnion  heilst.  —  Es 
wird  aber  um  diese  Zeit,  nach  dem  Gesagten,  nicht  der  ganze  Embiyo  verhülli, 
sondern  die  untere  Fläche  der  Wirbelsäule  ist  unverdeckt,  und  man  könnte  das 
falsche  Amnion  als  aus  zwei  Gewölben  gebildet  beschreiben ,  wenn  i>eide  nicht 
vorn  und  hinten  zusammenliefen.  —  Beide  Gewölbe  gehen  nämlich  vorn  in  die 
Kopikappe  und  hinten  in  die  Schwanzkappe  über,  was  nothwendig  so  seyn  muls, 
da  ja  diese  beiden  Kappen  auch  nichts  sind,  als  Theile  der  Keimhaut,  welche 
Theile  des  Embryo  von  unten  überwölben,  und  es  ist  nun  ganz  klar,  dai's  die  Bil- 
dung der  Kopf-  und  Sclrwanzkappe  die  Anfänge  einer  Metamorphose  sind,  wel- 
che jetzt  allgemein  ist,  und  den  ganzen  Embryo  mit  Ausnahme  der  Wirbelsäule 
verhüllt;  man  kann  daher  mit  gröfstem  Rechte  die  Seitentheile  Seitenlappen 
nennen.  Kopf  kappe,  Schwauzkappe  und  Seitenkappen  sind  die  einzelneu  Regio- 
nen des  falschen  Amnion  oder  einer  allgemeinen  Kappe.  Mit  diesem  Namen  be- 
legen wir  nämlich  die  ganze  Wölbung  der  untern  Lage  der  Keimhaut ,  welche 
Wo  IfF  das  falsche  Amnion  nennt.  Die  letztere  Benennung  ist  ohnehin  vor»  Bän- 
der für  etwas  ganz  anderes  gebraucht  worden.     Von  der  allgemeinen  Kappe  zeigt 


uns  Fig.  VI.  die  Kopf-  und  Schwanzkappe  im  Längend urchschnitle,  Fig.  6'  und 
6"  aber  die  Seitenkappen  im  Queerdurchschnilte. 

Wir  bemerkten  schon,  dafs  der  innere  Rand  der  abgetrennten  unteru  La<*e     d.  Gekrns- 
der  ßauchplatten   sich  bald  senkrecht  stellt ,   und  sich  verdickt.      Der  verdickte  pIatten- 
Tlieil  sondert  sich  durch  zwei  immer  deutlicher  werdende  Winkel  von  den  benach- 
barten Tljeilen  ab,  durch  einen  obern  Wiiikel  (Fig.  6'  h.)  von  der  untern  Fläche 
der  Wirbelsäule,    durch  einen   untern  Winkel    (oder   den  Wulst   nach  Wollf) 
(ebend.  i.~)  von  dem  nicht  verdickteu,  aber  desto  mehr  gewölbten  Theile  des  Ge- 
fäfsblatles.     Der  verdickte  Streiten  zwischen  beiden  Winkeln  ist  nichts  anderes, 
als  eine  Gelrösplatte.     Ziemlich  rasch  nämlich  spitzen  sich  die  untern  Winkel  bei- 
der Seiten  zu  und  rucken  zugleich  gegen  einander,   bis  sie  sich  erreichen.     Bevor 
sie  sich  erreicht  haben,  bilden  beide  Gekrösplatten  mit  der  untern  Fläche  der  Wir- 
belsäule, die  noch  von  dem  nicht  abgetrennten  Theile  des  Gefäfsblattes  bekleidet 
bleibt,  —  einen  Halbkanal.     Dieser  ist  es,  den  Wolff  die  Darmrinne  nennt;  sie 
ist  offenbar  nichts,  als  eine  Weiterbildung  seiner  Oeffnung  des  falschen  Amnions. 
Die  Verbindung  der  beiden  untern  Winkel  ist  das,    was  Wolff  die  Naht  nennt. 
Wolff  irrt  aber,  wenn  er  glaubt,    dals  vor  der  Bildung  der  Naht  die  Lücke  des 
Gehröses  (seine  Darmrinne)  völlig  offen  ist,   und  dieser  Irrthum  rührt  daher     dal» 
Wolff  das  Schleimblatt  nicht  berücksichtigte.     Dieses  Blatt  liegt  nämlich  nur  so 
lange  an  der  Wirbelsäule  an,    als  die  Gekrösplatten  noch  nicht  senkrecht  stehen. 
So  wie  aber  die  Gekrösplatten  sich  senkrecht  stellen ,  wird  die  zarte  Bindemasse 
zwischen  dem  Schleimhlalte  und  den  übrigen  Lagen  in  der  Mitte  des  Embrro  im- 
mer lockerer,    und  das  Schleimblall  steht  daher  ab.  —     Wenn  nun  die  untern 
Winkel  beider  Gekrösplatten  sich  einander  nähern ,  so  schieben  sie  sich  über  dem 
Schleimblatle  weg  und  lösen  dieses  immer  mehr  von  der  Wirbeisäule  ab,    so  dals 
nach  gebildeter  Naht  keinesweges  ein  'Fheil  des  Schleimblattes  in  der  nun  geschlos- 
senen Naht  enthalten,  sondern  das  ganze  Schleimblatt  von  derselben  hervorgetrie- 
ben ist.     Es  folgt  daraus,  dals,  so  lange  die  Gekrösplatten  noch  nicht  senkrecht 
stehen,  der  Halbkanal  zwischen  ihnen  nach  unten  allerdings  völlig  offen  und  nach 
oben  von  der  Schleimhaut  ausgekleidet  ist,    dafs  aber,   wenn  die  untern  Ränder 
oder  Winkel  der  Gekrösplatten  sich  einander  nähern  ,    der  Halbkanal  nicht  nach 
unten  offen,  sondern  von  dem  hervorgetriebenen,  sehr  dünueu Schleimblatte  über- 
deckt ist.     Hieraus  sieht  man  ferner,  dafs,  wenn  nach  Bildung  der  Naht  die  Lücke 
völlig  umschlossen  ist ,  sie  von  allen  Seiten  nur  vom  Gefäfsblatte  umgeben  ist.     K.s 
wird  also  dieser  Kanal  im  Gekröse  auf  ähnliche  Weise  durch  das  Gefäfsblalt  ge- 
bildet, wie  oben  der  Kanal  für  das  Rückenmark  durch  Verwachsung  der  Rücken- 
platten.    Die  Lücke  im  Gekröse  xsl  dreiseitig  eine  Kante,    ist  nach  unten  gegen 

F  2 


44 

die  Naht  gerichtet,  zwei  Flächen  seithch  gegen  die  Gekrösplatten  und  eine  Fläche 
nach  oben  gegen  den  Theil  der  Gefäfshaut,  der  an  der  Wirbelsäule  angeheftet 
bleibt.  Die  Lücke  verbleibt  ziemlich  lange  unausgefüllt ,  wenigstens  den  ganzen 
dritten  Ta«  hindurch,  aber  unter  steter  Veränderung,  denn  sie  nimmt  an  Breite 
zu  aber  an  Höhe  stets  ab,  bis  sie  ganz  verschwindet.  Die  obern  Winkel  beider 
Gekrösplatten  nämlich  rücken  nicht  von  der  Stelle,  gehalten  durch  die ,  unten  zu 
besprechende,  Bildung  der  Wolff 'sehen  Körper,  und  da  der  Fötus  immer  breiter 
wird ,  so  mufs  die  obere  Fläche  sich  vergröfsern.  Dagegen  legen  sich  die  Gekrös- 
platten,  vom  Augenblicke  der  Bildung  der  Naht  an,  immer  mehr  an  einander ,  wo- 
bei sie  in  senkrechter  Richtung  zunehmen,  so  dafs  in  der  zweiten  Hälfte  des  drit- 
ten Ta«es  die  Platten  in  der  Mitte  des  Leibes  schon  eine  ansehnliche  Höhe  haben 
und  also  schon  ein  unverkennbares  Gekröse  bilden. 

Diese  Bildungsart  des  Gekröses  stimmt  nicht  nur  so  vollkommen  mit  seinem 
Baue  in  erwachsenen  Thieren ,    dafs  sie  schon  dadurch  an  sich  klar  ist ,    sondern 
ist  auch  von  mir  so  vielfältig  in  allen  einzelnen  Momenten  gesehen ,   dafs  darüber 
nicht  der  geringste  Zweifel  obwalten  darf.     Was  die  Untersuchung  bei  den  ver- 
schiedenen Uebergängen  sehr  erleichtert ,  ist  der  Umstand ,  dafs  die  Veränderung 
nicht  in  der  ganzen  Länge  des  Fötus  gleichzeitig  erfolgt.     Vielmehr  rückt  die  Ver- 
wachsung d.  h.  die  Bildung  der  Naht  allmählig  von  vorn  nach  hinten  fort,   und 
vor  der  Mitte  des  dritten  Tages  findet  man  daher  im  hintern  Theile  des  Fötus  die 
Naht  noch  nicht  gebildet,  während  in  der  Mitte  sie  da  ist  und  nach  vorn  schon  et- 
was Gekröse.     Nach  der  Verwachsung  der  Gekrösplatten  in  ihrer  ganzen  Länge 
ist  aber  das  Wachsthum  des  Gekröses  etwas  hinter  der  Mitte  des  Rumpfes  bei  wei- 
tem rascher,  als  in  der  übrigen  Länge.     Verfolgt  man  in  der  ersten  Hälfte  des  drit- 
ten Tages  die  Gekrösplatten  nach  vorn  bis  in  den  schon  umschlossenen  Theil  des 
Leibes  ,  so  sieht  man,  dafs  hier  über  dem  schon  gebildeten  Theile  des  Speisekanals 
ein  eben  solches  sehr  kurzes  Gekröse  ist,   welches  nur  am  vordersten  Ende  des 
Speisekauais  aufhört ;  dafs  die  Platten  des  Gekröses  sich,    nachdem  sie  die  Naht 
gebildet  haben,  nach  unten  aus  einander  begeben,   den  aus  dem  Schleimblatte  ge- 
bildeten vordem  Theil  des  Speisekanals  umfassen  und  sich   nach  unten  wieder 
vereinigen,  so  dafs  also  der  schon  geformte  Theil  des  Speisekanals  aus  einer  in- 
nern     von  dem  Schleimblatte  gebildeten,  und  aus  einer  äufsern,   von  dem  Gefäfs- 
blatte  erzeugten  Röhre  besteht.    Wir  sehen  daraus ,  dafs  dieser  vorderste  Theil  sich 
auf  eben  die  Weise  früher  gebildet  haben  mufs ,  die  wir  nun  sogleich  vom  Darme 
näher  beschreiben  wollen ,  wo  sie  sich  im  Fortschreiten  besser  beobachten  läfst. 
Darmplat-  Wir  kehren  also  wieder  zu  dem  offenen  Theile  des  Leibes  zurück.     Bis 

Icn  zur  Schliefsuug  der  Naht  des  Gekröses  verhält  sich  das  Schleimblatt  ganz  leidend. 


Kaum  aber  ist  dieses  erfolgt ,  so  wird  es  selbstständig.  Nach  geschlossener  Naht 
erhebt  sich  nämlich  auf  jeder  Seite  ein  schmaler  Streifen  des  Gefäfsblattes  mit  dem 
Schleimblatte  zugleich  von  neuem  aus  der  horizontalen  Ebene  in  die  senkrechte. 
Beide  Streifen  stofsen  mit  ihren  obern  Rändern  an  die  Naht  oder  an  das  Gekröse, 
da  während  dieser  Zeit  die  Naht  sich  in  das  Gekröse  d.  h.  aus  einer  Linie  in  eine 
Fläche  auszieht.  Der  untere  Rand  des  sich  erhebenden  Streifens  geht  in  einen 
Winkel  in  die  (relativ)  horizontale  Fläche  der  Seitenkappen  über.  Beide  Strei- 
fen sind  an  ihrer  innern  Fläche  concav,  an  der  äufsern  convex  und  umschlieisen 
also  einen  Halbkanal ,  -welcher  der  noch  offene  Darm  ist.  So  wie  früher  der  Theil 
des  Gefäfsblattes,  der  sich  abgrenzte  zur  Bildung  der  Gekrösplatte,  um  so  mehr 
sich  verdickte,  je  mehr  er  sich  senkrecht  stellte,  eben  so  verdickt  sich  der  neu 
sich  abgrenzende  Theil  von  oben  nach  unten,  und  diese  Verdickung  findet  sich 
ebenfalls  im  Schleimblatte ,  wenn  auch  nicht  ganz  in  demselben  Maafse ,  und  be- 
weiset eben,  dafs  das  Schleimblatt  nicht  unthätig  bei  dieser  Metamorphose  ist. 
Es  scheint  vielmehr  bedingend.  Wir  nennen  nun  diese  beiden  Streifen  Darmplat- 
ten, und  machen  darauf  aufmerksam,  dafs  sie  aus  dem  Schleimblatte  und  dem  Ge- 
fäfshlatte  zugleich  bestehen.  Die  Darmplatten  nähern  sich  einander  nach  unten 
immer  mehr,  und  bilden  so  eine  ziemlich  tiefe  Rinne  von  der  Mitte  des  3ten  Ta- 
ges an.  Wir  nennen  sie  Darmrinne ,  da  sie  den  nicht  geschlossenen  Theil  des 
Darm  -  oder  Speisekanals  umfafst.  Alles  scheint  anzudeuten ,  dafs  die  Panne  sich 
bald  in  der  ganzen  Länge  durch  eine  Naht  schliefseu  will.  Indessen  erfolgt  die 
Umwandlung  des  Halbkanals  in  ein  geschlossenes  Rohr  nur  allmählig  und  nicht 
durch  eine  mittlere  Naht,  sondern  indem  sich  von  den  beiden  Enden  aus  die  schon 
beschlossenen  Anfangs-  und  Endtlieile  des  Speisekanals  gegen  die  Mitte  verlängern. 
Während  nämlich  von  den  Seiten  die  Keimhaut  sich  gegen  den  Embryo 
wölbt,  um  mit  ihren  innersten  Theilen  in  die  Organisation  des  Embryo  überzu- 
gehen, war  dasselbe  in  der  Längendimension  von  den  beiden  Enden  aus  schon 
früher  erfolgt,  wie  uns  die  Abbildungen  IV.  V.  und  VI.  versinnlichen  werden. 
Wir  wissen ,  dafs  am  Ende  des  2ten  Tages  die  Kopfkappe  schon  bedeutend  war, 
uud  dal's  auch  mit  dem  hintern  Ende  der  Embryo  über  seine  Anheflung  an  das 
Keimblatt  hinauswuchs,  so  dafs  von  unten  aus  betrachtet  das  hinterste  Ende  der 
Wirbelsäule  durch  den  Unnvurf  der  Keimblätter  schon  etwas  verdeckt  wurde. 
Die  Stelle  dieser  hintern  Umbeugung  rückt  nun  während  des  dritten  Tages  immer 
mehr  nach  vorn.  Eben  so  rückt  die  Umbeugung,  welche  die  hinlere  Grenze  der 
Kopfscheide  bezeichnet,  immer  weiter  nach  hinten.  Durch  das  Fortschreiten 
beider  Unibeugungen  wird  immer  mehr  vom  Gefäfs  -  und  Schleimblatte  nach  in- 
nen gekehrt  und  wird  durch  diese  Umkehrung  unmittelbarer  Theil  des  Speise-     /£\> 

L  I  B  R  A  R  Y  j 


46 

kanals.  Natürlich  laufen  die  schon  geschlossenen  röhrenförmigen  Theile  mit  offe- 
uen  Mündungen  gegen  den  noch  uligeschlossenen  mittlem  Theil  oder  die  Darm- 
rinne aus.  Die  Wände  der  geschlossenen  Enden  des  Speisekanals  hören  hier  aber 
nicht  auf,  sondern  biegen  sich  nach  allen  Seiten  in  die  Kappe  und  die  Keimhaut 
als  ihre  unmittelbare  Fortsetzung  um.  Nur  mit  ihrer  oberu  Wand  gehen  sie  durch 
die  Darmrinne  unmittelbar  in  einander  über.  Der  Eingang  in  den  Mastdarm  ist 
■während  des  ganzen  dritten  Tages  sehr  weit,  und  der  Mastdarm  selbst  ist  in  der 
ersten  Hälfte  des  dritten  Tages  nur  eine  weite  und  tiefe  Grube,  ähnlich  der  Form  der 
Rachenhöhle  am  Anfange  des  zweiten  Tages.  Am  Ende  des  dritten  Tages  ist  je- 
ner ein  weiter,  etwas  gekrümmter  Trichter,  dessen  stumpfes  Ende  fast  ganz  bis 
au  die  Spitze  der  Wirbelsäule  reicht  und  hier  bestimmt  geschlossen  ist,  indem 
sich  vom  After  noch  keine  Spur  erkennen  läfst.  Da  nun  der  hintere  über  der  Ver- 
bindung mit  dem  Dotter  hervorragende  und  verdünnte  Theil  des  Embryo  in  Form 
eines  kurzen  Schwanzes  herabgekrümmt  ist ,  so  scheint  es ,  als  ob  der  Darmkanal 
in  den  Schwanz  hineinragte ,  im  Grunde  aber  ist  der  wahre  Schwanz  noch  gar 
nicht  da ,  sondern  wächst  erst  vom  vierten  Tage  an  über  den  Mastdarm  hinaus, 
mit  Ausnahme  eines  überaus  kleinen  Spitzchens ,  welches  schon  am  Ende  des  drit- 
ten Tages  sich  zeigt.  Der  vordere  Theil  des  Speisekanals  ist  am  Anfange  dieses 
Tages  ziemlich  weit ,  nur  die  zukünftige  Speiseröhre  enthaltend.  Der  Theil,  der 
sich  in  der  Mitte  dieses  Tages  bildet,  wird  zum  Magen,  ist  aber  noch  unmerk- 
lich weiter,  als  der  am  Ende  desselben  Tages  sich  bildende  Anfang  des  Zwölffin- 
gerdarmes. Nur  noch  ungefähr  ein  Drittheil  der  ganzen  Länge  des  Speisekanals 
hat  am  Schlüsse  des  dritten  Tages  die  Form  einer  Rinne:  diesen  ungeformten  Theil 
nennt  Wo lff  den  Mitteldarm.  Es  ist  aber  der  zukünftige  ganze  Dünndarm  des 
Huhnes. 
/.  Speise-  Wenn  wir  mit  Wolff  die  Bildung  der  umschlossenen  Enden  des  Speise- 

Kanal,  kanals,  um  sie  in  ihren  einzelnen  Momenten  verfolgen  zu  können,    als  eine  Hin- 

einstülpung der  Kopf-  und  Schwanzscheide  dargestellt  haben,  so  versteht  es 
sich  von  selbst,  dafs  diese  Hineinstülpung  nicht  auf  ganz  mechanische  W  eise  zu 
denken  ist,  wodurch  die  früher  in  eine  Fläche  ausgebreiteten  Blätter  der  Keim- 
haut sich  in  Falten  zusammenlegen  müfsten ,  vielmehr  ist  diese  Einstülpung  mit 
einem  organischen  Wachsen  verbunden,  und  man  kann  mit  demselben  Rechte  sa- 
oen  dafs,  nachdem  durch  die  Enden  der  Rückensaite  die  Stellen  für  Mund  und 
After  bestimmt  sind,  beide  Enden  des  Speisekanals  aus  den  untern  Schichten  der 
die  Dotterkugel  umkleidenden  Keimhaut  herausgezogen  würden,  so  dafs  die  Dot- 
terkugel der  gemeinschaftliche  Mittellheil  beider  Enden  des  Speisekanals  ist ,  in 
welche  beide  übergehen.     Noch  richtiger  ist  es,   wenn  wir  die  Darmbildung  mit 


47 

der  vorhergehenden  Gekrösbildung,  so  wie  die  Zusammenneigung  der  Bauchplat- 
ten als  fortgehende  Abschnürung  des  Fötus  vom  Dotter  und  dem  ihn  bekleidenden 
Keimblatte  betrachten,  denn  die  Verbindung  zwischen  beiden  verengert  sich  bis 
zum  Ende  des  5ten  Tages  immer  fort,   nicht  nur  relativ  zum  wachsenden  Fötus 
(was  als  ein  blofses  UeberwachseiL  des  Fötus  gedeutet  werden  könnte) ,    sondern 
auch  absolut.     Im  Grunde  aber  besteht  die  Metamorphose  aus  allen  dreien  Momen- 
ten zugleich.     Dafs  ein  wirkliches  Hineinstülpen  des  Keimblattes  da  sey ,    lehren 
die  Gefäfsstämme,    deren  Einniündungsstellen  immer  mehr  sich  hineinziehen,  so 
dafs  z.  B.  die  eintretenden  Venenstämme  am  Anfange  des  dritten  l'ages  ganz  am 
hintern  Rande  der  Kopffalte  gerade  eingehen,   im  weitem  Verlauf  des  dritten  Ta- 
ges aber  um  dun  hintern  Band  der  Kopfscheide  herum  nach  innen  laufen  müssen 
und,  ganz  verdeckt  von  ihm,  zusammen  münden.    Dafs  zugleich  ein  Ausziehen  der 
Enden  des  Speisekauais  Statt  finde,    sehen  wir  daraus,    dafs  die  schon  gebildeten 
Cyliuder  anfänglich  weit  sind,  dann  sich  immer  dünner  ausziehen,  und  erst  später 
und  zwar  da,  wo  sie  nicht  in  Berührung  mit  dem  noch  nicht  ausgezogenen  Theile 
des  Dotters  sind,    in  sich  selbst  sich  zu  einer  weitern  Höhlung  ausdehnen.     Die 
Abschnürung  lehrt,  wie  schon  bemerkt  wurde,  die  absolut  kleiner  werdende  Com- 
municationsöffuung  zwischen  Dotter   und  Fötus,    und  dafs  dieses  Verhältnifs  im 
Grunde  das  vorherrschende  ist ,  ergiebt  sich  wohl  daraus ,   dafs  hieran  alle  Schich- 
ten des  Keimblattes  und  alle  Theile  des  Fötus ,  die  mit  ihm  verbunden  sind ,  und 
zwar  von  allen  Seiten  in  der  Längen-  und  Queerdimension ,  zu  gleicher  Zeit  Theil 
nehmen.       Es  bildet  sich  daher  am  Darmkanal  keine  untere  Naht,    weder  im 
Schleimblatte  noch  im  Gefäfsblatte,    sondern  es  ist  so,    als  ob  eine  unsichtbare 
Hand  die  Communication  zwischen  Embryo,   Keimhaut  und  Dotter  zusammen- 
schnürte ,  wobei  das ,  was  vom  Darme  gebildet  wird ,  nicht  erst  aus  zwei  Hälften 
erwächst,  sondern  sogleich  ganz  da  ist. 

Das  war  es,  was  wir  oben  ($.  4.  §.  5.  «.)  als  die  für  diese  Periode  characte-  ä-  Umhat, 
ristische  Abschnürung  bezeichneten.  Wir  erwähnten  aber  zugleich  der  Eiuhül-  bryo  "weh 
lun"  des  Embryo-     Diese  »eschieht  auf  folgende  Weise.     Indem  die  Blätter  iuner-  dle.  a,,g?- 

~  J  "  o  meine    Kajj- 

halb  der  Bauchplatten  sich  von  einander  trennen  und  die  untere  Lage  (Gefäfsblatt  p& 
und  Schleimblatt)  sich  blähend  nach  unten  wölben,  während  der  untere  Rand 
der  sich  nach  unten  und  innen  bewegenden  eigentlichen  Bauchplatte  sich  über  dem 
Gefäfsblatte  grade  so  wegschiebt,  Arie  die  Gekröspfatte  über  dem  Schleimblatte 
um  die  Naht  zu  bilden ,  hebt  sich  der  äufsere  Rand  der  Seitenkappen  über  den  un- 
tern Rand  der  Bauchplatte  ungefähr  bis  zur  Hohe  der  Rückensaite  des  Fötus,  und 
geht  erst  in  dieser  Höhe  in  einem  anfangs  stumpfen,  dann  rechten ,  zuletzt  spitzen 
Winkel  in  das  übrige  Keimblatt  über.  (Fig.  6',  6").      In  der  Läugendirnensioo 


48 

war  dieser  Winkel  am  vordem  Rande  der  Kopf  kappe  schon  viel  früher  da.  Er 
wird  im  Verlauf  des  dritten  Tages  spitzer  und  erhebt  sich  bis  über  das  Vorder- 
eude  des  Kopfes.  (Fig.  VI.  t.)  An  der  Schwanzkappe  tritt  der  Winkel ,  in  wel- 
chem die  Schwanzkappe  hinten  endet,  erst  im  Verlauf  des  dritten  Tages  auf,  et- 
was früher  als  der  Winkel  der  Seitenkappen.  Es  bildet  sich  also  ein  scharfer 
Winkel  im  ganzen  Umfange  der  allgemeinen  Kappe ,  in  Form  eines  elliptischen 
Ringes ,  in  welchem  das  Keimblatt  scharf  umwendend  aus  der  Kappe  in  seine 
übrige  Fläche  übergeht.  Die  Ebene  dieses  Ringes  streift  denRücken  des  Embryo ; 
der  gröfsere  Theil  des  Embryo  liegt  unter  dieser  Ebene,  ist  also  in  den  Dotter  ein- 
■•esenkt.  Der  Ring  verengt  sich  und  verdeckt  etwas  die  Seitenränder,  Kopf-  und 
Schwanzende  des  Embryo.  Von  unten  angesehen  ist  der  Embryo  ganz  verhüllt, 
von  oben  nur  in  seinem  Umfange.  Dadurch  wurde  Wolff  veranlafst,  diese  Wöl- 
bung der  Keimhaut,  die  wir  die  allgemeine  Kappe  genannt  haben,  um  es  sogleich 
deutlich  zu  machen,  dafs  die  Kopfkappe  nur  der  Anfang  dieser  Bildung  war, 
das  fälsche  Amnion  zu  nennen. 

Die  Umhüllung ,  die  der  Embryo  durch  die  Kappe  von  unten  erhält ,  ist 
die  Vorbereitung   zur  Bildung   einer  vollständigen  Einhüllung  durch  das  wahre 
Amnion.      Die  Kappe  enthält  nämlich  schon  einen  Theil  des  Amnion  und  bald 
bildet  sich  auch  der  übrige  auf  folgende  Weise. 
/    Einimi-  So  wie  die  Kappe  sich  in  jedem  einzelnen  Theile  zu  bilden  anfängt,   ent- 

lang   durch  j1;1|t  sie  arje  Schichten  des  Keimblattes.     Bald  aber  zeigt  sich  die  oft  besprochene 
Amnion3 '  "'  Trennung  der  Blätter.     So  Avie  sich  der  scharfe  Winkel  des  Umfangs  der  Kappe 
«ebildethat,    ist  auch  schon  die  Trennung  bis  dahin  gediehen,   und  nun  erhebt 
sich  das  seröse  Blatt  selbstständig  in  eine  Falte ,  die  wir  die  Amnionsfalte  nennen. 
Die  Basis  der  Amnionsfalte  ist  der  elliptische  Ring,    den  der  Winkel  der  Umbeu- 
>uu"  bildet.     Die  Falte  erhebt  sich  aber  natürlich  nicht  im  ganzen  Umfange  zu- 
gleich,  da  die  Kappe  selbst  und  der  Winkel  nicht  gleichzeitig  sich   ausbilden. 
Zuerst  tritt  sie  am  Vorderende  der  Kopf  kappe  auf,  und  die  bogenförmige  Falte,  die 
wir  schon  am  2ten  Tage  (§.  2.  x.)  vor  dem  Kopfe  des  Embryo  bemerkten,    ist  der 
Anfan«*  dieser  Bildung.     Diese  vordere  Falte  zieht  sich  ziemlich  rasch  über  den 
Kopf  und  Hals ,   und  da  sie  eine  Erhebung  des  serösen  Blattes  aus  der  vordem 
Grenze  der  Kopfkappe  ist ,  so  wird  erst  jetzt  aus  der  Kopfkappe  eine  Kopf  scheide, 
welche  den  Kopf  umhüllt,   unten  aus  der  Kopfkappe  (Fig.  VI._pr) ,   oben  aus  der 
Amnionsfalte  (rt)  bestehend.      Im  Anfange  des  dritten  Tages  tritt  ihr  entgegen 
«me  ähnliche  Falte  aus  dem  hintern  Ende  der  Schwanzkappe,  und  verwandelt  diese 
in  eine  wahre  Schwanzscheide.     Bald  erhebt  sich  nun  auch  die  Falte  von  der  Seite 
aus  den  Rändern  der  Seitenkappen,  indem  die  Schenkel  der  vordem  und  hintern 

Fal- 


49 


Falten  sich  gegen  einander  verlängern  und  sich  erreichen.  Schon  vor  der  Mitle 
des  dritten  Tages  hat  man  also  eine  zusammenhängende  elliptische  Falte ,  die  sich 
erhebt  und  zugleich  nach  oben  immer  verengt,  wodurch  sie  einen  Sack  um  den 
Fötus  beschreibt,  der  sich  allmählig  schliefst  und  nichts  Anderes  ist,  als  das  wahre 
Amnion.  Zwar  habe  ich  schon  Eier  untersucht,  bei  denen  das  Amnion  am  Ende 
des  dritten  Tages  ganz  geschlossen  war ,  indessen  glaube  ich  doch  als  Norm  an- 
nehmen zu  müssen,  dafs,  auch  ohne  alle  Verzögerung  in  der  Entwicklung ,  am 
Ende  des  3ten  Tages  das  Amnion  gewöhnlich  noch  eine  Oeffhung  von  einer  Linie 
Länge,  und  zwar  über  dem  Lendentheile  des  Fiückens  behält,  da  das  Amnion 
vom  Kopfe  aus  nicht  nur  am  frühesten  anfängt  sich  zu  entwickeln ,  sondern  auch 
am  raschesten  damit  fortfährt.  Indem  sich  die  Oeffnung  immer  mehr  verengt, 
sieht  man  an  ihrem  vordem  und  hintern  Ende  eine  kurze  Narbe,  so  dafs  es  scheint, 
es  sey  hier  eine  wahre  Verwachsung. 

Die  Basis  der  Amnionsfalte  sitzt  auf  dem  Umfange  der  Kappe.  Da  sie  aus 
dem  serösen  Blatte  der  Keimhaut  gebildet  wird,  so  ist  es  natürlich,  dafs,  wenn 
wir  von  den  Seitenwänden  aus  die  innere  Lamelle  der  Amnionsfalte  verfolgen, 
wir  an  dem  serösen  Blatte  fort  bis  zu  der  anliegenden  Bauchplatte  gelangen. 
(Fig.  6".)  Eben  so  läfst  sich  eine  Continuitäl  der  innern  Lamelle  der  Falte  überall 
durch  das  seröse  Blatt  bis  zum  Umfange  des  Fötusleibes  erkennen,  wir  mögen  von 
vorn ,  von  hinten ,  oder  von  der  Seite  ausgehen.  So  finden  wir  den  Umfang  des 
Ueberganges  von  der  äufsern  Fläche  des  Fötus  in  das  seröse  Blatt  der  Keimhaut, 
und  es  ist  klar,  dafs,  wenn  durch  irgend  einen  Umstand  entweder  die  Basis  der 
Amnionsfalte  oder  die  äufsere  Lamelle  dieses  Blattes  unkenntlich  würde,  man 
noch  augenscheinlicher  den  Zusammenhang  des  Amnions  mit  dem  Fötus  erkennen, 
und  den  ganzen  Theil  des  serösen  Blattes  vom  Rande  der  Falte  an  bis  zum  Fötus 
als  zum  Amnion  gehörig  ansehen  würde.  Eiu  solcher  Umstand  tritt  aber  später 
wirklich  ein,  und  das  Amnion,  wie  es  später  selbstständiger  erscheint,  besteht 
dann  nicht  blofs  aus  der  Amnionsfalte  (Fig.  VI.  r  t ,  s  u) ,  die  am  3ten  Tage  her- 
vorwächst, sondern  auch  aus  dem  Theile,  der  schon  früher  da  war  (p  r,  q  «). 
Da  der  Uebergang  des  Fötus  in  das  seröse  Blatt  sich  eben  so  wohl  abschnürt,  als 
seine  Uebergänge  in  andere  Blätter,  so  rückt  mithin  die  Umbeugung  von  allen 
Seiten  näher  zusammen.  So  war  am  Ende  des  vorigen  Tages  der  hinterste  Theil 
des  Herzens  noch  unbedeckt  vom  serösen  Ueberzuge  und  lag  zwischen  dem  serösen 
Blatte  und  dem  Schleimblatte.  Im  Verlaufe  des  dritten  Tages  wird  durch  Fort- 
rücken der  Umbeugung  nicht  nur  das  Herz  ganz  von  einem  serösen  Ueberzuge 
bedeckt,  sondern  dieser  geht  noch  hinter  das  Herz  und  bekleidet  den  obersten 
Theil  der  zukünftigen  Brustgegend.     Eben  so  wird  der  hinterste  Theil  der  Unter - 

G 


50 

Ieibsgegend  von  einem  serösen  Ueberzuge  bedeckt.  Von  der  Seite  rückt  zwar  der 
Ueb'ergang  auch  näher  zusammen,  da  aber  die  Bauchplatten  sich  anfanglich 
gefaltet  hatten  und  erst  allmählig  aus  der  Faltung  sich  nach  aufsen  stellten ,  so 
fehlt  noch  eine  aus  dem  serösen  Blatte  gebildete  seitliche  Wandung. 

i.    Krüm-  Während  diese   Abschuürung   und   Umhüllung   sich   bildet,    bleibt  der 

m  u  n  2.        d  gs 

Embryo.  Embryo  nicht  gerade,  sondern  er  krümmt  sich  in  doppelter  Hinsicht.  Wir 
erinnern  uns ,  dafs  schon  am  ersten  Tage  das  vorderste  Ende  der  Rückenplatten 
vor  und  nach  der  Verwachsung  sich  über  den  Knopf  der  Rückensaite  hinüber  bog, 
dafs  am  zweiten  Tage  der  hintere  Theil  des  Kopfes  bis  zum  Ende  des  verlängerten 
Markes  eine  leichte  Krümmung  nach  unten  erhielt.  Diese  Krümmung  nimmt 
vom  Anfange  des  dritten  Tages  an  rasch  zu.  Die  Folge  davon  ist,  dafs  das  vor- 
dere Ende  des  Fötus  tiefer  nach  unten  geschoben  wird,  und  damit  hängt  die 
stärkere  Wölbung  der  Kopfkappe  nach  unten  zusammen.  Zugleich  schiebt  sich 
immer  mehr  von  dem  Rücken  über  und  an  den  Knopf  der  Rückensaite.  Am 
Ende  des  2ten  Tages  stand  nur  die  vorderste  Hirnblase  oder  das  grofse  Hirn  und 
nicht  einmal  vollständig  vor  dem  Knopf  der  Rückensaite.  Im  Sten  Tage  geht 
auch  die  zweite  Hirngegend  darüber  weg ,  und  der  vordere  Rand  der  Vierhiigel 
erreicht  beinahe  den  Knopf.  Mehr  aber  noch  als  die  vordere  Kopfgegend  rückt 
der  hintere  Theil  des  künftigen  Kopfes ,  der  am  zweiten  Tage  äufserlich  von  dem 
übrigen  Bücken  gar  nicht  zu  unterscheiden  war,  nach  vorn,  was  man  am  deut- 
lichsten an  dem  nach  vorn  rückenden  Ohre  erkennt.  Eine  Folge  davon  ist,  dafs 
die  Kopftheile  sich  immer  mehr  zusammendrängen ,  und  nun  erst  die  Form  eines 
Kopfes  annehmen.  Am  Anfange  des  2ten  Tages  ist  die  erste  Hirnblase,  der 
dritte  Ventrikel  mit  dem  Trichter,  der  vorderste  Theil  des  ganzen  Embryo  her- 
vorgetreten ;  am  3ten  Tage  bildet  die  Blase  der  Vierhügel  das  vordere  Ende ,  das 
aber  allmählig  auch  nach  der  Bauchseite  sich  bewegt,  indem  am  Ende  des  dritten 
Tages  auch  schon  eine  Krümmung  im  Nacken  bemerklich  wird ,  die  aber  erst  am 
4ten  Tage  sich  mehr  ausbildet.  Zugleich  krümmt  sich  auch  das  Hinterende  des 
Körpers  nach  unten. 

k.  Drehung  Im  Vorderende  ist  ferner  die  Krümmung  eine  doppelte,    denn  wenn  sie 

Seite.  dCr  auch  als  eine  Krümmung  nach  unten  beginnt,  so  verbindet  sich  doch  sehr  bald 
mit  ihr  eine  Drehung  auf  die  linke  Seite,  so  dafs  die  Spitze  des  Kopfes  sich  nach 
der  rechten  Seite  des  Fötus  dreht.  Die  Drehung  beginnt  am  Kopfe  und  rückt 
allmählig  fort,  so  wie  der  Fötus  sich  schliefst.  Der  offene  Theü  des  Leibes  ist 
den  dritten  Tag  hindurch  noch  gerade,  oder,  ehe  der  Schwanz  sich  auf  die  linke 
Seite  dreht,  5 förmig  gebogen ,  auf  dem  Bauche  hegend. 


51 

Das  Drehen  des  Embryo  auf  seine  linke  Seite  ist  ein  sehr  wichtiges 
Moment  in  der  Bildungsgeschichte  des  Fötus ,  denn  mit  ihm  hängen  viele  Ver- 
änderungen, namentlich  die  Metamorphose  des  Herzens  auf  das  innigste  zu- 
sammen. Die  linke  Seite  des  Embryo  zeigt  schon  bei  Entwickelung  des  Kreis- 
laufes eine  physiologische  Verschiedenheit  von  der  rechten ,  denn  sie  ist  im  Ver- 
hältnifs  zu  dieser  die  receptive,  aufnehmende  Seite.  Die  aufsteigende  Vene 
steigt  am  bnken  Rande  des  Fötusleibes  in  die  Höhe  und  geht  von  links  nach  rechts 
in  den  Fötus  ein.  Sind  zwei  herabsteigende  Venen  da,  so  ist  doch  die  Unke 
stärker  und  hat  ein  weiteres  Flufsgebiet,  wie  man  wohl  den  Umfang  der  Körper- 
gegend nennen  kann,  aus  welchem  das  Venenblut  aufgenommen  wird,  als  die 
rechte  absteigende  Vene.  Ist  nur  eine  solche  Vene ,  so  ist  es  eben  die  linke ,  und 
auf  der  rechten  Seite  bildet  sich  erst  allmählig  eine  kleine  analoge,  welche  das 
Blut  aus  der  Kopfscheide  aufnimmt.  Von  der  linken  Seite  strömt  nämlich  nicht 
nur  das  Venenblut  ein ,  sondern  auch  die  Eingänge  in  den  Speisekanal ,  besonders 
der  vordere,  stellen  sich  immer  mehr  links,  und  der  ganze  offene,  rinnenförmige 
Theil  des  Speisekanals  liegt  mehr  links,  und  nach  der  Drehung  hegt  der^ganze 
Dotier  an  der  linken  Seite  des  Vogel  -  Embryo. 

Wie  wichtig  dieses  Verhällnifs  seyn  mufs,  sieht  man  daraus,  dafs  in  allen 
Thieren ,  bei  denen  der  Dottersack  nicht  gleich  anfangs  vom  animalischen  Theil 
umwachsen  wird ,  wozu  immer  eine  ursprüngliche  Ausdehnung  des  Keimblattes 
gehört,  sondern  der  Fötus  vom  Dottersacke  auf  kürzere  oder  längere  Zeit  sich  ab- 
schnürt, der  Dottersack  an  der  linken  Seite  des  Fötus  liegt,  so  der  Dotter  bei 
Eidechsen,  Schlangen,  Vögeln,  so  die  Nabelblase  in  allen  Säugethieren ,  die  ich 
bisher  im  Embryonenzustande  zu  untersuchen  Gelegenheit  hatte.  Unter  mehreren 
hundert  Embryonen  des  Huhnes  fand  ich  nur  zwei,  welche  die  rechte  Seite  dem 
Dotter  zugekehrt  hatten.  "  In  dem  einen  war  die  Drehung  noch  nicht  weit  vorge- 
schritten ,  und  das  Herz  hatte  ganz  die  gewöhnliche  Form  und  Lage ,  so  dafs  ich 
zweifelhaft  bin ,  ob  diese  falsche  Wendung  sich  nicht  noch  aufgehoben  hätte.  In 
dem  andern  Falle  aber  hatte  schon  der  halbe  Fötus  sich  auf  die  rechte  Seite  ge- 
dreht, die  hintere  Hälfte  war  nicht  ganz  gerade,  sondern  eigenthümhch  gedreht} 
als  ob  sie  eine  Gewalt  erlitten  hätte.  Das  Herz  war  hier  ganz  umgekehrt 
gestellt ;  die  Vorkammer  lag  nach  rechts ,  die  Wölbung  der  Kammern  nach  links, 
und  so  war  in  allen  seinen  Theilen  das  umgekehrte  Verhältnifs  der  Lage,  die  wir 
als  die  normale  beschreiben  werden.  Ich  kann  daher; nicht  zweifeln,  dafs  hier 
ein  Situs  inversus  sich  zu  bilden  angefangen  habe.  Etwas  häufiger  fand  ich  bei 
Säugethier- Embryonen,  namentlich  in  Schweinen ,  wo  das  Ei  des  Fötus ,  nicht 
durch  eine  harte  Schaale  eingeschlossen,  mehr  durch  die  äufsern  Umgebungen  in 

G  2 


:  [ LIBRARY] 


ges. 


52 

der  Entwickelung  der  ihm  eigenthünilichen  Rauniverhältnisse   gehindert   -wird, 
die  Nabelblase  nach  rechts  liegen ,   etwa  iu  1 2  Fällen  einmal ,    aLer  nie  ohne  dafs 
die  Nabelblase  eine  verdrehte  Form  halte,    indem  beide  Zipfel  derselben  nach 
demselben  Ende  des  Eies  hinliefen. 
!.    Gefafi-  Von  diesen  Betrachtungen  nehmen  wir  Veranlassung,  zur  Metamorphose 

Anfluge  d"!  dfiß  Gefäfssystems  während  des  dritten  Tages  überzugehen ,   da  auf  dieses  System 

dritten    Ta-  c]je  Drehung  den  gröfsten  Einilufs  ausübt. 

Während  des  dritten  Tages  nun  erweitert  sich  nicht  nur  der  Gefäfshof, 
sondern  die  Grenzvene  tritt  immer  stärker  hervor.  Es  mehrt  sich  auch  sichtlich 
die  Zahl  der  Blutgefässe  im  Gefäfsraume.  In  die  Gegenden,  welche  ursprünglich 
fast  nur  von  Venen  besetzt  waren ,  in  die  Kopf  kappe  und  das  vordere  und  hintere 
Ende  des  Geläfsraumes,  verzweigen  sich  die  Arterien,  und  in  den  Seitentheilen  des 
Gefäfsraumes  büden  sich  neue  Venen ,  die  sich  auf  der  linken  Seite  in  die  aul- 
steigende Vene  ergiefsen ,  auf  der  rechten  Seite  aber  einen  eignen  Ideinen  Stamm 
bilden,  der,  da  er  nicht  das  Blut  aus  dem  hinlern  Thede  des  Gefäfsraumes 
empfängt,  niemals  die  Gröfse  der  aufsteigenden  bnken  Vene  erhält,  und  mit  der 
rechten  absteigenden  Vene  dicht  vor  ihrem  Eintritt  iu  das  Herz  sich  verbindet. 
Beide  Venenstämme  der  linken  uud  rechten  Seile  treten  in  einen  gemeinsamen 
Stamm  zusammen ,  der  schon  das  hintere  Ende  des  Herzens  ist ;  denn  jene 
Stämme  sind  dasselbe,  was  wir  im  2ten  Tage  die  Herzschenkel  (§.  2.  q.)  genannt 
haben.  Dieser  gemeinschaftliche  Stamm  wird  erst  im  Verlaufe  dieses  Tages 
durch  Entwickelung  der  Leber  vom  eigentlichen  Herzen  getrennt ,  erscheint  aber 
im  Anfange  noch  als  integrireuder  Theil  desselben ,  so  wie  er  nach  hinten  un- 
mittelbar in  die  beiden  Herzschenkel  sich  auszieht. 

Wir  wissen,  dafs  am  Ende  des  2ten  Tages  das  Herz  selbst  noch  die  Form 
eines  Kanals  hat,  dessen  Anfang  in  der  Miltellinie  der  Bauchlläche  liegt,  der  sich 
von  hier  unter  steter  Erweiterung  zuerst  ein  wenig,  nach  links  und  dann  stärker 
nach  rechts,  zugleich  aber  nach  unten  krümmt.  Von  der  Stelle  der  stärksten 
Konvexität  nach  rechts  uud  unten  nimmt  die  Weite  dieses  Kanals  wieder  ab  und 
er  geht  wieder  nach  links  und  oben,  theilt  sich  dann  schon  am  Anfange  des 
dritten  Tages  in  vier  Paar  Bogen,  von  welchen  der  erste  dicht  am  hintern  Rande 
d<  r  nun  geöffneten  Mundspalte  verläuft  und  den  stärksten  ßlutstrom  aufnimmt, 
der  hinterste  aber  so  schwach  ist,  dafs  er  nur  mit  grofser  Sorgfalt  erkannt  wird 
und  von  dem  durchschiel'senden  ßlule  noch  nicht  geröthet  erscheint.  ZAvischen 
<len  Gefäfsbogen  verdünnt  sich  die  Körpermasse  in  den  bis  zum  ersten  Bogen 
reichenden  Bauchplatten,  und  so  entstehen  allmählig  drei  Paar  Spalten,  und  zwar 
die  beiden  vordem  zuerst,   dann  die  dritte.     Die  Spalten  gehen  durch  bis  in  die 


53 

innere  verdauende  Höhle,  den  Anfang  des  Speisekanals,  der  sich  zur  Rachen- 
höhle bildet.  Da  -während  des  zweiten  Tages  bestimmt  noch  keine  Spalten  be- 
stehen, sondern  diese  sich  mit  dem  Uebergange  in  die  zweite  Periode  durch  Tren- 
nung bilden ,  so  ist  es  nothwendig,  dafs  sie  anfänglich  im  Wachsen  begriffen  sind, 
sie  nehmen  aber  an  Breite  so  zu ,  dafs  sie  die  Gefafsbogen  unmittelbar  erreichen, 
vielmehr  befinden  sich  die  Blutgefäfse  in  sichelförmigen  Abschnitten  der  Bauch- 
platten,  die  nach  aufsen  couvex  und  breiter,  nach  innen  coucav  und  schmaler 
sind.     Wir  nennen  sie  mit  ihrem  Entdecker   Rathke   Kiemenbogen ,    da    ihre  Kiemen- 

bösen. 

Uebereinstimmuug  mit  den  Kiemenbogen  der  Fische  durch  den  Gefafsbogen 
augenscheinlich  ist.  Der  vierte  Kiemenbogen  ist  also  mit  der  übrigen  Bauch- 
platte noch  in  unmittelbarem  Zusammenhange.  Die  Spalten  sind  ursprünglich 
beinahe  parallel  und  senkrecht  gegen  die  Rückensaite  als  Achse  des  Körpers 
gerichtet. 

Die  vier  Gefäfsbogenpaare  treten  aber  au  der  untern  Fläche  der  Wirbel- 
säule nicht  unmittelbar  in  einen  Aortenslamm  zusammen,  sondern  die  Bogen  jeder 
Seite  vereinigen  sich  zu  einem  Gefäfse,  das  wir  eine  Jortenwurcel  nennen  wollen, 
uud  beide  Aortenwurzelu  vereinigen  sich  erst  eine  ziemliche  Strecke  hinter  dem 
vierten  Bogen  (es  ist  immer  noch  vom  Anfange  des  dritten  Tages  die  Rede)  in 
einen  gemeinschaftlichen  Stamm,  die  Aorta.  Der  Stamm  theilt  sich  sehr  bald 
wieder  uud  vertheüt  sich  auf  die  am  Schlüsse  des  zweiten  Tages  angegebene  Weise. 

Es  wird  Zeit  seyn,  die  einzelnen  Theile  des  Gefäfssystems  zu  benennen, 
oder,  was  dasselbe  isl ,  mit  dem  spätem  Zustande  desselben  zu  vergleichen. 
Sämmtliche  Venen  kommen  aus  der  dem  Dotter  zugekehrten  Keimhaut  und  sind 
Dottervenen.  Schleimhaut  und  Gefäfsblatt  sind  aber  der  werdende  Darmkanal 
mit  dem  Gekröse,  denn  wenn  auch  anfänglich  nicht  diese  ganzen  Blätter  Darm  zu 
werden  scheinen,  so  geschieht  es  doch  später.  Die  Venen  sind  also  Nabel- 
Gekrbsvenen,  Venae  oniphalo-mesentericae.  Da  der  schon  geformte  Theil  des 
Speisekanals  noch  keine  eigenen  Venen  zeigt,  überhaupt  dieser  Theil  auch  der 
Hals  -  und  Brustgegend  angehört ,  so  sind  sie  auch  das  gesammte  Pfortadersystem. 
Venen  im  schon  geformten  Fötus  lassen  sich  noch  nicht  unterscheiden.  Es  i>e- 
schränken  sich  also  sämmtliche  Venen  dieser  Zeit  nicht  nur  auf  das  Pfortader- 
system, sondern  auch  auf  den  Theil  desselben,  der  vom  Darm  und  Gekröse 
kommt.  Diese  Pfortader  geht  auch  nicht  nur  unmittelbar  in  das  Herz ,  sondern 
ihr  kurzer  Stamm  ist  eben  von  dem  aufnehmenden  Theile  des  Herzens  noch  gar  • 
nicht  unterschieden.  Am  Herzen  selbst  ist  die  stärkste  Wölbung,  die  zukünftige 
Spitze.  Man  kann  also  mit  Recht  sagen ,  dafs  die  Spitze  des  Herzens  nach  rechts 
gekehrt  ist.    Ein  Unterschied  zwischen  der  Herzkammer  und  dem  venösen  Theile, 


54 

oder  der  küuftigen  Vorkammer,  so  wie  zwischen  jener  und  dem  Aortenwulst,  ist 
auch  noch  gar  nicht  deutlich ,  wenn  auch  der  weitere  Verfolg  lehrt ,  dafs  aus  dem 
gewölbten  Theile  die  Kammer  wird.  Dagegen  sieht  man  im  Innern  dieser  Haupt- 
wölbung  einen  dunkeln  Streifen ,  den  ich  lauge  für  zurückgebliebenes  Blut  ange- 
sehen habe  in  welchem  ich  aber  endlich  den  feinen  Rand  emer  im  Innern  befind- 
lichen Falte  erkannte.  Es  ist  die  zukünftige  Scheidewand  der  Herzkammern, 
welche  schon  aus  dem  zweiten  Tage  stammt  (§.  2.  r.),  und  schon  bei  der  erstezi 
Entstehung  des  Herzens ,  wenn  nicht  gebildet ,  doch  veranlafst  seyn  mufs.  Es  ist 
also  nicht  eine  linke  Kammer  zuerst  da,  sondern  eine  Kammer,  welche  l>eide 
zukünftige  einschliefst.  —  Ueber  die  Bedeutung  der  Arterien  ist  wenig  mehr  zu 
sagen ,  als  dafs  die  beiden  grofsen  aus  dem  Embryo  tretenden  Aeste  die  Nabel  - 
Gekrösschlagadern ,  Arteriae  omphalo  -  mesentericae ,  sind, 
m.  Weiter-  Die  Weiterbildung,    welche   das  Gefäfssystem   im   Verlaufe    des  dritten 

Gefäts-  d"  Ta^es  erfahrt,  besteht  aufser  den  Veränderungen  im  und  am  Herzen  darin,  dafs, 
lystems.        nachdem  die  Venen  in  den  Seitentheilen  des  Gefäfshofes  sich  vermehrt  haben,  die 
Stämme,    in  welche  sie  gesammelt  werden,   sich  immer  mehr  an  die  Arterien- 
stämme anlegen.     So  liegt  neben  jeder  Gekrösschlagader  eine  Vene,   welche  in 
queerer  Richtung  auf  den  Embryo  zu  verläuft.     Am  Rande  des  sich  bildenden 
Darmes  und  Gekröses  tritt  jede  derselben  in  die  benachbarte  aufsteigende  Vene. 
Am  linken  Rande  liegt  die  ursprüngliche  aufsteigende  Vene,  die  aus  dem  hintern 
Ende  des  Gefäfsraumes  kommt.    Am  rechten  Rande  hat  sich  der  gemeinschaftliche 
Stamm  einer  andern  aufsteigenden  Vene  gebildet,    die  ein  kleineres  Flufsgebiet 
hat  und  daher  enger  ist.     Alle  vier  Venen  ahmen  offenbar  die  Verzweigung  der 
Aorta  nach.     So  bildet  sich  allmählig  der  erste  Kreislauf  um.     Da  die  Umbildung 
aber  nicht  sehr  auffallend  ist  und  nur  eine  unmittelbare  Weiterbildung,  so  wollen 
wir  sie  die  zweite  Form  des  ersten  Kreislaufes  nennen.    Vollendet  wird  diese  Um- 
bildung erst  am  4ten  Tage,    denn  am  Ende  des  3ten  liegen  die  Seitenvenen  nur 
mit  ihren  Verzweigungen  an  den  Arterien  mit  den  Stämmchen  etwas  vor  den- 
selben.    Ueberhaupt  nehmen  in  der  Keimhaut  die  Arterien  eine  tiefere  Lage  ein, 
als  die  mehr  nach  oben  liegenden  Venen,    so  dafs  die  Gekrösschlagadern  unter 
den  aufsteigenden  Venen  weggehen ,  um  in  den  Gefäfsraum  zu  kommen,  während 
in  den  Hauptstämmen  das  Verhältnifs  umgekehrt  ist ,  da  die  Aorta  an  die  Wirbel- 
säule angeheftet  ist,    die  Venen  aber  in  dem  noch  nicht  zuni  Gekröse  vereinigten 
Theile  des  Gefäfsblattes  liegen.      Auch  ihr  gemeinschaftlicher  Stamm,    der  am 
Ende  des  dritten  Tages  selbstsläudiger  und  länger  ist ,  liegt  unter  dem  Speisekanal, 
während  die  Aorta  immer  über  ihm  liegt.  —     In  der  Aorta  verlängert  sich  der 
Stamm ,  und  die  Theilungsstelle  rückt  also  immer  tiefer  herab ,    die  letzten  Enden 


55 

der  Aorta  verlieren  sich  auf  den  im  Verlauf  des  dritten  Tages  entstehenden  Harn- 
sack  (Allantois).  Endlich  -wird  das  Gefa'fssystem  wesentlich  dadurch  verändert, 
dafs  die  Aorta  sich  in  den  Leib  des  Fötus  verzweigt  (zuerst  läfst  sich  die 
Entstehung  der  Carotiden  erkennen) ,  und  dafs  eben  so  Venen  im  Embryo  sich 
bdden ,  von  denen  die  Drosselvenen  am  Ende  des  dritten  Tages  schon  sehr  deutlich 
sind.  Wir  verweisen  aber  die  nähere  Betrachtung  der  Körpergefäfse  auf  den 
vierten  Tag,  wo  sie  mehr  im  Zusammenhange  betrachtet  und  verständlicher 
gemacht  werden  können ,  nachdem  von  den  Umbildungen  des  Herzens  und  seinen 
Umgebungen  gesprochen  ist,  und  brechen  hier  nur  mit  der  Bemerkung  ab,  dafs 
am  Ende  des  dritten  Tages ,  also  aufser  der  Pfortader,  schon  ein  Körpervenen- 
system da  ist. 

Das  Herz  ist  mit  seinen  Ein  -    und  Ausgängen   so  steten  Umänderungen  ,  "■  Uml»1- 

ö      o  »        düng         des 

unterworfen,    dafs  es  von  einer  Stunde  zur  andern  Verschiedenheiten  erkennen  Herzens. 
läfst.     Da  die  Veränderungen  mannigfaltig  und  gleichzeitig  sind,    so  mufs  man, 
um  sie  im  Einzelnen  zu  verstehen ,    sie  sogleich  in  ihren  allgemeinsten  Resultaten 
überbkcken. 

Diese  bestehen  erstens  darin,  dafs  das  Herz  mit  seinen  Anhängen  sich 
immer  mehr  nach  hinten  zurückzieht.  Da  zu  gleicher  Zeit  die  über  der  Rücken- 
saite liegenden  Theile  sich  nach  vorn  schieben,  so  wird  das  Lagerverhältnifs  des 
Herzens  zum  Hirne  ganz  umgeändert.  Während  nändich  das  Herz  in  seiner  ersten 
Bildung  ganz  unter  dem  Hirne  lag  und  grade  so  weit  nach  hinten  reichte ,  dafs  das 
Hirn  diese  Lage  noch  am  Ende  des  zweiten  Tages  nicht  sehr  verändert  hatte, 
liegt  am  Ende  des  dritten  Tages  nur  das  vorderste  Ende  des  Herzens ,  in  so  fern 
man  die  Aortenzwiebel  als  solches  ansehen  kann,  unter  dem  verlängerten  Marke 
als  hinterstem  Ende  des  Gehirns.  Rechnet  man  die  Aortenzwiebel  nicht  mit  zum 
Herzen ,  so  liegt  das  ganze  Herz  hinter  dem  Hirne. 

Zweitens  schiebt  sich  das  Herz  in  seinen  einzelnen  Theilen  zusammen, 
während  es  sich  zurückzieht,  so  dafs  die  vordem  Theile  sich  mehr  zurückziehen, 
als  die  hintern.  Ja  der  aufnehmende  Theil  rückt  sogar  weiter  nach  vorn.  Eine 
Folge  davon  ist,  dafs  die  Mitte  des  Herzens  weit  mehr  nach  unten  hervorgetrieben 
wird ,  und  am  Ende  des  dritten  Tages  wie  ein  weiter  Kropf,  nur  bekleidet  vom 
serösen  Ueberzuge,  zwischen  dem  Vorderende  der  Bauchplatten  hervorragt,  seiner 
allgemeinen  Richtung  nach,  dem  Kopfe  parallel. 

Drittens  zieht  sich  das  aufnehmende  Ende  des  Herzens ,  während  der  Leib 
sich  immer  mehr  schliefst  und  auf  die  linke  Seite  dreht,  nach  links  hin.  Naöh 
dem  ersten  Viertel  des  dritten  Tages  ist  schon  diese  linke  Lage  sehr  deutlich  und 
nimmt  bis  zum  Ende  dieses  Tages  immer  mehr  zu.      Eine  Folge  davon  ist,    dafs 


56 

<lie  Krümmung ,  welche  das  Herz  ursprünglich  von  der  Schenkelverhindung  aus 
nach  links  machte  (§.  2.«.),  bald  aufhört  und  die  Beugung  nun  ganz  nach  rechts 
geht.  Sie  geht  so  weit,  dafs  die  Wölbung  der  Unibeugung  nicht  blofs  nach  un- 
ten, sondern  auch  sehr  stark  nach  rechts  vorragt,  aber  unter  fortgehender  Ver- 
änderung, so  dafs  sie  anfangs  mehr  nach  rechts,  nachher  mehr  nach  unten  und 
etwas  nach  hinten  gekehrt  ist. 

Viertens  scheidet  sich  das  Herz  in  differente  Abteilungen.  In  der  Mitte 
des  zweiten  Tages  habe  ich  noch  keine  Begrenzung  zwischen  Herzzipfel  und  sei- 
nem Mitteltheile,  den  ich  Herzkanal  genannt  habe,  so  wie  zwischen  diesem  und 
dem  nach  vorn  austretenden  Bogen  erkennen  können.  Das  Herz  ist  durchaus  nur 
der  Zusammentritt  der  Gefäfse  und  organisirt  nie  die  Gefäfse.  Am  Ende  des 
zweiten  Tages  aber  werden  drei  Abtheilungen  angedeutet  (§.  2.s.) ,  deren  Abgren- 
zung immer  deutlicher  hervortritt.  Mit  dem  Anfange  des  dritten  Tages  wuchert 
nämlich  die  convexe  Seite  der  Hauptkrümmung  imAnsatz  neuer  und  zwar  dunkle- 
rer Masse.  Diese  Masse ,  die  in  späterer  Zeit  immer  mehr  anschwillt ,  schwam- 
mig aussiebt  und  endlich  aus  verwebten  Fäden  besteht,  ist  die  zukünftige  Mus- 
kelmasse der  Herzkammer.  Sie  ist  schon  sehr  früh  scharf  begrenzt ,  endet  nach 
vorn  und  hinten  mit  einer  kleinen  Vorragung  und  nimmt  pur  die  convexe  Seite 
ein,  so  dafs  die  coneave  noch  ganz  die  einfache  Gefäfsform  und  Durchsichtigkeit 
behalt.  Eben  diese  Begrenzung  giebt  mehr  die  Ansicht  vom  Hinzutritt  einer 
neuen  Bildung,  als  von  Verdickung  einer  schon  bestehenden.  Diese  Bildung  be- 
zeichnet die  künftige  Kammer  und  enthält  schon  beide,  da  die  innere  Falte  von 
der  couvexen  Seite  sich  immer  deutlicher  erhebt.  Später  verdickt  sich  aber  auch 
die  eigentliche  Gefäfswand  in  der  Kammer  und  in  dem  Theile  des  Herzens,  der 
vor  ihr  liegt,  der  Aortenzwiebel,  die  noch  das  Ansehen  eines  gleichmäfsigen ,  je- 
doch von  rechts  nach  links  und  von  unten  nach  oben  gekrümmten  Kanals  hat. 
Die  Grenze  zwischen  Kammer  und  Aortenzwiebel  hat  anfangs  auch  noch  keine 
deutliche  Einschnürung ,  die  aber  doch  am  Ende  des  dritten  Tages  schon  kennt- 
lich wird.  (Das  Fretum  Haller's.)  Je  mehr  das  Herz  sich  in  drei  Abtheilungen 
scheidet,  um  desto  mehr  verwandelt  sich  der  anfangs  einfache  Pulsschlag  in  einen 
dreifachen. 
ü.  Umbil-  fjie  Aortenzwiebel  erhält  eine  Krümmung,   indem  sie  sich   zurückzieht. 

G^flfsbogen  Diesem  Zurückziehen  folgen  die  Gefäfsbogen ,  jedoch  nur  langsam  und  mehr  mit 
im  Kiemen-  ^rem  untern  als  mit  ihrem  obern  Theile.     Besonders  zieht  sich  der  vordere  lue- 
menbogen  zurück ,  indem  die  dicht  vor  ihr  liegende  Mundspalte  sich  immer  mehr 
öfFuet.     Eine  Folge  davon  ist ,   besonders  da  zugleich  der  Rückentheil  sich  nach 
vorn  schiebt ,  dafs  der  Blulstrom  im  ersten  Bogen,    der  ursprünglich  grnde  nach 

oben 


57 

oben  stieg,  später  zwei  Beugungen  macht,  zuerst  schiefst  er  aus  der  Aortenzwie- 
bel etwas  nach  vorn,  um  in  den  ersten  Kiemenhogen  zu  gelangeu,  beugt  in  die- 
sem dann  um,  sich  nach  oben  den  Kiemenhogen  entlang  zuwendend.  An  der  Stelle 
dieser  Umbeugung  entsteht  hierdurch  eine  sackförmige  Erweiterung ,  welche  wie 
eine  vordere  kleine  Zwiebel  aussieht.  Sie  ist  in  Pander's  Entwicklungsge- 
schichte Taf.  IX.  Fig.  III.  aus  einer  etwas  spätem  Zeit  (dem  4teu  Tage)  abgebil- 
det, in  welcher  sie  gewöhnlich  nicht  mehr  recht  kenntlich  ist.  Nachdem  das 
Gefäis  dem  ersten  Kiemenhogen  entlang  gestiegen  ist,  krümmt  es  sich  wieder  nach 
vorn,  um  die  Gegend  zu  erreichen,  die  es  ursprünglich  vor  dem  Zurücktreten 
der  Kiemenhogen  inne  hatte,  die  Decke  der  Rachenhöhle  nämlich.  Hier  kehrt 
es  scharf  um,  als  Anfang  der  Aortenwurzel  seiner  Seite.  Aus  dieser  Umgebung 
tritt  schon, im  Verlaufe  des  dritten  Tages  ein  Gefäfs  in  das  Hirn.  Es  kann  nur  die 
Kopfscblagader  sejn.  Dieser  vorderste  Bogen  war,  wie  wir  wissen,  der  erste, 
der  sich  gebildet  hatte.  Er  ist  in  der  ersten  Hälfte  des  dritten  Tages  der  stärkste, 
erscheint  im  weitern  Verlaufe  desselben  aber  immer  schwächer,  während  der 
zweite  und  dritte  stärker  werden.  Am  Ende  des  dritten  Tages  erkennt  man  schon 
mit  Mühe  im  ersten  Gefäfsbogen  den  Blutstrom,  theils  weil  der  erste  Kiemen- 
bogen  sich  mehr  verdickt  als  die  andern  und  an  seinem  untern  Ende  zurundet,  da 
er  bestimmt  ist,  eine  besondere  Metamorphose  einzugehen,  theils  weü  -wirklich 
der  ßlulstrom  an  sich  schwächer  wird ,  was  man  daraus  erkennt,  dafs  er  den  An- 
fang der  Aortenwurzel  nicht  mehr  auszufüllen  vermag,  sondern  am  Ende  dieses 
Tages  der  Blutstrom  aus  dem  zweiten  Bogen ,  wo  er  die  Aortenwurzel  erreicht, 
sich  theilt,  ein  Theil  des  Blutes  wendet  sich  gegen  den  Stamm  der  Aorta,  ein 
kleinerer  Theil  aber  läuft  rückwärts  gegen  den  Ursprung  der  Aortenwurzel.  So 
unerwartet  es  mir  erschien ,  dafs  in  demselben  Kanäle  das  Blut  erst  nach  der  einen 
und  dann  nach  der  andern  Richtung  lliefst,  so  kann  ich  doch  an  der  Richtigkeit 
der  .recrebenen  Darstellung  nicht  zweifeln,  weil  ich  die  allmähligen  Uebergänge 
deutlich  gesehen  habe.  Am  vierten  Tage  nämlich  verschliefst  sich  der  vordere 
Gefäfsbogen,  und  die  Kopfschlagader  wird  jetzt  nur  aus  der  Wurzel  der  Aorta  durch 
die  hintern  Bogen  mit  Blut  versorgt.  Von  der  Kopfschlagader  wird  also  nur  der 
obere  Theil  unmittelbar  aus  dem  ersten  Bogen,  und  zwar  aus  seiner  Umbeugung 
in  die  Wurzel  der  Aorta,  gegen  den  Kopf  hervorgetrieben.  Der  Stamm  der  Kopf- 
schlagader ist  aber  der  Anfang  der  Aorteivwurzel  selbst. 

Während  der  arterielle  Theil  des  Herzens  eine  dicke  Wandung  erhält,  bleibt  p.  venö- 
der  venöse  Theil  dünnwandig  und  ist  eine  wahre  Vene,  die  wir  nur  wegen  der  Herzen«.  deS 
Tolsation  und  weil  sie  früher  gegen  die  jetzige  Herzkammer  gar  nicht  abgegrenzt 
war,  zum  Herzen  gerechnet  haben.     Die  Zipfel  des  Herzens  haben  wir  schon  als 

H 


58 

die  eintretenden  Venenstämme  erkannt.     Der  gemeinschaftliche,  aus  beiden  ent- 
stehende gröfsere  Yenenstamni  wird  die  künftige  Vorkammer.      Indem  nämlich 
das  venöse  Ende  des  Herzens  sich  nach  links  und  vorn  zieht ,   -wird  dieser  Stamm 
länger  ausgezogen.      Ungefähr  nach  dem  ersten  Viertheil  des  dritten  Tages  be- 
kommt er  an  seinem  vordem  Ende  zwei,  jetzt  noch  überaus  kleine  seitliche  Erwei- 
terungen.    Es  sind  die  beiden  Vorkammern,  oder  vielmehr  die  beiden  Ohren  der- 
selben.    Da  hier  eine  Unibeugung  von  links  nach  rechts  ist,    so  hegt  der  Anfang 
des  linken  Herzohres  bedeutend  mehr  nach  vorn ,   als  der  Anfang  des  rechten ,  ein 
La^enverhältnifs ,  das  bis  zum  Ende  des  dritten  Tages,   wo  beide  sehr  merklich 
zugenommen  haben,  ja  schon  gekerbt  siud,   immer  wächst.     Die  herausgewach- 
seneu Seitentaschen,  wie  man  sie  nennen  kann,  sind  fast  gleich  anfangs  dickwan- 
diger   als  die  durchgehende  Vene.      Nie  habe  ich  eine  von  den  Anhängen  allein 
gesehen,  so  klein  sie  auch  waren,   und  ich  habe  sie  schon  von  T^  Linie,   viel- 
feicht  von  noch  kleinerer  Basis,  bemerkt.     Es  entstehen  also  beide  Herzohren  zu- 
"leich.     Mau  kann  aber  von  dem  Herzen  in  dieser  Periode  mit  gleichem  Rechte 
sagen     dafs  es  zwei  Vorkammern  habe,  denn  der  Anfang  beider  Vorkammern  ist 
da    und  dafs  es  nur  Eine  Vorkammer  besitze ,  denn  die  mittlere  Höhle  ist  durch- 
aus ungetheilt ;  am  richtigsten  aber  drückt  man  sich  aus,  wenn  man  ihm  zwei 
Herzohren  und  Einen  Venensack  zuschreibt,  obgleich  das  zwischen  ihnen  liegende 
vordere  Ende  der  Vene  noch  so  wenig  ausgedehnt  ist ,   dafs  es  kaum  den  Namen 
eines  Sackes  verdient.     Es  hat  aber  physiologisch  die  Bedeutung  desselben. 
q,  Bildung  Indem  das  venöse  Ende  des  Herzens  sich  zurückzieht,  zieht  es  sich  zugleich 

tnd  LTren-  i,ach  oben  gegen  die  Wirbelsäule.  Die  Folge  davon  ist,  dafs  der  gemeinschaft- 
Ktv^ervene«  liehe  Venenstamtu  sich  gegen  den  vordem  Eingang  des  Speisekanals  hineindrückt 
•  on  der  (man  erinnere  sich,  dafs  die  Zusammenmündung  der  Venen  im  Anfange  des  drit- 
ten Ta<*es  den  untern  Rand  dieses  Einganges  bezeichnet).  Die  Vene  wird  also  oben 
von  dem  Speisekanal  mit  zwei  Schenkeln  umfafst.  Diese  Schenkel  sind  um  die 
Mitte  des  drillen  Tages  hohle  Pyramiden ,  mit  breiter  in  den  Speisekaual  über- 
uehender  Basis,  und  die  ersten  Anfänge  der  Leber.  Kaum  haben  sie  nämlich  die 
Vene  umklammert ,  so  verlängern  sie  sich  auch  in  den  die  Vene  zunächst  enthab 
tentleu  Theil  des  Gefäfsblatles,  welches  den  vordem  Eingang  in  den  Speisekanal 
von  unten  nirigiebt,  und  verzweigen  sich  dabei,  einen  Ueberzug  der  Gefäfshaut 
immer  vor  sich  her  treibend.  Da  nun  zugleich  der  schon  geschlossene  Theil  des 
Speisekanals  sich  immer  mehr  nach  hinten  verlängert  und  sich  verenget,  so  ragen 
beide  hohle  Kegel  mit  den  hervorgetriebenen  Enden  hervor,  während  die  Basis 
natürlich  mit  der  innern  Wand  des  Speisekanals  in  Verbindung  bleibt.  Die  her- 
vorgetriebenen Theile  erscheinen  nun  blattförmig  und  umschliefsen  eng  die  Vene. 


59 

In  diesen  Blättern  verzweigen  sich  die  Spitzen  der  hervorgetretenen  Ke«*el,  wäh- 
rend die  Basis  sich  immer  mehr  verengt  und  die  Gestalt  eines  Cylinders  annimmt. 
Die  Verzweigung  zeigte  das  Microscop  durch  eine  verästelte  dunkle  Figur  im  In- 
nern jedes  Blattes  an.  Die  Form  der  Leher  ist  hiernach  am  Ende  des  Ta^es  fol- 
gende. Sie  besteht  aus  zwei  kleinen  blattförmigen  Hälften ,  den  beiden  Leber- 
lappen ,  welche  fast  senkrecht  auf  dem  Speisekanal  stehen ,  und  aus  der  Fläche 
des  Gefäfsblattes  hervorragen,  den  Venenstamm  umschliefsend ,  der  noch  unge- 
theilt  zwischen  ihnen  hindurchgeht.  Diese  Durchgangsstelle  ist  aber  doch  als  die 
künftige  Verästelung  der  Pfortader  bezeichnet.  Nachdem  diese  Stelle  im  Venen- 
stamme durch  Entwickelung  der  Leber  fixirt  ist ,  zieht  sich  der  Veuenstamm  über 
denselben  bis  zum  Eintritte  in  das  Herz  etwas  mehr  aus,  und  die  Körpervenen 
die  in  der  2ten  Hälfte  des  dritten  Tages  sich  bilden,  münden  in  den  Raum  zwi- 
schen Leber  und  Herz  ein.  Wir  haben  also  jetzt  einen  continuirlichen  Venen- 
stamm,  der  bis  zur  Leber  Pfortader  ist ,  von  da  an  Stamm  der  Körpervenen  und 
endlich  gemeinschaftlicher  Venensack  der  Vorkammern. 

Die  Entwickelung  der  Leber  führt  uns  zur  nähern  Betrachtung  der  Gefäfs-     r.  Fernere 
schicht  auf  dem  Speisekanale  und  des  Speisekanals  selbst.     Wir  müssen  nämlich  des  's'p'eisV 
einen  Faden,   den  wir  früher  fallen  liefsen  (§.  5.  cl.  e.) ,    wiederaufnehmen.      Es  kana,s- 
wurde  die  Umbildung  des  Gefäfs-  und  Schleimblattes  der  Keimhaut  in  den  Speise- 
kanal dargestellt.     Wir  erinnern  kurz,  dafs  durch  eine  von  allen  Seiten  wirkende 
Abschnürung  das  Gefäfsblatt  sich  zu  zwei  Gekrösblättern,     die  sich  üher  dem 
Schleimblatte  zu  einer  Naht  verbinden  ,    dann  aber   gemeinschaftlich   mit   dem 
Schleimblatte  sich  zu  einem  Rohre  schliefsen.     Am  Ende  des  dritten  Tages  ist  auf 
diese  Weise  der  gröfste  Theil  des  Speisekanals  zu  einem  Rohre  gebildet,  ungefähr 
ein  Drittheil  in  der  Mitte  ist  noch  offen,  aber  doch  schon  ein  deutlicher  Halbkanal. 
Der  ganze  Speisekanal  besteht  also  aus  zwei  Schichten  oder  in  einander  steckenden 
Röhren  (Halbröhren  im  mittlem  Theile).     Die  innere  Röhre  ist  aus  dem  Schleim- 
blatte gebildet  und  wird  zur  Schleimhaut  des  künftigen  Darmes.     Sie  ist  körni^ 
und  dunkler  als  die  andere  Schicht.     Die  äufsere  Röhre  nämlich ,  aus  dem  Gefäfs- 
blatte  gebildet ,  ist  heller,  durchsichtiger,  glatter,  und  erleidet  eine  eigenthüm- 
liche  Metamorphose.     So  wie  sich  der  Speisekanal  zu  einem  umschlossenen  Rohre 
bildet,  schwillt  in  ihm  die  Gefäfsschicht,  die  im  Keimblatte  ganz  dünn  war,  auf. 
Man  kann  von  diesem  Aufschwellen  am  besten  ein  Bild  geben,    wenn  man  sagt, 
sie  nähme  an  Umfang  zu ,    wie  ein  aufgehender  Teig ,   oder  wenn  man  sich  ein 
Stück  Gummi  denkt,  das  mit  Wasser  befeuchtet  aufschwillt,   durchsichtiger  und 
weicher  wird,  ohne  zu  zerfliefsen.     Eben  so  wird  diese  äufsere  Lage  des  Speise- 
kanals bis  zum  5ten  Tage  immer  dicker  und  durchsichtiger,  so  dafs  am  4ten  und 

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60 

5ten  Tage  die  innere  Röhre  des  Speisekanals  von  eiuer  viel  dickern  durchsichtigen 
Scheide  umschlossen  ist. 

Die  Weite  der  innern  Röhre  des  Speisekanals  nimmt  dagegen,  bis  zum 
4ten  Tage  wenigstens,  ab.  Wir  erinnern,  wie  weit  die  erste  vordere  Einstül- 
pung am  ersten  und  zweiten  Tage  war.  Dasselbe  gilt  für  die  auf  den  Anfang  des 
dritten  Tages  fallende  Entstehung  des  hintern  Theiles  vom  Speisekanal.  Beide 
Enden  nehmen  während  des  dritten  Tages,  indem  sie  sich  verlängern,  an  Weite 
ab.  Nach  Wolff  uud  P ander  sollte  man  glauben,  dafs  jeder  Theil  des  Speise- 
kanals schon  in  der  Bildung  seine  Individualität  annähme,  indem  sie  die  einzelnen 
Zeitmomente  angeben,  in  welchen  sich  durch  Einstülpung  die  einzelnen  Ab- 
schnitte des  Speisekanals:  Speiseröhre,  Magen,  Zwölffingerdarm  u.  s.  w.  form:  n. 
Ich  kann  dieser  Darstellung  nicht  beistimmen,  sondern  finde,  dafs  der  Darm  .sich 
nach  denselben  Gesetzen  bildet,  wie  das  Herz,  so  dafs  er  zuerst  in  seiner  allge- 
meinen Individualität  sich  von  dem  übrigen  Leibe  sondert,  solange  aber  in  sich 
gleichmäfsig  ist,  und  später  erst  die  Differenz  in  seinen  einzelnen  Theileu  auftritt. 
Freilich  braucht  nicht  schon  der  ganze  Speisekanal  gebildet  zu  seyn,  bevor  die 
einzelnen  Theile  sich  abgrenzen*  Die  Theile  aber,  die  eben  in  der  Bildung  be- 
griffen sind,  die  Eingänge  nämlich,  sind  nicht  Theile  der  Speiseröhre ,  des  Ma- 
gens und  Zwölffingerdarms  oder  Mastdarms,  wie  z.  B.  Wolff  von  der  Mitte  des 
dritten  Tages  ganz  genau  angicbt,  welche  Theile  der  Wand  des  Magens  gebildet 
sind,  und  welche  nicht.  Man  kann  nämlich  ,  mit  eben  so  viel  Recht  als  Wolff, 
das  Umgekehrte  behaupten,  und  die  ganze  Oeffnung  des  Darmes,  den  Raum  näm- 
lich zwischen  beiden  Eingängen,  für  identisch  mit  dem  spätem  Dottergange  halten, 
der  nichts  ist,  als  die  Verengerung  dieser  Oeffnung;  wonach  im  vordem  Theile 
des  Speisekanals  schon  am  zweiten  Tage  Rachenhöhle,  Speiseröhre,  Magen  und 
Dünndarm  enthalten  Märe.  —  Ich  finde,  dafs  immer  in  einiger  Entfernung  von 
den  Eingängen,  also  in  den  schon  früher  gebildeten  Theilen  des  Speisekanals,,  die 
Individualität  der  einzelnen  Abschnitte  auftritt.  So  sähe  ich  in  der  ersten  Hälfte 
des  dritten  Tages  in  der  obern  Hälfte  des  Speisekanals  die  Rachenhöhle  abgegrenzt. 
Sie  ist  verhältnifsmäfsig  sehr  grofs ,  besonders  aber  weit,  und  verengt  sich  nach 
unten.  Auf  sie  folgt  ein  enger  Theil ,  der  ganz  kurz  ist ,  und  dann  ein  weiterer, 
der  in  die  Oeffnung  übergeht,  und  also  in  der  Bildung  begriffen  ist;  dieser  wei- 
tere Theil  ist  aber  nicht  der  Magen,  denn  aus  ihm  treten  die  Verlängerungen  her- 
vor, welche  zu  Lebergängen  werden,  der  zukünftige  Magen  ist  also  entweder  mit 
der  Speiseröhre  im  engen  Theile  oder  mit  dem  Zwölffingerdarm  im  weitern  Theile 
enthalten.  Beide  Abschnitte  sind  aber  nicht  einmal  gegen  einander  abgegrenzt, 
sondern  gehen  ganz  allmählig  in  einander  über,  und  der  Unterschied  der  Weite 


61 

beruht  nur  darauf,  dafs  immer  der  Eingang  weiter  ist,  als  der  früher  gebildete, 
nachher  in  der  Verengung  begriffene  Theil.  Am  Ende  des  dritten  Tages  ist  auch 
der  Theil  verengt ,  aus  dem  die  Lebergäuge  kommen ,  da  der  Eingang  nun  weiter 
nach  hinten  liegt,  und  man  sieht  von  der  Rachenhöhle  einen  engen  Kanal  bis  in 
die  Nähe  des  Eingangs  verlaufen,  der  in  der  Mitte  kaum  merklich  aufzuschwellen 
anfängt,  um  tue  Gegend  des  Magens  abzugrenzen,  eine  Abgrenzung,  die  aber  erst 
am  vierten  Tage  deutlich  wird.  Dasselbe  gilt  vom  hintern  Theile  des  Speisekanals. 
Wie  weit  der  Mastdarm  reicht,  ist  in  dem  gleichmäfsigen  Kanäle  erst  dann  anzu- 
geben, wenn  die  Blinddärme  hervorbrechen,  was  frühestens  am  Ende  des  driften 
Tages  erfolgt,  und  zwar  nicht  am  Eingänge,  sondern  in  dem  schon  umschlosse- 
nen Theile,  wo  innerhalb  der  gleichmäfsigen  Rühre  erst  dadurch  ein  Grenzpunkt 
gegeben  wird. 

Aus  der  aufgeschwollenen  Gefäfsschicht  des  Speisekauais  entwickeln  sich 
im  Verlaufe  des  dritteu  Tages  die  Lungen,  die  Leber,  das  Pankreas,  die  Blind- 
därme und  der  Harnsack.  Alle  diese  Theile  treten  hervor,  indem  die  Schleim- 
haut des  Speisekanäls  aus  der  gleichmäfsigen  Röhre  sich  in  die  Gefäfsschicht  hin- 
einstülpt, und  zwar  alle  aus  dem  umschlossenen  Ende  des  Speisekanäls,  keine 
aus  dem  offenen  Theile.  Die  Verschiedenheit  derselben  beruht  nur  auf  geringen 
Modifikationen  der  Enlwickelungsweise,  im  Wesentlichen  bleibt  sie  jedoch  für 
alle,  gleich. 

Schon  nach  der  Mitte  des  dritten  Tages  sieht  man  in  der  Gefäfsschicht,  r.  Entwicke- 
welche  den  Speisekanal  hinter  der  Rachenhöhle ,  die,  wie  ich  bemerkt  habe,  Lungen, 
schon  ihre  Selbstständigkeit  hat  und  auffallend  grofs  und  auf  jeder  Seite  von  vier 
Spalten  durchbohrt  ist,  stark  aufgeschwollen.  Die  Aufschwellung  reicht  bis  an 
den  vordem  Eingang.  Ungefähr  in  der  Mitte  sieht  man  zwei  Höckerchen  von 
noch  nicht  %  Linie  Höhe.  Nach  vorn  und  unten  verlaufen  diese  Höckerchen  ganz 
allmählig  in  die  übrige  Gefäfsschicht  ohne  Grenze.  Ihr  hinlerer  Rand  ist  aber  et- 
was aufgeworfen,  und  man  sieht  den  aufgeworfenen  Rand  etwas  nach  oben  ver- 
laufen, wo  die  Höckerchen  auch  ein  wenig  vorragen.  Die  Masse  der  Höckercheu 
ist  völlig  übereinstimmend,  und  auf  keine  Weise  abgegrenzt  von  der  Gefäfsschicht 
des  Speisekanals.  Jedes  Höckercheu  enthält  eine  kurze,  kegelförmige  Höhle, 
welche  in  den  Speisekanal  mündet.  Die  Höcker  aber  werden  zu  den  Lungen, 
und  die  innern  Kanäle  sind  die  Luflröhrenäste,  welche  auf  entgegengesetzten  Sei- 
ten aus  dem  Speisekanal  treten.  Der  Stamm  der  Luftröhre  fehlt.  Ob  schon  am 
Ende  des  dritten  Tages  beide  Luftröhrenäste  zusammentreten,  weifs  ich  noch  nicht- 
Am  vierten  ist  kein  Zweifel  mehr  darüber. 


62 


,.  Entwicke-  Von  der  Entwickelung  der  Leber  wurde  bei  Gelegenheit  des  Gefäfssystem: 

iT/und^es  besprochen.  Das  Pankreas  entwickelt  sich  fast  auf  dieselbe  Weise  und  fast  um 
Pankreas.  dieselbe  Zeit.  Kaum  haben  die  kegelförmigen  Verlängerungen ,  welche  die  zu- 
künftigen Lebergänge  werden ,  angefangen  eine  cylindrische  Gestalt  anzunehmen, 
so  tritt  zwischen  ihnen  eine  Ausstülpung  hervor,  die  aber  langsam  sich  vergrö- 
fsert  so  dafs  sie  am  Ende  des  3ten  Tages  noch  kaum  bis  in  die  Mitte  der  Dicke 
der  Gefäfsschicht  reicht  und  äufserlich  durchaus  keine  Vorragung  bildet.  Die 
körnige  innere  Fläche  deutet  jedoch  an  der  Spitze  schon  einige  Verzweigungen  an, 
die  freilich  mehr  das  Ansehen  von  Schleimgrübchen  haben. 
•  d  Die  Blinddärme  zeigen  sich  erst  mit  dem  Ende  des  dritten  Tages,   oft  erst 

därme.  am  Anfange  des  vierten,  als  zwei  senkrecht  auf  dem  Speisekanal  aufsitzende  seit- 

liche Ausstülpungen.  Sie  sind  gleich  anfangs  von  beträchtlicher  Weite  und  bilden 
äufserlich  zwei  stumpfe  Höcker  auf  dem  Darme  durch  kegelförmiges  Heraustreten 
des  Schleimblattes  gegen  das  Gefäfsblatt,  dann  scheinen  sie  fast  still  zu  stehen  in 
der  Entwickelung,  so  dafs  es  in  der  Weiterbildung  gar  keinen  Unterschied  macht, 
wenn  sie  auch  erst  am  4ten  Tage  ihre  Entwickelung  beginnen.  Später  wachsen 
sie  zwar  wieder  rasch,  allein  eine  Verzweigung  bildet  sich  erst  ganz  spät  und 
bleibt  in  der  Form  von  Schleimgruben  stehen. 
„,  Hamsack.  Aus  dem  hintern  Ende  des  Speisekanals  erhebt  sich  ferner  bald  nach  der 

Bildun"  desselben,  schon  etwas  vor  der  Mitte  des  dritten  Tages,  eine  kleine  blasen- 
förmige  Hervorstülpung,  die  einzige  von  allen,  die  sich  nie  verzweigt,  sondern 
immer  die  Blasenform  beibehält.  Es  ist  der  Harnsach  (Allantois) ,  beim  Vogel  ge- 
wöhnlich Chorion  genannt.  Er  gleicht  beim  ersten  Austritte  aus  dem  Darmende 
einem  stumpfen  Kegel ;  die  Basis  verschnürt  sich  aber  bald ,  und  die  Spitze  wird 
halbkugelig.  Er  wächst  bis  zum  Ende  des  dritten  Tages  nur  sehr  langsam,  kaum 
über  dieGröfse  eines  Nadelkopfes,  und  von  unten  angesehen  erhebt  er  die  Schwanz- 
kappe ganz  unmerklich.  Nicht  nur  aus  der  Eutstehungsweise  an  diesem  Tage, 
sondern  aus  der  Beschaffenheit  des  Harnsackes  selbst  bis  zum  sechsten  Tage,  ist  es 
überaus  leicht  zu  erkennen,  dafs  er  aus  zwei  Blättern,  einem  innern  Schleimblatte 
und  einem  äufsern  Gefäfsblatte,  besteht. 
r  iei-  Ver°leichen  wir  nun  diese  Hervoi'stülpungen  in  ihrem  ausgebildeten  Zu- 

ch\mg    .?er  sumde    so  finden  wir,  dafs  in  den  vordersten,  also  in  den  Lungen,  die  Verästelung 
"tngentUaüs  am  we'itesten  sich  ausbildet,  nächst  diesen  in  der  Leber,  weniger  im  Pankreas, 
^mai«PeiS6'  nur  angedeutet  ist  sie  in  den  Blinddärmen ,  und  sie  fehlt  ganz  im  Harnsacke.     Der 
Grad  d°r  Verästelung  nimmt  also  von  vorn  nach  hinten  ab,  allein  dieselbe  Reihen- 
folge ist  nicht  in  der  Zeit  der  Verästelung;  denn  die  Leber  verästelt  sich  am  frü- 
hesten und  ansehnlichsten,   nächst  dieser  das  Pankreas.     Die  Lunfee  erhält  wäh- 


63 

rend  der  ganzen  zweiten  Periode  keiue  Verästelung.  Auf  das  schnellere  Auftreten 
der  Verästelung  -wirkt  also  wohl  die  Beziehung,  die  jedes  Organ  zunächst  zu  dem 
frühem  Verhältnisse  des  Fötus  hat. 

Viel  schwieriger ,  als  bei  allen  denjenigen  Organen ,  die  durch  ein  Hervor-  *■  Wolffi- 
treiben der  Schleimhaut  gegen  die  Gefäfsschicht  des  Speisckanals  sich  bilden ,  ist 
die  Entstehungsweise  des  Harn-  und  Geschlechts -Apparats  in  allen  einzelnen 
Momenten  zu  verfolgen.  Wir  müssen,  um  ihren  Ursprung  zu  erkennen ,  zu  der 
Spaltung  des  Keimblattes  zurückkehren  (§.  5.  d.)  und  erinnern,  dafs  ein  Streifen 
der  untern  Lage  sich  senkrecht  stellt  als  Gekrösplatte ,  dafs  ferner  die  untern 
Winkel  beider  Gekrösplatten  zur  Bildung  der  Naht  gegen  einander  neigen.  Durch 
dieses  Zusammenneigen  wird  der  Winkel,  den  die  Gekrösplatte  oben  mit  der 
Bauchplatte  bildet,  immer  gröfser.  In  diesem  Winkel  nun  erscheint  in  der 
zweiten  Hälfte  des  dritten  Tages  ein  rundlicher  Streifen  oder  dicker  Faden ,  der 
am  Ende  des  dritten  Tages  nicht  nur  im  Queerschnitte ,  sondern  auch  wenn  man 
die  Kappe  von  unten  aufschneidet,  der  ganzen  Länge  nach  zu  erkennen  ist. 
Jeuer  runde  Streifen  ist  der  erste  Anfang  des  von  Rathke  so  genannten  IVoljfi- 
schen  Körpers ,  welcher  von  der  Herzgegend  bis  zum  Harnsacke  reicht.  Er  zeigt 
schon  auf  der  freien  Wölbung  abwechselnde  Erhabenheiten  und  Einschnürungen. 
Die  Erhabenheiten  sind  dunkler,  weil  sie  aus  dichterer  Masse  bestehen.  Die 
Einschnürungen  sind  heller. 

Oueerdurchschnitte  lassen  schon  am  Ende  des  dritten  Tages  einen  Kanal  im 
Innern  dieses  Körpers  dicht  an  seiner  Anheftung  erkennen ,  und  zuweilen  sieht 
man  ein  Blutströpfchen  in  dem  Kanäle.  Damit  stimmt  es ,  dafs  man  in  Embryo- 
nen, die  am  Schlüsse  dieses  Tages  schon  weiter  vorgerückt  und  blutreicher  sind, 
einen  rothen  Streifen  längs  dieses  Körpers  durchschimmern  sieht.  Es  scheint  mir 
daher ,  dafs  jeder  Wolllische  Körper  sich  auf  und  aus  einem  Blutgefäfse  hervor- 
bildet-, obgleich  es  mir  noch  nicht  gelungen  ist,  den  Zusammenhang  dieses  Blut- 
gefäfses  mit  andern  vollständig  aufzuiinden.  So  viel  ist  abergewifs,  dafs  dies« ■ 
Körper  niemals  eine  vereinte  Masse  darstellen,  die  sich  erst  später  spaltet.  Viel- 
mehr sind  sie  durch  die  Gekrösplatten  von  einander  getrennt,  und  vor  der  Bil- 
dung der  Gekrösplatten  sind  nicht  nur  die  Wolffischen  Körper  noch  nicht  da, 
sondern  nicht  einmal  der  Raum ,  in  dem  sie  sich  bilden ,  da  eben  dieser  Baum 
erst  durch  die  Spaltung  der  Bauchplatte  gegeben  wird.  (§.  5.  c) 

Auf  der  Bauchplatte  sieht  man  die  Extremitäten   in  der  zweiten  Hälfte    r-   Anlage 
dieses  Tages  als  schmale  Leistchen  entstehen.  taten. 

Die  Rückenplalten  haben  sich  wenig  verändert,    ausgenommen  dafs  sie    z.  Rücken- 
dicker geworden  sind.     Die  Wirbelanlagen  in  ihnen  steigen  seitlieh  Ins  über  die  Platten- 


64 

Bückensaile  herab.  Nach  oben  erreichen  sie  sich  aber  uichl.  Die  Wirbel - 
i  udimente  geheu  bis  zur  Schwanzspitze  und  vorn  bis  über  das  Ohr,  so  dafs  man 
vor  dem  Ohre  noch  zwei  Wirbel,  wenn  auch  nicht  immer  im  dritten,  doch  im 
vierten  Tage  erkennt.  Auffallend  ist  es,  dafs  die  Wirbel ,  welche  in  ihrer  Ent- 
stehung dunkler  waren,  als  die  Zwischenräume,  am  dritten  Tage  heller  werden. 
Zuerst  sieht  man  in  der  Mitte  jeder  Wirbelhälfte  noch  dunkle  Körnermasse,  dann 
wird  auch  diese  hell,  und  es  sind  die  schmalen  Zwischenräume  dunkler,  als  die 
Anläge  der  Wirbel.  Dieses  Hellerwerden,  das  sich  in  allen  Knochen  findet, 
scheint  mir  der  eigentliche  Uebergang  in  den  Knorpelzustand,  obgleich  der 
Knorpel  jetzt  noch  sehr  weich  ist.  Ob  nun  die  Zwischenräume  zwischen  den 
Wirbeln  blofs  dunkler  erscheinen,  weil  die  W  irbel  heller  geworden  sind,  oder 
oll  wirklich  etwas  Neues  sich  hier  erzeugt  hat,  läfst  sich  wohl  kaum  durch  Beob- 
achtung entscheiden.  Ich  sehe  wenigstens  kein  Mittel  zur  Entscheidung  der 
Frage  ob  schon  die  Rückenmarksnerven  da  sind,  oder  nicht.  Wenn  man  die 
Zartheit  des  Sehnerven  bei  seinem  Auftreten,  oder  das  enge  Anliegen  seiner  Mark- 
masse  an  die  Umgebung  betrachtet,  so  kaun  man  kaum  die  Hoffnung  hegen, 
aus  den  dicken ,  wenig  durchsichtigen  Rückenplatten  und  zwischen  den  verhält- 
niSsmäMg  festen  Wirbeln  die  ersten  Anfänge  der  Nerven  auszuarbeiten,  oder 
ohne  Zergliederung  zu  sehen.  Das  Erhärten  im  Weingeist  giebt  keine  Hülfe,  da 
die  oauze  Masse  des  Embryo  noch  dem  Eiweifse  sehr  ähnlich  ist;  so  wird  sie 
überall  weifs ,  und  nur  wo  die  Nervenmasse  schon  in  bedeutender  Quantität  an- 
gehäuft ist,  zeichnet  sie  sich  durch  gröfsere  Weifse  aus,  wie  der  Ceulrallheil  des 
Nervensystems. 
Central-  Das  Rückenmark   ist  noch  stark  seitlich  zusammengedrückt,   (he  beiden 

Blätter  sind  viel  dicker  geworden  und  füllen  den  Kanal  fast  ganz  aus.  Sie  reifsen 
sehr  leicht  von  einander ,  hängen  jedoch  in  der  obern  und  untern  Fläche  durch 
ein  sehr  zartes  Blättchen  zusammen.  Dieses  Blättchen  scheint  aber  fast  keine 
Nervenmasse  mehr,  zu  enthalten,  sondern  eine  einfache  Membran  zu  seyn.  Jede 
Seitenhälfte  des  Rückenmarkes  ist  durch  eine  mittlere  helfe  Furche  in  einen  oliern 
und  einen  untern  Strang  getheilt. 

Im  verlängerten  Marke  treten  beide  Nervenblätter  nach  oben  weit  aus 
einander  um  die  vierte  Hirnhöhle  zu  bilden,  die  aber  noch  von  einer  Lamelle 
bedeckt  ist.  Jedes  Rückenmarksblatt  bildet  mehrere  kurze  Faltungen ,  und  im 
vordem  Rande  der  hintersten  Hirnzelle  treten  beide  Blätter  wieder  zusammen, 
um  die  Vierhügel  zu  bilden.  Das  übrige  Hirn  bildet  eine  grofse  Blase,  die  in 
mehrere  Zellen  gethedt  ist ,  eine  für  die  Vierhügel ,  eine  vor  denselben,  und  zwei 
für  die  Hemisphären.     In  diesem  ganzen  Umfange  schien  mir  das  Hirn  nach  oben 


aa. 

theil  desXer 

Teilsystems 


65 

geschlossen.  Die  Hirnmasse  ist  noch  ganz  dünne,  ein  in  Zellen  «etheiltes  Blatt. 
Kaum  ist  der  untere  Rand  des  Blattes  als  zukünftiger  Hirnschenkel  etwas  dicker. 
Zwischen  beiden  verdickten  Rändern  ist  eine  in  der  Mitte  gerade  durchlaufende 
\  erdünnung.  Einen  Sehhügel  oder  andere  Hirnganglien  kann  ich  nicht  unter- 
scheiden. Der  Trichter ,  der  am  zweiten  Tage  blofs  nach  unten  gerichtet  war 
richtet  sich  ,  im  Verfolge  des  starkem  Zusaminenkrünmiens  des  Vorderendes  vom 
Embryo  und  des  Zusammenrückens  aller  Hirntheile,  immer  mehr  nach  hinten 
und  ist  verhältnifsmäfsig  noch  sehr  weit.  Die  Hemisphären  sind  klein.  Zwi- 
schen der  vordersten  doppelten  Hirnzelle  (den  Hemisphären)  und  der  darauf  fol- 
genden einfachen  nach  hinten  zu ,  war  von  der  inuern  Fläche  aus  der  Austritt  des 
Sehnerven  sehr  deutlich  als  eine  Oeffuung  zu  erkennen.  Der  Sehnerve  selbst  noch  **•  Au8e- 
sehr  deutlich  hohl,  läuft  zuerst  nach  hinten  (im  Verhältnifs  zum  ganzen  Embryo) 
das  heilst  also  nach  der  Schädelbasis  und  dann  nach  aufsen ,  und  entwickelt  "sich 
bald  in  eine  Blase,  die  eine  Eiweifskugel  einschliefst.  Die  Wand  jener  Blase 
oder  die  Netzhaut  war  deutlich  erkennbar,  auch  liofs  sich  die  Linse  an  der  Ober- 
fläche jener  Eiweifskugel  vollkommen  unterscheiden. 

Au  der  UnlerJläche  jeder  Hemisphäre  des  grofsen  Hirns  erscheint  im  Ver-  cc-  Rieoh- 
laufe  des  dritten  Tages  eine  kleine  runde  helle  Fläche,  umgeben  von  einem"""' 
dunklen  Kreise.  Es  ist  der  gegen  die  Basis  des  Schädels  hervortretende  Riech- 
uerve,  der  hohl  ist,  und  dessen  cj  lindrische  Wandung  von  unten  besehen  als 
ein  Kreis  erscheint.  Diese  Stelle  hat  auffallende  Aehnlichkeit  mit  dem  ersten 
Auftreten  des  Auges  und  des  Ohres.  Aeufserlich  bemerkt  man  aber  an  der  untern 
Fläche  des  Schädels  noch  keine  Veränderung. 

Das  Ohr  schien,  aufser  dafs  es  mit  der  Umgebung  nach  vorn  gerückt  war      dd-   °',r 
seit  dem  vorigen  Tage  sich  nicht  verändert  zu  haben. 

Während  des  dritten  Tages  nimmt  das  Eiweifs  sehr  merklich  ab.     D'w  "'  Di(Mibri- 
Keimhaut  hat  sich  bis  über  die  Hälfte  der  Dolterkugel  ausgebreitet.     Die  Hallonen  d"  Eies."  *" 
sind  ganz  geschwunden  und  unter  dem  Embryo  liegt  eine  gleichmäfsige  Flüssigkeit 
zwischen  ihm  und  der  eigentlichen  Dottermasse.     An  dieser  wird  die  Zunahme 
des  Umfanges  beinerklich.     Die  Dotterhaut  wird  über  dem  Embryo  dünner. 

§.    6. 

Vierter       Tag.  ' 

Am   vierten  Tage   geht  die   Abschnüruug   des  Fötus  bedeutend   weiter,     °-  v°>*e- 
immer   aber   bleibt  noch  eiu  Theil  des  Darmes  rinnenförmig  offen.      Die  Ein- 
hüllung des  Embryo  durch   das   wahre  Amnion  wird  im  Anfänge  dieses  Tages       /^^Ä^A?^ 
vollendet,  wenn  sie  nicht  schon  am  Schlüsse  des  vorigen  erfolgt  Avar.  ?o3~aJ;Vv< 

'    I 


66 

b.  Ehihnl-  Der  Vorgang  der  Einhüllung  ist  sehr  einfach.     Von  allen  Seiten  rückt  der 

d«s  Amnion,  inuere  Rand  der  elliptischen  Amnionsfalte  gegen  die  Mitte  zusammen,  bis  die 
Oeffhung  sich  mit  einer  weifsen  Narbe  über  dem  Lendentheile  des  Rückens 
schliefet.  Am  Ende  dieses  Tages  ist  oft  auch  die  Narbe  nicht  mehr  kenntlich. 
Da  zugleich  die  Spaltung  der  BläUer  in  der  allgemeinen  Kappe  bis  zum  Umfange 
derselben  fortgegangen  ist,  so  steht  das  abgelöste  seröse  Blatt  jetzt  nur  mit  der 
Amnionsfalte  in  Verbindung,  und  wir  haben  daher  nun  plötzlich  ein  geschlossenes 
Amnion  (Fig  VII  und  VIII.  und  Fig.  7") ,  entstanden  aus  der  Amnionsfalte  (t  r', 
us),  dem  serösen  Blatte  der  Kappe  (Fig.  VII.  r  p,  q  s  und  Fig.  7.)  und  über- 
gehend in  die  untere  Wand  desEmlnyo,  so  viel  davon  schon  durch  das  seröse 
Blatt  gebildet  ist  (dp,  q  b)   (§.  5.  A.) 

c    i'anders  rja  jos  Amnion  aber  aus  einer  Falle  gebildet  ist,    so   folgt  daraus,   dafs 

falsches  - 

Amnion.        über  dem  geschlossenen  Amnion  noch  ein  Blatt  liegt,    welches  an  die  Stelle  der 
Naht  angeheftet,   im  übrigen  Umfange  aber  frei  ist.     Es  ist  das  obere  Blatt  der 
Amnionsfalte  Qr  t  u  s).     Dieses  Blatt  hat  Pander  das  falsche  Amnion  genannt. 
*■ ..  Ab"  Was  die  Abschuür uns  anlangt,    so  finden  wir,  dafs  der  kreisförmige  Um- 

des  Eiribryo.  wurf,  welcher  durch  die  Kopfscheide,  die  Schwanzscheide  und  die  Seitenscheiden 
düng.'  gebildet  wird,  sich  von  allen  Seiten  gegen  die  Mitte  zusammenzieht.  Die  Coni- 
muuicalion  zwischen  dem  Embryo  und  dem  Eie  erscheint  nun  schon  als  blofse 
Oeffnung,  die  mit  dem  Worte  Nabel  bezeichnet  wird.  Es  mufs  einleuchten,  dafs 
dieser  Nabel  kein  neuer  Theil  ist,  sondern  die  Stelle,  wo  der  Embryo  in  die 
übrigen  Eilheile  übergeht,  die  nur  durch  Verschnürung  die  jetzige  Form  erhalten 
hat.  Vergleichen  wir  nämlich  unsere  Abbildungen  VII.  VI.  bis  zu  I.  und  die 
Queerdurchschnitte  in  derselben  Reihenfolge  rückwärts,  so  finden  wir,  dafs  eben 
dieser  Nabel  früher  die  weite  Oeffhung  des  Leibes  t  noch  früher  der  ganze  Um- 
fang des  offenen  Leibes  und  endlich  am  ersten  Tage  noch  ganz  unbegrenzt  war, 
da  der  Embryo  selbst  keine  Grenze  hatte.  Da  der  Nabel  der  Uebergang  vom 
Embryo  in  das  Ei  ist,  so  müsseu  in  ihm  sich  sämmtliche  Blätter  der  Keimhaut 
wiederfinden,  und  wir  wollen  diese  einzelnen  Blätter  unterscheiden,  da  dire  fer- 
nere Geschichte  nicht  dieselbe  bleibt.  Am  meisten  nach  aufsen  ist  eine  Scheide 
vom  serösen  Bialte  (p  q  ).  Sie  geht  nach  oben  in  die  Haut  des  Embryo  über, 
nach  unten  in  das  seröse  Blalt  der  Kappe.  Da  aber  das  seröse  Blatt  der  Kappe  in 
diesem  Tage  zum  Amnion  wird,  so  geht  diese  Scheide  also  ins  Amnion  über. 
Man  könnte  sie  den  Amnionsnabel ,  noch  besser  den  Hautnabel  oder  Bauchnabel, 
nennen;  denn  der  sonst  wohl  gebrauchte  Name  Nabelscheide  ist  in  so  fern  nicht 
recht  passend ,  als  diese  Scheide  für  die  Leibeshöhle  selbst  den  Nabel  bildet.  In 
ihr  ist  eine  zweite  Röhre,    welche  wieder  aus  zwei  Röhren  besteht,    die  aber 


67 

iuimer  vereinigt  bleiben,  und  dalier  nur  einen  gemeinschaftlichen  Kanal  bilden. 
Im  Innern  dieses  Kanals  ist  nämlich  ein  Uebergang  des  Schleimblaues  aus  dem 
Schleimblatle  der  Dotterkugel  in  die  innere  Fläche  des  Darmes.  Nach  aufsen 
ist  ein  übereinstimmender  Uebergang  aus  dem  Gefäfsblatte  in  die  Gefäfsschicht 
des  Darmes.  Und  dieser  Kanal  ist  überhaupt  ein  blofser  Darmnabel ,  der  im 
Hautuabel  liegt.  Seine  Höhlung  führt  aus  dem  Räume,  den  der  Dotter  einnimmt, 
in  die  Höhlung  des  Speisekanals ,  und  zwar  durch  den  vordem  und  den  hintern 
Eingang  in  die  schon  gebildeten  Enden  des  Speisekauais ,  unmittelbar  aber  gegen 
die  Darmrinne.  Es  ist  nur  noch  ein  kleiner  Theil  des  Darmes  rinnenförmig. 
Immer  ist  diese  Darmrinne  schon  von  beiden  Seiten  gewölbt  und  nur  nach  unten 
offen.  Die  Höhlung  des  Haulnabels  führt  in  die  Bauchhöhle,  welche  in  der 
zweiten  Hälfte  des  vierten  Tages  eine  ansehnliche  Weite  hat. 

Wir  wollen  nun  der  Entstehung  der  Bauchhöhle  nachgehen,  welche  nlötz-    .*■  Ea«ch- 

-  *  hohle 

lieh  aufgetreten  zu  seyii  scheint,  da  ein  ansehnlicher  freier  Raum  im  Embryo  sich 
findet ,   welcher  Speisekanal ,    Leber ,  die  Wolfiischen  Körper  und  den  Harnsack 
umschliefst.     Das  Gekröse  hängt  tief  herab  bis  zu  dem  Theile  des  Darmes,    der 
noch  rinnenförmig  ist,    und  theilt  dadurch  die  Bauchhöhle  fast  in  zwei  Hälften. 
Das  giebt  uns  Licht  über  die  Entstehung  der  Bauchhöhle.     Diese  ist  aber  nichts 
anderes,   als  die  Vereinigung  der  beiden  Lücken,  welche  am  dritten  Tage  in  den 
Bauchplatten  sich  bildeten,    wie  aus  der  Ansicht  der  Fig.  5,   6  und  7.  deutlich 
werden  mufs.      Ginge  um  jene  Zeit  das  Gefäfsblatt  ^das  zukünftige  Gekröse)  nicht 
in  einer  langen  Strecke  in  das  Keimblatt  über,  so  würde  schon  am  dritten  Tage 
die  Bauchhöhle  die  gewöhnlichen  Verhältnisse  haben.    Doch  überblicken  wir  ihre 
Bildung  vom  Anfange  bis  zum  Ende  des  vierten  Tages!     In  den  beiden  ersten 
Tagen  hat  der  Embryo  gar  keine  Bauchhöhle,  also  auch  keine  offene.     Man  kann 
zwar  dem  Embryo  in  der  ersten  Periode  einen  offenen  Bauch  zuschreiben ,  in  so 
fern  die  zukünftigen  Bauchwände  noch  in  der  Ebene  des  Keimblattes  liegen ,  aber 
keine  offene  Bauchhöhle.     Offen  ist  dagegen  seine  Darnihöhle ,  d.  h.  sein  Speise- 
kanal.     Am  Ende  des  zweiten  Tages  beginnt  nun  jene  Spaltung  (§.  2.  .v.),  und  so 
lange  die  Spaltung  im  Bereiche  jeder  Bauchplatte  bleibt,   sind  zwei  Bauchhöhlen 
da,   als  schmale  Spalten  (Fig.  5.).     Im  Verlaufe  des  dritten  Tages  nehmen  beide 
Hölüungen  an  Weite  zu,    bleiben  aber  immer  getrennt,    bis  auf  ganz  enge  Com- 
niunicationen ,   die  vorn  im  umschlossenen  Theile  des  Embryo,    vor  und  neben 
dem  Herzen   sich   finden  müssen    (§.  5.  c.).     Die  Trennung  zwischen  der  obern 
und  untern  Lage  des  Keimblattes  geht  am  Ende  des  dritten  Tages  über  die  äufsern 
Grenzen  der  Bauchplatten  hinaus  und  trennt  das  seröse  Blatt  im  Umfange  der 
Kopf  kappe,    der  Schwanzkappe  und  der  Seitenkappen,   d.  h.  im  Umfange  der 

I  2 


68 

allgemeinen  Kappe,  wenn  nicht  im  dritten,  doch  im  vierten  Tage  (§.  5.  h.).     Da 
zu  gleicher  Zeit  die  Abschnürung  des  Embryo  von  der  übrigen  Keimhaut  -weiter 
schreitet,   so  erhält  die  gedoppelte  Bauchhöhle  immer  mehr  untere  Wand  und 
Seitenwand.     Da  ferner  die  Spaltung  von  der  Bauchplatte  durch  den  Nabel  in  die 
Kappe  fortgeht,    so  mufs  sich  der  Darmnabel  vom  Hautnabel  trennen.     Deshalb 
slofsen  beide  Bauchhöhlen  im  Nabel  zusammen.     Je  enger  der  Darmnabel  "wird, 
um  desto  weniger  ist  die  Bauchhöhle  getheilt.     Die  Verengerung  geht  aber  im 
Darmnabel  rascher  vor  sich ,  als  im  Hautnabel ,  und  dieser  Unterschied  wird  noch 
vergröfsert  durch  das  Durchdrängen  des  Harnsackes,   -wovon  weiter  unten.     Am 
Ende  des  vierten  Tages  erkennt  man  schon    kaum   mehr,    dafs  der  Darmnal>el 
iiiiiiej-  die  Bauchhöhle  getheilt  hatte,   besonders  da  der  Nabel  jetzt  ziemlich  weit 
unter  den  untern  Rand  der  Bauchpiatten  gerückt  ist,    oder  mit  andern  Worten, 
da  die  Bauchhöhle  nur  oben  von  den  Bauchplatten,    nach  unten  aber  von  einer 
Verlängerung  des  serösen  Blattes  gebildet  wird.     Es  ist  aber  diese  Verlängerung 
des    serösen    Blattes    nicht    mehr   blofse    Oberhaut,     sondern    scheint    aus   zwei 
Schichten  zu  bestehen,    und  ist  wahre  Haut.     Die  Bauchhöhle  hat  also  oben  zu 
beiden  Seiten  die  Bauchpiatten,    die  immer  noch  schmal  sind;   weiter  nach  unten 
ist  sie  von  der  Haut  bis  auf  die  Nabelöffnung  umschlossen.     Nach  hinten  geht  die 
Bauchhöhle  ursprünglich  bis  an  die  Stelle,   wo  das  hintere  Ende  des  Speisekanals 
an  die  Bauchpiatten  stöfst.     Nach  vorn  scheint  das  Verhältnifs  weniger  einfach, 
ist  im  Grunde  aber  doch  dasselbe.     Die  Rachenhöhle  wird  nämlich ,    wie  unten 
das  Afterende,    unmittelbar  von  den  Bauch  platten  unifafst.     Bis  hierher  hat  sich 
also  die  Trennung  der  Bauchplatten  nicht  erstreckt.     Es  ist  nur  der  Unterschied, 
dafs  die  Rachenhöhle  weit  länger  ist.      Ihre  Grenze  ist  noch  immer  durch  die 
hintersten  Kiemen-  (Arterien-)  bogen  bezeichnet,  welche  am  vierten  Tage  der  nun 
hinzugetretene  fünfte  Bogen  ist.     Die  Kiemenspalten  gehen  also  durch  die  Wand 
der  Rachenhöhle  hindurch,  ohne  auf  einen  Raum  zu  stoßen,   der  das  Verhältnifs 
der  Bauchhöhle  halte.     Hinter  ihnen  spitzt  sich  die  Rachenhöhle  zu,    um  in  den 
übrigen  Speisekanal  überzugehen,  der  viel  enger  ist,  und  hier  hat  man  gleich  eine 
umgebende  Höhle,   welche  das  Herz  umfafst  und  sich  in  die  Bauchhöhle  fortsetzt. 
Erinnern  wir  uns  nun,    dafs  schon  sehr  früh  in  der  Kopf  kappe  die  erste  Spaltung 
der  Blätter  eintritt,    so  sehen  wir  leicht  ein,    dafs  mit  diesem  Momente  eigentlich 
die  Bildung  der  Bauchhöhle  begann.     Daraus  folgt,   dafs  die  Bauchhöhle  im  An- 
lange gewissermafsen  aufserhalb  des  Embryo  lag  und  zuerst  nur  das  Herz  enthielt; 
dafs  diese  Bauchhöhle  sich  dann  durch  Spaltung  in  die  Bauchpiatten  nach  hiulen 
in  zwei  Schenkel  fortsetzte;   dafs  dann  beide  Schenkel  hinten  zusammenliefen, 
sobald  der  Harnsack  nicht  mehr  von  den  Blättern  der  Schwanzkappe  eng  um- 


69 

schlössen  war,  und  nun  endlich  die  Bauchhöhle  die  Darmhöhle  umschliefst,  mit 
Ausnahme  des  Darmnabels,  in  welchem  die  Darmhöhle  die  Bauchhöhle  durch- 
bohrt. Nach  aufsen  comraunicirt  die  Bauchhöhle  mit  dem  Baume  des  Eies ,  der 
zwischen  dem  Amnion  und  der  tiefern  Lage  der  Kappe  liegt  und  mit  dem  Baume 
zwischen  Amnion  und  dem  obei'n  Blatte  der  Amnionsfalte,  oder  dem  serösen 
Ueberzuge. 

Die  Betrachtung  der  Bauchhöhle  führt  uns  nothwendig  zu  der  Bestimmung  /.  Ajigemei- 
anderer  Regionen  des  Embryo.  Hinten  ist  die  Wirbelsäule  über  die  Bauchhöhle  <ie(  Embryo, 
und  etwas  über  die  Darmhöhle  hinaus  gewachsen,  und  letztere  haben  sich  zurück- 
gezogen. Wir  haben  also  jetzt  erst  einen  wahren  Schwanz.  Der  Rumpf  wird 
durch  die  beiden  Paare  der  Extremitäten  bezeichnet.  Die  Bauchhöhle  geht  aber 
viel  weiter  nach  vorn  in  den  Hals.  Es  scheint  mir  nämlich  unbedenklich,  dafs 
der  Theil  des  Leibes ,  der  vor  der  vordem  Extremität  liegt,  der  Hals  ist,  denn 
die  Bauchplatten  in  diesem  Theile,  werden  zu  den  Wänden  des  Halses,  sobald 
sich  das  Herz  zurückgezogen  hat.  Jetzt  aber  liegt  nicht  nur  das  ganze  Herz ,  son- 
dern selbst  die  Leber  im  Halse. 

Während  des  vierten  Tages  wendet  sich  zuerst  das  Schwanzende  stark  ge- 
gen den  Kopf  und  legt  sich  auf  die  linke  Seite.  Nur  der  eigentliche  Rumpf  zwi- 
schen beiden  Extremitäten  ist  gerade.  Der  Hals  ist  sehr  stark  gekrümmt,  so  dafs 
die  Stirn  gegen  die  zukünftige  Brust  gekehrt  ist  und  der  Uebergang  des  Rücken- 
marks in  das  verlängerte  Mark  die  vorderste  Region  des  ganzen  Thierchens  ein- 
nimmt. Die  Rückenseite  des  Halses  ist  also  viel  länger  als  die  Bauchseite.  Der 
Kopf  hat  sich  viel  mehr  zusammengeschoben,  und  die  Zelle  für  die  Yierhügel  ist 
die  gröfsle  Hirnzelle.  An  Länge  betragen  Kopf  und  Hals  zusammen  ungefähr  so 
viel  als  der  Rumpf.     An  Blasse  kommt  aber  der  Kopf  allein  dem  Rumpfe  gleich. 

Wenden  wir  uns  nun  an  die  einzelnen  Theile  des  Embryo,  und  zwar  zu-  f  SP 
erst  an  die  Theile  m  der  Bauchhöhle.  Der  Speisekanal  ist  noch  fast  gerade.  Nur 
der  mittlere  noch  nicht  umschlossene  Theil,  oder  die  Darmrinne ,  liegt  tiefer,  in- 
dem sich  hier  das  Gekröse  verlängert  hat.  Der  vordere  Eingang  in  den  Speise- 
kanal ist  enger,  als  in  der  ersten  Hälfte  des  dritten  Tages.  Im  vordem  Theile  des 
Speisekanals  ist  nicht  nur  die  Rachenhöhle  begrenzt,  sondern  hinler  ihr  folgt  noch 
eine  verengte,  aber  sehr  kurze  Röhre,  die  Speiseröhre.  Hinter  dieser  findet  sich 
eine  längliche  Erweiterung,  der  Magen,  der  aber  noch  ganz  in  der  der  Längen- 
achse des  genieinsamen  Kanals  ist  und  nur  ein  etwas  erweiterter  Theil  desselben. 
Seine  stärkste  Wölbung  ist  nach  dem  Rücken,  zuweilen  sogar  etwas  nach  rechts 
gekehrt.  Hinter  diesem  der  Zwölffingerdarm ,  der  allmählig  sich  erweiternd  in 
den  vordem  Eingang  ausläuft.     Die  Darmrinne  ist  am  Ende  dieses  Tages  nur  noch 


70 

■|  Linie  lang.      Im  hintern  Theile    der  Speiseröhre  ist  der  weite  Darin ,   dessen 
Grenze  die  Blinddärme  bezeichnen ,  im  Uebrigen  vom  hintern  Theile  des  engen 
Darmes,  der  in  den  hintern  Eingang  übergeht,  nicht  verschieden.     Muudöffhung 
weit.     Einen  After  habe  ich  am  vierten  Tage  noch  nicht  entdecken  können. 
h,  Lunge.  Die  Gefäfsschicht  hat  sich  in  dem  schon  gebildeten  Theile  des  Speisekanals 

noch  mehr  aufgelockert,  und  gleicht  einer  halbdurchsichtigen  Gallert.  Die  Lun- 
gen heben  sich  nach  unten  mehr  aus  dieser  Schicht  hervor,  hängen  aber  doch  noch 
durch  ein  von  Uirem  Abtrennen  aufgehobenes  Blatt  mit  dem  Speisekanale  zusam- 
men. Die  Röhre  in  jedem  Lungenflügel  hat  sich  nach  hinten  in  ein  kleines  Säck- 
chen blasenförmig  erweitert  und  nach  vorn  sehr  verlängert ,  so  dafs  beide  Bron- 
chien in  einem  sehr  spitzen  Winkel  zusaniinenstofsen.  Dann  folgt  ein  kurzer  ge- 
meinschaftlicher Kanal,  der  am  Ende  dieses  Tages  oft  erst  |  Linie  lang  ist,  die 
Luftröhre  nämlich,  die  mit  der  Speiseröhre  hinter  der  Rachenböhle  zusammen- 
mündet. 
,   Leber.  Die  Leber  ist  in  zwei  flache  Körper  ausgebildet,  die  wie  Platten  die  Pfort- 

ader umfassen.  In  diese  Platten  haben  sich  beide  Lebergänge  weiter  verzweigt. 
Die  innere  Fläche  der  Lebergänge  ist  körnig,  wie  die  innere  Fläche  des  Darmes. 
Beide  Lebergänge  haben  sich  nicht  nur  in  die  Leberlappen  verlängert,  sondern 
auch  mehr  aus  dem  Darme  herausgezogen ,  so  dafs  sie  meistens  schon  an  der  Basis 
zusammenstofsen ,  am  Ende  des  Tages  aber  schon  einen  gemeinschaftlichen  Kanal 
zu  bilden  pflegen.  Zwischen  die  Lebergänge  haben  sich  Verlängerungen  der 
Vene  hineingezogen. 

Das  Pankreas  ist  noch  nicht  oder  nur  sehr  wenig  aus  der  Ebene  der  Ge- 
fäfsschicht hervorgebrochen. 
/. .  Bünddär-  Die  Blinddärme  bilden  noch  kurze  und  stumpfe  Kegel,   die  senkrecht  auf 

der  Achse  des  Speisekanales  stehen. 
m.Harnsack.  Der  Ffarnsack,  der  im  vorigen  Tage  und  am  Anfange  dieses  Tages  nur  we- 

nig sich  vergröfserte ,  weil  er  seiner  Entstehung  nach  nothwendig  zwischen  das 
seröse  und  Gefäfsblatt  der  Schwauzkappe  eindrängt,  wächst  in  der  zweiten  Hälfte 
des  vierten  Tages  sehr  rasch,  nachdem  die  Trennung  beider  Blätter,  welche  der 
Harnsack  zu  unterstützen  scheint,  überall  erfolgt  ist.  Zuerst  drängte  er  sich  zwi- 
schen den  genannten  Blättern  der  Schwauzkappe,  und  dann,  immer  wachsend, 
zwischen  dieselben  Blätter  der  rechlen  Seitenkappe  hinein.  Er  wird  dabei  dünner 
und  durchsichtiger.  Seine  Basis  zieht  sich  in  einen  hohlen  Stiel  aus.  Die  Spitze 
nimmt  eine  kugelförmige  Gestalt  an  und  hat  am  Ende  dieses  Tages  die  Gröfse  ei- 
ner Wicke  oder  Erbse.  Ein  schönes  Gefäfsnetz,  das  er  aus  dem  Leibe  hervor- 
hebt und  das  durch  eine  Verzweigung  der  Aortenäste  gebildet  wird ,    ist  in  seiner 


it.  Pankreas. 


system. 


71 

Gefäfsschicht  enthalten.     Die  innere  Schicht  oder  das  Schleimblatt  ist  davon  sehr 
leicht  unterscheidbar. 

Die  Lücke  im  Gekröse  verengt  sich,   theils  indem  die  Gekrösblälter  sich  »•  Lücke  im 
auch  nach  oben  an  einander  legen,   theils  indem  sich  in  die  Lücke  etwas  Bil- 
dungsgewebe absetzt. 

Die  Wolffischen  Körper  enthalten  ein  der  Lange  nach  verlaufendes  Blut-     "■  Wolffir 
gefäfs.     Die  dunklen  Queerstreifen  haben  sich  vergröfsert  und  sind  unbezweifelt  s 
hohle  Röhrchen,   von  dunkler  Wandung  umgeben,   ungefähr  so  wie  die  Leber- 
gänge in  ihrer  ersten  Bildung ;  nur  sind  jene  sehr  viel  enger.      Sie  scheinen  aber 
Blut  zu  enthalten.     Wenn  sie  Blut  enthalten ,  so  münden  sie  ohne  Zweifel  in  das 
Längsgefäls  eiu. 

Diebeiden  Hauptäste,    in  welche  sich  die  Aorta  schon  am  zweiten  Tane     p-  r,ef<»rs- 
spaltete,  laufen  zwar  an  derselben  Stelle,  an  welcher  später  die  Wolffischen  Kör- 
per sich  finden,  allein  am  dritten  Tage  schon,  und  noch  mehr  am  vierten,    sieht 
man  die  Aorta  in  einem  ungeteilten  Stamme  bis  in  die  Nähe  des  Harnsackes  ver- 
laufen,  wo  sie  erst  in  zwei  Aeste  sich  spaltet,    und  die  Gekrösschlagader  ist  jetzt 
ein  einfacher  Ast  dieses  gemeinschaftlichen  Stammes.     Es  scheint  also,   dafs  beide 
Hauptäste  der  Aorta  sich  wirklich  verengt  haben  (wohl  durch  Verlängerung  aus 
dem  Mittelstamme),  und  man  kann  die  Ueberzeugung  nicht  gewinnen,  zu  der  sonst 
der  Anschein  führen  könnte,  dafs  aus  diesen  ursprünglichen  Hauptästen  die  Wolf- 
fischen Körper  sich  bilden.     Auffallend  aber  bleibt  es  immer,    dafs  zwischen  den 
vordem  Enden  der  Wolffischen  Körper  die  Aorta  viel  weiter  ist,    als  im  übrigen 
Verlaufe,    und  es  wäre  daher  auch  möglich ,   dafs  der  Stamm  der  Aorta  sich  hier 
theilt  und  die  Fortsetzung  erst  später  zwischen  den  beiden  frühesten  Aesten  sich 
bildete.     Die  Gefafsstämme  >  auf  denen  die  Wolffischen  Körper  sich  bilden ,  sind 
aber  vielleicht  noch  eher  Venen,  welche  der  Aorta  entsprechen,  und  also  die  Haupt- 
wurzeln der  untern  Hohlvene  wären.     Am  vierten  Tage  ist  auch  eine  Drosselvene, 
die  das  Blut  aus  dem  Kopfe  zurückführt,   sehr  deutlich,    und  im  untern  Rande 
jeder  Bauchplatte  ist  noch  eine  Vene,  die  mit  der  Drosselvene  jeder  Seite  vor  dem 
Eintritte  in  das  Herz  sich  verbindet.     Sie  scheint  also  die  Intercostalvene  zu  seyn. 
Sie  entsteht,  wie  schon  bemerkt  ist,   und  wie  man  hier  deutlicher  als  an  irgend 
einer  andern  Stelle  beobachten  kann,  so,  dafs  die  Leibesmasse  in  einzelnen  Punk- 
ten flüssig  wird,  die  Flüssigkeit  sich  ansammelt,    roth  wird,    in  Form  von  Blut- 
punkten erscheint  und  erst  allmählig  in  Rinnen  verläuft.      Im  Leibe  des  Embryo 
scheint,  so  weil  die  Beobachtung  reicht,    die  Venenbildung  der  Artfricnbildung 


voranzugehen. 


q.  Herz. 


72 

Am  vierten  Tage  sondert  sich  das  Ffortadersystem  schon  sehr  deutlich  vom 
Hohlvenensystem  dadurch ,  dafs  die  Pfortader  sich  in  die  Leber  verzweigt ,  in 
verhältnifsmäfsig  ungeheuer  weiten  und  kurzen  Kanälen  und  dadurch,  dafs  der 
Veuenstamm ,  in  welchem  sich  die  Ffortader  freilich  noch  mit  ihrem  Stamm  ver- 
längert, bis  zum  Herzen  eine  sehr  bemerldiche  Strecke  verläuft. 

Vom  Herzen  liegt  der  venöse  Theil  noch  ganz  nach  links.  Beide  Heiz- 
ohreu  vergröfsern  sich  ansehnlich  und  bekommen  Einkerbungen.  Sie  münden  in 
den  «emeinschaftlichen  Venensack.  Die  Verdickung  der  Wand,  welche  anfang- 
lich nur  in  den  Herzohren  herrschte,  verbreitet  sich  am  vierten  Tage  von  ihnen 
aus  auch  auf  den  zwischenliegenden  Venensack,  der  am  Ende  des  vierten  Tages 
nicht  mehr  die  ursprüngliche  Venenwand  hat.  Deswegen  will  ich  von  jetzt  an 
die  beiden  Herzohren  mit  dem  Venensacke  zusammen  die  (noch  einfache)  Vor- 
kammer nennen.  Die  Kammer  spitzt  sich  allmäblig  sehr  zu.  Die  Spitze  ist  an- 
fangs mehr  nach  rechts  gerichtet,  rückt  dann  aber  immer  mehr  nach  hinten. 
Ihre  Wände  nehmen  sehr  an  Duukelheit  zu,  und  auch  der  vordere  Rand  pflegt  am 
Ende  dieses  Ta°es  nicht  recht  hell  zu  seyn.  Zwischen  Kammer  und  Vorkammern 
wird  der  helle  Zwischenkanal  (Canalis  auricularis)  ansehnlicher.  Der  Aorten- 
wulst  verdickt  sich  mit  einer  Hauptwölbung  nach  unten  und  links,  und  scheint 
erst  jetzt  den  Namen  eines  eigenen  Theils  des  Herzens  zu  verdienen.  Die  innere 
Hrihlun«  hat  in  der  Mitte  eine  grofse  Weile,  wie  schon  das  durchschiefsende  Blut 
während  der  Circulation  zu  erkeunen  giebt.  Macht  man  feine  Queerschnitle ,  so 
findet  mau,  dafs  die  Höhlung  nicht  cylindrisch  ist,  sondern  in  jedem  Queer- 
schuitte  eine  Spalte  bildet,  welche  in  der  Mitte  schmal,  zu  beiden  Seiten  weiter 
ist.  Ist  das  ausgeschnittene  Stück  aber  etwas  lang,  so  kann  man  nicht  durch  die 
Spalte  von  einer  Fläche  zur  andern  hindurch  sehen,  weil  die  zweischneidige  Höh- 
lung sich  etwas  um  ihre  Achse  dreht.     Die  Kammer  sieht  äufserlich  noch  uuge- 


■> 


theilt  aus.  Im  Innern  findet  man  aber  eine  stark  vorspringende  Falte,  welche  die 
Höhlung  in  zwei  Abtheilungen  scheidet,  die  längs  des  freien  Randes  der  Falte 
mit  einander  Communication  haben.  Dieselbe  läuft  auf  der  einen  Seite  bis  an  die 
Basis  der  Aortenzwiebel,  auf  der  andern  bis  in  den  Ohrkanal.  Ob  sie  auch  in 
dem  Venensacke  ist,  konnte  ich  nicht  unterscheiden,  denn  dieser  ist  zu  undurch- 
sichtig, um  ohne  Zergliederung  eine  innere  Falte  in  ihm  zu  erkennen,  und  zu 
klein,  um  eine  zuverlässige  Zergliederung  gelingen  zu  lassen.  Die  Falle  in  der 
Herzkammer  scheint  mir  nur  eine  Vergröfserung  der  schon  am  dritten  Tage  deut- 
lich gesehenen  Falte.  Sie  verläuft  aber  jetzt  auf  eigen thümliche  Weise  schief,  so 
dafs  durch  sie  ein  rechtes  und  zugleich  hinteres  Fach  von  einem  Unken  und  vor- 
dem 


73 

dem  abgegrenzt  wird.     Beide  Fächer  münden  gemeinschaftlich  in  die  Höhlung 
der  Aortenzwiebel  ein. 

Mit  den  Gefäfsbogen  und  den  ihnen  zugehörigen  Kiemenbogen  und  Kie-    r-  Kiemen- 
menspalten  gehen  merkwürdige  Veränderungen  vor.  Gräfte  '"in 

Zuvörderst  wird  der  Blutstrom  in  dem  ersten  Bogen  immer  schwerer  zu  ,hnen- 
erkennen,  und  am  Ende  dieses  Tages  sah  ich  ihn  nie.  Der  Grund  liegt  theils  in 
einer  Verdickung  des  Bogens,  theils  aber  in  wirklicher  Abnahme  des  Blutstro- 
mes. Auch  der  zweite  Gefäfsbogen  wird  allniählig  schwächer,  ist  aber  am  Ende 
des  Tages,  wenn  der  Embryo  kein  Blut  verloren  hat,  doch  noch  bei  gehöriger 
Aufmerksamkeit  kenntlich.  Dagegen  verstärken  sich  der  dritte  und  vierte  Bogen 
sehr,  und  nehmen  bei  weitem  die  meiste  Blutmasse  auf.  Auch  bildet  sich  im 
Verlaufe  dieses  Tages  ein  fünfter  hinterster  Bogen ,  den  ich  auf  der  linken  Seite 
•  immer  schwächer  fand ,  als  auf  der  rechten.  Am  Ende  dieses  Tages  haben  wir 
also  wieder  vier  Blutströme,  die  aber  nicht  die  Blutströme  des  dritten  Tages  sind. 
Dafs  ich  mich  hierin  nicht  geirrt  habe,  erweisen  mir  vielfältige  Beobachtungen, 
die  im  Einzelnen  anzuführen  hier  nicht  möglich  ist.  Während  dieser  Metamor- 
phose am  vierten  Tage  verdickt'  sich  der  erste  Kiemenbogen  sehr,  und  sein  unte- 
res Ende  wird  kolbig.  Da  er  dieses  Ansehn  in  geringem  Grade  schon  am  dritten 
Tage  hatte ,  so  ist  schon  daran  seine  Identität  kenntlich.  Der  zweite  Bogen  er- 
hebt sich  dagegen  nach  aufsen  in  ein  Blatt,  welches  nach  oben  und  unten  in  die 
allgemeine  Ebene  des  Halses  ausläuft,  in  der  Mitte  aber  mit  elliptischem  Rande 
stark  vorragt;  der  convexe  Rand  dieses  Blattes  ist  zuerst  fast  nach  aufsen,  je 
mehr  es  wächst,  um  desto  mehr  aber  nach  hinten  gerichtet,  so  dafs  man  am  Ende 
des  vierten  Tages  etwas  von  hinten  beobachten  mufs ,  um  die  ansehnliche  zweite 
Kiemeuspalte,  die  er  etwas  überdeckt,  zu  erkennen*).  Zwischen  dem  vierten 
und  fünften  Gefäfsbogen  bildet  sich  eine  länglich -rundliche  Spalte,  während  die 
andern  Spalten  sich  etwas  vergröfsern,  mit  Ausnahme  der  vordersten,  die  sich 
durch  ein  zartes  Bildungsgewebe  in  der  zweiten  Hälfte  des  vierten  Tages  anfüllt, 
und  am  Ende  desselben  völlig  geschlossen  ist,  nur  in  der  Durchsichtigkeit  die  ehe- 
malige Trennung  zu  erkennen  gebend.  Wir  haben  also  auch  drei  Kiemenspalten, 
die  uicht  die  frühern  sind,  indem  eine  neue  hinzugekommen  und  eine  frühere 
verschwunden  ist  (§.  5.o.).  Der  ganze  Apparat  der  Kiemenbogen  hat,  von  der 
untern  Fläche  angesehen,  eine  auffallende  Aehnlichkeit  mit  dem  Kiemengerüste 
der  Fische,  besonders  wenn  wir  dieses  im  skelettirten  Zustande  betrachten.     Alle 


*)    Dieses  Blatt  ist  es,    welches  Rathke  Kiemendeckel  nennt,    dessen   Bedeutung  es  211   hab 
scheint. 

K 


74 

Bogen  haben  sich  etwas  verdickt,  am  meisten  freilich  die  beiden  ersten,  und  ihre 
untern  Enden  werden  nicht  blofs  durch  eine  dünne  Haut  verbunden,  wie  am 
dritten  Tage,  sondern  sie  sind  zusammengerückt,  und  in  der  Mittellinie  liegt 
ein  Streifen  festeren  Bildungsgewebes,  ähnlich  der  mittlem  Knochenreihe  im 
Kiemengerüste  der  Fische.  Spaltet  man  die  Rachenhöhle  auf,  so  sieht  man, 
wie  sie  vorn  breiler  ist  und  nach  hinten  sich  trichterförmig  verengt.  Im  vordem 
Theile  ist  eine  etwas  verdickte,  aber  noch  wenig  isolirte  Stelle  über  den  beiden 
ersten  Kiemenbogen.  Diese  verdickte  Stelle  zeigt  nach  hinten  schon  zwei  kurze 
Schenkel.     Ich  halte  sie  für  die  erste  Anlage  des  Zungenbeins. 

Da  der  stärkste  Strom  des  Blutes  durch  den  dritten  und  vierten  Gefäfsbogen 
geht,  so  wird  jetzt  noch  ein  gröfserer  Theil  der  Aortenwurzel  zur  Kopfschlag- 
ader. An  diesem  Tage  fand  ich  aufser  derselben  ein  Gefäfs,  das  ich  für  die 
Wirbelschlagader  hielt.  Das  Blut,  das  auf  das  Hirn  geführt  wird,  breitet  sich 
fast  strahlenförmig  in  mehrere  Bogen  über  die  Hirnblasen  aus,  und  sammelt  sich  in 
Venen ,  von  denen  eine  in  Form  eines  Blutleiters  in  der  Mittellinie  der  Vierhügel 
liegt.  Aus  der  Aorta  gehen  sehr  deutliche  Gefa'fszweige  in  alle  Wirbelzwischen- 
räume ein.  Im  Gefäfshofe  liegen  Venen  und  Aorten  mit  ihren  Verzweigungen 
dicht  neben  einander. 
Wirbel-  Die  Wirbelanlagen  in  den  Rückenplatten  verlängern  sich  nach  unten  gegen 

die  Wirbelsaite,    wodurch  der  Stamm  der  Wirbelsäule  mehr  ausgebildet  wird; 
na*ch  oben  erreichen  sie  sich  aber  nicht. 
Extremi  Die  Extremitäten  verwandeln  sich  aus  Leisten  in  Blätter,    welche  hinten 

breiter  und  zugeruudet  sind,    und  nicht  mein*  auf  dem  Rande  der  Bauchplatle  zu 
sitzen  scheinen,    sondern,   da  diese  breiter  geworden  sind,    auch  auf  der  Furche 
zwischen  den  Bauch-  und  Rückenplatten  ihre  Basis  haben. 
V    ,Ceutral-  Im  Rückenmarke  bilden  sich  beide  Blätter  #nehr  aus  und  sondern  sich  von 

veusystems.  einer  äußerst  zarten  Hülle,  welche  noch  sehr  eng  an  den  Rückenmarksblättern 
anliegt,  und  kaum  ohne  Verletzung  getrennt  werden  kann.  Ich  habe  daher  nicht 
unterscheiden  können,  ob  die  Rückenmarksblätter  oben  mit  einander  verwachsen 
siud,  oder  nicht,  doch  scheinen  sie  blofs  von  der  Hülle  zusammengehalten,  nach 
unten  siud  sie  aber  durch  eine  dünne  Masse  verbunden,  die  nicht  zur  Hülle  gehört. 
In  jedem  Blatte  zeigt  eine  deutliche  innere  Furche  eine  Theüung  in  einen  obern 
und  einen  untern  Strang  an,  von  denen  der  untere  stärker  ist.  Im  verlängerten 
Marke  legen  sich  beide  Blätter  weit  aus  einander;  die  Kräuselungen,  die  man  am 
dritten  Tage  sah,  sind  zu  deutlichen  Oueerstreifen  geworden.  Die  vierte  Hirnhöhle 
ist  noch  von  einem  Blatte  bedeckt,  das  Nervenmasse  zu  enthalten  scheint.  Nicht 
nur  zeigt  es  unter  dem  Microscope  diese  Ansicht,  sondern  es  wird  auch  im  Wein- 


laten. 


75 

geiste  völlig  weifs,  wie  Nervenmasse.  Dieses  aufliegende  Blatt  klebt  an  den 
Rückeninarksblättern  im  ganzen  Umfange  der  vierten  Hirnhöhle  eng  an,  läfst  sich 
aber  ohne  alle  Zerreifsung  glatt  von  ihnen  ablösen ,  und  scheint  eine  Verdickung 
der  hier  schon  mehr  getrennten  Hülle.  Aus  allem  geht  also  hervor,  dafs  aus  der 
ursprünglichen  kanalförmigen  Anlage  Flu  den  Centraltheil  des  Nervensystemes  sich 
eine  Hülle  von  dem  eigentlichen  Nervenmarke  trennt,  dafs  dieses  Nervenmari: 
nach  oben  gespalten  ist,  was  am  fünften  Tage  noch  viel  deutlicher  wird,  und  dafs 
auf  der  vierten  Hirnhöhle,  wo  sich  die  Blätter  des  Nervenmarkes  am  Aveitesten 
aus  einander  geben,  eine  Lage  von  nerveuähnlicher  Masse  aufliegt,  grade  wie 
auf  der  vierten  Hirnhöhle  mancher  Amphibien.  Diese  aufliegende  Masse  ist 
wie  in  den  Amphibien,  so  auch  im  Hühner -Fötus,  vom  kleinen  Hirne  und  ver- 
längerten Marke  getrennt.  Das  kleine  Hirn  ist  schon  deutlich  da.  Die  Rücken- 
marksblätter breiten  sich  nämlich,  nachdem  sie  die  vierte  Ilirnhöhle  eebildet 
haben,  auf  jeder  Seite  in  ein  mehr  senkrecht  stehendes  rundliches  Blätlchen  aus. 
Beide  Blättchen  klaffen  hinten  weit  aus, einander,  stofsen  aber  nach  vorn  zu- 
sammen, und  umschliefsen  einen  kurzen  und  engen  Kanal,  der  in  die  Blase  der 
Vierhügel  führt.  Diese  Blätter  waren  im  Grunde  schon  am  dritten  Tage  kennt- 
lich, obgleich  weniger  bestimmt,  da  sie  überhaupt  von  der  äufsern  Hülle  noch 
nicht  deutlich  geschieden  waren.  Am  vierten  Tage  aber  ist  der  Character  des 
kleinen  Hirnes  unverkennbar,  wenn  auch  nicht  alleTheile  desselben  da  sind,  die 
dem  kleinen  Hirn  in  höhern  Thieren  zukommen.  Die  Vierhügel  bilden  die 
gröfste  Blase.  Sie  erscheint  nach  oben  geschlossen;  die  Höhlung,  die  sie  enthält, 
^vollen  wir  die  Sylvische  Hirnhöhle  nennen.  Die  darauffolgende  Hirnblase,  die 
früheste  von  allen  und  ursprünglich  die  vorderste,  bildet  die  Region  der  dritten 
Hirnhöhle  und  ist  viel  niedriger  und  kürzer,  als  die  eben  beschriebene.  Aus  der 
Mitte  der  Decke  dieser  Ilirnhöhle  zieht  sich  in  der  zweiten  Hälfte  dieses  Tages 
schon  die  Nervenmasse  etwas  zurück,  so  dafs  man  eine  helle  Lücke  in  der  Mittel- 
linie erkennt.  Zugleich  bekommt  sie  in  der  Decke  eine  seichte  Einkerbung  der 
Queere  nach.  Die  dritte  Hirnhöhle  steigt  tief  gegen  die  Schädelbasis  herab,  und 
diese  Verlängerung  ist  der  Trichter.  Da  die  Vierhügel  weiter  nach  vorn  (im 
Verhältnifs  zum  ganzen  Embryo)  liegen,  und  überhaupt  alle  Hirntheile,  die  ur- 
sprünglich hinter  einander  lagen,  sich  allmählig  zusammenkrümmen,  so  bleibt 
eine  Lücke  zwischen  dem  Trichter,  dem  kleinen  Hirne  und  den  Vierhügelo.  Die 
Lücke  ist  jetzt  schmaler,  als  am  dritten  Tage.  In  dieser  Lücke  liegt  die  Bücken- 
saite und  zugleich  umgebendes ,  dem  Stamme  der  Wirbelsäule  gehöriges  Bildungs- 
gewebe, mit  immer  schärfer  werdender  Umbeugung.  Von  der  Stirn  und 
Scheitelgegend  aus  sind  die  Seitenventrikel  durch  eine  tiefe  Einsenkung  von  ein- 

K  2 


76 

ander  abgegrenzt ,  aber  nicht  völlig  geschieden.  Es  scheint,  dafs  ihre  Nerven- 
blätter  in  der  Mitte  zusammenstofsen ,  sie  sind  aber  von  der  Hülle  noch  nicht 
deutlich  getrennt.  Das  Hirn  besteht  also  aus  Blasen,  welche  ich  nach  den  Ven- 
trikeln benannt  habe,  da  sonst  ein  Name  gefehlt  hätte,  um  die  Blase  für  die 
dritte  Hirnhöhle  zu  bezeichnen.  Allein  die  Wandung  dieser  unter  sich  zusammen- 
hängenden Blasen  ist  nicht  mehr  ein  so  einfaches  Blatt,  als  am  dritten  Tage.  So 
wie  schon  im  Rückenmarke  der  untere  Strang  jeder  Seite  deutlicher  ist ,  so  ist  die 
Fortsetzung  desselben  im  Hirne  als  ein  erhabener  Strang  noch  viel  kenntlicher. 
Diesen  Strang  sieht  man,,  obgleich  seitlich  immer  in  die  Seitenwand  übergehend, 
deutlich  auf  den  Boden  der  vierten  Hirnhöhle  und  der  Sylvischen  Höhle  bis  in  die 
dritte  Hirnhöhle  verlaufen.  Hier  bildet  der  Strang  den  Trichter.  Während  alter 
am  Anfange  des  dritten  Tages  die  hintere  Wand  des  Trichters  das  eigentliche 
Ende  des  untern  Randes  des  Rückenmarkes  schien,  und  am  Ende  des  dritten 
Tages,  wo  man  schon  die  Andeutung  eines  Stranges  erkennt,  der  Uebergang  in 
die  vordere  und  hintere  Wand  des  Trichters  gleichmäfsig  war,  ist  am  vierten 
Tage  der  Uebergang  in  die  hintere  Wand  des  Trichters  schwach  im  Verhältnifs 
zu  dem  sehr  verdickten  Uebergange  in  die  vordere  Wand.  Diese  ist  jetzt  das  vor- 
zügliche Ende  des  Stranges,  in  welches  er  mit  ziemlicher  Dicke  übergeht,  und 
dadurch  dem  Eingange  des  Trichters  einen  wülstigen  Saum  giebt.  Dieses  Ende 
des  Stranges  bildet  in  der  Vorderwand  des  Trichters  eine  Anschwellung ,  die  fast 
wie  eine  plötzliche  Umbeugung  aussieht ,  allein  bei  der  Kleinheit  der  Theile  läfst 
sich  darüber  nicht  mit  Bestimmtheit  entscheiden.  Endlich  verliert  sich  der 
Strang  aber  auch  mit  einer  kaum  merklich  erhobenen  Fortsetzung  in  die  Blase 
des  Seitenventrikels  seiner  Seite  oder  in  die  Hemisphäre  des  grofsen  Hirnes. 
v.  Sinnes-  Mehrere  der  Hirnventrikel  verlängern   sich   in  die  hohlen  Sinnesnerven. 

Sinnes-  Die  hohlen  Eingänge  in  dieselben  sind  an  erhärteten  Hirnen  von  der  innern  Fläche 
orga"e"  der  Hirnblasen  aus  deutlich  und  ohne  viel  Schwierigkeit  erkenntlich ,  und  zwar 
der  Eingang  in  den  Hörnerven  aus  der  vierten  Hirnhöhle  zwischen  den  Blättern 
des  kleinen  Hirns  und  den  Blättern  des  verlängerten  Markes ,  der  Eingang  in  den 
Sehnernen  aus  dem  dritten  Ventrikel  vor  dem  Trichter,  der  Eingang  in  den 
Riechnerven  aus  dem  Seitenventrikel  in  der  untern  Fläche  desselben.  Da  noch 
keine  Faserung  zu  erkennen  ist,  so  kann  man  über  den  Uebergang  der  einzel- 
nen Hirntheile  nur  nach  der  äufsern  Gestaltung  urtheilen,  und  nach  diesen 
scheinen  die  Sinnesnerven  nicht  aus  beschränkten  Stellen,  sondern  vom  ganzen 
Umfange  der  Hirnblasen  zu  entspringen ;  so  dafs  also  z.  B.  der  Sehnerve  nicht  von 
der  Stelle  käme ,  die  künftig  zum  Sehhügel  wird ,  sondern  im  eigentlichen  Sinne 
des  Wortes  eine  Verlängerung  der  Hirnblase  ist,  die  die  dritte  Hirnhöhle  einschliefst. 


77 

Hiernach  sind  überhaupt  die  Sinnesnerven  Hervorstülpungen  desHirnes  in  die 
Leibesmasse,  und  die  Sinnesorgane  dadurch  bewirkte  Modifikationen  der  letztem. 

Am  deutlichsten  bewährt  sich  dieses  im  Auge.  OefFnet  man  ein  in  Wein-  »•  Al,«?c- 
geist  erhärtetes  Auge  vom  vierten  Tage,  so  findet  man  die  Netzhaut  verhälluils- 
mäl'sig  sehr  dick  und  fest,  so  dafs  man  sie  ohne  sonderliche  Mühe  vollständig  toii 
den  andern  Blättern  getrennt  darstellen  kann.  Dieses  Markblatt  bildet  nun  eine 
feste  kugelförmige  Höhle,  welche  durch  einen  hohlen  Kanal  mit  der  dritten  Hirn- 
höhle verbunden  ist,  und  füglich  als  ein  nach  der  Seite  getretener  Hirnventrikel 
betrachtet  werden  könnte.  Der  Kanal,  der  sich  in  diesen  Ventrikel  ausdehnt, 
der  künftige  Sehnerve  nämlich,  steigt  von  innen  nach  aufsen,  dehnt  sieh  dann 
plötzlich  zur  Netzhaut  aus,  und  zwar  so,  dafs  in  derselben  Richtung,  die  der 
Sehnerve  schon  vor  dem  Eintritte  hatte,  in  der  hintern  (oder,  wenn  wir  den  Kopf 
auf  die  Schädelbasis  stellen  ,  untern)  Fläche  der  Netzhaut  ein  heller  Streifen  ver- 
läuft, in  welchem  dieselbe  sehr  verdünnt  ist.  Allerdings  ist  der  verdünnte  Streif 
auch  nach  innen  gestülpt,  aber  nur  sehr  wenig.  Die  Verdünnung  sieht  aber 
grade  so  aus ,  wie  am  dritten  Tage  die  vertiefte  Furche ,  die  durch  die  untere 
Mittellinie  aller  Hirnblasen  durchgeht  (§.  5.  aa.) ,  oder  die  untere  Naht  der 
Bückenmarksblätter.  Hiernach  wäre  jede  Netzhaut  nach  hinten  (oder  unten) 
beinahe  gespalten. 

Die  Blase  der  Netzhaut  hat  keinen  so  dünnen  Inhalt,  als  die  Hirnblasen, 
sondern  ein  dick  flüssiges  Eiweifs ,  den  Glaskörper ,  der  sich,  nach  der  Behandlung 
in  Weingeist,  ausschälen  Jäfst.  Die  Netzhautblase  ist  ferner  nicht  überall  durch 
Nerveumasse  geschlossen ,  sondern  hat  eine  kreisförmige  Oeffnung  an  ihrem  Ende, 
welche  durch  die  Linse  ausgefüllt  wird.  Diese  ist  ziemlich  ansehnlich.  Die 
Kapsel  und  die  Linse  selbst  sind  deutlich  zu  unterscheiden.  Die  Blase  der  Netz- 
haut ist  von  einer  völlig  getrennten  Haut  umgeben,  die  auf  der  innern  Fläche 
schon  sehr  stark  dunkel  gefärbt  ist.  Die  dunkle  Färbung  hat  sie  Jedoch  nur  bis 
zur  Linsenkapsel,  d.  h.  also  so  weit  auch  die  Netzhaut  geht.  Vor  dieser  Stelle 
ist  sie  ganz  durchsichtig,  und  liegt  dicht  an  der  Vorderwand  der  Kapsel  an. 
Eben  dem  Gegensatze  zur  Netzhaut  mufs  sie  ihre  dunkle  Färbung  verdanken, 
denn  unter  dem  Streifen,  wo  diese  verdünnt  ist,  bleibt  jene  ungefärbt.  Dies  ist 
die  so  viel  beschriebene  sogenannte  Spalte  in  der  Gefäfshaut,  die  aber  keine  Unter- 
brechung des  Zusammenhanges  ist.  Die  äufsere  Haut  liegt  eng  auf  der  Augen- 
haut, ist  verdünnt  und  gewölbt,  ohne  Spur  von  Augenlieder.  Die  vordere 
Augenkammer  fehlt. 

Von  dem  Ohre  kann  ich  nur  angeben,   dafs  sein  innerer  Theil  noch  mehr     *■   Ohr. 
verdeckt  ist,   als  am  dritten  Tage.      Im  Boden  der  Rachenhöhle   erkannte   ich 


78 

aber  eine  tiefe  gegen  das  Ohr  gerichtete  Grube,  Avahrscheinlich  der  Anfang  der 
Ohrtrompete. 

r_  Nase.  An  der  Stelle,  wo  am  dritten  Tage  der  Riechnerve  hervortritt,  bildet  sich 

am  vierten  Tage  in  der  nun  verdickten  Schädelmasse  ein  längliches  Grübchen  mit 
wulstigem  Rande,  die  Nasengrube.  Beide  Nasengruben  hegen  ziemlich  dicht 
zusammen. 

Unter  dem  Auge , '  und  zwar  vom  hintern  Rande  desselben  anfangend  und 

f«.  uach  vorn  wachsend,   erhebt  sich  eine  schmale  Leiste  aus  Bild nngsgewebe.     Es 

ist  der  zukünftige  Oberkiefer.     Der  Unterkiefer  ist  als  solcher  noch  nicht  kennt- 
lich    obgleich  er  schon  da  ist,   denn  der  erste  Kienienbogen  verwandelt  sich  in 
ihn    und  in  so  fern  er  am  vierten  Tage  schon  dicker  wird,  als  die  andern,  hat  die 
Umwandlung  in  den  Unterkiefer  auch  begonnen. 
na.  Andere  Was  die  Metamorphose  derEitheile  anlangt,  so  bemerken  wir  fortgehende 

Theile  des  yerminderung  des  Eiweifses,  besonders  über  dem  Dotter,  weshalb  dieser  mit  der 
umgebenden  Hülle  oft  schon  die  Eischaalenhaut  berührt.  Hierdurch  und  durch 
den  Umstand,  dafs  ein  bedeutender  Theil  des  Gefäfshofes  am  Lufträume  sich  her- 
abzieht, scheinen  die  Gefäfse  desselben  der  unmittelbaren  Einwirkung  der  Luft 
ausgesetzt.  Der  Gefäfshof  dehnt  sich  nämlich  allmählig  über  die  Hälfte  der  Dot- 
terku^el  aus ,  den  übrigen  Raum  hat  der  Dotterhof  fast  ganz  eingenommen ,  so 
dafs  nach  unten  kaum  ein  Kreis  von  wenigen  Linien  im  Durchmesser  von  der 
Keinihaut  unbedeckt  bleibt.  Die  Dotterhaut  ist  viel  zarter  geworden  und  zerreifst 
leicht.  Der  Dotter  hat  sich  merklich  vergröfsert  und  ist  gröfstentheils  flüssig  ge- 
worden, indem  er  zugleich  eine  weifsgelbe  Farbe  annimmt.  Er  gleicht  einer 
Emulsion.  Diese  Metamorphose  beginnt  zuerst  unter  dem  Embryo,  und  zeigt 
ich  dann  im  ganzen  Umfange  der  Dotterkugel.      Der  Luftraum  hat  ansehnlich 


Eies. 


SIC 


zugenommen. 


.     -  §.    7. 

Fünfter     Tag. 

v    .  Der  fünfte  Tag  scheint  bestimmt  zu  seyn,  das  zu  vollenden,  was  der  dritte 

merkung.       ulul  vierte  eingeleitet  haben ,  und  die  Verhältnisse  vorzubereiten ,    die  in  der  drit- 
ten Periode  in  Wirksamkeit  treten ;    denn  die  Abschnürung  des  Embryo  erreicht 
den  höchsten  Grad.     Dagegen  entwickelt  sich  der  Harnsack  zum  Athmungsorgan. 
.,    ...  Der  Nabel  verengt  sich  nämlich  von  allen  Seiten,   und  zwar  ist  der  Darm- 

rung.    Dot-  nabel  am  Ende  dieses  Tages  schon  ein  enger  Kanal,   der  senkrecht  in  den  Darm 
führt.     Dieser  Kanal  ist  der  Dottergang ,   der  von  nun  an  bis  kurze  Zeit  vor  der 


79 

Geburt  fast  unverändert  bleibt.  Vorderer  und  hinterer  Eingang  in  den  Speise- 
kanal sind  zusammengerückt,  und  kein  Theil  des  Darmes  ist  mehr  rinnenförmig. 
Der  Hautnabel  ist  zwar  viel  weiter,  als  der  Darmnabel ,  wird  aber  doch,  nach- 
dem der  weite  Theil  des  Harnsackes  durchgetreten  ist  und  nun  der  dünn  sieh 
ausziehende  Stiel  dieser  Blase  nachfolgt,  sehr  viel  enger,  als  am  vierten  Ta°e. 
Er  umschliefst  den  Dottergang  und  den  Stiel  des  Harnsackes  mit  den  zu  beiden 
gehörigen  Gefäfseu. 

Der  Harusack  liegt  nun  gröfstentheils  aufserhalb  des  Leibes,  und  nur  der  c.  Lage  des 
Stiel  geht  in  diesen  ein.  Da  der  Harnsack  sich  zwischen  der  Gekrösplatte  und  Harnsacke! 
Bauchplatte  der  rechten  Seite  durchgedrängt  hat  (§.  6.m.)}  so  lie^t  er  immer 
rechts  am  Embryo ,  und  zwar  in  dem  Räume  zwischen  der  obern  und  untern  Lage 
der  Kappe,  und  wenn  diese  schwindet,  zwischen  dem  Amnion  und  der  serösen 
Hülle.  Der  Harnsack  erreicht  einen  Durchmesser  von  4 —  5  Linien  und  ist  sehr 
gefafsreich. 

Beide  Blätter  des  Amnions  erleiden  aber  auch  eine  Metamorphose.  Nach-  d-  Seröse 
dem  sich  das  Amnion  geschlossen  hat,  lösen  sie  sich  von  einander,  'und  diese  Lö-  H""e' 
sung  scheint  noch  durch  die  Vergröfserung  des  Harnsackes  befördert  zu  werden. 
Dadurch  wird  l)  das  Amnion  jetzt  eine  nach  oben  abgelöste,  seihstständi°e  Hülle, 
2)  hat  sich  aus  dem  obern  Blatte  eine  neue  Hülle  gebildet,  die  oben  das  Amnion 
mit  dem  Embryo  bedeckt,  nach  aufsen  aber  so  weit  reicht,  als  die  Keimhaut, 
deren  seröses  Blatt  sie  Ja  eben  ist.  Dieses  seröse  Blatt  ist  nur  jetzt  sehr  weit  von 
der  untern  Lage  gelrennt,  so  dafs  ein  ausgedehnter  Raum  zwischen  dem  Amniou, 
der  tiefem  Lage  des  Keimblattes ,  und  dem  abgelösten  serösen  Blatte  da  ist ,  in 
welchen  Raum  die  Bauchhöhle  des  Embryo  durch  den  Hautuabel  überseht. 

Auf  die  Entstehung  dieser  neuen  äufsern  Hülle ,  die  wir  die  seröse  Hülle 
nennen ,  folgt  eine  merkliche  Verdünnung  und  endliche  Zerreifsung  der  Dolter- 
haut.  So  bald  diese  zerrissen  ist,  zieht  sich  das  Eiweifs  rascher  als  früher  vom 
Dotter  weg,  und  weicht  nach  dem  spitzen  Ende  des  Eies,  wo  man  noch  eine  Zeit- 
lang die  Ha<:elschnüre  findet. 

Die  Keimhaut  hat  sich  unterdessen  so  vergröfsert,  dafs  der  Gefäfshof  fast  t.  Ausdeh- 
\  des  Dotters  einnimmt  und  der  Dotterhof  den  übrigen  Raum.  Der  Dotterhof  ist  Keimhiut 
sehr  dünn  und  klebt  so  fest  am  Eiweifse  an,  dafs  er  beim  Abtrennen  des  Eiweiises 
leicht  zerreifst,  daher  die  Angabe,  dafs  derDolter  hier  gar  nicht  umschlossen  sey, 
sondern  eine  Lücke  seiner  Hülle  durch  das  Eiweifs ,  wie  durch  einen  Pfropf  ver- 
schlossen werde,  wogegen  eine  sorgfältige  Untersuchung  mir  entschieden  zu  spre- 
chen scheint. 


80 

/   uie  Kap-  Dft  die  Spaltung  innerhalb  der  Keimhaut  immer  weiter  vorrückt,    so  ist 

pe  schwm-  endlich  nichts  da ,  was  die  untere  Lage  am  Rande  der  Kappe  in  die  Höhe  hielte. 
Der  Winkel ,  den  der  Umfang  der  Kappe  gebildet  hat ,  wird  nämlich  durch  die 
Trennung  aufgehoben.  Der  ganze  Umfang  sinkt  also  wieder,  und  hiermit  ist 
das  Ansehn  der  Kappe  verschwunden,  wenn  man  nicht  noch  den  trichterförmigen, 
an  die  untere  Fläche  des  Embryo  sich  anlegenden  Uebergang  der  Keimhaut  in  den 
Dottergaug  dafür  gelten  lassen  will. 
e.  Form  des  Der  Embryo  liegt  ganz  auf  der  linken  Seite  und  ist  so  stark  zusammen- 

Embryo.  gekrümmt,  dafs  Kopf  und  Schwanz  sich  meistens  berühren.  Da  nun  der  Harn- 
sack an  der  rechten  Seite  des  Embryo  liegt ,  so  erreicht  er  die  höchste  Gegend  und 
wird  nur  durch  die  seröse  Hülle  von  der  Schaalenhaut  getrennt. 

Der  Kopf  ist  dem  Rumpfe  an  Masse  gleich.  Die  Vierhügel  ragen  stark 
vor ,  der  Hals  wächst  rasch ,  ist  aber  an  der  untern  Seite  noch  immer  viel  kürzer, 
als  an  der  obern ,  so  dafs  er  sich  nicht  gerade  strecken  läfst.  Der  Nacken  ist  hin- 
ter dem  Kopfe  besonders  stark,  aber  in  einen  grofsen  Bogen  fast  gleichmäfsig 
gekrümmt. 

Die  Bauchplatten  haben  sich  ansehnlich  in  der  Höhe  vergröfsert.  Die 
Bauchhöhle  ragt  noch  etwas  in  den  Hals.  Die  Leber  liegt  schon  im  Rumpfe  in 
der  Gegend  der  vordem  Extremitäten,  aber  vom  Herzen  befindet  sich  noch  mehr 
oder  weniger  vor  denselben.  Das  Zurückziehen  des  Herzens  scheint  auf  die  Krüm- 
mung des  Halses  zu  wirken,  da  die  Gefäfsbogen  noch  mit  der  Rachenhöhle  ver- 
bunden sind  und  durch  das  Herz  nach  hinten  gezogen  zu  werden  scheinen. 
h.  Darm-  Beide  Darmhälften  bilden  einen  scharfen  Winkel  unter  sich  gegen  den  Dot- 

kanal.  tergang ,    indem  das  Gekröse  sich  stark  in  der  Mitte  seiner  Ausdehnung  vergrö- 

fsert hat. 

Die  Weite  des  Speisekanals  hat  im  Allgemeinen  zugenommen ,  und  die  ein- 
zelnen Theile  treten  viel  bestimmter  hervor.     Der  Magen  ist  nicht  nur  scharf  ab- 
oe^renzt  gegen  den  Darm ,  sondern  ist  viel  weiter  und  ragt  nach  links  in  Form  ei- 
nes Büudsacks  vor  und  bekommt  eine  dicke  Wandung, 
uhmuiigs-  Die  Lungenflügel  haben  sich  von  dem  Speisekanale  fast  ganz  gelöst,   der 

organe.  seju<  ^r^lich  verlängerte  Mitteltheil  liegt  aber  noch  eng  an.  Die  Luftröhrenäste 
nicht  nur  haben  sich  verlängert,  sondern  auch  der  Stamm  der  Luftröhre  ist,  je- 
doch weniger ,  gewachsen,  und  der  Speiseröhre  ganz  ähnlich,  aus  einem  engen, 
dunklen  Kanal  von  Schleimhaut  mit  einer  dicken  äufsern  Lage  der  Gefäfsschicht 
bedeckt.  Man  sieht  also,  dafs  Speisekanal  und  Luftweg  sich  so  von  einander 
trenuen ,  dafs  die  Scheidewand  immer  weiter  nach  vorn  sich  verlängert  *). 

Die 


*)  oder  die  Luftröhre  sich  mehr  herauszieht. 


81 

Die  Leber  ist  sehr  ansehnlich.     Beide  Lappen  sind  dicker  geworden ,  und    *  Leber. 
scheinen  im  Innern  eine  schwammige  Textur  zu  haben.      Eine  »euauere  Unter- 
suchung zeigt,  dafs  die  Venen  sich  überall  mit  weiten  Aesten  zwischen  die  Gallen- 
gänge verzweigt  haben.     Die  Gallengänge  haben  einen  gemeinschaftlichen  Stamm. 

Das  Pankreas  tritt  aus  der  Gefafsschicht  hervor  und  hebt  einen  Theil  der-    /Pankreas. 
selben  vom  Speisekanal  ab.     Um  die  Stelle,   wo  das  Pankreas  hervortritt,  bildet  wl.fdung™ 
der  Darm  eine  starke  Windung.     So  entsteht  eine  erste  Umbeugung  oder  Schlinge, 
die  dem  Zwölffingerdarm  eigen  ist,  und  am  nächsten  Tage  deutlicher  wird.     In- 
dem sich  der  Magen  zu  wölben  anfing ,  hatte  sich  die  Gefafsschicht  dieser  Gegend 
sehr  verdickt.     Da  nun  die  stärkste  Wölbung  des  Magens  ursprünglich  nach  oben 
und  zuweilen  etwas  nach  rechts  lag  (§.  6.g.),  am  fünften  Tage  aber  der  Magen 
sich  so  dreht,  dafs  die  Wölbung  sich  nach  links  stellt,  so  wird  die  äufserste  Lage 
der  Gefafsschicht,  indem  sie  an  der  Drehung  keinen  Antheil  nimmt,   vom  Magen 
getrennt,  und  wandelt  sich  später  in  ein  gesondertes  Blatt,  das  Netz,   um.     In       "■  Netz. 
diesem  Blatte  sieht  man  zuerst  am  fünften  Tage  ein  blutrothes  Körperchen ,  die 
Milz. 

Die  Blinddärme  haben  noch  die  Form  von  stumpfen  Kegeln.      Der  weite    ..  n-  Bünd- 
Darm  ist  ganz  kurz.     Der  After  erscheint  in  Form  einer  einfachen  Queerspalte.  ter  Darm. 
Dadurch  wird  der  Schwanz  für  immer  abgegrenzt. 

Die  Wolffischen  Körper  haben  an  Höhe  und  Breite  sehr  zugenommen,  und  <>■  Wolffi- 
sind  überaus  blutreich.  An  ihrer  innern  Fläche  erscheint  ein  rundlicher  Streifen  s<  °rpe' 
von  Bildungsgewebe,  der  Hoden  oder  Eierstock.  Nach  oben  und  aufsen  ein  an- 
derer blattförmiger  Theil ,  der  vom  Wolffischen  Körper  in  die  Wand  der  Bauch- 
höhle übergeht.  Die  hohlen  Queergänge  im  Wolffischen  Körper  verzweigen  sich 
uud  winden  sich.  Man  sieht  im  Wolffischen  Körper  nach  dem  Absterben  des 
Embryo  einzelne  ßlutströpfchen ,  und  es  schien  mir  deutlich,  dafs  diese  Blut- 
ansammlungen im  Innern  der  erwähnten  Gänge  liegen ,  und  ich  kann  daher  nicht 
umhin,  die  schon  früher  ausgesprochene  Ansicht  (§.  5.x.)  hier  noch  zu  bestäti- 
gen ,  dafs  die  Wolffischen  Körper  ursprünglich  aus  Verzweigungen  eines  Gefäfs- 
stammes  sich  bilden,  welches  mit  Sicherheit  zu  bestimmen  mir  nicht  gelungen 
ist,  wie  im  nächsten  Abschnitte  näher  untersucht  werden  soll.  Am  5teu  Tage 
sieht  man  deutlich  den  Stamm  der  Ilohlveneu  mit  vielen  kleineu  Wurzeln  aus  der 
innern  Seite  der  vordem  Enden  beider  Wolffischeu  Körper  hervortreten  und  hin- 
ter der  Leber  hinaufsteigen. 

Das  Herz  ist  noch  mehr  zusammengezogen,  als  früher,  so  dafs  die  Vorkam-    p.  Herz. 
mer  an  die  Aortenwurzel  angrenzt.     Zwar  hegt  immer  noch  jene  links  und  etwas 
nach  hinten,    diese  rechts  und  etwas  nach  vorn,   allein  das  linke  Herzohr  ist  so 

L 


82 

zurückgewichen,  dafs  es  ungefähr  gleiche  Hohe  mit  dem  rechten  hat,  und  das 
letztere  hegt  nicht  blos  an  der  linken  Seite  der  Kammer,  sondern  schon  etwas 
über  ihr.  J)ie  Spitze  der  Kammer  ist  nach  hinten  gekehrt  und  hat  sich  mehr  zu- 
gespitzt. Beide  Herzohren  sind  stärker  gekerbt ,  und  krümmen  sich  etwas  nach 
unten ;  der  nuttlere  Veneusack  la'fst  äufserlich  eine  beginnende  Einschnürung  be- 
merken. 

Der  Olirkanal  hat  seine  gröfste  Länge  und  ist  so  durchsichtig ,  dafs  mau 
in  ihm  eine  innere  Falte  als  dunklen  Streif  erkennt.  Die  Herzkammer  ist  völlig 
dunkel,  die  Scheidewand  in  ihr  hat  so  zugenommen ,  dafs  sie  das  Innere  in  zwei 
Kammern  trennt ,  die  nur  durch  eine  längliche  Lücke  mit  einander  in  Verbindung 
stehen.  In  der  Aortenzwiebel  sind  zwei  von  einander  getrennte  Gänge,  die  aber 
äufserlich  nicht  zu  erkennen  sind.  Es  mufs  also  die  Mitte  de"s  spaltförmigen  Ka- 
nals, den  wir  am  vierten  Tage  fanden,  verwachsen  sejn.  Beide  Gänge  scheinen 
sich  etwas  um  einander  zu  drehen,  so  dafs  der  eine,  der  mehr  nach  unten  liegtj 
von  hinten  und  rechts  nach  vorn  und  links  geht,  der  andere,  der  mehr  oben  ver- 
läuft, von  hinten  und  links  nach  vorn  und  rechts  geht.  Der  erste  kommt  also 
aus  der  rechten  Abtheilung  der  Kammer,  der  letztere  aus  der  linken.  Beide  schei- 
nen durch  zwei  verschiedene  Blutströme  entstanden.  Da  nämlich  die  Falte  in  der 
Herzkammer  immer  mehr  in  eine  schiefstehende  unvollständige  Scheidewand 
sich  ausbildet,  mufs  der  Blutstrom  in  ihr  getheilt  werden,  der  eine  läuft  mehr 
nach  der  Bauchseite  in  den  Raum,  welcher  zur  linken  Kammer  sich  auszubilden 
bestimmt  ist.  Indem  dieser  nun  in  der  Spitze  der  Kammer  sich  umwendet ,  um 
in  den  anfangs  einfachen  Kanal  der  Aortenzwiebel  zu  gelangen ,  erhält  er  noth- 
wendig,  aufser  der  Richtung  von  hinten  nach  vorn,  die  von  links  nach  rechts  und 
von  unten  nach  oben;  der  Strom  in  der  zweiten  Höhlung  läuft  mehr  oben  und 
nach  rechts,  indem  er  hier  umkehrt  erhält  er  die  Richtung  von  rechts  nach  links, 
und  von  oben  nach  unten.  Die  Richtung  von  hinten  nach  vorn  ist  beiden  Strömen 
gemeinschaftlich ,  allein  da  sie  beide  aufserdem  noch  eine  verschiedene  haben ,  so 
kann  es  nicht  fehlen,  dafs  sie,  obgleich  anfangs  in  einen  gleichmäfsigen ,  fast 
runden  Kanal  zusammengedrängt  (am  dritten  Tage) ,  diesen  Kanal  allmählig  nach 
zwei  Richtungen  ausfurcheu  (am  vierten  Tage  §.  6.  </.).  Beide  Richtungen  können 
aber  nicht  ganz  aus  einander  fahren,  sondern  da  alles  Blut  doch  nur  durch  die 
ausführlich  beschriebenen  Gefäfsbogen  in  der  Aorta  seinen  Ausgang  findet,  so 
müssen  beide  Ströme  in  einem  Bogen  allmählig  die  entgegengesetzte  Richtung  an- 
nehmen. Dalier  die  spiralförmige  Drehung.  Die  spätere  Umänderung  der  Rich- 
tung kann,  glaube  ich,  allein  die  Entstehung  der  Lungenschlagader  erklären. 
Wir  werden  daher  später  wieder  auf  sie  zurückkommen  ($.  9.*.),  wollen  sie  ober 


83 

jetzt  aus  den  Augen  verlieren,  weil  das  Phänomen  dadurch  wenigstens  für  die  Dar- 
stellung sehr  complicirt  wird.  Indessen  machen  wir  darauf  aufmerksam ,  wie 
eben  durch  den  Umstand,  dafs  beide  Ströme,  nachdem  sie  sich  kreuzend  aus  ein- 
ander gefahren  sind ,  wieder  sich  gegen  einander  richten  müssen ,  das  knollenar- 
tige  Ansehen  der  Aortenzwiebel  entsteht,  welches  dieselbe  am  Ende  des  vierten 
und  im  Anfange  des  fünften  Tages  auszeichnet.  Diese  Anschwellung  ist  eine  Folge 
der  seitlichen  Erweiterung  der  innern  Höhle,  und  wächst  allmählig  von  hinten 
nach  vorn.  Sie  ist  etwas  weniger  auffallend  am  Ende  des  fünften  Tages ,  weil  die 
Ausdehnung  bis  in  das  vordere  Ende  sich  erstreckt  hat. 

Nachdem  also  die  innere  Höhlung  am  vierten  Tage  zu  einer  gedrehten 
Spalte  ausgefurcht  war,  und  die  beiden  Blutströme  in  den  Winkeln  dieser  Spalte 
hinschiefsen ,  drängt  sich  in  die  unausgefüllte  Mitte  der  Spalte  das  benachbarte 
Bildungsgewebe  hinein ,  und  aus  der  gedachten  Spalte  werden  zwei  spiralförmig 
um  einander  sich  windende  Kanäle.  Die  Scheidewand  zwischen  beiden  ist  noch 
schmal. 

Wir  sahen  am  Schlüsse  des  vorigen  Tages  vier  Gefäfsbogen  ,  von  denen  die  t-  Kiem» 
beiden  mittlem  die  stärksten  waren.  Der  vordere  (ursprünglich  der  zweite  Bo- 
gen) wird  am  fünften  Tage  immer  schwächer,  und  ist  bald  nicht  mehr  zu  erken- 
nen. Die  hintersten  Bogen,  die  am  vorigen  Tage  noch  sehr  schwach  waren,  wer- 
den stärker,  jedoch  der  linke  nie  so  stark,  als  der  rechte.  Man  sieht  daher  auf 
der  rechten  Seite  drei  starke  Gefäfsbogen,  auf  der  linken  Seite  auf  den  ersten  An- 
blick oft  nur  zwei;  den  dritten  erkennt  man  nur  bei  einiger  Aufmerksamkeit. 

Die  ehemalige  erste  Kiemenspalte  wird  unterdessen  ganz  unkenntlich:  die 
vierte  oder  hinterste  Spalte  bleibt  nur  klein  und  ist  mehr  rundlich,  als  die  andern. 
Gegen  Ende  des  fünften  Tages  verschliefsen  sich  die  beiden  hintersten  Spalten. 
Etwas  länger  besteht  die  ursprünglich  zweite  Spalte ;  obgleich  sie  von  dem  immer 
mehr  sich  vergröfsernden  und  nach  hinten  sich  richtenden  Lappen,  den  Rathke 
Kiemendeckel  nennt,  überdeckt  wird,  so  ist  sie  doch,  wenn  derselbe  aufgehoben 
wird,  noch  am  Schlüsse  dieses  Tages  deutlich.  Auch  die  hintern  Spalten  sind, 
ehe  sie  verwachsen ,  etwas  schief  gestellt,  so  dafs  man  die  Kiemenbogen  ein  we- 
nig nach  vorn  schieben  mufs,  um  sie  zu  sehen.  Es  ist,  als  ob  die  Kiemenbogen 
durch  die  Gefäfsbogen  nach  hinten  gezogen  würden.  Der  ehemalige  erste  Kie- 
menbogen verdickt  sich  aber  sehr,  und  hebt  sich  aus  der  Ebene  der  übrigen  Kie- 
menbogen sehr  merklich  hervor.  Eben  dadurch  wird  nun  auch  der  Kiemendek- 
kel,  der  jetzt  mit  ihm  verwachsen  ist,  flacher  gestellt.  Der  erste  Kiemenbogen 
ist  nämlich  in  der  Umwandlung  zum  Unterkiefer  begriffen.  Dieser  besteht  also 
nie  aus  zwei  getrennten  Hälften ,    sondern  hat  in  der  Mitte  .den  fünften  Tag  hin- 

L  2 


84 

durch  nur  eine  Einkerbung.  Oberhalb  der  beiden  ersten  Kieinenbogen,  d.  h. 
der  Rachenhöhle  näher,  bildet  sich  das  Zungenbein,  dessen  beide  hinteren  Aeste 
ich  jetzt  sehr  deutlich  erkannte.  Sie  liegen  zunächst  am  zweiten  Kieinenbogen, 
und  die  Enden  sind  daher  dem  Kiemendeckel  zugekehrt,  wie  in  den  Fischen. 

wVrbe'käuVe'.  Der  Rücken  ist  noch  immer  sehr  flach ,  dagegen  die  Furche  zwischen  Rük- 

ken-  und  Bauchplatten  ziemlich  tief.  Die  Wirbelhälften  erreichen  einander  nach 
unten  und  umschliefsen  die  Rückensaite,  die  ansehnlich  an  Dicke  zugenommen 
hat.  Auch  nach  oben  scheinen  sie  sich  mit  sehr  dünnen  Fortsetzungen  zu  errei- 
chen, an  den  Seiten  aber  werden  sie  consistenter,  indem,  in  ihnen  dunkelkörnige 
Masse  sich  ansetzt.  Sie  nimmt  sowohl  die  innere  als  die  äußere  Fläche  jedes  Wir- 
bels ein.  Die  dunkle  Masse  der  äufsern  Fläche  geht  ununterbrochen  bis  in  die 
Bauchplatten  ein,  und  dieser  Theil  der  dunklen  Streifen  mufs  die  Oueerfortsätze, 
auch  wohl  die  Rippen  enthalten.  Am  fünften  Tage  habe  ich  endlich  zuerst  die 
Rückenmarksnerven  erkannt,  jedoch  nur,  indem  ich  die  Bauchplatte  von  der 
Wirbelsäule  abrifs,  wo  denn  die  zarten  Nervcneuden  zwischen  je  zwei  Wirbeln 
kenntlich  waren. 

's.    Extremi-  Die  Extremitäten   haben   sich  merklich  nach  hinten  verlängert  und  ihre 

Form  verändert.  Aus  einem  zugerundeten,  fast  beilformigen  Blatte,  welches  sie 
am  vierten  Tage  darstellten  (§.  6.t.)}  werden  sie  meifselförmig.  Sie  haben  näm- 
lich einen  rundlichen  Stiel ,  der  in  ein  zungenförmiges  Blatt  ausläuft.  Die  Basis 
des  Stiels  sitzt  in  der  Rinne  zwischen  der  Rücken-  und  Bauchplatte ,  der  Bedeu- 
tung der  Extremitäten  entsprechend.  Bis  um  diese  Zeit  sind, sich  die  Extremitä- 
ten so  gleich,  dafs,  wenn  mau  sie  abgeschnitten  sieht,  man  sie  schwerlich  von 
einander  unterscheiden  wird.  Im  Stiele  bildet  sich  gewöhnlich,  noch  im  Verlaufe 
des  fünften  Tages  ein  Winkel,  der  für  die  vordere  Extremität  Elleubogengelenk, 
für  die  hintere  Kniegelenk  ist.  Beide,  Gelenke  sind  sich  völlig,  gleich.  Im  Ober- 
arm und  Oberschenkel  findet  sich  ein  dunkles  Fleckchen ,  die  Anlage,  des  künfti- 
gen Knorpels  und  Knochens;  der  Unterarm  und  Unterschenkel  zeigten  zwei, dunkle 
Streifen.  Im  letzten  zungenfurmigen  Ende  ist  ein  dunklerer  innerer  noch  un- 
—  getheiller  Lappen  enthalten,   der  ganz  die  Form  des  gesammten  Lappens  nach- 

ahmt.    Am  Ende  des  fünften  Tages  wird  das  zungenförmige  Ende  breiter. 

r.  Kiefern.  So  wie  die  Extremitäten  am  fünften  Tage  sich  viel  rascher  entwickeln,  als 

früher,  so  auch  die  Kiefern.  Vom  Unterkiefer  sprachen  wir  schon  bei  Gelegen- 
heit der  Kiemenbogen.  Der  Oberkiefer  wird  allmählig  zu  einem  ziemlich  ansehn- 
lichen Blatte,  welches  unter  den  Augen  Hegt,  und  sich  gegen  einen  von  oben  zwi- 
schen beiden  ]\rasengruben  herabsteigenden  Stirufortsatz  verlängert,   ohne  ihn  an 


85 

diesem  Tage  zu  erreichen.     Der  Oberkiefer  ist  also  nicht  nur  nicht  vereint,    son- 
dern doppelt  gespalten. 

Das  ganze  Rückenmark  ist  jetzt  von  einer  deutlich  isolirten  Hülle  umgehen.    ««.Central- 
Nur  an  einigen  Stellen  der  Hirnblasen  ist  diese  Hülle,  wie  es  scheint,  noch  nicht  Nerven" 
ganz  getrennt,  namentlich  in  der  Glitte  der  Decke.     Das  Rückenmark  ist  im  All-  systems- 
gemeinen  seitlich  zusammengedrückt.      Seine  grüfste  Höhe  und  Breite  hat  es  den 
Extremitäten  gegenüber.     Am  schmälsten  ist  es  im  Halse.     In  der  Nackenkrüm- 
mung  geben  sich  plötzlich  die  Blätter  des  Rückenmarkes  aus  einander,   und  wer- 
den viel  breiter,  schliefsen  sich  dann  als  kleines  Hirn,   dessen  Blätter  viel  mehr 
nach  oben  (oder  hinten,  wenn  wir  das  Hirn  für  sich  betrachten)  vorragen,    als 
früher.     Die  Verbindung  zwischen  kleinem  Hirne  und  Vierhügeln  ist  in  einen  an- 
sehnlichen Kanal  ausgezogen ,   der  dem  hintern  Theile  der  Wasserleitung  der  er- 
wachsenen Vögel  entspricht.     Die  Vierhügelblase  aber  ist  sehr  vergröfsert,    über- 
ragt  daher  vollständig  die  hintere  Wasserleitung  und  nach  vorn  einen  Theil  der 
dritten  Hirnhöhle.     Die  Blase  dieser  letztem  Höhle  hat  sich  am  wenigsten  ausge- 
dehnt ,  und  sieht  daher  kaum  mehr  blasig  aus.      Dagegen  hat  sie  sich  in  ihrem 
Boden  verlängert.      Die  Eingänge  in  die  Sehnerven  und  ihre  nächste  Umgebung 
weichen  nämlich  nach  hinten  (oder  unten ,  wenn  wir  das  Hirn  auf  seine  Basis  ge- 
stellt denken)  zurück ,  und  bilden  unter  (vor)  dem  Trichter  eine  diesem  ähnliche 
Vorragung.     Beide  Eingänge  werden  dadurch  einander  sehr  genähert.     Wir  wol- 
len  diese  Verlängerung   die  Sehnervengrube   nennen.      Sie  ist  schon  am  vierten 
Tage  kenntlich.      Die   obere  Einkerbung  in  queerer  Richtung,    die  am  vorigen 
Tage  in  der  Decke  dieser  Gegend  bemerklich  wurde  (§.  6.u.),   hat  am  fünften 
Tage  einen  hintern,  mehr  cylindrischen  Theil  von  einem  vordem,  mehr  blasigen, 
abgegrenzt.      In  diesem  Theile  stehen  die  Markblätter  oben  aus  einander.     Die 
Blase  für  die  Seitenventrikel  oder  das  grofse  Hirn  ist  sehr  tief,    die  Blase  für  die 
Sylvische  Hirnhöhle  (Vierhügel)  weniger  tief  in  der  Mitte  der  Decke  eingesenkt. 
Von  der  innern  Fläche  aus  sah  ich  aber  deutlich  Hirnmasse  auf  diesen  einsprin- 
genden Falten.     Ich  kann  also  das  Hirn  nicht  für  gespalten  an  dieser  Stelle  anse- 
hen, obgleich  von  oben  betrachtet  der  Anschein  da  ist,    da  die  weniger  weifse 
Hülle    sich  in  die  Spalte  einsenkt  und  die  Hirnmasse  verdeckt.      Im  Innern  des 
Hirns  finden  wir  die  oben  beschriebenen  Stränge  (§.  6.u.)}    die  wir  schon  Hirn- 
schenkel nennen  können ,  da  sie  den  Stamm  für  alle  Hirntheile  zn  bilden  scheinen, 
sehr  verstärkt.      Sie   verlaufen  in  den  ganzen  Umfang  des  Trichters,    aber  am 
schwächsten  in  die  obere  (oder  hintere ,    wenn  das  Hirn  auf  seine  Basis  gestellt 
wird)  Wand  desselben,  stärker  in  die  untere  (oder  vordere),  welche  zugleich  die 
obere  (hintere)  Begrenzung  des  Ueberganges  in  die  Sehnervengrnbe  ist,    mit  der 


86 

stärksleo Fortsetzung  endlich  in  die  Hemisphären,  wo  sie  kolbig  vor  dem  Eingänge 
in  den  Riechnerven  aufhören. 

Das  Hirn  hat  sich  am  fünften  Tage  am  stärksten  in  seinen  vordem  Theilen 
<'e"en  sich  selbst  gekrümmt.  Wenn  wir  das  Hirn  für  sich  in  dieser  Hinsicht 
J>eschreiben  wollen ,  ohne  auf  die  Krümmung  des  ganzen  Embryo  selbst  Rücksicht 
zu  nehmen,  jedoch  auch  ohne  das  Hirn  auf  seiner  Basis  ruhend  zu  denken 
sondern  das  vordere  Ende  des  Leibes  bildend,  so  finden  wir  die  Vierhügel  am 
meisten  nach  vorn  liegend,  nach  oben  und  unten  fast  gleich  weit  überragend. 
Aus  dem  Rückenmarke  steigt  das  verlängerte  Mark  in  einem  stumpfen  Winkel 
nach  unten.  Darauf  folgt  eine  zweite  Umbeugung  auch  im  stumpfen  Winkel, 
indem  der  Stamm  des  kleinen  Hirns  nach  vorn  verläuft.  Dann  kommt  die  recht- 
winkliche  Umbeugung  in  den  Stamm  der  Vierhügel.  Von  hier  geht  die  Um- 
beu^un"  so  stark  fort,  dafs  die  Spitze  des  Trichters  nach  oben  gegen  den  Stamm 
des  kleinen  Hirns  gerichtet  ist,  und  die  Hauptfortsetzung  der  Hirnschenkel  in  die 
Hemisphären  fast  gerade  nach  hinten  läuft.  Früher  war  der  Eingang  in  die  Seh- 
nerventrube  in  dieser  Richtung,  noch  früher  der  Trichter.  Dieser  ist  der  zuerst 
umgebogene  Theil,  der  schon  am  zweiten  Tage  sich  vor  der  Umbeugung  der 
Rückensaite  herabkrümmt  ($.  2.  m.).  Hieraus  wird  ersichtlich,  dafs  der  Hirn- 
schenkel am  unmittelbarsten  zu  jeder  Zeit  in  den  Theil  des  Hirns  übergeht,  der 
am  meisten  nach  hinten  gerichtet  ist.  Mit  der  veränderten  Krümmung  ist  eine 
Umänderung  im"  Wachsthum  verbunden.  Der  Trichter  ist  noch  am  dritten  Tage 
sehr  weit,  so  wie  aber  die  vordere  Zusammenkrümmung  zunimmt,  und  der 
Trichter  gegen  die  Rückensaite  gedrängt  wird,  nimmt  sein  Wachsthum  ab. 

Um  die  Veränderungen  in  der  Krümmung  des  Hirns  selbst  bestimmen  zu 
können,  habe  ich  die  Richtungen  nur  nach  ihnen  bezeichnet,  indem  ich  die 
]ie«ion  der  Vierhügel  die  vordere  genannt  habe.  Nehmen  wir  aber  auf  den 
Embryo  selbst  Rücksicht,  so  finden  wir,  da  er  am  fünften  Tage  stärkte,  als  an 
irgend  einem  andern  gekrümmt  ist,  die  Vierhügel  noch  mehr  nach  unten,  als 
nach  vorn  gerichtet,  und  die  vorderste  Region  des  Embryo  ist  eigentlich  unaus- 
»efüllt,  der  Einschnitt  nämlich  hinter  den  Vierhügeln,  zwischen  ihnen  und  dem 
verlängerten  Marke. 
Auge.  Das  Auge  hat  sich  sehr  vergröfsert  und  seinen  weifsen  Streifen  behalten. 

In  der  Netzhaut  sieht  man  diesen  Streifen  jetzt  erhaben ,  und  aus  zwei  Strängen 
bestehend,  die  eine  Furche  zwischen  sich  lassen,  ähnlich  den  Hirnschenkeln  in 
den  verschiedenen  Hirnregionen.  Ich  fand  nicht,  dafs  die  umgebende  dunkle 
Haut  hier  deutlich  nach  innen  gestülpt  war ,  wie  Huschke  angiebt,  obgleich 
sie  an  die  äufsere  Fläche  der  beiden  Nervenstränge  Pigment  absetzt.     Mitten  unter 


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dem  Nervenstreifen  ist  sie  aber  ohne  Pigment,  uiul  zu  einer  wirklichen  Einstül- 
pung ist  kaum  Raum,  da  die  Furche  zwischen  Leiden  Nervensträngen  von  innen 
angesehn  nicht  erhaben,  sondern  vertieft  ist.  So  sieht  wenigstens  das  Verhältnifs 
in  Augen,  die  in  Weingeist  erhärtet  sind,  aus.  In  frischem  Zustande  habe  ich 
sie  weniger  untersucht.  Auf  jeden  Fall  besteht  der  Streif  in  der  Netzhaut  aus  zwei 
Wülsten  und  einer  sehr  zarten  Verbindung.  Die  dunkle  Haut  des  Auges  schien 
früher  einfach  und  setzte  sich  ununterbrochen  in  die  Hornhaut  fort.  Jetzt  langt 
sie  an  sich  zu  spalten,  ein  äufseres  ungefärbtes  aber  noch  dünnes  Blatt  steht  in 
unmittelbarem  Zusammenhange  mit  der  Hornhaut,  ist  also  die  harte  Haut 
(Sclerotica);  das  innere  Blatt  ist  dunkel  gefärbt  und  hört  am  Rande  der  Linsen- 
kapsel auf.  Es  ist  die  Gefäfshaut.  Der  Glaskörper  und  seine  Haut  siud  deutlich 
gebildet.     Die  Linse  hat  eine  starke  Wölbung. 

Die  Nasengruben  werden  weit  tiefer  und  durch  den  vorspringenden  Stirn-  w.  N«e. 
fortsatz  mehr  getrennt. 

Das  Ohr  wird  durch  einen  runden  erhabenen  Saum  bezeichnet.  Gewöhn-  *.  Ohr. 
lieh  ist  aber  diese  Grube  während  des  fünften  Tages  noch  sehr  unansehnlich. 
Nach  inuen  scheint  das  Ohr  durch  die  Eustachische  Trompete  schon  eine  Oeifnung 
zu  haben.  Die  äufsere  üeffnung  bildet  sich  dagegen  gewöhnlich  am  folgenden 
Tage,  so  dafs  sie  erscheint,  wenn  die  Kiemenspalten  geschlossen  sind.  Ich  habe 
sie  aber  auch  nicht  ganz  selten  gesehen,  wenn  noch  eine  oder  die  andere  Kiemen- 
spalte da  war. 

§.    8. 
allgemeiner    Character    der    zweiten    Periode. 

Ueberblicken  wir  die  Vorgänge  der  zweiten  Periode,    so  finden  wir  zu-  "■„  Die  Vor- 
vörderst  eine  Reihe  von  Erscheinungen,   welche  die  in  der  ersten  Periode  aufge-  Irrttch™ 
tretene  Abgrenzung  des  Embryo  von  der  Keimhaut  fortsetzen ,  ferner  Erscheinun- 
gen ,   welche  in  dieser  Periode  neu  auftreten  und  für  sie  wesentlich  sind ,    und 
endlich  Fortschritte  der  innern  Ausbildung  als  Vorbereitung  für  die  Zukunft. 

Die  Abschnürung  und  Einhüllung  haben  wir  schon  als  höhere  Form  des  *•  *™i&? 
Selbstständigwerdens  characlerisirt,  denn  durch  sie  scheidet  sich  der  Embryo  von  duälisinmg. 
den  übrigen  Theilen  des  Eies.  Wir  erwähnen  ihrer  hier  nur  einmal,  um  in 
einem  Ueberblicke  darzulegen,  wie  eben  aus  diesem  Grunde  die  Vorgänge  der 
Abschnürung  und  Einhüllung  im  ganzen  Umfange  des  Embryo  erfolgen ,  und  wie 
sie  in  gleichmäfsiger  Folge  hervortreten,  fridier  nämlich  in  der  Läugenachse,  und 
zwar  zuerst  am  vordem ,    dann  am  hintern  Eude ,   später 'in  der  Queerachse,  und 


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endlich  im  ganzen  Umfange.  So  haben  -wir  zuerst  eine  Kopf  kappe,  dann  eine 
Schwanzkappe,  darauf  Seilenkappen.  Alle  sind  nur  nach  einander  erscheinende 
Theile  der  allgemeinen  Kappe,  die  zuletzt  als  Ganzes  wirkt  und  den  Nabel  bildet. 
Eben  so  tritt  die  Amuionsfalte  zuerst  vorn,  dann  hinten,  zuletzt  an  der  Seite  auf, 
und  schliefst  sich  endlich,  von  allen  Seiten  zusammenwachsend.  Schon  früher 
waren  die  Dolterveneu  in  derselben  Pieihefblge  aufgetreten,  zuerst  die  vordem, 
dann  die  hintern  und  zuletzt  die  seitlichen.  Noch  früher  hatte  der  Embryo  sich 
vorn,  dann  hinten  und  später  an  den  Seiten  zusammengekrümmt.  "Wir  sehen 
also  alle  Vorgänge ,  die  auf  das  Verhältuifs  des  Embryo  zu  der  Keimhaut  Bezug  ha- 
ben ,  denselben  Gang  gehen ,  und  eine  Menge  der  einzeln  nach  einander  aufgeführ- 
len  Erscheinungen  lassen  sich  auf  den  einfachen  Satz  zurückführen,  dafs,  während 
der  Embryo  sich  nach  dem  angegebenen  Gange  zusammenrollt,  das  benachbarte 
Keimblatt  sich  zuerst  mit  seiner  untern,  plastischen  Lage  unter  des  Embryo 
unterer  Fläche  bei  Bildung  der  Kappe ,  und  dann  mit  seinem  obern  Blatte  über 
seiner  obern  Fläche  in  ^derselben  Folge  zusammenzieht,  um  das  Amnion  zu 
formen. 
c  Ausbü-  Die  der  zweiten  Periode  eigenthümlichen  Vorgänge  sind :    l)  die  in  der 

piasfischen    «anzen  Breite  des  Keimes  (des  Embryo  nämlich  und  des  Keimblattes) ,  mit  Aus- 
Theiis  des     naj,me  der  Mittellinie,    entstehende  Trennung  zwischen  dem  plastischen  Theile 
der  zweiten  voa  der  einen  und  dem  animalischen  Theile  von  der  andern  Seite ;    2)  die  Wen- 
genthümlich  dun»  des  Embryo  auf  die  linke  Seite,    und  3)  die  Versetzung  der  Ingestion  nach 
der  linken  Seite,    nachdem  sie  früher  die  Unterfläche  beherrscht  halte.     Es  ist 
auffallend ,   dafs  diese  drei  scheinbar  heterogenen  Metamorphosen  in  der  Zeit  zu- 
sammenfallen,   und  wir  dürfen  schon  vermuthen,    dafs  ein  Gemeinsames  ihnen 
zum  Grunde  liegt. 

Was  zuvörderst  das  letzte  Verhältnifs  anlangt,  das  Auftreten  der  Ingestion 
auf  der  linken  Seite,  so  haben  wir  dieses  schon  oben  (§.  5.  k.)  besprochen,  und 
tfezei"t,  wie  das  Venenblut  und  der  Dotter  von  der  linken  Seite  in  den  Embryo 
«ehen.  Dagegen  wendet  sich  das ,  was  aus  dem  Embryo  hervorgelrieben  wird, 
nach  der  rechten  Seite,  wie  der  Harnsack  mit  seinem  Inhalte.  Ja  die  ganze 
rechte  Seite  des  Embryo  wächst  in  der  zweiten  Periode  merklich  kräftiger  und 
rascher,  und  in  dieser  kräftigen  Entwicklung  während  der  frühesten  Zeit  könnte 
vielleicht  der  Grund  liegen ,  dafs  bei  vielen  YVirbelthieren  auch  in  späterer  Zeit 
die  rechte  Seite  kräftiger  ist,  als  die  linke.  Es  geht  also  auch  die  Abscheidung 
neuer  Masse  mehr  nach  rechts,  als  nach  links.  Ja  fast  in  allen  einzelnen  Organen 
offenbart  sich  dasselbe  Verhältnifs,  und  übt  auf  die  Gestaltung  der  Theile  seineu 
Ein  Hufs.     Von  der  linken  Seite  empfängt  das  Herz  sein  Blut,  und  nach  der  rechten 

treibt 


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treibt  es  dasselbe  aus.     Hierauf  beruht  die  Art  der  Gefäfsvertheilung  in  den  Säupe- 
thieren  und  Vögeln,    indem,   wie  auch  die  einzelnen  Modificationen  seyn  mögen 
immer  der  Hauptstrom  des  Blutes  zuerst  nach  rechts  ^eht. 

Der  Grund  vom  Uebertrelen  der  Ingestion  nach  der  linken  und  der  Egestion 
nach  der  rechten  Seite  möchte  wohl  darin  liegen,  dals  die  linke  Seite  des  Embryo 
ursprünglich  nach  dem  ingestiven  Pole  des  Eies  zugekehrt  ist.  Es  scheint  näm- 
lich, dafs,  während  der  Embryo  in  seiner  ersten  Bildung  mit  der  aufnehmenden 
untern  Fläche  dem  Dotter  zugekehrt  ist ,  auch  das  polare  Verhältnifs  im  Eie  sich 
der  Keimhaut  und  dem  Embryo  allmäh lig  mittheilt.  Daher  schon  in  der  ersten 
Periode  der  Eintritt  des  Venenblutes  von  der  linken  Seite.  Wenn  nun  die  linke 
Seite  allmählig  immer  mehr  Anlheil  an  der  physiologischen  Bedeutung  der  untern 
Eläche  nimmt,  so  scheint  es  noth  wendig,  dafs  sie  auch  räumlich  in  ihre  Verhält- 
nisse tritt,  und  sich  nach  unten  stellt.  Dies  ist  es  eben,  was  wir  mit  andern 
Worten  ein  Drehen  des  Embryo  auf  seine  linke  Seite  genannt  haben.  Der  Embryo 
steht  nämlich  zum  Dotter  in  nächster  Beziehung  und  empfängt  aus  ihm  seine 
Nahrung.  Seine  iugestive  Seite  mufs  daher  immer  dem  Dotter  zugekehrt  seyn 
Die  Umänderung  des  ingestiven  und  egestiven  Gegensatzes  und  die  Wendung  auf 
die  Unke  Seite ,  sind  also  nur  Erscheinungen  derselben  Metamorphose. 

Aufnahme  von  der  linken  und  Ausscheidung  nach  der  rechten  Seite  ist 
Character  des  Molluskentypus.  Wir  schliefsen  also,  dafs  in  der  zweiten  Periode 
der  Typus  der  Mollusken  sich  der  bisher  symmetrischen  Anlage  des  Wirbelthieres 
einbildet.  Man  darf  aber  nicht  sagen ,  dafs  der  Embryo  des  Huhnes  jetzt  auf  der 
Bildungsstufe  der  Mollusken  stehe.  Wirbelsäule,  Rückenmark  und  Hirn  sprechen 
zu  sehr  dagegen.  Vielmehr  sind  nur  die  plastischen  Organe  nach  dem  Typus  der 
Mollusken  gebaut ,  und  im  animalischen  Theile  ist  nur  eine  leise  Andeutung  von 
Aesymmetrie  in  der  stärkern  Entwickelung  der  rechten  Hälfte.  Die  seitliche 
Ungleichheit  wurde  aber  begleitet  von  einer  Spaltung  der  Schichten  des  Keimes 
in  eine  obere  und  eine  untere  Lage.  Diese  Spaltung  ist,  wie  wir  gezeigt  haben 
(§.  5.  c),  nichts  als  die  Bildung  der  Bauchhöhle,  eine  Trennung  des  plastischen 
Theils  vom  animalischen  durch  einen  mit  Feuchtigkeit  gefüllten  Raum.  Das 
Selbstständigwerden  derjenigen  Theüe  des  Keimblattes  und  des  Embryo ,  welche 
bestimmt  sind ,  die  plastischen  Organe  zu  erzeugen ,  und ,  was  ganz  dasselbe  ist 
die  BUduDg  der  Bauchhöhle ,  die  ja  in  der  ersten  Zeit  alle  plastische  Organe  von 
der  Rachenhöhle  bis  zum  After  enthält ,  scheint  demnach  auch  eine  unmittelbare 
Folge  der  Versetzung  der  Ingestion  auf  die  linke  Seite.  Ist  diese  aber  wieder  die 
Folge  der  Einwirkung  des  gesammten  Eies  auf  den  Keim,  so  scheint  Alles,  was 
die  zweite  Periode  besonders  characterisirt ,  auf  dieser  Einwirkung  zu  beruhen. 

M 


90 
d.   Dadurch  Vergleichen  wir  den  Typus  der  Wirbelthiere  mit  andern  Hauptabschnitten 

wird      der  °  *■ 

character  des  Thierreiches ,  so  finden  wir ,  dafs  sie  sich  von  allen  übrigen  Formen  l)  durch 
tiüeresvoii-  die  der  Länge  nach  durch  das  ganze  Thier  laufenden  Centraltheile  unterscheiden; 
ständig.  2)  dafs  aufserdem  der  animalische  Theil  den  Typus  der  gegliederten  Thiere  nach- 
ahmt, jedoch  mit  dem  Unterschiede,  dafs  von  der  Centralachse  eine  überein- 
stimmende Büdung  nach  oben  und  nach  unten  geht ,  dafs  also  aufser  der  seitlichen 
Duplicität  noch  eine  Duplicität  nach  oben  und  nach  unten  sich  zeigt,  und  3)  dafs 
der  plastische  Theil  nach  dem  Typus  der  Mollusken  gebaut  ist.  Es  bedarf  nicht 
mehr  der  Nachweisung ,  wie  alle  diese  Charactere  in  der  Entwickelung  des  Hühn- 
chens deutlich  und  rasch  hinter  einander  hervortreten.  Wir  bemerken  nur  nach 
allem  Vorhergehenden,  dafs  dasselbe  schon  am  Anfange  des  dritten  Tages  das 
Wesentliche  des  Wirbelthieres  vollständig  enthält.  —  Mit  dem  Hervorbrechen 
des  Harnsackes  reiht  sich  der  Vogel  -  Embryo  in  diejenige  Abtheilung  der  Wirbel- 
thiere, die  weder  ihr  ganzes  Leben,  noch  ihre  Jugend  im  Wasser  zubringen. 


91 


Dritte     Periode. 


$.    9. 

Sechster    und     siebenter    Tag. 


Der  Luftraum  ist  in  steter  Vergrofserung.  Die  Keimhaut  umfafst  den  a-  Aligemei- 
ganzen  Dotier.  Der  letztere  ist  daher  in  eine  mit  dem  Ümbryo  zusammenhangende  Eies. 
Hülle  eingeschlossen,  die  man  Dottersack  nennt.  Am  Dotterhofe  klebt  das  Ei- 
weils ,  welches  sehr  an  Consistenz  zugenommen  hat ,  fest  an ,  und  eben  so  in  der 
Spitze  des  Eies  an  der  Schaalenhaut.  Den  Gefäfshof  umgiebt  viel  mehr  als  die 
Hälfte  des  Dotters;  die  Grenzvene  wird  enger,  oder  fängt  schon  an  zu  schwinden. 
Auch  die  übrigen  Gefäfse  sind  weniger  voll.  Die  aufsteigende  und  die  absteigende 
Vene  schwinden  am  schnellsten  und  sind  am  siebenten  Tage  oft  nicht  mehr  kennt- 
lich. Uebrigens  liegt  überall  ein  Venenast  neben  einem  Arterienaste.  Der  Dotter 
hat  sehr  an  Masse  zugenommen  und  ist  fast  ganz  flüssig,  mit  Ausnahme  eines 
kleinen  Theds ,  der  in  der  untern  Hälfte  der  Dotterkugel  und  nicht  an  der  Keim- 
haut anliegt,  sondern  mehr  nach  innen  sich  befindet.  In  dem  flüssigen  Theüe 
des  Dotters  sind  die  gröfsem  Dotterkügelchen  sehr  ansehnlich ,  mit  bloisen  Augen 
leicht  kenntlich,  von  y%  bis  ^  Linie  im  Durchmesser,  und  ziemlich  hell,  offenbar 
von  einer  beträchtlichen  Menge  enthaltener  Flüssigkeit.  Zerdrückt  man  ein 
solches  Kügelchen,  so  fallen  viele  kleinere  heraus.  Da  nun  die  Zahl  der  grofsen 
Dotterkügelchen  im  Verhältnifs  zu  der  ganzen  Masse  abgenommen  hat,  so  ist  auch 
nicht  zu  zweifeln,  dafs  sich  viele  von  ihnen  aufgelöst  haben.  Der  Harnsack  über- 
wachst den  Embryo  von  der  rechten  Fläche  desselben  nach  allen  Seiten  und  breitet 
sich  aus,  je  nachdem  er  zwischen  der  neuen  serösen  Hülle,  der  tiefern  Lage  des 
Keimblattes  und  dem  Amnion  Raum  findet.  Dadurch  wird  der  Harnsack  sehr 
zusammengedrückt,  läfst  sich  aber  doch  deutlich  als  eine  zusammenhängende 
Blase  erkennen,  welche  eine  ganz  helle  Flüssigkeit  enthält.  Am  siebenten  Tage 
hat  diese  zusammengedrückte  Blase  den  Umiäng  eines  Thalerstückes ,  und  die 
beiden  Hälften  sind  merklich  durch  die  enthaltene  Flüssigkeit  gesondert,  jede 
Hälfte  läfst  noch  deutlich  das  Gefäfsblatt  und  das  Schleimblatt  unterscheiden. 
Das  Gefäfsblatt  legt  sich  sehr  eng  an  die  seröse  Hülle,   und  diejenige  Hälfte  des 

M  2 


92 

Sackes,  welche  an  dieser  Haut  anliegt,  ist  gefäfsreicher ,  als  die  nacli  unten  ge- 
kehrte. Durch  die  innige  Anheftung  des  Harnsackes  an  den  oberu  Theil  der 
serösen  Hülle  wird  der  Embryo  gleichsam  oben  angehängt.  Eine  Folge  davon  ist, 
dafs  jetzt  der  Embryo  nicht  in  den  Dotter  hiueindrückt,  sondern  den  Uebergang 
des  Dottersackes  in  den  Dottergang  sogar  etwas  in  die  Höhe  zieht ;  damit  schwiD- 
det  denn  die  letzte  Spur  der  Kappe.  Das  Amnion  nimmt  vom  fünften  Tage  au 
schnell  an  Umfang  zu,  und  füllt  sich  mit  vieler  Flüssigkeit. 

b.  Lage  des  Gewöhnlich  findet  man  den  Embryo  nicht  mehr  in  der  Mitte  der  oberu 

Fläche  des  Dotters,  sondern  nachdem  stumpfen  Ende  übergeneigt.  Die  Veran- 
lassung der  Ortsveränderung  scheint  zum  Theil  in  der  Ortsveränderung  des  Ei- 
weifses  zu  liegen,  zum  Theil  im  eignen  Gewicht  des  Embryo.  Indem  nämlich 
am  fünften  Tage  die  Dotterhaut  reifst,  und  nach  Zerreifsung  derselben  das  Eiweifs 
sich  uach  dem  spitzen  Ende  zurückzieht,  wird  die  Dotterkugel  etwas  gedreht. 
Da  um  diese  Zeit  über  dem  Dotter  sehr  wenig  und  unter  ihm  noch  ziemlich  viel 
Eiweifs  ist,  und  dies  letztere  der  Dotterkugel  fester  anhängt,  so  folgt  daraus, 
dafs,  indem  das  Eiweifs  nach  Zerreifsung  der  Dotterhaut  sich  nachdem  spitzen 
Ende  des  Eies  zusammenzieht,  die  obere  Hälfte  des  Dotters  nach  dem  stumpfen 
Ende  gedreht  wird.  Das  eigne  Gewicht  des  Embryo  vermehrt  diese  Drehung. 
Das  Maafs  derseUien  ist  aber  sehr  verschieden,  und  hängt  vielleicht  davon  ab, 
dafs  die  ganze  Dotterkugel  mit  ihrem  serösen  Ueberzuge  sich  bald  früher ,  bald 
später  durch  den  Harnsack  au  die  Schaalenhaut  anheftet.  Zuweüen  bleibt  der 
Embryo  ganz  in  der  Mitte  angeheftet,  dann  breitet  sich  dennoch  der  Gefäfshof 
mehr  nach  dem  stumpfen  als  nach  dem  spitzen  Ende  aus. 

«.Bewegung  \m  sechsten  Tage  sah  ich  die  erste  Bewegung  im  Embryo,    welche  im 

Zucken  einzelner  Glieder  bestand  ,  und  vom  Hinzutreten  der  kalten  Luft  hervor- 
gerufen zu  seyn  schien.  Am  siebenten  Tage  ist  die  Bewegung  allgemeiner.  Der 
Embryo  schwingt  im  Amnion  hin  und  her  auf  dem  Nabel,  wie  auf  einem  be- 
festigten Stiele.  Am  auffallendsten  war  es  mir,  dafs  dieses  Hin-  und  Her- 
schwanken nicht  blofs  vom  Embryo  bedingt  wird,  sondern  noch  mehr  vom 
Amnion ,  welches  sich  bald  au  dem  einen  ,  bald  an  dem  andern  Ende  zusammen- 
zieht, indem  es  sich  runzelt.  Es  schien  mir  daher  eine  Art  unregelmäfsiger  Pul- 
sation  im  Amnion. 
d    Gestalt  Der  Embryo  ist  stark  gekrümmt,    indessen  doch  weniger,  als  am  fünften 

"  Tage.  Namentlich  nimmt  die  vordere  Fläche  des  Halses  sehr  zu.  Seine  Krüm- 
mung vermindert  sich  daher,  und  er  kann  nun  im  todten  Fötus  ziemlich  gerade 
gestreckt  werden.  Mit  dem  Geraderwerden  des  Halses  ist  das  Zurückweichen  des 
Kopfes  nach  der  Riickengegend  verbunden   und  dadurch  das  schärfere  Hervor- 


93 

treten  eines  Höckers  im  Nacken,  der  die  Umbeugung  des  Rückenmarkes  in  da* 
Hirn  bezeichnet.  Der  Rumpf  ist  sehr  aufgetrieben  durch  Vergröfserung  der  Leber 
und  Eintritt  des  Herzens  in  den  Rumpf.  Dennoch  hat  der  Kopf  wenigstens  so  viel 
Masse ,  als  der  Rumpf. 

Der  Nabel  ist  nicht  mehr  eine  blofse  Üeffhung  oder  ein  Ring,  sondern  ein 
Kanal ,  der  am  Ende  des  siebenten  Tages  1  Linie  lang  ist.  Man  kann  in  der  That 
den  Vögeln  eine  Nabelschnur  zusprechen,  die  nur  kurz  ist  und  hohl  bleibt.  In 
der  Höhlung  derselben  hegt  der  Stiel  des  Harnsackes  mit  seinen  Gefäfsen  und  eine 
Darmschlinge  mit  dem  Dottergange,  nebst  den  dazu  gehörigen  Gefäfsen. 

Die  Dottergefäfse  sind  zum  Theil  aus  dem  Frühern  bekannt.     Die  Arterie    «•    Bestim- 
ist  ein  Zweig  der  absteigenden  Aorta.     Eine  Vene  bildet  den  Stamm  der  Pfortader,  Gefäße,  die 
mit  welcher  sich  die  andern  Darmvenen  verbinden.     Sie  mufs  fortan  die  vordere  £"* h™vö*~ 
Dottervene   heifsen,    denn  von   nun    an  tritt  noch   eine  hintere  Dotterveue    auf,  tre,e" 
welche  längs  des  hintern  Theiis  des  Speisekanals  nach  hinten  bis  dahin  läuft ,   w  o 
die  Venen  aus  dem  Schwänze,   der  Kloake  und  so  weiter  zusammentreffen ,  und 
verbindet  sich  mit  diesen.     Am  zehnten  Tage  hat  sie  schon  eine  sehr  ansehnliche 
Weite  und  läl'st  nicht  zweifeln,   dafs  sie  der  coinmunicirende  Ast  zwischen  Pforf- 
ader  und  Rumpfvenen  ist,  den  man  erst  in  neuerer  Zeit  beschrieben  hat,  obgleich 
er  im  erwachsenen  Vogel  sehr  ansehnlich  ist ,    und  von  hinten  nach  vorn  dicker 
werdend  ununterbrochen  in  den  Stamm  der  Pfortader  übergeht.     Die  Gefäfse  des 
Harnsackes  sind  die  insbesondere  so  genannten  Nabelgefäise.     Aus  dem  Früheren 
wissen  wir,   dafs,    indem  der  Harnsack  hervortritt ,  er  zwei  Aeste  der  absteigen- 
den Aorta  mit  sich  nimmt.     Wir  werden  später  hören ,  dafs  im  Vogel  allmählig 
die  rechte  dieser  Nabelschlagadern  schwindet.     Eine  sehr  starke  Nabelvene  kommt 
vom  Harnsacke,   steigt  an  der  untern   Bauch  wand  nach  vorn  und  läuft  in  dem 
Einschnitt  der  Leber  an  der  untern  Fläche  fort.     In  frühester  Zeit  habe  ich  ihre 
Endiguug  nicht  deutlich  unterscheiden  können.     In  späterer  Zeit  giebt  sie  einen 
sehr  starken  Ast  an  jede  Hälfte  der  Leber ,    verbindet  sich  dann  am  vordem  Ende 
dieses  Organs  mit  einer  Leberveue,    die  sieb  sogleich   in  die  liohlvene,    deren 
Stamm  von  oben  sich  in  die  Leber  eindrückt,  einmündet.     Mau  kann  also  fast  mit 
demselben  Rechte  sagen,   dafs  die  Nabelvene  in  den  Stamm  der  Hohlvene  gehtj 
oder  da(s  sie  in  eine  Lebervene  sich  mündet.     Der  Theil  der  Nabelvene,  welcher 
nach  der  Vertheiluug  in  die  Leber  bis  zum  Hohlvenensystem  reicht ,    wäre  also 
dem  Ductus  venosus  Arantii  der  Säugethiere    zu  vergleichen.     Einen  unmittel- 
baren Uebergang  in  die  Pfortader  aufserhalb  der  Leber  habe  ich  nicht  gefunden. 
Die  Piörtader   geht   an  der  hintern  Fläche  in  die  Leber.     Im  Innern  derselben 
mögen  wohl  Communicationen  seyn.     Ja,  in  der  frühern  Zeit  sind  sie  wohl  nicht 


täten. 


94 

zu  bezweifeln,  da  die  Pfortader  selbst  unmittelbar  in  die  Hohlader  gebt  und  die 
Uebergänge  nur  allraäbüg  dünner  werden.  Die  Beobachtung  kann  hierüber  kaum 
entscheiden ,  da  die  Leber  so  am  Gefäfse  durchzogen  ist ,  dafs  sie  noch  am  zwölf- 
ten Tage  sich  ganz  von  der  Injectionsmasse  färben  läfst.  Ich  habe  eine  Leber  aus 
dieser  Zeit  vor  mir,  die  wie  ein  Klumpen  Injectionsmasse  aussieht,  von  einer 
Haut  überzogen.  Zerreifsungen  sind  dabei  nicht  zu  linden. 
/.  Bauch-  Die  Bauchplatten  sind  noch  sehr  schmal ,   und  nehmen  anfangs  ein  Drit- 

platten.  ^^  ^  ^^  g^  ^  jj;jfte  der  Höhe  des  Bauches  ein ;  das  Uebrige  dieser  Höhe 
wird  von  der  Bauchhaut  umschlossen ,  welche  mehrere  Schichten  deutlich  unter- 
scheiden  läfst.  So  wie  das  Herz  sich  aus  dem  Halse  zurückzieht ,  schliefst  sich 
die  Höhle  des  letztern,  indem  die  Bauchplatten  sich  daselbst  enger  zusammen- 
legen. In  den  Bauch  platten  ist  der  Anfang  der  Rippen  kenntlich  als  dunkle 
Streifen. 

g.  Rücken.  Aus  den  Wirbelbogen  schiefsen  bald ,  nachdem  sie  oben  geschlossen  sind, 

uanz  merkliche  Dornfortsätze  hervor,    wodurch  der  Rücken  schiefer  wird.     Die 

-h.  Extremi-  Extremitäten  haben  sich  verlängert,  ihre  Basis  hat  sich  auf  den  Bauch-  und  Rük- 
kenplatten  ausgebreitet  und  sie  haben  sich  in  alle  vier  Hauptglieder  getheilt.  Ober- 
arm und  Oberschenkel  sind  sehr  kurz;  Ellenbogengelenk  und  Knie  nach  anfsen 
berichtet,  wie  bei  den  meisten  Amphibien ;  Unterarm  und  Unterschenkel  laufen 
etwas  nach  hinten,  aber  besonders  der  erstere,  doch  noch  mehr  nach  unten. 
Hand-  und  Fufsgelenk  haben  noch  keine  Selbstständigkeit,  sondern  die  Richtung 
des  Unterarms  und  Unterschenkels  wird  durch  die  Endglieder  fortgesetzt.  Bis  an 
diese  Gelenke  ist  noch  grofse  Uebereinstimmung  in  beiden  Extremitäten.  In  den 
Endgliedern  ist  zwar  auch  noch  die  ursprüngliche  Uebereinstimmung  nicht  zu 
verkennen ,  allein  es  tritt  doch  auch  schon  die  Individuabtät  deutlich  hervor.  In 
ersterer  Hinsicht  sehen  wir,  wie  beide  Endglieder  an  Breite  zugenommen  und 
ihre  freien  Ränder  mehr  nach  unten  gerichtet  haben,  als  früher,  besonders  in  der 
vordem  Extremität.  Beide  Endglieder  haben  sich  in  breite  Platten  umgewandelt, 
welche  die  Form  eines  Kreisausschnittes  haben.  Der  dunkle  Inhalt,  der  am  fünf- 
ten Tage  noch  die  Form  des  ganzen  Endgliedes  nachahmte,  hat  sich  jetzt  in  ein- 
zelne Strahlen  gesondert.  In  diesen  Strahlen  schiefsen  die  verschiedenen  Glieder 
der  Mittelhand  und  Finger,  so  wie  des  Mittelfufses  und  der  Zehen  an,  und  zwar 
allmähhg  von  den  erstem  anfangend  bis  zum  letzten  Gliede  der  letztern;  denn  die 
dunklen  Strahlen  sind  die  einzelneu  Finger  und  Zehen,  welche  in  der  hellen  Platte, 
wie  in  einer  Schwimmhaut  liegen,  aus  welcher  noch  kein  Finger  hervorragt. 
Fufswurzel  und  Mittelfufs  sind  noch  eben  so  kurz,  als  Handwurzel  und  Mittelhand. 
In  der  Fufswurzel  bildet  sich  nicht  ein  einzelner  Knorpel,   sondern  so  viel  als  Ze- 


95 

hüii  da  sind.  Eine  Differenz  zeigt  sich-  aber  darin ,  dafs  im  Endgliede  der  vordem 
Extremität  gleich  anfangs  drei  Strahlen  (Finger) ,  im  Endgliede  der  hintern  Extre- 
mität vier  Strahlen  (Zehen)  sich  bilden.  Bei  denjenigen  Hühnern,  welche  fünf 
Zehen  haben,  bilden  sich  auch  alle  fünf  zugleich.  In  dem  Flügel  ist  gleich  an- 
fangs der  Mittelfinger  der  längste,  der  vordere  oder  der  Daumen  der  kürzeste  Fin- 
ger. Im  Fufs  ist  die  vorderste  Zehe  die  kürzeste,  die  vorletzte  nach  aufsen  und 
hinten  die  längste ,  allein  der  Unterschied  ist  so  unbedeutend ,  dafs  der  Rand  den- 
noch in  beiden  Extremitäten  kreisförmig  aussieht.  In  allen  einzelnen  Zehen-  und 
Fingerstrahlen  sind  die  Knorpel  der  einzelnen  Glieder  eingesenkt  in  eine  fortlau- 
fende Scheide ,  welche  den  Inhalt  jedes  einzelnen  Strahls  umfafst.  Diese  Scheide 
ist  die  fibröse  Hülle  der  Knochen. 

Der  Stirnfortsatz  verlängert  sich  rasch  nach  unten  und  hinten  (oder  nach  ,.  Kiefern, 
vorn  und  unten ,  den  Kopf  auf  der  Basis  ruhend  gedacht).  Zu  beiden  Seiten  sei- 
ner Wurzel  hegen  die  Nasengruben.  Die  Oberkieferfortsätze  wachsen  gegen  den 
Stirnfortsatz.  Am  sechsten  Tage  ist  ein  tiefer  Einschnitt  zwischen  beiden ,  des- 
sen Spitze  auf  die  Nasengrube  trifft.  Am  siebenten  Tage  erreicht  der  Oberkie- 
ferfortsatz jeder  Seite  den  Stirnfortsatz  unterhalb  der  Nasengrube.  An  der  Spitze 
wird  aber  der  Stirnfortsatz  noch  nicht  vom  Oberkieferfortsatz  erreicht ,  es  bleibt 
vielmehr  immer  noch  auf  jeder  Seite  des  Stirnfortsatzes  ein  kürzerer  Ausschnitt, 
welchen  die  Nasengrube  nicht  mehr  erreicht.  Die  Mundöffnung  hat  daher  auf 
jeder  Seite  einen  breiten  Schenkel.  Die  Mitte  wird  verengt  durch  den  vorragen- 
den Unterkiefer.  Dieser  vergröfsert  sich  rasch  und  spitzt  sich  zu.  Es  ist  derselbe 
Theil,  den  wir  früher  als  ersten  Kiemenbogen  beschrieben  haben.  Er  besteht 
also  niemals  aus  zwei  gesonderten  Hälften,  sondern  ist  vom  Anfange  an  verwach- 
sen. Nach  innen  von  ihm  liegt  in  der  Mittellinie  die  Zunge  als  eine  erhabene 
Leiste. 

Die  noch  bestehenden  Gefäfsbogen  haben  sich ,  nachdem  die  Kiemenspal-  k.  Hais. 
ten  mit  Bildungsgewebe  angefüllt  worden ,  von  der  Rachenhöhle  getrennt ,  und 
ziehen  sich  rasch  zurück,  so  dafs  sie  nur  sehr  wenig  vor  dem  Herzen  hegen. 
Eben  dadurch  wird  die  vordere  Fläche  des  Halses  frei  und  kann  sich  verlängern 
und  gerade  strecken.  Der  Kiemendeckel  überwächst  die  zweite  Kiemenspalte 
und  verlängert  sich  nach  hinten,  dicht  an  die  Fläche  des  Halses  sich  anlegend 
und  daher  rasch  unkenntlich  werdend.  Zuweilen  sieht  man  seinen  hintern  Rand 
am  Ende  des  sechsten  Tages  noch  als  ein  erhabenes  Leistchen  vorragen.  Nach 
dem  sechsten  Tage  habe  ich  nie  eine  Kiemenspalte  entdecken  können. 

Durch  die  Ausbildung  der  Kiefern  ist  die  Rachenhöhle  nach  vorn  in  eine       /.  Mund- 
Mundhöhle  verlängert. 


«U 


Speisc- 


Ma 


96 

Die  Speiseröhre  hat  sich  sehr  verlängert,   der  Muskelmagen  springt  stark 

röhre.  uaau  ljnk.s  vor ,   und  zeigt  zwei  helle  Stellen ,    die  sehnigen  Mittelpunkte  beider 

Muskelmassen.     Die  Höhlung  des  Magens  ragt  weit  über  den  Austritt  des  Zwölf- 
fingerdarms hinüber.     Vor  dem  Muskelmagen  erkennt  man  den  Vormagen.     Beide 
sind  aber  noch  wenig  abgegrenzt, 
igen  Der  Darm  bildet  hinter  dem  Magen  eine  Schlinge,  welche  den  Zwölffin- 

«nd  Darm.  ^^  enthält ,  und  weiter  nach  hinten  eine  zweite  Schlinge,   die  aus  zwei  ganz 

einfachen  und  gleichen  Bogen  besteht :  der  erste  geht  von  der  Schlinge  des  Zwölf- 
fingerdarmes unmittelbar  in  den  Nabel  und  ist  der  vordere  Theü  des  Dünndarmes. 
Der  zweite  geht  aus  dem  Nabel  eben  so  einfach  zum  After  und  enthält  den  hintern 
Theil  des  Dünndarmes  und  den  Dickdarm.  Die  Blinddärme  entwickeln  sich  rasch 
in  diesen  beiden  Tagen.  Am  siebenten  haben  sie  die  Länge  einer  Linie,  und  lie- 
gen dicht  am  Darme  an ,  die  blinden  Enden  nach  vorn  gekehrt. 
„.  Leber.  Die  Leber  nimmt  eine  Menge  Blut  auf,   und  erscheint  fast  eben  so  roth, 

wie  die  von  Blut  angefüllte  Vorkammer  des  Herzens.     Der  linke  Leberlappen ,  der 
den  Magen  bedeckt,  ist  merklich  kleiner ,  als  der  rechte.      Die  Milz  ist  vom  Ma- 
geu  völhg  abgetrennt. 
P.   Ath-  Im  Athmungsapparate  finden  wir  die  Luftröhre  verlängert  und  sehr  rasch 

mungsappa-  ^^3^  ßie  Luftröhrenäste  werden  dadurch  verhältnifsmäfsig  kürzer.  Der 
Winkel,  in  welchem  die  Luftröhrenäste  sich  verbinden,  wird  stumpfer.  Die 
Lungen  sind  ganz  getrennt  vom  Speisekanal ,  oder  nur  durch  einen  Streifen  Bil- 
dun°\ssewebe  mit  ihm  verbunden.  Jede  Lunge  theilt  sich  durch  eine  Einschnü- 
run«  in  zwei  Hälften,  eine  vordere  gröfsere,  und  eine  hintere  innere,  die  viel 
schmäler  ist.  Die  vordere  Hälfte  ist  solider.  In  ihr  sieht  man  dunkle  zusammen- 
laufende Streifen  noch  sehr  undeutlich.  Es  sind  Verästelungen  der  innern  Höhle. 
Im  hintern  Theile  ist  die  Höhlung  ansehnlicher  und  nicht  astförmig  verzweigt. 
Es  ist  dieselbe,  welche  schon  früher  (§.  6.  h.)  bemerkt  wurde.  Wo  (he Luftröhre 
in  die  Rachenhöhle  übergeht,  zeigt  sich  eine  kleine  Erhabenheit,  der  Anfang  des 
Kehlkopfes.  Der  Uebergang  selbst  ist  verengt.  Am  fünften  Tage  schien  die 
Luftröhre  mehr  unmittelbar  in  die  Rachenhöhle  überzugehen,  und  die  Speise- 
röhre senkte  sich  von  oben  in  einen  Bogen  in  die  hintere  Spitze  der  Rachenhöhle 
ein.  Jetzt  ist  die  Ansicht  anders,  die  Speiseröhre  ist  mehr  die  unmittelbare  Fort- 
setzung der  Rachenhöhle.  Diese  Veränderung  scheint  mit  der  mehr  gelösten 
Krümmung  des  Halses  zusammenzuhängen. 
q.  wolffi-  Schon  am  fünften  Tage  bemerkte  ich,  dafs  sich  nach  obon  und  aufsen  vom 

scher    "Knr-  ^,-()i£gsciien  Körper  ein  blattförmiger  Theil  zeige.     Man  erkennt  ihn  am  besten 
im  Queerdurchschnitte.     Er  geht  in  die  Bauch  wand  über,  und  es  bleibt  zwischen 

ihm 


97 

ihm  und  dein  Wolffischen  Körper  eine  Lücke.  Am  sechsten  und  siebenten  Ta»e 
sieht  man  plötzlich  an  derselben  Stelle  einen  sehr  dickwandigen  Kanal  in  der  oan- 
zen  Länge  der  Wolffischen  Körper  fortlaufen.  Nach  hinten  sich  verdickend  °eht 
er  in  das  Ende  des  Mastdarmes  oder  die  zukünftige  Kloake  ein  (§.  10.  rn.);  nach 
vorn  läuft  er  weit  über  das  Ende  der  Wolffischen  Körper  hinaus.  Er  scheint  aus 
dem  losgetrennten  Blatte ,  das  man  dem  werdenden  Bauchfelle  zuschreiben  kann, 
gebildet,  und  da  dieser  Kanal  später  zum  ausführenden  Gange  der  Geschlechts- 
theile,  d.h.  zum  Eileiter  oderSaamenleiter  sich  ausbildet,  so  liegt  die  Vermulhung 
.sehr  nahe,  dafs  er  in  seinem  ersten  Auftreten  den  Kanälen  entspricht,  welche  aus 
der  Bauchhöhle  mehrerer  Fische  in  die  Geschlechtsöffnung  führen.  In  der  gan- 
zen Länge  des  Wolffischen  Körpers  ist  er  bestimmt  hohl.  Vorn  läuft  er  über  die 
Spitze  des  lelztern  hinaus,  wird  plötzlich  dünuer,  vielleicht  indem  die  Höhlung 
des  Kanals  in  die  Bauchhöhle  übergeht,  und  die  dünne  Fortsetzung  konnte  ich 
über  die  ganze  Lunge  fort  bis  nah  an  den  vordem  Theil  des  Herzens  verfolgen. 
Hier  verlor  ich  aber  immer  den  Faden  in  der  Nähe  der  Vorkammer,  ohne  seine 
Eudigung  bestimmt  angeben  zu  können. 

In  den  hintern  Theil  dieses  Kanals  schienen  mir,  vom  siebenten  Tase  an, 
zahlreiche  Gänge  aus  dem  Wolffischen  Körper  einzugehen.  Hiernach  könnte  man 
auf  die  Vermuthung  fallen ,  dafs  dieser  Kanal  das  umgewandelte  Blutgefäfs  sey. 
Allein  dagegen  spricht  die  Weite  und  Dicke  des  Kanals.  Auch  konnte  ich  ihn 
nie  durch  Injectionen  der  Blutgefäfse  füllen.  Ferner  ist  von  hier  an  Rathke's 
Darstellung,  nach  welcher  dieser  Kanal  sich  zum  ausführenden  Gange  des  Ge- 
schlechtsapparates umbildet,  nicht  zu  bezweifeln,  und  ich  werde  fortan  dieser 
Darstellung  folgen ,  und  den  Kanal  den  Ausführungsgaug  des  Geschlechtsappara- 
tes nennen. 

Dagegen  mag  ich  aber  auch  die  frühem  Angaben,  nach  welchen  der  Wolf- 
fische Körper  ursprünglich  aus  einem  starken  Blutgefäfse  sich  bildet ,  nicht  auf- 
geben ,  so  wenig  ich  auch  beides  zu  vereinigen  im  Stande  bin.  Injicirte  ich  am 
sechsten  oder  siebenten  Tage  Embryonen  mit  Glück,  so  füllte  sich  immer  ein 
Blutgefäfs ,  das  unter  dem  Ausfülirungsgange  in  der  ganzen  Länge  des  Wolffischen 
Körpers  verlief  und  sich  mit  zahllosen  Aesten  in  ihm  verzweigte.  Ich  konnte 
nicht  mit  Bestimmtheit  ermitteln ,  ob  es  eine  Vene  oder  Arterie  sey ,  da  beide  Ar- 
ten von  Blutgefäfsen  in  Embryonen  sich  durch  Injection  zugleich  anfüllen.  Im 
frischen  Zustande  sah  ich  gewöhnlich  zwei  Gefäfsstämme.  Da  die  Aorta  immer 
bis  zu  dem  Wolffischen  Körper  weiter  ist  und  dann  plötzlich  dünn  wird,  so  ist 
es  wahrscheinlich,  dafs  sie  bedeutende  Aeste  in  diese  Körper  schickte,  und  da 
die  ersten  Hauptäste,  in  welche  die  Aorta  im  dritten  Tage  sich  spaltet,  gerade  da 

N 


Herz. 


98 

liegen ,  wo  die  Wolffischeu  Körper  sich  erzengen ,  so  ist  es  möglich ,  dafs  diese 
aus  ihnen  hervorwachsen ,  und  der  Stamm  der  Aorta  zwischen  ihnen  sich  fest- 
setzt. Ferner  haben  wir  gesehen ,  dafs  vom  fünften  Tage  an  deutlich  aus  dem 
vordem  Ende  des  Wolffischen  Körpers  eine  starke  Vene  hervortritt ,  die  mit  de* 
benachbarten  sich  zu  einem  Stamme  verbindet,  der  in  die  Hohlvene  geht,  oder 
vielmehr  jetzt  den  Stamm  der  hintern  Hohlvene  eben  so  ausmacht,  wie  in  späte- 
rer Zeit  die  beiden  Hauptwurzeln  der  hintern  Hohlvene  aus  den  Nieren  hervor- 
treten. Es  ist  daher  glaublich,  dafs  das  Verhältnifs  der  ßlutgefäfse ,  wenigstens 
der  Venen,  jetzt  im  Wolffischen  Körper  eben  so  ist,  wie  spater  in  den  Niereu. 
Darnach  könnte  man  vermuthen,  dafs  der  dünne  Faden,  der  aus  dem  hintern 
Ende  des  Wolf  fischen  Körpers  zum  Mastdarm -Ende  geht,  auch  eine  Vene  sey,  da 
eine  eben  solche  Vene  später  in  die  Nieren  tritt.  Dann  würden  die  Wolffischen 
Körper  früher  im  Verhältnisse  der  Nieren  stehen,  jedoch  ohne  Ausführungsgang 
und  ohne  Secretion  seyn.  Ist  der  Fadeu  ein  Ausführungsgang,  so  ist  die  Aehn- 
lichkeit  mit  den  Fischnieren  noch  gröfser. 

Ich  führe  diese  Vermuthung  nur  an,  um  zu  zeigen,  dafs  die  Bild  uugsweise 
des  Wolffischen  Körpers  mir  durchaus  nicht  klar  ist,  und  unterdrücke  mehrere 
andere ,  wodurch  der  früheste  Zustand  mit  dem  spätem  in  Verbindung  gebracht 
werden  könnte.  Es  mufs  hier  etwas  Wesentliches  noch  unentdeckt,  oder  von 
mir  nicht  richtig  gesehen  seyn.  Auch  von  der  Niere  weifs  ich  nur  zu  sagen,  dafs 
sie  am  Ende  des  fünften  oder  Anfange  des  sechsten  Tages  als  eine  dünne,  fast  un- 
geformte  Masse  an  der  obern  Fläche  des  Wolffischen  Körpers  entsteht. 

Im  Herzen  sind  die  einzelnen  Abschnitte  mehr  zusammengerückt.  Die 
Vorkammer  schiebt  sich  aus  ihrer  linken  Stellung  allmählig  über  die  Kammern. 
Beide  Herzohren  liegen  in  einer  Ebene,  das  linke  ist  noch  das  gröfsere.  Der  ge- 
meinschaftliche Venensack  hat  nicht  mehr  blos  die  Gefäfswand,  sondern  die  Wan- 
dung der  ursprünglichen  Herzohren,  hat  sich  in  diese  hinein  verlängert,  und  um- 
giebt  sie  schon  ganz.  Im  Innern  scheint  die  Spur  einer  unvollständigen  Scheide- 
wand zu  seyn,  als  Folge  der  äuf'sern  Einschnürung.  Indem  sich  der  Venensack 
ausgebildet  hat,  werden  die  ursprünglichen  Theile  der  Vorkammern  immer  mehr 
nach  unten  geschoben ,  und  zeigen  sich  nun  deutlich  in  der  Lage  als  die  Herz- 
ohren. Der  Ohrkanal  Haller's  wird  bald  unkenntlich,  indem  er  sich  in  die  Kam- 
mern hineinschiebt,  zugleich  aber  von  der  Muskelmasse  der  Kammern  überwach- 
sen wird.  Dieser  Ohrkanal  scheint  also  die  von  der  nervösen  Oeffnung  jeder  Kam- 
mer in  ihre  Höhlung  hinein  ragende  Verdoppelung  der  innern  Haut  des  Herzens 
zu  bilden.  Die  Herzkammer  hat  nicht  nur  ihre  Gestalt  und  Lage  verändert,  son- 
dern erscheint  schon  äufserlich  als  eine  doppelte.    Man  sieht  nämlich  an  der  untern 


99      ' 

Fläche  eine  Furche,  welche  eine  kleinere  rechte,  Lei  weitem  nicht  bis  zur  Spitze 
reichende  Kammer  von  der  linken  bis  zur  Spitze  gehenden  sondert.  Die  Aorten  - 
zwiebel  ist  in  einen  Bogen  ausgezogen ,  und  hat  am  Ende  des  sechsten  Tages,  wenn 
man  das  Herz  von  der  Bauchseite  betrachtet,  ganz  das  Ansehn,  als  ob  sie  nur 
aus  der  rechten  Kammer  entspränge,  denn  sie  sitzt  rechts  von  der  Furche  auf, 
welche  beide  Kammern  abgrenzt.  Bei  Eröffnung  des  Herzens  findet  man  auf  die- 
ser Furche  die  Scheidewand ,  welche  bis  an  die  Aortenzwiebel  reicht,  diese  hat 
weniger  das  Ansehn  eines  Knollen,  als  früher.  In  ihr  sind  jetzt  zwei  weit  ge- 
trennte Kanäle  enthalten.  Der  mehr  nach  der  Bauchseite  liegende  kommt  aus  der 
rechten  Kammer,  und  bedeckt,  von  dieser  Fläche  angesehen,  ganz  den  andern 
Gang,  und  eben  aus  diesem  Grunde  scheint,  von  unten  gesehen ,  die  Aortenzwie- 
bel aus  der  rechten  Kammer  zu  kommen.     Sie  kommt  aber  aus  beiden  zugleich. 

So  viel  zum  allgemeinen  Verständnifs.  Das  Ansehn  des  Herzens  verändert 
sich  indessen  in  diesen  beiden  Tagen  so  sehr,  dafs  wir  noch  mehr  die  einzelnen 
Veränderungen  nach  der  Zeitfolge  durchgehen  müssen. 

Wir  erinnern,  dafs  die  rechte  Kammer  im  Grunde  schon  lange  da  war, 
aber  mit  der  linken  offene  Gemeinschaft  hatte ,  und  mehr  nach  der  Rückenseite 
lag.  Indem  nun  mit  dem  Schlüsse  des  fünften  Tages  die  Vorkammern  von  links 
nach  der  Mitte  sich  bewegen,  werden  auch  die  Herzkammern  etwas  um  ihre  Axe 
gedreht.  Es  erscheint  daher  die  rechte  Kammer  auch  an  der  uutern  oder  Bauch- 
fiäche ,  aber  nur  mit  dem  vordersten  Ende ,  sieht  deshalb ,  wenn  man  das  Herz 
nicht  umdreht,  wie  eine  kleine  seitliche  Blase  aus.  Die  Aortenzwiebel  sitzt  auf 
der  Scheidewand ,  und  scheint  noch  um  diese  Zeit  mehr  der  linken  Kammer  an- 
zugehören, weil  die  rechte  überhaupt  nur  am  Bande  sich  zeigt  und  man  den 
Uebergang  aus  der  linken  Kammer  in  die  Aortenzwiebel  an  der  linken  Seite  der- 
selben deutlich  sieht.  Dieses  Ansehn  gewinnt  das  Herz  gegen  Ende  des  fünften 
Tages;  sie  ist  entwickelter  in  der  ersten  Hälfte  des  sechsten.  —  Es  ist  merk- 
würdig, wie  schnell  nun  die  rechte  Kammer  theils  wirklich  wächst,  theils  zu 
wachsen  scheint.  Indem  nämlich  die  Drehung  fortschreitet,  kommt  nicht  nur 
mehr  von  der  rechten  Kammer  an  der  Bauchfläche  zum  Vorschein ,  sondern  da 
das  Blut  jetzt  aus  der  rechten  Hälfte  der  Vorkammern  von  vorn  nach  hinten  hin- 
einschiefst, und  dann  wieder  nach  vorn  und  links  umkehren  mufs,  wird  die 
Wand  der  Kammer  immer  mehr  von  der  Scheidewand  allgehoben  ,  daher  dies  ra- 
sche Deutlichwerden  der  abgrenzenden  Furche.  Dazu  kommt  noch,  dafs  die 
linke  Kammer  eben  auch  durch  die  Drehung  sich  immer  mehr  in  einen  Kegel  ver- 
wandelt, die  nun  geschlossene  Scheidewand  also  immer  mehr  gewölbt  wird,  und 
daher  .das  Blut,  das  in  die  rechte  Kammer  tritt,    noth  wendig  die  Wand  derselben 

N   2 


100 

abhebt ,  wodurch  die  Furche  deutlicher  wird.  Am  Ende  des  sechsten  Tages  steht 
die  Aortenzwiebel  schon  ganz  vor  der  rechten  Kammer,  und  am  siebenten  Tage 
ist  in  der  Herzkammer  selbst  wenig  Drehung  mehr  zu  erkennen,  wohl  aber  im 
Innern  der  Aortenzwiebel.  Diese  sieht  nun  weniger  wie  ein  Knollen  aus,  und 
scheint  nun  wieder  weniger  entschieden  aus  der  rechten  Kammer  zu  kommen ,  als 
am  Ende  des  sechsten  Tages.  Der  Grund  liegt  darin,  dafs  der  Kanal  aus  der 
rechten  Kammer,  der  nach  links  verläuft,  jetzt  schon  an  der  Basis  der  Zwiebel 
den  linken  Rand  derselben  einnimmt,  denn  die  arteriöse  Mündung  dieser  Kammer 
ist  schon  sehr  weit  nach  Hnks  gerückt.  Die  Unibeugung  ihres  Kanals ,  um  sich 
mit  den  andern  zu  verbinden,  ragt  also  mehr  nach  der  Rückenseite  vor,  und 
nicht,  wie  früher,  nach  links  *).  Ueberhaupt  wird  die  Umbeugung  des  Kanals 
schwächer ,  denn  die  Trennung  beider  Kanäle  geht  immer  weiter  nach  vorn.  Am 
Ende  des  siebenten  Tages  ist  die  Aortenzwiebel  in  der  ganzen  Länge  breiter  ge- 
worden, und  mau  findet  beide  Kanäle  im  Innern  ganz  getrennt,  ja  sie  werden 
schon  durch  Furchen  äufserlich  etwas  gesondert.  Während  dieser  Umgestal- 
tung verändert  sich  die  Form  des  Herzens,  indem  sie  anfangs  breiler  und  dann 
schmaler  und  länger  ist.  Auch  seine  Richtung  bleibt  nicht  ganz  dieselbe.  Am 
fünften  Tage  ist  die  Spitze  des  Herzens  nach  hinten  gerichtet.  Sobald  es  aber 
ganz  in  die  weite  Bauchhöhle  getreten  ist,  neigt  sich  che  Spitze  wieder  etwas 
nach  unten, 
i.  Bildung  ^m  Schlüsse  des  fünfteu  Tages  sahen  wir  auf  jeder  Seite  drei  Gefälsbogen, 

>ler  Arterien-  °  ,  ,         '  V 

"amme.  von  denen  der  hinterste  auf  der  linken  Seite  aber  immer  schwächer  bleibt,  als  der 
auf  der  rechten.  Dieses  Verhältnifs  scheint  darauf  zu  beruhen,  dafs  in  der 
Aortenzwiebel  zwei  Ströme  sind ,  die  sich  um  einander  winden ,  und  sich  daun 
zu  einem  gemeinschaftlichen  Stamme,  aus  welchem  eben  jene  Bogen  kommen, 
znsammenmünden.  Der  Strom  aus  der  rechten  Kammer  hat  nach  der  am  fünften 
Tage  gegebenen  Beschreibung  an  dem  Ende ,  wo  er  -mit  dem  andern  zusammen- 
mündet,  die  Richtung  von  links  nach  rechts  und  von  unten  (der  Bauchseite)  nach 
oben  (der  Rückenseite).  Da  nun  die  hintern  Bogen  nicht  so  stark  nach  unten 
herabsteigen ,  als  die  vordem ,  so  wird  der  Strom  aus  der  rechten  Kammer  vor- 
züglich die  hintern  Bogen  anfüllen.  Da  derselbe  zugleich  die  Richtung  von  rechts 
nach  links  hat,  so  schiefst  er  dem  hintersten  linken  zurücklaufenden  Bogen  fast 
ganz  vorbei  und  vertheilt  sich  in  den  letzten  rechten  und  vorletzten  linken  Bogen. 


*)  In  dem  veränderten  Ansehn ,  welches  der  Aortenwulst  in  den  verschiedenen  Perioden  der 
Drehung  gewährt,  nmls  man  den  Grund  suchen,  dals  frühere  Beobachter  ihm  bald  Gemein- 
schaft mit  der  rechten,  bald  mit  der  linken  Kammer  zuschrieben.  Die  verschiedenen  Grade 
der  Drehung  können  nur  durch  eine  Beihe  von  Abbildungen  kenntlich  gemacht  werden. 


101 

Der  hinterste  linke  Bogen  wird  dalier  nur  sehr  schwach  angefüllt,   und  im  Ver- 
laufe des  sechsten  Tages  schwindet  er  ganz.     Der  Strom  aus  der  linken  Kammer 
hat  dagegen  zuletzt  che  Richtung  von  oben  nach  unten ,  und  füllt  daher  vorzüglich 
die  beiden  vordersten  Bogen  an,   die   am  tiefsten   herabsteigen.      Der   mittlere 
Bogen  der  rechten  Seite  mag  am  fünften  Tage  an  beiden  Strömen  gleichen  Anthed 
haben,   später  aber  nur  an  dem  Strome  aus  der  linken  Kammer.     Beide  Ströme 
nämlich,   welche,  ich  möchte  sagen ,  nur  gezwungen  durch  die  frühere  Einfach- 
heit des  Kanals  zusammenlaufen,  lösen  sich  hier  an  der  Spitze  der  Aorteuzwiebe! 
alhnählig  eben  so  von  einander,   als  schon  früher  an  der  Basis  derselben,  und  am 
Ende   des    sechsten  und  Anfange  des   siebenten  Tages  geht  der  Strom   aus  der 
rechten  Kammer  nur  in  die  hintern  Bogen  der  rechten  und  den  jetzt  ebenfalls 
hintersten  Bogen  der  linken  Seite.     Der  Strom  aus  der  linken  Kammer  geht  in 
l>eide  vordere  Bogen  und  anfserdem ,    vielleicht  weü  er  überhaupt  der  stärkere 
Strom  ist,  auch  in  den  mittlem  Bogen  der  rechten  Seite.     Beide  Ströme  sind  nun 
im  Innern  der  Aortenzwiebel  vöUig  getrennte  Kanäle,   wie  Injectionen  nüch  ge- 
lehrt haben,    obgleich  man  auf  serlich  die  Trennung  nicht  erkennt.     "Wir  haben 
also  jetzt  fünf  Bogen,    zwei  auf  der  linken,   drei  auf  der  rechten  Seite.     Die  bei- 
den hinlern  Bogen  beider  Seiten  werden  von  der  rechten  Kammer,   die  übrigen 
von  der  linken  Kammer  ausgefidlt.     Nach  oben  laufen  sämmdiche  Bogen  einer 
Seite  in  die  Aortenwnrzel  dieser  Seite  zusammen.     So  bleibt  das  Verhältnils  im 
Grunde  während  der  ganzen  dritten  Periode,  jedoch  mit  allmähliger  Umänderung, 
indem  die  hintern  Bogen  sich  mehr  in  die  Lungen  verzweigen.     Wir  werden  im 
nächsten  §.  diese  Metamorphose  genauer  und  im  Zusammenhange  mit  der  spätem 
Form  betrachten,  nachdem  wir  hier  ihren  Uebergang  aus  der  ersten  Form  berück- 
sichtigt haben. 

Endlich  ist  noch  zu  bemerken,  dafs  das  Herz  jetzt  mit  einem  Herzbeutel  beut 
versehen  scheint,  den  ich  zuweilen  auch  am  fünften  Tage  zu  bemerken  glaubte. 
Vou  der  Eutwickelung  desselben  weifs  ich  nur  so  viel  anzugeben,  dafs  man  auf 
dem  Herzen,  nachdem  es  sich  mit  Muskelmasse  umhüllt  hat,  eine  Schicht  durch- 
sichtigen Stoffes  bemerkt,  bestimmt,  den  serösen  Ueberzug  des  Herzens  zu  bilden. 
Der  äufsere  Theil  des  Herzbeutels  wird  eine  ähnliche  Bildungsweise  haben. 

Am  Central  theile  des  Vervensystems  erkennt  man  jetzt  aufserder  zuerst  auf-  muär)f uc  e" 
getretenen  Hülle,  welche  an  Festigkeit  zugenommen  hat,  eine  zweite  innere  eng 
anliegende.  Jene  ist  die  harte,  diese  die  weiche  Hirn-  und  Rückenmarkshaut. 
Das  Rückenmark  hat  da,  wo  die  Verven  der  Extremitäten  hervortreten,  bedeutend 
an  Dicke  zugenommen.  Beide  Verdickungen  laufen  aber  noch  zusammen,  so 
dafs  der  ganze  Rumpftheil  verdickt  ist  gegen  den  weit  dünnern  Halsthed.     Die 


Herz- 


102 

untern  Stränge  des  Rückenmarkes  sind ,  wenigstens  im  Rumpfe,  stärker,  als  die 
obern.  Nimmt  man  die  Hülle  weg,  so  sieht  man  eine  Spalte  an  der  oJ>ern  Fläche 
des  Rückenmarkes.  Beide  Blätter  hegen  aber  doch  eng  an  einander ,  gleichsam 
zusammengeklebt.  In  kaltem  Wasser  rollen  sie  sich  jedoch  nach  aul'sen,  nachdem 
man  die  Hülle  entfernt  hat.  Au  Embryonen  vom  sechsten  Tage  habe  ich  mehrere 
Nerven  vom  Rückenmarke  aus  bis  tief  in  die  Bauchplatten  ausgearbeitet.  Sie  sind 
überaus  dünn ,  nicht  einmal  von  der  Dicke  eines  Haares. 

»•    Hnril-  Im  Hirne  sind  die  Vierhüeel  der  vorherrschende  Theil,  der  weit  über  die 

Allgemeine  «-       /»        •  c     •  ■   1 

Form.  andern  vorragt  und  dem  Kopte  eine  stumpfe  Spitze  giebt.     Am  siebenten  Tage 

nimmt  ihr  Wachsthum  jedoch  schon  ab.  Da  der  Nackenhöcker  sich  in  diesem 
Zeiträume  schärfer  hervorhebt,  so  ist  nun  auch  der  Winkel,  den  hier  das  Rücken- 
mark mit  dem  verlängerten  Marke  macht,  viel  schärfer,  als  früher.  Er  ist  fast  ein 
rechter.  Eben  so  wird  der  darauf  folgende  Winkel  der  Uebergang  aus  dem  ver- 
längerten Marke  in  das  ldeine  Hirn  aus  einem  stumpfen  zu  einem  rechten  Winkel. 
Ueberhaupt  also  werden  die  hintern  Einbiegungen  des  Hirnes  schärfer.  Dagegen 
löst  sich  die  vordere  Hälfte  des  Hirnes  etwas  aus  der  Krümmung,  und  alle  einzelnen 
Theile  rücken  der  Rückenseite  des  Embryo  näher ,  ganz  einsprechend  der  allge- 
meinen Form  des  Körpers,  die  wir  oben  aus  einander  setzten  (§.  9.  d.). 

Wenn  wir  nämlich  die  Unibeugung  der  Rückensaite  als  den  festen  Punkt 
der  Drehung  betrachten,  so  können  wir  diese  am  besten  dadurch  anschaulich 
machen,  dafs  wir  sagen,  alle  Abschnitte  des  Hirnstammes  mit  seinen  Ent- 
wickelungeu  (den  Hirnblasen) ,  die  nach  der  Lage  des  gesammten  Embryo  über 
(oder  den  Kopf  auf  seine  Basis  gestellt,  hinter)  dieser  Umbeugung  liegen,  knicken 
sich  schärfer  ein.  So  sehen  wir  die  Vierhügel  nicht  mehr  vor  (über)  der  Um- 
beugung der  Rückensaite,  sondern  mit  dem  gröfsten  Theile  des  Umfanges  über 
Jiinter)  ihr.  Dadurch  stofsen  nicht  nur  die  Vierhügel  ganz  an  das  noch  gespaltene 
kleine  Hirn,  sondern  überdecken  die  hintere  Wasserleitung  völlig  und  den  Ueber- 
gaug  in  das  kleine  Hirn.  Ja,  die  Decke  der  Vierhügel  wird  durch  das  Zu- 
sammenschieben sehr  stark  gefaltet  mit  zwei  bis  drei  tiefen  Fallungen,  die  schief 
nach  vorn  gerichtet  sind,  gerade  so,  als  ob  der  vordere  Theü  der  Vierhügel  sich 
in  beschleunigtem  Rückzuge  über  den  hintern  Theü  habe  schieben  müssen.  Dafs 
dieser  Ausdruck  nicht  blofs  das  Verhältnifs  versinnlicht ,  sondern  wirklich  das 
Wesen  desselben  angiebt,  schliefse  ich  daraus,  dafs  die  harte  Hirnhaut  nie  in 
diese  Faltungen  eingeht.  Ja ,  es  schien  mir  oft  sogar ,  als  ob  selbst  die  weiche 
Hirnhaut  darüber  wegginge,  während  ich  in  andern  Fällen  deutlich  die  weiche 
Hirnhaut  aus  der  Falte  hervorgezogen  habe.     In  die  mittlere  Einsenkung  zwischen 


103 

beiden  Hirnhälften ,  die  an  Tiefe  sehr  zunimmt,  geht  dagegen  die  harte  Hirnhaut 
immer  tief  ein. 

Unter  (Vor)  der  Umbeugung  der  Rückensaite  strecken  sich  die  einzelnen 
Theile  etwas  mehr  gerade,  wenigstens  der  Hirnstamm,  denn  die  Hemisphären 
rücken  freilich  so  nach  ol>en ,  dafs  sie  sich  etwas  über  die  Blase  der  dritten  Hirn- 
höhle neigen.  Aber  eben  dieses  Verhältnifs  beruht  auf  der  Tendenz ,  sich  nach 
dem  Rücken  zu  ziehen ,  die  im  untern  (vordem)  Theile  des  Hirnes  waltet.  Die 
Ursprünge  der  Riechnerven,  die  am  dritten  und  vierten  Tage  in  der  Mitte  der 
untern  Flache  zu  finden  waren,  liegen  jetzt  fast  ganz  vor,  und  sind  es  in  Zukunft 
noch  mehr. 

Indem  die  Blase  des  grofseu  Hirnes  sich  gegen  die  Blase  des  dritten  Ven-     Ein*elne 

...  ,..  •    i     7-       ii  •      i  Hirntheile. 

tnkeis  verlängert,  wird  die  Abgrenzung  zwischen  beiden  Blasen  tiefer,   so  dals 
äufserlick  die  Seitenfläche  der  Hemisphäre  wie  ein  Hügel  nach  hinten  vorsteht  *). 
Da  zugleich  die  mittlere  Einschnürung  sehr  an  Tiefe  gewonnen  hat,    und  diese 
mittlere  Einschnürung  auch  die  vordem  Enden  der  Hemisphären  weiter  von  ein- 
ander trennt,  so  sieht  man  im  Innern  der  Blase  des  grofsen  Hirnes  einen  tief  hinein- 
ragenden Bogen,  welcher  vorn  mit  zwei  nahe  an  eiuander  liegenden  Schenkeln  in 
die  Basis  jeder  Hemisphäre  übergeht.    Nach  hinten  läuft  dieser  Bogen  auch  in  zwei 
weiter  getrennte  Schenkel  ans,  die  nichts  anderes  sind,  als  die  seitlichen  Einschnü- 
rungen, welche  die  Hemisphären  gegen  die  Blase  des  dritten  Ventrikels  abgrenzen. 
Der  ganze  Bogen  mit  seinen  vier  Schenkeln  ist  überhaupt  kein  neuer  Theil,  sondern 
(im:  Ansicht,  die  durch  die  Einkerbungen  hervorgebracht  wird.     In  der  That  ist 
es  leicht  begreiflich,  dafs,  wenn  man  an  einer  Blase  die  Decke  vorn  imd  oben  in 
scharfem  Winkel  eindrückt,    und  nach  hinten  eben  so  durch  seitliche  Eindrücke 
die  Blase  von  einer  hintern  Fortsetzung  abschnürt,    ein  solcher  vierschenklicher 
Bogen  entstehen  mufs.     Der  vierschenkliche  Bogen  ist  offenbar  dem  Gewölbe  der 
Säugethiere  entsprechend  und  unterscheidet  sich  nur  dadurch,    dafs  in  ihm  keine 
dicken  Längenbündel  sich  bemerken  lassen.     Er  besteht  hier  im  Vogel -Embryo 
vielmehr   nur  aus  einer  einspringenden  Falte,    deren  Räuder  das  Gewölbe  dar- 
stellen.    Es  ist  daher  das  Gewölbe  schon  von  Anfange  an  da  und  am  fünften  Tage 
schon  ganz  deutlich,    wir  setzen  aber  hier  seine  Bildung  besonders  aus  einander, 


*)  Indem  wir  es  für  nöthig  hielten,  bei  Beschreibung  der  allgemeinen  Form  des  Hirnes  auf  die 
Krümmung  des  ganzen  Embryo  Rücksicht  zu  nehmen,  haben  wir  sowohl  dies  Lagen- 
verhältnifs  zum  ganzen  Embryo,  als  zu  dem  Kopfe  für  sich  angegeben.  Der  Versuch  dieses 
auch  bei  Beschreibung  des  einzelnen  durchzuführen ,  hat  aber  gezeigt ,  dafs  sie  dadurch  nur 
undeutlich  wird.  Deswegen  ist  in  diesem  Abschnitte  bei  Beschreibung  der  einzelnen  Theile 
das  Hirn  auf  seiner  Basis  ruhend  beschrieben. 


104 

weil  am  sechsten  Tage  die  Verhältnisse  unverkennbar  sind.  Am  siebenten  Tage 
scheinen  die  vordem  Schenkel  des  Gewölbes  etwas  dicker  au  ihren  Enden ,  wo  sie 
in  den  Boden  des  Hirnes  übergehen.  Es  geht  aus  der  gegebenen  Darstellung  her- 
vor ,  dafs  unter  den  hintern  Schenkeln  des  Gewölbes  ein  offener  Uebergang  in  die 
Blasen  der  dritten  Hirnhöhle  sich  findet. 

Was  aber  das  Offenseyn  der  ganzen  Hirnmasse  anlangt,  so  kann  man  jetzt 
darüber  näher  entscheiden,  da  die  Aveiche  Hirnhaut  zu  erkennen  ist.  Bei  Eröff- 
nung der  Hemisphäre  finde  ich  immer  noch  die  mittlere  Einseukung  ganz  von 
einer  continuirlichen  Lage  Nervenmasse  bedeckt.  Allerdings  springt  die  Nerven- 
masse  in  erhärteten  Hirnen  an  der  Kante  der  Einseukung  leicht  von  einander. 
Dieser  Umstand  rührt  aber  wohl  ohne  Zweifel  von  dem  scharfen  Winkel  her ,  in 
welchem  beide  Seiten  zusamruenstofsen ,  denn  das  Aufreifsen  erfolgt  mit  zackigen 
Händern,  und  da  ich  stets  Nervenmasse  in  der  Mittellinie  erkannt  habe,  so 
zweifle  ich  nicht,  dafs  die  Decke  des  grofsen  Hirnes  Jus  jetzt  nicht  offen  gewesen 
ist.  Eher  könnte  man  noch  zweifeln,  ob  nicht  die  Decke  der  Vierhügel  am 
sechsten  Tage  sich  öffnet,  denn  die  Mittellinie  der  Einseukung  ist  am  siebenten 
Tage  sehr  dünn  und  hängt  noch  sehr  eng  mit  der  weichen  Hirnhaut  zusammen. 
Ich  finde  aber  dennoch  keine  wahre  Lücke  im  Markblatte.  Später  wird  das 
Markblatt  dicker  und  die  Einsenkung  nimmt  ab.  Wenn  nun  die  bisherige  Dar- 
stellung richtig  war,  so  läfst  sich  mit  Bestimmtheit  behaupten,  dafs  das  grofse 
Hirn  und  die  Vierhiigel  bis  jetzt  in  ihrer  Decke  nicht  offen  gewesen  sind.  Da- 
gegen ist  die  dritte  Hirnhöhle  in  ihrem  vordem  Theile  ganz  weit  geöffnet ,  ja  die 
Ränder  der  Seitenblätter  drängen  stark  nach  aufsen ,  so  dafs  der  Saum  der  letztern 
sich  umwirft,  wenn  man  die  Hirnhaut  wegnimmt.  Ueber  die  Oeffnung  der 
vierten  Hirnhöhle  ist  nie  ein  Streit  gewesen.  Nur  im  ersten  Auftreten  ist  auch 
hier  der  Centraltheil  des  Nervensystems  geschlossen  (§.  2.  m.  §.  5.  aa.). 

Oeffnet  man  das  Hirn,  so  sieht  man  im  Innern  desselben  jetzt  sehr  deut- 
lich den  gestreiften  Körper,  um  den  der  Seitenventrikel  sich  windet.  Es  ist  der 
Kolben,  von  welchem  wir  am  fünften  Tage  berichteten,  dafs  er  das  eine  Ende 
des  Hirnstammes  bilde.  Er  wächst  vom  fünften  bis  zum  siebeuten  Tage  sehr 
rasch ,  und  wie  es  scheint  vorzüglich  in  die  Höhe ,  denn  die  Fortsetzung  des  Hirn- 
stammes scheint  jetzt  mehr  in  seine  Basis  zu  gehen,  als  in  seine  Masse,  eine  An- 
sicht, die  zum  Theil  auch  darauf  beruhen  mag,  dafs  das  grofse  Hirn  sich  etwas 
aus  seiner  Krümmung  gehoben  hat. 

An  der  Spitze  des  Trichters  bemerkt  man  ein  kleines  Knöpfchen,  den 
Hirnanhang,  der  noch  wenig  vom  Trichter  getrennt  ist,  und  vielleicht  einer  Ver- 
wachsung der  vSpitze  des  Trichters  seinen  Ursprung  verdankt. 

Die 


105 

Die  Sehnervengrube  ist  enger  und  tiefer  geworden.  Beide  Eingänge  der 
Sehnerven  sind  dadurch  zusammengerückt,  und  bilden,  wenn  man  von  der  Basis 
die  Sehnerven  wegschneidet,  zuerst  eine  zweischenkliche ,  dann  eine  ganz  ein- 
fache Oeffnungin  der  Spitze  dieser  trichterförmigen  Vorragung,  die  jjetzt  ansehn* 
Lcher  ist,  als  der  eigentlich  sogenannte  Trichter.  Aus  der  Spitze  dieser  Vorra- 
gung treten  die  Sehnerven  hervor.  Man  sieht  leicht  ein,  dafs  die  Spitze  dieser 
hohlen  Vorragung  nichts  ist,  als  die  Kreuzung  der  Sehnerven,  denn  bis  jetzt  iiel 
jeder  Sehnerve ,  ohne  sich  mit  dem  andern  zu  kreuzen ,  in  das  Auge  seiner  Seite. 
Eine  Kreuzung  ist  auch  jetzt  noch  nicht,,  aber  sie  ist  vollkommen  vorbereitet,  wie 
wir  im  nächsten  Zeitabschnitte  linden  werden. 

An  der  iunern  Fläche  der  dritten  Hirnhöhle  sieht  man  eine  rundliche  Vor- 
legung—  den  Sehhügel.  Er  war  schon  am  fünften  Tage  angedeutet,  tritt  aber 
jetzt  bestimmter  hervor.  Er  ruht  auf  dem  Hirnschenkel,  hebt  sich  aber  noch 
mehr  aus  dessen  Fläche  hervor,  als  der  gestreifte  Körper,  so  dafs  der  Hirnschen- 
kel unter  ihm  wegzugehen  scheint. 

Aus  ihm  geht  ein  schmaler  Wulst  oder  ein  Strang  in  die  hintere  Wand  der 
Sehuervengrube ,  und  ein  Theil  des  Ilirnsehenkels  scheint  in  eben  diesen  Strang 
überzugehen,  die  Stränge  beider  Seiten  laufen  in  einander  über;  doch  beruht  diese 
Beschreibung  nur  auf  dem  äufsersten  Ansehn,  indem  ich  noch  immer  keine  deut- 
liche Faserung  erkenne. 

Die  hohlen  Eingänge  in  den  Hörnerven  und  den  Riechnerven  konnte  ich  w.  Sinne*- 
vom  Anfange  dieser  Periode  an  nicht  mehr  auffinden.  Die  Stelle,  an  welcher  der  "*rven-  Au" 
Riechnerve  austritt,  ist  nur  sehr  dünnwandig.  Der  Eingang  in  den  Sehnerven 
ist,  wie  bemerkt  wurde,  noch  hohl,  aber  der  Seh  nerve  scheint  solide  und  Iäfst 
sich  leicht  in  zwei  Stränge  theilen.  Die  Netzhaut  ist  noch  sehr  dick ,  dicker,  als 
die  Decke  des  grofsen  Hirns.  |  Sie  reicht  aber  in  dieser  Dicke  nicht  mehr  bis  an 
die  Linse,  sondern  in  einiger  Entfernung  von  der  Linse  sieht  man  sie  plötzlich 
dünn  werden,  und  der  dünne  ringförmige  Theil  hat  am  6ten  Tage  noch. das  Au- 
sehn  eines  sehr  verdünnten  Nervenblattes ,  am  7ten  aber  ist  er  durchsichtiger  und 
giebt  sich  als  das  Strahlenblättchen  zu  erkennen.  An  derselben  Stelle,  wo  die 
Netzhaut  aufhört,  sieht  man  nun  auch  in  der  dunklen  Haut  eine  Trennung  in 
Aderhaut  und  Ciliarkörper.  Letzterer  bekömmt  einige  sehr  ldeine  Falten.  Icli 
weifs  nicht,  ob  es  eine  wahre  Trennung  ist,  oder  ob  nur  die  Netzhaut  und  Ader- 
haut sich  von  der  Linse  zurückziehen  und  das  Strahlenblättchen  und  der  Ciliar- 
körper neu  hinzugetretene  Tftfile  sind.  Auffallend  ist  der  geringe  Zusammenhang 
zwischen  Gefäfshaut  und  Ciliarkörper,  denn  oft  bleibt  nach  Erhärtung  im  Wein- 
geist der  Cüiarkörper  beim  Aufheben  der  Gefäfshaut  auf  dem  Glaskörper  Und  der 

0  ASb//üO^?>s< 


106 

Linse  liegen.  Die' Trennung  zwischen  Gefäfshaut  und  der  noch  sehr  dünnen  har- 
ten Augenhaut  ist  ganz  vollständig,  und  die  Hornhaut  steht  nur  mit  der  letztern  in 
Verbindung.  Die  Gefäfshaut  ist  unter  der  Netzhautfalte,  die  zwei  starke  Wülste 
enthält ,  noch  ungefärbt ,  aber  der  weii'se  Streifen  ist  nur  an  der  Eintrittstelle  des 
Sehnerven  ansehnlich.     Nach  aufsen  nimmt  er  ab. 

*•  0hr"  Das  Ohr  ist  nach  aufsen  geöffnet.      Diese  Oeffnung  liegt  über  der  Mund- 

spalte. Mau  kann  sie  nicht  mit  der  ersten  Kiemenspalte  verwechseln,  weil  sie 
in  den  Rückenplatten  und  nicht  in  der  Bauchplatte  liegt.  Die  Ausmündungen  bei- 
der Eustach'schen  Röhren  rücken  einander  näher,  und  die  Röhren  selbst  liegen 
nur  an  der  Anlage  des  Keilbeins  aa,  nicht  in  derselben. 

/.  Nase.  Die  Nasengrube  nimmt  am  sechsten  Tage  an  Tiefe  zu.     Indem  der  Ober- 

kiefer mit  dünner  Spitze  den  Stirnfortsatz  erreicht,  bleibt  zwischen  beiden  eine 
Lücke,  der  Nasengang,  der  nach  aufsen  als  äufsere  Nasenöffnung  ausgeht,  mit 
dem  andern  Ende  aber  in  die  Mundhöhle  geht.  Dieser  Gang  ist  kurz ,  indem  er 
fast  senkrecht  hinabsteigt,  denn  die  Einmündung  des  Nasenganges  in  die  Mund- 
höhle ist  ganz  dicht  hinter  der  Schnabelspitze,  wie  in  Amphibien.  Der  ganze 
Nasengang  geht  unter  der  Nasengrube  weg ,  welche  nur  von  oben  in  den  Nasen- 
gang einmündet.  Das  Riechorgan  hat  sich  also  früher  gebildet ,  als  der  für  die 
Athmung  bestimmte  Luftkanal ;  denn  jene  schon  am  4ten  Tage  bemerkte  Nasen- 
grube iat  das  eigentliche  Riechorgan. 

§•   10. 
Achler,    neunter  und  zehnter  Tag. 

a.   Allge-  Der  Dotter  scheint  noch  an  Umfang  zuzunehmen.     DerGefäfshof  derKeiro- 

thefle.  baut  dehnt  sich  bis  auf  \  des  Dottersackes  aus.      Die  Grenzvene  schwindet  aber 

ganz.  Auch  die  andern  Gefäfse  nehmen  ab,  jedoch  die  Arterien  mehr,  als  die  Ve- 
nen. Ja ,  in  letzteren  ist  die  Abnahme  vielleicht  nur  scheinbar,  denn  während  sie 
an  der  Oberfläche  weniger  deutlich  erscheinen,  ragen  sie  auf  der  untern  Fläche 
wie  erhabene  Wülste  sehr  stark  vor.  Sie  sind  hier  mit  einem  gelben,  Dotterkügel- 
chen  enthaltenden  und  daher  von  ihnen  gefärbten  Zellgewebe  stark  bedeckt.  Die 
zarten  Aeste,  welche  wenig  Blut  enthalten,  sehen  deshalb  gelb  aus.  (Maliers 
vasa  lutea.")  Dafs  diese  feinen  Reiser  unmittelbar  unveränderte  Dottermasse  auf- 
nähmen, wie  man  sich  gedacht  hat,  scheint  mir  sehr  zweifelhaft.  Das  gelbe 
Ansehn  leite  ich  nur  vom  Ueberzuge  her.  Rührte  das  gelbe  Ansehn  von  enthalte- 
nem Dotter  her ,  so  müfsten  in  den  gelben  Gefäfschen  die  gröfsern  Dotterkügelchen 
seyn,    da  diese  vorzüglich  die  färbenden  sind,    ja  es  mül'sten  viele  solcher  grofsen 


107 

Dotterkügelchen  zugleich  in  einem  Gefäfsaste  sich  finden,  um  so  dünne  Ströme 
gelb  zu  färben.  Es  sind  aber  die  gröfsten  Dotterkügelchen  sehr  viel  gröfser,  als 
die  Blutkügelchen ,  und  -wenn  die  Venen  hinlänglich  weite  Mündungen  hätten,  um 
jene  aufzunehmen,  so  ist  nicht  einzusehen,  "wie  das  Blut  nicht  ausiliefst  da  die 
geringste  Verletzung  einer  Vene  der  Keimhaut  das  Blut  von  allen  Seiten  dahin  zu- 
sammenfliefsen  läfst.  Es  schien  mir,  dafs  im  Embryo  des  Hühnchens  die  Gefäfse 
immer  vom  Blute  mehr  ausgedehnt  sind,  als  im  erwachsenen  Thiere,  weil  sich  in 
jenem  auch  für  kleine  Gefäfse  viel  schwerer  eine  Verschliefsung  entweder  durch 
Zusammenziehen  des  Gefäfses  oder  durch  einen  Blutpfropf  bildet,  als  in  diesem. 
Dagegen  ist  es  keinem  Zweifel  unterworfen ,  dafs  der  flüssige  Theil  des  Dotters 
von  den  Venen  aufgesogen  Avird,  denn  vom  loten  Tage  an  ist  die  Abnahme  des 
Dnlter.s  beträchtlicher,  :  als  die  Aufnahme  durch  den  Dottergang  allein  bewirken 
könnte,  und  in  den  feinern  Venenzweigen  ist  das  Blut  so  wenig  gefärbt,  dafs  mau 
die  Beimischung  eines  wenig  gefärbten  Wassers  zu  erkennen  glaubt.  Auch  führt 
die  Aufnahme  des  flüssigen  Theiles  von  Eiweifs  darauf  hin. 

Das  seröse  Blatt  hat  sich  bis  zum  äufsern  Umfange  des  Gefäfshofes  getrennt 
und  der  Harnsack  verbreitet  sich  in  diesem  Baume  nach  allen  Seiten.  Die  Ge- 
fäfse mehren  sich  in  demselben  sehr.  Der  Uebergang  seiner  Arterien  in  die  Ve- 
nen scheint  in  den  feinern  Zweigen  unmittelbar.  Die  linke  Nabelarterie  ent- 
wickelt sich  stärker,  als  die  rechte.  Der  Harnsack  bedeckt  den  gröfsten  Theil 
des  Dottersackes  als  eine  geschlossene  Blase.  Die  eine  Hälfte  dieser  Blase  lie^t 
nämlich  auf  dem  Amnion  und  dem  Dottersacke,  die  andere  an  der  serösen  Hülle 
und  mit  ihr  an  der  Schaalenhaut.  Diese  äufsere  Hälfte  ist  viel  blutreicher  als  die 
innere.  Beide  Hälften  sind  durch  die  enthaltene  Flüssigkeit  getrennt.  Jede  Hälfte 
besieht  ursprünglich  aus  dem  der  Flüssigkeit  zugekehrten  Schleimblatte  und  dem 
Gefäfsblatte.  Beide  Blätter  werden  aber  im  Verlaufe  dieser  Tage  in  der  untern 
Hälfte  und  im  Stiel ,  also  da,  wo  die  Athmung  weniger  vorherrschend  ist,  un- 
kenntlicher ,  und  scheinen  besonders  in  letzterer  nur  ein  Blatt  zu  bilden ,  von  wel- 
chem ich  nicht  habe  bestimmen  können,  ob  es  das. ursprüngliche  Schleimblatt 
oder  Gefäfsblatt  oder  eine  Verwechselung  beider  ist. 

Das  Amnion  ist  stark  angefüllt  von  Flüssigkeit.  Das  Hin-  und  Herschwan-  j.  Amnioi 
ken  des  Embryo,  unterstützt  von  Contractionen  des  Amnions,  ist  am  achten  Tage 
sehr  lebhaft,  weniger  lebhaft  in  den  folgenden  Tagen.  Dafs  das  Amnion  dabei 
selbstthätig  ist,  erschien  mir  unverkennbar,  (obgleich  ganz  unerwartet,)  denn 
erst  nachdem  das  Amnion  sich  an  einem  Ende  unter  starker  Fiunzelung  zusammen- 
gezogen hatte ,  bewegte  sich  der  Embryo  nach  dem  entgegengesetzten  Ende  von 
der  Flüssigkeit  getragen.     Reizte  ich  das  Amnion  mit  der  Nadel,   so  wurden  die 

0   2 


108 

Zusammenziehungen  lebhafter,   oder  traten  wieder  hervor,    nachdem  sie  aufge- 
hört hatten.     Die  Bewegung  des  Embryo  ist  daher  durchaus  keine  Kreisbewegung, 
wie  in  Schnecken -Embryonen,   sondern  ein  Hin-  und  Herschwanken  durch  eine 
Art  Fulsation  hervorgebracht, 
c  Gestalt  per  Fötus  wächst  stark  vom  8ten  bis  zum  toten  Tage.     Er  ist  noch  sehr 

gekrümmt ,  doch  kann  wegen  stärkeren  Hervortretens  des  Bauches  der  Kopf  lange 
nicht  mehr  den  Schwanz  berühren,  Immer  noch  ist  die  rascheste  Entwickelung 
im  Kopfe,  und  es  scheint  dieser  noch  entschiedener  dem  Rumpfe  an  Masse  über- 
legen ,  als  in  den  früher  besprochenen  Tagen,  was  vielleicht  daher  rührt,  dafs 
für  die  äufsere  Ansicht  das  Hinterhaupt  jetzt  bestimmter  zum  Umfange  des  Kopfes 
gehört.  Der  Oberschnabel  hat  anfangs  auf  beiden  Seiten  noch  einen  Ausschnitt, 
welcher  später  in  eine  sanfte  Ausrundung  übergeht,  und  am  Ende  des  zehnten  Ta- 
ges kaum  bemerklich  ist.  Auf  der  Spitze  des  Überschnabels  entsteht  ein  kreide- 
weifser  Flecken.     Die  Form  des  Kopfes  wird  viel  runder,    indem  die  Vierhügel 


weniger  vorragen. 


taten. 


Der  Hals  wird  bedeutend  länger  und  freier,  doch  ist  er  hinten  noch  merk- 
lich länger,  als  vorn.  Der  Nackenhöcker  ist  am  8len  Tage  noch  sehr  stark  vorra- 
gend, später  weniger.  Am  9ten  und  loten  Tage  erheben  sich  in  der  Haut  die 
Federbälge,  2uerst  auf  der  ^Mittellinie  des  Rückens  vom  Halse  bis  an  den  Steifs 
und  auf  den  Hüften.  Am  stärksten  ragen  die  Bälge  der  Steuerfedern  auf  dem 
Steifse  vor.  . 

■i.  Extremi-  \n  ■den  Extremitäten  tritt  die  Differenz  mehr  hervor.     Der  Ellenbogen  rich- 

tet sich  nach  hinten,  das  Knie  nach  vorn.  Flügel  und  Fufs  sind  aber  am  8ten 
Tage  in  ihrer  Richtung  noch  ganz  abhängig  vom  Unterarm  und  Unterschenkel. 
Die  Finder  der  Hand  sind  also  mit  ihren  Spitzen  nach  vorn  gerichtet,  die  Zehen 
nach  hinten.  Dann  tritt  eine  Selbstständigkeit  im  Hand- und  Fufsgelenkc  ein; 
erstercs  richtet  sich  mit  seiner  Streckseite  nach  vorn ,  lelzteres  nach  hinten.  Die 
Fingerspitzen  bewegen  sich  daher  in  einem  Bogen  von  vorn  nach  hinten ,  die  Ze- 
henspitzen von  hinten  nach  vorn.  Am  Schlüsse  des  zehnten  Tages  berühren  sich 
die  einander  zugekehrten  Ellenbogen-  und  Kniegelenke  fast.  Die  Zehen  sind  sehr 
stark  nach  vorn  gerichtet,  die  Finger  noch  etwas  mehr  nach  unten  als  nach  hin- 
ten. Zugleich  entwickeln  sich  die  Finger  und  Zehen,  so  dafs  zuvörderst  die  An- 
lage aller  Glieder  jedes  Fingers  und  jeder  Zehe  sich  innerhalb  der  Hautlappen  bil- 
den, und  dann  die  Finger  über  die  Hautlappen  herauswachsen.  Beim  Heraus- 
wachsen bleiben  der  mittlere  Finger  und  der  hintere  vereint,  ja  sie  werden  durch 
die  sich  verdickende  Haut  noch  enger  verbunden,  weshalb  man  am  Ende  des  zehn- 
ten Tages  sie  äufserlich  nicht  mehr  von  einander  unterscheidet.     Es  sind  die  bei- 


109 

den  im  Hauptflügel  enthaltenen  Finger.  Der  Vorderfinger  -wachst  dagegen  mehr 
nach  vorn  hinaus,  ist  am  neunten  Tage  völlig  abgesondert  und  Avird  der  Stamm 
des  Afterflügels.  Da  das  vordere  Endglied  sich  zugleich  nach  hinten  richtet,  so 
hat  es  am  1  Oten  Tage  schon  vollständig  den  Character  des  Flügels.  Es  fehlen  nur 
die  Federn.  An  der  hintern  Extremität  sondert  sich  eben  so  die  vordere  Zehe 
zuerst  und  stellt  sich  immer  mehr  nach  innen,  indem  sich  die  Sohlenfläche, 
welche  ursprünglich  nach  innen  gekehrt  war,  nach  unten  stellt  und  wird  die 
Hinterzehe;  die  andern  Zehen  wachsen  ebenfalls  über  die  Zehenhaut,  jedoch  ge- 
sondert und  mit  ungleicher  Geschwindigkeit ,  wodurch  die  Ungleichheit  üi  der 
Länge  der  Zehen  zunimmt,  und  am  Ende  des  loten  Tages  auch  der  Fufs  schon 
im  Allgemeinen  seine  Form  hat.     Nägel  fehlen  aber  noch. 

Der  Nabel  ist  trichterförmig  und  erscheint  daher  als  unmittelbare  Fort-     «.  Nabel. 
setzung  des  Bauches,  in  welche  die  Darmschlinge  so  tief  hineinragt,  dafs  der  Dot- 
tergang in  der  Spitze  des  Trichters  liegt. 

Die  Bauchplatten  nehmen  bedeutend  an  Höhe  zu  und  erreichen  einander  /•  Bauth- 
vorn.  An  dieser  Stelle  entsteht  gegen  Ende  dieses  Zeitabschnittes  das  Brustbein  als  Nerven. 
eine  kurze  und  breite  Platte,  ohne  Spur  von  Kamm.  Ich  konnte  nicht  bemer- 
ken, da ls  sich  dieser  Knorpel  aus  zwei  Hälften  bilde.  Zu  beiden  Seiten  werden 
die  Rippen  viel  früher  deutlich  begrenzt,  zwischen  den  Rippen  schiefsen  Muskeln 
an.  In  dieser  Periode  habe  ich  endlich  auch  zuerst  Nerven  mit  Deutlichkeit  nicht 
blos  gesehen,  sondern  auch  im  ganzen  Verlaufe  ausgearbeitet,  und  zwar  nun  auch 
fast  alle  Nerven  des  Rumpfes.  Sie  sind  indessen  schon  viel  früher  da,  und  ich 
habe  bemerkt,  dafs  ich  die  abgerissenen  Enden  schon  am  fünften  Tage  erkannte 
und  einen  Theil  des  Stammes  am  sechsten  und  siebenten  Tage  verfolgte,  al- 
lein  wegen  der  geringen  Consistenz  sind  sie,  besonders  ohne  Erhärtung  durch 
Weingeist,  erst  lange  nach  der  Bildung  im  weitern  Verlaufe  zu  erkennen.  So  ist 
es  kaum  zu  bezweifeln,  dafs  die  eigentümliche  Verzweigung  des  herumschwei- 
fenden Nerven  durch  das  Zurückweichen  der  Aortenbogen  und  den  frühesten ,  ver- 
hältnifsmäfsig  hohen,  Stand  des  Luftröhrenendes  veranlafst  wird.  Auch  glaubte 
ich  zuweilen  den  herumschweifenden  Nerven  am  Hühnchen  am  fünften  Tage  als 
ein  höchst  zartes  Fädchen  gesehen  zu  haben,  jedoch  nie  mit  hinlänglicher  Bestimm  t- 
lieit.  Ob  jemals  die  Beobachtung  nachweisen  könne,  dafs  die  Nerven  in  das 
Rückenmark  hinein-  oder  aus  diesem  herauswachsen,  bezweifle  ich  durchaus. 
Zwar  scheint  das  Rückenmark  während  der  beiden  ersten  in  dieser  Darstellung 
angenommenen  Perioden  glatt ,  wenn  man  es  aus  seiner  Höhle  nimmt,  und  man 
sieht  keine  Einfügung  der  Nerven;  da  aber  in  den  Rückenmarksnerven  wahr- 
scheinlich, wie  im  Rückenmarke  selbst,  die  Scheide  erst  später  sich  entwickelt, 


110 

so  ist  es  natürlich,  dafs  ein  so  zartes  Fädchen  aus  ganz  weicher  Masse  bestehend 
und  dabei  wenig  gefärbt  und  dünner  als  ein  Haar  keine  Spur  zurückläfst.  Dafs 
die  Sinnesnerven  offenbar  aus  dem  Hirne  hervorwachsen ,  beweist  nicht ,  dafs  die 
andern  Nerven  auf  dieselbe  Weise  entstehen ,  denn  die  Sinnesorgane  werden  eben 
erst  durch  die  Hervorstülpungen  des  Hirnes  erzeugt.  Die  Bauchplalten  und  Rük- 
kenplatten  bilden  sich  aber  unabhängig  vom  Rückenmarke.  Dafs  die  Nerven  aus 
den  sich  bildenden  Muskeln  oder  andern  Theilen  in  den  Centrallheil  hineinwach- 
sen.  ist  mir  wenigstens  eben  so  unwahrscheinlich,  als  das  Entgegengesetzte ,  da 
eine  solche  Entwicklung  irgend  eines  Theils  von  einem  Ende  zum  andern  fort, 
so  da£s  das  Eine  Ende  neuen  Ansatz  bekommt,  mir  sonst  nirgends  vorgekommen 
ist.  Vielmehr  scheint  jeder  Theil  gleich  ganz  da  zu  seyn ,  und  nur  aus  sich  eine 
Entwickelung  zu  erfahren.  Hiernach  ist  es  wahrscheinlich,  dafs,  sobald  eine 
hinlängliche  Differenziruug  in  den  Bauchplatten  oder  andern  Theilen  da  ist,  um 
Nervenmasse  von  anderer  Masse ,  sey  es  auch  nur  auf  der  untersten  Stufe  der  Dif- 
ferenziruug, zu  scheiden,  der  Nerve  seiner  Ausdehnung  nach  immer  ganz  da  ist 
und  beide  Enden  hat,  das  centrale  wie  das  peripherische. 
g.  Muskeln  Bald  nachdem  sich  die  Knorpeln  gebildet  haben,    sieht  man  auch  Fase- 

rnd Verkno-  nxn(Ten  in  (jem  anliegenden  Bildungsgewebe,  —  die  werdenden  Muskeln  nämlich. 
Ihre  Sehnen  sind  ununterbrochene  Fortsetzungen  der  Knochenhaut.  In  der  Stufe 
der  Bildung,  die  wir  hier  darstellen ,  sind  schon  ziemlich  alle  Muskeln  der  Extre- 
mitäten keiinbar ,  besonders  aber  die  auf  dem  Hüftbeine  und  dem  Schulterblatte 
liegenden,  welche  man,  nach  Entfernung  der  Haut,  schon  mit  unbewaffnetem  Auge 
sehr  deutlich  unterscheiden  und  mit  dem  Messer  trennen  kann.  Mehr  eingesenkt 
in  das  allgemeine  Bddungsgewebe  und  weniger  von  ihm  geschieden  sind  die  Mus- 
kelbäuche am  Vorderarm  und  Unterschenkel.  In  der  hintern  Extremität  zeigt 
sich  auch  am  frühesten  Verknöcherung.  Der  erste  Verknöcherungspunkt  findet 
sich  im  Schienbein  am  Anfange  des  neunten  oder  am  Ende  des  achten  Ta- 
ges. Er  ist  am  Ende  des  neunten  Tages  schon  ansehnlich  und  hart.  Um  diese 
Zeit  tritt  Verknöcherung  im  Oberschenkel  und  in  den  ersten  Gliedern  der  Ze- 
hen ein. 
h.  Lage  der  In  der  Bauchhöhle  ist  durch  das  vollständige  Hineintreten  des  Herzens  die 

i^dfrijanch-  Lage  der  enthaltenen  Eingeweide  sehr  verändert.  Leber  und  Magen  sind  nämlich 
höhle.  Ma"  sehr  zurückgedrängt.  Da  sich  zugleich  die  Leber  sehr  vergröfsert,  steht  der  Bo- 
den des  Magens  nicht  weit  von  der  hintern  Wand  der  Bauchhöhle  ab.  Eben  da- 
durch hat  der  Bauch  so  bedeutend  an  Höhe  gewonnen,  indem  der  Darm,  der  sich 
merklich  vergröfsert  hat ,  nach  unten  geschoben  ist.  Der  Vormagen  ist  sehr  deut- 
lich und  selbstsländig  ausgebildet.     Das  blinde  Ende  des  Magens  ragt  weit  über 


aen. 


111 


den  Austritt  des  Darmes  vor.  Am'  Anfange., dieses  iZeftabschmUes  gehl,,  die 
Höhlung  des  Vormagens  noch  fast  ohne  Verschnürung  in  die  Höhlung  des' Muskel- 
magens  über,  und  letzterer  ist  mehr  der  Boden  des  Magens,  als  ein  selbstständi'ger 
Theil.  Es  ist  daher  mehr  Aehnlichkeit  mit  dem  Bau  des  Magens  derjenigen 
Vögel,  die  vom  Rauhe  lehen,  später  ist  die  Sondcrüng  aufserlioh  und  innerlich 
schärfer.  Der  Magen  geht  hiermit  in  die  Form  über,  die  er  iu  den  Vögeln, 
welche  von  Körnern  lehen ,  hat. 

Verfolgen  wir  den  Speisekanal  weiter  nach  vorn ,  so  finden  wir  die  Speise-     '•  KroPf- 
röhre  nicht  nur  weiter,    sondern  sie  erweitert  sich  besonders  am  untern  Thefle 
des  Halses  in  eine  blasige  Auftreibung,   deren  Couvexität  nach  rechts  sich  richtet. 
Es  ist  der  Kropf.     Er  scheint  schon  am  siebenten  Tage  angedeutet  und  ist  vom 
achten  an  unverkennbar. 

Der  Darm  hat  sich  bedeutend  vergröfsert,    aber  doch  lange  nicht  in  dem     *■    "arm. 
Maalse,   wie  der  Magen.     Aus  der  ersten  Schlinge  des  Darmes  wächst  jetzt  das  K'°ahe' 
Pankreas  bedeutend  iu  die  Länge  herror,   die  zweite  Schlinge  ragt  bis  aus  der 
Nabelöffnung  hinaus.     Die  vordere  Hälfte  des  Dünndarmes  hat  sich  zu  sehr  ver- 
längert ,    um  in  einem  einfachen  Bogen  in  diese  Schlinge  überzugehen ,  die  hintere 
Hälfte  des  Darmes  hat  sich  weniger  verlängert;  aber  der  weite  Darm  unterscheidet 
sich  durch  die  gröfsere  Weite  schon  auffallend  vom  engen  Darme.      Die  Blind- 
därme sind  i|  Linien  lang,   eben  so  lang  ist  der  weite  Darm.     Dieser  letztere  ist 
deutlich  durch  eine  Falte  gegen  die  Kloake   abgegrenzt.     Ich  weifs  nicht  anzu- 
geben ,    ob  die  Falte  nicht  schon  früher  sich  gebildet  hat.      Gegen  Ende  dieses 
Zeitraumes  zeigt  sich  die  erste  Spur  der  Bursa  Fabricii.     Wahrscheinlich  entsteht 
sie  auch  durch  Hervorstülpung.     Doch  habe  ich,  ihre  Ausbildung  nicht  vollständig 
verfolgen  können.     Die  Afterspalte  ist  von  einem  vorragenden  Wulste  umgeben. 

Die  Leber  erscheint  nicht  mehr  so  roth  als  früher,  sondern  mehr  braun-       '•    Leber 
gelb  ;   die  ßlutgefäfse  haben  sich  verengt  und  das  Parenchyma  ist  schon  vermehrt.  "^  "^ 
Injeclionen  färben  jedoch  die  Leber  noch  vollständig.     An  derselben  zeigt  sich 
die  Gallenblase.     Die  Milz  ist  vom  Magen  weiter  entfernt  uud  wird  von  einem 
Blatte  gehalten,  das  zum  Magen  geht.     Dieses  Blatt  ist  jetzt  schon  sehr  dünn  und 
hat  daher  vollständig  die  Beschaffenheit  des  Netzes. 

Das  Bauchfell  ist  jetzt  unverkennbar,  aber  dicker  als  im  spätem  Zustande.     "*■  Eauci'- 

A      '  *  '        '    i  i  feil 

und  ein  weniger  in  sich  zusammenhängendes  und  verdichtetes  Blatt.     Man  erkennt      : 
nämlich  schon  früher  einen  durchsichtigen  Ueberzug,    der  alle  Organe,   so  weit 
sie  an  die  Bauchhöhle  grenzen,  überzieht  und  Urnen  das  Ansehn  giebt,  als  ob  sie 
mit  einer  Leimauflösung  überstrichen  wären.      Dieser  Ueberzug  wird  in  fort- 
gehender Entwickelung  immer  mehr  blattförmig,   d.h.  consistenter  und  dünner. 


organe. 


112 

So  scheinen  alle  serösen  Häute  sich  zu  bilden ,    indem  die  an  eine  mit  thierischem 
Wasser  gefüllte  Höhle  grenzenden  Organe  einen  solchen  Ueberzug  erhalten. 
n.Athmungs-  Die  Athrnungsorgane  bilden  sich  in  dieser  Zeit  rasch  aus.     Der  vordere 

Theil  der  Lunge  -wird  dicker  und  drängt  sich  immer  näher  an  den  Rücken  an. 
Die  innern  Verzweigungen  in  ihm  nehmen  sehr  zu,  und  sind  schon  am  achten 
Tage  von  sehr  bestimmten  Wänden  gebildet,  während  sie  früher  wie  mildern 
Pinsel  nur  zart  in  die  Masse  hineingezeichnet  schienen.  Zuerst  theilt  sich  jeder 
Luftröhrenast  in  zwei  Hauptäste  und  diese  gabelförmig  immer  weiter.  Aus 
diesen  gröfsern  Gängen  wachsen  gegen  Ende  dieses  Zeitabschnittes  äufserst  zarte 
und  dünne  Cylinder  hervor,  die  parallel  neben  einander  stehen,  und  nicht  eigent- 
lich gabelförmig  aus  den  gröfsern  Aesten  kommen,  sondern  seitlich  in  Reihen 
aus  ihm  hervortreten.      Diese  dünnen  Cylinder   haben  alle   ein    blindes   knopf- 


förmiges  Ende,   das  gegen  den  Umfang  der  Lunge  gerichtet  ist.     Die  ganze  "V 


er- 


theilung  giebt  am  zehnten  Tage  unter  dem  Microscope  einen  prachtvollen  Anblick. 
Der  hintere  und  innere  Theil  behält  während  dieser  Tage  das  Ansehn  einer 
schmalen  Leiste.  Das  Microscop  zeigt  aber  im  Innern  schon  am  achten  Tage  die 
Höhlung  nicht  ungetheilt,  sondern  in  drei  bis  vier  sackförmigen  Erweiterungen 
hervorgestülpt ,  die  nach  vorn  in  einen  gemeinschaftlichen  Kanal  übergehen ,  nach 
hinten  aber  ihre  gröfsere  Wölbung  haben ,  ohne  jedoch  aus  dem  hintern  Rande 
des  Streifens  hervorzuragen.  Die  Erweiterungen  des  Kanals  sind  also  an  diesem 
Tage  durchaus  nur  innerlich.  Die  hinterste  dieser  Erweiterungen  scheint  dieselbe 
blasige  Höhle  zu  seyn,  die  wir  am  vierten  Tage  bemerkten  (§.  6.h. ;  §.  9./>.). 
Am  zehnten  Tage  ragen  diese  Blasen  schon  nach  hinten  aus  dem  Rande  hervor, 
besonders  die  hinterste ,  welche  fast  die  Gröfse  eines  Stecknadelknopfes  hat.  Die 
Wand  ist  aber  durch  die  Vergröfserung  dünner  und  durchsichtiger  geworden.  — 
Die  Luftröhre  verlängert  sich  in  diesen  Tagen  sehr  rasch.  Sie  ist  an  den 
Theilungsstellen  in  beide  Aeste  verdickt ,  als  Vorbildung  des  untern  Kehlkopfes, 
und  eben  so  an  ihrem  vordem  Eude  etwas  becherförmig  erweitert,  als  Vorbildung 
des  obern  Kehlkopfes.  Der  Uebergang  in  die  Rachenhöhle  ist  jedoch  -wieder  in 
eine  Spalte  verengt  und  bildet,  von  -wulstigen  Rändern  umgeben,  die  Stimmritze. 
Zwischen  beiden  Kehlköpfen  ist  die  Luftröhre  am  dünnsten,  und  da  die  erweiter- 
ten Stellen  anfaugs  sehr  ausgedehnt  sind  und  erst  ganz  allmählig  in  die  verengte 
Mitte  übergehen ,  so  hat  es  fast  das  Ansehn ,  als  ob  die  Luftröhre  sich  von  vorn 
und  hinten  gegen  die  Mitte  ausgebüdet  hätte.  Knorpelringe  fand  ich  noch  nicht, 
o.  Nieren.  Von  den  Nieren  ist  zu  bemerken >    dafs  Läppchen  in  ihr  sich  ausbilden; 

der  Rand  der  Nieren  wird  daher  mehr  gekerbt.     Die  Nieren  verkürzen  sich ;  des- 
halb werden  die  Harnleiter  in  ihrem  hintern  Theile  ganz  frei. 

Die 


113 


Die  Wolffischen  Körper  verkürzen  sich  immer  mehr.  Sie  werden  in  der  p-  Woiffi- 
Mitte  breiter,  spitzen  sich  dagegen  nach  den  Enden,  besonders  nach  dem  vordem  scheKörPer- 
zu.  Nach  den  Geschlechtern  entwickelt  sich  aber  ein  sehr  auffallender  Unter- 
schied. Im  männlichen  Geschlechte  wachsen  die  Theile ,  obgleich  sie  gegen  die 
benachbarten  Organe  in  der  Entwickelung  sehr  zurückbleiben ,  doch  mehr  als  im 
weiblichen ,  und  im  weiblichen  Geschlechte  bleibt  der  rechte  Körper  etwas  hinter 
dem  linken  zurück.  Die  Gefäfse  in  ihnen  vermehren  sich.  Der  ausführende 
Kanal  der  Geschlechtstheile  bekommt  im  Weibchen  ein  weit  breiteres  vorderes 
Ende,  als  im  Männchen.  Der  dünne  Faden  des  Wolffischen  Körpers  fangt  im 
männlichen  GescMechte  an  zu  schwinden  und  wird  gegen  Ende  des  zehnten 
Tages  unkenntlich. 

Die  zeugenden  Organe  beider  Geschlechter  ziehen  sich  zusammen,  aber  zu   ¥oden  und 
verschiedenen   Formen   nach  den   beiden   Geschlechtern.      Im   männbchen  Ge-  Eierstöcke 
schlechte  werden  sie  schotenförmig,   und  sind  nun  nicht  mehr  als  Hoden  zu  ver- 
kennen; im  weibbchen  Geschlechte  werden  sie  zu  dreieckigen  Platten. 

Im  Wesentlichen  bleibt  die  äufsere  Form  des  Herzens  von  jetzt  an  dieselbe.  ?•  Herz. 
Kleine  Veränderungen  gehen  aber  doch  fort.  So  wird  die  Spitze  des  Herzens 
immer  schärfer  und  überragt  mehr  die  rechte  Kammer  als  früher.  Die  Drehung 
des  Herzens  scheint  auch  noch  ganz  leise  fortzuschreiten.  Es  stellt  sich  allmählig 
wieder  in  die  Längenachse  des  Körpers,  nachdem  die  Spitze  eine  Zeit  lang  nach 
unten  gerichtet  war.  In  der  rechten  Herzkammer  sieht  man  die  muskulöse 
Klappe  sehr  deutlich,  so  wie  auch  die  übrigen  Kläppchen  des  Herzens  und  die 
isolirten  Muskeln  sich  unterscheiden  lassen.  Von  den  beiden  Vorkammern  ist  die 
linke  immer  noch  die  gröfsere.  Beide  sind  dicht  an  die  Kammer  eingerückt. 
Wir  haben  früher  bemerkt,  dafs  die  erste  Anlage  der  Vorkammern  zwar  in  Ge- 
doppelter Zahl  entspringt,  dafs  diese  Anfänge  aber  die  zukünftigen  Herzohren 
sind,  dafs  dagegen  der  Venensack  zwischen  beiden  eine  ungetheilte  Höhle  ist. 
Allein  in  dem  Zeiträume,  den  wir  jetzt  betrachten,  kann  man  unbezweifelt  von 
zwei  communicirenden  Venensäcken  sprechen,  denn  in  der  gemeinschaftlichen 
Höhlung  sind  sehr  deutlich  durch  eine  einspringende  Vorragung  zwei  Äbtheilun- 
gen kenntlich.  Diese  Vorragung,  die  zukünftige  Scheidewand,  bildet  einen 
Bogen,  der  am  breitesten  ist,  wo  die  Scheidewand  der  Kammern  auf  den  Venen- 
sack stöfst;  von  hk:r  läuft  er  an  der  untern  Wand  des  Venensackes  (das  Herz 
immer  in  seiner  horizontalen  Lage  gedacht)  nach  der  vordem  Wand  fort,  und 
scheint  sich  vor  der  Erreichung  der  Veneneinmündung,  die  in  der  obern  Wand 
ist,  zu  verlieren.  Man  kann  also  auch  noch  gar  nicht  sagen,  ob  die  Hohlvene 
in  den  bnken  oder  rechten  Venensack  geht,  denn  an  dieser  Fläche  schien  mir  noch 

P 


114 

keine  Abtheilung  zu  seyn.  Die  Hohlvene  hat  aber  hei  ihren  Eintritte  die  Rich- 
tung nach  links,  ein  Verhältnifs,  das  von  der  Metamorphose  des  Herzeus  un- 
mittelbare Folge  zu  seyn  scheint.  Während  der  zweiten  Periode  nämlich  mufste 
die  Hohlader  sehr  stark  nach  links  verlaufen,  um  den  venösen  Theil  des  Herzens 
zu  erreichen.  Im  demselben  bog  sich  die  Vene  in  einen  sehr  spitzen  Winkel  um 
gegen  den  zurücklaufenden  Ohrkanal.  Indem  mit  dem  Uebergange  in  die  dritte 
Periode  der  venöse  Theil  des  Herzens  sich  mehr  nach  der  Mitte  zieht,  wird  die 
linke  Biegung  des  Blutstromes  immer  stumpfer,  aber  doch  nur  ganz  allmähhg. 
Die  Krümmung  dieses  Bogens  war  zugleich  nach  vorn  gerichtet.  Dieselbe  Rich- 
tung hat  er  noch,  mit  geringerer  Biegung  nach  links,  und  der  Blutstrom  wendet 
daher  in  der  linken  Hälfte  des  gemeinschaftlichen  oder  noch  sehr  wenig  getheilten 
Venensackes  um.  Davon  scheint  die  immer  noch  bestehende  stärkere  Auftreibung 
der  linken  Wand  abzuhängen.  Der  Blutstrom  ging  in  der  zweiten  Periode  durch 
beide  Kanäle  des  von  einer  Scheidewand  allmählig  getheilten  Ohrkanals  in  die 
Kammer.  Das  thut  er  auch  jetzt  noch,  indem  er  in  die  venösen  Oeffnungen 
beider  Kammern,  welche  den  Ohrkanal  aufgenommen  haben,  hineinströmt. 
Die  Venensäcke  sind,  wie  anfänglich  die  Herzohren,  nur  seitliche  Erweiterungen 
dieses  Stromes. 

Ich  habe  nur  von  einer  Hohlvene  gesprochen.  In  der  zweiten  Periode  ist 
es  ganz  klar,  dafs  nur  ein  Venenstamm ,  der  vor  dem  Eintritte  in  das  Herz  zu 
beiden  Seiten  die  vordem  Hohlvenen  als  Aeste  aufnimmt,  in  das  Herz  tritt.  Jede 
vordere  Hohlvene  wird  zusammengesetzt  aus  der  Drosselvene ,  den  Armenvenen 
und  den  Intercostalvenen  ihrer  Seite.  Dies  Verhältnifs  ändert  sich  jetzt  nur  in 
so  fern  um,  als  das ' gemeinschaftliche  Stämmchen  der  Hohlvene  immer  kürzer 
erscheint.  Am  achten  und  neunten  Tage  ist  nur  noch  die  Mündung  gemeinschaft- 
lich. Später  treten  aber  auch  die  Mündungen  aus  einander.  Es  scheint  also 
immer  mehr  von  dem  Stamme  der  Vene  verlox'en  zu  gehen ,  und  es  entsteht  die 
Frage,  ob  das  Schwinden  dadurch  zu  erklären  ist,  dafs  die  Vene  mehr  in  das 
Herz  hinein  wachse,  oder  dafs  mehr  vom  Venenstamme  sich  in  die  Venensäcke 
umwandelt.  Das  Hineinwachsen  der  Vene  macht  uns  die  Entstehung  der  Klappen 
anschaulicher,  allein  die  Klappen  scheinen  nur  die  innere  Wand  der  Venen  zu 
enthalten.  Da  überdies  das  Auftreten  der  Klappen  grofsen  Abweichungen  unter- 
worfen ist ,  (denn  zuweilen  sah  ich  am  achten  Tage  zwei  kleine  Klappen  an  der 
Einmündung  der  Hohlvene,  in  den  meisten  Fällen  konnte  ich  sie  nicht  unter- 
scheiden,) so  dürfte  wohl  eine  Umwandlung,  welche  mehr  die  äufsere  als  die 
innere  Wand  ergreift,  das  vorherrschende  Verhältnifs  seyn,  da  es  überdies  auch 
das  durchgehende  in  der  ganzen  Entwickelung  des  Herzens  ist ;   denn  wir  erinnern 


115 

uns,   dafs  die  Herzohren  und  die  Venensäcke  von  Anfang  an  nur  Umwandlungen 
der  Hohlrene  sind. 

Die  Aortenzwiebel  halte  schon  am  siebenten  Tage  nicht  mehr  die  Gestalt  '  Endung 
einer  Zwiebel,  sondern  mehr  eines  breiten,  zuweilen  schon  gefurchten  Gefäfs-  aderstämni*. 
Stammes.  Jetzt  sieht  mau  sie  tief  gefurcht  und  durch  die  Furchen  scheinbar  in 
vier  Kanäle  getheilt.  Untersucht  man  die  Sache  genauer ,  so  findet  man ,  dafs  die 
drei  Kanäle  der  rechten  Seite  in  einen  kurzen  gemeinschaftlichen  Stamm  zu- 
sammenfliefsen ,  und  dafs  der  linke  Kanal  noch  einen  rechten  obern  verdeckten 
Ast  hat.  Es  sind  nämlich  die  beiden  Hauptströme,  die  man  schon  am  siebenten 
Tage  im  Innern  der  Aortenzwiebel  getrennt  findet,  jetzt  auch  äufserlich  gelrennt 
und  kürzer  geworden.  Ihre  ehemalige  vordere  Vereinigung  ist  vollständig  gelöst. 
Der  eine  dieser  Hauptstämme  kommt  aus  der  linken  Kammer,  liegt  bei  seinem 
Urspruuge  mehr  oben ,  und  wird  also  bei  der  Betrachtung  von  der  untern  Fläche 
von  dem  andern  verdeckt.  Er  theilt  sich  in  die  beiden  Trunci  anonymi,  welche 
die  Speiseröhre  zwischen  sich  lassen,  und  einen  dritten  Bogen,  der  auf  der  rechten 
Seite  hinter  dem  Truncus  anonymus  verläuft.  Der  zweite  Hauptkaual  kommt 
aus  der  rechten  Kammer,  liegt  bei  seinem  Urspruuge  mehr  uach  unten,  ist  aber 
gleich  nach  links  gerichtet.  Er  theilt  sich  in  zwei  Kanäle,  von  denen  der  eine 
mehr  unten  hegend  neben  dem  linken  Truncus  anonymus  nach  links  verläuft,  der 
andere  mehr  nach  oben  und  rechts  über  die  Gefäfebogen  weggeht,  welche  nach 
dieser  Seite  aus  dem  ertfteW  Hauptstamme  sich  wenden. 

Auffallend  ist  die  Kürze  der  gemeinschaftlichen  Stämme.  Die  Metamor- 
phose der  Gefiifsbogen  ist  jetzt  Jus  auf  einen  gewissen  Grad  gediehen  ,  welcher  die 
Umwandlung  der  ersten  Form  in  die  Gefäfsvertheilung  verstehen  läfst,  die  Avir 
im  erwachsenen  Vogel  kennen.  —  Wir  hatten  nämlich  ursprünglich  einen  ein- 
fachen Kanal ,  der  aus  der  Herzkammer  kam ,  und  sich  in  fünf  Paar  nicht  zu- 
gleich, sondern  nach  einander  entstehender  Bogen  theilte.  Alle  Bo^en  einer  Seite 
liefen  in  eiue  Aortenwurzel  zusammen,  und  beide  Aorlenwurzeln  bildeten  den 
Stamm  der  Aorta.  Von  den  fünf  Paar  Bogen  schwand  zuerst  der  erste,  und  dann 
der  zweite.  Am  fünften  Tage  sind  also  nur  drei  Paar  Bogen ,  und  die  Aorten- 
wurzel ,  so  weit  sie  den  beiden  ersten  Bogen  angehört ,  scheint  in  den  Stamm  der 
Kopfschlagader  umgewandelt  zu  seyn.  Unterdessen  hat  der  Ursprung  der  Aorta 
sich  verdickt,  und  ein  kolbiges  Ansehn  gewonnen.  Er  enthält  nämlich  zwei 
Ströme,  die  sich  um  so  mehr  scheiden,  je  vollständiger  die  Trennung  der  Kam- 
mern wird.  Beide  Ströme  laufen  aber  noch  eine  Zeitlang  nach  vorn  zusammen. 
Der  eine  Strom  kommt  aus  der.  linken  Kammer  und  richtet  sich  ge^en  den  ur- 
sprünglich dritten  Bogen  beider  Seiten  und  den  vierten  der  rechten  Seite.     Der 

P  2 


116 

andere  Strom  kommt  aus  der  rechten  Kammer  und  vertheilt  sich  in  den  vierten 
Bogen  der  linken  und  den  fünften  Bogen  der  rechten  Seite.  Der  fünfte  Bogen  der 
linken  Seite  schwindet.  Zugleich  ziehen  sich  die  Bogen  von  der  Rachenhöhle 
nach  hinten  zurück.  Endlich  sind  im  jetzigen  Zeitabschnitte  beide  Ströme  auch 
äufserlich  geschieden.  Die  Aorta  entspringt  noch  aus  zwei  Wurzeln,  welche 
verhältnifsmäfsig  kürzer  sind ,  als  früher.  Die  rechte  Wurzel  wird  vom  dritten, 
vierten  und  fünften  Bogen  ihrer  Seite  gespeist,  die  linke  schwächere  vom  dritten 
und  vierten  Bogen  ihrer  Seite.  Die  Aorta  bekommt  also  noch  das  Blut  aus  beiden 
Kammern,  und  zwar  erhält  jede  Wurzel  einen  Bogen  aus  der  rechten  Kammer, 
und  außerdem  uimmt  die  rechte  Wurzel  zwei  Bogen  aus  der  linken  Kammer,  die 
Unke  nur  einen  aus  derselben  auf.  Der  fünfte  Bogen  der  rechten  Seite  hat  seine 
Lage  etwas  verändert ,  da  er  über  dem  aus  der  buken  Kammer  kommenden  Ur- 
sprünge der  Aorta  weggeht.  Den  Grund  dieser  Umänderung  kann  man  in  der 
Richtung  des  Blutstromes  aus  der  rechten  Kammer  suchen. 

,  Die  fünf  jetzt  bestehenden  Bogen  bleiben  für  immer,  verändern  aber  ihre 
Bedeutung.  Die  beiden  dritten  Bogen  gehen  noch  mit  ziemlich  starkem  Strome 
in  die  Aorteuwurzel  ihrer  Seite  über.  Man  denke  sich  aber  diese  Uebergänge 
schwächer  werdend,  wie  später  erzählt  werden  soll ,  dagegen  den  Uebergang  in 
die  Kopfschlagader  und  Armschlagader  "stärker,  wodurch  diese  als  unmittelbare 
Verzweigungen  der  Bogen  sich  zeigen,  so  erscheinen  beide  Bogen  als  die  Trunci 
anonymi ,  wie  wir  sie  schon  benannt  haben.  Der  fünfte  Bogen  der  rechten  und 
der  vierte  Bögen  der  Unken  Seite  schicken  jetzt  schon  kleine  Zweige  in  die  Lunge. 
Der  Hauptstrom  dieser  Bogen  geht  dagegen  in  die  Aorta.  Man  denke  sich  die 
Verzweigung  in  die  Lunge  so  verstärkt,  dafs  sie  die  Fortsetzung  der  Bogen  bildet, 
den  Uebergang  in  die  Aorta  aber  schwächer  werdend ,  so  haben  wir  aus  beiden 
Bogen  die  Lungenarterien  und  aus  jeder  einen  communicirenden  oder  Botalli'schen 
Gang  in  die  Aorta.  Wenn  nach  der  Geburt  auch  diese  schwinden ,  so  hat  sich 
also  der  ganze  Ursprung  der  Aorta  aus  der  rechten  Kammer  in  die  Lungenschlag- 
adern umgewandelt.  Während  alle  übrigen  Uebergänge  in  die  Aorta  schwächer 
werden,  verstärkt  sich  der  vierte  Bogen  der  rechten  Seite  immer  mehr  und  bildet 
vor  dem  Auskriechen  des  Hühnchens  die  Hauptwurzel  der  absteigenden  Aorta, 
bald  nach  demselben  aber  die  einzige. 

Ich  habe  der  folgenden  Darstellung  vorgegriffen ,  um  von  nun  au  die  ver- 
schiedenen Bogen  nach  der  Bedeutung,  die  sie  allmählig  annehmen,  benennen 
zu  können.  Es  sollen  also  in  Zukunft  die  jetzt  bestehenden  ersten  Bogen 
(d.  h.  die  dritten  nach  der  ersten  Bildung)  die  ungenannten  Stämme  (Trunci 
annonymi),  oder,  da  diese  Bezeichnung  ungeschickt  ist ,  die  vordem  Schlagader- 


117 

stamme,  die  hintersten  Bogen  (oder  der  rechte  fünfte  und  linke  vierte  Bogen  der 
ersten  Bildung)  die  Lungenschlagadern,  und  endlich  der  vorletzte  Bogen  der 
rechten  Seite  die  absteigende  Aorta  oder  der  hintere  Schlagader  stamm  heifsen. 

Wie  die  beiden  Körper,  welche  man  bald  als  Schilddrüsen,  bald  ab> 
Thymusdrüsen  des  Vogels  angesehen  hat,  die  Ueberbleibsel  der  Kiemenbo«eu 
seyn  sollen,  wofür  Huschke  sie  hält  (Isis  Bd.  XX.  S.  403),  ist  nicht  recht  ein- 
zusehen. Die  Iviemeubogen  gehen  in  die  Wand  des  Halses  über,  und  die  Masse, 
die  sie  bildet,  weicht  nie  bis  dahin  zurück,  wo  jetzt  die  Gefäfsbogen  liegen. 
Auch  fand  ich  diese  Körper  nicht  an  den  vordem  Schlagaderstämmen ,  sondern 
auf  jeder  Seite  als  zwei  kleine  blutreiche  Körperchen  nahe  an  der  Ursprungsstelle 
der  Kopfschlagader,  aus  welcher  jedes  Körperchen  einen  kleinen  Ast  erhielt. 
Gerade  diese  Lage  könnte  aber,  da  der  hinterste  Theil  der  Kopfschlagader  ur- 
sprünglich zur  Wurzel  der  Aorta  gehört  hat ,  darauf  hinführen ,  dafs  diese  kleinen 
Körper  den  geschwundenen  ersten  Gefäfsbogen  (nicht  Kiemenbogen)  iliren  Ur- 
sprung verdankten.  Allein  ich  habe  von  der  Umbüdung  nichts  wahrgenommen. 
Beide  Körperchen  haben  eine  auffallende  Aehnlichkeit  mit  der  Milz  und ,  wenn  ich 
nicht  irre ,  mit  dem  ersten  Zustande  der  Wolffischen  Körper.  Sie  hängen  noch 
inniger  mit  den  Drosselvenen  zusammen,  als  mit  der  Kopfschlagader,  und  scheinen, 
unter  dem  Microscope  betrachtet ,  aus  verästelten  und  verwickelten  Gefäfsen  zu 
bestehen.  Wenn  ich  diese  Gefäfsdrüsen ,  wie  man  sie  nennen  könnte ,  am  Halse 
deutlich  sah ,  waren  auch  immer  die  Nervenknoten  im  Vagus  und  Sympathicus 
deutlich.  Unter  dem  Microscope  hatten  die  Nervenknoten  und  die  Gefäfsdrüsen 
grofse  Aehnlichkeit,  da  man  in  den  ersten  eben  so  die  Vertheüung  der  Nerven- 
fäden ,  die  in  der  Mitte  der  Körperchen  sich  zu  verwickeln  schienen ,  bemerkte. 
Nur  die  dunklere  Farbe  der  Gefäfsdrüsen  unterschied  sie  von  den  Nervenknoten. 
Das  erste  Auftreten  beider  Theile  habe  ich  noch  nicht  verfolgen  können. 

Im  Rückenmarke  sondern  sich  die  Anschwellungen ,  aus  denen  die  Nerven 
der  Extremitäten  entspringen.  Während  nämlich  früher  das  Rückenmark  (§.  9.  u.) 
im  ganzen  Rumpfe  verdickt  erschien,  verdünnt  sich  jetzt  verhältnifsmäfsig  die 
Mitte  desselben,  und  die  Anschwellungen  weichen  nach  vorn  und  hinten  aus  ein- 
ander. Uebrigens  hat  jede  Eintrittsstelle  eines  Nerven  eine  kleine  Anschwellung 
für  sich.  Die  Blätter  des  Rückenmarkes  klaffen  jetzt  deutlich  aus  einander ,  be- 
sonders im  Halse ;  die  untern  Stränge  des  Rückenmarkes  sind  an  der  Austrittsstelle 
der  Nerven  für  die  Extremität  viel  stärker,  als  die  oberen. 

Das  Hirn  verändert  seine  Gesammtform  während  dieser  drei  Tage  gar  sehr. 
Die  Vierhügel,    die   schon   am   siebenten  Tage  weniger  wuchsen,    bleiben 
Wachsthum  so  zurück,    dafs  sie  niederzusinken  scheinen,  und  zwar  um  so  mehr, 


s.    Rücken- 
mark. 


i.    Hirn. 
Gesammt- 
im form. 


118 

da  sie  wohl  in  die  Breite  zu  wachsen  fortfahren ,  aber  nicht  mehr  in  die  Höhe. 
Die  stärkste  Entwicklung  ist  jetzt  in  den  Hemisphären  des  grofsen  Hirns,  die 
sich  nach  allen  Seiten  wölben ,  vorzüglich  aber  gegen  die  Vierhügel  hin  sich  ver- 
längern. Dadurch  wird  die  Blase  der  dritten  Hirnhöhle ,  die  schon  am  sechsten 
und  siebenten  Tage  in  der  Entwickelung  sehr  zurückgeblieben  war,  fast  ganz 
überdeckt.  Man  sieht  also ,  wenn  man  das  Hirn  von  seiner  Decke  aus  betrachtet, 
fast  nur  die  Vierhügel  und  das  ansehnlichere  grofse  Hirn.  Zwischen  beiden  ist 
eine  tiefe,  noch  ziemlich  breite  Queerspalte,  auf  deren  Boden  man  die  Blase  der 
dritten  Hirnhöhle  findet,  mit  ihrer  geöffneten  und  hinaufgedrücklen  Decke. 
Hinter  den  Vierhügeln  ist  das  kleine  Hirn  mit  deutlichem  Mittelkörper.  Die 
wesentlichste  Veränderung  besteht  aber  wohl  darin ,  dafs  man  jetzt  iu  den  meisten 
Gebenden  sehr  deutlich  Faserungen  auftreten  sieht,  die  sich  zum  Theil  in  dicke 
Bündel  zusammenlegen. 
Einzelne  Doch,  gehen  wir  die  einzelnen  Abschnitte  durch.    Indem  das  grofse  Hirn 

Theile.  -wächst,  verändert  sich  seine  äufsere  Ansicht,  besonders  aber  die  Ansicht  der  in- 

nernTheile.  Der  Theil,  den  wir  dem  Gewölbe  des  Säugethierhirnes  gleichge- 
setzt haben,  ist  schon  am  achten  Tage  kaum  mehr  zu  kennen,  die  mittlere  Ein- 
setzung wird  tiefer ;  da  aber  zugleich  die  gestreiften  Körper  stark  wachsen  und 
besonders  nach  hinten,  so  werden  die  hintern  Schenkel  des  Gewölbes  stark  erho- 
ben und  aus  einander  gezogen.  Die  Mittellinie  des  Gewölbes  stellt  sich  daher  im- 
mer mehr  senkrecht  gegen  den  Boden  des  grofsen  Hirnes.  Die  mittlere,  aus  zwei 
sich  immer  näher  an  einander  legenden  Blättern  bestehende  und  bis  auf  die  Mittel- 
linie des  Gewölbes  reichende  Einsenkung  ist  also  jetzt  schon  unverkennbar  der 
Theü  des  Vogelhirnes,  den  man  die  strahlige  Scheidewand  nennt,  und  der  sich 
von  der  durchsichtigen  Scheidewand  der  Säugethiere  dadurch  unterscheidet,  dafs 
er  in  Ermangelung  eines  Balkens  bis  an  die  Decke  sich  fortsetzt.  Die  Seitenven- 
trikel werden  en<*er.     Nach  der  Basis  des  Hirnes  zu  findet  man  Kreuzungsfasern. 

Dadurch ,  dafs  sich  die  Mittellinie  des  ehemaligen  Gewölbes  oder  Her  un- 
tere Rand  der  werdenden  Scheidewand  mehr  senkrecht  stellt  und  die  hintern 
Schenkel  nach  oben  und  aus  einander  geschoben  werden ,  wird  auch  der  Ueber- 
gang  aus  der  Höhle  des  grofsen  Hirns  in  die  dritte  Hirnhöhle  erweitert,  und  da 
die  dritte  Hiruhöhle  in  der  Decke  geöffnet  ist,  so  hat  das  grofse  Hirn  hier  einen 
mittelbaren  Ausgang.  Diesen  mittelbaren  Ausgang  durch  die  Decke  der  dritten 
Hirnhöhle  hatte  das  grofse  Hirn  schon  am  siebenten  und  sechsten  Tage,  ja  noch 
früher.  —  Damals  aber  hatte  bestimmt  das  grofse  Hirn  keinen  andern  unmittel- 
baren Ausgang ,  so  dafs  die  Seitenventrikel  also  nur  mit  der  mittlem  durch  das 
ganze  Hirn  gehenden  Höhle  communicirten.     Ob  nun  der  Ausgang,  den  die  Ven- 


119 

trikel  des  grofsen  Hirnes  in  diesem  Zeitabschnitte  gewinnen,  Llos  dadurch  entsteht, 
dafs  die  hintern  Schenkel  des  Gewölbes  aus  einander  gezogen  werden,  oder  ob 
wirklich  ein  Theil  der  Hirnwand  aufreifst,  kann  ich  leider  nicht  mit  Bestimmt- 
heit entscheiden.  Am  achten  Tage  und  am  Anfange  des  neunten  sind  die  Ventri- 
kel noch  überall  geschlossen.  Am  loten  Tage  schien  mir  aber  in  der  That  der 
hintere  Uebergang  der  Scheidewand  in  der  Decke  jedes  Ventrikels  auch  bei  dem 
vorsichtigsten  Abtrennen  der  Hirnhaut  eine  Lücke  in  der  Contiuuität,  von  schar- 
fen Rändern  umgeben,  zu  offenbaren.  Es  ist  aber  äußerst  schwer  hierüber  mit 
Bestimmtheit  zu  entscheiden,  da  die  Scheidewand  um  diese  Zeit  nach  oben  über- 
aus dünn  ist  und  die  Analogie  des  Amphibienhirnes  dagegen  spricht. 

Indem  das  grofse  Hirn  und  die  Blase  der  dritten  Hirnhöhle  sich  näher  zu- 
sammenschieben,    vergröfsern    und   erheben   sich  die   Sehhügel  ansehnlich.  — 
Von  ihnen  sieht  man  einen  erhabenen,  breiten  Streifen,   der  nach  aufsen  um  den 
Hirnschenkel  herum  nach  unten  verläuft,  hervortreten,   eine  deutlich  gefaserte 
Structur  annehmen,   mit  dem  gleichnamigen  Streifen  der  andern  Seite  sich  ver- 
binden,  zum  Theil  kreuzen  und  in  die  Sehnerven  übergehen.     Der  Streifen  ist 
also  der  Sehnervenstreifen,  der  die  Sehnerven  mit  dem  Sehhügel  und  der  Vier- 
hügelhälfte jeder  Seite  in  Verbindung  setzt.      Früher  war  namentlich  der  letzte 
Theil  weit  von  den  Sehnerven  entfernt,  und  ein  Zusammenhang  nicht  anders  als 
durch  fremdartige  Theile  zu  erkennen.      Jetzt  aber  sind  die  Vierhügel  ziemlich 
dicht  an  die  Sehhügel  gerückt.     Der  Sehnervenstreifen  ist  aber  auch  nicht  etwas 
ganz  Neues,   das  sich  zwischen  zwei  Theile  hinein  lagert,    sondern  eine  Ausbil- 
dung der  äufsern  Wand  der  Hirnbasis,  und  schon  am  siebenten  Tage  glaubte  ich, 
durch  die  spätere  Form  aufmerksam  gemacht,  eine  überaus  schwache  Erhebung 
zu  erkennen.     Der  Boden  der  dritten  Hirnhöhle  führt  in  den  Trichter,   an  dem 
ich  nur  bemerkte ,   dafs  sein  knopfförmiger  Anhang  deutlicher  vom  Trichter  ge- 
schieden  und  von  einer  Grube  des  werdenden  Keilbeines   enger  umfalst  wird. 
Die  Sehnervengrube  füllt  sich  in  diesen  Tagen  auch  allmählig  aus  und  man  er- 
kennt keine  Eingänge  in  die  Sehnerven  mehr.      Ich  habe  schon  früher  bemerkt 
(§.  8.  f.),    dafs  beide  Eingänge  der  Sehnerven  sich  näherten  und  endlich  in  die 
Spitze  der  Grube  zusammenrückten  (§.  9.0.).      Jetzt  ist  gar  kein  Eingang  mehr 
und  die  Nerven  sind  gekreuzt.     Um  sich  deutlich  zu  machen,    wie  die  Sehnerven 
vorher  nicht  gekreuzt  sind ,   nachher  aber  gekreuzt ,   ohne  doch  jemals  ihren  Ur- 
sprung oder  ihr  Ende  zu  verändern,  erinnere  man  sich  an  das  Verhältuifs  der  Seh- 
nerven ,  wie  es  am  vierten  und  fünften  Tage  ist.     Jeder  Nerve  hat  seinen  beson-   ; 
dem  hohlen  Eingang   au   der  Seitenwand  einer  trichterförmigen  Grube.      Man 
denke  sich  nun,  dafs  jeder  Sehnerve  sich  verlängert,  indem  er  sich  immer  mehr 


120 

aus  dem  Himtheüe  herauszieht.  Stellen  wir  uns  das  Herausziehen  ganz  mecha- 
nisch vor,  "wie  aus  einem  zähen  Teige,  so  wird  immer  mehr  von  der  Wand  der 
uemeinschaftlichen  Sehnervengrube  in  die  Substanz  der  Sehnerven  umgewandelt. 
Eine  nothwendige  Folge  davon  ist ,  dafs  zuletzt  die  Spitze  der  Grube  beiden  Ner- 
ven gemeinschaftlich  wird ,  und  beide  hohlen  Eingänge  über  derselben  zusammen- 
rücken. Jene  Spitze  ist  jetzt  die  Kreuzungsstelle.  Wenn  nun  unterdessen  die 
Fasern  deutlich  geworden  sind,  so  kommen  sie  an  dieser  Stelle  von  beiden  Seiten 
zusammen.  Man  erinnere  sich,  dafs  am  vierten  und  fünften  Tage  keine  deut- 
lichen Fasern  sich  erkennen  lassen ,  dafs  es  vielmehr  das  Ansehn  hat ,  als  ob  der 
Sehuerve  von  der  gesammten  Wand  der  dritten  Hirnhöhle  käme.  Denkt  man  sich 
nun  den  Umfang  des  Ueberganges  (der  freilich  durch  nichts  bezeichnet  ist)  nicht 
allzu  klein ,  so  ist  nicht  nur  ein  Theil  der  rechten  Wand  der  dritten  Hirnhöhle, 
sondern  auch  ein  kleinerer  Theil  der  angrenzenden  linken  Wand  Ursprung  des 
Sehnerven  der  rechten  Seite,  und  es  kann  gar  nicht  auffallen,  dafs  später  bei 
deutlicher  Faserung  jeder  Sehnerve  von  beiden  Seiten  kommt.  Diese  Darstellung 
scheint  eben  zu  erweisen,  dafs  immerfort  die  Sinnesnerven  aus  dem  Hirne  heraus- 
wachsen ,  was  für  die  erste  Bddung  so  klar  vor  Augen  liegt. 

Die  Decke  der  dritten  Hirnhöhle  verändert  sich  durch  Faltung ,  indem  sich 
das  grofse  Hirn  und  die  Vierhügel  zusammenschieben.  Der  hintere  Theil  der 
Decke ,  der  keine  Oeffnung  hatte ,  faltet  sich  zwar  auch  etwas ,  erhebt  sich  aber 
nicht,  sondern  verdickt  sich  nur  durch  Faltung.  Er  hat  am  lOtenTage  schon 
deutlich  den  Character  der  hintern  Commissur.  Unter  ilim  liegt  ein  Kanal ,  den 
ich  die  vordere  Wasserleitung  nennen  will.  Es  ist  der  hintere  Theil  der  ursprüng- 
lich ein  Ganzes  bildenden  und  nachher  sich  in  einen  vordem  und  einen  hintern 
Abschnitt  scheidenden  Blase  der  dritten  Hirnhöhle  (§.  7.  u.).  Der  Theil  der  Decke 
aber ,  der  unmittelbar  von  den  Sehhügeln  ausgeht ,  und  der  zum  Theil  geöffnet 
ist ,  erhebt  sich  und  faltet  sich ,  und  zwar  nicht  eigentlich  durch  das  Zusammen- 
rücken des  grofsen  Hirnes  und  der  Vierhügel  (denn  nach  unten  stofsen  diese  noch 
nicht  an  einander),  sondern,  wie  es  scheint,  durch  ein  Zusammenknicken  derHirn- 
.schenkel  selbst  und  ein  Aneinanderrücken  der  einzelnen  Theile  an  der  Basis  des 
Hirnes. 

Am  meisten  verändern  die  Vierhügel  ihr  Aussehen.  Die  Faltungen,  die 
wir  vom  siebeuten  Tage  beschrieben ,  nehmen  am  achten  zu.  Gleichzeitig  wird 
die  mittlere  Einsenkung  breiter.  Oeffnet  man  um  diese  Zeit  eine  Hälfte  der  Vier- 
bügel, so  sieht  man  eine  seitliche  Höhle  sich  zwischen  die  einzelnen  Faltungen 
verzweigen.  Die  Faltungen  nehmen  den  vordem  Theü  der  Vierhügel  ein  und  las- 
sen einen  kleinem  hintern  Theil  glatt.     Das  ist  alles,  was  ich  von  der  Abtheilung 

der 


121 

der  Vierhügelmasse  in  ein  vorderes  und  ein  hinteres  Paar  Anschwellungen  gesehen 
hahe,  deren  S  e  r  r  e  s  erwähnt.  Am  neunten  Tage  fangen  die  Faltungen  an,  unter 
sich  zu  verwachsen,  und  am  loten  Tage  hat  man  fast  nur  eine  einfache  Höhle 
auf  jeder  Seite  mit  einer  dicken  Wand  Diese  Holde  commuuicirt  mit  der  g egen- 
iiher  liegenden  unter  der  mittlem  immer  breiter  werdenden  Einsenkung.  Die  Vier- 
hügel bestehen  also  aus  zwei  immer  mehr  nach  den  Seiten  rückenden  Blasen, 
durch  einen  breiten  mitten  durchgehenden  Kanal  verbunden.  Der  mittlere  Ka- 
nal, welcher  die  mittlere  Wasserleitung  heifsen  kann,  geht  vorn  in  die  vordere, 
hinten  in  die  hintere  Wasserleitung  über,  und  ist  jetzt  nur  noch  wenig  weiter, 
als  diese  beiden.  Seine  Decke  ist  nach  hinten  sehr  dünn.  Im  Innern  der  Vier- 
hügel knickt  sich  der  durchgehende  Hirnschenkel  nach  oben  ein,  und  damit 
hängt  die  Verkürzung  der  Vierhügel  wohl  zusammen.  Von  innen  angesehen  hat 
,  diese  Einknickung  einige  Aehnlichkeit  mit  einem  Hirnganglion ,  ist  aber  jetzt  noch 
lange  nicht  so  frei,  wie  die  innern  Ganglien  der  Vierhügel  in  niedern  Wirbel- 
thieren. 

Das  kleine  Hirn  wächst  rasch,  nachdem  sich  beide  Blätter  vereinigt  ha- 
ben. Von  der  Vereinigung  sieht  man  am  Ende  des  siebenten  Tages  statt  des  ein- 
fachen Blattes  ein  durch  Faltung  und  Einkerbung  gedoppeltes  Blatt,  selten  eine 
dreifache  Faltung.  Am  zehnten  Tage  ist  schon  ein  deutlicher  Wurm  da,  denn 
die  Mitte  der  Verwachsung  verdickt  sich.  Obgleich  man  nach  unten  keine  Brücke 
bemerkt,  so  sind  doch  die  Hirnschenkel  unter  dem  kleinen  Hirne  sehr  verdickt. 

Die  vierte  Hirnhöhle  erhält  ein  sehr  verändertes  Ansehn.  Die  Umbeu<*un- 
gen  der  Hirnschenkel  werden  nämlich  immer  schärfer,  so  dafs  die  vierte  Hirn- 
höhle sich  immer  mehr  unter  dem  kleinen  Hirne  versteckt.  Sie  geht  nach  hinten 
nicht  unmittelbar  in  die  Spalte  des  Rückenmarkes  über,  vielmehr  sind  dieRücken- 
marksplatten  hier  nicht  nur  verwachsen,  sondern  die  Verwachsung  bildet  so^ar 
eine  Vorragung,  die  dem  kleinen  Hirne  ähnlich,  jedoch  viel  kleiner  als  das  letz- 
tere ist. 

Alle  Fortsetzungen  der  harten  Hirnhaut,  Sichel,  Zelt  u.  s.  w.  sind  stark 
ausgebüdet.  Merkwürdig  aber  ist  es,  dafs  der  Schädel  fast  noch  ganz  die  Consi- 
stenz  einer  Haut  hat.  Nur  das  Keilbein,  das  Hinterhauptsbein  und  die  Gegend 
um  das  innere  Ohr  haben  eine  etwas  feslere  Consistenz.  In  der  Wirbelsäule  sind 
die  Wirbel  ringförmig,  indem  der  Körper  nur  sehr  wenig  dicker  ist,  als  der  Bo- 
gen; die  Rückensaite  läfst  sich  jedoch  am  Ende  dieser  Periode  nicht  mehr  so  leicht 
ausziehen ,  als  früher.     Noch  ist  der  ganze  Wirbel  knorpelig. 

Die  Gröi'se  der  Augen  könnte  man  fast  ungeheuer  nennen.     Beide  zusam-  H.  Ancen 
men  betragen  mehr  als  die  Hälfte  des  Kopfes.     Bis  zum  siebenten  Tage  waren,  die 


122 

Augen  völlig  unbedeckt.  Am  achten  Tage  sieht  man  rund  um  das  Auge  in  der 
Haut  einen  fast  kreisförmigen  Saum,  nur  nach  innen  ist  der  Kreis  etwas  verlän- 
gert. Hier  sieht  man  dagegen  innerhalb  des  Saumes  eine  dünne  Falte  sich  bil- 
den ,  letztere  ist  die  Kickhaut.  Der  kreisförmige  Saum  erhebt  sich  in  Form  einer 
Falte  gegen  die  Mitte,  jedoch  mehr  von  oben  und  von  unten,  als  von  beiden  Sei- 
ten. Dadurch  wird  allmählig  eine  Ellipse  gebildet,  welche  am  iOtenTage  noch 
so  weit  ist,  dafs  der  gröfste  Theil  des  Auges  unbedeckt  bleibt.  Die  harte  Augen- 
haut ist  sehr  dünn.  Die  Gefäfsliaut  hat  noch  einen  länglichen  Flecken  ohne 
Pigment ,  der ,  vom  Eintritte  des  Sehnerven  nach  dem  Rande  zu  immer  schmaler 
werdend,  in  ziemlicher  Entfernung  vom  Rande  aufhört.  Dann  sieht  man  aber 
weiter  nach  aufsen  an  der  innern  Fläche  des  Ciliarkörpers  wieder  einen  weifsen 
Strich.  Dieser  schien  jedoch  nicht  im  Ciliarkörper,  sondern  auf  seiner  innern 
Fläche  aufzuliegen,  und  in  einer  Falte  zu  bestehen,  aus  der  ich  zuweilen  eine  (in 
Weingeist  geronnene)  Masse  hervorzog,  die  an  die  Campanula  Halleri  im  Fisch- 
auge erinnert.  Ueberhaupt  bildet  die  Netzhaut  an  dem  pigmentloseu  Streifen  jetzt 
eine  deutliche  Falte  nach  innen,  die  in  dem  Glaskörper  sich  eindrückt.  Der  Ci- 
liarkörper wächst  und  ist  an  der  hintern  Fläche  von  einer  dünnen  Haut  bedeckt, 
die  sich  jetzt  scharf  von  der  Netzhaut  sondert,  und  die  ich  früher  schon  als  Strah- 
lenblättchen  bezeichnet  habe.  Sie  scheint  nämlich  an  der  Linsenkapsel  aufzuhö- 
ren, oder  mit  ihr  verwachsen  zu  seyn.  Sehr  deutlich  ist  es,  dafs  die  Netzhaut 
mit  aufgeworfenem ,  zuweilen  gekerbtem  Saume  sich  von  dem  Strahlenblättchen 
sondert.  Gegen  Ende  dieses  Zeitraumes  erscheint  die  Regenbogenhaut  als  ein 
schmaler  Ring  an  der  Oeffnung  der  Gefäfsliaut.  Sie  ist  noch  ungefärbt. 
v.  Nase.  Der  Nasengang  stellt  sich  allmählig  mehr  horizontal,    theils  indem   der 

Schnabel  mehr  hervortritt,  vorzüglich  aber  dadurch,  dafs  der  Überkiefer ,  nach- 
dem er  den  Stirnfortsatz  erreicht  hat,  nach  innen  sich  gegen  den  benachbarten 
ausdehnt,  und  von  der  Schnabelspitze  aus  nach  hinten  zu  immer  mehr  mit  ihm 
verwächst ,  wobei  sich  zugleich  die  Nasenscheidewand  bildet.  Dadurch  werden 
also  die  Gaumenbogen  geformt.  Vorn  stofsen  sie  an  einander,  nach  hinten  wer- 
den sie  durch  einen  Schlitz  getrennt.  In  diesen  Schlitz  laufen  die  Nasengänge  aus. 
Gegen  Ende  dieses  Zeitraumes  fangen  die  Gaumenbogen  schon  an  zu  verknorpeln. 
Die  Muscheln  wachsen  aus  der  Nasengrube  hervor  gegen  den  Nasengang. 
Ohr.  Der  äufsere  Gehörgang  ist  weit  und  tief.     Die  Eustachische  Röhre  ist  nicht 

ganz  so  weit ,  als  im  frühern  Zustande ,  aber  noch  nicht  vom  Keilbeine  umfafst. 
Spaltet  man  diese  Röhre  auf,  so  führt  sie  zum  innern  Ohr,  welches  mehrere  Theile 
zeigt,  die  ich  nicht  bestimmen  kann  ,  da  ich  ihrer Entwickelung  nicht  stufenweise 
gefolgt  bin.      Unter  andern  sieht  man  eine  weifsliche  Blase,   noch  von  weicher 


123 

Masse  umgeben ,  wahrscheinlich  den  Vorhof.     Die  Bogengänge  sind  am  Ende  die- 
ses Zeitraumes  vom  Schädel  aus  auch  zu  finden. 

Eilfter  bis  dreizehnter  Tag. 


Der  Luftraum  nimmt  immerfort  zu,  dasEiweifs  ab.  Der  Dottersack  wird  «.  Aiigemn 
schlaff  und  fällt  zusammen.  Er  ist  also  weniger  gefüllt.  Die  grofsen  Dotterkü-  "e  Eltheile- 
gelchen  scheinen  sich  sehr  vermindert  zu  haben.  Der  Gefäfshof  hat  sich  fast  über 
den  ganzen  Dotter  ausgedehnt.  Nur  ein  kleiner  Theil ,  von  etwa  vier  bis  fünf 
Linien  im  Durchmesser,  wird  blos  vom  Dotterhofe  umgeben.  Indem  der  Dotter- 
hof sich  so  verkleinert ,  scheint  er  wirklich  zu  schwinden ,  wenigstens  glaubte  ich 
um  diese  Zeit  auch  bei  vorsichtigem  Abtrennen  des  Eiweifses  oft  eine  Wahre  Lücke 
in  der  Umkleidung  des  Dotters  zu  sehen.  Wenn  auch  die  Grenzvene  nicht  mehr 
bemerkt  wird,  so  ist  doch  ihre  ehemalige  Stelle  sehr  kenntlich,  denn  die  Keim- 
haut ist  im  Dotterhofe  sehr  zart  und  dünn,  im  Gefäfshofe  ist  sie  dagegen  sehr  viel 
dicker,  besonders  in  ihrem  Schleimblalte.  Dieses  ragt  mit  tiefen,  gekräuselten 
Falten,  die  schon  am  Anfange  dieser  Periode  kenntlich  waren,  jetzt  aber  eine  Tiefe 
von  mehr  als  einer  Linie  erlangt  haben ,  in  die  Dottermasse  hinein.  Die  Falten 
sind  wieder  mit  kleinen  Runzeln  besetzt  und  offenbar  den  Darmfalten  analog,  die 
in  vielen  niedern  Wirbelthieren  die  Stelle  der  gesonderten  Darmzotten  vertreten. 
In  jeder  Falte  liegt  eine  gröfsere  Vene ,  und  in  den  kleinen  Runzeln  zartere  Ve- 
nenäste. 

Bei  stärkerer  Entwicklung  des  Harnsackes  schwindet  auch  die  seröse  b  Harnsack 
Hülle  des  Dotters.  Ich  habe  leider  versäumt ,  die  Zeit  anzumerken,  in  welcher 
diese  Hülle  nicht  mehr  gefunden  wird,  und  kann  jetzt,  wo  ich  keine  frischen 
Eier  zu  untersuchen  Gelegenheit  habe,  das  Versäumte  nicht  nachholen.  Doch 
"laube  ich ,  dafs  im  nächsten  Zeitabschnitte  diese  Hülle  nicht  mehr  da  ist.  Der 
Harnsack  umwächst  nun  allmählig  den  ganzen  Dotter  mit  dem  Amnion ,  so  dafs, 
da  er  im  Allgemeinen  nach  rechts  fortschreitet ,  er  sich  selbst  erreicht.  Wo  er 
sich  erreicht ,  verwachsen  die  Ränder  dieses  Sackes.  Ueberhaupt  wird  die  ur- 
sprüngliche Form  desselben  bald  ganz  unkenntlich.  Es  ist  schon  am  dreizehnten 
Tase  die  linke  Nabelarterie  entweder  allein  oder  doch  vorzüglich  entwickelt,  und 
die  rechte  kaum  bemerklich.  Die  Stämme  und  Hauptzweige  der  Arterie  so  wie 
der  Nabelvene  scheinen  oft  zwischen  der  äufsern  und  innern  Hälfte  des  Sackes 
zu  liegen,  indem  sie  die  innere  Hälfte  nach  der  Höhlung  hineinfalten.  Da  die  Stelle 
ihres  Hervortretens ,   der  Nabel  nämlich ,  und  auch  ihre  Enden  durch  Anheftung 

0    2        . 


124 

des  Harnsackes  an  die  Schaalenhaut  befestigt  sind ,  so  nehmen  die  gröfsern  Aeste, 
indem  sie  wachsen,  eine  sehr  verschiedene  Stellung  an,  wodurch  die  verbindende 
Haut  auf  verschiedene  Weise  gefaltet  erscheint ,  verwächst  und  unkenntlich  wird. 
Zuweilen  hat  es  ganz  das  Ansehn,  als  ob  dieses  gewöhnlich  sogenannte  Chorion 
nur  aus  einem  Blatte  bestünde ,  indem  die  innere  Hälfte  nicht  im  Zusammenhange 
dar°estellt  werden  kann.  Man  sieht  aber  aus  der  ganzen  Enlwickelungsweise, 
dafs,  wenn  der  Harnsack  sich  selbst  in  seinem  Wachsthume  erreicht  hat,  Amnion 
und  Dottersack  von  zwei  Lagen  desselben  umgeben  sind ,  einer  innern  und  äufsern, 
von  denen  jede  ursprünglich  aus  dem  Schleimblatte  und  dem  Gefäfsblatte  bestan- 
den hat.  Gewöhnlich  sind  beide  Hälften  auch  noch  vollständig  zu  entwickeln. 
In  der  Flüssigkeit  zwischen  beiden  Lagen  sieht  man  jetzt  zarte,  weifse,  flockige 
Streifen  und  Klümpchen  als  Niederschlag  aus  dem  Hirne.  Die  Stämme  der  Ve- 
nen und  Arterien  des  Harnsackes  unterscheiden  sich  durch  die  Farbe,  jene  ent- 
halten ein  helleres ,  diese  ein  dunkleres  Blut.  Die  Arterien  sieht  man  bei  jedem 
Pulsschlage  in  den  Stämmen  sich  strecken,  und  in  der  Nähe  der  befestigten  Stel- 
len sich  krümmen. 
c.  Amnion.  Das  Amnion  erhält  zarte  aber  deutliche  Gefäfse. 

d   Gestalt  Die  Bewegungen  des  Embryo  sind  selbstsländiger,  seine  Lage  wechselt  im 

und  Lage  des  j^uzeinen  sehr  un(j  scbeiut  von  Nebenumständen  der  Umgebung  abzuhängen. 
Doch  ist  er  dem  stumpfen  Ende  näher,  als  dem  spitzen.  Gewöhnlich  liegt  er  hier 
in  Form  eines  Ringes ,  der  die  Oueerperipherie  des  Eies  einnimmt.  Er  scheint  be- 
haart, und  diese  Haare  haben  die  Farbe  des  künftigen  Huhnes.  Untersucht  man  sie 
genauer,  so  findet  man,  dafs  sie  keine  wahren  Haare,  sondern  die  (am  13tenTage 
bis  auf  vier  Linien)  verlängerten,  schmalen  und  nicht  geöffneten  Federbälge  sind, 
welche  die  künftigen  Federn  mit  ihrer  Färbung  enthalten,  mit  äufserst  zarten, 
noch  nicht  in  gesonderte  Strahlen  aufgelösten  Fahnen.  Der  Rumpf  übertrifft  den 
Kopf  schon  merklich  an  Masse. 

Der  Schnabel  hat  keinen  Ausschnitt  mehr,    wird  stumpfer  und  erhält  sei- 
nen hornigen  Ueberzug.     Die  Zehen  bekommen  Nägel.     Die  Oberhaut  an  den  Fü- 
llen theilt  sich  in  Schilder  und  Schuppen,   ist  aber  noch  weich,   die  Hinterzehe 
stellt  sich  ganz  nach  hinten. 
e.  NabBi.  In   den  Nabel  hängt  jetzt  eine,   nicht  mehr  einfache ,   sondern  gewundene 

Schlinge  des  sich  stark  verlängernden  Darmes  tief  herab  und  bis  aus  dem  Nabel 
heraus,  so  dafs  in  derThat  einTheil  des  Darmes  aul'serhalb  des  Leibes;  liegt,  auch 
wenn  man  den  Nabel  zur  Bauchhöhle  rechnet,  da  die  Höhlung  des  Nabels  mit  ihr 
in  offener  Communication  steht.  Der  Stiel  des  Harnsackes  ist  dagegen  mit  dem 
Nabel  verwachsen.     Die  Bauchplatten  verlängern  sich  stark  gegen  den  Nabel,  er- 


125 

reichen  ihn  jedoch  noch  nicht  nnd  lassen  eine  elliptische  Lücke  zwischen  sich ,  die 
nur  von  der  ßauchhaut  bis  zum  Hautnabel  ausgefüllt  wird. 

Was  der  Hautnabel  für  die  Bauchhaut  ist,  das  ist  diese  Lücke  für  die 
Bauchplatten ,  die  jetzt  sich  in  Knorpel,  Muskeln  und  Nerven  getheilt  haben,  und 
die  animalischen  Theile  des  Leibes,  so  viel  davon  unter  der  Wirbelsäule  hegt, 
bilden.  Ich  möchte  die  Lücke  daher  den  Leibesnabel  nennen.  Sie  nimmt  lange 
nicht  mehr  die  ganze  Länge  des  Rumpfes  ein.  Daher  ist  vorn,  wo  die  Bauchplat- 
ten zusammengestofsen  sind,  Raum  für  die  Vergröfserung  des  Brustbeines ,  wel- 
ches am  loten  Tage  noch  sehr  kurz  ohne  Kamm  und  völlig  weich  war.  Das 
Brustbein  und  mit  ihm  der  ganze  Brustkasten  verlängern  sich  rasch  nach  hinten. 
Das  erslere  erhält  einen  zarten  Kamm. 

Das  Knörpelskelet  ist  äni  dreizehnten  Tage  ziemlich  vollständig  da.  Da-  /.  Skelet. 
her  sind  auch  überall  die  Muskeln  unverkennbar.  Die  Verkuöcherung  ist  erst  im 
Beginnen,  zeigt  sich  aber,  nachdem  im  vorigen  Zeitabschnitte  die  Verknöche- 
rung nur  in  der  hintern  Extremität  bemerkt  wurde,  mit  dem  Uten  Tage  auf  so 
vielen  Punkten,  und  schreitet  so  rasch  fort,  und  so  viel  ich  gesehen  habe,  nicht 
in  allen  Individuen  auf  völlig  gleiche  Weise ,  dafs  man  erst  nach  einer  Reihe  von 
blos  über  diesen  Gegenstand  angestellten  Untersuchungen  die  normale  Reihenfolge 
genau  wird  bestimmen  können.  In  einem  Embryo  vom  Anfange  des  zwölften 
Tages ,  den  ich  eben  vor  mir  habe ,  sind  Verknöcherungen  in  den  gröfsern  Röh- 
renknochen der  Extremitäten,  im  Schlüsselbeine  und  Schulterblatte,  auch  im 
Schaambeine  und  dem  Hüftbeine.  Die  Verknöcherung  der  vordem  Rippen  ist 
anderthalb  Linien  lang.  In  der  Wirbelsäule  haben  sich  die  Körper  verdickt,  die 
vordem  haben  untere  Dornfortsätze  erhalten,  so  dafs  die  Wirbel  ziemlich  die  Form 
haben ,  die  ihnen  im  altern  Vogel  zukommt. 

Es  ist  aber  die  ganze  Wirbelsäule  noch  knorpelig,  mit  Ausnahme  eines  sehr 
kleinen  verhärteten  Punktes  in  jedem  Wirbel.  Dieses  Pünktchen  liegt  im  Innern 
des  Wirbelkörpers  und  umfafst  die  Rücken saite  mit  zwei  kurzen  Schenkeln.  Vor- 
her schon  war  die  Rückensaite ,  die  jetzt  im  Verhältnifs?  zu  dem  dickem  Knorpel 
hell  erscheint ,  in  jedem  Wirbel  durch  das  Wachsen  seines  Körpers  verengt,  so 
dafs  die  Rückensaite  die  äufsere  Form  eines  Lj  mphgefäfses  hatte.  Die  Verenge- 
rung nimmt  mit  dem  Auftreten  der  Verknöcherungspunkte  rasch  zu.  Die  ersten 
Verknöcherungspunkte  erscheinen  in  den  Hals- und  Brustwirbeln,  während  die 
Backenwirbel  noch  keine  haben.  Vier  und  zwanzig  Stunden  später  als  der  eben 
beschriebene  Verknöcherungszustand ,  am  dreizehnten  Tage  also ,  sind  schon  an- 
sehnliche Verknöcherungspunkte  zu  beiden  Seiten  in  den  Wirbelbogen ,  dagegen 
wachsen  die  Verknöcherungen  in  den  Wirbelkörpern  äufserst  langsam.      Hierin 


126 

nia«  der  Grand  liegen,  dafs  man  diese  bisher  übersehen  hat,  besonders  da  sie  in 
den  dickern  Wirbelkörpern  der  Säugethiere  schwerlich  durchscheinend  seyn 
werden. 

Im  Kopfe  fand  ich  am  Ende  des  zwölften  Tages  Verknöcherungspunkte 
fast  in  allen  denen  Knochen,  die  vom  Schädel  mehr  entfernt  sind.  Der  Zwischen- 
kiefer ist  schon  hart,  der  Jochbogen  ist  fast  verknöchert,  obgleich  weich;  im 
Unterkiefer  sind  Knochen  von  2f  Linie  Länge,  kleinere  im  Oberkiefer,  in  den 
vordem  und  hintern  Gaumenknochen,  im  Quadratbeine,  sogar  in  den  Hörnern  des 
Zungenbeines,  ferner  ein  starker  Knochen  an  der  Grundfläche  der  Augenscheide- 
wand (wohl  der  Keilbeinschnabel).  Die  Schädeldecke  war  noch  überaus  dünn 
und  weich,  doch  waren  die  vordem  Fortsätze  der  Stirnbeine  verknöchert.  Auch 
ein  kleinerer  Theil  des  Schläfenbeines  war  verknöchert,  die  Bogengänge  selbst 
aber  noch  knorpelig.  Die  Basis  des  Schädels  oder  die  Fortsetzung  der  Wirbel- 
körperreihen bestand  aus  dicken  Knorpelmassen,  welche  kleine  Knochenkerne 
enthielten.  Einen  Tag  später  sind  fast  alle  Knochen  des  Kopfes  wenigstens  zum 
Theil  verknöchert,  und  die  Schädeldecke  ist  als  eine  grofse  Fontanelle  zu 
betrachten. 

g.  Bauch-  Der  Bauch  wächst  in  seinem  hintern  Theile  langsamer,   als  im  vordem, 

emgeweide.  ^  nun  jas  jjerz  eme  ansehnliche  Gröfse  hat ,  auch  die  Leber  rasch  wächst ,  ob- 
gleich nie  in  dem  Maafse ,  wie  in  Säugethieren ,  so  reicht  der  Magen  bis  in  die 
Gebend  des  Nabels.  Hierin  scheint  der  Grund  zu  liegen,  dafs  um  diese  Zeit  ein 
ansehnlicher  Theil  des  Darnies  im  Nabel  hegt ,  und  sogar  mit  mehreren  Windun- 
gen aus  ihm  heraushängt.  Die  hohle  Nabelschnur  verlängert  sich  dabei  fast  bis 
auf  einen  halben  Zoll, 


kanal 


h.  Speise-  Verfolgen  wir  den  Speisekanal  von  vorn  nach  hinten ,    so  finden  wir  die 

innere  Fläche  der  Speiseröhre  mit  ansehnlichen  Längsfalten  besetzt.  Der  Kopf 
ist  mehr  begrenzt ,  als  in  früherer  Zeit ,  und  ragt  stark  nach  rechts  vor.  Nach 
dieser  Seite  hat  die  ganze  Speiseröhre  eine  Krümmung,  so  dafs  sie  nicht  mehr 
über  der  Luftröhre  liegt.  Der  Vormagen  ist  ansehnlich  erweitert ,  äufserlich  und 
innerlich  gegen  den  Muskelmagen  begrenzt.  Er  ist  dickwandig ,  und  auf  seiner 
innern  Fläche  sind  die  Schleimdrüsen  sehr  deutlich.  Der  Muskelmagen  hat  eine 
sehr  dicke  Muskelwand  und  überhaupt  die  bleibende  Form.  Von  ihm  geht  rechts 
der  Zwölffingerdarm  ab  bis  zum  Nabel,  krümmt  sich  dann  scharf  um,  steigt 
rechterseits  bis  zur  Unterfläche  der  Leber,  in  dieser  scharfen  Umbeugung  das 
Pankreas  umfassend.     Von  der  Leber  wendet  sich  der  Krummdarm  wieder  nach 


127 

hinten,  geht  von  der  rechten  Seite  in  den  Nabel,  macht  ausserhalb  desselben 
einige  Windungen ,  die  von  dem  verlängerten  Gekröse  gehalten  werden,  nimmt 
in  einer  Windung  den  Dottergang  auf,  steigt  an  der  Nabelwand  wieder  zurück 
und  geht  auf  der  linken  Seite  in  den  weiten  Darm  über,  der  sich  längs  des  Kreuz- 
beines in  einfacher  Krümmung  zur  Kloake  begiebt.  Dafs  mau  den  im  Nabel 
liegenden  Theil  des  Dünndarmes  in  der  That  als  herausgetrieben  durch  die  Enge 
des  Bauches  betrachten  darf  und  nicht  blos  als  neu  gebildete  Verlängerung  des 
Darmes,  schlielse  ich  daraus,  dafs  die  Blinddärme,  die  am  dreizehnten  Tage  die 
Länge  von  vier  Linien  haben,  jetzt  fast  ganz  im  Nabel  liegen.  Der  Dickdarm  ist 
am  wenigsten  gewachsen,  hat  aber  an  Weite  bedeutend  zugenommen.  Ander 
Leber  ist  die  Gallenblase  grün  gefärbt,  und  etwas  Galle  findet  sich  im  Zwölffinger- 
darme und  im  Magen.  —  Im  Allgemeinen  hat  also  der  Verdauungsapparat  schon 
seine  bleibende  Form,  wenn  wir  davon  absehen,  dafs  ein  Theil  des  Dünndarmes 
hervorgetriebeu  ist. 

Die  Kloake  ist  vom  Darme  deutlich  geschieden.  In  die  Kloake  geht  mit  '■  Kloake. 
weiter  Mündung ,  aber  mit  Veränderung  der  Structur,  die  Bursa  Fabricii  über. 
Diese  ist  nämlich  an  ihrer  innern  Wand  gefaltet.  Beim  Uebergange  in  die  Kloake 
hören  die  Falten  auf.  Hier  münden  die  Ausführungsgänge  des  Geschlechts- 
apparates und  die  der  Nieren  ein.  Aufserdem  geht  der  Stiel  des  Harnsackes  in 
die  Kloake.  Dieser  Stiel  ist  in  der  Nähe  der  Kloake  erweitert,  obgleich  der 
Üebergang  selbst  eng  ist.  Die  Erweiterung  spitzt  sich  gegen  den  Nabel  wieder 
zu.     Das  ist  es,  was  von  einigen  Beobachtern  die  Harnblase  genannt  ist. 

Die  Nierenläppchen   theilen  sich   sehr,    wodurch  der   äufsere  Rand  der     *•  Nieren. 
Nieren  noch  gekräuselter  aussieht,  als  früher.     Der  Harnleiter  ist  deutlich  bis  in 
die  Kloake  zu  verfolgen.     Um  den  zwölften  Tag  entstehen  nach    Rathke   die 
Nebennieren  am  vordem  Ende  der  wahren  Nieren. 

Die  Wohfischen  Körper  verkürzen  sich  immer  mehr,  sind  aber  noch  sehr     }•  ,)Yolffl" 

-,....  .      .  sehe  Korper. 

blutreich.  Die  Verkürzung  ist  im  weiblichen  Geschlechte,  besonders  auf  der 
rechten  Seite,  fortwährend  stärker,  als  im  männlichen.  Die  innern  Gänge  win- 
den sich  mehr  und  rücken  auf  der  einen  Seite  gegen  den  Hoden  *) ,  der  sich  auch 
verkürzt,  und  auf  der  andern  Seite  in  den  Ausführungsgang  übergehend  näher 
zusammen.  Der  letztere  verliert  sein  vorderes  Ende  im  männlichen  Geschlecht, 
im  weiblichen  ist  er  rechts  viel  mehr  verkürzt,  als  links. 


*)  Wird  wohl  nicht  richtig  seyn. 


128 

m.  Lungen.  Die  Lungen  hatten   sich  schon  an  die  Rippen  angelegt.      Von  jetzt  an 

machen  die  Rippen  tiefe  Eindrücke,  als  ob  die  Lungen  immer  mehr  nach  oben 
drängten,  und  die  Lungen  verwachsen  mit  dem  Brustkasten,  indem  der  von 
beiden  Seiten  ausgeschiedene  Peritonealüberzug  sie  zusammenleimt.  Beim  Ueber- 
pange  aus  dem  vorigen  Zeitabschnitte  in  diesen  haben  die  Lungen  oft  ein  pinsel- 
arti^es  oder  sammtartiges  Ansehn ,  indem  die  dünnen  letzten  Röhrchen  aus  der 
ursprünglich  allgemeinen  Fläche  hervorragen,  sie  werden  aber  bald  wieder  zu- 
sammengekittet, und  am  dreizehnten  Tage  haben  sie  ganz  die  bleibende  Form. 
Die  hintere  mit  Bläschen  gefüllte  Leiste  beginnt  dagegen  erst  jetzt  ihre  Ent- 
wickelung.  Nach  Rathke's  handschriftlichen  Mittheilungen  sind  am  Anfange 
dieses  Zeitraumes  vier  Bläschen  auf  jeder  Seite  *).  Die  Bläschen  drängen  sich 
aus  der  Fläche  hervor,  und  zwar  die  hintersten  bei  weitem  rascher,  als  die  vor- 
dere. Jene  reicht  am  dreizehnten  Tage  frei  in  die  Bauchhöhle  hinein  bis 
zum  Nabel. 

Die  Luftröhre  wird  in  ihrer  Dicke  gleichmäfsiger ,  doch  bleibt  das  vor- 
der ste  Ende  noch  weiter,  als  das  hintere.  Die  Luftröhre  sondert  sich  in  mehrere 
Schichten ,  die  am  dreizehnten  Tage  sich  leicht  von  einander  trennen  lassen.  Die 
innerste  Schicht  ist  die  dünne ,  doch  feste  Schleimhaut  (welche  sich  von  der  sie 
zunächst  umgebenden  Schicht  so  vollständig  löst,  dafs  man  sie  aus  derselben,  wie 
aus  einer  Scheide  hervorziehen  kann.  Rathke).  Sie  wird  umgeben  von  einer 
zweiten ,  viel  festern  und  dickern  Schicht ,  welche  sich  in  lauter  hinter  einander 
liegende  Ringe  mit  ihren  kurzen  Zwischenmassen  scheidet.  Es  sind  die  Luft- 
röhrenringe mit  den  fibrösen  Zwischenräumen.  Enger  hegt  an  dieser  mittlem 
eine  dritte  äufsere  Schicht ,  welche  gefasert  und  nach  beiden  Seiten  verdickt  ist. 
Sie  besteht  aus  einem  muskulösen  Ueberzuge ,  der  zu  beiden  Seiten  die  Musculi 
»terno-tracheales  bildet.  Die  Erweiterung  des  obern  Kehlkopfes  nimmt  zu,  so 
dafs  er  in  zwei  flache  Seitentaschen  ausgedehnt  scheint.  Zuletzt  lassen  sich  alle 
Theile  des  Kehlkopfes  unterscheiden,  sogar  die  kleine  erhabene,  vom  Schildknor- 
pel noch  immer  vorspringende  Leiste  erscheint  als  ein  zartes  Strichelchen  am  Ende 
dieses  oder  dem  Anfange  des  nächsten  Zeitraumes.  In  diesem  Zustande  zeigen  die 
Kehlkopfknorpel  deutlich  ihre  Uebereinstimmung  mit  den  Luftröhrenringen 
oder  Theilen  derselben,  von  deren  Form  sie  weniger  abweichen,  als  später. 

„.  Hen.  Die  rechte  Vorkammer  des  Herzens  bekommt  die  Gröfse  der  linken.  Die 
hintere  Hohlvene  tritt  in  die  rechte  Vorkammer  nach  der  Scheidewand ,  die  sich 
jetzt 

*)   Ich  habe  nämlich  nur  drei  gesehen. 


129 

jetzt  bis  hierher  verlängert  hat.  Der  Blutstrom  ist  gegen  die  linke  Kammer  ge- 
richtet. Die  hintere  Hohlvene  nimmt  kurz  vor  dem  Eintritt  in  das  Heiz  die  rechte 
vordere  Hohlvene  auf.  Die  linke  vordere  Hohlvene  hat  aber  eine  selbsts ländige 
Mündung,  indem  auf  die  oben  (§.  10.  q.)  angedeutete  Weise  die  gemeinschaft- 
liche Mündung  liefer  in  die  Vorkammer  hineingezogen  ist.  Es  hat  fast  das  An- 
sehn, als  ob  diese  Mündung  jetzt  das  eirunde  Loch,  oder  die  Lücke  in  der 
Scheidewand  einnähme.  Die  Mündung  der  hintern  Hohlvene  steht  nahe  an  der 
Einmündung  der  linken  vordem  Hohlvene.  Beide  sind  durch  eine  kleine  Klappe 
getrennt ,  welche  das  Blut  aus  der  letzten  Vene  nur  in  die  rechte  Vorkammer  ge- 
langen läfst,  das  der  hintern  Hohl vene  vorzüglich  in  die  linke  Vorkammer,  ob- 
gleich, da  die  Vene  nicht  geschlossen  ist,  doch  auch  die  rechte  Vorkammer 
angefüllt  werden  mufs. 

Was  die  ehemaligen  Gefäfsbogrn  anlangt,  so  ist  die  Umänderung  lebhaft.  ••„ Arürien- 
Die  vordem  Schlagaderstämme  lösen  sich  allmählig  mehr  von  den  hintern  Bogen. 
Sie  gehen  am  dreizehnten  Tage  ganz  unmittelbar  in  die  Kopfschlagader  und  Ann- 
schlagader über,  und  erscheinen  als  Stämme  derselben.  Ihre  Uebereänee  in 
die  beiden  Aortenwurzeln  werden  dagegen  dünner  und  gehen  in  immer  schärfer 
werdenden  Winkeln  ab,  haben  also  mehr  die  Form  von  communicirenden  Aesten. 
Die  Lungenschlagadern  gehen  in  gleichmäfsig  fortlaufenden  Bogen  über  in  die 
Wurzeln  der  Aorta ,  jedoch  auf  verschiedene  Weise  nach  den  beiden  Seiten.  Auf 
der  linken  Seite  ist  die  Lungenschlagader,  da  der  communicirende  Ast  aus  dem 
vordem  Schlagaderstanmie  schwach  ist ,  die  Wurzel  der  Aorta  seihst  und  bei 
weitem  stärker  als  die  rechte  Lungenschlagader.  Auf  der  rechten  Seite  erweitert 
sich  nämlich  der  hintere  Schlagaderstamm  auf  Kosten  der  Lungenschlagader 
dieser  Seite,  so  dafs  jener  vorzüglich  die  rechte  Wurzel  der  Aorta  bildet  und 
die  Lungenschlagader  nur  als  Ast  aufnimmt,  —  Veränderungen,  welche  anzu- 
deuten scheinen ,  dafs  immer  noch  die  linke  Kammer  ihr  Blut  mehr  nach  rechts, 
die  rechte  Kammer  mehr  nach  links  treibt.  Jede  Lungenschlagader  giebt  über- 
dies einen  zarten  Zweig  in  die  benachbarte  Lunge.  Der  vordere  Theil  des 
Körpers  wird  also  nun  aus  der  linken  Kammer  mit  Arterienblut  versorgt,  der 
hintere  aus  der  Unken  und  rechten  zugleich. 

Das  Hirn  von  oben  angesehen  sieht  fast  aus,    wie  das  Kreuz  (trefle)  in     p.  Hirn. 
den  Kartenblättern.     Die  Vierhügelmasse  ist  in  zwei  Anschwellungen  weit  nach 
der  Seite   gerückt.      Die  Mitte  der  Decke   ist  ganz  niedergesunken   und   bildet 
eine    sehr    breite    Verbindung    zwischen    beiden    Vierhügel  -  Anschwellungen. 

R 


130 

Vordere,  hintere  und  mittlere  Wasserleitung  machen  nun  einen  ununter- 
brochenen Kanal  aus.  Den  hintern  Arm  des  Kreuzes  Lüdet  das  kleine  Hirn, 
das  sich  zwischen  die  Leiden  Vierhügelblasen  einkeilt,  und  die  Höhe  derselLen 
erreicht  hat ,  aufserdem  die  an  das  kleine  Hirn  anstofsende  Verwachsung  Leider 
RückenmnrksLlätter.  Den  vordem  Arm  des  Kreuzes  endlich  nimmt  das  grofse 
Hirn  ein ,  welches  sich  nach  vorn  zuspitzt.  In  der  Mitte ,  wo  diese  vier  Arme 
zusammenstolsen,  ist  eine  Verliefung,  aus  welcher  ein  Hügel  vorragt,  aher  nicht 
ganz  Lis  zur  Höhe  der  andern  Theile.  Der  Hügel  Lesteht  offenhar  aus  Hirn- 
masse, und  kann  nichts  anders  seyn,  als  die  im  vorigen  Zeiträume  in  Falten 
nach  ohen  geschoLene  Decke  der  dritten  Hirnhöhle.  Der  Hügel  ist  nämlich  an 
der  untern  Fläche  hohl,  wie  ein  umgestürzter  Kessel,  und  läuft  vorn  mit  zwei 
durch  eine  Spalte  (che  ursprüngliche  Spalte  in  der  Decke  der  dritten  Hirnhöhle) 
getrennte  dünne  Schenkel  in  die  Sehhügel  üLer.  Nach  hinten  aber  scheint  er 
durch  ein  weifses  Blatt  in  die  hintere  Commissur  überzugehen.  Es  ist  ein- 
leuchtend, dafs  dieser  Hirntheil,  der  am  dreizehnten  Tage  nicht  eine  Linie  von 
den  Sehhügeln  absteht,  die  Zirbel  ist.  Es  wäre  hiernach  die  Zirbel  die  auf- 
gehobene (§.  10.  t.)  und  später  verkümmerte  Decke  der  dritten  Hirnköhle,  so 
wie  der  Hirnanhang  die  abgestorbene  Spitze  des  Trichters  oder  des  ursprünglichen 
Endes  der  dritten  Hirnhöhle  ist. 

Die  früher  erwähnte  Verwachsung  der  Blätter  des  Rückenmarkes  bei 
ihrem  Uebergange  in  das  Hirn  erhebt  sich  nun  und  legt  sich  an  das  kleine  Hirn 
an,  wodurch  die  vierte  Hirnhöhle  ganz  verdeckt  wird.  Das  kleine  Hirn  ist 
beträchtlich  vergröfsert  und  hat  Oueereinschnitte  in  seinem  Mitteltheile  be- 
kommen, wodurch  es  in  Blätter  getheilt  wird.  Die  beiden  aus  einander  ge- 
wichenen Vierhügelmassen  enthalten  aber  noch  eine  kleine  Höhle,  die  mit  der 
Wasserleitung  communicirt.  In  jeder  Höhle  ist  jetzt  ein  länglich  rundes  deut- 
liches Ganglion.  Die  Wände  sind  durch  die  Verwachsungen  dick  geworden. 
Die  Sehhügel  sind  sehr  ansehnlich  und  im  Verhältnifs  zu  den  andern  Hirntlieileu 
gröfser  als  im  erwachsenen  Vogel.  Die  vordere  Hirncommissur  bildet  sich  auch 
vollkommen  aus. 

q.  Auge.  In  den  Augen   sehen  wir  jetzt  die  Augenliederspalte   sehr  verengt,    die 

kreisförmige  Falte  nämlich  in  ein  oheres  und  unteres  deutliches  Augenlied  umge- 
wandelt, welche  nicht  mehr  durchsichtig  sind.  Im  Auge  seihst  ist  die  Linse 
nicht  mehr  so  convex  als  früher.  Dadurch  schon  wird  die  Bddung  einer  vor- 
dem Augenkammer  veraidafst.      Die  RegenLogenhaut  fängt  an   sich  zu  färhen, 


131 

und  zwar  vom  innern  Rande  aus.  Die  Netzhaut  wird  alhnählig  dünner. 
Die  Falte  der  Netzhaut  ragt  stark  in  den  Glaskörper  hinein,  und  wird  von 
der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven  aus  von  dem  neu  sich  bildenden  Fächer 
durchwachsen,  der  gefaltet  tief  in  den  Glaskörper  sich  einbohrt.  Ich  habe 
noch  nicht  eine  unmittelbare  Continuität  des  Fächers  mit  der  Gefäfshaut  ein- 
decken können. 

Im  Olire  ist  das  Trommelfell  deutlich.     Es  liegt  sehr  schief.     Die  Ohr-     r.  Ohr. 
trompete   liegt  in  einer  Furche  des  Keilbeines,    noch  immer  nicht  von  seiner 
Masse  umschlossen. 

§.   9. 
Vierzehnter    bis    sechzehnter   Tag. 

Der  Dottersack  fällt  immer  mehr  zusammen  und  wird  von  den  Stämmen  «.  Chorion. 
der  Nabelgefäfse  unregelmäfsig  eingeschnürt.  Der  Harnsack  umschnürt  das  ganze 
Ei,  und  heftet  sich,  da  die  seröse  Hülle  fehlt,  unmittelbar  an  die  Schaalenhaut, 
jedoch  so,  dals  sich  beide  immer  durch  Abziehen  leicht  trennen  lassen.  Am 
spitzen  Ende  des  Eies  scheinen  die  Ränder  des  Harnsackes,  wenn  das  Eiweifs 
sehr  fest  an  der  Schaalenhaut  sitzt,  dieses  zu  durchschneiden,  denn  man  findet 
zuweilen  ein  wenig  Eiweifs  am  spitzen  Ende  des  Eies  aufserhalb  des  Harnsackes, 
das  übrige  innerhalb  desselben.  Die  ursprüngliche  Bildung  des  Harnsackes 
ist  durch  die  Verwachsung  mit  sich  selbst  ganz  unkenntlich  geworden.  Er 
scheint  eine  continuirliche  Hülle  zu  sejn,  und  mag  von  jetzt  an  den  Namen 
Chorion  führen. 

Die  Stellung  des  Embryo  ist  noch  weniger  bestimmt,  als  in  der  nächst  b.  Form 
vorhergehenden  Zeit.  Indessen  fand  ich  den  Kopf  immer  nach  der  Brust  ""dLagedes 
gekehrt,  wenn  auch  noch  nicht  immer  unter  dem  rechten  Flügel.  Der  en<*e 
Raum  im  Eie  erlaubt  dem  Embryo  nicht  mehr,  in  der  Queerachse  des  Eies  zu 
bleiben,  sondern  bei  fortgehendem  Wachsthume  wird  er  jetzt  immer  ent- 
schiedener mit  seiner  längsten  Dimension  in  die  Längenachse  des  Eies  geschoben. 
Davon  mögen  die  endlosen  Verschiedenheiten  in  der  Gestalt  des  Dottersackes 
und  in  der  Stellung  der  Nabelgefäfse  abhängen,  wodurch  eben  die  ursprüngbehe 
Form  des  Chorions  noch  unkenntlicher  wird.  Ein  um  diese  Zeit  aus  dem  Eie 
genommenes  Küchelchen  schnappt  nach  Luft. 

R  2 


133 

Zuerst  rücken  immer  mehr  Darmwindungen  aus  dem  Hautnabel  hervor, 
der  sich  dabei  erweitert;  dann  fangen  sie  an ,  sich  wieder  etwas  zurückzuziehen. 
Der  Leibesnabel  rückt  dem  Hantnabel  sehr  nahe.  Die  Federbälge  mit  den  ent- 
haltenen Federn  verlängern  sich  und  erreichen  am  sechzehnten  Tage  eine  Länge 
von  8  Linien,  ohne  sich  zu  öffnen,  so  dafs,  mit  unbewaffnetem  Auge  be- 
trachtet, das  Hühnchen  durchaus  behaart  erscheint.  Die  Hornplatten  auf 
den  Füfsen  und  dem  Schnabel  nehmen  an  Festigkeit  und  Farbe  zu.  Die  Nägel 
werden  spitzer. 

c.  Her«.  Im  Herzen  rücken  die  Einmündungen  der  linken  vordem  Holdvene  und 

der  hintern  Hohlvene  bedeutend  aus  einander.  Die  Klappe  zwischen  ihnen  wird 
undeutlich,  oder  geht  in  die  Eustachische  Klappe  über;  ein  muskulöser  Wulst 
scheidet  aber  den  Blutstrom  aus  der  linken  vordem  Hohlvene  vom  eirunden 
Loche.  Aeufserlich  angesehen  scheinen  die  rechte  vordere  Hohlvene  und  die 
hintere  Hohlvene  eine  gemeinschaftliche  Mündung  zu  haben.  Im  Innern  aber 
ist  schon  eine  Scheidung  angedeutet.  Die  Einmündung  der  hintern  Hohlvene 
ist  nämlich  mit  zwei  Klappen  besetzt,  deren  Bedeutung  und  Stellung  jetzt  deut- 
licher ist.  Die  eine  zieht  sich  von  der  Mündung  der  hintern  Hohlvene  nach 
der  Lücke  der  Scheidewand  und  durch  dieselbe  hindurch.  Sie  ist  also  die 
Klappe  des  eirunden  Loches.  Die  andere  geht  aus  der  gegenüber  liegenden 
Wand  der  Vene  hervor,  reicht  mit  dem  einen  Ende  bis  zur  Einmündung  der 
linken  vordem  Vene  und  trennt  daher  beide  Blutströme ;  mit  dem  andern  Ende 
erreicht  sie  die  Stelle,  wo  die  rechte  vordere  Hohlvene  und  die  hintere  Hohl- 
vene zusammenstofsen.  Es  ist  die  Eustachische  Klappe,  wie  die  spätere  Zeit 
deutlicher  zeigt.  Jetzt  wird  also  das  Blut  aus  der  vordem  Hälfte  des  Körpers 
vorzüglich  in  die  Unke,  das  Blut  aus  der  hintern  Hohlvene  in  die  rechte  Vor- 
kammer geleitet. 

d.  Schiae-  Die  vordem  Schlagaderstämme  lösen  sich  immer  mehr  von  der  Wurzel  der 
aderstämme.  herabsteigenden  Aorta,    und  öfter  habe  ich  den  verbindenden  Kanal  am   sech- 

zehnten  Tage  nicht  mehr  finden  können.  Die  Lungeuschlagadem  geben  viel 
stärkere  Aeste  in  die  Lungen,  als  früher,  wobei  ihr  Uebergang  in  die  hintere 
Schlagader  weit  schwächer  wird. 

«.Athmungs-  Von  den  Lungen   selbst  weifs  ich   keine  bedeutende  Veränderung  anzu- 

apparat.        ge]>en-     Die  Entwickelung  der  Säcke  am  hintem  Rande  der  Lunge  hat  Rathke 

weiter  verfolgt,  und  gefunden,  dafs  sie  in  die  Bauchhöhle  gegen  die  verschiedenen 


133 

Orgsthe  sich  verlängern,  indem  sie  das  Bauchfell  vor  sich  hertreiben.  Nach 
diesen  (handschriftlich  mitgetheilten)  Beobachtungen  wird  aus  dem  hintern, 
schon  in  dem  vorigen  Zeiträume  tief  in  die  Bauchhöhle  hineinragenden  Sacke 
der  grofse  Luftsack  des  Hinterleibes,  aus  den  beiden  vordersten  werden  die  Luft- 
sÄcke  des  Herzens  (Bulla  cordis  anterior  et  posterior). 

An  der  weiter  gewordenen  Luftröhre  sind  nun  auch  alle  Theile  des 
untern  Kehlkopfes  zu  unterscheiden ,  und  von  der  bleibenden  Form.  Am  ol>ern 
Kehlkopfe  sind  die  früher  schon  kenntlichen  Knorpel  ebenfalls  zur  bleibenden 
Forin  umgewandelt.  Die  Leiste  aus  dem  Schildknorpel  hat  sich  erhoben,  und 
die  einzelneu  Muskeln  sind  schon  kenntlich.  Die  Stimmritze  scheint  sehr  eng 
von  ihnen  verschlossen  zu  werden,  denn  in  der  Luftröhre  findet  man  um  diese  Zeit 
Luft  und  nicht  Flüssigkeit,  wie  im  Verdauungsapparate. 

Die   Nieren  werden  massiger  und  haben  ein  weniger  getheiltes  Ansehn.  /.  Ham.  und 

Geschlechts- 

Die  Nebennieren  treten  mehr  hervor.     Der  Stiel  des  Harnsackes  erweitert  sich  in  apparat. 
der  Nähe  der  Kloake. 

Im  Geschlechtsapparate  tritt  die  Verschiedenheit  der  Geschlechter  immer 
bestimmter  hervor.  Die  Hoden  nähern  sich  der  bohnenförmigen  Gestalt ,  und  in 
ihnen  treten  nach  Rathke  die  Saamengefäfse  auf.  Die  Eierstöcke  dagegen 
bleiben  flach.  Der  rechte  entwickelt  sich  nicht  weiter,  und  der  linke  nimmt 
vom  au  Breite  zu.  Der  rechte  Wolffische  Körper  bleibt  auch  in  der  Ent- 
wickeluug  im  weiblichen  Geschlechte  stehen,  während  der  linke  noch  etwas 
fort  zu  wachsen  scheint.  Im  Männchen  sind  die  Wolffischen  Körper  gröfser. 
\)er  Faden  des  Wolffischen  Körpers  ist  im  Weibchen  noch  vorhanden.  Der 
auffallendste  Geschlechtsunterschied  ist  aber  wohl  im  Ausführungskanale.  Im 
männlichen  Geschlechte  haben  sich  die  vordem  Enden  verloren,  der  hintere 
Theil  dagegen  wird  länger  und  enger,  auch  etwas  gebogeu  und  hat  schon  ganz 
den  Character  des  Saamenleiters.  Im  Weibchen  verschrumpft  der  rechte  Aus- 
führungsgang, bis  auf  einen  kurzen  und  dünnen  Faden ,  der  in  die  Kloake  geht, 
al>er  den  Wolffischen  Körper  lange  nicht  erreicht,  der  linke  dagegen  behält 
seine  ganze  Länge  und  verdickt  sich.  Sein  vorderes  Ende  dehnt  sich  zum 
Trichter  aus,  und  das  hintere  erweitert  sich.  Zugleich  rückt  dieser  nun  deut- 
liche Eileiter  vom  Wolffischen  Körper  ab  nach  aufsen. 

Vom  Hirne  bemerke  ich  nur,   dafs  das  kleine  Hirn  sich  mehr  erhebt  und     g.  Hirn, 
nach  vom  sich  tiefer  zwischen  die  Vierhügelblasen  einkeilt.     Diese  rücken  dabei 


134 

allmal  lüg  uacli  unten  und  die  Zirbel  wird  mehr  erhoben,  so  dafs  ihre  Verbindung 
mit  der  Region  der  dritten  Hirnhöhle  dünner  wird.  Die  Zahl  der  Einschnitte 
des  kleinen  Hirnes  vermehrt  sich  beträchtlich. 

/,    Auge.  Das  obere  und  untere  Augenlied  erreichen  einander   und   schlielsen   die 

Augenliederspalte  mehr  oder  weniger,  jedoch  ohne  zu  verwachsen.  Die  vordere 
Ausenkammer  bildet  sich  durch  verminderte  WöUmng  der  Linse  und  ver- 
mehrte Wölbung  der  Hornhaut  weiter  aus,  und  da  zugleich  die  Regenl>ogeu- 
haut  wächst,  so  grenzt  sich  auch  eine  hintere  Augenkammer  ab,  jedoch  ohne 
völlig  gesondert  zu  seyn,  da  kein  Pupillenmembran  erscheint. 

i.Ohr  und  Das  innere  Ohr  verknöchert  schon  im  Anfange  dieses  Zeitraumes.     Inder 

Nase  sind  die  Muscheln  lang  ausgezogen.  Die  Schuppen  am  Eingänge  der  Nase, 
welche  die  Familie  der  Hühner  auszeichnen ,  treten  deutlich  hervor. 

§.  13. 
Siebzehnter    bis  neunzehnter   Tag. 

Der  Dottersack  verliert  immer  mehr  Inhalt  und  faltet  sich  daher  in 
mehrere  durch  tiefe  Einschnürungen  gebildete  sackförmige  Abschnitte.  Oft  ist 
in  dieser  Zeit  nur  Eine  tiefe  Einschnürung,  wodurch  der  Dottersack  zwedappig 
wird.  Der  Dottersack  schien  mir  gegen  das  Ende  der  Entwickelung  im  Eie 
immer  dunkler  als  früher,  wahrscheinlich  von  dem  fortgehenden  Verluste  der 
flüssigen  Theüe.  Der  Harn  -  Niederschlag  mehrt  sich  stark  im  Chorion,  welches 
sich  auf  keine  Weise  mehr  entwickeln  läfst.  Das  Eiweifs  schwindet  allmählig 
ganz.     Auch  nimmt  die  Flüssigkeit  des  Amnions  ab. 

Die  Lage  des  Hühnchens  wechselt,  doch  hegt  es  stets  zusammen- 
gekrümmt, so  dafs  es  mit  seinem  ganzen  Körper  fast  die  Form  des  Eies  hat, 
und  immer  liegt  die  Längenachse  des  zusammengekrümmten  Hühnchens  in 
der  Längenachse  des  Eies.  Eine  Queerlage  gestattet  der  Raum  nicht  mehr. 
Gewöhnlich  liegt  aber  das  vordere  Ende  des  Hühnchens  nach  dem  Lufträume 
zu.  Schon  früher  war  der  Kopf  gegen  die  Brust  zurückgebogen.  Im  vorigen 
Zeiträume  war  aber  die  Krümmung  einfach  und  nach  dieser  die  Spitze  des 
Schnabels  nach  hinten  gekehrt.  Jetzt  tritt  allmählig  eine  doppelte  Krümmung 
ein,  so  nämlich,  dafs  der  Hals  nach  hinten  .gebogen  bleibt,  das  Kopfende  aber 
wieder  nach  vorn  sich  krümmt.     Der  Kopf  liegt  gewöhnlich  unter  dem  rechten 


135 

Flügel  und  richtet  allniählig  die  Schnabelspitze  nach  vorn.  Eine  Folge  dieser 
Stellung  ist ,  dafs  die  Spitze  des  Schnabels  nahe  an  dem  Thede  der  Eihäute  liegt, 
der  den  Luftraum  begrenzt. 

Während  im  vorigen  Zeitabschnitte  immer  mehr  Darmmündungen  aus 
dem  Nabel  hervortrateu ,  erweiterte  sich  dieser  sehr.  Zugleich  scheint  die 
Bauchhaut  an  dem  Hautnabel  herausgewachsen,  indem  der  Leibesnabel  sich 
dem  Hautnabel  nähert.  Es  wird  nämlich  das  seröse  Blatt  der  Keimhaut  dicker 
und  erhält  eine  complicirte  Organisation.  Es  scheint  diese  höhere  Entwickelung 
vom  Nabel  aus  fortzuschreiten  und  zeigt  eine  unmittelbare  Verlängerung  des- 
jenigen Blattes  der  Bauchhaut,  welches  an  den  Bauchwänden  anliegt.  Diese 
höhere  Organisation  breitet  sich  in  der  gegenwärtigen  Periode  sehr  aus,  und 
zugleich  trennt  sich  das  seröse  Blatt  vollständig  von  dem  GefäTs  -  und  Schleim- 
blatle.  Da  nun  in  dem  jetzigen  Zeiträume  der  vorgefallene  Darm  in  die  Bauch- 
höhle zurücktritt,  folgt  ihm  auch  der  Dotter,  umgeben  von  dem  Gefäfs  -  und 
Schleimblatte.  Der  Dottergang  erweitert  sich  dabei.  Am  neunzehnten  Tage 
hat  der  Eintritt  des  Dotters  erst  begonnen,  weshalb  wir  später  noch  einmal 
darauf  zurückkommen  werden.  Im  Allgemeinnen  behalten  die  Federn  dire 
Bälge  während  dieser  ganzen  Zeit,  obgleich  sie  fast  die  Länge  eines  Zolles 
erreichen. 

Die  rechte  Vorkammer  scheint  jetzt  gröfser  als  die  linke.  Das  eirunde 
Loch  des  Herzens  und  die  Einmündung  der  hintern  Hohlvene  rücken  immer 
weiter  aus  einander.  Die  stark  entwickelte  Eustachische  Klappe  trennt  jetzt 
auch  die  Mündungen  der  hintern  Hohlvene  und  der  rechten  vordem  Hohlvene 
ganz  entschieden  von  einander.  Sie  zieht  sich  aus  bis  an  die  Grenze  zwischen 
der  vordem  linken  und  der  hintern  Hohlvene.  Durch  sie  wird  dem  Blute  der 
beiden  vordem  Hohlvenen  nur  der  Eintritt  in  die  rechte  Vorkammer  gestattet, 
dagegen  leitet  diese  Klappe  das  Blut  aus  der  hintern  Hohlvene  durch  das 
eirunde  Loch  in  die  linke  \orkammer,  obgleich,  da  die  Klappe  nicht  die 
untere  Wand  der  Vorkammer  erreicht,  so  viel  Blut  über  die  Klappe  über- 
strömen wird,  als  die  rechte  Kammer  aufser  dem  unmittelbaren  Zuflüsse  aus 
beiden  vordem  Hohlvenen  zu  fassen  vermag. 

Die  Eustachische  Klappe  ist  die  Fortsetzung  der  rechten  Wand  der  Hohl- 
vene. Aufserdem  sieht  man  gewöhnlich  noch  eine  kleine  Klappe  als  Fort- 
setzung der  linken  Wand.     Die  Klappe  des  eirunden  Loches  habe  ich  überaus 


136 

wechselnd  gefunden,  zuweilen  schien  sie  ganz  zu  fehlen  und,  in  andern 
Fälleu  safs  sie  am  ganzen  Unifange  des  eirunden  Loches  an,  und  ragte  in 
Form  einer  kurzen  Rölire  in  die  linke  Kammer  hinein,  so  dafs  ich  nicht 
im  Stande  bin,  das  normale  Verhältnifs  in  diesem  Zeiträume  anzugehen. 
Ueherdies  habe  ich  es  uicht  oft  genug  im  frischen  Zustande  untersuchen 
können. 

Die  communicirenden  Kanäle  zwischen  den  vordem  Schlagadern  und 
Wurzeln  der  Aorta  schwinden  in  der  Regel.  Zuweilen  sah  ich  jedoch  einen 
noch  am  neunzehnten  Tage.  Die  Lungenschlagadern  verzweigen  sich  stark 
in  die  Lungen,  und  die  Uebergänge  in  die  Aorta  erscheinen  immer  mehr  als 
blos  communicirende  Kanäle.  Da  nun  die  linke  Wurzel  blos  aus  diesem  Kanäle 
besteht,  so  ist  sie  sehr  viel  dünner,  als  die  rechte. 

Unter  den  Lungen  ist  die  Haut,  welche  die  Stelle  des  Zwerchfelles  der 
Lage  nach  vertritt ,  völlig  ausgebildet  und  verhältniCsmäfsig  fest. 

Die  Leber  ist  gelb.  In  den  Blinddärmen  sind  die  Schleimgruben  sehr 
deutlich. 

§.    14. 
Zwanzigster  und  ein  und  zwanzigster  Tag. 

In  den  beiden  letzten  Tagen  beginnt  schon  das  Auskriechen.  Wir 
werfeu  hier  aber  nur  noch  einen  Blick  auf  die  Vorbereitungen.  —  Aus  dem 
Amnion  hat  sich  allmählig  fast  alle  Feuchtigkeit  verloren,  eben  so  aus  dem 
Räume  zwischen  der  äufsern  und  innern  Hälfte  des  Chorions,  wo  desto  mehr 
Harnniederschlag  sich  findet.  Der  Embryo  nimmt  aufser  dem  Lufträume  fast 
die  ganze  Höhlung  des  Eies  ein,  denn  der  Dottersack  ist  auch  in  den  Leib 
des  Embryo  getreten.  Mit  dem  neunzehnten  Tage  ungefähr  beginnt  dieses 
Eintreten,  indem  der  Dottersack  nur  von  seiner  nächsten  Hülle  umgeben  dem 
Darme  folgt.  Der  Nabel  ist  nicht  weit  genug,  um  den  Dottersack  in  seinem 
ganzen  Durchmesser  durchzulassen.  Es  tritt  daher  zuerst  nur  der  dem  immer 
mehr  erweiterten  Dottergange  nahe  gelegene  Theil  ein,  indem  er  sich  zu- 
spitzt. Ist  aber  nur  ein  Theil  des  Dottersackes  so  durch  den  Nabel  gegangen, 
so  erweitert  er  sich  wiederum  in  der  Bauchhöhle,  und  der  Dottersack  besteht 
nun  aus   zwei  Hälften,    einer    innern  und  einer  äufsern,    welche  durch   eine 

ver- 


137 

verengte  Stelle,  die  im  Nabel  liegt,  mit  einander  Gemeinschaft  haben.  Es 
zieht  sich  aber  immer  mehr  von  der  äufsern  Hälfte  durch  den  Nabel,  so  dafs 
also  die  Vorragung  im  Dottersacke  immer  weiter  fortrückt,  bis' endlich  der 
ganze  Sack  in  die  Bauchhöhle  schlüpft.  Der  in  die  Bauchhöhle  eingetretene 
Theil  behält  hier  nicht  seine  sphärische  Gestalt,  sondern  legt  sich  in  alle  leeren 
Räume  der  Bauchhöhle  hinein,  und  formt  sich  also  nach  den  Lücken,  welche 
andere  Theile  hier  lassen.  Dann  aber  scheint  sich  der  Ueberzug  des  Dotters 
wieder  zusammen  zu  ziehen ,  und  im  Augenblicke  des  Auskriechens ,  noch  mehr 
aber  bald  nachher,  erhält  er  eine  selbststäudige  fast  kugliche  Form ,  jedoch  mit 
Einschnitten,  welche  die  Gefäfse  veranlassen. 

Wenn  der  Dotter  ganz  in  die  Bauchhöhle  getreten  ist,  so  verengt  sich 
der  Nabel  rasch  und  fängt  an  zu  vernarben ,  wobei  die  äufsere  Hülle  des  Dotter- 
sackes wie  ein  Bruchsack  zurückbleibt  und  abgeschnürt  wird. 

Die  Form  des  Leibes  wird  durch  den  eingetretenen  grolsen  Dottersack 
sehr  verändert.  Der  spitz  hervorgedrängte  Nabel  bildet  das  hintere  Ende  des 
Leibes,  indem  der  After  in  die  Höhe  geschoben  wird.  Der  Nabel  hat  erst 
in  der  letzten  Zeit  seinen  vollständigen  Character  erhalten,  indem  das,  was 
wir  Hautnabel  und  Leibesnabel  genannt  haben,  zusammenrückt,  und  ver- 
wachsen ist. 

Der  coneurrirende  Ast  aus  der  rechten  Lungenschlagader  in  den  hintern 
Arterienstamm  und  die  linke  Wurzel  desselben  aus  der  linken  Lungenschlag- 
ader sind  sehr  eng  geworden  und  bilden  zwei  Botallische  Gänge,  von  denen  der 
rechte  sehr  viel  kürzer  ist ,  als  der  linke. 

$.    15. 
Vom    Auskriechen    des   Hühnchens. 

Wenn  das  Hühnchen  die  gewöhnliche  Lage  hat,  so  nämlich  liegt,  dafs 
das  Vo^derende  an  den  Luftraum  stöbst ,  der  Hals  zurückgekrümmt  ist,  der 
Kopf  unter  dem  rechten  Flügel  liegt,  mit  der  Schnabelspitze  nach  vorn  gerichtet, 
so  steht  diese  Spit2e°gaiiz:  nahe  an  der  Gegend  des  Chorions,  welche  den  Luft- 
raum begrenzt.  Ein  geringer  Versuch ,  den  Kopf  aus  dieser  Lage  zu  bringen, 
durchslöfsl  das  Chorion,  und  die  Schnabelspitze  dringt  in  den  Luftraum.  Das 
Hühnchen    kann   nun,    ohne  übrigens    seine   Lage  zu   verändern,    etwas  Luft 

S 


138 

einziehen,  und  mithin  auch  einen  Ton  von  sich  geben.  Ich  habe  zuweilen 
schon  zwei  Tage  vor  dem  Auskriechen,  und  ohne  dafs  das  Ei  irgend  einen 
Rifs  hatte,  das  Küchlein  in  der  Schaale  piepen  gehört.  Dabei  bleibt  es  lange 
in  seiner  Lage,  wie  mich  die  Beobachtung  an  mehreren  Eiern ,  die  ich  öffnete, 
gelehrt  hat.  Der  Kreislauf  in  den  Nabelgefäfsen  geht  fort.  Hat  die  Athmung 
einmal  begonnen,  so  wird  sie  auch  fortgesetzt,  wie  man  an  der  Bewegung 
des  Brustkastens  und  des  ganzen  Küchleins  erkennt.  Lunge  und  Luftsäcke 
können  aber  in  dieser  Stellung  nicht  gehörig  ausgedehnt  werden. 

Da  der  Kopf  des  Küchleins  auf  einer  Seite  liegt ,  und  schon  wegen  des 
hohen  Kammes  des  Brustbeines  nicht  in  der  Mitte  liegen  kann ,  so  ist  auch  die 
Stelle ,  wo  das  Chorion  durchstofsen  wird ,  nicht  in  der  Mitte  des  Luftraumes, 
sondern  dem  Rande,  also  auch  der  Eischaale,  näher.  Verstärkte  Bewegungen 
bringen  also  die  Schnabelspitze  an  die  Eischaale.  Oft  ist  das  durchgestoßene 
Loch  ganz  am  Rande  des  Luftraumes,  und  schon  die  erste  Bewegung  drängt 
an  die  Eischaale  an.  Ist  der  Andrang  stark  genug,  so  bekommt  diese  Püsse. 
Gewöhnlich  wird  aber  auch  zugleich  ein  Stückchen  der  Schaale  abgesprengt, 
ohne  dafs  die  Schaalenhaut  reifst.  Oft  mag  die  Schnabelspitze,  wenn  sie 
nicht  sogleich  den  Luftraum  erreichte,  sondern  aufserhalb  seines  Randes  zuerst 
die  Eischaale  zersprengte,  erst  später  in  den  Luftraum  dringen  und  dem  Küch- 
leiu  den  hier  befindlichen  Luftvorrath  zuführen ;  denn  auffallend  ist  es ,  dafs 
zuweilen  fast  vier  und  zwanzig  Stunden  nach  dem  Absprengen  des  ersten 
Stückchens  der  Schaale  verfliefsen,  ehe  das  Loch  merklich  vergröfsert  wird. 
Liegt  aber  der  Kopf  nach  dem  spitzen  Ende  des  Eies  hin,  so  wird  die  Oeffnung 
rascher  erweitert,  und  die  Schaalenhaut  durchgestofseu.  Bei  dieser  Lage  des 
Küchleins  hörte  ich  es  niemals  vorher  piepen. 

Hat  das  Hühnchen  die  Oeffnung  des  Eies  so  erweitert,  dafs  es  nicht 
nur  freien  Zutritt  von  Luft  hat,  sondern  auch  den  Hals  etwas  ausstrecken 
kann,  so  bleibt  es  eine  Zeitlang  in  dieser  Stellung,  wobei  es  frei  und  stark 
athmet.  Bis  zu  diesem  freien  Athmen  schienen  mir  die  Gefäfse  des  Chorions 
stark  mit  Blut  augefüllt,  und  die  ganze  Haut  schien  keineswegs  abgestorben. 
So  wie  aber  ein  ungehindertes  Athmen  eintritt,  verliert  das  Chorion  sein 
Blut  und  es  stirbt  ab.  Es  löst  sich  dann  vom  Nabel  und  das  Kücldein  yerlä'fst 
das  Üi.  . 


139 


§.    16. 

Allgemeiner    Character    der    dritten    Periode. 

Die  Vorgänge  der  dritten  Periode  zeigen  uns  die  Herrschaft,  welche 
der  Embryo  über  die  übrigen  Eitheile  gewinnt.  Wenn  zuerst  der  Embryo 
nur  ein  Theil  der  Keimhaut  war,  so  wird  jetzt  die  Keimhaut  ein  Theil  des 
Embryo.  Während  er  in  der  zweiten  Periode  sich  von  den  übrigen  Eitheilen 
abschnürte,  und  sich  einhüllte,  nimmt  er  sie  jetzt  allmählig  in  sich  auf.  Der 
Dotter  mit  der  ganzen  Keimhaut  tritt  unmittelbar  in  den  Leib  des  Embryo  ein. 
Mittelbar  geht  das  Eiweifs  denselben  Weg.  Auch  die  Flüssigkeit  des  Amnions 
verliert  sich.  Nur  die  Theile,  welche  der  Embryo  aus  sich  heraus  getrieben 
hat,  der  Harnsack  und  die  Haut,  welche  eine  Verlängerung  des  Bauchfelles 
zu  seyn  scheint,  nimmt  er  nie  wieder  auf.  Die  Herrschaft,  welche  der 
Embryo  allmählig  über  die  übrigen  Eitheile  gewinnt,  ist  offenbar  eine  höhere 
Form  des  Selbstständigwerdens,  wovon  das  Leben  aufserhalb  des  Eies  endlich 
die  höchste  ist,  in  welcher  das  Thier  nicht  mehr  die  Theile  des  Eies,  sondern 
die  Außenwelt  zu  seiner  Selbstbildung  verwendet. 

Wir  haben  beim  Schlüsse  der  zweiten  Periode  bemerkt,  dafs  während 
derselben  der  Character  des  Wirbelthieres  vollständig  wird,  indem  der  anima- 
lische Theil  nach  dem  gedoppelten  Typus  der  gegliederten  Thierreihe  und 
der  plastische  nach  dem  Typus  der  Mollusken  sich  formt,  und  dafs  bald  der 
Embryo  durch  Entwickelung  des  Harnsackes  in  die  Reihe  derjenigen  Wirbel- 
thiere  tritt,  welche  sich  nicht  im  Wasser  entwickeln. 

Erst  im  Verlaufe  der  dritten  Periode  wird  das  Hühnchen  zum  Vogel 
durch  die  eigenthümliche  Ausbildung  der  Athem  -  Organe ,  und  äufserlich  wird 
diese  Thierklasse  kenntlich,  indem  sich  die  Schnabelbildung  kund  giebt, 
und  die  vordere  Extremität  die  Form  des  Flügels  annimmt.  Bald  ent- 
wickeln sich  auch  die  Federbälge.  Es  ist  aber  zuvörderst  ein  Vogel  über- 
haupt, nicht  ein  Vogel  aus  der  Familie  der  Hühner.  Erst  allmählig  offen- 
bart es  sich,  dafs  aus  dem  Embryo  ein  Landvogel  sich  entwickelt,  in- 
dem die  Schwimmhaut  unkenntlich  wird,  und  darauf  reiht  er  sich  in  die 
Familie  der  Hühner  ein,  wenn  der  Kopf  sich  bildet,  der  Vormagen  sich 
vom  Muskelmagen  scheidet,  die  stumpfen  Nägel  auf  den  Füfsen,  und  die 
Schuppe  über  der  Nasenöffnung  sich  zeigen.     Zuletzt   tritt  der  Character  der 

S  2 


140 

Gattung  auf  durch  den  Kamm  auf  der  Stirne,  die  eigenthümliche  Schnabel- 
bilduug  u.  s.  w.  Endlich  bildet  sich  die  Individualität  aus,  und  wird  erst 
mit  der  Hohe  des  Lebens  ausserhalb  des  Eies  vollendet ;  denn  offenbar  sind 
die  eben  ausgekrochenen  Küchlein  einander  viel  ähnlicher,  als  die  ausge- 
bildeten Hühner. 

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und 


Corollarien 


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Entwicklungsgeschichte    des    Hühnchens 


im      E  i  e. 


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i  Kl  v    ' 


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Scholion    I. 

Ueber  die  Sicherheit  in  der  Beobachtung  der  Embryonen. 


Die  erste  Frage,    die  uns  entgegentritt ,   wenn  wir  aus  Beobachtungen  über  die    a.  Zweifel. 
Entwickelung  irgend  einer  Thierform  eine  Einsicht  in  das  Wesen  dieses  Vor- 
ganges gewinnen  wollen,    ist  wohl  die:    Bis  zu  welchem  Grade  der  Sicherheit     , 
geht  überhaupt  die  Beobachtung  an  Embryonen  ?     Die  Schärfe  des  Auges  und  der 
Werkzeuge  findet  ja  bei  jeder  Untersuchung  eine  Grenze ,    so  also  auch  bei  Be- 
trachtung des  Embryo.     Wenn  nun  das  Microscop  vor  der  Befruchtung  und  gleich 
nach  derselben  keinen  Embryo  gewahr  wird ,  wie  können  wir  die  Ueberzeugung 
gewinnen ,   dafs  keiner  da  ist  ?     Dieser  Einwurf,  früher  häufig  selbst  von  Beob- 
achtern microscopischer  Gegenstände  geltend  gemacht,   wird  jetzt  vorzüglich  von 
Laien  gehört,    ist  aber  bei  ihnen  um  so  häufiger  und  nachdrücklicher.     In  der 
That  ist  es  schwer,   eine  Zuversicht  zu  jenen  negativen  Angaben  zu  gewinnen, 
wenn  man  weifs,  dafs  die  Naturforscher  von  vielen  Gegenständen,  die  das  unbe- 
waffnete Auge  sehr  wohl  erkennt ,  den  Bau  mit  Sicherheit  und  Vollständigkeit  an- 
zugeben nicht  im  Stande  sind.     Eine  IMilbe  sieht  jedermann,  und  doch  ist  es  selten 
möglich,    mit  Genauigkeit  ihre  Frefswerkzeuge  zu  bestimmen,    und  noch  viel 
weniger  ihren  innern  Bau  zu  erforschen.     Sie  besitzt  ohne  Zweifel  ein  Nerven- 
system;   es  dürfte  aber  keinem  Naturforscher  gelingen,    dasselbe  darzustellen. 
So  deutliche  Beweise  von  der  Beschränktheit  unserer  Mittel  für  die  Untersuchung 
dürfen  wohl  dem  Zweifel  Raum  geben :    „  Ob  nicht  der  ganze  Embryo  mit  allen 
seinen  Theilen  da  seyn  kann ,   aber  so  fein  gebaut ,    dafs  Messer  und  Microscop 
ihn  nicht  erreichen  ?  " 

E$,  scheint  mir  daher  nicht  überflüssig,  diese  Frage  etwas  näher  ms 
Auge  zu  fassen,  und  ich  hoffe,  dafs  die  Beleuchtung  derselben  zuvörderst 
bestimmen  wird,  was  der  Beobachtung  entgehen  kann  und  was  ihr  nicht 
entgeht,  dann  aber  auch  zur  Einsicht  in  die  Beschaffenheit  des  Embryo  bei- 
tragen wird. 


144 


b.  Der 
Embryo  ist 
nicht  fein 
gebaut , 


weder     im 
Gewebe , 


Man   fürchtet  also,    die  Kleinheit  des  Embryo   und  die  Feinheit  seines 
Baues   werde   ihn   ganz  —  oder  einzelne  seiner  Theile  dem  Auge  unkenntlich 

machen.  Ich  glaube  dagegen  behaupten  zu  dürfen,    dafs  der  Embryo,   >e 

jünger  er  ist ,  um  so  weniger  fein  *)  gebaut  ist.  —  Wenn  wir  an  einem  er- 
wachsenen Huhne  irgend  einen  Theil  in  seinem  Gewebe  untersuchen  und  dann 
das  Gewebe  desselben  Theiles  im  Küchlein,  so  lange  es  im  Eie  ist,  vergleichen, 
so  finden  wir  immer,  dafs  das  Gewebe  im  erwachsenen  Thiere  feiner,  im  Jüngern 

«röber  ist.  Wählen  wir  statt  der  übrigen  Theüe  einen  Muskel  als  Beispiel, 

weil  hier  das  Verhältnifs  sehr  augenscheinlich  ist!  Ein  Muskel  aus  einem  er- 
wachsenen Huhne  läfst  sich  unter  dem  Microscope  in  Bündel,  diese  in  Fäden 
theilen,  und  in  den  Fäden  lassen  sich  bei  gehöriger  Sorgfalt  wieder  sehr  feine 
Fasern  unterscheiden ,  zu  deren  Betrachtung  eine  starke  Yergröfserung  erfordert 
wird.  Je  jünger  nun  das  Huhn  ist,  um  desto  weniger  dünn  sind  die  Elementar- 
fasern der  Muskeln.  In  einem  Embryo  aber  aus  der  Mitte  der  Bebrütung  sind 
die  Durchmesser  der  Muskelfasern  noch  beträchtlicher,  obgleich  sie  schwer  genug 
von  einander  zu  trennen  und  microscopisch  zu  unterscheiden  sind.  Die  Schwierig- 
keit lieCTt  aber  nicht  in  ihrer  Dünne,  denn  diese  wird  schon  von  einer  scharfen 
Linse  erreicht,  sondern  in  der  Weichheit  und  Unbestimmtheit  der  Form.  Die 
Muskelfasern  sehen  in  ihrer  Entstehung  fast  wie  eine  Reihe  unförmlicher  Klümp- 
cheu  von  ansehnlicher  Gröfse  aus. 

Was  von  den  Muskeln  bemerkt  ist,  gilt  auch  von  allen  übrigen  Theilen. 
Die  einzelnen  organischen  Elemente ,  aus  denen  sie  bestehen,  sie  seyen  Fasern, 
Kü^elchen  oder  Blättchen ,  sind  um  so  feiner  ausgearbeitet,  je  entwickelter  das 
Thier  ist.  So  ist  die  Faserung  des  Hirnes  und  Rückenmarkes ,  so  bald  sie  kennt- 
lich wird  wie  mit  grobem  Griffel  gezeichnet ,  und  es  scheinen  nur  die  gröfsern 
Strände  zu  seyn,  in  denen  erst  später  die  untergeordneten  Fasern  sich  bilden 
sollen.  In  frühester  Zeit  ist  aber  gar  keine  Faserung  im  Hirne.  Ueberhaupt  ist 
ia  in  den  ersten  Tagen  des  Embryonenlebens  noch  gar  keine  Textur  kenntlich, 
wenn  man  nicht  fast  durchsichtige,  nicht  scharf  begrenzte  Körnchen,  die  auch 
in  den  hellen  Theilen  sich  finden ,  dafür  ansehen  will.  In  andern  Theilen  sieht 
man  dunldere  Körnchen,  entweder  verbunden  oder  umgeben  von  einer  durch- 
sichtigen ungeformten  Masse.  Diese  Körnchen,  meist  wieder  aus  untergeordneten 
Körnchen  bestehend ,  sind  im  Verhältnifs  zu  den  Theüen ,  die  sie  zusammensetzen, 
so  *rofs,  dafs  man  sagen  könnte,  der  Embryo  gleiche  in  frühester  Zeil  einem 
_~ Bilde, 

*)  Ich  vermeide  mit  Bedacht  das  Wort  zart ,  welches  so  wohl  Dünne  als  Weichheit  in  sich  schliefst. 
Zart  ist  der  Embryo  gewifs ! 


145 

Bilde,  das  ans '  Pflastersteinen  oder  Granitblöcken  zusammengesetzt  ist.  Am 
ersten  Tage  besteht  die  Wirbelsaite  fast  nur  aus  einer  Reihe  solcher  Kügel- 
chen,  die  man  mit  ziemlicher  Bestimmtheit  zählen  kann.  Wenn  an  einer 
Stelle  zwei  neben  einander  liegen,  so  wird  sogleich  dadurch  dieser  Theil 
unförmlich. 

Das   vom  Gewebe  Gesagte  findet  auch  seine  Anwendung  auf  die  äufsere  noch  in  der 
Form.     Alle  Theile  sind  um  so  roher  und  ungeformter,  je  jünger  sie  sind.     Die  Form  der 
Extremitäten  geben  das  am  meisten  in  die  Augen  springende  Beispiel;    es  gut  TheiIe- 
aber  für  alle  Theile.     Im  Hühner -Embryo  von  zwei  mal  24  Stunden  kenne  ich 
nur  einen  einzigen  Theil,   der  dünner  als  ein  Haar  ist,  die  Wirbelsaite  nämlich. 
Ein  Haar  ist  aber  schon  dem  blofscn  Auge  erkennbar  und  kann  leicht  unter  dem 
Microscope  bis  zur  Stärke  einer  Stange  vergrößert  werden. 

Da  die  Wirbelsaile  der  dünnste  Theil  ist,  den  man  findet,  so  hat  es  keine  «•    Die 

Wahrscheinlichkeit,  dafs  im  Embryo  Theile  vorkommen,  die  ihrer  Dünne  wegen  entzieht' also 
dem  Microscope  gar   nicht  erreichbar  wären.     Der  Embryo  hat  überhaupt,    je  ^"tu6'']"" 
jünger  er  ist,    um  so  weniger  kleine  Theile.     Alle  Thede  sind  im  Augenblicke 
ihres  Werdens  im  Verhältnis  zum  Umfange  des  Embryo  grofs  zu  nennen ,  wenig- 
stens sind  sie  nie  dünn  und  fein.     Die  Weite  des  Darmes  nimmt  im  Anfange  mehr 
als  g  von  der  Wrcite  der  Bauchhöhle  ein.     Diejenigen  Organe ,   welche  durch  Her- 
vorstülpung  aus  allgemeinen  Apparaten  sich  bilden ,    müssen  zwar  auch  im  Ver- 
hältnifs  zum  Embryo  allmählig  gröfser  werden ,    was  am  auffallendsten  sich  am 
Harnsacke  zeigt,  allein  sie  haben  wenigstens  eine  sehr  breite  Basis.     So  z.  ß.  die 
Extremitäten;   so  alle  Hervorslülpungen  aus  dem  Darme.     Die  Lebergänge  siud 
im  Werden  colossal  gegen  die  spätere  Zeit ;  der  Harnsack  und  die  Bungen  haben 
beim  Hervortreten  eine  weite  Communication  mit  dem  Darme,  eben  weil  sie,    je 
jünger,    um   so  mehr  nur  Modificationen  des  Darmes  sind.   —     Noch  weniger  noch  den 
kann  der  ganze  Embryo  des  Huhnes  sich  durch  seine  Kleinheit  verstecken.     Wenn  bryo^'e^Be- 
er  zuerst  bemerkt  wird,   ist  er  schon  über  eine  Linie  lang  und  man  kann  daher  obachtu"g- 
mit  der  gröfsten  Sicherheit  behaupten,    dafs  im  Anfange  der  Bebrütung  der 
Embryo  nicht  da  ist,  denn  schon  bei  mittelmäfsiger  Vergröfserung  lassen  sich  im 
Fruchthofe  die  einzelnen  Kugelchen  unterscheiden,   von  denen  der  Embryo  beim 
Erscheinen  mehrere  hundert  enthält.     Die  Gröfse  dieser  Kügelchen,  die  hell  oder 
dunkel  in  allen  organischen  Theilen  sich  finden ,  macht  ein  Vorgebilde tseyn  des 
Embryo  in  der  zweiten  und  dritten  Generation  völlig  unmöglich. 

Dagegen  giebt  es  andere  Grenzen ,  die  der  Untersuchung  Schranken  setzen  *•  Hinder- 
und  die  .eben  in  dem  Mangel  an  bestimmter  Form  und  Ausbildung  liegen.  Die  Unters"  d'6 
ursprüngliche  Gleichmäfsigkeit  aller  Theile  macht,    dafs  wir  diese  erst  erkennen,  ch,iaS  geben 

T 


146 

aber  die  Un-  wenn  die  Differenz  bis  auf  einen  gewissen  Grad  gestiegen  ist.  Das  gilt  besonders 
heirde^For-  von  der  Trennung  der  ersten  Anlage  in  über  einander  liegende  Blätter  und  der 
men  und  die  einzeinen  Organe  in  constituirende  Elemente.     So  sind  gewifs  die  Nervenfäden 

geringe  Con-  o  •    l  -i  •■  1 

sistem.         sehr  viel  früher  da  ,    als  wir  sie  unterscheiden ,   nicht  wegen  ihrer  Dünne ,    aber 
wohl   wegen   ihrer  Zartheit,    Durchsichtigkeit    und  Uebereinstimmung  mit  der 
umgebenden  Masse  für  uns  unkenntlich.     Angenommen,  die  Nerven  wären  schon 
gesondert,    aber  7-§ö  Linie  im  Durchmesser,    weich  und  durchsichtig:    durch 
welche  Mittel  wollten  wir  sie  von  der  umgebenden  Masse  der  Bauchplatten  unter- 
scheiden?    Wären  sie  dunkel,  so  würde  ein  solcher  Durchmesser  schon  von  einer 
scharfen  Linse  erreicht  werden;   wären  sie  starr,  so  würden  sie  zwar,  wenn  sie 
zugleich  hell  wären,    auch  nicht  ohne  Zerreifsung  des  Leibes  sichtbar  seyn,  diese 
aber  würde  sie  bloßlegen  und  deutlich  zeigen,    wie  die  Fasern  eines  zerrissenen 
Papiers.     Glücklicher  Weise  läfst  aber  das  grobe  Gefüge,  das  der  früheste  Embryo 
in  allen  leicht  zu  unterscheidenden  Theilen  offenbart,   mit  Sicherheit  schliefsen, 
dafs  die  Nerven  schon  bei  der  ersten  Sonderung  eine  viel  ansehnlichere  Dicke 
haben,  immer  aber  bleibt  es  gewifs,  dafs  sie  in  ihrem  Entstehen  nicht  zu  beobach- 
ten sind.     Ueberhaupt  können  wir  alle  Ausbildung  im  Innern  eines  Theiles  erst 
gewahr  werden,   wenn  sie  schon  eine  Zeitlang  fortgeschritten  ist.     Dagegen  läfst 
sich  jede  Veränderung  des  äufsern  Umrisses  sowohl  am  ganzen  Embryo,  als  an  seinen 
einzelnen  Theilen  sogleich  erkennen,  weil  die  Kleinheit  an  sich  kein  Hindernifs  wird. 
c    Was  Aus  diesen  Gründen  ist  für  die  Untersuchung  der  Embryonen,  wenigstens 

dierMethode  der  Embryonen  höherer  Thiere ,  fast  nie  eine  sehr  starke  Vergröfserung  erforder- 
der  Unter-  j-^  ^Ane  solche  verwischt  die  geringen  Unterschiede  in  der  Textur  und  ver- 
folgt.  dünnt  die  Schatten ,   an  denen  man  oft  ganz  allein  die  Lagerung ,    ?o  wie  die  Ge- 

staltung innerer  Theile  erkennt ,  zu  sehr.  Ein  gröfseres  Bedürfnifs  als  die  starke 
Vergröfserung  ist  es,  die  verschiedenen  Schatten,  die  sich  oft  decken,  mit  Bestimmt- 
heit zu  unterscheiden  und  den  Embryo  nach  allen  Seiten  wenden  und  ihn  unter 
schwacher  Vergröfserung  zergliedern  zu  können.  Meine  Untersuchungen  haben 
mich  viel  rascher  weiter  geführt,  nachdem  ich  angefangen  hatte  unter  einer  Linse 
von  etwa  5  Linien  Brennweite  zu  beobachten,  unter  welcher  ich  mit  beiden  Händen 
an  dem  in  einem  mit  Wasser  gefüllten  Uhrglase  liegenden  Embryo  arbeiten  konnte. 
Ich  habe  mich  hierzu  eines  von  A  d  a  m  s  in  London  verfertigten  Taschenmicroscopes 
bedient,  welches  nicht  nur  als  einfaches  Microscop  mit  1  bis  3  Linsen,  sondern  auch 
nach  Bedürfnifs  als  zusammengesetztes  gebraucht  werden  kann.  Nicht  oft  habe  ich 
eine  oder  zwei  Linsen  zu  der  ersten  hinzugefügt,  seltener  den  Tubus  des  zusammen- 
gesetzten Microscopes  augewendet  und  nur  sehr  selten  zu  einem  stärkern  Microscope 
meine  Zuflucht  genommen ,  und  auch  dann  meist  ohne  den  gehofften  Erfolg. 


147 


Scholion    II. 

Die  Ausbildung  des  Individuums  imVerhältnifs  zu  seiner  Umgebung. 


Die  obigen  Bemerkungen  über  die  rohen  Formen  und  das  grobe  Gefiige  a    üie  We. 
des  Embryonenleibes  können  für  die  Erkeimtnifs  des  Wesens  der  Entwickelung  senheit    des 
benutzt  werden.     Wenn  es  nämlich  auch  an  sich  klar  ist,   dafs,    obgleich  jeder  herrscht  die 
Fortschritt  in  der  Entwickelung  nur  möglich  gemacht  wird  durch  den  vorherge-  Ausb,ldlln"- 
henden  Zustand,  dennoch  die  ganze  Entwickelung  von  der  gesaniniten  Wesenheit 
desThiers,   welches  werden  soll,   beherrscht  und  geleitet  wird,   und  nicht  der 
jedesmalige  Zustand  das  allein  und  absolut  Bedingende  für  die  Zukunft  wird,   so 
ist  es  doch  nicht  ohne  Interesse,  dieses  Verhältnifs  aus  der  Beobachtung  erweisen 
zu  können.     Ich  glaube  aber ,  dafs  sich  ein  solcher  Beweis  führen  läfst. 

Wenn  wir  eine  Anzahl  ausgewachsener  Hühner  ganz  genau  mit  ihrer  äu- 
ssern und  innern  Gestaltung  auf  eine  Tafel  zeichnen  wollten ,  so  würden  wir  zwar 
einige  Unterschiede  erkennen ,  aber  doch  nur  unwesentliche ,  die  auf  die  Lebens- 
verhältnisse wenig  Einflufs  ausüben  können,  wie  etwa- längere  und  kürzere  Hälse, 
stärkere  und  schwächere  Füfse  und  dergleichen  mehr.  Je  jünger  die  Embryonen 
aber  sind ,  um  desto  mehr  Unterschiede  und  im  Verhältnifs  zur  geringen  Ausbil- 
dung um  desto  bedeutender  scheinende ,  würden  wir  gewahr  werden.  Das  wird 
für  die  erste  Bildung  sehr  auffallend,  und  alle  Beobachter  machen  diese  Bemer- 
kung. Würden  Embryonen  von  der  Bildungsstufe ,  wo  der  Bücken  sich  schliefst, 
eben  so,  aber  bis  zu  dem  Maafse  der  Erwachsenen  vergröfsert,  auf  eine  Tafel  ne- 
ben einander  gezeichnet ,  so  würde  man,  ganz  abgesehen  von  dem  rasch ern  oder 
langsamem  Fortschreiten  der  gesammten  Entwickelung ,  die  gröfsten  Unterschiede 
erkennen ,  und  glauben ,  diese  Embryonen  könnten  nicht  zu  derselben  Form  sich 
ausbilden.  Bald  ist  das  Verhältnifs  des  Kopfes  zum  Bumpfe  in  einem  Individuum 
viel  gröfser  als  im  andern  ;  bald  sind  die  Embryonen  mit  Ausnahme  der  Wirbel- 
saite und  der  Anlage  der  Wirbel  durchsichtig  wie  Glas ,  bald  sind  sie  viel  dunk- 
ler. Einige  sind  stärker  gekrümmt  oder  mehr  aus  der  Keimhaut  erhoben ,  als  an- 
dere. In  einigen  wird  man  die  Wirbelsaite  nicht  bis  zum  Ende  des  Leibes  rei- 
chen sehen ,  in  andern  werden  die  Bauch  platten  schon  im  ganzen  Umfange  kennt- 
lich seyn.     Noch  gröfser  sind  die  Verschiedenheiten,   wenn  wir  weiter  zurück- 

T  2 


148 

gehen  *),  und  ich  habe  schon  in  der  Erzählung  der  Entwicklungsgeschichte  des 
Hühnchens  (§.  1.  i.)  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  verschieden  der  Primitiv- 
streifen sich  gestaltet.  Da  die  Bildung  noch  auf  einer  so  niedrigen  Stufe  der  Ent- 
wickelung  steht,  dals  man  nicht  viel  mehr  als  Erhebungen  und  Kügelchen  sieht, 
so  erscheinen  eben  deshalb  die  Unterschiede  um  so  gröfser,  und  man  kann  kaum 
begreifen,  wie  diese  Verschiedenheiten  zu  demselben  Resultate  führen  und  wie 
nicht  neben  volJkommnen  Hühnern  zahllose  Krüppel  entstehen.  Da  aber  die  Zahl 
der  Krüppel  unter  den  altern  Embryonen  und  erwachsenen  Hühnern  nur  sehr  ge- 
ring ist,  so  mul's  man  zurück  schliefsen,  dafs  die  Verschiedenheiten  ausgeglichen 
werden,  und  jede  Abweichung,  so  viel  möglich,  zur  Norm  zurückgeführt  wird. 
Daraus  ist  aber  ersichtlich,  dafs  nicht  der  jedesmalige  Zustand  ganz  allein  und 
nach  allen  seinen  Einzelheiten  den  zukünftigen  bestimmt,  sondern  allgemeinere 
und  höhere  Verhältnisse  ihn  beherrschen.  So  kann,  glaube  ich,  die  Naturfor- 
schung, der  man  so  gern  den  Vorwurf  macht,  dals  sie  materialistische  Ansichten 
begünstige  und  nähre,  aus  der  Beobachtung  selbst  die  streng  materialistische  Lehre 
widerlegen  und  den  Be-vreis  fuhren ,  dafs  nicht  die  Materie ,  wie  sie  grade  angeord- 
net ist,  sondern  die  Wesenheit  (die  Idee  nach  der  neuen  Schule)  der  zeugenden 
Thierform  die  JEntwickelung  der  Frucht  beherrscht. 
b.  Wachsen-  Deswegen  ist  auch  das  wesentlichste  Resultat  derEntwickelung,  wenn  wir 

ständigkeit    sie  im  Ganzen  übersehen,  (He  zunehmende  Selbstständigkeit  des  werdenden Thiers. 

des  Embryo  yyir  }ia],en  schou  in  der  Entwicklungsgeschichte  des  Hühnchens  die  verschiede- 
ist  aas   we  o  o 

sentlichste  nen  Stufen  derselben  mit  besondern  Namen  belegt ,  und  es  wird  hinlänglich  seyn, 
sie  hier  nach  einander  zu  überblicken,  um  den  Fortgang  anschaulicher  zu  ma- 
chen. 

Der  Embryo  ist  anfangs  nur  eine  Wucherung  des  Keimes ,  also  ein  Theil 
desselben ,  ja ,  so  gar  ein  Theil  ohne  bestimmte  Grenze.  Später  erst  finden  wir 
eine  Abgrenzung  vorn  übrigen  Keime ,  oder  der  Keimhaut,  aber  er  steht  zu  die- 
ser noch  in  einem  sehr  untergeordneten  Verhältnisse,  von  ihr  sein  Blut  zur  Er- 
nährung erhaltend.  Beide  bilden  ein  zusammengehöriges  Ganze.  Kaum  hat  je- 
doch der  Embryo  seine  Grenze  gefunden,  so  fängt  er  an  sich  noch  mehr  zu  schei- 
den. Einen  Theil  des  Keimes  wandelt  er  in  einen  Leib  um  (Rückeu-,  Bauch-, 
Gekrös-  und  Darmplatten) ,  durch  Abschnürung  vom  übrigen  Keime.     Mit  einem 


*)  Ich  habe  in  der  Abhandlung  über  die  Entwickelungsgeschichte  des  Hühnchens  (f.  1.  I.)  berich- 
tet, dafs  ich  zuweilen  die  Rückenplatten  ohne  die  Wirbelsaite  gesehen  habe.  Jetzt  habe  ich 
dagegen  in  einem  Primitivstreifen  noch  ohne  Spur  von  Rückenplatten  eine  vollständige  Wir- 
belsaite beobachtet. 


149 

andern  Theile  umhüllt  er  sich  (Amnion).  Was  früher Tlieil  war,  will  eiuSelbsi- 
ständiges  werden ,  bedarf  aber  noch  der  Keimhaut  und  hört  nicht  auf,  mit  ihr 
ein  Ganzes  zu  bilden.  Endlich  wird  seine  Herrschaft  über  die  Keimhaut  entschie- 
den und  er  nimmt  sie  mit  dem  ganzen  Dotter  als  Theil  in  sich  auf.  Keimhaut  und 
Embryo  sind  also  vom  Anfange  an  ein  Ganzes,  welches  sich  im*  Vogel  uio  trennt, 
mit  Ausnahme  eines  Theiles  vom  serösen  Blatte.  Nur  die  übrigen  Eitheile  wer- 
den beim  Auskriechen  als  unnütz  verlassen.  Da  der  Embryo  sie  nicht  in  sich  auf- 
nehmen kann  ,  so  sondert  er  sich  von  ihnen  und  zeigt  hierin  den  letzten  Grad  sei- 
ner wachsenden  Selbstständigkeit.  Jetzt  steht  er  nur  noch  im  Verkehr  mit  der 
«esammlen  Natur',  welche  früher  nur  dutch  das  Ei  auf  ihn  wirkte.  | 

Wo  der  Embryo  vom  Anfange  an  sehr  grofs  ist,  ist  der  Dottersack  so  früh 
ein  Theil  von  ihm,  dafs  er  zur  Ausbildung  seiner  Selbstständigkeit  keiner  vorher- 
gehenden Abschuürung  bedarf.  So  im  Frosche.  Ein  geringer  Grad  von  Abschnü- 
runf,  aufweiche  bald  eine  Beherrschung  folgt,  scheint  in  den  Knochenfischen. 
Anders  ist  es  im  Säugthier- Embryo.  In  diesem,  der  die  Anlage  zur  höchsten 
Ausbildung  in  sich  trägt ,  geht  die  Abschnürung  und  die  Einhüllung  rascher  vor 
sich ,  als  im  Hühnchen.  Sie  geht  auch  weiter.  Hier  ist  es  nicht  blofs  das  oben- 
Blatt  der  Keimhaut,  welches  das  Amnion  bildet ,  sondern  auch  die  untere  Lage, 
die  im  Huhne,  bei  der  Bddung  der  Kopfkappe,  man  möchte  sagen,  nur  die  Miene 
macht,  den  Kopf  zu  umhüllen ,  und  bald  niedersinkt.  In  Eiern  von  Hunden  sah 
ich  eine  Falte  der  Keimhaut,  mit  allen  Blättern  wie  eine  Kaputze  bis  an  die  Mitte 
des  Rückens  über  den  Kopf  gezogen,  so  dafs  die  vordere  Hälfte  des  Embryo  wirk- 
lich in  demDarmsacke  lag,  obgleich  nicht  frei.  Eben  so  wie  die  Einhüllung,  geht 
auch  die  Abschnürung  weiter  und  ist  rascher.  Sie  zieht  sich  zu  einem  Strange 
aus  (Nabelschnur) ,  als  ob  der  Embryo  die  Keimhaut  Höhe.  Merkwürdig  ist  es 
aewifs,  dafs  die  Nabelschnur  des  Menschen  so  viel  länger  ist,  als  in  irgend  einem 
andern  Säugethiere,  und  da  für  die  ansehnlichere  Länge  kaum  ein  Zwecksich  nach- 
weisen läfst,  so  finden  wir  hierin  um  so  mehr  einen  Beweis,  dafs  die  Länge  der- 
selben nur  der  Ausdruck  eines  höhern  Verhältnisses  seyu  mufs,  der  früher  auf- 
blühenden Selbstständigkeit  des  Embryo  nämlich.  Die  lange  fortgehende  Ab- 
schnürung der  Säugethiere  ist  aber  auch  der  Grund,  dafs,  wenn  der  Embryo  den 
gehörigen  Grad  von  Selbstständigkeit  erhalten  hat,  er  den  weit  von  ihm  getrenn- 
ten Dottersack  nicht  mehr  in  sich  aufnehmen  kann. 

Das  Beispiel  der  Säugethiere,  in  welchen  der  Darmsack  nicht  in  den  Leib  fang  der 
eingeht ,  darf  uns  wohl  nicht  abhalten ,  Embryo  und  Keimhaut  als  ein  Ganzes  zu  ^gte't1  wird 
betrachten,  und  den  Keim  selbst  für  das  unausgebildete  Thier  anzusehen.     Dazu  durch  dieEe- 
kommt  noch,  dafs  der  Keim  von  dem  Augenblicke  an,   wo  die  Entwickelung  be-  gesetzt!' 


150 

«ünnl,  mit  seinem  Rande  eng  an  der  Dotterhaut  anliegt,  so  dafs  man  diese  als  eine 
Oberhaut  des  Keimes  und  also  auch  des  Embryo  betrachten  kann ,  -wodurch  schon 
jetzt  angedeutet  wird,  wie  die  Dottermasse  vom  werdenden  Thiere  umschlossen 
wird.  Da  ferner  der  Keim  sich  aus  der  Keimschicht,  diese  wieder  aus  dem  Dot- 
ter sondert  so  ist  selbst  die  Dotterkugel  vor  der  Befrachtung  nichts  als  die  nie- 
drige Form  des  Thiers,  aber  eine  so  niedrige  Form,  dafs  das  Thier  noch  gar 
keine  Selbstständigkeit  hat,  sondern  nur  Theil  des  mütterlichen  Körpers  ist.  Die 
Zeugung  der  höhern,  in  Geschlechter  getrennten  Thiere,  scheint  in  der  That  aus 
zwei  Momenten  zu  bestehen.  Zuerst  wird  die  Möglichkeit  eines  neuen  l'hiers  durch 
unmittelbares  Wachsihum  des  mütterlichen.  Körpers  gegeben.  Es  bleibt  aber  nur 
Theil.  Durch  die  Befruchtung  wird  aus  dem  Theile  ein  Ganzes,  ähnlich  in  sei- 
nem Wesen  den  zeugenden  Aeltern,  zu  deren  Organisation  es  sich  unter  den  er- 
forderlichen Verhältnissen  herauf  bildet.  In  den  niedem  Thieren ,  wo  kein  Ge- 
gensatz von  Geschlechtern  ist  und  jedes  Individuum  also  die  Idee  dieser  Thierform 
«anz  enthält,  bedarf  es  nur  der  Reife,  um  zu  zeugen.  Zeugen  ist  hier  unmittel- 
bare Verlängerung  des  Wachsthums  über  die  Grenzen  des  Individuums  hinaus  und 
Fortpflanzung  nichts  als  ein  Fortwachsen  über  sich  selbst.  In  solchen  Thieren 
hingegen ,  welche  entweder  doppeltes  Geschlecht  besitzen ,  oder  getrennten  Ge- 
schlechtes sind,  erzeugt  das  Wachsthum  in  dem  einen  Geschlechtsapparate  die 
Anlage  zu  dem  neuen  Keime  als  einen  Theil  von  sich ,  und  die  Einwirkung  des 
entgegen  besetzten  Geschlechtes  hebt  die  Herrschaft  des  ersteren  auf. 


Corollarium  über  die  Paarung. 

Man  mufs ,  wie  es  scheint ,  in  der  Paarung  oder  der  gegenseitigen  Einwir- 
kung beider  Geschlechter  wieder  einen  doppelten  Act,  die  Begattung  und  die  Be- 
fruchtung ,  so  wie  eine  doppelte  Wirkung  unterscheiden ;  die  erste  besteht  darin, 
die  Frucht  der  Herrschaft  des  weiblichen  Eierstockes  zu  entziehen,  die  zweite 
darin  ihr  ein  individuelles  Leben  zu  geben.  Für  die  erstere  scheint  das  männ- 
liche Geschlecht  nur  in  so  fern  thätig,  als  es  den  weiblichen  Geschlechtsapparat 
zu  einer  höhern  aussondernden  Thäligkeit  aufregt.  Dem  aufbewahrenden  weib- 
lichen Character  wird  die  männliche ,  aussondernde  Richtung  mifgetheilt.  Eben 
deshalb  kann  das  Aussondern  des  Eies  zuweilen  auch  ohne  Paarung  erfolgen ,  in- 
dem die  Einwirkung  des  Männchens  durch  andere  Verhältnisse  ersetzt  wird. 
Dieses  geschieht  jedoch  um  so  seltener,  je  höher  das  Leben  der  Thierform  ent- 
wickelt ist.     Die  Graafschen  Bläschen  der  Säugethiere  scheinen  nicht  ohne  Be- 


151 

galtung  oder  ihr  analoge  Reizung  des  weiblichen  Geschlechtsapparates  sich  zu  öff- 
nen. Häufiger  kommt  dieses  schon  in  Vögeln  vor,  und  es  ist  sogar  Regel  bei  dem 
productivsten  derselben ,  dem  Haushuhne ;  jedoch  erfolgt  auch  hier  der  Austritt 
des  Eies  erst  wenn  der  Eierstock  überfüllt  ist.  In  den  Fröschen  gehen  zwar  die 
Eier  stets  vor  der  Befruchtung  ab,  allein  ich  habe  mehrmals  beobachtet,  dafs  die 
Eier  viele  Wochen,  ja  zuweilen  vielleicht  ganz  zurückgehalten  werden,  vrenn 
man  die  Weibchen  allein  hält.  Das  Abgehen  der  Eier  scheint  also  durch  das  Um- 
fassen des  Männchens ,  wo  nicht  allein  bedingt ,  doch  gar  sehr  beschleunigt  zu 
werden,  und  dieses  Umfassen  ist  in  der  That  eine  Begattung  *).  Nachtschmetter- 
linge legen  nicht  selten  gleich  nach  dem  Auskriechen  aus  der  Puppenhülle  Eier, 
vorzüglich  aber,  wenn  man  sie  aufspiefst ,  oder  Wenn  sie  in  ganz  engen  Behält- 
nissen gehalten,  oder  sonst  belästigt  werden.  Aus  Allem  geht  hervor,  dafs  das 
Heraustreiben  des  Eies  allerdings  durch  den  weiblichen  Geschlechtsapparat  be- 
wirkt wird ,  dafs  dieses  aber  in  der  Regel  durch  die  Einwirkung  des  männlicheu 
Geschlechtes  dazu  aufgeregt  wird ,  dafs  aber  auch  wohl  andere  Aufregungen  den 
Einflufs  des  männlichen  Geschlechtes  ersetzen  können. 

Was  die  zweite  Wirkung  der  Paarung  anlangt,  oder  die  Begründung  eines 
selbstsländigen  Lebens,  so  scheint  hierzu  die  Einwirkung  des  männlichen  Ge- 
schlechtes und  zwar  durch  seinen  Zeugungsstoff  viel  nothwendiger ,  als  zur  Lösung 
des  Eies,  und  im  Allgemeinen  um  so  nothwendiger,  je  höher  das  Leben  entwickelt 
ist  und  vielleicht  je  mehr  die  Differenz  der  Geschlechter  ausgebildet  ist.  Wenig- 
stens kennt  man  in  den  Wirbel thieren  keine  sichere  Beobachtung  der  Entwicke- 
luug  von  Jungen  ohne  Befruchtung.  Die  Erfahrungen,  die  man  von  Salamandern 
anführt ,  sind  nicht  beweisend.  Blumenbach  sah  einen  Salamander  nach  fünf- 
monatlicher Einsamkeit  Junge  zur  Welt  bringen,  (Kleine  Schriften  S.  136).  Da 
er  aber  die  Jahreszeit  nicht  angiebt ,  so  darf  man  hieraus  nicht  auf  eine  Zeugung 
ohne  vorhergegangene  Befruchtung  schliefsen,  was  Blumen  h ach  auch  nicht 
thut.  Wurfbain  (Salamandrologia  p.  83)  machte  eine  ähnliche  Beobachtung, 
da  aber  die  Jungen  nach  fünfmonatlicher  Einsperrung  der  Mutter  im  März  reif  zur 


*)  Für  die  Fisch- Weibchen  mag  die  Nähe  des  Männchens  auch  ohne  Berührung  doch  nicht  ohne 
Einflufs  seyn ,  und  es  wäre  nicht  überflüssig,  genaue  Beobachtungen  anzustellen,  ob  einzeln 
gehaltene  Weibchen,  immerund  eben  so  früh  laichen,  als  andere.  Ich  vermuthe  diesen  Einflufs, 
weil  ich  erfahren  habe,  dafs  Froschweibchen,  die  in  einem  grofsen  Blechkasten  mit  vielen  an- 
dern Fröschen  gehalten  wurden',  laichten,  obgleich  ich  nicht  bemerken  konnte,  dafs  sie  von 
Männchen  umfafst  waren,  denn  jeden  Abend  nahm  ich  die  gepaarten  Frösche  heraus  und  doch 
fand  ich  zuweilen  am  Morgen  Laich ,  der  sich  nicht  entwickelte.  Einer  solchen  Einwirkung 
des  Geschlechtes  aus  der  Entfernung  fehlt  es  auch  nicht  an  Analogie ,  wenn  wir  uns  erinnern, 
welchen  Einflufs  die  Nähe  der  Bienenkönigin  auf  das  Leben  des  ganzen  Stockes  ausübt. 


152 

Welt  kamen  ,  so  stammten  sie  offenbar  vom  vorigen  Jahre.  Dagegen  sollen  die 
Eier  von  eben  ausgekrochenen  Schmetterlingen  zuweilen  Embryonen  entwickeln, 
und  für  diese  Erfahrung  spricht  die  Autorität  eines  Pallas.  An  Blattläusen  hat 
mau  Zeugung  ohne  Befruchtung  vielfach  beobachtet.  Hierin  schon  liegt  ein  voll- 
standiger  Beweis,  dafs  bei  der  Befruchtung  das  männliche  Geschlecht  nicht  allein 
wirkt  und  das  weibliche  Geschlecht  ganz  leidend  sich  verhält.  Vielmehr  scheint 
die  Frucht  aus  einem  weiblichen  Geschlechtsapparate  weiblicher  Natur ,  welche 
durch  das  Keimbläschen  repräsentirt  wird,  und  es  bedarf  der  Einwirkung  des 
männlichen  Zeugungsstoffes  derselben  Thierart,  um  (he  Idee  des  Thiers  vollstän- 
dig zu  machen  und  ihm  die  Möglichkeit  der  Entwicklung  zu  geben.  Wie  nun 
diei  Einwirkung  de»  männlichen  Geschlechtes  ersetzt  werde,  um  jene  Eier  der 
Schmetterlinge  oder  die  Früchte  der  Blattläuse  zur  Enlwickelung  zu  bringen,  ist 
tun  so  mehr  unbegreiflich ,  als  der  Zeugungsstoff  einer  merklich  verschiedenen 
Thierart  nicht  einmal  befruchtend  wirkt.  Vielleicht  darf  man  annehmen ,  dals 
diese  Eier  ursprünglich  nicht  weiblicher  Natur,  sondern  weiblich  -  männlich  waren, 
bei  den  Blattläusen  als  normale  Folge  vom  Einfluls  der  Jahreszeit,  bei  jenen 
Schmetterlingen  als  besondere  Abweichung,  zu  welcher  die  lnsecten  schon  da- 
durch eine  Neigung  offenbaren,  dafs  das  Keimbläschen  in  ihnen  ungemein  früh 
schwindet.  —  Indessen  bleiben  neue  Bestätigungen  vom  Auskriechen  der,  Eier 
unbefruchteter  Phalaenen  sehr  zu  wünschen. 


■ 


■: 


Scho- 


153 


Scholion    IIL 

Innere  Ausbildung  des  Individuums. 


Nachdem  -wir  im  vorigen  Scholion  die  wachsende  Selbstständigkeit  des  a.  Aus  dem 
Embryo  als  einer  lebendigen  Selbstheit  und  die  Veränderungen  in  seinem  Verhält-  AIIeem.e»- 

i  ■■   l_  tt  i  •  i  nerntnttdas 

nisse  zu  den  nächsten  Umgebungen  ms  Auge  gefafst  und  erkannt  haben ,   wie  er  Besondere 
aus  einem  Theile  zum  Ganzen  heranwächst,  wollen  wir  jetzt  einen  Blick  auf  den  dreifacher 
Weg  werfen,  den  seine  innere  Ausbildung  nimmt.     Wir  werden  hier  eine  Wie-  Form- 
derholuug  desselben  Vorganges  finden.     Es  ist  nämlich ,  wenn  man  den  Fortgang 
der  Ausbildung  betrachtet,   vor  allen  Dingen  in  die  Augen  springend,   dafs  aus 
einem  Homogenen,    Gemeinsamen  allmählig  das  Heterogene  und  Specielle  sich 
hervorbildet.     Dieses  Gesetz  der  Ausbildung  ist  wohl  nie  verkannt  worden,    und 
ist  so  vorwaltend  in  allen  einzelnen  Momenten  der  Metamorphose ,  dafs  es  gar  nicht 
möglich  ist,  über  die  Ausbildung  genau  zu  berichten,  ohne  immer  im  Sinne  der- 
selben sich  auszudrücken.      Sie  ist  daher  auch  in  unsrer  Darstellung  überall  so 
vorleuchtend,   dafs  es  überflüssig  scheint,   sie  hier  erweisen  zu  wollen.      Ueber 
die  Weise  des  Vorganges  werden  aber  einige  Betrachtungen  nicht  überflüssig  seyn 
und  im  Folgenden  ihre  Anwendung  finden.     Es  lassen  sich  drei  Formen  der  DüFe- 
renzirung  unterscheiden. 

Durch  Sonderung  wird  zuvörderst  der  Keim  in  heterogene  Lagen  getheilt,  *•  P"märe 
die  bei  fortgehender Entwickelung  immer  mehrEigenthümlichkeit  gewinnen,  aber 
schon  im  ersten  Auftreten  eine  Anlage  zu  dem  Gefüge  verrathen ,  das  sie  später 
auszeichnen  soll.  So  ist  im  Keime  des  Vogels ,  sobald  er  im  Anfange  der  Bebrü- 
tung in  sich  Zusammenhang  gewinnt,  eine  mehr  glatte  continuirliche  obere  Fläche 
und  eine  mehr  körnige  untere  Fläche  zu  unterscheiden.  Es  sondert  sich  dann  die 
Keimhaut  in  zwei  getrennte  Lagen ,  von  denen  die  untere  in  den  plastischen  Lei- 
bestheil des  Embryo  ,  die  obere  in  den  animalen  übergeht,  und  von  denen  die  un- 
tere wieder  deutlich  zwei  eng  verbundene  Blätter  hat,  das  Schleimblatt  und  das 
Gefäfsblatt,  die  obere,  wenigstens  im  Embryo,  auch  in  zwei  Lagen  sich  theilt, 
in  die  Haut  nämlich  und  die  Theile,  die  ich  die  eigentlichen  Bauch-  und  Rücken - 
platten  genannt  habe ,   und  welche  das  Knochen  - ,   Faserhaut  -  und  das  Muskel- 

U  ' 


154 

system  mit  den  dazu  gehörigen  Nerven  in  der  Indifferenz  enthalten.  Um  einen 
Namen  für  die  folgenden  Betrachtungen  zu  gewinnen ,  nenne  ich  diese  Schicht 
die  Fleischschicht. 

Die  Spaltung  im  animalischen  Theile  wird  zwar  innerhalb  der  Keimhant 
nie  vollständig  erreicht,  doch  .scheint  die*  Änjaga  drm.  nicht  ganz  zu  fehlen  (vergl. 
Anmerkun"  zu  §.  1.  der  Entwicklungsgeschichte).  Dafs  auch  das  Rückenmark 
im  Wesentlichen  eine  solche  abgelöste  Schicht  ist,  Iäfst  sich  am  Huhne  zwar  nicht 
so  augenscheinlich  nachweisen,  als  die  ALblätlerung  der  andern  Schichten,  allein 
das  äufserst  feste  Anliegen  der  ersten  erkennbaren  Anlage  des  Rückenmarkes  an  die 
innere  Fläche  der  Rückenplatten  giebt  dieser  Entstehuhgsweise  einen  sehr  grofsen 
Grad  von  Wahrscheinlichkeit.  Hierzu  kommt  noch,  dafs  in  Fröschen  das  Rük- 
kenmark  im  ersten  Entstehen  sehr  dunkel,  fast  schwarz  ist.  Es  scheint  hier  also 
deutlicher  eine  Abblätterung  von  der  schwarzen  Keimhaut.  Jedoch  glaube  ich, 
dafs  das  Wasser  im  Rückenkanale  nicht  ohne  Einflufs  auf  diese  Bildung  ist.  Es 
nimmt  innerhalb  des  genannten  Kanals  sehr  rasch  ab ,  nachdem  die  erste  Anlage 
des  Rückenmarkes  aufgetreten  ist,  und  so  wie  das  Rückenmark  gesondert  da  steht, 
ist  seine  innere  Fläche  überaus  weich ,  wie  von  Wasser  durchzogen ,  und  nimmt 
rasch  an  Dicke  zu.  Im  Frosche  zeigt  sich  auch  die  innere  Fläche  des  Rückenmar- 
kes schnell  heller  gefärbt.  Es  hat  also  den  Anschein ,  als  ob  das  Wasser  in  die 
Organisation  des  Rückenmarkes  und  des  Hirnes  einginge.  Das  würde  aber  nicht 
hindern,  das  Rückenmark  im  Wesentlichen  für  eine  Abblätterung  der  Rücken- 
nlatten zu  halten ,  und  jene  Infdtration  mit  dem  Wasser  des  Rückenkauales  wäre 
dem  Aufschwellen  der  Gefäfsschicht  zu  vergleichen,  die  wir  bemerkt  haben  (vergl. 
§.  5.  der  Entwickelungsgeschichte).  Das  Abblättern  des  Rückenmarkes  hat  nur 
das  Eigenthümliche,  dafs  es  erst  erfolgt,  nachdem  der  Rücken  geschlossen  ist. 

Die  Differenzirung  des  Keimes  in  Schichten  giebt  also  die  Haut  der  innern 
nicht  verschlossenen  Holden  oder  die  Schleimhaut,  ferner  die  Schicht  für  die 
Stämme  des  Gefäfssystems ,  die  Flcischschicht,  die  Hautschicht  und  für  die  Wir- 
helthiere  die  Nervenschicht  oder  die  Schicht  für  die  Centraltheile  des  Nervensy- 
stems. Die  beiden  letztern  haben  in  Bezug  auf  den  Keim  dieselbe  Ursprungsstätte, 
nämlich  die  obere  Fläche  des  Keimes.  Da  nun  der  Embryo  der  Wirbclthiere  sich 
durch  doppeltes  Zusammenrollen  bildet,  was  wir  im  nächsten  Scholion  ausführ- 
licher betrachten  Avollen,  so  werden  aus  diesen  Schichten  Röhren.  —  So  viel 
von  der  Sonderimg  in  Schichten,  die  wir  die  primäre  Sonderung'  nennen  wollen. 
,.  Histologi.  Aufser  der  Differenzirung  in  Blätter  erfolgt  später  eine  andere  im  Innern 

rutg.S°nde"  der  Blätter,  indem  sich  Knorpel-,  Muskel-  und  Nervenmasse  scheiden,  einTheil 
der  Masse  aber  flüssig  wird  und  in  die  Bahn  des  Blutes  übergeht.     Bei  dieser  in- 


155 

— — — 

nern  Differenzirung  nehmen  also  einzelne  Elernentarthede  die  Natur  der  Schichten 
an,  indem  sie  zu  Nervenmasse  und  BInt  sich  bilden.  So  werden  denn  zwei  von 
den  in  Röhren  umgewandelten  Blättern  allgemeine  Systeme,  indem  die  Differen- 
zirung, welche  sie  abschied,  sich  in  den  andern  Blättern  wiederholt,  und  die  ur- 
sprünglichen Röhren  sind  nur  die  Centralthede  dieser  Systeme.  Andere  durch  in- 
nere Differenzirung  entstandene  Thede ,  wie  die  Knochen ,  bilden  sich  nur  in  ge- 
wissen Schichten.  Ich  nenne  diese  Form  der  Differenzirung  die  histologische  Son- 
derung. 

Eine  dritte'  Form  der  Differenzirung  ist  vorzüglich  eine  Differenzirung  der  d-  Morpho- 
äufsern  Gestaltung.  Einzelne  Abschnitte  der  ursprünglich  aus  den  Schichten  ge-  Sondernng. 
bildeten  Röhren  entwickeln  sich  nämlich  zu  individuellen  Formen ,  welche  in  spä- 
terer Zeit  besondere  Verrichtungen  haben ,  die  zwar  in  der  allgemeinsten  Bezie- 
hung untergeordnete  Glieder  der  Verrichtung  der  ganzen  Röhre  sind,  aber  doch 
von  den  Verrichtungen  anderer  Abschnitte  abweichen.  So  scheidet  sich  die  Ner- 
venröhre in  Sinnesorgane,  Hirn  und  Rückenmark,  die  Schleimhautröhre  in  Mund- 
höhle, Speiseröhre,  Magen,  Darm,  Athmungsapparat,  Leber,  Harnsack u. s. w. 
Die  Besonderheit  in  der  Entwicklung  ist  nämlich  entweder  mit  einem  vermehr- 
ten oder  verminderten  Vf  achsthume  verbunden. 

Nie  ist  zwar  ein  vermehrtes  Wachsthum  im  ganzen  Umfange  einer  Röhre 
gleichmäfsig ,  es  ist  aber  doch  bald  mehr  ausgebreitet,  bald  mehr  auf  eine  Stelle 
beschränkt.  Ist  es  ausgebreitet,  so  hat  der  Vorgang  mehr  den  Character  einer 
Abgrenzung  eines  Abschnittes  gegen  den  andern ,  so  (he  Scheidung  von  Hirn  und 
Rückenmark,  von  Magen  und  Darm.  Zeigt  sich  aber  das  vermehrte  Wachsthum 
auf  einer  beschränkten  Stelle  des  Umfanges  einer  Röhre,  so  giebt  sie  uns  mehr 
das  Büd  einer  Hervorstülpung.  So  die  Entwickelungsweise  der  Sinnesorgane  *) 
aus  der  Nervenröhre ,  des  Athmungsapparates ,  der  Leber ,  des  Harnsackes  aus 
der  Schleimhautröhre  (in  Verbindung  mit  der  Gefäfsschicht).     Im  Grunde  ist  aber 


*)  Ich  meine  hierbei  vorzüglich  die  höhern  Sinnesorgane.  Vom  Auge  und  Ohr  zeigt  dieEntwicke- 
lungsgeschichte  diese  Bedeutung  ganz  klar.  Was  die  Nase  anlangt,  so  scheint  die  Hervorstül- 
pung blofs  den  Stamm  des  Riechnerven  oder  den  Riechkolben  zu  umfassen.  Im  Grunde  ist 
auch  hier  das  Verhältnifs  wohl  nur  relativ.  Das  Auge  nämlich  scheint  eine  Hervorstülpung  der 
Nervenröhre  durch  die  Fleischschicht  (die  die  Knochen  mit  enthält)  bis  an  die  Hautschicht, 
und  die  äufsern  Theile  des  Auges  sind  dadurch  hervorgerufene  Metamorphosen  der  Haut.  Das 
Ohr  möchte  ich  eine  Hervorstülpung  der  Nervenröhre  bis  in  die  Fleischschicht  und  zwar  bis  in 
die  Knochenlage  derselben  nennen.  Dieser  Hervorstülpung  wächst  dann  eine  Einstülpung  der 
Hautschicht  entgegen.  Die  Nase  wäre  eine  Hervorstülpung  der  Nervenröhre  bis  an  die 
Fleischschicht,  denn  die  eigentlichen  (Riechnerven,  die  gewöhnlich  sogenannten  Aeste,  möchten 
wohl  nicht  durch  Hervorstülpung,  sondern  durch  innere  Differenzirung  entstanden  seyn. 

U  2 


156 

die  Entwickelungsweise  dieselbe  und  der  Unterschied  nur  relativ.  Solche  isolirte 
Umbildungen  der  allgemeinen  Röhren  haben  etwas  Gemeinsames  und  man  hat 
schon  im  Alterthume  diese  Uebereinstimmung  erkannt,  indem  man  sie  Organe 
nannte.  Ich  nenne  diese  Differenzirung  die  morphologische  Sonderung.  Die 
histologische  Souderung,  von  der  wir  so  eben  sprachen,  ist  davon  verschieden, 
und  tritt  in  jedem  Organe  noch  besonders  auf,  weshalb  jedes  Organ  auch  Ver- 
längerungen der  allgemeinen  Systeme,  des  Nerven  -  und  Gefäfssystemes  nämlich, 
enthalt.  In  vielen  erscheinen  auch  Muskelfasern ,  nur  in  wenigen  Knorpel  (oder 
Knochen) ,  wie  in  der  Luftröhre  und  dem  Kehlkopfe ,  aufser  der  Fleischschicht, 
wo  diese  histologischen  Elemente  vorherrschend  sind, 
c.  Nirgends  go  bildet  sich  durch  eine  dreifache  Differenzirung  die  Heterogenität  des 

düng,  C'Son- Körpers  aus,  und  jedes  einzelne  Organ,  so  wie  jeder  gröfsere  Inbegriff  von 
ÜmbilduT  Organen  zeigt  eine  zunehmende  Selbstständigkeit ,  wie  wir  wohl  die  Besonderheit 
eines  jeden  einfachen  Organes  oder  eines  Inbegriffes  von  Organen  nennen  können. 
Je  weiter  wir  zurückgehen ,  um  desto  mehr  finden  wir  nicht  nur  die  einzelnen 
Organe  sondern  auch  die  histologischen  Elemente  mit  einander  verbunden.  Die 
Beobachtung  selbst  zeigt  mehr  als  es  irgend  die  Darstellung  kann,  dafs  alles 
Einzelne  früher  in  einem  Allgemeinen  mit  enthalten  war.  Es  ist  in  der  That 
leichter  sich  hiervon  zu  überzeugen,  als  den  Beweis  zu  führen,  wenn  es  nicht  an 
sich  klar  scheint.  Nur  gegen  die  roheste  Ansicht  der  Neubildung  mag  Folgendes 
bemerkt  werden : 

l)  Wenn  durch  innere  Differenzirung  ein  Theil  sich  bildet,  war  nicht 
vorher  eine  Lücke  da.  Wo  z.  B.  sich  ein  Nerve  oder  die  Grundlage  eines  Knor- 
pels erzeugt,  war  nicht  vorher  eine  Lücke ,  sondern  eine  gemeinsame  Masse,  die 
sich  in  Nerv  und  Nichtnerv  scheidet.  Am  deuthchsten  für  das  Auge  ist  unter 
den  Vorfänden  der  histologischen  Sonderung  wohl  die  Bildung  der  Knorpel. 
Ueberall  wo  zur  Bildung  der  Anlage  eines  Knorpels  sich  dunkle  Köruerhäufchen 
sammeln  sieht  man  um  ihnen  herum  die  Masse  ganz  hell  werden.  Dieser  Vor- 
(jaDo  zei°t  die  histologische  Sonderung  augenscheinlich.  Ueberhaupt  scheint  die 
histologische  Sonderung  im  Vergleich  zu  der  morphologischen,  mehr  eine 
plastische  zu  seyn,  Gegensätze  hervorrufend. 

2)  Dafs  nirgends  ein  Neues  sich  bildet ,  das  mit  einem  schon  früher  Ge- 
bildeten nicht  zusammenhinge,  sondern  im  Gegentheile  sich  ihm  erst  anfügte. 
Nichts  also  schwimmt  frei  umher,  sich  hier  oder  da  anfügend  ,  wie  man  es  sonst 
wohl  vom  ranzen  Embryo  und  noch  neuerlich  vom  Rückenmarke  sich  gedacht 
und  belehrt  hat.  Vielmehr  ist  die  morphologische  Sonderung  eben  so  wohl  Her- 
vorbilduug  eines  Besondern  aus  einem  Allgemeinen,  wie  die  histologische  Son- 


157 

derung,  mit  dem  Unterschiede  nur,  dafs  die  morphologische  Sonderung  auf 
einem  modificirten  Wachsthume  beruht ,  und  also  relative  Differenzen  giebt ,  di« 
histologische  Sonderung  aber,  wie  eben  bemerkt  "wurde,  antagonistisclie.  Ein 
jedes  Organ  ist  also  ein  modificirter  Theil  eines  allgemeinern  Orgaues,  und  in 
dieser  Hinsicht  kann  man  sagen,  dafs  jedes  Organ  schon  in  den  Fundainental- 
organen  enthalten  ist,  und  zwar  mit  seinem  ganzen  Umfange.  Ich  glaube  mich 
deutlicher  zu  machen,  wenn  ich  mich  auf  ein  besonderes  Beispiel  berufe.  Der 
Athmungsapparat  ist  ein  besonders  hervorgewachsener  ursprünglich  nur  sehr 
kleiner  Theil  der  Schleimhautröhre.  Er  war  also  schon  in  der  Schleimhautröhre 
enthalten ,  und  zwar  mit  seinem  ganzen  Inbegriffe ;  denn  wenn  man  auch  zuerst 
nur  die  Luugeu  deutlich  als  seitliche  Ausstülpungen  hervortreten  sieht,  so  ist 
doch  zwischen  ihnen  an  der  untern  Fläche  eine  Stelle,  welche  bald  eine  ganz 
schwache  Erhebung  bildet.  Diese  ist  die  künftige  Luftröhre,  und  wenn  sich  die 
Lungen  so  weit  gelöst  haben,  dafs  ihre  Verbindung  mit  der  Schleimhautröhre  nur 
noch  eng  ist,  so  verlängert  sich  unter  fortwährendem  Hervortreten  der  Lungen 
diese  Stelle  in  die  Luftröhre.  Es  fehlt  also  geziau  genommen  die  Luftröhre  nie 
ganz,  sondern  sie  entwickelt  sich  nur  laugsamer  und  später  als  die  Lungen. 
Dasselbe  Verhältnifs  scheint  mir  überall,  jedoch  in  verschiedenem  Grade.  So  ist 
die  Ausbildung  der  Extremitäten  offenbar  ein  Theilen  in  besondere  Abschnitte, 
alleiu  das  erste  Hervortreten  der  Extremitäten  könnte  man,  nach  der  blofsen 
Ansicht,  fast  eine  hinzutretende  Neubildung  nennen,  so  wenig  war  ihre  Ent- 
wickelung  vorbereitet,  wenn  nicht  die  schon  gesonderte  Hautschicht  ununter- 
brochen von  den  Rücken-  und  Bauchplatten  aus  über  die  erste  Anlage  der  Ex- 
tremitäten wegginge. 

In  der  Bildung  der  einzelnen  Organe  wiederholt  sich  also  das  Verhältnifs, 
welches  zwischen  dem  Embryo  und  seiner  nächsten  Umgebung  Statt  fmdet  —  es 
besteht  in  einer  fortgehenden  Sonderung,  mit  dem  Unterschiede  nur,  dafs  die 
Orgaue  sich  nicht  lösen  ,  weil  sie  nie  ein  Ganzes  werden,  sondern  Theile  bleiben. 
Daher  auch  nicht  ein  Organ  das  andere  in  sich  aufnimmt  und  nur  wenige  Theile 
durch  die  andern  völlig  vernichtet  werden. 

Ganz  entgegengesetzt  dieser  Darstellung  ist  die  Lehre  von  Serres.     Nach     /■   P*hte 

Ose  ö  ••       l-    i     Umbilaung 

ihm  soll  der  ganze  Organismus  entstehen  durch  Zusammenwachsen  ursprünglich  ist  der  An- 
getreunter  Elemente ,    so  dafs  auch  die  einfachsten  Theile  wenigstens  aus  zwei  g^^en1 
Hälften  zusammengesetzt  würden.     Sie  beruht  nicht  auf  genauer  Beobachtung.  w^cnh(Ts' 
Serres  führt  diese  Ansicht  so  consequent  durch,    dafs  er  sogar  behauptet,   die 
Vorstellung,   die  man  von  dem  organischen  Wachsen  habe,   sey  eine  ganz  ver- 
kehrte,  alle  Vergröfserung  eines  Organes  bestehe  vielmehr  in  einer  Anlagerung 


158 

neuer  Tlieile  von  aufsen  *).  Mir  ist  nichts  in  lebenden  Korpern  bekannt,  was 
auf  diese  Ansicht  führte,  als  etwa  die  Bildung  des  mütterlichen  Theiles  der 
Placeuta.  Hier  lagert  sich  wirklich  auf  die  innere  Fläche  des  Fruchthalters  ein 
ausgeschiedener  Stoff  auf  und  verwächst ,  wenigstens  in  den  Thieren ,  in  welchen 
mütterlicher  und  kindlicher  Theil  der  Placenta  zu  Einem  Körper  sich  zu  ver- 
einigen bestimmt  sind,  zuvörderst  mit  dem  Fruchihälter.  Es  scheint  auch  bei 
Wiederkäuern  ein  ähnliches  Verhältnifs,  obgleich  kindlicher  und  mütterlicher 
Theil  nie  zu  einer  Einheit  werden.  Aber  es  ist  wohl  zu  bemerken ,  dals  dieser 
Stoff  von  demselben  Theile  ausgeschieden  wurde  und  nicht  von  aufsen  hinzuge- 
fügt ist  und  Blutgefässe  sich  in  ihn  verzweigen.  Es  ist  also  hier  nur  ein  über- 
rasches Wachsen,  wo  der  wachsende  Theil  seine  eigene  Schranke  durchbricht, 
und  die  Bildung  neuen  Stoffes  schneller  ist,  als  die  histologische  Differenzirung 
in  ihm.  Dafs  die  Horntheile  nach  den  Serres'schen  Vorstellungen  sich  ver- 
gröisern,  ist  bekannt,  aber  eben  deshalb  hat  man  ihnen  mit  Recht  das  organische 
Wachsthum  aligesprochen.  —  Nach  S  er  res  beruht  also  das  organische 
Wachsen  in  Vereinigung  von  lauter  isolirt  und  neu  entstandenen  Einzelheiten. 
Wir  behaupten  dagegen,  die  Entstehung  eines  Organes  ist  wie  die  Entstehung 
des  Embryo  nur  der  Anfang  des  Wachsthums  und  das  Wachsen  eine  Fortsetzung 
der  Entstehung,  die  aber  nur  scheinbar  ist  und  auf  Umbildung  beruht.  Ein 
absoluter  Anfang  ist  nirgends  benierklicb. 
g.    Aiige-  Was  endlich  die  Richtung  anlangt,    nach  welcher  die  Ausbildung  fort- 

tung  derAus-  schreitet ,  so  tritt  es  eben  so  klar  in  Jedem  Momente  der  Bildung  dem  Beobachter 
bildung.  entoe-Jen ,  dafs  sie  von  der  Mitte  zur  Peripherie  fortgeht.  Aus  dem  Innern  des 
Eierstockes  tritt  die  ganze  Dötterkugel  hervor.  Aus  der  Mitte  des  Dotters  tritt 
das  Keimbläschen  an  die  Peripherie;  aus  der  Mitte  stammt  auch  vielleicht  die 
Masse  der  ganzen  Keimschicht.  Aus  der  Mitte  der  Keimschicht  bildet  sich  der 
Keim.  Die  Mitte  des  Keimes  bildet  sich  zuerst  als  Fruchthof  zur  Erzeugung  des 
Embryo  vor.  Aus  der  Mitte  des  Fruchthofes  bildet  sich  der  Embryo,  erst  all- 
mählig  einen  Theil  der  Peripherie  in  seinen  Leib  umwandelnd.  Was  vom 
Embryo  zuerst  da  ist ,  ist  recht  eigentlich  seine  Mitte ,  von  wo  aus  die  Bildung 
nach  allen  Seiten  fortschreitet.  Wenn  sich  Rücken  -  und  Bauchhöhle  später 
durch  Verwachsung  von  den  Seiten  her  schliefscn,  so  ist  das  nur  eine  Ver- 
wachsung in  peripherischen  Theden ;  denn  die  Kämme  der  Rückenplatten  und 
die  untern  Ränder  der  Bauchplatten  sind  ihrem  Wesen  nach  peripherische  Theüe. 


*)    Annales  des  sciences  naturelles,  Tome  XII.    Sept. 


Die  nähere  Erörterung  darüber  gehört  für  das  nächste  Scholie-n.  Nur  in  der  Ver- 
knöcherung der  schon  gebildeten  Knorpel  gehen  häufig  die  peripherischen  den 
mehr  centralen  voran. 

Hier  erlaube  ich  mir  nur  noch  die  ßemerkung,  dafs  die  Entwickeluug 
nach  der  Peripherie ,  von  der  wir  im  nächsten  Schoben  mit  besonderer  Beziehung 
auf  die  Wirbelthiere  sprechen  werden ,  nicht  so  zu  verstehen  ist ,  als  ob  jedes 
einzelne  Atom  erst  aus  der  Mitte  hervorgetreten  wäre.  Nur  der  Fortschritt  der 
Entwickelung  hat  diese  Richtung,  uud  daraus  folgt  zwar,  dafs  jeder  Theil  früher 
der  Mitte  näher  gelegen  hat,  nicht  aber,  dafs  alle  Masse  ganz  in  der  Mitte  gelegen 
hat,  was  im  strengsten  Sinne  genommen  eine  Unmöglichkeit  wäre.  Schon  das 
rasche  Wachsen  des  Keimblattes  lehrt,  dafs  jeder  Theil  desselben,  da  wo  er  ist, 
sich  nährt. 


160 


S  c  h  o  1  i  o  n    IV. 

Ueber  das  Schema,  das  die  Entwickelung  der  Wirbelthiere  befolgt. 


§.  1. 

Im  Keime  und  werdenden  Embryo  zeigt  sich  in  edlen  Dimensionen  dieselbe 

Reihenfolge  von  Differenzen. 

Je  weiter  wir  in  der  Entwicklungsgeschichte  zurückgehen ,  um  desto 
mehr  fallen  alle  Vorgänge  zusammen.  Es  ist  daher  kaum  möglich,  irgend  ein 
Verhältnifs  von  seinem  Entstehen  an  zu  verfolgen,  ohne  auch  andere  wieder- 
holend zu  berühren.  Dieses  zur  Entschuldigung,  wenn  hier  einige  Bemerkungen 
nur  Fortsetzungen  oder  Wiederholungen  von  Bemerkungen  aus  dem  dritten 
Scholion  scheinen,  und  andre  vielleicht  spätem  Erörterungen  vorgreifen.  —  Es 
kam  mir  diu1  darauf  an,  eine  Reihe  von  Betrachtungen  zusammen  zu  fassen,  die 
sich  vorzüglich  auf  die  Bildungsweise  der  Wirbelthiere  beziehen.  Sie  sollten 
dem  folgenden  Scholion  als  Vorbereitung  dienen.  Dieses  letztere  wird  auch  näher 
zu  scheiden  sich  bemühen,  was  in  dem  vorhergehenden  mehr  allgemeine  Gültig- 
keit hat  und  nur  der  Darstellung  wegen  in  engern  Zusammenhang  mit  Verhält- 
nissen gebracht  ist ,  die  nur  im  Wirbelthiere  walten. 

So  zusammengesetzt  auch  und  scheinbar  verworren  der  Bau  eines  aus- 
gewachsenen Wirbelthiers  ist,    so  einfach   und   nach  allen  Richtungen  gleich- 
mäfsig  ist  der  Fortgang  der  Ausbildung  dieser  Form  in  der  ersten  Zeit. 
a.     Die  Ueberblicken  wir  zuvörderst   die  Scheidung,    welche  in  der  Dicke  des 

I )  i  ff  <? r t1 ' i z  G  \t 

der    primä- Keimes  auftritt  als  seröses  Blatt,  Gefäfsblatt  und  Schleimblatt ,    so  finden  wir  die 

ru'i"  wieder"  Wiederholung  derselben  Differenzirungen  auch  in  der  Fläche,  wie  schon  in  der 

holen  sich  in  Entwickelungsgeschichte  §.  1.  bemerkt  wurde,  da  im  Dotterhofe  das  Schleimblatt, 

sionen     des  im  Gefäfshofe  das  Gefäfsblatt  vorherrscht  und  der  Fruchthof  dem  serösen  Blatte 

entspricht.     Da  der  Keim  keinen  merklichen  Gegensatz  von  vorn  und  hinten  hat, 

so  kann  in  dieser  Dimension  dieselbe  Folge  nicht  auffallend  werden.     Als  ganz 

schwach  angedeutet  läfst  sie  sich  jedoch  auch  finden,  indem  nach  hinten  wirklich 

der  Dotterhof  überwiegt ,  nach  vorn  aber  der  Gefäfshof  und  besonders  der  Frucht- 

hof 


161 

hof  breiter. ist,  als  nach  hinten.  —  Sobald  aber  der  Embryo  auftritt,  ist  es  sehr  »•  Eben  5 
auffallend ,  dafs  seine  ganze  Ausbildung  von  einem  fortgehenden  Centralisiren  des  ""  Embryo 
serösen  Blattes  in  der  vordem,  des  Gefäfsblattes  in  der  mittlem  und  des  Schleim- 
blattes  in  der  hintern  Region  des  Embryo  begleitet  wird ;  denn  wenn  das  seröse 
Blatt  die  Bedeutung  des  animalen  Theiles  hat,  so  findet  es  seine  höchste  Aus- 
bildung im  Hirne  und  Kopfe,  wie  das  Gefäfsblatt  im  Herzen,  das  Schleimblatt 
im  Darme  und  vorzüglich  wohl  im  Magen,  welcher  eben  so  ein  umgebogener 
Theil  des  Schleimblattes  ist,  wie  das  Hirn  mit  dem  Schädel  für  das  seröse  Blatt 
und  das  Herz  für  das  Gefäfsblatt  sind.  Im  Embryo  offenbart  sich  dieselbe  Reihen- 
folge von  "Differenzen  auch  in  der  Dimension  der  Tiefe  um  so  offenbarer,  je  früh- 
zeitiger wir  ihn  betrachten,  was  allerdings  schon  an  sich  nothwendig  ist,  da  der 
Embryo  nur  eine  Wucherung  des  Keimes  ist.  Wir  finden  aber  auch  in  der  Fläche 
dieselbe  Aufeinanderfolge,  wenn  wir  deu  Embryo  in  dem  Zustande,  wo  sein  Leib 
noch  nicht  geschlossen  ist,  betrachten;  denn  da  vom  serösen  Blatte  nur  der 
mittelste  Theil  sich  in  den  Leib  des  Embryo  umwandelt,  so  hat  es  für  diesen  nur 
einen  geringen  Umfang,  während  das  Gefäfsblatt  und  das  noch  gröfsere  Schleim- 
blatt zu  der  Integrität  des  Embryo  gehören  und  künftig  ganz  in  ihn  übergehen. 

Wir  haben  also  dieselbe  Folge  von  Differenzen  : 

I)  in  dem  Keime  und  der  Keimhaut ,  und  zwar 

a)  in  der  Dimension  der  Tiefe  als 

l)  seröses  Blatt ,    2)   Gefäfsblatt,   3)  Schleimblatt. 

b)  in  der  Dimension  der  Fläche  als 

1)  Fruchthof,    2)  Gefäfshof,    3)  Dotterhof. 

c)  in  der  Dimension  der  Länge ,   in  so  fern  der  Fruchthof  vorn  am  meisten 

breit  ist,  der  Gefäfshof  weniger,  mit  einem  vordersten  Einschnitte,  der 

Dotterhof  aber  nach  hinten  vorherrscht. 
Von  dieser  dreifachen  Gliederung    ist   die   in   der  Längendimension   am 
wenigsten ,   die  in  der  Flächendimension  am  stärksten  ausgebildet ,  der  Gesammt- 
form  des  Keimes  entsprechend ,  der  nach  der  Dimension  der  Fläche  ausgebildet  ist. 

II)  im  Embryo ;  nämlich : 

a)  in  der  Dimension  der  Tiefe  als 

l)  animalischer  Theil ,    2)  Gefäfsblatt,    3)  Schleimblatt. 

b)  in  der  Dimension  der  Breite  als 

l)  Leib  des  Embryo ,    2)  Gefäfshof,    3)  Dotterhof. 

c)  in  der  Dimension  der  Länge  als 

t)  Hirn  und  Schädel ,   2)  Herz,    3)  Verdauungsapparat. 

X 


162 

Im  Embryo  ist  also  dieselbe  Gliederung,  wie  im  Keime,  jedoch  ist  sie 
in  der  Längendimension  am  stärksten  ausgebildet,  wie  diese  überhaupt  im 
Embryo  die  bestimmende  ist. 

I    • 

Ueberhaupt  entspricht  also 
die  obere  Fläche  der  Mitte  und  dem  vordem  Ende 


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ipherie 

Sil  gl  3  §:  3 


O 
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die  untere  Fläche  der  Peripherie  und  dem  hintern  Ende. 

Man  könnte  indessen  in  der  Fläche  der  Keimhaut ,  nachdem  der  Embryo 
kenntlich  geworden  ist,  vier  Glieder  annehmen,  wenn  man  den  Enibryo  als 
Theil  des  gesammten  Keimes  betrachtet,  nämlich  von  aufsen  nach  innen  Dotter- 
hof, Gefäfshof,  Fruchthof' und  Embryo,  wo  das  vierte  Glied  ein  später  hinzuge- 
kommenes ist.  Dieselbe  Vermehrung  der  Gliederung  finden  wir  aber  auch,  wenn 
wir  die  Blätter  im  Embryo  vergleichen,  indem  sich  die  Schicht  für  das  Rücken- 
mark später  sondert,  zwar  erst  wenn  der  Rücken  geschlossen  ist,  aber  ganz  dieser 
neuen  vierlächen  Gliederung  analog  als  die  höchste  Potenz  des  Thierischen 
im  Thiere. 

c.  Nach  Fragen  wir,    in  welcher  Reihenfolge  sich  die  einzelnen  Schichten   des 

henfolge        Keimes  in  den  Leib  des  Enibryo  umwandeln ,   so  finden  wir  diese  Umwandlung 

dwKeim'in  znerst  im  serösen  Blatte,  während  das  Gefäfs-  und  Schleimblatt  noch  unter  ihm 

den  Embryo  unverändert  fortgehen,  dann  im  Gefäfsblatte,  wo  durch  Bildung  des  Herzeus  und 

der  Aorta  diese  Umwandlung  kenntlich  wird ,  endlich  im  Schleimblatte ,  welches 

am  längsten  sich  passiv  verhält.      Die  Umwandlung  geht   also  von  oben  nach 

unten  fort.     Sie  schreitet  aber  auch  von  vorn  nach  hinten  fort,  denn  es  bekommt 

der  Kopf  seine  Grenze  früher  als  das  hintere  Ende ,   und  zugleich  von  der  Mitte 

zur  Peripherie,    denn  die  peripherische  Begrenzung  tritt  am  Hühnchen  erst  am 

zweiten  Tage  auf,  wo  die  Bauchplatten  sich  abgrenzen ,  nachdem  die  Mitte  schon 

längst  Embryo  geworden  war.     Die  Umwandlung  schreitet  also  nach  der  oben 

aufgestellten  Reihenfolge  fort,  und  so,  wie  sich  die  einzelnen  Pole  der  Dimensionen 

entsprechen. 


163 

Die  Abschuürung  als  höhere  Form  der  Abgrenzung  geht  nothwendig  den-  <*•  In  d"- 
selhen  Weg.  Sie  wird  zuerst  kenntlich  im  serösen  Blatte,  dann  im  Gefafsblatte,  geiudil  Ab! 
endlich   im  Schleimblatte,    und    dabei  schreitet  sie  in   jedem  folgenden  Blatte  schnü.r"ne 

*  c?  vor  sjcn 

immer  weiter  vor,  als  im  vorhergehenden,  so  dafs  zuerst  unter  dem  Kopfe  die 
Keimhaut  von  vorn  nach  hinten  sich  zurückzieht,  wobei  das  seröse  Blatt  das 
bedingende  scheint ,  dann  das  Gefäfsblatt  sich  löst  und  sich  schneller  nach  hinten 
zieht,  darauf  das  Schleimblatt.  Eben  so  am  hintern  Ende,  -wo  durch  die 
Trennung  der  Blätter  eine  Lücke  für  den  Austritt  des  Harnsackes  gebildet  wird, 
und  von  der  Seite ,  wo  die  anfangs  gespaltene  Bauchhöhle ,  die  Gekrös  -  und 
Darmplatten  gebildet  werden.  Dabei  erscheint  in  jedem  einzelnen  Blatte  die 
Abschnürung  am  frühesten  in  der  Längendimension,  und  zwar  zuerst  vorn,  dann 
hinten  und  darauf  an  den  Seiten,  wie  ich  §.  6.  d.  der  Entwickelungsgeschichte 
des  Hühnchens  schon  bemerkt  habe.  Sobald  nämlich  der  Embryo  einige  Selbst- 
ständigkeit hat,  ist  sein  lebendiges  Centrum  nicht  mehr  ein  Punkt,  sondern  eine 
Linie,  und  für  diese  Axe  wird  der  Gegensatz  von  Centrum  und  Peripherie  in  den 
von  Axe  und  Seiten  umgewandelt. 

Die  Bildung  des  Amnions  ist  nichts  als  eine  Weiterbildung  dieser  Ab-  .«•  «"<*  die 
schnürung ,  welche  innerhalb  des  serösen  Blattes  die  nächste  Umgebung  des  Amnions.^ 
Embryo  (Amnion)  von  dem  übrigen  Umfange  dieses  Blattes  (seröse  Hülle)  bis  zur 
völügen  Trennung  abschnürt.  Sie  schreitet  also  auch  eben  so  in  der  Entwicke- 
lung  fort,  denn  die  Ammonsfalte  sehen  wir  ebenfalls  zuerst  vorn ,  dann  hinten, 
darauf  an  den  Seiten.  Dafs  die  Umhüllung  in  ein  Amnion  für  die  Thiere ,  in 
welchen  sie  vorkommt,  nur  eine  Weiterbildung  der  Abschnürung  ist,  giebt 
vielleicht  den  Grund,  warum  in  den  Säugethieren,  bei  denen  die  Abschnürung 
am  stärksten  ist,  das  Amnion  am  frühesten  auftritt.     (Schob  II.  t.). 

§.   2. 

Eine  doppelt  symmetrische  Entwickelung  von  einer  Axe  ausgehend  verwandelt  in 

den  IVirbelthieren  die  Schichten  der  primären  Sonderung  in  Röhren. 

Nachdem  wir  im  dritten  Scholion  die  Art  und  Weise  im  Allgemeinen  ins        a.    Das 
Ange  gefafst  haben,    durch  welche  aus  dem  einfachen  Embryo  ein  zusammen-  dte*™«*^ 
gesetztes  Thier  sich  bildet  und  eine  auf  dreifache  Weise  sich  offenbarende  Son-  dun§    der 
derung  allmählig  im  Embryo  wirksam  gesehen  haben,   wird  es  nicht  überflüssig  gleicht 
seyn,    diesen  Faden  hier  wieder  aufzunehmen  und  in  Beziehung  auf  die  Aus-  e,ner  8" 
bildung  der  Wirbelthiere  weiter  zu  verfolgen.     Es  ist  wohl  keinem  Zweifel  unter- 

■wnrffin  .     rlafs  ienp  Hrei    Artpn   Act    Sonilernnir  in   nlh..,  TUl^f™™,.*    „„.X««-..««»*         'oN'  _ — ■ — ,  > 


worfen ,   dafs  jene  drei  Arten  der  Sonderung  in  allen  Thierformen  vorkommen,    /  Cy 


x  2  fvj&r 


'LIBRARY 


in 


164 

so  fern  sie  nicht  fast  ganz  einfach  sind.     Für  die  Wirbelthiere  hiufs' aber  «ler 
Fortgan»  der  Ausbildung  ein  eigentümlicher   seyn.      Nun  wissen  wir   aus  der 
Entwickelungsgeschichte  des  Huhnes ,   dafs  sich  zuerst  eine  Axe  bildet ,  dafs  von 
dieser  aus  eine  Entwickelung  nach  der  Seite,   dann  nach  oben  und  wieder  gegen 
die  Mittelebene  fortgeht,    und  durch  Verwachsung   eine  Röhre  sich  nach  oben 
bildet      an  welcher  nur  die  obere  oder  animalische  Schicht  des  Keimes  Theil 
nimmt ;   dafs  darauf  eine  andere  Fortbildung  in  entgegengesetzter  Richtung  von 
den  Seiten   nach   unten  fortgeht,    woran    sowohl  die  auimale   als  die  plastische 
Schicht  Theil  hat.     Denselben  Fortgang  habe  ich  im  Frosche  vollständig  verfolgt, 
und  wenn  ich  auch  keinen  Embryo  von  andern  Amphibien,  von  Fischen  und  von 
Säugelbieren  gesehen  habe ,    iu  welchem  der  Rücken  noch  offen  gewesen  wäre, 
so  liefseu  doch  die  Jüngern  Embryonen  mit  Sicherheit  erkennen,    dafs  auch  hier 
dasselbe  Schema   waltete,    denn  die  Wirbelsaite    und   die   kaum   verwachsenen 
Rückenplatteu  habe  ich  in  allen  erkannt.     Nehmen  wir  nun  darauf  keine  Rück- 
sicht    dafs  auf  der  ßauchfläche  am  Vogel,   Säugethier  und  den  meisten  Amphi- 
bien län»ere  Zeit  hindurch  eine  Gegend  (der  Nabel)  ungeschlossen  bleibt,  und  wir 
können  dieses  um  so  mehr,    da  in  andern  Wirbel thieren,   wie  im  Frosche,  sich 
kein  wirklicher  Nabel  bildet,    so  sehen  wir,    dafs  der  Embryo  der  Wirbelthiere 
zuvörderst  aus  zwei  Hauptrühren  besteht,   einer  obern  für  die  Rückenhälfte  und 
einer  untern  für  die  ßauchhälfte.     Jede  Röhre  ist  aus  seitlichen  Hälften  zusammen- 
»ewachsen,  und  zwar  so,    dafs  in  jeder  Röhre   nur  die  der  andern  zugekehrte 
Linie      wo  zwischen  beiden  Hauptröhren   die  Wirbelsaite  als  gemeinschaftliche 
Axe  liegt,   ursprünglich  central  ist,    die  Seitentheile  und  die  der  Axe  abgekehrte 
Schlufslinie  aber  einst  exceutrisch,    und  zwar  diese  Schlufslinieu  (für  die  obere 
Röhre   die   oberste  Linie,    für  die  untere  Röhre  die   unterste  Linie)    einst   am 
meisten  peripherisch  waren.     Wir  können  das  Schema ,  welches  die  Wirbelthiere 
in  ihrer  Entwickelung  verfolgen,    seinem  Queerdurchschnitte  nach  mit  einer  8 
vergleichen,   wenn  wir  uns  denken,   dafs  von  der  Mitte  aus  nach  oben  und  unten 
die  Gestalt  dieser  Ziffer  vollendet  wird. 
b  Dadurch  Da  ferner  theils  gleich  nach  dem  Schlüsse  nach  oben  ,   theils  während  des 

werden  aus  gchiusses  nach  unten,  im  Embryo  die  Sonderung  in  Schichten  eintritt,  so  bilden 
ten  des  Kei-  alle  Schichten  bald  Röhren.  Diese  Röhren  nenne  ich  die  Fundamentalorgane, 
mes  Rohren.  ^  ^^  ihnen  die  speciellen  Organe  sich  allmählig  ausbilden.  Sie  müssen  sich 
nothwendig  einander  einschliefsen ,  aber  nicht  auf  ganz  gleiche  Weise.  Die 
Figur  4.  der  Tafel  III.  giebt  eine  Durchschnitts -Abbildung  dieser  Röhren.  Ihr 
gegenseitiges  Lagerungsverhältnifs  ist  nothwendiges  Product  der  primären  Son- 
deruDg  und  des  Schema  der  Entwickelung. 


165 
Erinnern  wir  uns  nochmals,  dafs  der  Keim  sich  in  zwei  Lagen  theilt,  eine       •"•   Lage- 

runflsvcr- 

animalische  und  eine  plastische,   dafs  die  plastische  wieder  aus  einem  Gefäfsblatte  hältnifj  die- 
und  einem  Schleimhlatte  besteht,  die  animalische  aber  später  sich  ebenfalls  in  "Jf_  j^,""' 
eine  obere  und  untere  Schicht  sondert ,  dafs  ferner  an  der  Bildung  der  Bauchhälfte  riR-  4- 
beide  Lagen  Antheil  haben ,  an  der  Bildung  der  Rückenhälfte  aber  nur  die  anima- 
lische Lage ,    und  dafs  beide  Hälften  durch  ein  Zusammenwachsen  von  beiden 
Seiten  nach  oben  und  unten  gebildet  werden ;  so  folgt  daraus : 

1)  dafs  das  Schleimblatt  eine  innerste  Rühre  in  der  Bauchhälfte  des 
Thieres  bildet.  Wir  nennen  dieses  Fundamenlalorgan  die  Schleimhautröhre 
(Fig.  4.  f.).  Aus  ihr  bilden  sich  alle  diejenigen  Organe,  durch  welche  das  Thier 
mit  der  Aufsenwelt  einen  Stoffwechsel  unterhält.  Es  ist  dieselbe  Fläche,  die 
auch  der  Keim  der  ernährenden  Dottermasse  zugekehrt  hatte. 

2)  dafs  das  Gefäfsblatt  in  der  Bauchhälfte  die  Schleimhautrühre  umgiebt. 
Da  aber  das  Gefäfsblatt  schon  einen  Schlufs  bildete  (die  Naht  des  Gekröses) ,  ehe 
die  Schleimhaut  sich  schlofs,  so  formt  es  zwei  Röhren,  eine  über  der  Schleim- 
hautröhre, welche  nichts  enthält,  sich  allmählig  verengert  und  endlich  verwächst, 
und  eine  zweite ,  welche  die  Schleimhautrühre  genau  umgiebt.  Diese  gedoppelte 
Gefäfshautröhre  (Fig.  4.  e.)  unterhält  allen  Stoffwechsel  im  Innern  des  Leibes, 
und  die  Gefäfse,  die  sich  in  ihr  bilden,  dringen  daher  später  in  alle  Theile  des 
Leibes  ein. 

S)  dafs  die  ursprünglich  untere  Schicht  der  animalischen  Lage,  welche 
wir  die  Fleischschicht  genannt  haben  (Schob  III.),  zwei  Rühren  bilden  mufs, 
eine  Rächenröhre  (/)  und  eine  Bauchröhre  (c),  welche  beide  umhidlend  sind, 
indem  die  letztere  die  beiden  früher  genannten  Rühren  umgiebt,  die  erstere  aber 
die  Nervenröhre.  Bei  weiterer  Sonderung  trennt  sich  die  Fleischschicht  wieder 
in  eine  innere  Knochenschicht  (mit  Inbegriff  der  fibrösen  Häute)  und  eine  Muskel- 
schicht. Das  Skelet  hat  also  nach  diesem  Typus  auch  untere  und  obere  Bogen, 
mit  eiuer  mittlem  Säule,  und  stellt  überhaupt  das  ganze  Schema  der  Entwicklung 
am  vollständigsten  dar.  Da  beide  Röhren  der  Fleischschicht  über  einander  liegen, 
und  die  Knochenlagc  in  beiden  Röhren  nach  innen  liegt,  so  gehört  die  gemein- 
schaftliche Axe  beider  Röhren  und  des  ganzen  Thieres  dem  Skelette  an. 

4)  Es  bleiben  nun  noch  im  Embryo  der  röhrenförmige  Centraltheil  des 
Nervensystems,  oder  die  Nervenröhre  (d)  und  die  Haut  (A),  welche  eine  allge- 
meine äufsere  Röhre  über  beide  Röhren  der  Fleischschicht  bildet.  Diese  beiden 
Theile  stammen  in  Hinsicht  auf  den  Keim  aus  demselben  Bette.  Sie  sind  die  jetzt 
abgesonderte  obere  Schicht  von  der  animalen  Lage  des  Keimes.  Sie  müssen  auch 
ursprünglich  zusammengehangen  haben,    so  dafs  sie  beim  Schlüsse  des  Rückens 


166 

eine  innere  engere  und  eine  äufsere  weitere  mit  dieser  verwachsene  Röhre  bildeten, 
und  sind  nur  durch  den  Schlufs  der  beiden  Blätter  der  Rückenröhre  von  einander 
getrennt.  Vielleicht  beruht  es  hierauf,  dafs  nur  die  Nervenröhre  vom  Anfange  an 
geschlossen  gefunden  wird,  indem  wir  sie  erst  als  selbstständig  erkennen ,  wenn 
die  beiden  Kämme  der  Fleischschicht  sie  von  der  Haut  getrennt  haben. 

Die  ursprüngliche  Uebereinstimmung  von  Haut  und  Rückenmark  scheint 
wichtig,  und  wenn  die  erstere  die  Peripherie,  das  letztere  das  Centrum  des 
auimalen  Nervensystems  ist ,  so  sehen  wir ,  wie  durch  die  Entwickelung  auf  die 
einfachste  Weise  ein  Theil  des  ursprünglich  Gemeinschaftlichen  nach  innen  gestellt 
wird ,  durch  Bildung  der  Rückenröhre ,  während  der  andere  Theil  an  der  Peri- 
pherie bleibt.  In  dem  eingeschlossenen ,  innern  Theile  entwickelt  sich  nun  das 
thierische  Leben  zu  seiner  höchsten  Blüthe ,  während  der  peripherische  Theil  auf 
niederer  Stufe  stehen  bleibt.  —  Eben  so  theilt  sich  später  wieder  die  Nerven- 
röhre in  zwei  Schichten,  in  eine  umhüllende,  die  Häute,  und  eine  umhüllte, 
das  Nervenmark.  So  auch  die  Haut,  die  sich  allmählig  in  Lederhaut  und  Ober- 
haut scheidet.  Bezeichnen  wir  nun  den  Gegensatz  von  der  weniger  lebendigen 
Haut  und  dem  mehr  lebendigen  Rückeumarke  mit  —  und  -\-,  so  sehen  wir,  dafs 
in  jedem  Gliede  sich  derselbe  Gegensatz  wiederholt.  In  der  Gliederung  der 
hineinsetretenen  Rückenröhre  von  der  Fleischschicht  kehren  sich  die  Pole  aber 
bei  der  Sonderung  in  Knochen  und  Muskeln  um,  die  leblose  Seite  ist  nach  innen, 
die  lebendigere  ist  nach  aufsen  gekehrt.  Dadurch  entsteht  folgende  Reihe  von 
Gegensätzen : 

Hautschicht.  Rückenröhre  der  Fleischschicht.  Nervenschicht. 

Oberhaut,   Lederhaut.  Muskel,  Knochen.  Häute,  Nervenmark. 

—  -4-  -4-  —  —  -+- 

Eine  ähnliche  oder  verwandte  Gliederung  ist  schon  deshalb  für  die  untere 
oder  Bauchhälfte  wahrscheinlich ,  weil  die  ersten  Glieder  dieselben  sind  und  weil 
sie  nach  demselben  Typus  gebaut  ist,  nur  mit  dem  Unterschiede,  der  aus  der 
Verschiedenheit  der  ursprünglich  untern  aufnehmenden  Fläche  des  Keimes  und 
seiner  obern  hervorgeht.  Auf  jeden  Fall  scheint  hier  ein  Glied  mehr  zu  seyn. 
Doch  wage  ich  nicht,  die  Gliederung  aufzustellen,  da  es  noch  fraglich  ist, 
welcher  von  den  ursprünglichen  Röhren  die  Muskelschicht  des  Darmes  angehört, 
ob  dem  Gefäfsblatte ,  oder  dem  Schleimblatte.  Bedenkt  man  indessen,  dafs  auch 
m  dem  isolirten  Theile  des  Gefäfsblattes  Muskelfasern  sich  bilden,  im  Herzen 
nämlich,  dafs  ferner  das  Gefäfsblatt  auf  dem  Darme  beträchtlich  anschwillt 
(Entwickelungsgeschichte  §.  5.),  und  zwar  in  der  Magengegend  am  meisten,  so 


167 

darf  man  wohl  vermuthen,  dafs  die  Muskelschicht,    die  im  Athinungsapparate 
sogar  von  Knorpeln  und  Knochen  begleitet  wird ,  dem  Gefäfsblatte  angehört. 

Solche  Röhren  hat  jedes  Wirbelthier  als  Fundamentalorgaue.  Wo  sich 
der  Embryo  vom  Dotter  abschnürt,  können  wir  im  Dotter,  wenn  wir  ihn  uns 
cylindrisch  denken ,  noch  eine  aufser  dem  Leibe  liegende  Röhre  für  das  Gefäfs- 
blatt  und  das  Schleimblatt  erkennen,  die  durch  Einschnürung  von  den  im  Leibe 
enthaltenen  Röhren  geschieden  sind.  In  denselben  Embryonen  bildet  sich  nun 
durch  die  Amnionsfalte  aus  dem  serösen  Blatte  eine  Röhre ,  welche  den  gesammten 
Embryo  einhüllt  (Amnion),  und  eine  zweite,  welche  den  Embryo  mit  dem  Darm- 
sacke umschliefst  (seröse  Hülle).  Es  sind  dieselben  Thiere,  welche  im  Harn- 
sacke auch  ein  hervorgetretenes  Organ  haben. 

Werfen  wir  noch  einen  allgemeinen  Blick  auf  das  gegenseitige  Verhältnils  d-  Gestai- 
der  Fuudamentalorgane,  so  scheint  uns  dieses  eine  nähere  Einsicht  in  die  Organi-  hä?t8nifsr'der 
sation  der  Wirbelthiere  zu  versprechen.     Aufser  der  Haut,  welche  beide  Hälften  F"ndamen- 

_  .  .    .,,  ,..■  -    .  *  talorgane. 

des  W  irbelüneres  umscnuelst,  finden  wir  zwei  Paar  Fuudamentalorgane.  Das 
eine  Paar  ist  doppelröhrig ,  die  Fleischschicht  und  das  Gefäfsblatt.  Wird  hier- 
durch ein  gewisser  Grad  von  ursprünglicher  Uebereinstimmung  ausgesprochen? 
Wir  lassen  es  dahin  gestellt  seyn,  können  es  aber  doch  nicht  unbemerkt  lassen, 
dafs  diese  beiden  es  sind,  in  welchen  die  meiste  histologische  Sonderung  sich 
später  entwickelt.  Das  andere  Paar  besteht  aus  einfachen  Röhren,  die  eine  ist 
oben ,  die  andere  unten.  Jene  bildet  das  Innere  des  animalischen  Leibes ,  diese 
das  Innere  des  plastischen  Leibes.  Jene  wird  von  der  obern  Röhre  der  Fleisch- 
schicht ,  diese  von  der  untern  Röhre  der  Gefäfsschicht  eingeschlossen.  Im  All- 
gemeinen wird  also  im  Wirbelthiere  oben  das  animalische  Leben,  unten  das 
plastische  Leben  vorherrschen.  In  der  Längendimeusion  wiederholt  sich  das- 
selbe Verhältnifs,  da  überhaupt  von  vorn  nach  hinten  dieseüje  Aufeinanderfolge 
ist,  wie  von  oben  nach  unten  ($.  1.  £.).  —  Mit  dem  Verhältnisse  von  aufsen  und 
innen  ist  es  anders,  wegen  des  doppelten  Zusammenrollens.  In  der  Bauchhälfte 
nämlich  ist  die  untere  Fläche  des  Keimes  zur  innern  geworden ,  in  der  Rücken- 
hälfte nur  der  mittlere  Theil  der  obern  Fläche,  während  das  Uebrige  der  obern 
Fläche  für  den  ganzen  Leib  zur  äufsern  Grenze  wird.  Deshalb  ist  der  Gegensatz 
der  obern  und  untern  Hälfte  nicht  vollkommen. 

Fruchtbarer  als  die  Betrachtung  des  blofsen  Lagerungsverhältnisses  der   «■  Fortgang 
Fundamentalorgane  dürfte  ein  Rückblick  auf  ihren  Bildungsfortgang  für  die  ganze  cenSalS 
Entwicklungsgeschichte  seyn.     Da  alle  Bildung  von  einer  Axe  aus,  nach  beiden  ™?  Schlufc- 
Seiten  und  nach  oben  und  unten  fortgehend,   eine  Fläche  in  zwei  Hanptröhren  Fundamen- 
umwandelt,  wie  schon  öfter  bemerkt  wurde  (Schol.  IV.  §.  2.  a.),  so  können  wir  ta,or«anf,n- 


168 

Bildung«-  diesen,  Fortgang  durch  das  Schema  Fig.  5.  darstellen.  Die  Ansicht  dieser  Ab- 
bogen, bildung,  besonders  "wenn  wir  sie  mit  Fig.  4.  vergleichen,  versinnlicht  uns ,  wie 
der  Keim  aus  der  Gestalt  einer  Platte  sich  zum  Embryo  umbildet.  Geht  nämlich 
alle  Entwickeluug  vom  Centrum  zur  Peripherie,  zugleich  aber  auch  aus  äeT 
Fläche  nach  oben  und  unten  von  einer  Axe  a,  so  wird  aus  der  Peripherie  die 
obere  und  untere  Mittellinie  des  ganzen  Körpers  gebildet.  Die  beiden '  punktirten 
Linien  m  tri  und  n  n  zeigen  an  ,  wo  die  Schlufslinie  des  Rückens  und  des  Bauches 
herstammen ,  wenn  wir  sie  auf  die  vergröfserte  Platte  des  Keimes  beziehen.  Sie 
sind  die  äufsersten  Grenzen  des  Theiles  vom  Keime,  der  sich  in  die  Rückenhälfte, 
und  des  Theiles,  der  sich  in  die  Bauchhälfte  verwandelt.  Dadurch  wird  es  an- 
schaulich ,  was  wir  oben  bemerkten ,  dafs  die  Schlufslinien  der  Rücken  -  und 
ßauchhälfte  ursprünglich  am  meisten  peripherisch  waren,  m  tri  und  n  n  sind 
die  Wege,  die  diese  Theile  zurücklegen  würden,  um  aus  dem  Keime  den  Embryo 
zu  bilden ,  wenn  keine  Vergröfserung  zugleich  Statt  fände.  Alle  Blätter  wachsen 
aber  bei  dieser  Ortsveränderung  zugleich  vom  Centrum  nach  der  Peripherie  zu, 
so  dafs  jeder  einzelne  Punkt  in  einem  bestimmten  Bogen  fortrückt.  Nehmen  wir 
jetzt  nur  auf  die  Bildung  der  Fundamentalorgane  Rücksicht ,  so  können  wir  die 
Richtung  der  Entwickeluug  mit  denjenigen  bogenförmigen  Linien  unsrer  5ten  Figur 
bezeichnen,  in  denen  kleine  Pfeile  zur  Andeutung  der  Richtung  enthalten  sind. 
Ich  nenne  den  Weg,  auf  welchem  jeder  Punkt  während  der  Bildung  fortrückt, 
seinen  Bildungsbogen.  b ,  c,  d,  e,  /in  Fig.  5.  sind  nun  die  Bildungsbogen  für 
alle  Theile,  die  in  der  Ebene  ihrer  Schicht  bleiben,  ohne  aus  ihr  hervorzu- 
treten *).  Auf  welches  Fundamentalorgan  jeder  Bildungsbogen  sich  bezieht, 
ergiebt  sich  leicht  aus  der  Vergleichung  mit  Fig.  4.,  da  die  Bezifferung  die- 
selbe ist. 

Es  wird  nun  aus  dieser  Fig.  5.  auch  klar,  dafs  man  durchaus  nicht 
die  «anze  Mittelebene  des  Embryo  für  central  ansehen  darf,  dafs  vielmehr, 
so  wie  im  ganzen  Embryo,  eben  so  in  jedem  röhrigen  Fundamentalorgane, 
eine  Centrallinie  ist,  von  welcher  aus  die  Bildung  fortschreitet,  und  ihr 
gegenüber  in  derselben  Röhre  eine  Schlufslinie  sich  findet.  Die  Central- 
linie eines  jeden  Fundamentalorganes  ist  der  Axe  des  ganzen]  Thieres  am 
ineisten  zugekehrt.  Sie  ist  die  einzige,  die  in  der  ganzen  Röhre  ursprüng- 
lich  einfach   war.     Die  Schlufslinie   ist    aus   zwei   am  meisten  peripherischen 

Half- 


*)    Diese  sind  die   ursprünglichen  Bildungsbogen  im  Gegensätze  xu  den  durchbohrenden  Bildungs- 
bogen.    (Schol.  IV.  $.  3.  m.). 


169 

Hälften  gebildet,    denn    jedes  Fundanientalorgan   ist   aus  einer  Fläche    in   eine 
Röhre  umgewandelt  *)', 

Um  uns  hiervon  zu  überzeugen  und  es  zugleich  zu  versinnlichen ,  denken 
wir  uns  eine  Ebene  senkrecht  durch  den  Leib  des  Thiers  gelegt.  In  Fig.  4.  ist 
x,  y  der  Durchschnitt  dieser  Ebene.  Verfolgen  wir  ihn  nun  von  oben  bis  uuten, 
so  treffen  wir  zuerst  auf  Haut,  dann  auf  Knochen  und  auf  die  obere  Naht  des 
Rückenmarkes.  Alle  diese  Stellen  sind  nicht  ursprünglich  einfach,  sondern  durch 
Verwachsung  der  Rückenplatten  einfach  geworden.  Folgen  wir  der  Linie  weiter, 
so  stöfst  sie  noch  einmal  auf  die  Nervenröhre,  aber  da,  wo  sie  ursprünglich  ein- 
fach ist.  Hier  ist  also  ihre  Centrallinie.  Weiter  fortgeführt  trifft  die  Ebene  auf 
die  Wirbelsaite  und  ihre  Umgebung,  die  Centrallinie  für  beide  Röhren  der 
Fleischschicht  und  die  Axe  des  ganzen  Thiers.  Noch  weiter  nach  unten  kommt 
sie  auf  das  Gefäfsblatt.  Es  ist  hier  die  nie  getheilt  gewesene  Centrallinie  dieses 
Blattes.  Bald  darauf  treffen  wir  nochmals  auf  das  Gefäfsblatt  in  der  Naht  des 
Gekröses,  also  auf  eine  verwachsene  Stelle.  Noch  weiter  erreicht  unsre  Mittel- 
ebene  zuerst  die  Schleimhautröhre ,  an  der  Linie,  die  nie  peripherisch  gewesen 
ist,  dann  zum  zweiten  Mal  dieselbe  Röhre ,  wo  sie  einst  peripherisch  war.  An 
der  Bauchfläche  stöfst  sie  wieder  auf  die  Fleischschicht  und  auf  Haut,  in  einer 
Linie,  die  einst  die  äufserste  Peripherie  war  **),  So  hat  also  jede  der  Funda- 
mentalröhren eine  der  Axe  des  ganzen  Thiers  zugekehrte  Linie,  und  diese  Linie 
ist  zugleich  die  Axe  für  die  Bildung  dieser  Röhre.  Nur  diese  Linie  ist  ursprüng- 
lich central.  In  jeder  Röhre  ist  aber  eine  andere  von  der  gemeinschaftlichen  Axe 
abgekehrte  Linie,  und  waa  in  dieser  Linie  liegt,  war  für  jede  Röhre  einst  am 
meisten  excentrisch.  Nur  die  Ilautschicht  macht  eine  Ausnahme.  Sie  ist  überall 
excentrisch  gewesen.  Ihre  Axe  ist  ursprünglich  mit  der  Centrallinie  der  Nerven- 
röhre identisch ,  von  welcher  die  Haut  nur  später  abgeschnitten  wird  und  nun  als 
Haut  gar  keine  Centrallinie  hat. 

Auch  bei  der  Weiterbildung,   wenn  aus  den  Fundamentalorganen  durch    /.  Anwen 
morphologische  Sonderung  (Schob  III.  rf.)  sich  die  einzelnen  bleibenden  Organe  Früheren* 
ausbilden,    wirkt  das  aufgestellte  Schema  immer  fort.     Denn  es  lassen  sich  fol- 
gende allgemeine  Regeln  bei  der  Weiterbildung  erkennen : 


*)  Dals  die  Bauchhälfte  sich  mehr  durch  Abschnürung  als  durch  wirklich  seitliche  Verwachsung 
bildet,  ist  kein  Einwand.  Die  doppelte  «ymmetrische  Entwickelung  schliefst  die  Vorstellung 
von  Verwachsung  in  sich.  Jenes  Verhältnifs  ist  nur  eine  Modification  ,  wovon  wir  den  Grund 
später  beleuchten  wollen.     (Vergl.  §.  3.  d.  dieses  Scholions.) 

**)  Verlängert  man  die  Linie  x  y  bis  in  den  Dottersack,  wie  in  unsrer  Abbildung  geschehen  ist, 
so  trifft  sie  auch  hier  nur  auf  Theile,   die  ursprünglich  peripherisch  waren. 

y        .  " 


170 

1)  Die  Centrallinie  aller  einzelnen  Fundamentalorgane  scheint  im  Allge- 
meinen *)  eben  so  -wenig  geneigt,  irgend  eine  weitere  Entwickelung  zu  erfahren,  als 
die  Axe  des  gesammten  Thiers,  oder  die  Wirbelsaite.  In  der  Nervenröhre  bleibt 
sie  unverändert,  eben  so  in  der  Gefäfskautröhre ,  wo  ihr  vorderster  Theil  nur 
schwindet.  So  auch  in  der  Schleimhautröhre.  Dennoch  bestimmt  sie  immer  die 
Richtung  der  Entwickelung,  denn  alle  fernere  Entwickelung  scheint  immerfort 
nach  der  Richtung  der  Pfeile  in  unsrer  5ten  Figur  fortzugehen,  woraus  eine  zweite 
allgemeine  Regel  folgt: 

2)  Alles,  was  aus  der  Schlufslinie  irgend  eines  Fundamentalorganes  hervor- 
tritt, bleibt  in  der  Mittelebene  und  theilt  sich  nicht  wieder  seitlich.  Wenn  diese 
Regel  Wahrheit  hat ,  so  ist  sie  nur  eine  nothwendige  Folge  des  in  unsrer  Fig.  5. 
abgebddeten  Schemas  der  Entwickelung  und  eben  dadurch  eine  Bestätigung 
desselben.  Soll  nämlich  die  Fortbildung  nach  den  punktirten  Linien  dieser 
5'en  jPigUr  fortschreiten,  so  kann  etwas,  das  in  dieser  Richtung  fortgeht,  so  bald 
es'  die  Mittelebene  erreicht  hat ,  diese  nicht  wieder  verlassen.  Da  es  hierauf  sein 
Gleichnamiges  der  andern  Seite  trifft,  kann  es  wohl,  wenn  die  Entwickelung 
stark  ist ,  innerhalb  der  Mittelebene  wachsen ,  aber  nicht  aus  ihr  heraus  **). 
Suchen  wir  einige  Beweisgründe  auf!  Der  Athmungsapparat  tritt  aus  der 
Schleimhautröhre  hervor,  aber  so,  dafs  die  Lungen  aus  den  Seitentheilen  aus- 
gestülpt werden,  der  Luftröhrenstamm  aus  der  untern  Fläche  oder  der  Schlufs- 
linie. Jene  verzweigen  sich,  diese  nicht,  die  Luftröhrenäste  nämlich  sind  schon 
ursprünglich  seitlich  und  die  Stämme  der  Lungen.  Der  Harnsack  tritt  aus  der 
Schlufslinie  seines  Fundamentalorganes  hervor  und  bleibt  ungetheilt.  Die  Dorn- 
fortsätze, die  Flossenträger,  die  Flossenstrahlen,  lauter  Vorragungen  der  Mittelebene, 
könuen  eine  ungeheure  Länge  erlangen,  spalten  sich  aber  nicht  seitlich.  Die  so- 
genannten untern  Dornfortsätze ,   welche  an  der  untern  Fläche  der  Brust  -   und 


*)  Ich  habe  mich  des  Ausdruckes  „im  Allgemeinen"  bedient,  weil  ein  nicht  seltenes  Organ  viel- 
leicht eine  Ausnahme  macht.  Ich  meine  die  Schwimmblase  der  Fische.  Der  Analogie  nach 
sollte  man  vermuthen ,  dafs  sie  aus  der  Schleimhautröhre  hervorwächst.  Dann  würde  sie 
freilich,  wo  sie  einfach  ist,  aus  der  Centrallinie  dieser  Röhre  hervortreten,  und  die  allge- 
meine Gültigkeit  des  Gesetzes  aufheben.  Allein  ,  da  auch  Schwimmblasen  vorkommen, 
welche  mit  dem  Speisekanal  gar  nicht  in  Verbindung  stehen,  so  ist  vielleicht  ihre  Bildungs- 
weise eine  andere.     Stammen  sie  etwa  ursprünglich  aus  der  Lücke  des  Gekröses? 

**)  Das  hindert  aber  nicht  die  Schlufslinie  irgend  eines  Fundamentalorganes,  statt  bei  weiterer 
Entwickelung  von  der  Centrallinie  sich  zu  entfernen ,  vielmehr  derselben  sich  nähert.  Dieses 
Verhältnifs  mufs  vielmehr  eintreten ,  wenn  in  den  Seitentheilen  eines  Fundamentalorganes 
eine  stärkere  Entwickelung  ist ,  als  in  den  ursprünglich  peripherischen  Rändern ,  welche  die 
Schlufslinie  bilden.  In  der  ganzen  Nervenröhre  erzeugt  ein  solches  Verhältnifs  in  späterer 
Zeit  die  Einschnitte  in  der  Mittelebene. 


171 

Bauchwirbel  mehrerer  Vögel  hervorstehen,  und  hei  einigen,  wie  in  der  Gatlun« 
Colymbus,  sehr  lang  und  an  der  Spitze  in  zwei  seitliche  Bogen  gespalten  sind 
machen  keine  Ausnahme,  denn  sie  liegen  nicht,  wie  .die  untern  Dornfortsätze 
des  Schwanzes,  in  den  Bauchplatten,  gehören  nicht  zu  der  Knochenlage  der 
Bauchröhre  und  scheinen  überhaupt  nicht  durch  einen  Schluls  erzeugt,  sondern 
Wucherungen  aus  dem  Stamme  der  Wirheisäule  nach  innen  zu  von  dieser  Röhre. 
Hiernach  müssen  sie  bei  weiterer  Entwickelung  nach  unserm  Schema  in  seitliche 
Bogen  auslaufen.  Die  gespaltenen  Domfortsätze  der  Halswirbel  des  Menschen 
könnten  eher  für  eine  Ausnahme  gelten ,  allein  sie  sind  nicht  nur  unbedeutend 
sondern  auch  durch  die  Muskeln  hervorgezogen ,  und  ihre  Grundlage ,  die  fibröse 
Haut,  ergänzt  sie  als  Nackenband.  Bedenklich  sind  freilich  die  Dornfortsätze  der 
Schildkröten,  die  oben  in  eine  Platte  sich  ausdehnen.  Allein  das  Entwickejungs- 
schema mufs  nothwendig  bei  den  Schildkröten  auf  eine  ganz  eigene  Weise  modi- 
ficirt  seyn,  welche  auf  nähere  Untersuchung  ihrer  Entwickelung  sehr  begierig 
macht.  Vielleicht  liegen  die  Rückenplatten  in  diesen  Embryonen  sehr  tief,  so 
dafs  sie  von  den  Bauchplatten  überwachsen  werden.  Auf  jeden  Fall  mufs  es 
erlaubt  seyn ,  sie  ganz  unberücksichtigt  zu  lassen ,  bis  ihre  Entwickelung  unter- 
sucht ist. 

3)  Wenn  irgend  ein  Organ  seine  Stelle  seitlich  und  symmetrisch  ver- 
ändert (die  Veränderung  in  der  Längenrichtung  und  die  unsymmetrische  Wan- 
derung nach  der  Seite  lassen  wir  für  jetzt  unberücksichtigt) ,  so  geschieht  dieses 
nur  von  der  Centrallinie  in  seinem  Bildungsbogen  nach  der  Schlufslinie  derselben 
hin*).  Nur  in  dieser  Richtung ,  glaubeich,  können  Organe  fortrücken,  nicht 
in  der  entgegengesetzten  nach  der  Centrallinie  hin.  So  rücken  die  Rippenknorpeln 
mit  ihrer  ganzen  Umgebung,  den  geraden  Bauchmuskeln ,  den  Brustwarzen  der 
Säugethiere ,  der  Arteria  mammaria  u.  s.  w.  der  Mittellinie  des  Bauches  immer 
näher.  So  wissen  wir  ferner  aus  Rathke's  Untersuchungen,  dafs  die  Ge- 
schlechtstheile  der  Fische  allmählig  der  Schlufslinie  des  Bauches  zunicken. 
(Neueste  Schriften  der  natur forschenden  Gesellschaft  in  Danzig ,  Bd.  I.  Heft  3.) 
Von  den  Hoden  und  Eierstöcken  der  Säugethiere  ist  es  längst  bekannt.  Dagegen 
rücken  die  Geschlechtstheile  der  Insecten  nach  der  Mittellinie  des  Rückens,  wie 
Herold  gelehrt  hat.  In  den  Insecten  geht  aber  die  Entwickelung  nur  nach  dem 
Rücken  hin,  worüber  im  V.  Scholion  mehr.     Sie  haben  ihre  Schlufslinie  oben. 


»)  Das  hindert  natürlich  nicht,    dafs  ein  Theil  bei  allseitiger  Vergröfserung  nicht  mit  einem  Ende       /CQ^^A/ 
auch  der  Centrallinie  näher  rückte,    wie  die  Rippen  an  die  Wirbelkörper  sich  anlegen ,   doch     /Qv' 


scheint  immer  das  entgegengesetzte  Ende  stärker  zu  wachsen.  Aö 

2  ■     ^(LIBRARY 


172 

4)  Die  Centrallinien  aller  Fundanientalorgane  liegen  über  einander  in  der 
Mittelebene.  In  Fig.  5.  enthält  die  Linie  «  ß  die  Durchschnitte  aller  Central- 
linien. Erinnern  wir  uns  nun ,  dafs  sämmtliche  Blätter  sich  nur  allmablig  von 
einander  getrennt  haben,  und  je  weiter  wir  zurückgehen,  um  so  mehr  eine  einzige 
Schicht  bildeten,  so  erkennen  wir,  wie  alle  Centralünien  früher  dichter  zusam- 
menlagen ,  ja  nur  Absonderungen  einer  einzigen  ursprünglichen  Centrallinie  des 
Keimes  sind,  und  es  wird  uns  klar,  wie  das  früher  bei  Bildung  des  einfachenKeimes 
erkannte  Gesetz,  dafs  alle  Entwickelung  aus  einem  Centrum  nach  der  Peripherie  fort- 
schreitet (Schob  III.  g.) ,  auch  beim  Auftreten  der  doppelt  symmetrischen  Ausbil- 
dung fortwirkt  und  alle  Entwickelung  wahrhaft  excentrisch  ist.  Das  Auseinander- 
treten der  Centrallinen  selbst  ist  nichts  als  ein  besonderer  Ausdruck  dieses  Gesetzes. 
Nur  eine  mittlere  Centrallinie  bleibt  bei  dieser  Sonderung  die  Axe  des  Ganzen, 

5)  In  der  Regel  ist  in  den  Wirbelthieren  jedes  Organ,  das  einfach  ist, 
ursprünglich  in  der  Mittelebene  gewesen,  oder  das  gleichnamige  Organ  der  andern 
Seite  ist  als  verkümmert  anzusehen.  Jeder  eiufache  Theil  scheint  nändich  ent- 
weder ursprünglich  einfach,  wenn  er  aus  einer  Schlufslinie  stammt,  oder  einfach, 
indem  seine  zwei  gleichnamigen  Hälften  durch  den  Fortgang  der  Entwickelung  in 
die  Schlufslinie  geführt  wurden.  —  Ich  stelle  diesen  Satz  etwas  zweifelnd  hin, 
weü  mir  der  erste  Bildungsmoment  der  Milz  nicht  recht  klar  ist.  Indessen  ist  es 
geAvifs,  dafs  sie  im  Hühnchen ,  je  früher  man  sie  untersucht,  um  so  mehr  in  der 
Mitte  Ue£t.  Sie  scheint  also  aus  der  Mitte  zu  stammen  und  nach  links  zu  rücken. 
In  Hinsicht  der  Leber  ist  hierüber  kein  Zweifel.  Die  Entwickelungsgeschichte 
der  Leber,  der  ich  in  allen  einzelnen  Abstufungen  gefolgt  bin,  liefert  überhaupt 
die  schönsten  Bestätigungen  für  die  Betrachtungen  dieses  Paragraphen.  Sie  tritt 
gedoppelt  auf  als  zwei  Lebergänge ,  welche  Ausstülpungen  aus  den  Seitentheilen 
der  Schleimhautröhre  sind.  Dann  verwachsen  beide  Lebergänge  nach  unten, 
also  an  der  Sehlufsseite  für  ihren  Bildungsbogen.  Durch  weiteres  Hervortreten 
der  Lebergänge  wird  endlich  auch  die  Mitte  zwischen  beiden  hervorgehoben ,  uud 
nun  ist  der  Lebergang  in  seinem  Stamme  einfach.  Aus  diesem  stülpt  sich  wahr- 
scheinlich die  ungetheilte  Gallenblase  hervor.  Wodurch  aber  die  Leber  und  die 
Milz  aus  ihrer  Seiteidage  weggerückt  werden ,  können  wir  erst  später  unter- 
suchen (Schob  IV.  §.  3.  i.  und  Schob  V.  §.  3.  g.).  Bedenken  erregt  auch  das 
Panlcreas.  Es  scheint  eine  seitliche  Hervorstülpung.  Allein  ich  mufs  bemerken, 
dafs  ich  sehr  oft  beim  ersten  Erscheinen  desselben,  auf  der  entgegengesetzten 
Seite,  obgleich  nicht  ganz  gegenüber,  eine  ähnliche  kleine  Ausstülpung  der 
Schleimhautröhre  sah ,  die  sich  aber  nicht  weiter  entwickelt.  Das  Pankreas  der 
rechten  Seite  scheint  also  schon  in  der  Bildung  abzusterben. 


173 

§.  S. 

Weitere   Umbildung  aus  der  einfachen  Röhrenform. 

Wir  haben  im  vorigen  Paragraphen  zu  zeigen  gesucht,  wie  durch  das 
Schema,  welches  die  Entwickelung  der  Wirbelthiere  beherrscht,  aus  einem  blatt- 
förmigen Keime ,  in  welchem  eine  primäre  Sonderung  in  Schichten  gegeben  ist, 
die  Grundform  der  Wirbelthiere  gebildet  wird,  die  aus  heterogenen  in  einander 
steckenden  Röhren  besteht.  Es  .  wird  nun  nicht  unpassend  seyn ,  die  weitere 
Umbildung  zu  verfolgen,  um  zu  untersuchen,  ob  in  derselben  auch  einige  allge- 
meine Verhältnisse  aufgefunden  werden,  wodurch  sie  uns  verständlicher  wird. 

Diese  Umbildung  erfolgt  durch  morphologische  und  histologische  Son- 
derung. Wir  finden  dabei  zuvörderst,  dafs  je  früher  ein  Fundamentalorgan  auf- 
getreten ist,  um  so  rascher  es  sich  auch  umbildet,  so  dafs  die  Röhrenforni  in  den 
frühesten  Fundamentalorganen  fast  nur  in  der  Idee  besteht. 

Es  entwickelt  sich  überhaupt  die  Rückenhälftc  rascher  als  die  Bauchhälfte.  A^1("^  ä[ln 
Nach  $.  1.6.  dieses  Scholions  wiederholt  sich  aber  das  physiologische  Verhältnils,  den  yer- 

t  •  m-   n  i  i  •    i        rr     i  L    •      J       schiedenen 

das  in  der  Dimension  der  Tiefe  von  oben  nach  unten  sich  otteübart ,  auch  in  der  Dimensio- 
Flächendimension  vom  Centrum  nach  der  Peripherie  zu  und ,  so  bald  der  Embryo  {^nbiUu^ 
als  solcher  sich  zeigt ,  am  stärksten  in  der  Längendimension  von  vorn  nach  hinten,  wirkt. 
Hiermit  übereinstimmend  wächst  die  Mitte  des  Embryo  stärker,  als  seine  Peripherie, 
und  hierauf  läfst  sich  (he  ganze  Metamorphose,   die  wir  Erhebung  und  darauf 
folgende  Abschnürung  des  Embryo  genannt  haben,   zurückführen,   denn  die  Er- 
hebung ist  ja  ein  Zurückbleiben  der  Peripherie  des  noch  ganz  in  der  Fläche  aus- 
gebreiteten Embryo  gegen  die  Mitte,   wozu  bei  fortgehendem  Wachsthume  auch 
wirkliche  Verkleinerung  tritt.    —     Indem   dasselbe  Verhältnifs  des   schnelleren 
Wachsthumes  in  der  Längendimension  vorn  am  stärksten  wirkt ,   wird  die  Bil- 
dung des  Kopfes  dadurch  veranlafst. 

Die  Rückenplatten  nämlich   erheben  sich ,    ihr  oberer  Rand   wächst  am  bffd^1a'lus^jj 
raschesten  und  besonders  am  vordem  Ende.     Schon  aus  diesem  Grunde  müssen  die  Central- 
sie  sich  vorn  nach  unten  umbeugen.     Dazu  kommt  noch ,    dafs  auch  die  Ab-  Fundamen- 
schnürung  am  vordem  Ende  zuerst  wirksam  ist.     So  wird  der  vorderste  Theil  der  tal0I'Sane»' 
Rückenröhre  rasch   umgebogen   und  die  Abgrenzung  des  Kopfes  wird  dadurch 
angedeutet ,   obgleich  nach  hinten  die  Grenze  noch  nicht  bestimmt  ist  und  auch 
vorn  und  unten  der  Anfang  der  Bauchplatten  ohne  Abgrenzung  an  dem  Vorder- 
ende der  Rückenplatteu  anliegt.     Nun  entsteht  das  merkwürdige  Verhältnifs,  dafs 
hei  fortgehender  Krümmung  jedesmal  der  am  meisten  nach  vorn  liegende  Theil 
des  Kopfes ,  in  welchem  unterdessen  ein  Hirn  sich  zu  sondern  angefangen  hat ,  am 


174 

stärksten  wächst.  So  -wird  die  Ungleichheit  in  der  Rücken  -  und  Nervenröhre 
erzeugt,  und  -wenn  nun  die  Gefäfsbogen  nach  Verwachsung  der  Kiemenspalten 
sich  lösen  und  zurücktreten ,  schiebt  sich  der  Kopf  wieder  mehr  zurück  und  be- 
kommt auch  eine  schärfere  hintere  Grenze.  Auf  solche  Weise  scheidet  sich  das 
Hirn  vom  Rückenmarke,  zugleich  der  Schädel  vom  Rücken,  das  Gesicht  von  den 
übrigen  Bauchplatten. 

Die  erste  Anlage  des  Herzens  und  die  erste  Anlage  des  Kopfes  hegen  über 
einander,  und  unläugbar  ist  das  Herz  für  das  Gefäfsblatt  eben  das,  was  der 
Schädel  für  die  Rückenröhre  oder  das  Hirn  für  die  Nervenröhre  ist.  So  wie  nun 
der  Kopf  sich  nach  vorn  stellt ,  mufs  die  Anlage  des  Herzens  hinter  ihm  liegen, 
weil  sich  das  Verhältnifs  von  oben  und  unten  in  das  von  vorn  und  hinten  um- 
wandelt. So  wie  aber  das  Hirn  sich  immer  mehr  nach  hinten  schiebt ,  eben  so 
das  Herz.  Der  mittelste  Theil  des  zuerst  fast  geraden  Herzens  strebt  nach  unten, 
dann  nach  hinten ,  und  wird  nun  deutlich  die  Spitze  der  Herzkammer.  Dieselbe 
Metamorphose  scheint  den  Magen  innerhalb  der  Schleimhautröhre  zu  bilden,  denn 
ein  Theil  der  untern  Fläche  tritt  hervor  und  verlängert  sich  dann  nach  hinten. 
Sn  zeigt  sich  dieselbe  Unibeugung  in  allen  Schichten  in  der  Reihenfolge  von  oben 
nach  unten  und  zugleich  von  vorn  nach  hinten.  In  derselben  Reihenfolge  wird 
auch  die  Umbeugung  schwächer. 
c.  Derjenige  Wir  haben   schon  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  bemerkt,    dafs  eine 

welchen6  de"  Metamorphose ,   die  in  irgend  einer  Schicht  eintritt ,   in  der  andern  sich  wieder- 
strom     der  j1Qjt     unc]  föchten  daher  die  Bildung  der  Centraltheüe  in  den  andern  Blättern  als 
Flüssigkeit    Wiederholungen  und  nothwendige  Begleiter  der  Kopf-  und  Hirnbildung  in  dem 
fcTeCinteVich  serösen  Blatte  betrachten.     Diese  Bildung  aber   (und  also  auch  die  Bildung  der 
rascher  zu    an(}eru  Centraltheüe)  scheint,    wie  wir  zeigten,   davon  bedingt,    dafs  die  obere 
der  entge-     Fläche  sich  rascher  entwickelt,  als  die  untere,  die  Mitte  rascher,  als  der  Umfang, 
gengesetzte.  ^  Vorderende  rascher,  als  das  hintere  Ende.    Sollte  für  das  raschere  Wachsthum 
dieser  Pole  der  verschiedenen  Dimensionen  (wozu  später  noch  die  rechte  Seite  hin- 
zutritt) nicht  vielleicht  noch  ein  übereinstimmendes  Verhältnifs  aufzufinden  seyn, 
welches  man,  wo  nicht  als  Grund,  doch  als  Begleiter  betrachten  kann  ? 

Wenn  wir  unsern  Blick  vom  Embryo  des  Huhnes  abwenden  und  auf  das 
Wachsthum  der  organischen  Körper  überhaupt  werfen ,  um  zu  erfahren ,  welcher 
Abschnitt  derselben  am  stärksten  wächst ,  so  scheint  eine  allgemeine  Regel  sich 
darin  zu  offenbaren,  dafs  in  einem  Organismus  diejenige  Seite  irgend  einer 
Dimension,  gegen  welche  die  organische  Strömung  gerichtet  ist,  sich  rascher 
bildet.  Es  ist  als  ob  dort  der  in  Bewegung  gesetzte  organische  Stoff  mehr  Nei- 
<mng  und  Möglichkeit  bekäme ,   in  die  Masse  der  Organismen  überzugehen.     So 


175 


ist  es  in  der  Reihe  der  gegliederten  Thiere  das  hintere  Ende,  welches  so  stark 
wuchert,  dafc  es  nicht  lange  vom  Gesamnitorganismus  gehalten  wird,  besonders 
wo  es  diesem  an  einem  hohen  Grade  der  Entwickelang  fehlt,  sondern  selbst- 
ständig werdend  abfallt.  In  allen  aas  dem  Eie  gekrochenen  Wirbel thieren,  die 
nun  die  Nahrung  durch  den  Mund  aufnehmen,  wächst  der  hintere  Theil  des 
Leibes  stärker,  als  der  vordere.  In  den  Mollusken  bleibt  auch  später  das  Kopfende 
im  Wachsthum  zurück.  In  den  Pflanzen  wächst  der  überirdische  Theil  stärker, 
als  der  unterirdische,  und  aus  jedem  Knoten  geht  die  Entwicklung  mehr  nach 
oben,  als  nach  unten.  Damit  stimmt  es  auch,  dafs,  wo  die  Entwickelung  nach 
oben  besonders  rasch  vor  sich  geht,  wie  in  den  gröfsern  Pilzen,  der  Wurzeltheil 
besonders  Mein  bleibt. 

Diese  Bemerkung  auf  das  Ei  des  Huhnes  angewendet,   leitet  ans  zu  der     *  J"  d« 
Frage,   welchen  Weg  hier  der  ernährende  Stoff  nimmt?     Es  ist  wohl  kaum  zu  tomSüt 
bezweifeln,   dafs  der  Keim  zuvörderst  von  unten  ernährt  wird,  denn  seine  untere  piLbe""™?' 
Fläche  bildet  sich  nach  Art  der  verdauenden  Flächen  in  den  niedern  Thieren,  und  nehmend"  " 
der  Kanal,  der  aas  der  Centralhöhle,  die  im  Innern  des  Dotters  sich  findet,  nach 
der  Oberfläche  desselben  führt,  scheint  der  Weg  für  den  ernährenden  Stoff.     Von 
diesem  Kanäle  wird  wohl  die  Bildung  des  Keimes  bedingt,   denn  er  findet  sich 
nie  an  einer  andern  Stelle,   als  an  der,   wo  der  Kanal  endet.     So  ist  der  Keim, 
wenn  dieser  Kanal  nicht  senkrecht  auf  der  Axe,    die  man  durch  beide  Hagel- 
schnüre ziehen  kann,    steht,   auch  nicht  in  der  Mitte  des  Dotters,  sondern  an  der 
Stelle,  wo  jener  die  Oberfläche  erreicht.     Ich  halte  daher  den  Kanal  für  die  Bahn 
der  ernährenden  Flüssigkeit,   obgleich  er  in  der  That  zuweilen  an  seinem  Aus- 
gange verstopft  scheint,   was  jedoch  mehr  ein  Schein  seyn  mag,    der  von  der 
Weichheit  der  umgebenden  Theüe  abhängt.     Diejenige  Fläche  nun,  welche  dem 
Dotter  abgekehrt  ist,   oder. die  obere,   Lüdet  sich  in  der  That,  wie  wir  wissen, 
rascher  aus. 

Wenn  der  eigentliche  Emhryo  auftritt,  «5  mufs  seine  Peripherie  mehr  auf-      «.   ««  der 
nehmend  seyn,   als  seine  Mitte,   denn  vom  ganzen,   gröfser  gewordenen  Keime  ^"tI^ 
wird  Nahrungsstoff  aufgenommen ,   und  vielleicht  von  der  Peripherie  noch  mehr  die  Periphe" 
als  von  der  Mitte,  da  der  abgelöste  Hügel  des  Keimlagers  jetzt  auf  dem  Ausgange  ""' 
des  bezeichneten  Kanales  wie  ein-Stöpsel  ruht  und  die  Flüssigkeit  zwingt,  1  nach 
aüisen  auszuweichen,   wodurch  sich  die  Halonen  bilden.     Doch  auch  ohne  auf 
dieses  fast  zufällig  scheinende  Verhältnis  Rücksicht  zu  nehmen,  ist  es  klar,  dafs, 
da  in  einem  grofsen  Theüe  der  Keimhaut  Blut  bereitet  wird  und  dieses  nach  der 
Gegend  hinströmt,   wo  die  Büdung  des  Embryo  begonnen  hat,   das  Blut  von  der 


176 

Peripherie  zum  Centrum  strömt.     Es  ist  nun,   wie  wir  oben  zeigten,   wirklich 
rascheres  Wachsthuru  in  der  Mitte  und  langsameres  in  der  Peripherie. 
/.  in  der  j)afs  <Jas  Kopfende  rascher  wächst ,  als  das  entgegengesetzte  Ende ,  scheint 

dim«Mion  dieser  Analogie  zuwider ,  indem  das  Kopfende  in  den  Wirhelthieren  der  auf- 
JasChKonfCht  nehmende  Pol  ist.  Allein  während  der  ersten  Bildung  ist  er  es  noch  nicht.  Da 
ende,  nämlich  die  untere  Fläche  und  die  in  einen  Nabel  verschnürte  Peripherie  auf- 

nehmend sind ,  so  ist  die  aufnehmende  Stelle  jetzt  nicht  im  Kopfe ,  ja  sie  ist  vom 
Kopfende  weiter  entfernt,  als  vom  Schwänzende,  denn  da  das  vordere  Ende  sich 
in  jeder  Beziehung  und  auch  in  Hinsicht  der  Abschnürung  früher  bildet,  als  das 
hintere ,  so  ist  der  Nabel ,  er  mag  noch  weit  offen ,  oder  schon  ziemlich  verengt 
seyn,  immer  mehr  hinten,  als  vorn.  Weil  nun  durch  ihn  die  Nahrung  eintritt, 
so  ist  es  mit  dem  Frühern  übereinstimmend,  dafs  der  Kopf  rascher  wächst.  In 
der  That  kann  man  auch,  wenn  man  das  Wachsthum  in  der  Längendimeusion 
untersucht,  nicht  behaupten,  dafs  es  das  hintere  Ende  ist,  welches  sich  am 
langsamsten  bildet.  Es  wächst  zwar  langsamer,  als  der  Kopf,  aber  am  lang- 
samsten bildet  sich  der  Theil  der  Längendimension ,  der  dem  Nabel  entspricht  *). 
Der  Kopf  bekommt  erst  allmählig  den  Character  des  ingestiven  Poles ,  und  da  in 
der  zweiten  Hälfte  des  Embryonenlebens  die  Beckengegend  starker  wächst,  so 
möchte  ich  darin  einen  Beweis  mehr  finden ,  dafs  jetzt  der  Kopf  auch  thätig  als 
in<*estives  Ende  wirkt  und  Fruchtwasser  verschluckt. 

Man  wird  hier  ohne  Zweifel  einwenden ,  dafs  ich  mich  im  Kreise  drehe, 
w  enn  ich  sage ,  dafs  das  Kopfende  durch  sein  rascheres  Wachsthum  vom  Nabel, 
als  der  Gegend  der  Nahrungsaufnahme ,  entfernt  wird ,  und  seine  Entfernung  von 
der  Gebend  der  Egestion  wieder  als  Grund  seines  raschern  Wachsthums  betrachte. 
Ich  habe  dagegen  zu  bemerken,  dafs  ich  hier,  wie  überhaupt  in  dem  ganzen 
Paragraphen,  nicht  so  wohl  nach  den  Gründen  der  Bildung  suche,  als  nach  den 
Uebereinstimmungen ,  die  uns  vorläufig  wichtiger  sind,  als  die  tiefsten  Gründe 
selbst  indem  die  letztern  schwerlich  auf  den  ersten  Anlauf  sich  vollständig 
werden  erkennen  lassen.  Auch  ist  die  raschere  Vergröfserung  ,des  Kopfendes  erst 
dann  recht  auffallend ,  wenn  die  Abschnürung  schon  bedeutend  vorgerückt  ist 
und  der  Kopf  weit  über  den  Nabel  hinaus  ragt.  Allein  es  kam  mir  nur  darauf  an, 
zu  zeigen,  wie.dje  Uebereinsümniung,  welche  überhaupt  das  vordere  Ende  des 
Embryo  mit  der  obern  Fläche  offenbart  (§.  1.  b.  dieses  Scholions),  sich  auch 
darin  bewährt,   dafs  der  Strom  der  ernährenden  Flüssigkeit  gegen  ihn  gerichtet 

ist. 
— 

*)    DafieT  das  starke  Hervortreten  des  Bauches. 


177 

ist.  Dieses  Verhältnifs  ist  ganz  offenbar,  sobald  die  Kopf  kappe  sich  gebildet 
hat ,  da  das  eintretende  Blut  nun  die  Richtung  gegen  den  Kopf  hat.  Freilich  ist 
eben  die  schnellere  Entwicklung  der  Abschnürung  am  vordem  Ende  schon  ein 
Beweis,  dafs  an  diesem  Ende  die  Bildung  rascher  vorschreitet,  was  wir  als  ein- 
faches Factum  betrachten  dürfen,  so  lange  es  uns  nicht  möglich  ist,  das  be- 
glimmende Moment  anzugeben ,  welches  dem  einen  Ende  des  Embryo  die  Anlage 
zur  Kopf  bildung  giebt. 

Später  wird  die  linke  Seite  des  Embryo  im  Verhältnifs  zur  rechten  die  auf-  «:  Die  linke 
nehmende,  wie  in  der  Erzählung  der  Entwickelungsgeschichte  ausführlich  erörtert  aufnehmend! 
ist,  und  in  der  That  bildet  sich  nun  die  rechte  Seite  etwas  rascher. 

Mit  dieser  Metamorphose  steht  das  Drehen  des  Embryo  auf  seine  linke  *•  Die  lauf  - 
Seite  in  Verbindung,  welches,  wenn  ich  nicht  irre,  auf  einer  andern,  einflufs-  Polierter- 
reichen  und  merkwürdigen  Uebereinstimmung  beruht,    die  sich  etwa  so  aus-  *chiedene" 

i  i;r  t^  <-i  i     <n  *   -i       -r^    ?  Dimensionen 

sprechen  lieise:    Der  aufnehmende  Pol  des  Embryo  strebt  immer  dasselbe  La^en-  wecl>seln  in 
verhältnifs  zum  Dotter  zu  behalten.     Zuvörderst  ist  die  ganze  untere  Fläche  des  !chaff,Hund 
Keimes  gleichmäfsig  aufnehmend ;    wenn  darauf  für  den  Embryo  die  Peripherie  fcLndJ*' 
mehr  aufnehmend  wird,  als  die  Mitte,  so  stellt  sich  diese  Peripherie  nach  unten,  nimmt  in  der 
Wir  haben  zWar  oben  mit  Recht  das  Erheben  des  Embryo  aus  der  Fläche  des  Dotte/d™ 
Keimes   als  Erfolg  eines  rascheren  Wachsthums  der  Mitte  gegen   die   zurück-  hVdltr  h" 
bleibende  Peripherie  angesehen,    allein  man  mufs  gestehen ,    dafs  die  fernere  Ab-  «chenden 
schnürung,    die  Bildung  des  Nabels,    etwas  mehr  ist,  als  ein  Zurückbleiben.  e1"" 
Wenn  aber  in  der  Peripherie  ein  Streben  auftreten  sollte,    sich  nach  unten  zu 
stellen,   so  könnte  dieses  Streben  keinen  andern  Erfolg  haben,  als  eine  von  allen 
Seiten  zugleich  wirkende  Abschnürung,    oder  eben  das,    was  wir  die  Nabel- 
bildung nennen.     In  dem  Verhältnisse  der  aufnehmenden  Seite  zum  Dotter  scheint 
also  der  Grund  zu  liegen,  dafs  die  Bauchhälfte  des  Thiers  sich  nicht  durch  wirk- 
liche Naht ,  sondern  durch  Abschnürung  schliefst.  —     Später  ist  die  linke  Seite 
mehr  aufnehmend ,  als  die  rechte ,   und  indem  sich  nun  der  Embryo  auf  die  büke 
Seite  wendet,  nimmt  dieser  Pol  blofs  die  Stelle  ein,  welche  der  aufnehmende  Pol 
in  andern  Dimensionen  schon  früher  eingenommen  hatte. 

Ich  mufs  es  einem  folgenden  Abschnitte  (Schol.  V.  §.  3.)  überlassen  her-  '■  Durch 
vorzuheben,  wie  es  mir  wesentlich  scheint,  dafs  alle  Bewegung  innerhalb  des  auf  di/ihlk" 
Wirbelthiers  eine  vorherrschende  Richtuue  nach  rechts  hat,    und  wie  die«»  mir  5eite     wird 

~  ?  i  ,Txv'  ui,-3c  um  oie  asymme- 

realisirt  wird  durch  die  asymmetrische  Anordnung  vom  plastischen  Theile  des  trische  An- 
Leibes. Der  Embryo  ist  aber  völlig  symmetrisch,  so  lange  der  plastische  Theil  p^ "tischen" 
vom  animalischen  sich  noch  nicht  gelöst  hat.  Ja  selbst  in  der  ersten  Zeit  dieser  ^ug8™15  **" 
Trennung  konnte  ich  keinen  andern  Unterschied  gewahr  werden ,  als  dafs  sie  auf 

Z 


178 

der  rechten  Seite  etwas  rascher  zu  erfolgen  scheiut.  Doch  ist  dieser  Unterschied 
äufserst  ^ering,  und  ich  habe  Lei  Betrachtung  der  Röhrenbildung  der  Fundamen- 
talorgane nicht  Grund  gehabt,  ihn  zu  berücksichtigen.  Sobald  aber  die  linke 
Seite  sich  als  die  mehr  ingestive  offenbart,  wird  diese  Symmetrie  aufgehoben, 
und  zwar  zuerst  im  vordersten  früher  gebildeten  Theile  des  Leibes.  Der  auf- 
nehmende Theil  des  Herzens  zieht  sich  nach  links,  und  durch  ihn  tritt  das  Blut 
in  der  Richtung  nach  rechts  in  den  Embryo  ein.  Hierdurch  scheint  die  Aus- 
beutung vom  Mitteltheile  des  Herzens  nach  rechts  veranlafst.  Um  diese  Zeit  ist 
die  Thätigkeit  desselben  mehr  eine  aufnehmende.  Das  Blut  wird  also  nach  rechts 
eingesogen.  Sobald  aber  der  mittlere  Theil  des  Herzens  durch  stärkere  Wandung 
zu  einer  Herzkammer  sich  umformt  und  mehr  ausstofsend  wirkt,  verändert  es 
seine  Stellung  so ,  dafs  der  Erfolg  ein  Fortstofsen  des  Blutes  nach  rechts  ist.  Die 
Spitze  der  Herzkammer  nämlich  bewegt  sich  in  einem  Bogen  nach  hinten  und 
links.  Ueberhaupt  scheint  mir  die  allmählig  immer  mehr  auftretende  Asymmetrie 
darauf  zu  beruhen,  dafs  alle  bewegenden  Kräfte  mehr  nach  rechts  als  nach 
links  wirken,  worüber  ich  auf  den  angeführten  ausführlichen  §.  3.  g.  des  Schob  V. 
verweise.  Die  Magenwölbung  stellt  sich  nach  links,  um  nach  rechts  fortzu- 
stoßen ,  die  Leber  nach  rechts ,  weil  die  Pfortader  hierher  drängt.  Die  Milz 
wandert  aus  der  Mitte  nach  links  und  begründet  schon  durch  diese  Lageuver- 
änderung  die  Vermuthung ,  dafs  ihre  Verrichtung  vorzüglich  eine  fortbewegende 
ist.  So  ist  also  das  Auftreten  der  Asymmetrie  im  plastischen  Theile  nur  eine 
Fortbildung  vom  Drehen  auf  die  linke  Seite ,  das  wir  im  ganzen  Embryo  bemer- 
ken, und  scheint  mit  ihm  abhängig  vom  Vorherrschen  der  Ingestion  auf  der 
linken  Seite  des  ganzen  Keimes. 
k.   Das  Wir  wissen  ferner,    dafs  der  Embryo   sich    allmählig   stark  zusammen- 

krümmen krümmt,  so  dafs  das  vorderste  Ende  nach  hinten ,  das  hintere  nach  vorn  gerichtet 
des  Embryo  wjr(j       Auch  dieses  Verhältuifs  scheint   sich  in   den  Fundamentalor<ianen ,    und 

von     ahn-  _  . 

liehen  Er-  zwar  in  allen  zu  wiederholen,  nicht  nur  indem  sie  die  Krümmung  theileu ,  was 
in  "der  "in-  an  sich  uothwendig  ist,  sondern  indem  alle  isolirlen  Bildungen  oder  Hervor- 
Thefle"""«;-  stülpungen  aus  der  vordem  Hälfte  der  Fundamentalorgane  am  stärksten  nach 
gleitet.  hinten ,    und  alle  Bildungen  aus  der  hintern  Hälfte  am  stärksten  nach  vorn  sich 

verlängern.     So  wachsen  die  Hemisphären  nach  hinten  und  überdecken  die  Zell« 

der  dritten  Hirnhöhle;    die  Lungen,    der  Magen   verlängern  sich   nach  hinten. 

Die  Bliuddärme,  der  Harnsack,  der  Fabricius'sche  Beutel,  aus  der  hintern  Hälfte. 

stammend  ,  verlängern  sich  nach  vorn. 
i.  Alle  Ver-  Ich  zweifle  nicht,    dafs  sich  noch  mehr  Analogien  zwischen  Umbildungen 

he'iten^der     der  Fundamentalorgane  und  des  ganzen  Embryo,   so  wie  zwischen  den  einzelnen 


179 

Bildungen  aus  den  Fundamentalorganen  nachweisen  liefsen.      Ist  doch  die  ur-  einzelnen 
aprüngliche  Uebereinstininiung  der  Extremitäten  so  grofs,    dafs  man  sie  völlig  ursprünglich 
gleich  nennen  kann,  und  ich  habe  schon  in  der  Bildungsgeschichte  des  Hühnchens  8erineer- 
erzählt,    wie  aus  der  gleichen  Grundgestalt  die  Verschiedenheit  sich  allmählig 
hervorbildet  und  wie  eine  übereinstimmende  Umänderung  auch  im  Rückenmarke 
sich  offenbart.     Aber  auch  zwischen  wenigen  gleichen  Bildungen ,  wie  zwischen 
den  einzelnen  Abiheilungen  des  Hirnes  und  des  Herzens  u.  s.  w. ,  lassen  sich  die 
ursprünglichen  Uebereinstimmungen  ahnen,    doch  enthalte  ich  mich  sie  weiter  zu 
verfolgen,   da  offenbar  die  Analogien  viel  sicherer  und  zahlreicher  aufzufinden 
seyn  werden ,   wenn  mehr  Thierformen  in  den  Einzelheiten  ihrer  Entwickelung 
verfolgt  seyn  werden. 

Unbemerkt  darf  ich  aber  nicht   lassen,    dafs  ich,    um  die  Bildung  des    '«•  Durch- 
Embryo  in  ihrer  Einfachheit  besser  zu  erkennen,  zuvörderst  nur  die  Formung  der  BUdu^gen 
Fundamentalorgane  und  ihrer  unmittelbaren  Sonderung  in  heterogene  Abschnitte  ?,"s  fInem 

,  o  o  Fundamen- 

betrachtet  habe.  Auf  solche  Bildungen  nur  sind  die  im  §.  2.  e.  erläuterten  ur-  talorgane  in 
sprünglichen  Bildungsbogen  zu  beziehen.  Es  giebt  aber  noch  eine  andere  Reihe 
von  Bildungen,  welche  aus  einem  Fundamen  talorgane  in  das  andere  hinein  und 
zum  Theil  durch  dasselbe  dringen.  Sie  beziehen  sich  alle  darauf,  die  innern 
Fundamentalorgane  mit  der  Aufsenwelt  in  unmittelbare  Wechselwirkung  zu 
bringen.  Dahin  gehören  die  höheren  Sinnesorgane,  welche  aus  der  Nervenröhre 
in  die  Rückenröhre  der  Fleischschicht  treten ,  bis  sie  entweder  die  Hautschicht 
erreichen ,  oder  von  ihr  erreicht  werden.  Sie  bilden  keine  offenen  durchbohren- 
den Kanäle,  da  die  Hautschicht  selbst  die  Fähigkeit  hat,  die  sensibeln  Ein- 
wirkungen der  Aufsenwelt  aufzunehmen.  Sie  wachsen  daher  nur  bis  an  die  Haut, 
oder  es  wächst  ihnen  die  Haut  entgegen.  Anders  ist  es  mit  den  entsprechenden 
Hervorbildungen  der  Schleimhautröhre.  Diese  sind  durchbohrend  und  erzeugen 
den  Mund,  den  After  und  die  Kiemenspalten,  die  letzteren  als  seitliche  Durch- 
bohrungen der  Bauchplatten,  die  ersteren  als  mittlere  Durchbohrungen  derselben 
in  der  Nähe  der  Endgrenzen  zwischen  Rücken  -  und  Bauchplatten.  Da  diese 
Bildungen  nicht  innerhalb  der  Fundamentalorgane  bleiben ,   so  folgen  sie  durch- 


*)  Erregen  doch  die  Frösche,  deren  Entwickelung  ich  nächst  der  Bildungsgeschichte  der  Vögel 
am  genauesten  kenne,  schon  darin  Bedenken,  dafs  der  gemeinschaftliche  Ausgang  ihrer 
beiden  Kiemenhöhlen  in  späterer  Zeit  nach  links  liegt.  Es  beruht  aber  wohl  dieses  Verhältnifs 
auf  der  stärkern  Entwickelung  der  rechten  Seite  und  ist  schon  in  so  fern  der  Bildung  der  Vögel 
analog,  und  es  bleibt  noch  zu  bestimmen,  ob  wirklich  das  geathmete  Wasser  hier  nur  aus- 
strömt. Später  wenigstens,  wenn  die  Lungen  sich  bilden,  geht  die  Luft  mehr  nach  rechts 
als  nach  links. 

Z   2 


180 

bohrenden  Bildungsbogen ,  wie  wir  diese  in  Fig.  5.  der  Taf.  III.  mit  den  Pfeilen 
*,  y  angedeutet  haben.  Von  ihnen  gilt  nicht  die  Regel,  dafs  die  vordem  nach 
hinten  und  die  hintern  nach  vorn  sich  entwickeln  (vergl.  h.  dieses  §.).  Aber  das 
allgemeinere  Gesetz,  von  der  Centrallinie  nach  der  Schlufslinie  fortzurücken, 
scheint  auch  auf  sie  einzuwirken,  wenn  auch  wegen  der  ursprünglichen  Richtung 
dieser  Rildungsbogen  etwas  schwächer,  denn  die  Augen  rücken  offenbar  von  der 
Axe  aus  mehr  nach  der  Rückenfläche  zu ,  in  schwächerem  Mafse  auch  die  Ohren, 
deren  Bildungsbogen  schon  ursprünglich  mehr  horizontal  ist. 
n.  Verbin-  ^iue   Ausnahme    Von   diesem    allgemeinen   Einflufs    der    ursprünglichen 

s"henbei<kri  Bildungsbogen  machen  vielleicht  die  wenigen  Bildungen,  welche  beide  Haupt- 
xöhreii".  röhren  (Schob  IV.  §.2.  a.)  mit  einander  verbinden,  wie  die  Eustachische  Röhre, 
der  Thräuenapparat,  die  Schwimmblase  einiger  Fische  und  einige  Luftsäcke  der 
Vö<*el.  Diese  scheinen  in  der  That  aus  einer  Hauptröhre  in  die  andere  überzu- 
sehen. Doch  ist  ihre  Bildungsgeschichte  sehr  dunkel,  und  es  bleibt  für  die  Unter- 
suchung noch  eine  schöne  Aufgabe,  zu  bestimmen,  in  welchem  Verhältnis,  ihre 
Entwicklung  zu  den  ursprünglichen  Bildungsbogen  steht, 
o.  Histolo-  Ueber  die  histologische  Sonderung  habe  ich  noch  weniger  zu  sagen.     Ihre 

derung.  "Wirksamkeit  ist  fast  nur  in  den  Resultaten  zu  beobachten.  Schon  oben  (§.  2.  di) 
bemerkte  ich,  dafs  sie  in  den  doppelröhrigen  Fundamentalorganen  am  stärksten 
auftritt.  Ich  habe  dort  auch  bei  Gelegenheit  der  Sonderung  in  Schichten  der 
Trennung  in  Knochen  und  Muskeln  erwähnt,  glaube  jedoch,  dafs  sie  mehr  eine 
histologische  Sonderung  ist,  was  wenigstens  für  die  in  Sehnen  enthaltenen 
Knochen  vieler  Fische  deutlich  ist,  und  auch  für  die  Knochen  der  Extremitäten. 
In  höheren  Thieren  nehmen  freilich  die  Knochen  des  Stammes  eine  solche  Lage 
an,  dafs  sie  fast  eine  innere  Schicht  für  die  Muskeln  bilden,  indessen  sprechen 
schon  die  Fortsätze  für  eine  histologische  Sonderung.  Die  Knochenbildnng 
scheint  mir  daher  eine  histologische  Sonderung,  die  nur  in  der  äufsern  Form  sich 
an  die  primäre  Sonderuug  anschliefst. 

Dafs  die  Nerven  mit  Ausschlufs  der  Sinnesnerven  sich  durch  histologische 
Sonderung  aus  der  Fleischschicht  bilden,  obgleich  die  letzlern  Hervorstiilpungen 
aus  der  Nervenröhre  sind,  wird  wohl  schon  aus  der  Ansicht  unsrer  Fig.  5. 
Taf.  III.  anschaulich.  Wüchsen  sie,  wie  S  er  res  glaubt,  von  der  Peripherie 
zum  Centrum  fort,  um  endlich  das  Rückenmark  zu  erreichen,  so  würde  diese 
Entwicklung  gegen  alle  Analogie  seyn.  Wahrscheinlich  treten  sie  in  ihrer 
ganzen  Länge  auf,  wenn  die  histologische  Sonderung  weit  genug  vorgerückt  ist, 
um  ihnen  Daseyu  zu  geben.  Dafs  hierüber  die  Beobachtung  selbst  nicht  ent- 
scheiden läfst ,   ist  schon  in  der  Entwicklungsgeschichte  des  Hühnchens  ausfuhr- 


181 

lieh  besprochen.     Für  das  plastische  Nervensystem  ist  die  Bildung  durch  histolo- 
gische Sonderung  noch  weniger  zu  bezweifeln. 

Ich  breche  hier  ab,  weil  ich  nicht  weifs,  was  sonst  die  histologische 
Sonderuug  der  Wirbelthiere  auszeichnete ,  und  schon  die  zuletzt  angeführten  Ver- 
hältnisse sind  ihnen  nur  in  so  fern  eigentümlich,  als  in  andern  Thieren  das 
ganze  Nervensystem  diesen  Ursprung  zu  haben  scheint,  in  den  Wirbelthieren  nur 
der  peripherische  Theil. 


Corollarium   über    den  Bau   und    die  Entivickelung   der 
Extremitäten   der   TT ' irbelthiere. 

Es  ist  im  Verlaufe  der  Betrachtungen  dieses  Scholions  die  Ausbildung  der  "■  Batl .?" 
Extremitäten  fast  völlig  unberücksichtigt  geblieben ,  um  die  Rumpf- und  Kopf- ten. 
bilduDg  der  Wirbellhiere  in  ihrer  ganzen  Einfachheit  aufzufassen.  Das  Schema, 
das  wir  mit  einer  8  verglichen  haben,  kann  offenbar  nur  für  die  Büdung  des 
Leibes  (mit  Einschlufs  des  Kopfes)  gelten,  nicht  für  die  Bildung  der  Glied- 
maafsen.  Die  Entwickelungsnorm  dieser  letztern  soll  nun  hier  in  einem  beson- 
dern Anhange  ins  Auge  gefafst  werden ,  da  wir  dieselbe  später  bei  Vergleichung 
der  Hauptunterschiede  in  der  Ausbildung  der  Thiere  anwenden  werden.  Wir 
müssen  aber,  um  den  Fortgang  der  Entwickelung  zu  erkennen,  vorher  einige 
Blicke  auf  die  allgemeinen  Organisationsverhältnisse  in  den  Extremitäten  der 
Wirbelthiere  werfen. 

Untersuchen  wir  den  Typus,  nach  welchem  diese  Extremitäten  gebildet 
sind,  so  finden  wir  zuvörderst  einen  inneru  knöchernen  Stamm ,  umgeben  von 
einer  Lage  Muskeln,  die  wieder  von  der  Haut  umhüllt  werden  und  beide  ver- 
sehen mit  Aerven  und  Blutgefässen.  Der  knöcherne  Stamm  ist  in  mehrere  Glieder 
getheilt ,  und  darnach  gliedert  sich  die  ganze  Extremität.  Diese  ist  aber  entweder 
ausgebildet,  oder  verkümmert,  in  welchem  Falle  sie  ihre  Aufgabe,  der  Orts- 
bewegung des  Thiers  zu  dienen,  nicht  erfüllt.  Solche  in  der  Entwickelung 
verkümmerte  Extremitäten  sind  z.  B.  die  Extremitäten  der  Schlangen. 

Wenden  wir  uns  nun  an  die  Form  der  ausgebddeten  Extremitäten ,   und        *•    Ei,ie 
zwar  zuvörderst  nur  der  Extremitäten  für  den  Rumpf,   ohne  Rücksicht  auf  ihre  ben  ist  1Wei- 
Nachbüdungeu  im  Kopfe,  so  finden  wir  in  ihnen  2  oder  4  Hauptglieder.     In  den-  8l,e<lri8- 
jenigen  Thieren  nämlich,  die,  wie  die  Fische  und  Cetaceen,  sich  stets  in  einem 
flüssigen  Elemente   aufhalten,    welches  die  Last  des  Körpers  trägt,    sehen  wir 
innerhalb  der  Extremitäten  nur  Ein  wahres  Gelenk,   und  zwar  an  der  Stelle,  wo 


182 

die  Extremität  aus  dem  Umfange  des  Rumpfes  hervortritt.  Gelenke  aber  be- 
stimmen die  Gliederung  des  Leibes,  denn  nach  ihnen  formen  sich  die  Muskeln. 
Wenn  auch  ein  solches  Glied  aus  mehreren  trennbaren  Knochen  besteht,  so  hat 
doch  diese  Trennung  auf  die  übrige  Organisation  -wenig  Einflufs  und  scheint 
ihren  Grund  mehr  in  einer  nicht  ganz  aufgehobenen  Analogie  mit  andern  Formen 
zu  haben.  Ich  stehe  daher  nicht  an,  die  Flosse  der  Cetaceen  und  der  Fische  für 
Ein  Haupt<died  anzusehen,  obgleich  in  der  erstem  sich  Knochen  linden,  die  un- 
leugbar mit  den  Oberarm-  und  Unterarmknochen  der  Landthiere  übereinstimmen, 
in  den  Fischen  aber  Knochen,  welchen  diese  Bedeutung  zugeschrieben  werden 
kann  innerhalb  der  Flosse  sich  nicht  finden,  sondern  jenseit  des  Gelenkes  in 
dem  Theile ,  der  mit  dem  Rumpfe  verbunden  ist.  Das  eine  dicht  an  den  Rumpf 
angeschlossene  und  der  äufsern  Ansicht  versteckte  Glied  nenne  ich  das  Rumpf- 
rtied  oder  IVurzelglied ,  das  andere  hervorragende,  in  Ermangelung  eines  bessern 
Ausdruckes,  das  Endglied.  Das  letztere  ist  immer  bestimmt,  unmittelbar  auf 
dasjenige  Element  der  Aufsenwelt  einzuwirken,  auf  oder  in  welchem  das  Thier 
sich  bewegen  soll.  So  hat  es  in  dieser  ersten  Form  der  Extremität  mehrere 
Knochenreihen,  die  durch  eine  feste  Haut  zu  einem  breiten  Ruder  verbunden 
sind    um  gegen  Wasser  zu  stofsen.     In  solcher  Form  heilst  es  Flosse. 

Eine  In  denjenigen  Wirbel thieren ,    die    sich   auf  dem  festen  Boden  bewegen 

andie  Form  un(j  WQ  ^er  ^fo  getragen  werden  mufs ,   um  fortbewegt  zu  werden ,  treten  noch 
gliedrig*        zwei  Mittelglieder  auf.     Das  Rumpfglied  nämlich  bleibt  immer  an  den  Rumpf  an- 
geschlossen,  das  Endglied  liegt  zum  Theil  oder  ganz  auf  dem  Boden,  und  die 
Mittelglieder  tragen  das  Rumpfglied  und  mit  ihm  den  Rumpf. 

Endglied.  Die  Endglieder  bestehen  für  die  Bewegung  auf  festem  Boden  aus  getrennten 

Knochenreihen.  In  jeder  Knochenreihe  sind  wieder  untergeordnete  Gelenke,  so 
dafs  dieses  Glied  in  mehrere  Hebeheilien  sich  theilt.  Oft  wird  nur  ein  kleiner 
Theil  dieser  Hebel,  die  vordersten  Glieder  nämlich,  auf  den  Boden  aufgesetzt, 
dennoch  sind  aufserdem  jene  zwei  Mittelglieder  da.  Ein  solches  in  Hebelreihen 
getrenntes  Glied  heifst  nun  Hand  oder  Fufs,  je  nachdem  eine  Hebelreihe  der 
andern  entgegengesetzt  werden  kann,  oder|nicht.  —  Für  die  Bewegung  in  der 
Luft,  welche  zu  dünn  ist,  um  den  Rumpf  zu  tragen,  fehlen  die  Mittelglieder  eben- 
falls nicht,  da  der  Stofs  gegen  diese  Flüssigkeit  nicht  blofs  nach  hinten,  sondern 
auch  nach  unten  ausgeführt  werden  mufs.  Getrennte  Hebel  finden  aber  nicht 
gehörigen  Widerstand.  Für  die  Luft  ist  daher  das  Endglied  wieder  zu  einer 
Fläche  ausgebildet ,  allein  die  Knochen  sind  verkümmert,  entweder  nur  verdünnt 
(Fledermäuse) ,   oder  zugleich  verkürzt  (Vögel) ,  und  die  Haut  mit  oder  ohne  ein- 


183 

gesetzte  Theile  (Federn)  bildet  die  Fläche,  welche  immer  zusammengelegt  werden 
kann.     Ein  solches  Endglied  nennen  wir  einen  Flügel. 

Man  wird,  ohne  dafs  ich  nöthig  habe,  weiter  in  den  Bau  des  Endgliedes 
einzugehen ,  zugeben ,  dafs  der  Bau  desselben  ganz  besonders  von  der  Beschaf- 
fenheit des  Elementes  bedingt  wird,  auf  welches  es  zu  wirken  hat,  um  eine  Orts- 
bewegung hervorzubringen,  dafs  seine  Gestaltung  also  von  der  Aufsenwelt  be- 
dingt ist.  Nur  so  viel  wollen  wir  für  die  spätere  Benutzung  bemerken ,  dafs  je 
entschiedener  die  Beziehung  ist,  die  das  Endglied  zu  einem  flüssigen  Elemente 
hat,  um  so  mehr  seine  Spitze  nach  hinten  gerichtet  ist.  Man  denke  an  die  Flos- 
sen der  Fische ,  Cetaceen,  die  Flügel  der  Fledermäuse  und  Vögel,  die  Füfbe  der 
Seehunde.  B^l  der  Bestimmung,  auf  einen  festen  Boden  zu  wirken,  ist  die  Spitze 
der  Extremität  bei  höherer  Ausbildung  nach  vorn  gerichtet  *),  bei  geringer  Aus- 
bildung, wenn  der  Leib  wenig  getragen  wird,  nach  aufsen,  wie  mehr  oder  we- 
niger in  den  Reptilien.  Wegen  der  unmittelbaren  Beziehung  dieses  Theiles  zur 
Aufsenwelt  hätte  ich  ihm  gern  einen  allgemeinen  Namen  gegeben,  der  dieses  Ver- 
hältnifs  ausspräche ,  konnte  aber  keinen  finden ,  der  nicht  durch  seine  Länge  un- 
anwendbar geworden  wäre.  Deswegen  müssen  wir  bei  dem  Ausdrucke  „  End- 
glied "  stehen  bleiben. 

Das  Endglied  ist  also  überhaupt  (wenn  wir  auf  beide  Hauptformen  der  Ex- 
tremität Rücksicht  nehmen),  nach  dem  Einflüsse  des  Aufenthaltsortes,  Flosse, 
Flügel,  Fufs  oder  Hand,  und  zerfällt  in  allen  Formen  wieder  in  untergeordnete 
Theile,  in  eine  Wurzel  (Hand  und  Fufswurzel),  eine  Mitte  (Mittelhand  und  Mittel- 
fufs),  und  die  Enden  (Finger  und  Zehen).  Diese  untergeordneten  Glieder  sind  bald 
gar  nicht  durch  Gelenke  getrennt,  also  unentwickelt,  bald  durch  unvollständige 
oder  vollständige  Gelenke  gesondert. 

Das  Rumpfglied  (Schulter  und  Becken),  obgleich  es  mit  dem  Endgliede  ^/Rumpf 
nicht  im  Widerspruch  stehen  kann ,  scheint  doch  zunächst  vom  Bau  des  Leibes 
abhängig.  Zuvörderst  wird  seine  Stelle  durch  den  Leib  bestimmt.  Die  gewöhn- 
lichste Anlagerung  ist  die  am  Anfange  und  am  Ende  des  Rumpfes,  weshalb  man 
die  Extremitäten  Brust-  und  Bauchgliedmaafsen  genannt  hat.  In  den  Fischen  steht 
aber  das  Paar  der  Bauchgliedmaafsen  in  der  gröfsern  Zahl  von  Arten  vor  oder  un- 
ter den  Brustgliedmaafsen ,  und  auch  in  den  sogenannten  Bauckflossern  liegt  es 
doch  stets  vor  dem  hintern  Ende  der  Rumpfhöhle,  und  nicht  selten  fehlt  es  ganz. 


Bd. 


*)  Die  Richtung  nach  vorn  konnte  in  nnsrer  Fig.  7.  nicht  dargesteift  werden ,  da  sie  eine  Durch- 
schnittsfigur  ist.  Ich  habe  das  Endglied  deshalb  grade  nach  unten  gerichtet  dargestellt,  wie  e» 
im  grölsten  Theile  seiner  Länge  in  den  Thieren  steht,  die  ihren  Leib  hoch  trage». 


184 

Vergleichen  wir  nun  den  Bau  der  Fische  in  Bezug  auf  Ortsbewegung  mit  dem  Bau 
der  andern  Wirbelthiere ,   so  fällt  uns  als  Hauptunterschied  auf,  dafs  die  Fische 
sich  vorzüglich  durch  plötzliche  Krümmung  des  hintern  Theiles  vom  Körper  fort- 
bewegen.    Darauf  bezieht  sich  die  fast  allgemeine  seitliche  Applattung  und  die 
Vergröfserung  der  Mittelebene  durch  Rückenflosse ,  Afterflosse  und  Schwanzflosse. 
Bei  dieser  Bewegungsart  ist  daher  der  vordere  Theil  des  Leibes  der  relativ  feste 
Punkt  der  Bewegung.     In  denjenigen  Thieren  also,   in  welchen  der  feste  Punkt 
der  Bewegung  an  das  vordere  Ende  des  Leibes  fällt,    sind  die  Bauchgliedmaafsen 
nicht  am  hintern  Ende  des  Rumpfes,   sondern  weiter  nach  vorn  gelagert.     Dafs 
dieses  Verhältnifs  in  der  That  die  Lagerung  bestimmt,  sieht  man  daraus,  dafs  die 
Bauchflossen  im  Allgemeinen  weiter  nach  vorn  liegen  l)  in  denjenigen  Fischen, 
deren  Schwanz  sehr  lang,  und  2)  in  denjenigen,  die  einen  sehr  grofsen  Kopf  haben, 
wo  also  der  feste  Punkt  der  Bewegung  weit  nach  vorn  liegt.     Man  kann  nach  die- 
ser Ansicht  mit  ziemlicher  Sicherheit  die  Stelle  der  Bauchflossen  bestimmen,  wenn 
man  die  Form  eines  Fisches  und  die  Stelle  des  Afters  (zur  Bezeichnung  der  Länge  des 
Schwanzes)  auf  eine  Tafel  zeichnet.     Ist  z.  B.  der  Leib  am  höchsten  in  der  Gegend 
der  Brustflosse ,    so  dafs  bei  der  Krümmung  des  Leibes  diese  Gegend  den  relativ 
festen  Punkt  abgiebt ,  so  liegt  die  Bauchflosse  grade  unter  der  Brustflosse.     Ist  der 
Kopf  nicht  sehr  grofs,  die  Bauchhöhle  aber  nicht  kurz,  und  der  Leib  von  ziemlich 
aleicher  Höhe  oder  in  der  Mitte  am  höchsten ,  so  liegt  die  Bauchflosse  hinter  der 
Brustflosse.     Auch  auf  die  Anlagerung  der  Brustflosse  hat  der  feste  Punkt  der  Be- 
wegung Einflufs ;  denn ,  lassen  wir  zuvörderst  diejenigen  Knorpelfische  unberück- 
sichtigt,  welchen  eine  besondere  Entwickelung  des  Halses  zukommt,   wodurch 
die  Brustflossen  vom  Kopfe  entfernt  werden,   so  finden  wir  das  Wurzelglied  der 
Brustflosse  um  so  inniger  mit  dem  Kopfe  verbunden ,  je  gröfser  dieser  ist.     Ist  er 
klein ,  wie  im  Aal,  und  der  Leib  dabei  lang,  so  steht  das  Wurzelglied  der  Brust- 
flosse bedeutend  nach  hinten  vom  Kopfe  ab.      In  der  Gattung  Petromyzon   fällt 
der  feste  Punkt  der  Bewegung  ganz  nach  vorn  in  die  Mundöffhung  selbst,   da  sie 
sich  mit  dem  Maule  festzusaugen  pflegt  und  den  ganzen  Leib  auf  diesem  vorder- 
sten Ende  hin  und  her  schwingt.     Hier  fehlt  nun  die  Brustflosse  ganz ,    was  uns 
daher  zu  rühren  scheint,   dafs  sie  das  Bestreben  hat,   in  das  vorderste  Ende  zu 
rücken  und  gleichsam  in  den  Kiefern  mit  enthalten  ist  *). 

Diefs  mufste  vorangeschickt  werden,    um  bei  der  Bestimmung  der  allge- 
meinen Form  der  Wurzelglieder  in  Anwendung  zu  kommen.     Der  knöcherne  Theil 
jedes  Wurzelgliederpaares  scheint  mir  ein  Ring  zu  seju ,   der  (immer  ohne  Rück- 
sicht 


Derselbe  Grund  kann  freilich  nicht  in  allen  Kahlbüucben   das  Fehlen  der  Bauchilosse   erklären 


185 

sieht  auf  die  Schildkröte)  Leide  Hauptröhren  des  Leibes  der  Wirbelthiere,  oder 
was  damit  zusammenhangt,  Leide  knöcherne  Ringe  des  Rumpfskelettes  einschliefst. 
Die  Fig.  7.  auf  Taf.  III.  soll  dieses  Verhältnifs  versinnlichen,  de,  ed  Lüden  zu- 
sammen einen  Ring,  -welcher  Leide  Ringe  des  Rumpfskelettes  unischliefst.  Den- 
ken wir  zuvörderst  nur  an  das  Wurzelglied  der  ßrustextremität,  so  werden  wir 
die  ALLildung  ohne  Widerrede  ganz  entsprechend  finden.  Ein  oberes  Schlufsstück 
(SchuIterLlatt)  Fig.  7.  d  entspricht  mit  seinem  ohern  Rande  den  Dornfortsätzen. 
In  den  Knochenfischen  heftet  es  sich  unmittelLar  an  die  Schädeldecke,  d.  h.  an 
die  ausgebreiteten  Dornfortsätze  der  SchädelwirLel  an,  in  mehreren  Rochen  hef- 
ten sich  die  ohern  Schlufsstücke  der  Wurzelglieder  an  die  Dornfortsätze  der  Wir- 
belsäule, ja  in  Torpedo  sogar  unter  sich  die  WirLelsäule  einschliefsend.  In  den 
Lungenthieren  ist  es  zwar  mit  den  Dornfortsätzen  der  Wirhel  nicht  verwachsen, 
aher  ihnen  genähert,  durch  einen  Muskel  angeheftet  und  es  Ledeckt  wenigstens 
die  oLern  WirLelLogen,  so  dafs  es  verlängert  die  Dornforlsätze  erreichen  würde. 
Es  ist  also  nach  ohen  der  Ring  nur  nicht  völlig  geschlossen.  Nach  uuten  "eht  ein 
anderes  Schlufsstück  (Schlüsselhein) ,  welches  in  der  Regel  doppelt  ist,  nicht 
selten  aher  auch  völlig  fehlt  und  die  Schlufsliuie  der  untern  Hauptröhre  erreicht. 

Die  Muskeln ,  die  dem  Rumpfgliede  der  Extremität  angehören,  sind  viel 
weiter  ausgedehnt,  als  der  schmale  Knochenring,  und  Lüden  eine  Lage  üLer  den 
Muskeln  des  Rumpfes.  Muskeln  und  Knochen  machen  aher  ursprünglich  eine 
indifferente  Masse  aus,  und  so  weit  ein  Muskel  reicht,  so  weit  reicht  (man  erlaul*e 
mir  den  Ausdruck)  die  Beziehung  des  Knochens.  Gesetzt  nun,  dieselhe  Grund- 
gestalt, welche  für  die  ßrustextremität  in  die  Augen  springend  ist,  gälte  auch  für 
die  Bauchextremität,  so  würden  die  Rumpfglieder  der  Extremitäten  eine  dritte 
wenn  auch  weniger  vollständige  Röhre  Lüden,  welche  die  Leiden  Röhren  der 
Fleischschicht  (die  Rücken-  und  Bauchröhre)  umgieht. 

Hier  nun  müssen  wir  den  Einwand  aufnehmen  ,  dafs  vielleicht  die  Bauch- 
extremität der  angenommenen  Grundform  gar  nicht  entspricht.  Man  Letrachtet 
häufig  die  Rumpfglieder  (ja  die  ganze  Extremität)  nur  als  Wiederholung  der  Rip- 
pen, in  welchem  Falle  unsre  ohen  ausgesprochene  Ansicht  ganz  irrig  wäre.  Man 
hat  dnhei  wohl  vorzüglich  das  Becken  im  Auge.  Dieses  umgieht  in  der  That  in 
den  meisten  Landthieren  die  Bauchhöhle  unmillelhar  und  scheint  daher  in  der  Be- 
deutung von  verwachsenen  Rippen  zu  stehen.  Dazu  kommt  noch ,  dafs  das  Bek- 
ken  ziemlich  oft  nach  ohen  gar  nicht,  oder  nicht  viel  über  die  Queerfortsätze  der 
Becken  wirhel  hervorragt.  Der  Schulter  theil  der  vordem  Extremität  und  dasBek- 
keu  der  hintern  Extremität  sind  aher  unLezweifeltModificationen  derselben  Grund- 

Aa 


186 

form.  Wenn  nun  das  Becken  nur  eine  Wiederholung  der  Rippen  ist,  so  müfste 
diefs  auch  für  die  Schulter  gelten. 

Wir  geben  vor  allen  Dingen  zu,  dafs  die  Schulter  oder  der  Knochengür- 
tel des  Rumpfgliedes  der  vordorn  Extremität,  und  das  Becken  oder  der  Knochen- 
gürtel des  Rumpfgliedes  der  hinlern  Extremität  nach  derselben  Grundgestalt  ge- 
bildet sind.  Dieser  Satz  ist  so  allgemein  anerkannt,  dafs  er  keines  Beweises  be- 
darf. Wir  erinnern  nur,  wie  übereinstimmend  beide  Theile  in  den  kriechenden 
Amphibien  sind,  und  dafs  sie  ihre  grölste  Verschiedenheit  in  den  Fischen,  in  den 
Vögeln  und  einigen  Säugethieren  zeigen. 

Nun  liegt  aber  die  Schulter  immer  nach  aufsen  von  den  untern  Knochen- 
bogen des  Rumpfes,  nie  innerhalb  der  Knochenröhre  (wenn  wir  diese  Knochen- 
bogen nämlich  durch  die  verbindende  Knochenhaut  als  zusammenhängend  uus 
denken) ,  das  Becken  nimmt  zwar  häufig  Theil  an  dieser  Röhre ,  aber  doch  nicht 
immer.  In  den  Fischen  ist  sehr  häufig  der  obere  Theil  des  Beckens  gar  nicht  aus- 
gebildet. Wo  er  sich  findet,  bedeckt  er  die  Knochenringe  des  Rumpfes.  Sb  se- 
hen wir  ihn  in  denjenigen  Rochen  und  Haien,  wo  er  länger  ist,  mit  seinem  oben» 
Ende  sich  über  die  Wirbelkörper  erheben.  In  diesen  Fischen  sind  freilich  die 
Rippen  wenig  ausgebildet.  In  einigen  Knochenfischen,  wie  in  Gasterosteus  acu- 
leatus  und  Exocetus  volitans  *) ,  sieht  man  ihn  aber  deutlich  auf  den  Rippen  auf- 
liegen. Wir  können  daraus  schliefsen,  dafs,  wenn  er  in  höhern  Thieren,  wo  seine 
Stelle  bestimmt  am  hintern  Ende  des  Rumpfes  ist,  keine  Rippen  bedeckt,  der 
Grund  darin  liegt ,  dafs  die  Rippenbildung  in  allen  Thieren,  wie  selbst  die  Fi- 
sche zeigen ,  am  hintern  Ende  des  Rumpfes  erlischt. 

In  den  drei  obern  Thierklassen  legt  sich  der  Beckengürtel  an  einen  Theil 
der  Wirbelsäule  (die Beckenwirbel)  an  und;  scheint  dadurch  wesentlich  vomSchul- 
tergürlel  verschieden.  Wenn  wir  nun  glauben,  dafs  eine  solche  Anlagerung  schon 
eine  Umbildung  aus  einer  allgemeinern  Grundform  ist,  der  dieses  Verhällnils  nicht 
zukottimtj  so  mufs  nachgewiesen  werden,  wodurch  sie  begründet  wird. 

Ich  glaube  zwei  Einflüsse  zu  erkennen,  welche  diese  Anordnung  bewir- 
ken. Den  ersten  spricht  der  oben  aufgefundene  Satz  aus,  dafs  je  mehr  der  feste 
Punkt  der  Bewegung  in  die  Gegend  füllt ,  welche  einer  Extremität  ihrem  ursprüng- 
lichen Character  nach  angehört ,  um  so  mehr  diese  Extremität  mit  der  Wirbelsäule 
verbunden  ist.  In  hohem  Thieren  fällt  aber  der  feste  Funkt  der  Bewegung  in  das 
hintere  Ende  des  Rumpfes.  Das  Bedingende  dieses  Verhältnisses  istj  tief  in  der 
Organisation  begründet.     Am  auffallendsten  scheint  es  mit  der  Bildung  des  Cen- 


*)  Wie  ich,   aufmerksam  gemacht  durch  Meckel's  vergleichende  Anatomie,  Bd.  II.  S.  308. ,  tehe. 


187 

traltheiles  vom  Nervensjstem  übereinzustimmen  ,  denn  wir  finden ,  dafs  je  mehr 
das  Hirn  das  Rückenmark  beherrscht,  um  so  mehr  im  Allgemeinen  der  feste  Funkt 
der  Bewegung  in  dem  entgegengesetzten  Ende  des  Rumpfes  lixirt  ist.  ^"ird  nun 
aber  aus  irgend  einem  Grunde  der  feste  Punkt  der  Bewegung  in  die  Beckengegend 
versetzt,  so  mufs  nach  unserm  aufgefundenen  Satze  die  dahin  gehörige  Extremi- 
tät eine  festere  Anheftung  gewinnen.  In  der  That  finden  wir,  dafs  in  den  Am- 
phibien, wo  dieser  feste  Punkt  weniger  bestimmt  am  hintern  Ende,  überhaupt 
Areniger  fixirt  ist,  die  Anheftung  nur  lose  bleibt.  Man  denke  an  Salamander, 
Schildkröten,  Chamäleonen  und  andre  Eidechsen.  In  den  springenden  Fröschen 
ist  natürlich  die  Anheftung  stärker.  Am  stärksten  ist  sie  aber  in  den  Vögeln  ,  wo 
im  Aller  nicht  seilen  eine  wirkliche  Verwachsung  ist. 

Ein  zweiter  Grund  für  die  Besonderheit  der  hintern  Extremität  scheint  mir 
darin  zu  liegen,  dafs  sie  die  hintere  ist.  Eine  Verschiedenheit  in  Bezug  auf  die 
Bewegung  geht  nämlich  für  beide  Extremitäten  schon  aus  den  ihnen  ursprünglich 
zukommenden  Stellen  hervor,  im  Verhältnifs  zu  der  Richtung  der  Bewegung. 
Der  Wille  des  Thiers  richtet  die  Bewegung  nach  vorn ,  und  vorn  ist  für  das  Thier 
eben  nichts  als  die  Gegend,  nach  welcher  sein  Wille  die  Bewegung  richtet.  Nun 
ist  aber  die  eine  Extremität  vor  dem  Rumpfe,  die  andere  hinter  dem  Rumpfe  be- 
festigt. Die  vordere  Extremität  hat  daher  die  Aufgabe ,  den  Rumpf,  den  wir  uns 
als  Last  im  Sclvwerpunkte  concenlrirt  denken  können,  zu  ziehen,  oder  in  mehr 
aufrechter  Stellung,  ihn  zu  heben,  die  hinter  dem  Schwerpunkt  liegende,  ihn 
zu  schieben  und  in  aufrechter  Stellung,  (also  auch  im  Sprunge)  zu  stützen  und 
zu  trafen.  Dafs- beide  Extremitäten  in  Beziehung  auf  den  Schwerpunkt  des  Lei- 
bes ein  entgegengesetztes  Verhältnifs  haben,  scheint  schon  dargestellt  durch  die 
La°"erunCT  der-  Wurzel «rlieder.  Das  vordere  bildet  einen  Gürtel,  der  (mit  Aus- 
nähme  der  Fische)  schief  von  hinten  nach  vorn  niedersteigt,  das  hintere  steigt  in 
ent»e«en<iesetzter Richtung  von  vorn  nach  hinten  nieder*).  Aus  diesem  ursprüng- 
lichen FJnterschiede  scheint  es  mir  hervorzugehen,  dafs  die  hintere  Extremität, 
wenn  sie  sich  an  das  Rumpfskelet  anlegt,  ihre  Anlagerung  an  dem  Stamme  der 
Wirbelsäule,  der  Stütze  des  ganzen  Leibes  sucht.  Nur  dadurch  kann  sie  selbst 
wieder  die  Stütze  des  Leibes  werden.  Diese  Anlagerung  erfolgt  aber  nicht  ganz 
unmittelbar  am  Stamme,  indem  der  Beekengürtel  seiner  ursprünglichen  Form 
nach  nicht  eine  Entwicklung  aus  dem  Stamme  der  Wirbelsäule  und  noch  weni- 
ger aus  dessen  unterer  Hälfte  ist,  sondern  dadurch,  dafs  ihr  der  Stamm  der  Wir- 


ft  Hieraus  schon  ist  es  ersichtlich,  dafs  die  Pmmpfglieder  der  Extremitäten  nicht  einem  einzelnen 
Rin°e  des  Leibes  entsprechen,  sondern  mehreren. 

Aa   2 


188 

belsäule  in  Form  von  Oueerfbrtsätzen  entgegenwächst,  und  diese  Oueerfortsätze 
sind  nicht  wie  die  meisten  Oueerfortsätze  höherer  Thiere  aus  dem  obern  Bogen 
kommend,  sondern  sie  gehen  ganz  horizontal  und  unmittelbar  von  den  Körpern 
ab  *). 

An  die  Oueerfortsätze  der  hintersten  Rumpfwirbel  angelagert  nimmt  aller- 
dings das  Becken  auch  die  Natur  der  Rippen  an,  und  zwar  um  so  mehr,  da  die 
ursprünglichen  Rippen  hier  fehlen.  Dafs  aber  die  Beckenknochen  auch  dann 
nicht  auf  die  Bedeutung  der  Rippen  sich  beschränken  ,  sieht  man  l)  daraus,  dafs 
die  Muskehl,  welche  von  den  Beckenknochen  zum  Oberschenkel  gehen,  offenbar 
den  Muskeln  entsprechen,  die  vom  Schulterblatte  zum  Oberarm  herabsteigen  und 
das  Schulterblatt  doch  ein  auf  der  Rippe  aufliegender  Theil  ist;  2)  daraus,  dals 
die  Beckenknochen  meistens  über  die  Oueerfortsätze  hervorragen.  Am  augen- 
scheinlichsten ist  dieses  Hervorragen  wohl  an  den  Beckenknochen  der  Vögel.  Ihr 
oberer  Rand  erreicht  die  Dornfortsätze  der  Beckenwirbel  und  ist  oft  mit  ihnen 
verwachsen.  Es  ist  auch  in  den  meisten  Säugethieren  und  dem  Menschen  unver- 
kennbar, wenn  es  auch  weniger  deutlich  ist,  dafs  der  Ring  des  Beckenknochens 
über  den  untern  Ring  des  Rumpfskelettes  nach  oben  hinüber  ragt. 

Nach  allem  diesem  glaube  ich  als  allgemeines  Resultat  aussprechen  zu  dür- 
fen: Die  Rumpfglieder  der  Extremitäten  bilden  eine  Hülle  um  beide  Hauptröhren 
des  Rumpfes ,  welche  in  der  Mitte  des  Rumpfes  mehr  oder  weniger  unterbrochen 
ist,  am  vordem  oder  hintern  Ende  aber  sich  concentrirt.  Jede  Extremität  ist  um 
so  enger  mit  der  Wirbelsäule  verbunden ,  je  mehr  der  feste  Punkt  der  Bewegung 
in  der  Gegend ßxirt  ist,  wo  die  Extremität  hingehört.  Ist  die  Gegend ,  an  welche 
nach  dem  allgemeinen  Typus  eine  Extremität  sich  lagern  sollte ,  sehr  beweglich, 
so  entwickelt  sich  die  letztere  gar  nicht,  oder  rückt  von  dieser  Stelle  weg,  der  Gegend 
des  festen  Punktes  zu.  Aus  der  Stellung  im  f^erhältnifs  zum  Rumpfe  geht  es 
aber  hervor,  dafs  die  hintere  Extremität  die  Aufgabe  hat,  den  Rumpf  zu  schie- 
ben und  zu  stützen,  die  vordere,  ihn  zu  ziehen  und  zu  heben  **).  Deshalb  liegt  in 
der  erstem  die  Neigung  an  Queer fortsetze ,    in  der  letztern ,    sich  an  die  der  Bewe- 


*)  Was  wir  Queerfortsätze  nennen,  ist  überhaupt  wohl  nicht  immer  dasselbe,  was  ich  hier  aber 
nicht  weiter  verfolgen  mag.  Nur  bitte  ich,  wo  in  diesem  Bliche  von  untern  Bogen  der  Wirbel 
in  den  Wirbelthieren  die  Rede  ist,  nicht  alles,  was  Queerfortsatz  heifst,  darunter  zu  begreifen. 
Die  meisten  Queerfortsätze  höherer  Thiere  stehen  zwischen  Bauch-  und  Rückenröhre  in  der 
Milte. 

**)  Eben  ans  diesem  Verhältnisse  scheint  es  hervorzugehen,  dafs  die  vordere  Extremität  mehr  An- 
lage entwickelt,  auf  Flüssigkeiten  zu  wirken.  Sie  ist  gewöhnlich  die  stärkere  Flosse  und  sie  al- 
lein wird  zu  einem  Flügel ,  da  ein  Thier  nicht  durch  die  Luft  gestofsen ,  aber  wohl  durch  die- 
selbe gezogen  und  gehoben  werden  kann. 


189 

gung  dienenden  Dornforlsätze  zu  befestigen.      Die  erstere  erhält  durch  diese  Befe- 
stigung zngleich  eine  Verwandtschaft  mit  den  Rippen. 

Ueber  die  Mittelglieder  nur  wenig!   Sie  sind  doppelt,  ein  oberes  (Oberami  /.  Mittelglie- 
uud  Oberschenkel)  und  ein  unteres  (Unterarm  und  Unterschenkel).      Zwischen 
beiden  ist  ein  Gelenk  (Ellenbogen  und  Knie),   das  ich  Mittelgelenk  nenne.     Das 
Gelenk ,  welches  das  untere  Mittelglied  mit  dem  Endgliede  verbindet  (Handgelenk 
und  Fufsgelenk) ,  mag  Endgelenk  heifsen.  —     Das  obere  Mittelglied  wird  immer 
nur  aus  einem  Knochen  gebildet,  das  untere  Mittelglied  meistens  aus  zweien,  so 
dals  das  Verhältnifs  vom  obern  und  untern  Schlufsstiicke  des  Wurzeljdiedes  sich 
vielleicht  in  den  Mittelgliedern  wiederholt.     Doch  lassen  wir  das  ganz  dahin  ge- 
stellt seyn,  und  bemerken  nur,   dals  in  der  That  im  Allgemeinen  von  den  beiden 
Knochen  in  dem  untern  Mittelgliede  in  denjenigen  Thicren  der  eine  um  so  mehr 
schwindet,  je  unvollständiger  der  untere  Schlufs  des  Rumpfgliedes,    besonders  in 
der  Bruslextremität  in  Hinsicht  seiner  Knochenlheile  ist.  —     Es  kommt  uns  nur 
darauf  an,  zu  zeigen,  dals  der  Bau  der  Mittelglieder  von  de»  Rumpfgliedern  und 
den  Endgliedern  zugleich  bedingt  werde.     Sind  die  Endglieder  mit  ihren  Spitzen 
nach  aufsen  gekehrt,  so  sind  sie  mit  beiden  Knochen  des  untern  Mittelgliedes  ein- 
gelenkt.    Können  sie  in  der  Lage  bedeutend  wechseln,    so  sind  sie  vorzüglich  an 
Einem  Knochen  eingelenkt,  und  dieser  hat  die  Fähigkeit,  sich  um  den  andern  zu 
drehen,  welcher  enger  mit  dem  obern  Mittelgliede  verbunden  ist.     Sind  sie  im- 
mer nur  vorwärts  gerichtet,  so  bilden  sie  nur  mit  einem  Knochen  das  Endgelenk, 
der  andre  ist  entweder  nicht  entwickelt,    oder  liegt  nur  am  Gelenke  an.      Wenn 
nun  aber  die  Richtung  des  Endgliedes  von  dem  Elemente  bedingt  wird,    auf  wel- 
ches es  wirken  soll,  so  scheint  hiernach  wieder  das  Endglied  Bestimmend  auf  die 
Bildung   des  Mittelgliedes,   besonders   des    untern  Mittelgliedes  einzuwirken.   — 
Der  Einflufs  des  Rumpfgliedes  scheint  mir  auch  offenbar.     Im  Allgemeinen  ist  die 
Richtung  des  obern  Millelgliedes  der  Richtung  des  Rumpfgliedes-  (in  seinem  Kno- 
chentheile  betrachtet)  entgegengesetzt,  und  zwar  scheint  es,  dafs  je  mehr  das  vor- 
dere Rumpfglied  von  hinten  nach  vorn  gerichtet  ist,  um  so  mehr  sein  oberes  Mit- 
telglied die  Richtung  von  vorn  nach  hinten  hat,  und  je  mehr  das  hintere  Wurzel- 
glied von  vorn  nach  hinten  steigt,  um  so  mehr  sein  oberes  Mittelglied  von  hinten 
nach  vorn  herabsteigt,  als  wollten  die  obern  Mittelglieder  sich  dem  Schwerpunkte 
nähern,  nachdem  die  Wurzelglieder  sich  mit  ihren  untern  Enden  von  demselben 
abgekehrt  haben.     Dadurch  werden  die  Miltelgelenke  mil  ihren  Streckseiten  ein- 
ander  zugekehrt,    wie   die  weiter  unten  eingedruckte  Figur  anschaulich  macht. 
Wo  die  Wurzelglieder  mehr  senkrecht  herabsteigen,    ist  das  Miüelgelenk  mehr 
nach  aufsen  gerichtet,   wie  besonders  die  Amphibien  zeigen,  deren  tief  herabhän- 


190 

geader  Leib  vom  auswärts  stehenden  Ellenbogen  und  Knie  abzuhängen  scheint  *). 
Die  Verschiedenheit  in  der  Richtung  derMittelgelenke  und  ihre  Uebereinstimmung 
mit  den  Wurzelgliedern  ist  recht  auffallend  im  Frosche.  —     Das  unlere  Mittel- 
glied hat  eine  dem  obern  Mittelgliede  entgegengesetzte  Richtung.     Die  Folge  (oder 
vielleicht  der  Grund)  davon  ist,    dafs  das  Endgelenk  unter  dem  Wurzelgelenke 
sieht     das  Mittelgelenk  mag  nach  aufsen  gerichtet  seyn,    oder  nach  dem  Schwer- 
punkte zu,  d.  h.  in  der  vordem  Extremität  nach  hinten ,  in  der  hintern  nach  vorn. 
In  den  End^elenken  erscheint  eine  wesentliche  Verschiedenheit,  und  eben  daraus 
wird  es  klar,  dafs  die  Richtung  des  Endgliedes  nicht  von  den  übrigen  Gliedern 
der  Extremität   bedingt   wird,     sondern  von  dem  Verhältnisse  zur  Aufsenwelt. 
Wäre  nämlich  ein  einfacher  Gegensatz  in  den  Endgliedern ,    wie  in  den  übrigen, 
so  müfsten  sie  mit  ihren  Spitzen  einander  um  so  mehr  zugekehrt  seyn ,    je  mehr 
die  Mittel  "denke  einander  zugekehrt  sind,  in  solchen  Thieren  also,  die  den  Leib 
am  besten  trafen.     In  diesen  aber  sind  am  entschiedensten  beide  Endglieder  nach 
vorn  gerichtet ,  um  auf  den  Boden  zur  Bewegung  nach  vorn  zu  wirken.     Wären 
hier  die  vordem  Endglieder  den  hintern  entgegengesetzt  gebaut,    so  würden  sie 
den  Rumpf  durch  ihre  Bewegung  nach  hinten  schieben.     Das  hintere  Endgelenk 
ist  um  so  mehr  ein  Gewerbgelenk  mit  der  Streckseite  nach  hinten ,    je  mehr  die 
Streckseite  des  Knies  nach  vorn  gerichtet  ist ,  Aveil  das  Endglied  dadurch  die  ent- 
gegengesetzte Richtung  vom  untern  Mittelgliede  erhält.     In  so  fern  das  Handgelenk 
der  Gegensatz  des  Fufsgelenkes  ist,    hat  es  seine  Beugeseite  nach  hiulen.     In  der 
That  können  die  Säugelhiere ,    mit  viergliedrigeu  Extremitäten  das  vordere  End- 
glied nach  hinten  beugen  und  in  der  Ruhe  hat  es  meistens  diese  Stellung.     Da  aber 
Leim  Gehen  das  vordere  Endglied  nach  vorn  gerichtet  werden  mufs,  so  hat  es  auch 
nach  vorn  eine  Beugeseite,  und  das  Gelenk  bildet  sich  also  aus  einem  ächten  Ge- 
werb^eleuke  in  eine  besondere  Form  von  Gelenken  um.     Diese  Umbildung  ist  um 
so  entschiedener,    je  weniger  selbstständig  die  Mittelhand  ist.      Ist  nämlich  die 
Mittelhand  sehr  lang  (Hufthiere)  ,  so  steht  die  Mittelhand  beim  Gehen  gerade  und 

*\  In  den  Amphibien  sind  die  Mittelgelenke  nach  aufsen  gerichtet,  wie  in  unserer  Abbildung  7. 
Oberes  und  unteres  Mittelgelenk  bilden  auch  dann  einen  Gegensatz,  aber  innerhalb  einer  Ebe- 
ne welche  die  Mittelebene  des  Leibes  in  einen  gvofsen  Winkel  schneidet.  Es  beruht  auf  Grün- 
den der  Mechanik,  dafs  in  dieser  Stellung  die  Kraft  der  Muskeln  weniger  kräftig  auf  das  Tra- 
gen des  Rumpfes  wirkt,  die  Amphibien  schleppen  daher  ihren  tief  herabhängenden  Leib. 
Diese  Form  ist,  wie  die  Entwicklungsgeschichte  lehrt,  die  ursprüngliche  für  die  viergliedrigen 
Extremitäten  ,  aber  auch  Folge  von  einer  umgekehrten  Stellung  der  Endglieder,  wenn  sich  diese 
in  Flossen  umwandeln,  so  im  Knie  der  Seehunde.  Die  andere  Form,  wo  die  Mittelgelenke 
einander  zugekehrt  sind,  ist  die  höhere  Ausbildung,  wodurch  der  Rumpf  mehr  unmittelbar 
unterstützt  und  vom  Boden  erhoben  wird.  Die  Ebene,  in  welcher  oberes  und  unteres  Mittel- 
glied liegen,  ist  hier  mit  der  Mittelebene  des  Leibes  mehr  oder  weniger  parallel. 


191 

das  Handgelenk  hat  noch  eine  ziemlich  entschiedene  Streckseite  nach  vorn.  Je 
kürzer  aher  die  Mittelhand  (Planligraden),  um  desto  mehr  nimmt  sie  Theil  an  der 
Richtung  der  Finger-,  und  das  Gelenk  ist  zwar  in  Hinsicht  auf  seine  cjlindrische 
Gelenkfläche  ein  .Gewerbgelenk ,  hat  aber  keine  entschiedene  Streckseite  und 
bildet  dadurch  einen  Uebergang  zu  dem  freien  Gelenke;  kommt  noch  die  Fähig- 
keit der  seitlichen  Drehung  hinzu ,  die  sich  mehr  oder  weniger  bei  diesem  Gelenke 
einfindet,  so  wird  der  Character  des  freien  Gelenkes  vollständig. 

Um  es  anschaulicher  zu  machen,  wie  die  Aufsenwelt  die  Richtung  des 
Endgliedes  bestimmt,  der  Bau  des  Wurzelgliedes  mehr  vom  Rumpfe  abhängt, 
beide  gemeinschaftlich  aber  die  Form  der  zwischenliegcnden  Gelenke  und  damit 
auch  die  Lage  der  Mittelglieder  bestimmen,  füge  ich  hier  eine  aus  blofsen  Linien 
zusammengesetzte  Abbildung  bei,  die  den  Typus  der  Extremitäten  eines  auf 
festen  Boden  gehenden  und  den  Leib  tragenden  Thieres  darstellt. 


i 


«  ß  stellt  den  Stamm  der  Wirbelsäule  vor. 

A,  a  die  der  Schlufslinie  des  Rückens  zugekehrten  Enden  der  Rumpfglieder. 

B,  b  die  der  Schlufslinie  des  Bauches  zugekehrten  Enden  der  Rumpfglieder. 
A  B ,  a  b  die  Rumpf« Hcder. 

C ,  c  das  Wurzelgelenk. 

CD,  c  d  die  oberen  Mittelglieder. 

D,  d  die  Mittelgelenke. 

DE,  d  e  die  unteren  Mittelglieder. 

E,  e  die  Endgelenke. 

F,  f  die  Spitzen  der  Endglieder. 
E  F,  e  f  die  Endglieder. 

Ich  habe  hier  den  Bau  der  Extremitäten  der  Wirbelthiere  beleuchten 
müssen,  um  später  eine  Vergleichung  derselben  mit  den  Extremitäten  der  ge- 
gliederten Thiere  anstellen  zu  können ,   weil  diese  Vergleichung  zu  der  Einsicht 


g.    Kiefern. 


192 

iu  das  Verhältuifs  zwischen  Wirbellhieren  und  gegliederten  Thieren  wesentlich 
gehört.  Die  Theorie  der  Kieferbildung  würde  uns  mehr  fern  liegen ,  wenn  sie 
nicht  auf  die  Ansicht  von  der  Bildung  der  Extremitäten  zurückwirkte.  Dafs 
nämlich  Kiefern  und  Extremitäten  Modificationen  eines  Grundtypus  sind ,  ist 
augenscheinlich,  und  es  dürfte  wohl  jetzt  nach  Oken  von  den  meisten  Natur- 
forschern anerkannt  seyn,  welche  nicht  überhaupt  die  Grundlage  eines  allge- 
meinen Typus,  aus  welchem  die  Mannigfaltigkeit  des  Baues  entwickelt  ist, 
läu<men.  Die  Kiefern  aber  nähern  sich  so  sehr  der  Natur  der  Hippen,  dafs  mau 
von  ihnen  einen  Grund  hernehmen  kann,  auch  die  Extremität  des  RumpJes  für 
verstärkte  Rippen  auzusehen.  Ich  erlaube  mir  daher  noch  einige  Bemerkungen 
über  die  Kiefern. 

Wir  haben  schon  oben  für  che  Extremitäten  des  Rumpfes  erkannt ,  dafs 
ihre  Wurzelglieder  sich  der  Natur  der  Rippen  nähern  können  ,  dafs  in  den  Fällen, 
wo  die  Extremität  sich  an  die  Wirbelsäule  anlegt,  sie  zugleich  die  Natur  der 
Rippen  mit  ihrer  innern  Fläche  annimmt ,  mit  der  äufsern  aber  dem  ursprüng- 
lichen Verhältnisse,  einen  äufsern  Bogen  zu  bilden,  treu  bleibt,  dafs  aber  nur 
die  eine  Extremität  dieses  Doppelverhältnifs  erreicht,  weil  sie, 'ihrer  Beziehung 
zu  der  Last  des  Rumpfes  gemäfs ,  eine  festere  Anheftung  sucht.  Dasselbe  können 
wir  auf  die  Kiefern  anwenden.  Sie  haben  nicht  das  Kopfskelet  zu  tragen ,  sollen 
aber  die  Nahrung  fassen,  halten  und  zerdrücken.  Dieses  geschieht,  indem  sie 
sich  ^egen  einander  bewegen.  Das  Zerdrücken  wird  aber  am  vollkommensten 
erreicht,  wenn  das  eine  Paar  dieser  Gliedmaafsen  mit  dem  Kopfskelette  ver- 
wachsen ist,  um  eine  feste  Unterlage  dem  Drucke  des  andern  Paares  entgegen- 
zustellen. Das  finden  wir  nun  in  derThat,  denn  die  vordem  Kiefern  sind  ge- 
wöhnlich mit  dem  Schädel  verwachsen.  Wir  haben  also  auch  am  Kopfe  ein 
Kiefern -Paar,  welches  in  der  Regel  verwachsen  ist  (mit  Ausnahme  nämlich  der 
niedern  Wirbelthiere) ,  während  das  andere  beweglich  bleibt,  wie  wir  am 
Rumpfe  (wieder  mit  Ausnahme  der  niedern  Wirbelthiere)  ein  verwachsenes  und 
ein  freies  Extremitäten- Paar  fanden.  Dafs  im  Kopfe  das  vordere  Paar  der  Glied- 
maafsen verwächst,  im  Rumpfe  das  hintere  Paar,  hebt  die  Analogie  nicht  auf, 
sondern  bestätigt  sie,  denn  wir  finden  zuvörderst  darin  die  Wiederholung  der 
Uebereinstimmung  der  beiden  Enden  des  Leibes,  wie  sie  schon  die  an  beiden 
Enden  sich  zuspitzende  Wirbelsäule  und  manches  andre  Verhältnifs  zu  erkennen 
giebt.  Hier  ist  aber  insbesondere  nicht  zu  übersehen,  dafs  vermöge  der  Hirn- 
bildun"  der  Schädel  nach  vorn  stärker  entwickelt  ist,  als  nach  hinten ,  und  er 
also  vorn  mehr  Fähigkeit  hat,  als  hinten,  den  festen  Punkt  für  die  Kiefer- 
bewe<mng  abzugeben,    daher  mit  ihm  der  vordere  Kiefer  aus  demselben  Grunde 

ver- 


193 

verwächst,  der  am  Rumpfe  die  hintere  Extremität  zur  Verwachsung  bestimmt. 
In  der  That  finden  wir  in  denjenigen  Thieren,  wo  der  vordere  Theil  des  Hirnes 
besonders  stark  entwickelt  ist,  in  den  Säugethieren ,  die  vorderen  Kiefer  inniger 
verwachsen,  als  in  andern  Thierklassen,  wo  sie  mehr  oder  weniger  beweglich 
sind.  Es  ist  daher  auch  ganz  übereinstimmend  mit  dem  für  die  Bauchextremität 
Gefundenen,  wenn  die  Oberkiefer  zugleich  die  untern  Wirbelbogen  des  Kopfes 
wiederholen.  Die  Seitenwäude  der  Nasenhöhle  haben  offenbar  Uebereinstimmung 
mit  den  Gaumenbogen  und  diese  mit  den  absteigenden  Flügeln  des  Keilbeines, 
sie  alle  sind  Wandte  einer  plastischen  Höhle,  und  gewifs  die  untern  Bo«en  der 
Schädel wirbel,  was  am  Keilbeine  besonders  deutlich  ist.  Die  Zahnränder  des 
Oberkiefers,  die  über  den  SchJufs  jener  untern  Bogen  der  Schädelwirbel  hinaus- 
ragen, haben  aber  offenbar  eine  andere  Bedeutung,  eben  so  das  äulsere  Blatt  des 
Oberkiefers  höherer  Thiere.  Die  Kieferhöhle  der  Säugethicre  scheint  mir  nichts 
als  eine  Lücke  zwischen  dem  Theile  des  Oberkiefers,  der  ursprünglich  die  Be- 
deutung der  untern  Bogen  der  Schädelwirbel  hat,  und  dem  Theile,  der  in  der 
Bedeutung  der  Extremitäten  steht. 

Hiermit  haben  wir  angedeutet,  dafs  im  Oberkiefer  der  höheren  Thiere 
eine  zweifache  Grundbeziehung  vereint  ist ,  wie  im  Becken  der  höheren  Wirbel- 
thiere.  Um  zu  zeigen,  wie  dieses  Verhältnifs  sich  allmählig  ausbildet,  scldagen 
wir  einen  andern  Weil  ein. 

Wenden  wir  uns  an  diejenigen  Wirbelthiere,  die  dem  Grundtypus  am 
nächsten  stehen,  che  Fische  also,  so  finden  wir  in  ihnen  die  Kiefern  sehr  ver- 
schieden gebildet.  In  vielen  sind  beide  Kiefern  vorstreckbar,  keiner  also  ist  an- 
gewachsen ,  wie  denn  auch  die  Fische  diejenigen  Thiere  sind ,  in  welchen  das 
Becken  gar  nicht  mit  der  Wirbelsäule  unmittelbar  verbunden  ist.  In  den  Ex- 
tremitäten erkannten  wir  zwei  Hauptformen,  solche,  welche  den  Leib  nicht  zu 
tragen  haben,  und  solche,  die  ihn  tragen.  Die  ersteren  wirken  einfach  durch 
Stofs  auf  das  Element,  in  welchem  sie  den  Leib  fortbewegen,  und  das  hintere 
Ende  der  Wirbelsäule  nimmt  dann  immer  an  der  Fortbewegung  Antheil,  die 
letztern  sind  die  einzigen,  welche  (wenn  auch  nicht  in  allen  Formen)  Gegenstände 
der  Aufsenwelt  fassen  und  gegen  den  Leib  bewegen  können.  Die  ersteren  sind 
zweigliedrig,  die  andern  viergliedrig.  Die  Kiefern  zeigen  uns  auch  2  Haupt- 
formeu.  Entweder  finden  wir  in  dem  ganzen  Kiefergerüste  nur  ein  Gelenk  — 
wie  in  den  Säugethieren  und  einigen  Amphibien ,  oder  zwei  Gelenke  —  wie  in 
allen  den  Formen,  in  denen  ein  an  beiden  Enden  beweglicher  Quadratknochen 
ist,  ja  in  seltenen  Fällen,  wie  im  Stör,  sogar  drei  Gelenke.  Das  obere  Gelenk 
scheint  aber  den  Inbegriff  der  hintern  Kiefern  nicht   zu  schliefsen.      Ein  Theil 

Bb 


194 

nämlich  des  Kopfgerüstes,    den  wir  Schläfenschuppe  nennen,   scheint  noch  zum 
Inbegriff  der  Kopfextreniitäteu  zu  gehören,  wie  schon  mehrfach  von  den  Natur- 
forschern ausgesprochen  ist.     Dieser  Deutung  mufs  man  beistimmen ,  wenn  man 
bedenkt,    wie  die  Schläfenschuppe  oft  zwar  sich  in  das  Schädelgerüste  eindrängt, 
allein   meist  mit  Schuppennähten   die  Ränder  der   andern  Knochen  deckt,    zu- 
weilen auch  von  der  Schädelhöhle  ausgeschlossen  ist,    ja  in  einigen  Fällen,  wie 
in  den  normalen  Schlangen ,   sogar  ganz  lose  und  beweglich  an  der  Schädeldecke 
anliegt.     Ich  finde  nämlich  keinen  Grund,  diesen  ersten  Knochen  im  Kiefergeriiste 
der  wahren  Schlangen  für  das  Warzenbein  zu  halten.     Wie  käme  das  Warzen- 
bein zu  einem  Gelenke  an  seinem  untern  Ende?     Dagegen  ist  es  deutlich  ein 
Kopfschulterblatt,   nach  unten  mit  vollständigem  Gelenke,    nach  oben  ohne  aus- 
gebildetes Gelenk  sich  anfügend  an  die  Gegend,  wo  die  Dornfortsätze  der  Schädel- 
wirbel sind.     Auch  die  Entwickelungsgeschichte  scheint  nachzuweisen,  dafs  sich 
in  die  Kopfbildung    der   höheren  Thiere   etwas    an  -  und   einfügt,    was  nicht 
ursprünglich    zu   den  Schädelwirbeln   gehört.     Man  sieht   nämlich   anfangs   die 
Wirbelabtheilung   in  der  hintern  Gegend  des  Schädels  sehr  deutlich.      Nachher 
wird  sie  plötzlich  undeutlich,  als  ob  sich  etwas  Neugebildetes  auflegte.  —    Wenn 
man  nun  für  das  Kiefergerüste,   und  namentlich  zuerst  für  den  Hinterkiefer  noch 
einen  Theil  mitzählen  darf,    der  meistens   mit  dem  Schädel  verbunden  ist,    so 
haben    wir    folgende    Hauptabschnitte   für   die   Kieferbildung:     zuvörderst    ein 
Wurzelglied,     welches   hier  ein  Schädelglied   ist,    wie  in  den  eigentlichen  Ex- 
tremitäten ein  Rumpfglied;    ferner  ein  Endglied,    welches  unmittelbar  auf  die 
Beute  wirkt.     Zwischen  beiden  sind  zuweilen  zwei  Mittelglieder,  und  in  dieser 
Forin  zeigt  die  Kieferbildung  ganz  die  Bildung  der  Extremitäten.     In  den  Kiefern 
sind  zwar  die  zwei  Mittelglieder   selten,    viel   häufiger   ist  nur  ein  auf  beiden 
Seiten  bewegliches  Mittelglied  (in  den  meisten  Fischen,  allen  Vögeln,  sehr  vieJen 
Amphibien).     Auch  erkennt  man  noch»  in  den  Knochenfischen  mit  vorstreckbaren 
Kiefern   ein  undeutliches  Mittelgelenk   zwischen   dem  WurzeJgelenke,    welches 
Schädel  und  Quadratknochen  verbindet,  und  dem  Endgelenke. 

Wir  finden  also  in  den  Kiefern  dieselben  Hauptabschnitte,  wie  in  den 
Extremitäten,  und  wenn  in  ihnen  gewöhnlich  nur  Ein  Mittelglied  ist,  so  dürfte 
dieses  eben  in  dem  Unterschiede  zwischen  Kopf-  und  Rumpfexlremitäten  be- 
gründet seyn.  Wie  wir  unter  den  wahren  Extremitäten  zweigliedrige  und  vier- 
gliedrige  fanden,  so  haben  wir  auch  eine  verschiedene  Zahl  der  Gliederung  in 
den  Kiefern  gefunden,  nämlich  viergliedrige  (der  Stör),  dreigliedrige  und  zwei- 
gliedrige. Es  scheint,  dafs  im  zweiten  Falle  das  untere  Mittelglied  im  Endgliede 
mit  enthalten  ist,  daraufführt  die  Bildung  des  Endgelenkes,  welches  den  Gelenk- 


195 

köpf  nach  oben,  die  Pfanne  nach  unten  ha!,  wie  das  Miltelgelenk  der  Extremi- 
täten. In  den  zweigliedrigen  Kiefern  ist  der  Gelenkkopf  bald  am  End"Iiede  (in 
den  Säugethieren),  bald  im  Wurzclgliede  (Chelonier,  ßatrachier,  Crocodille), 
so  dafs  uns  im  ersten  Falle  das  Mittelglied  vom  Endgliede,  im  letzten  vom 
Wurzclgliede  aufgenommen  scheint.  Ganz  eben  so  finden  wir  in  den  zwei- 
gliedrigen Extremitäten  des  Rumpfes  die  Mittelglieder  bald  vom  Wurzel»liede 
(Fische),  bald  vom  Endgliede  (Cetaceen)  aufgenommen. 

Hiermit  dürfte  wohl  die  Uebereinstimmung  des  Hinterkiefers  mit  den  Ex- 
tremitäten deutlich  gemacht  seyn.  Viel  kürzer  ist  der  Beweis  zu  führen,  dafs  der 
Unterkiefer  die  untern  Bogen  der  Kopfwirbel  umgiebt.  Das  lehrt  das  Zungen- 
beingerüste von  den  Fischen  bis  zu  den  Säugethieren  herauf.  Diesem  Gerüste 
kommen  andre  auch  überdeckte  Verlängerungen  von  oben  entgegen.  Am  klar- 
sten ist  das  Verhältnifs  an  den  Schädeln  der  Cetaceen,  hier  sehen  wir  nämlich 
hinter  den  untern  Flügeln  des  Kedbeines  eine  ganz  ähnliche  untere  flü^elförmioe 
"Verlängerung  des  Hinterhauptbeines,  welche  offenbar  die  Reihe  der  untern 
Bogen  fortsetzt.  In  den  Huflhieren  erscheint  dieser  Fortsatz  schmaler  als  soge- 
nannter Griffelfortsatz  des  Hinterhauptes.  In  höheren  Säugethieren  haben  wir 
dagegen  einen  Griffelforlsatz  am  Felsenbein.  Dafs  überhaupt  im  hintern  Theile 
der  Kopfwirbel  die  untern  Bogen  nicht  vollständig  sind ,  scheint  mir  daher  zu 
rühren,  dafs,  wie  die  Entwicklungsgeschichte  lehrt,  der  Mund  hier  durch- 
bricht, und  mau  darf  wohl  annehmen,  dafs,  je  nachdem  der  Mund  etwas  weiter 
nach  hinten  oder  nach  vorn  durchbricht,  der  letzte  oder  der  vorletzte  Schädel- 
wirbel mehr  in  seinem  untern  Bogen  unentwickelt  bleibt. 

Eudlich  wäre  noch  der  Beweis  zu  führen,  dafs  der  Vorderkiefer  mit  dem 
Hinterkiefer  ursprünglich  dasselbe  Verhältnifs  hat.  Betrachten  wir  die  Knorpel- 
fische, so  finden  wir,  dafs  Vorder-  und  Hinterkiefer  nur  in  ihren  Endgliedern 
getheilt  sind,  die  Mittel-  und  Wurzelglieder  völlig  gemeinschaftlich  haben.  In 
den  Knochenfischen  mit  vorstreckbaren  Kiefern  löst  sich  das  Mittelglied  allmähli" 
in  zwei  Reihen  einzelner  Knochen  auf;  diese  Trennung  ist  iu  den  Fischen  deren 
Kiefern  nicht  vorstreckbar  siud  und  deren  Oberkieferbeine  gröfser  zu  seyn  pflegen 
noch  stärker;  der  Oberkiefer,  der  sich  an  den  Schädel  anlegt,  verliert  aber  sein 
eigenes  Endgelenk,  dagegen  steht  er  mit  dem  Mittelgliede  (Quadratknochen) 
durch  den  Jochbogen  noch  in  Verbindung  und  ist  von  hier  aus  noch  verschiebbar 
(Vögel  und  viele  Amphibien).  Endlich  legt  sich  der  Jochbogen  an  das  Schuppen- 
bein an,  so  dafs  es  das  Ansehn  hat,  das  Wurzelglied  sey  für  beide  Kiefern  immer 
gemeinschaftlich.  So  glaube  ich,  wird  der  schwer  zu  deutende  Jochbogen ,  am 
besten  verstanden,  als  gelenkloses  Mittelglied  des  Vorderkiefers. 

Bb  2 


196 

Der  Vorderkiefer  löst  sich  also,  je  weiter  wir  in  das  Thierreich  aufsteigen, 
um  so  mehr  vom  Hinterkiefer  ab  und  legt  sich  an  die  untern  Bogen  der  vordem 
Schädelwirbel  an,   drängt  sich  ein  und  nimmt  Anthcil  an  ihren  morphologischen 
Verhältnissen ,  wie  das  Becken  an  den  Verhältnissen  der  Rippen  Antheil  nimmt. 
k.  Ent-  Weuden  wir  nun  diese  morphologische  Episode  auf  die  Entwickelungs- 

derExtremi-  geschickte  der  Extremitäten  an,  so  bemerke  ich  zuvörderst,  dafs  ich  dieselbe  nur 
taten-  au  den  Landthieren  kenne,   also  an  den  viergliedrigen  Extremitäten.     Sie  scheint 

im  Anfange  für  alle  sehr  übereinstimmend,  wie  ich  au  Eidechsen,  Vögeln, 
Sehaafen ,  Schweinen ,  Kaninchen ,  Hunden  und  am  Menschen  beobachtet  habe. 
Selbst  der  Flügel  der  Vögel  ist  in  der  ersten  Bildung  dem  Fufse  derselbeu  und 
dem  Fufse  der  Eidechsen  gleich.  Zuerst  zeigen  sich  schmale,  iu  die  Länge 
gestellte  Leisten,  die  auffallend  lang  sind  und  dadurch  zu  beurkunden  scheinen, 
dafs  die  Extremitäten  ihrer  ursprünglichen  Idee  nach  dem  ganzen  II um pfe  ange- 
hören ;  die  Verdickung  des  Rückenmarkes  in  der  ganzen  Länge  des  Rumpfes, 
welche  sich  dann  am  vordem  und  am  hintern  Ende  coucentrirt,  dürfte  auch  darauf 
hindeuten.  Diese  Leisten  liegen  zuerst  nur  auf  den  Bauchplatten  und  dehnen  sich 
dann  nach  oben  und  nach  unten  aus.  Es  scheint  hiernach,  dafs  die  Gegend  des 
Wurzelgelenkes  sich  zuerst  bildet  und  von  hier  aus  die  Bildung  des  Wurzelgliedes 
sich  nach  oben  und  unten  ausdehnt,  woraus  mau  später  erkennt,  dafs  die  Ex- 
tremität nicht  blofs  den  Bauchplatten  angehört,  sondern  beiden  Hauptröhren 
gemeinschaftlich  ist.  Zugleich  hebt  sich  aus  der  Gegend  des  Wurzelgelenkes  eine 
Erhabenheit  hervor,  und  wir  sehen  also  nach  aufseu  auch  die  übrigen  Theile  der 
Extremität  sich  entwickeln.  Die  Vorrogung  krümmt  sich  etwas  nach  unten  und 
trennt  sich  in  einen  runden  Stiel  und  eine  flache  Platte.  Die  Platte  i*t  das  End- 
glied, der  Stiel  enthält  beide  Mittelglieder.  Noch  sind  die  Extremitäten  gleich 
und  kein  Gelenk  ist  deutlich.  Dann  bekommt  der  Stiel  einen  nach  aufsen  ge- 
kehrten Winkel  als  Mittelgelenk.  Hieraus  ist  ersichtlich  ,  dafs  die  ursprüngliche 
Form  der  Mittelgelenke,  wie  ich  oben  annahm,  die  ist,  mit  der  Streckseite 
nach  aufsen  gerichtet  zu  seyn.  Wie  nun  beide  Mittelgelenke  ihre  Individualität 
ausbilden ,  zuerst  das  Endglied  die  Richtung  der  untern  Mittelglieder  theilt  und 
auch  die    Eudgelenke   ihre   Besonderheit    erhalten,    ist   in   der   Entwickelunss- 

CT  '  ö 

geschichle  des  Hühnchens  ausführlich  erzählt,  hier  kam  es  nur  darauf  au,  zu 
zeigen,  in  welchem  Verhältnifs  die  Entwickelung  der  Extremität  zu  dem  Ent- 
Avickel ungsschema  des  Rumpfes  steht  und  dafs  man  sie  nicht  für  eine  blofse 
Wiederholung  der  Bauchplatten  ansehen  darf. 

Was  ich  von  der  Entwickelung  des  Ober-  oder  Vorderkiefers  gesagt  habe, 
stimmt  gaLZ  mit  der  so  eben  entwickelten  Ansicht,    dafs  es  eine  Extremität  ist, 


197 

welche  sich  au  andre  Kopflheile  anlegt  und  mit  ihnen  verwachst.  Dagegen 
könnte  man  in  der  Entwickelungsgeschichte  des  Unterkiefers  einen  Beweis  finden, 
dafs  er  eine  Rippe  sey.  Die  Kiemenbogen  sind  nämlich  getrennte  Abschnitte  der 
Baucliplatten,  und  wenn  in  ihnen  ohne  weitere  Veränderung  Knochenbogen  sich 
entwickeln,  so  müfsten  wir  diese  Rippen  nennen.  Nun  habe  ich  gesagt,  dafs 
aus  dem  ersten  Kienienbogen  der  Unterkiefer  sich  bildet.  Ich  freue  mich ,  schon 
bei  Ausarbeitung  der  Entwickelungsgeschichte  bemerkt  zu  haben,  dafs  sich  der 
erste  Kiemenbogen  durch  Auflagerung  neuer  Masse  verdickt.  Noch  viel  deut- 
licher habe  ich  dies  Vefhältnifs  später  in  Embryoneu  von  Säugethiereu  gesehen, 
wie  ich  in  M*eckePs  Archiv  für  Anatomie  und  Physiologie,  Jahrgang  1828. 
Heft  1.  berichtet  habe.  Die  Verdickung  des  ersten  Kiemenbogens  erfolgt  also 
nicht  durch  gleichmäfsige  Ausdehnung  nach  allen  Seiten,  sondern  durch  Auf- 
lagerung, d.  h.  durch  Vermehrung  der  Masse  unter  der  Haut,  wie  man  daraus 
erkennt,  dafs  der  Gefäfsbogen  ganz  nach  innen  liegt.  Es  ist  mithin  auch  hier  der 
Kiefer,  obgleich  vom  ersten  Kiemenbogen  nicht  getrennt,  ein  aufliegender  Theil, 
so  wie  sich  auch  sein  Wurzelglied  als  aufliegender  Theil  am  Schädel  bildet. 


Corollarium   über  eine  consequentere  Eintheilung   und 
Bearbeitung  der  Anatomie. 

Die  Entwickelungsgeschichte  könnte  uns  veranlassen,  eine  consequentere 
Bearbeitung  der  Anatomie  einzuführen.  Man  pflegt  seit  Bichat's  unsterblichen 
Untersuchungen  eine  allgemeine  Anatomie,  oder  die  Lehre  von  den  verschiedenen 
Geweben,  in  neuerer  Zeit  Histologie  genannt,  von  der  Beschreibung  der  einzelnen 
Theile  zu  sondern.  In  dem  beschreibenden  Theile  läfst  man  aber  IubegrilFe  1011 
gleichartigen  Theilen ,  die  sogenannten  organischen  Systeme,  und  Inbegriffe  von 
ungleichartigen  Theilen,  die  Apparate,  auf  einander  folgen.  Diese  Eintheilung 
ist  nicht  consequent,  denn  jene  Gleichartigkeit  beruht  nur  in  der  Ueberein- 
stitnmung  des  innern  Baues  oder  des  Gewebes,  und  die  Ungleicharligkeit  in  der 
Ungleichartigkeit  der  Gestaltung.  In  ersterer  Hinsicht  glaubt  mau  das  Hirn  nicht 
von  den  Nerven  trennen  zu  dürfen.  Man  ist  aber  auch  dfiriu  nicht  consequent, 
denn  das  Herz,  das  im  Gefäfssyslem  mit  aufgeführt  wird,  hat  ein  anderes  Gewebe, 
als  die  Gefäfse.  Man  falst  diese  wegen  des  innigen  Zusammenhanges  und  der 
gemeinschaftlichen  Wirkung  zusammen.  Im  Grunde  ist  also  das  Princip,  dem 
mau  folgt,  vorzüglich  biologisch.  Aber  auch  darin  ist  man  wieder  unbeständig, 
denn   alle   Theile  der   Hand   wirken    gemeinschaftlich ,    doch    glaubt   man   die 


198 

Knochen  in  Verbindung  mit  andern  Knochen ,  und  die  Muskeln  ebenso  in  Ver- 
bindung mit  andern  Muskeln  abhandeln  zu  müssen.  Man  sieht  aber  leicht  ein, 
dafs  man  mit  demselben  Rechte  die  Muskeln  des  Magens  besonders  abhaudeln 
inüfste,  was  uur  deswegen  nicht  geschieht,  weil  man  sie  nicht  einzeln  sondern 
kann,  und  hiervon  liegt  der  Grund  nur  darin,  dafs  der  Magen  der  höheren 
Thiere  keine  festen  Theile  enthält ,  wie  der  Magen  der  Krebse.  Die  Isoliruug 
der  Muskeln  in  der  Hand  ist  eben  so  nur  eine  Folge  vom  Dasevn  der  Knochen. 

Die  Botaniker  sind  durch  die  Natur  selbst  auf  eine  andre  Scheidung  ge- 
kommen. Ihre  Anatomie  beschäftigt  sich  nur  mit  den  histologischen  Elementen 
und  die  morphologische  Kenntnifs  der  Organe  der  Pflanze  wurde  sonst  unter  dem 
Namen  der  Terminologie  bearbeitet.  Diese  sogenannte  Terminologie  oder  die 
Kenntnifs  der  äufsern  Theile  ist  sich  jetzt  bewufst,  dafs  sie  eine  Organologic  ist, 
da  alle  Organe  der  Pflanze  äufserlich  gelrennt  sind. 

In  dieser  Eintheilung  ist  offenbar  mehr  Con»e(|uenz.     Sollte  man  ihr  nicht 
in  der  Morphologie  der  Thiere  folgen  können  und  diese  schärfer  in  eine  Histologie 
oder  die  Lehre  von  den  organischen  Elementen ,  und  Organologie  oder  besondere 
Morphologie,  scheiden.     Ursprünglich  hat  man  alle  Theile  des  Körpers,  die  eine 
gewisse  Besonderheit  haben,    Organe  genannt   und  das  Hirn  wie  das  Herz  für 
Organe  gehalten.     Jetzt  scheint  man  ihnen  dieses  Recht  streitig  machen  zu  wollen, 
weil  sie  weniger  zusammengesetzt  sind ,  allein  das  Hirn  hat  seine  Blutgefäfse  und 
das  Herz  seine  Nerven  so  gut  als  der  Magen.     Die  Botaniker  halten  einen  Theib 
der  nur  aus  Zellgewebe  besteht,   nichts  desto  weniger  für  ein  Organ,    wenn  er 
«esondert  da  liegt.  —     In  den  Thieren  kann  man  jede  besondere  Modification  der 
Fuudamentalorgane  für  Organe  ansehn ,  und  wenn  man  ganz  der  Entwickelungs- 
weise  folgt ,   wird  man  in  der  Nervenschicht  der  Wirbelthiere  zwei  Organe  er- 
kennen,    Hirn  und   Rückenmark,    in  der  Fleischschicht  Schädel   und  Gesicht, 
Rücken  und  Bauchwand,    so  wie  man  einzelne  Organe  in  der  Schleimhautröhre 
unterscheidet.     Die  Knochen ,    Muskeln  und  Blutgefäfse  in  ihnen  sind  die  organi- 
schen Elemente.    Ob  für  den  Vortrag  eine  solche  Eintheilung  die  passendere  wäre, 
ist  eine  andre  Frage.     Für  die  Erkennt nifs  des  Baues  scheint  sie  es  offenbar. 


199 


Scholion     V. 

Ueber   das  Verhältnifs    der  Formen,    die  das  Individuum  in  den 
verschiedenen  Stufen  seiner  Entwickelung  annimmt. 


§.   i. 

Die   herrschende   Vorstellung ,    dafs    der  Embryo    höherer    Thiere    die   bleibenden 

Formen  der  niederen  Thiere  durchlaufe. 

lieber  das  Verhältnifs  der  Formen,  die  der  Embryo  allmählig  annimmt, 
ist  zwar  schon  im  Verlaufe  der  Erzählung  von  der  Entwickelungsweise  des  Hühn- 
chens an  den  geeigneten  Stellen  gesprochen.  Es  scheint  mir  aber  bei  der  W  ichtig- 
keit  des  Gegenstandes  und  dem  Interesse,  welches  man  ihm  besonders  in  neuerer 
Zeit  geschenkt  hat,  passend  und  nothwendig,  jenem  Verhältnisse  eine  besondere 
Untersuchung  zu  widmen,  da  es  mir  etwas  anders  darstellt,  als  es  nach  der 
herrschenden  Meinuug  seyn  sollte. 

Um  bei  der  Entwickelung  meiner  Ansicht  verständlich  zu  werden  und  das,  di£d^yein* 
was  ihr  wesentlich  ist,    schärfer  hervorheben  zu  können,    sey  es  erlaubt,    zu-  Eutwicke- 
vorderst  die    jetzt   herrschende    Vorstellungsweise    von   den   Bildungsstufen   des  Ren,e  der 
Embryo  zu  beleuchten.  St» 

Wenige  Darstellungen  von  Verhältnissen  in  der  organischen  Welt  haben  so  entsprechen. 

DO  O  * 

viel  Beifall  gefunden ,  als  die :  dafs  die  höheren  Thieiformen  in  den  einzelnen 
Stufen  der  Entwickelung  des  Individuums  vom  ersten  Entstehen  an  bis  zur  erlangten 
Ausbildung  den  bleibenden  Formen  in  der  Thierreihe  entsprechen ,  und  dafs  die 
Entwickelung  der  einzelnen  Thiere  nach  denselben  Gesetzen,  wie  die  der  ganzen 
Thierreihe ,  erfolge ,  das  höher  organisirte  Thier  also  in  seiner  individuellen  Aus- 
bildung dem  Wesentlichen  nach  die  unter  ihm  stellenden ,  bleibenden  Stufen  durch- 
läuft ,  so  dafs  die  periodischen  Verschiedenheiten  des  Individuums  sich  auf  die 
V erschiedenheiten  der  bleibenden  Thieiformen  zurückführen  lassen. 

Diese  Idee,  lebendig  geworden  zu  einer  Zeit,  wo  aulser  von  MaJpighi 
und  Wolff  noch  keine  zusammenhängenden  Untersuchungen  über  die  frühern 
Perioden  der  Entwicklungsgeschichte  irgend  eines  Thiers  angestellt  waren  und 


200 

vorzüglich  durchgeführt  von  einem  Manne,  der  über  die  Entwicklungsgeschichte 
der  höheren  Organismen  wohl  die  meiste  Kenntnifs  besafs,  konnte  nicht  umhin, 
grofse  Theilnahme  zu  erregen ,  da  sie  von  einer  Menge  specieller  Beweise  unter- 
stützt wurde.  Sie  gewann  noch  mehr  Gewicht,  da  sie  sich  fruchtbar  erwies, 
indem  eine  Reihe  Mifsbildungen  verständlich  wurden,  wenn  man  sie  als  Folge 
eines  partiellen  Stehenbleibens  der  Entwickelung  auf  früheren  Bildungsstufen  be- 
trachtete. —  Kein  Wunder  also ,  dafs  sie  mit  Wärme  aufgenommen  und  schärfer 
durchgeführt  wurde. 
6,    Folge-  Einige  Vertheidiger  wurden  so  eifrig,    dafs  sie  nicht  mehr  von  Aehnlich- 

man  hierauf  keit,  sondern  von  völliger  Gleichheit  sprachen,  und  lliaten,  als  ob  die  Ueber- 
gebaut  hat.  einstimmung  überall  und  in  jeder  Einzelnheit  nachgewiesen  wäre.  Noch  kürzlich 
lasen  wir  in  einer  Schrift  über  den  Blutlanf  des  Embryo,  nicht  Eine  Thierform 
lasse  der  Embryo  des  Menschen  aus.  Man  lernte  allmählig  die  verschiedenen 
Thierformen  als  aus  einander  entwickelt  sich  denken  —  und  schien  danu ,  von 
einigen  Seiten  wenigstens,  vergessen  zu  wollen,  dafs  diese  Metamorphose  nur 
eine  Vorstellungsart  sey.  Unterstützt  durch  die  Erfahrung,  daü  in  den  altern 
Schichten  des  Erdkörpers  keine  Reste  von  Wirbelthieren  vorkommen,  glaubte 
man  erweisen  zu  können ,  dafs  eine  solche  Umwandlung  der  verschiedenen  Thier- 
formen wirklich  historisch  begründet  sey,  und  erzählte  endlich  ganz  ernsthaft 
und  im  Einzelnen,  wie  sie  aus  einander  entstanden  wären.  Nichts  war  leichter. 
Ein  Fisch,  der  ans  Land  schwimmt,  möchte  dort  gern  spazieren  gehn,  wozu  er 
seine  Flossen  nicht  gebrauchen  kann.  Sie  verschrumpfen  in  der  Breite  aus 
Mangel  an  Uebung  und  wachsen  dagegen  in  die  Länge.  Das  geht  über  auf  Kinder 
und  Enkel  einige  Jahrtausende  hindurch.  Da  ist  es  dann  kein  Wunder,  dafs  aus 
den  Flossen  zuletzt  Füfse  werden.  Noch  natürlicher  ist  es,  dafs  der  Fisch  auf 
der  Wiese,  da  er  kein  Wasser  findet,  nach  Luft  schuappt.  Dadurch  treibt  er 
endlich  in  einer  eben  so  langen  Frist  Lungen  hervor,  wozu  nur  erfordert  wird, 
dafs  einige  Generationen  sich  unterdessen  ohne  Athmung  behelfen.  —  Der  lange 
Hals  der  Reiher  rührt  daher,  dafs  ihre  Stammeltern  diesen  Theil  oft  ausstreckten, 
um  Fische  zu  fangen.  Die  Jungen  bekamen  nun  schon  etwas  ausgezogene  Hälse 
mit  auf  die  Welt,  und  cullivirten  dieselbe  Unart,  die  ihren  Nachkommen  noch 
längere  Hälse  gab,  woraus  denn  zu  hoffen  ist,  dafs,  wenn  die  Erde  nur  recht  alt 
wird,  der  Hals  der  Reiher  gar  nicht  mehr  zu  messen  seyn  werde.  —  Eine  un- 
vermeidliche Folge  jener  als  Naturgesetz  betrachteten  Vorstellungsweise  war  die, 
dafs  eine  früher  herrschende,  seitdem  ziemlich  allgemein  als  unbegründet  be- 
trachtete Ansicht  von  der  einreihigen  Stufenfolge  der  verschiedenen  Thierformen 
allmählig  wieder  festern  Fufs  gewann,   und  wenn  auch  oft  nicht  deutlich  aus- 


20  L 

gebrochen,  ja  selbst  ohne  Bewufstseyn  der  Forscher  hei  Urtheiten  über  thierische 
Formeu  in  Anwendung  kam.  Auch  mufs  man  gestehen,  dafs,  wenn  jenes  Natur- 
gesetz angenommen  Avurde,  die  Consequenz  ebenfalls  die  Aufnahme  dieser  Ansicht 
forderte.  Man  hatte  dann  nur  Einen  Weg  der  Metamorphose,  den  der  fernem 
Ausbildung,  entAveder  erreicht  in  Einem  Individuum  (die  individuelle  Meta- 
morphose), oder  durch  die  verschiedenen  Thierformen  (die  Metamorphose  des 
Thierreiches) ,  und  die  Krankheit  durfte  man  geradezu  eine  rücTc  schreitende  Meta- 
morphose nennen,  Aveil  eine  einreihige  Metamorphose  Avie  eine  Eisenbahn  nur 
vorwärts  oder  rückAvärts  gehen  läfst,  nicht  zur  Seite. 

Von  solchen ,  einer  unbefangenen  Untersuchung  und  genauem  Kenntnils 
widersprechenden  AnAvendungen  hielten  sich  ZAvar  die  Besonnenem  und  vor  allen 
Dingen  derjenige  Vertheidiger  des  Gesetzes  frei,  durch  dessen  Namen  es  am 
meisten  Ansehen  erhielt,  aber  man  darf  nicht  läugnen,  dafs  sie  folgerecht  aus 
dem  Gesetze  hervorgingen  und  dafs  schon  dadurch  Mifslrauen  erregt  Averden 
mufste  *).     Allein  die  Augriffe  der  Widersacher  waren  zum  Theil  nur  auf  die 


*>  Es  schien  hier  nicht  passend  ,  irgend  eine  bestimmte  Darstellung  dieser  Theorie  wieder  zu 
geben  ,  um  dann  ihre  Widerlegung  zu  versuchen.  Da  sich  ein  gewisser  AViderspruch  in  der 
Natur  bemerklich  genug  machte,  so  sind  die  Ausführungen  durch  verschiedene  Manner  sehr 
verschieden  ausgefallen.  Immer  waren  diejenigen,  denen  am  meisten  specielle  Kenntnisse 
zu  Gebote  standen,  vorsichtiger  und  unbestimmter,  wahrend  diejenigen,  die  ihnen  folgten, 
viel  bestimmter  auftraten.  Mir  scheint  die  ganze  Lehre  mehr  eine  Entwickelungsstufe  der 
Naturwissenschaft,  als  das  Eigenthum  eines  einzelnen  Mannes.  Man  erkannte  den  ver- 
schiedenen Grad  der  Ausbildung  in  den  verschiedenen  Thierformen.  Man  lernte  einsehen 
dafs  diese  Thierformen  als  Modifikationen  von  einander  zu  betrachten  sind.  Es  war  natürlich 
ja  nothwendig,  dafs  man  nun  versuchte,  die  einfachste  Form  dieser  Modifikationen  durch- 
zuführen, die  der  unmittelbaren  Entwickelung  aller  Formen  aus  einer.  Diese  Entwickelung 
nun  als  historisch  begründet  anzunehmen,  ist  nur  als  ein  kleiner  Schritt  weiter  zu  betrachten 
zu  welchem  die  Consequenz  führen  mufste.  Eine  Vergleichung  mit  der  individuellen  Ent- 
wickelung gehörte  dann  nothwendig  m  denselben  Ideenkreis,  und  es  ist  auf  jeden  Fall  ein 
Verdienst,  den  Versuch  zumachen,  wieweit  sich  die  Kennlnifs  der  Entwicklungsgeschichte 
in  denselben  einführen  lälst. 

[n  der  Ueberzeugung ,  dafs  die  ganze  Ansicht  in  ihrem  vollen  Umfange  eine  noth- 
wendige  Durchgangsbildung  unserer  naturhistorischen  Kenntnisse  ist,  schien  es  nicht  noth- 
wendig, in  der  oben  gegebenen  kurzen  Darstellung  genau  chronologisch  zu  verfahren. 
Manche  der  angedeuteten  Versuche,  die  Thierklassen  als  aus  einander  entstanden  darzu- 
zustellen  ,  sind  älter,  als  die  bedeutendem  Versuche,  die  Enluickelungsstufen  des  Embryo  auf 
die  Klassenver6chiedenheiten  zurückzuführen.  Das  weifs  ich  sehr  wohl  und  ich  erwarte  in 
dieser  Hinsicht  keine  Vorwürfe.  Ich  wählte  nur  die  kürzeste  Darstellung,  Der  ganze  Kreis 
von  Vorstellungen,  die  ich  hier  genauer  zu  bestimmen  hoffe,  indem  ich  auf  den  Unterschied 
zwischen  der  höhern  und  niedern  Stufe  der  Ausbildung  des  thierischen  Körpers  und  dem 
Typus  der  Organisation  aufmerksam  mache,  greift  so  vielseitig  in  alle  Untersuchungen  ein, 
dafs  man  in  einer  überaus  grofsen  Zahl  von  Werken  auf  ihn  stöfst,  weshalb  es  ganz  unwesent- 
lich ist,    eine  einzelne  herauszuheben. 

Cc 


202 

Uebertreibungen  ge  richtet,  zum  Theil  schwach,  da  sie  nicht  auf  eigene  und  sorg- 
fältig au  der  Ausbildung  derselben  Thierform  gemachte  Beobachtungen  sich  stützen 
konnten.  Einzelne  Ausnahmen  mufsten  auch  nun  venig  Gewicht  haben,  ohne 
Einsetzung  einer  andern  durchgreifenden  Lehre.  Da  die  allmählige  Hervorb.il- 
dung  des  Embryo  aus  einer  zarten  homogenen  Masse  zu  gewaltig  an  die  Leibes- 
beschaffenheit der  niedersten  Thiere  erinnerte,  so  mufsten  alle  Einwürfe  als  nur 
gegen  unbedeutende  Kleinigkeiten  verschwendet  erscheinen,  wenn  man  nicht, 
diese  Uebereinstimmung  anerkennend,  noch  ein  anderes,  verschiedenes  Verhält- 
nifs  nochzuweisen  vermochte. 

Endlich  mufste  in  neuester  Zeit  die  Lehre  von  der  Uebereinstimmung  der 
individuellen  Metamorphose  mit  der  denkbaren  Metamorphose  des  ganzen  Thier- 
reiches  ein  besonderes  Gewicht  erhalten,  als  durch  Rathke's  glänzende  Ent- 
deckung Kiemenspalten  in  den  Embryonen  der  Säugethiere  und  Vögel  nachge- 
wiesen und  bald  darauf  sogar  die  Gefäfse  dazu  aufgefunden  wurden. 

§.   2. 
Zweifel  und  Einwurfe, 
a.  Zweifel.  .Schon  früh  war  meine  Aufmerksamkeit  auf  das  gegenseitige  Verhaltnifs 

der  bleibenden  Thierfoi  men  gerichtet,  und  was  mir  dabei  zuerst  zur  Evidenz 
wurde,  war,  dals  dieses  Verhältnifs  auf  keinen  Fall  als  einreihige  Fortbildung 
betrachtet  werden  könne.  Eine  einreihige  Fortbildung,  wenn  auch  nur  als  Jogi- 
scher Begriff,  scheint  aber  für  die  bleibenden  Thierformen  ganz  nothwendig, 
wenn  sie  sich  iu  der  Entwickelang  des  Individuums  wiederholen  soll. 

Ich  lernte  daher  diese  Lehre  mit  Mißtrauen  betrachten  ,  und  hatte  sie  bei 
Untersuchungen  des  Hühnchens  im  Auge,  überzeugt,  die  fortgesetzte  Beobachtung 
der  Entwicklung  Einer  Thierart  müsse  ein  sichereres  Urtheil  geben ,  als  eine 
Menge  einzelner,  nicht  zusammenhängender  Vergleichungeu.  Da  nun  meine 
Untersuchungen  mich  überzeugten,  daß  der  wesentliche  Character  des  Wirbel- 
thiers  ungemein  früh  im  Hühnchen  auftritt  und  die  ganze  Entwicklungsgeschichte 
beherrscht,  so  wählte  ich  bereits  im  Jahre  1823  meine  Zweifel  zum  Gegenstande 
eines  akademischen  Sireilsatzes  *).     Indessen  schien  es  passend  ,    nicht  früher  öf- 

Es  kommt  hier  nur  auf  die  Frage  an,  ob  die  Entwickelung  eines  Thiers  im  Wesentli- 
chen darin  begründet  ist,  die  Organisation  bleibender  Thierformen,  die  man  als  weniger  ent- 
wickelt betrachten  kann  ,  zu  durchlaufen,  oder  mit  andern  Worten  ,  ob  die  periodischen  Ver- 
schiedenheiten des  Individuums  und  die  Organisationsverschiedenheiten  des  ganzen  Thierrei- 
che3  auf  einander  zurückgeführt  werden  können.  Hiermit  hängt  nothwendig  die  Frage  zusam- 
men,  worin  die  Organisationsverschiedenheiten  des  gesammten  Thierreiches  begründet  sind. 
*)  Dissertatio  defessitibus  mammalium  reliquiis.  Regiomont  1823.  4to,  an  welche  die  thetit 
angehängt  ist  r  Legem  a  naturae  scrutatoribus  proclamatam  „evolutionein,  quam  prima  aetate 


203 

fentlich  von  ihnen  zu  sprechen ,  als  bis  ich  eine  Reihe  von  Untersuchungen  vorle- 
gen würde.  Auch  war  meine  Ueberzeugung  in  Bezug  auf  jenes  Gesetz  damals 
mehr  negirend.  Jetzt  glaube  ich  ein  anderes  an  die  Stelle  setzen  zu  können ,  und 
die  erste  Abhandlung  dieser  Sammlung  giebt,  wie  ich  glaube,  eine  passende  Ge- 
legenheit ,  dieses  zu  entwickeln. 

Es  wird  nicht  überflüssig  seyn,  vor  allen  Dingen  einige  Einwendungen 
gegen  die  so  eben  besprochene  Lehre  anzuführen,  die  schon  aus  früheren  Unter- 
suchungen von  Embryonen  sich  machen  liefsen  und  die  dazu  dienen  mögen,  in 
denjenigen  Lesern,  welche  ihr  völlig  zugethan  sind,  dem  Zweifel  Raum  zu  geben. 
Es  kommt  dabei  gar  nicht  auf  eine  Vollständigkeit  an.  Auch  werde  ich  mich  mit 
kurzen  Andeutungen  begnügen. 

Vor  allen  Dingen  erregte  es  Bedenken  in  mir,  dafs  man  fast  nur  die  Ent- 
wickelungsgeschichte  der  höchsten  Formen  kannte,  die  Entwicklung  der  Säuge- 
thiere  mit  Inbegriff  des  Menschen  und  die  der  Vögel.  Was  nun  in  ihrem  Embryo- 
nen-Zustande  vom  bleibenden  abwich,  mufste  wohl,  wenn  es  irgend  in  der 
Thierreihe  eine  Analogie  fand,  diese  fast  immer  unter  den  niedern  Thieren  finden. 

Dafs  aber  überhaupt  zwischen  dem  Embryonenzustande  einzelner  Thiere 
und  dem  entwickelten  Zustande  anderer  einige  Uebereinstimmuneen  vorkommen, 
scheint  ganz  uothwendig  und  nicht  von  Bedeutung.  Sie  können  nicht  fehlen  ,  da 
die  Embryonen  nicht  aufserhalb  der  Sphäre  der  Thierwelt  liegen,  und  die  Varia- 
tionen, deren  der  thierisclie  Leib  fähig  ist,  doch  durch  eine  innere  Verknüpfung 
und  Wechselwirkung  der  einzelnen  Organe  für  jede  Form  bestimmt  werden ,  wo- 
durch einzelne  Wiederholungen  nothwendig  werden. 

Um  sich  zu  überzeugen,  dafs  ein  solcher  Zweifel  nicht  ganz  ohne  Gewicht 
i;t,  denke  man  sich  nur,  die  Vögel  hätten  ihre  Entwicklungsgeschichte  studirt, 
und  sie  wären  es,  welche  nun  den  Bau  des  ausgewachsenen  Säugethiers  und  des 
Menschen  untersuchten.  Würden  nicht  ihre  physiologischen  Lehrbücher  Folgen- 
des lehren  können?  „Jene  vier- und  zweibeinigen  Thiere  haben  viele  Embryo- 
„ nenähnlichkeit ,  denn  ihre  Schädelknochen  sind  getrennt,  sie  haben  keinen 
„Schnabel,  wie  wir  in  den  fünf  oder  sechs  ersten  Tagen  der  Bebrütung;  ihre  Ex- 
tremitäten sind  ziemlich  gleich  unter  sich,  wie  die  unsrigen  ungefähr  eben  so 
„lange  ;  nicht  eine  einzige  wahre  Feder  sitzt  auf  ihrem  Leibe,  sondern  nur  dünne 
.  Federschafte,  so  dafs  wir  schon  im  Neste  weiter  sind,  als  sie  jemals  kommen, 
,ihre  Knochen  sind  wenig  spröde  und  enthalten,  wie  die  unsrigen  in  der  Jugend 


auodque  subil  animal,  evolutioni ,   quam  in  animalium  serie  obiervandam  putant,    respondtrt" 
c.  natura  alienam  eise  contende. 

Cc   2 


204 

„gar  keine  Luft;  überhaupt  fehlen  ihnen  die  Luftsäcke  und  die  Lungen  sind  nicht 
„  angewachsen  ,  -wie  die  unsrigen  in  frühester  Zeit ;  ein  Kropf  fehlt  ihnen  ganz ; 
„Vormagen  und  Muskelmagen  sind  mehr  otler  weniger  in  Einen  Sack  verflossen; 
„lauter  Verhallnisse,  die  bei  uns  rasch  vorübergehen,  und  die  Nägel  sind  bei  den 
„  meisten  so  ungeschickt  breit,  wie  bei  uns  vor  dem  Auskriechen  ;  an  der  Fähig- 
„keit  zu  fliegen  haben  allein  die  Fledermäuse ,  die  die  vollkommensten  scheinen, 
„  Theil ,  die  übrigen  nicht.  Und  diese  Säugethiere ,  die  so  lange  nach  der  Ge- 
„burt  ihr  Futter  nicht  selbst  suchen  können,  nie  sich  frei  vom  Erdboden  erheben, 
,,  wollen  höher  organisirt  seyn ,  als  wir  ?  " 
b.  Einwürfe.  Soll  es  ein  Naturgesetz  seyn,  dafs  die  Entwicklung  des  Individuums  darin 

besteht,  bleibende  Tb,ierformen  niederer  Ausbildung  zu  durchlaufen,   so  müfsten  : 

1)  in  Embrjonen  keine  Verhältnisse  vorkommen,  die  nicht  wenigstens 
in  einzelnen  Thiereu  bleibend  sind.  Es  giebt  aber  kein  Thier,  welches  seinen 
Nahrungsstoff  mit  sich  herumtrüge,  wie  der  Embryo  den  Dotter.  Kein  Thier 
hat  einen  heraushängenden  Darmtheil ,  wie  der  Dotiersack  ist.  Aus  der  Entwik- 
kelungsgeschichte  der  Vögel  und  einiger  Säugethiere  (besonders  der  Raubthiere), 
wo  dieser  Dottersack  sehr  lange  besteht,  zu  einer  Zeit  besteht,  wo  alle  Verhält- 
nisse des  Vogel-  und  Säugthierleibes  entweder  die  Ausbildung  erreicht  haben  oder 
ihr  nahe  sind ,  sollte  man  aber  schliefsen,  dafs  es  recht  viele  solche  Thiere  gäbe.  — 
In  den  Säugethieren  treten  unter  allen  Zähnen  die  Schneidezähne  zuerst  hervor. 
Kein  Thier  dagegen  hat  ein  bleibendes  Gebifs,  welches  blofs  Vorderzähne  ent- 
hielte. 

2)  So  wie  aber  die  Verhältnisse  des  Embryo  in  ihm  Formen  erzeugen, 
welche  in  keinem  erwachsenen  Thiere  vorkommen,  wie  der  heraushängende  Darm- 
sack, eben  so  machen  sie  es  ihm  unmöglich,  manche  grofseThiergruppen  zu  wie- 
derholen. Alle  Embryonen  sind  von  Flüssigkeit  umgeben,  vermögen  also  nicht 
unmittelbar  Luft  zu  athmeu.  So  kann  schon  der  wesentliche  Character  der  In- 
secten,  die  lebhafte  Beziehung  zur  Luft,  sich  nie  in  ihnen  wiederholen.  Des- 
halb können  auch  die  Säugthier- Embryonen  nie  den  ausgebildeten  Vögeln  glei- 
chen. 

~3)  Es  müfste  ferner  der  Embryo  höherer  Thiere  auf  jeder  Bildungsstufe 
nicht  mit  einer  Einzelheit  einer  bleibenden  Thierform  übereinstimmen,  sondern 
mit  seiner  Gesammtheit,  auch  wenn  die  eigenthümlichen  Verhältnisse  desEnibryo 
gewisse  Uebereinstimmungen  ausschliefsen.  Wollte  man  nämlich  auch  einräu- 
men, dafs  dem  Embryo,  als  solchem,  gewisse  Verhältnisse  eigenthümlich  und 
bleibend  seyn  müssen,  dafs  er  z.  B.  nur,  weil  er  als  Embryo  vom  mütterlichen 
Körper  Nahrungsstoff  mitnehmen  mufs,  einen  heraushängenden  Dottersack  habe, 


205 

und  in  dieser  Hinsicht  mit  bleibenden  Thierfornien  nicht  übereinstimmen  könne, 
so  müfsten  dennoch  diejenigen  Verhältnisse,  deren  Uebereinstimmung  bald  hier 
bald  da  vorkommt,  gemeinschaftlich  sejn.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall.  Wenn 
ich  etwa  dem  Embryo,  so  lange  beide  Herzkammern  noch  nicht  geschieden  und 
die  Finger  noch  nicht  von  einander  gesondert  sind,  die  Organisation  eiuesFisches 
zuschreiben  wollte ,  so  finde  ich  doch  keinen  zusammengedrückten  Schwauz  und 
tausend  andre  Dinge  nicht,  die  allen  Fischen  schon  sehr  früh  zukommen.  Eben 
so  ist  es,  wenn  ich  irgend  eine  bleibende  Thierform  nehme  und  sie  mit  dem  Em- 
bryo einer  hohem  Form  vergleiche.  Man  sagt,  die  Cetaceen  hätten  Fötusähnlich- 
keit (d.  h.  Aehnlichkeit  mit  Embryonen  höherer  Säugthierformen) ,  weil  ihre  Ho- 
den in  der  Bauchhöhle  sind ,  weil  einige  von  ihnen  keine  wahren  Zähne  haben, 
weil  das  vordere  und  hintere  Keilbein  getrennt  bleiben  u.  s.  w.  Allein  die  andern 
Schädelknochen  der  Cetaceen  verwachsen  sehr  früh  und  innig,  geben  also  eine  Al- 
tersähnlichkeit. Ihre  Kiefern  sind  sehr  lang ,  obgleich  alle  Säugethiere  und  auch 
die  Cetaceen  um  so  kürzere  Kiefern  haben,  je  jünger  sie  sind.  Das  Getrenntste  n 
der  Schädelknochen  ist  aber  nicht  etwa  Eigenthümlichkeit  des  Embryonen  zustan- 
des ,  die  niedern  Thierklassen  im  erwachsenen  Zustande  fehlt ;  denn  bei  den  Fi- 
schen wird  es  wieder  als  Embryonenähnlichkeit  hervorgehoben,  dafs  ihre  Schä- 
delknochcn  mehrfach  getheilt  sind  und  blofs  an  einander  liegen,  obgleich  an  der 
Basis  des  Schädels  die  Einheit  des  Keilbeins ,  ganz  umgekehrt  wie  bei  den  Ceta- 
ceen, wieder  eine  Aehnlichkeit  mit  dem  Alter  der  höchsten  Säugethiere  giebt. 
Die  Uebereinstimmung  mit  dem  Fische  oder  dem  Cetaceum  ist  also  wohl  nicht 
das  Bedingende  für  die  Organisation  des  Embryo. 

4)  EsmüCsten,  wenn  das  zu  untersuchende  Gesetz  begründet  wäre,  keine 
Zustände  in  der  Ausbildung  von  bestimmten  Thieren  vorübergehend  vorkommen, 
die  nur  in  höheren  Thierfornien  bleibend  sind.  Von  solchen  Uebereinstimmungeu 
lassen  sich  aber  recht  viele  nachweisen.  Freilich  können  wir  sie  nicht  in  der  Ent- 
wickelungsgeschichte  des  Menschen  finden,  da  wir  keine  höhere  Organisation 
kennen.  Allein  schon  die  Säugethiere  geben  uns  Beispiele  genug.  In  allen  sind 
in  frühester  Zeit  die  Kiefern  so  kurz ,  wie  sie  im  Menschen  bleibend  sind.  Der 
Scheitelkamm  entwickelt  sich  in  den  Thieren,  die  damit  begabt  sind,  sehr  spät, 
dennoch  fehlt  er  den  höchsten  Formen.  Die  Beispiele  mehren  sich  aber,  je  mehr 
wir  herabsteigen.  Wir  haben  schon  oben  die  Vögel  redend  eingeführt,  um  eine 
Menge  früher  bekannter  Verhältnisse  nachzuweisen,  in  welchen  der  Embryo  des 
Vogels  mit  dem  ausgewachsenen  Säugethiere  übereinstimmt.  Wir  können  noch 
mehrere  hinzufügen.  Das  Hirn  der  Vögel  ist  in  dem  ersten  Driltheile  des  Em- 
bryonenzustandes  dem  Hirne  der  Säugethiere  viel  ähnlicher,  als  im  erwachsenen 


206 

Zustande.  Die  Vierhügel  sind  nicht  her  abgetreten,  der  Riechkolben  ist  hohl  und 
dick;  es  ist  sogar  eine  Art  Gewollte  da.  Die  Fufswurzel  der  Vögel  bildet  sich  aus 
mehreren  Knorpeln  zu  einem  einzigen  Knochen.  Die  Augen  stehen  im  Hühnchen 
anfänglich  näher  zusammen,  als  später,  und  gehen  ihm  ein  Menschengesicht.  — 
Junge  Eidechsen  besitzen  ein  sehr  grofses  Hirn.  Die  Froschlarve  hat  einen  -wah- 
ren Schnabel,  wie  die  Vögel,  und  vor  dem  Verluste  des  Schwanzes  einen  so  langen 
Darm  wie  es  nur  in  einigen  Formen  von  Säugelhieren  bleibend  ist.  Die  Frosch- 
larve ist  im  ersten  Anfange  ungeschwänzt,  ein  Verhällnüs,  das  nur  in  den  höch- 
sten Formen  der  Säugelhiere  vorkommt,  denn  selbst  der  erwachsene  Frosch  hat 
einen  innern  Schwanz,  wie  man  den  langen  Schwanzwirbel  nennen  mui's.  —  Die 
Tausendfüfse ,  die  Milben  und  Hydrachnen  haben ,  wenn  sie  aus  dem  Eie  krie- 
chen nur  drei  Paar  Füfse,  wie  die  Inseclen  mit  Metamorphose  im  ausgebildeten 
Zustande.  "Wollte  man  nun  auch  die  Arachniden  meiner  Uelter2eugung  zuwider 
für  höher  entwickelt  ansehn,  als  die  wahren  Inseclen,  so  wird  doch  Jedermann 
eingestehen,  dafs  die  Inseclen  mit  Metamorphose  höhere  Ausbildungen  der  Mv- 
•  riapoden  sind.  Solche  Beispiele  dürften  gar  nicht  vorkommen  ,  wenn  dieEntwik- 
kelun"  der  höhern  Thierformen  in  einem  Durchbilden  durch  die  niedern  bestünde. 

5)  Wir  müfsten  die  Organe  oder  gröfsern  Apparate  auf  dieselbe  "Weise, 
-wie  sie  im  Embryo  höherer  Thiere  sich  ausbilden,  auch  in  den  verschiedenen 
Thierklassen,  wenn  wir  diese  als  aus  einander  entwickelt  zusammenstellen,  er- 
scheinen sehen.  Das  ist  lange  nicht  immer  der  Fall.  Die  hintere  Extremität  ist 
in  den  meisten  Fischen  nur  in  ihrem  Endgliede  vollkommen,  im  Embryo  höherer 
Thiere  bildet  sich  das  Wurzelglied  zuerst. 

6)  Endlich  müfsten  solche  Theile,  die  nur  den  höheren  Thieren  zukom- 
men in  der  Entwickelung  derselben  sehr  spät  auftreten.  Das  ist  durchaus  nicht 
der  Fall.  Einige  Theile  der  Wirbelsäule,  der  Stamm  derselben  und  die  Wirbel- 
bogen  sind  im  Hühnchen  früher  da,  als  irgend  ein  anderer  Theil.  Wie  kann  das 
Hühnchen  nun  jemals  Aehnlichkeit  mit  einem  wirbellosen  Thiere  haben  ? 

Doch  diese  Bemerkung  führt  uns  unsrer  Aufgabe  näher,  und  so  soll  denn 
hier  der  Versuch  gemacht  werden,  das  wahre  Verhältnifs  aufzufinden. 

§•    3.' 
lieber  das  gegenseitige  Verhältnifs  der  verschiedenen  bleibenden  Thierformen. 

a.  Stufe  der  Um  das  wesentliche  Verhältnils  der  Formumwandlung  in  der  Ausbildung 

organischen  , »dividuums  aufzusuchen  ,  mui's  ich  vorher  einen  Blick  auf  die  verschiedeneu 

Ausbildung.    "C3       ,  ,        '  ..   .--,  -■  i 

Thierformen  werlen.      Ich  habe  diesen  Gegenstand  zwar  schon  an  einem  andern 


207 

Orte  beleuchtet  (Nova  acta  Acad.  C.  L.  C.  Vol.  XIII.  Pars  II.  p.  73  9 —  762.^), 
da  aber  die  daselbst  gemachten  Bemerkungen  ,  hier  ihre  Anwendung  finden  sollen, 
überdiefs  jene  Abhandlung  in  den  Händen  "Weniger  ist,  so  kann  ich  es  nicht  ver- 
meiden, einen  Aufzug  aus  dem  dort  Gesagten  voranzuschicken,  um  darauf  -wei- 
ter bauen  zu  können. 

Vor  allen  Dingen  mache  ich  darauf  aufmerksam,  dafs  man  den  Grad  der 
Ausbildung  des  thierischen  Körpers  und  den  Typus  der  Organisation  unterschei- 
den mufs.  Der  Grad  der  Ausbildung  des  thierischen  Körpers  besteht  in  einem  grö- 
fsern  oder  geringern  Maal'se  der  Heterogenität  der  Ekmeutartheile  und  der  einzel- 
nen Abschnitte  eines  zusammengesetzten  Apparates,  mit  einem  Worte,  in  der  gro- 
fsern  histologischen  und  morphologischen  Sonderung.  Je  gleichmäfsiger  die  ganze 
Masse  des  Leibes  ist,  desto  geringer  iYie  Stufe  der  Ausbildung.  Eine  höhere  Stufe 
ist  es,  wenn  sich  Nerv  und  Muskel,  Blut  und  Zellstoff  scharf  sondern.  Je  ver- 
schiedener sie  sind,  desto  entwickelter  das  thieiische  Leben  in  seineu  verschie- 
denen Richtungen,  oder  richtiger  umgekehrt,  je  mehr  das  thieiische  Leben  in 
seinen  einzelnen  Richtungen  ausgebildet  ist,  desto  heterogener  sind  die  Elemen- 
tartheile,  die  dieses  Leben  in  die  Erscheinung  treten  lassen  sollen. 

Dasselbe  Verhältnis  gilt  für  die  einzelnen  Abschnitte  eines  Apparates. 
Höher  ist  die  Organisation,  wo  die  verschiedenen  Abschnitte  eines  ganzen  S) Ste- 
rnes oder  Apparates  unter  sich  ungleicher  sind ,  und  jeder  Theil  mehr  Individua- 
lität hat,  als  vro  das  Ganze  mehr  gleichmäfsig  ist.  Eine  höhere  Ausbildung  also 
ist  es,  wo  der  Unterschied  zwischen  Hirn  und  Rückenmark  gröfser  ist,  als  wo 
man  die  ursprüngliche  Uebereinstimmung  noch  deutlich  erkennt.  Trennen  wir 
dieses  Verhältnifs  der  höhern  Ausbildung  bestimmt  von  dem  Verhältnisse  der  Ty- 
pen, so  werden  manche  Schwierigkeiten,  welche  bei  der  immer  noch  mehr  oder 
weniger  herrschenden  Ansicht  von  einer  einzigen  fortlaufenden  Reihe  der  Weiter- 
bildung von  der  Monade  bis  zum  Menschen  entgegentreten  ,  leicht  besiegt.  "Wir 
wählen  die  Fische  als  Beispiel.  "Weil  sie  ein  Hirn  und  Rückenmark,  nebst  einem 
innern  Skelette  haben  und  überall  deutlich  den  Haupttypus  der  Wirbel thiere  tra- 
gen, setzt  man  sie  über  alle  Wirbellosen  und  wundert  sich,  dafs  die  Biene  und 
überhaupt  die  meisten  Insecten  mit  Metamorphose  uns  mehr  Kunstfertigkeit  und 
in  jeder  Hinsicht  ein  mannigfacheres  Leben  offenbaren.  In  der  Biene  aber  >ind 
Nerv  und  Muskel  viel  differeuter  ausgebildet,  als  im  Fische.  Die  einzelnen  Ab- 
schnitte eines  Apparates  oder  eines  organischen  Systeme«  sind  auch  heterogener. 
In  den  meisten  Fischen  ist  der  Magen  wenig  vom  Darme  und  dieser  wenig  von  den 
Pförtneranhängen  verschieden.  Im  Darme  selbst  ist  oft  der  weite  Darm  vom  en- 
gen kaum  zu  unterscheiden.     Im  Nervensysteme  zeigt  uns  der  Fisch  ein  Hirn,   wel- 


208 

cfhes  das  Rückenmark  -wenig  zu  beherrschen  vermag.  In  der  Biene  ist  überall  viel 
gröfsere  Heterogeuität.  Das  erste  verwachsene  Ganglienpaar,  obgleich  kein  wirk- 
liches Hirn,  da  -wir  nur  den  Theil  des  Organismus  so  benennen  dürfen,  welcher 
das  vordere  Ende  eines  Rückenmarkes  ist,  beherrscht  doch  das  übrige  Nerven- 
system mehr,  als  das  Hirn  der  Fische,  und  hat  mehr  die  Bedeutung  eines  Central- 
t heiles  vom  Nervensystem.  Ich  glaube  daher,  dafs  in  der  That  die  Biene  hoher 
organisirt  ist,  als  der  Fisch,  obgleich  nach  einem  andern  Typus  *). 
b.  Typus  der  Typus  nenne  ich  das  Lagerungsverhällnifs  der  organischen  Elemente  und 

Oreanisa-  . 

tion.  der  Organe.     Dieses  Lagerungsverhällnifs  ist  der  Ausdruck  von  gewissen  Grund- 

verhältuissen  in  der  Richtung  der  einzelnen  Beziehungen  des  Lebens,  z.B.  des  aul- 
nehmenden und  ausscheidenden  Poles.  Der  Typus  ist  von  der  Stufe  der  Ausbil- 
dung durchaus  verschieden,  so  dafs  derselbe  Typus  in  mehreren  Stufen  der  Aus- 
bildung bestehen  kann,  und  umgekehrt,  dieselbe  Stufe  der  Ausbildung  in  mehreren 
Typen  erreicht  wird.  Das  Product  aus  der  Stufe  der  Ausbildung  mit  dem  lypus 
giebt  erst  die  einzelnen  gröfsern  Gruppen  von  Thieren ,  die  man  Klassen  genannt 
hat.  In  der  Verwechselung  des  Grades  der  Ausbildung  mit  dem  Typus  der  Bil- 
dung scheint  mir  der  Grund  mancher  mifslungenen  Classification  und  in  der  offen- 
baren Verschiedenheit  beider  Verhaltnisse  schon  hinlänglicher  Beweis  zu  liegen, 
dafs  die  verschiedenen  Formen  der  Thiere  nicht  eine  einseitige  Fortbilduno  von 
der  Monade  bis  zum  Menschen  darstellen. 

Ich  unterlasse  es ,  dieser  Bemerkung  weiter  zu  folgen ,  da  eine  nähere  Er- 
örterung überflüssig  wird ,  wenn  es  mir  gelingt ,  das ,  was  ich  Typus  nenne ,  an- 
schaulich zu  machen. 

Der  Typus  also  ist  das  Lag erungsv erhält nifs  der  Theile.  Es  läfst  sich  leicht 
erkennen,  dafs  die  verschiedenen  Typen  Modificationen  von  gewissen  Haupüypen 
sind,  in  denen  das  Lagerungsverhältuifs  besonders  characterisirt  ist,  und  dafs 
Zwischenformen  vorkommen,  welche  die  Charactere  der  Hanpttypen  entweder 
zu  einem  Mit leltypus  vereinigen,  oder  bei  denen  in  der  einen  Hälfte  des  Leibes 
der  eine,  in  einem  andern  Theile  der  andere  Haupttypus  vorherrscht.  DieseZwi- 
sehen- 

■*"  ! 

*)  Man  hat  schon  langst  die  Bemerkung  gemacht,  dafs  unter  verwandten  Formen  diejenigen, 
welche  im  Wasser  leben,  in  Entwickelung  der  animalischen  Functionen  im  Gegensatze  zu  den 
plastischen  hinter  den  auf  dem  Lande  lebenden  zurückbleiben  ,  welche  mehr  Beweglichkeit  und 
geistige  Anlage  verrathen.  Sollte  der  Grund  nicht  im  Wasser  selbst  liegen?  Der  Gegensatz 
von  Nerv  und  Muskel  scheint  sich  im  Wasser  nicht  so  stark  zu  entwickeln,  als  bei  regerer  Wech- 
selwirkung mit  der  Luft.  Die  Muskeln  sind  weniger  roth  und  weicher,  die  Nerven  auch  we- 
niger weifs  und  consistent.  Man  kann  sich  des  Bildes  nicht  erwehren,  dafs  beide  aussehen,  als 
ob  sie  mit  Wasser  infiltrirt  seyen.  Wenn  in  den  Fischen  einige  Muskeln  durch  Röthe  sich  aus- 
zeichnen, wie  die  Kiefermuskeln  des  Störs,  so  sind  auch  die  zu  ihnen  gehenden  Nerven  weifser, 
als  die  übrigen. 


209 

schenformen  lasse  ich  vorläufig  unberücksichtigt  und  verweise  auf  die  angeführte 
Abhandlung.     Die  Haupttypen  raufs  ich  aber  hier  nochmals  hervorheben. 

Ich  glaube,  dafs  vier  Haupttypen  sich  deutlich  nachweisen  lassen:  der  pe- 
ripherische oder  strahlige  Typus,  der  gegliederte  oder  Längen -Typus,  der  mas- 
sige oder  Mollusken  -  Typus ,  und  der  Typus  der  Wirbelthiere  *). 

Der  peripherische  Typus  wird  dargestellt  durch  einige  tellerförmige  Infh-  ?■  Penpiie- 
sorien,  die  Ilhizostomen,  Medusen,  Asterien.  Die  Dimension  der  Fläche  ist  in  pus. 
der  äufsern  Form  repräsentirt.  Der  Hauptgegensatz  ist  der  vom  Centrum  zur  Pe- 
ripherie. Vom  Mittelpunkt  zum  Umfange  nämlich  geht  der  Gegensatz  der  Auf- 
nahme zur  Ausscheidung.  Diesem  entsprechend  ist  die  ganze  Organisation  strah- 
lenförmig um  einen  Mittelpunkt  vertheilt.  Aul'serdem  ist  nur  noch  der  Gegensatz 
von  oben  und  unten  ausgebildet,  aber  in  schwächerem  Grade;  ein  Gegensalz  von 
rechts  tiud  links  von  hinten  und  vorn  besteht  gar  nicht.  Die  Bewegung  ist  daher 
richtungslos.  —  Da  die  ganze  Organisation  strahlenförmig  um  einen  Mittelpunkt 
verlheilt  ist,  so  sind  die  Centra  aller  organischen  Systeme  im  Mittelpunkte  oder 
ringförmig  um  den  Mittelpunkt  gelagert,  (so  in  der  Mitte  der  Magen,  um  ihn  die 
Nerven  und  Gefäfskreise ,  wenn  diese Theüe  überhaupt  ausgebildet  sind,)  von  ih- 
nen aus  gehen  die  Aeste  in  die  Strahlen  ab.  In  jedem  Strahle  wiederholt  sich, 
was  in  einem  sich  findet,  und  jeder  Strahl,  bis  an  den  Mittelpunkt  fortgeführt,  hat 
einen  gleichen  Antheil  auch  an  den  Centraltheilen  —  (nur  das  Harnsystem  scheint 
davon  eine  Ausnahme  zu  machen,)  so  dafs  man  den  ganzen  Leib  in  eine  Anzahl 
gleicher  Sectoren  theilen  kann ,  und  der  Verlust  eines  Strahles ,  sobald  die  Mitte 
unverletzt  bleibt,  das  Leben  nicht  stört,  indem  diesem  für  seine  Integrität  kein 
nothwendiger  Theil  abgeht. 

Im  Längen typus ,  den  wir  in  Vdjrionen ,  in  Filarien,   im  Gordius  **) ,   in    rf>  Längen- 
den Naiden  und  in  der  ganzen  Reüie  der  gegliederten  Thiere  finden ,    ist  der  Ge-  TyPll£- 
gensatz  von  Aufnahme  und  Ausscheidung  an  die  beiden  Enden  des  Thiers  verlegt 
und  dieser  beherrscht  die  gesammte  Organisation.  —     Mund  und  After  sind  an 
den  beiden  Enden  ,  gewöhnlich  auch  die  Geschlechtstheile,  doch  finden  diese  zu- 
weilen ihre  Ausmündung  weiter  nach  vorn,  jedoch  die  weiblichen,  die  nicht  blos 


*)  Ich  lasse  es  hier  unentschieden,  ob  man  in  denjenigen  Thieren ,  wo  die  ganze  Organisation  mit 
peripherischer  Gleichförmigkeit  nicht  um  einen  Mittelpunktj  sondern  um  eine  Axe  gelagert  ist, 
wie  in  den  Holothurien  ,  nicht  einen  besondern  Typus  erkennen  soll.  Aufnahme  und  Ausschei- 
dung bilden  hier  nicht  den  Gegensatz  vom  Centrum  zur  Peripherie,  sondern  zwei  Enden  einer 
Linie,  und  um  diese  Axe  herum  ist  die  übrige  Organisation  peripherisch  vertheilt.  Hierher  könn- 
ten auf  niederer  Stufe  die  Naematoideen  gehören,  und  vielleicht  noch  niedere  Formen. 


**)   Wenn  diese  Thiere  oder  einige  von  ihnen  nicht  vielleicht  nach  der  vorigen  Anmerkung  in  einen      /y  Q"    "/1^  "N, 
eigenen  Typus  mit  den  Holothurien  zu  bringen  sind.  fsTj^v  vJ 


Dd 


210 

ausscheidend,  sondern  auch  aufnehmend  sind,  häufiger,  als  die  männlichen.  Wo 
beide  Geschlechtsorgane  vom  hintern  Ende  weggerückt  sind ,  liegt  doch  die  Aus- 
mündung  der  weiblichen  gewöhnlich  Aveiter  nach  vorn,  als  die  der  männlichen. 
So  in  den  Tausendfüfsen  und  der  grofsen  Familie  der  Krebse.  Die  Blutegel  und 
Regenwürrner  bilden  eine  seltenere  Ausnahme.  Bei  der  bestimmten  Futurum*  des 
Poles  für  die  Aufnahme  gelangen  die  Sinnesorgane  als  Werkzeuge  für  die  Re- 
ceptivität  des  Nervensystems  früh  zu  einer  bedeutenden  Stufe  der  Ausbildung. 

Der  Darmkanal  geht,  so  lange  der  Typus  unverändert  ist,  gerade  durch. 
Eben  so  die  Gefäfsstämme  und  das  Nervensystem.  Alle  organische  Bewegung  hat 
also  diese  Ilauptrichtung,  nur  untergeordnete  Aeste  gehen  seitlich  ab  und  beson- 
ders da ,  wo  der  Hauptgegeusatz  in  der  ganzen  Länge  wie  in  einer  galvanischen 
Kette  sich  wiederholt,  so  dafs  in  jedem  einzelnen  Abschnitte  ein  wiederholtes 
Vorn  und  Hinten  mit  einem  Antheil  an  den  wesentlichen  Bestandtheilen  des  Or- 
ganismus sich  findet.  Daher  die  Geneigtheit,  in  mehrere  Theile  nach  der  Länge 
des  Körpers  zu  zerfallen.  In  den  Avaliren  mit  Metamorphose  versehenen  Insecten 
sammeln  sich  diese  Glieder  wieder  in  drei  Hauptabschnitte,  von  denen  im  ersten 
das  Nervenleiien,  im  zweiten  Bewegung ,  im  dritten  Verdauung  vorherrscht,  ob- 
gleich keiner  der  drei  Abschnitte  eine  dieser  Lebensverrichtungen  ganz  entbehrt. 

Neben  dem  Hauptgegensatze  von  vorn  und  hinten  ist  auf  höheren  Stufen 
der  Ausbildung  noch  ein  schwächerer  von  oben  und  unten  zu  erkennen.  Ein 
Unterschied  von  rechts  und  links  ist  nur  als  sehr  seltene  Ausnahme  bemerklich 
und  fehlt  in  der  Regel.  Eine  senkrechte  Ebene  theilt  daher  den  Leib  in  zwei 
gleiche  Hälften,  weswegen  man  diese  Organisation  eine  symmetrische  nennen 
darf.  Alles,  was  einlach  ist,  liegt  in  dieser  Mittelebene,  so  lange  nicht  durch  Ver- 
kürzung des  ganzen  Leibes  der  weniger  verkürzte  Darm  aus  der  Mittelebene  ge- 
schobeu  wird  *),  —  und  alles,  was  in  der  Mittelebene  liegt,  ist  einfach,  was 
aufser  ihr  liegt,  doppelt.  In  der  Mitlelebene  ist  aber  eine  Verschiedenheit  von 
oben  und  unten  zu  erkennen ,  nach  unten  sammeln  sich  die  animalischen ,  nach 
oben  die  plastischen  Theile,  wenn  wir  nur  auf  den  innern  Bau  Rücksicht  nehmen. 
Die  Stämme  der  animalischen  Theile  sammeln  sich  also  nach  unten  und  bilden 
hier  eine  Art  von  Axe,  von  welcher  die  ganze  Organisation  zu  beiden  Seiten  nach 
oben  fortgeht,  ein  Verhältnifs,  das  erst  durch  die  Entwickelungsweise  ganz  klar 
wird.    (Vergl.  Coroll.  4.). 


*)  In  der  That  scheint  nur  in  den  Insecten  mit  Metamorphose  der  Darm  ans  der  Mittelebene  ge- 
bracht zu  werden,  zuweilen  erst  in  der  letzten  Verwandlung,  zuweilen  schon  im  Larven- 
zustande. 


211 

Die  sensible  und  die  irritable  Lebensrichtung  ist  in  dieser  Thierreihe  be- 
sonders ausgebildet.  Die  Bewegung  ist  lebhaft  und  um  so  mehr  entschieden  nach 
vorn  gerichtet,  je  mehr  der  Leib  in  die  Länge  gezogen  ist.  Je  mehr  der  Leib  in 
einigen  Formen,  wie  in  den  Spinnen  und  Taschenkrebsen,  verkürzt  ist  um  desto 
weniger  ist  die  Richtung  der  Bewegung  bestimmt.  Die  plastischen  Organe  sind 
wenig  ausgebildet  —  besonders  sind  Drüsen  selten  und  sie  werden  meist  durch 
einfache  Röhren  ersetzt. 

Einen  dritten  Typus  glaube  ich  in  dem  Reiche  der  Mollusken  zu  erkennen,  e.  Massiger 
und  ich  zähle  zu  demselben  noch  auf  niedern  Stufen  der  Ausbildung  die  Räder-  TyP"s- 
thiere  ,  und  unter  den  Infusorien  die  gewundenen,  oder  sonst  weder  symmetrisch 
noch  peripherisch  gebildeten.  —  Man  kann  diesen  Typus  den  massigen  nennen 
denn  weder  Länge  noch  Fläche  sind  vorherrschend,  sondern  der  ganze  Leib  und 
seine  einzelnen  1  heile  sind  mehr  in  gerundete  Masseu  geformt,  die  entweder 
solide  oder  hohl  sind. 

Da  der  Hauptgegensatz  der  thierischen  Organisation ,  der  von  Aufnahme 
und  Ausscheidung,  nicht  an  die  zwei  entgegengesetzten  Enden  des  Leibes  auch 
nicht  in  das  Centrum  und  die  Peripherie  versetzt  ist,  so  zeigt  sich  fast  immer 
Mangel  an  Symmetrie.  Fast  immer  liegt  der  ausscheidende  Pol  nach  rechts  vom 
aufnehmenden.  Das  entgegengesetzte  Verhältnifs  ist  so  selten,  dafs  man  es  ein 
verkehrtes  genannt  hat.  Dagegen  ist  der  ausscheidende  Pol  bald  dem  aufnehmen- 
den sehr  nahe,  bald  weit  von  ihm  entfernt,  so  dafs  er  dem  hintern  Ende  des 
Körpers  sich  nähert.  Da  der  Weg  der  Verdauung  immer  durch  diese  beiden 
Pole  bestimmt  wird,  so  ist  er  mehr  oder  weniger  bogenförmig.  In  der  einfachsten 
Form  ist  der  Weg  ein  emfacher  Bogen,  wie  in  Plumatella.  Wenn  der  Kanal 
sich  verlängert,  wickelt  er  sich  in  der  Mitte  spiralförmig  auf  und  die  Spirale  hat 
wahrscheinlich  ihre  bestimmten  Gesetze.  So  scheint  der  Anfangstheil  des  Darm- 
kanales  immer  unter  den  folgenden  zu  liegen. 

Auch  der  Hauptstrom  der  Blutbewegung  geht  in  Bogen ,  die  nicht  mit  der 
Mittellinie  des  Thiers  zusammenfallen.  Ist  die  Spirale  des  Darmes  in  einer  Ebene 
gewunden ,  so  bildet  sich  dadurch  freilich  mehr  oder  weniger  Symmetrie ,  wie  in 
den  scheibenförmigen  Schnecken  und  den  gleichschaligen  Muscheln,  aber  diese 
Symmetrie  ist  nur  sehr  unwesentlich,  man  könnte  sie  fast  zufällig  nennen,  da  sie 
oft  in  sehr  nahe  verwandten  Thieren  fehlt. 

Das  Nervensystem  besteht  in  zerstreueten  Knoten,  die  durch  Fäden  zu 
einem  Netze  verbunden  sind.  Die  gröfsern  von  jenen  sammeln  sich  um  den 
Schlund.  Die  geistigen  Anlagen  entwickeln  sich  sehr  wenig  und  Sinnesorgane 
treten  erst  spät  auf.     Die  Bewegung  ist  sehr  langsam  und  unkräftig.     Bei  dem 

Dd  2 


212 

Mangel  an  Gliederung  verwehen  sich  die  Muskeln  nach  allen  Richtungen  und 
wirken  auf  jeden  Punkt  mit  einzelnen  Bündeln ,  daher  Contraction  nach  allen 
Richtungen.  Da  dem  massigen  Typus  gemäls  die  secernirenden  Theile,  welche 
in  andern  Typen  als  Röhren  auftreten ,  sich  hier  zu  Knäueln  zusammenwinden, 
so  sind  die  Drüsen  häufig  und  ansehnlich.  Am  meisten  und  frühesten  ausge- 
bildet sind  überhaupt  die  plastischen  Organe ,  und  man  kann  diesen  Typus  daher 
auch  den  plastischen  nennen.  Da  weder  seitliche  noch  peripherische  Gleichheit 
ihm  zukommt ,  so  kann  man  weder  durch  eine ,  noch  durch  mehrere  Ebeuen  den 
Leib  in  gleiche  Abschnitte  theilen.  Auch  ist  keine  gerade  Axe  nachzuweisen, 
um  welche  sich  die  Organisation  vertheilt,  sie  wird  vielmehr  durch  sehr  mannig- 
fache Curvcn  bestimmt. 
j.  Typus  In  Jen  Wirbelthieren  finden  wir  einen  vierten  Hauptlypus.     Er  ist  aber 

der    Wirbel-  \     .  *  ..  . 

thiere.  gleichsam  aus  den  frühem  zusammengesetzt.      Wir  unterscheiden  nämlich  einen 

TheTl?  iscier  animalischen  und  einen  plastischen  Theil  des  Leibes,  welche  zwar  gegenseitig 
auf  ihre  Gestaltung  einwirken,  von  denen  jedoch  jeder  einen  andern  Typus  iu 
seiner  Bildung  offenbart.  Im  animalischen  Theile  erinuert  schon  die  Gliederung 
an  den  zweiten  Typus ,  auch  ist  Aufnahme  und  Ausscheidung  ebeu  so  an  beide 
Enden  verlegt ,  aber  doch  besteht  ein  wesentlicher  Unterschied.  Der  animalische 
Theil  der  Wirbelthiere  ist  nämlich  nicht  blofs  von  einer  Längenaxe  aus  nach 
beiden  Seiten  verdoppelt,  sondern  zugleich  nach  oben  und  nach  unten,  und  zwar 
so ,  dafs  die  beiden  seitlichen  nach  unten  zusammenlaufenden  Entwicklungen 
den  plastischen  Theil  einschliefsen ,  die  beiden  nach  oben  gehenden  aber  einen 
Centrahheil  des  animalischen  Lebens  (Rückenmark  und  Hirn),  Avelcher  den 
wirbellosen  Thieren  fehlt.  Das  feste  Knochengerüste  repräsentirt  diesen  Typus 
am  vollständigsten,  indem  aus  einer  mittlem  Axe,  dem  Stamme  der  Wirbelsäule, 
Bogen  nach  oben  gehen ,  die  in  einen  obern  Kamm  sich  schliefsen ,  und  Bogen 
nach  unten,  die  mehr  oder  weniger  in  einem  untern  Kamme  zusammenlaufen. 
Diesem  entsprechend  sehen  wir  vier  Reihen  von  Nerveninsertionen  am  Rücken- 
marke, welches  selbst  vier  Hauptstränge  und  einen  vierschneidigen  Inhalt  von 
grauer  Masse  enthält.  Eben  so  bilden  die  Muskeln  des  Rumpfes  vier  Haupt- 
bäuche, wie  man  am  deutlichsten  an  den  Fischen  sieht.  Der  animalische  Theil 
ist  also  doppelt  symmetrisch  gebaut. 

Ich  lasse  es  auch  hier  wie  iu  der  angeführten  Abhandlung  in  den  Ver- 
handlungen der  Kaiserl.  Leopold.  Academie  unentschieden ,  ob  bei  weiterer  Aus- 
bildung der  Wirbelthiere  das  vordere  Ende  des  animalischen  Theiles  immer  mehr 
sich  dem  strahl  igen  Typus  nähert,  und  erinnere  nur,  dafs  das  Hirn  mehr  und  mehr 
um  die  dritte  Hirnhöhle  sich  sammelt  und  auch  die  Hirngefälse  aus  einem  all- 


213 

mählig  immer  mehr  kreisförmig  sich  rundenden  Hinge  an  das  Hirn  treten ,  ob- 
gleich dieser  Ring  von  vier  Gefa  rsstämmeu  gespeist  Avird ,  als  Repräsentanten 
eines  Verhältnisses ,  wie  aas  einem  ursprünglich  vierzähligen  Typus  ein  strahlen- 
förmiger sich  ausbildet. 

Leicht  nachweisbar  scheint  es  mir  aber,    wie  im  plastischen  Theile  des     g-    Plasti- 
Leibes  der  Typus  der  Mollusken  herrscht,    obgleich  überall  uuler  dem  Einilufs  Taf.  m. 
des  animalischen  Theiles,   wodurch  der  Typus  bald  mehr,   bald  weniger  ver-  Flg>  6 
deckt  wird. 

Vor  allen  Dingen  erinnert  schon  das  plastische  Nervensystem,  so  wie  die 
Eigenthümlichkeit  der  plastischen  Muskeln  an  den  Typus  der  Mollusken. 

Es  kommt  aber  besonders  darauf  au ,  nachzuweisen ,  dafs  die  wesentlichste 
Eigenheit,  die  Richtung  der  lebendigen  organischen  Strömung,  nach  rechts  hin 
walte.  Wenn  nun  dieser  seitliche  Gegensatz  sich  im  aufnehmenden  und  aus- 
scheidenden Pole  selbst  nicht  offenbart,  so  liegt  der  Grund  wohl  darin,  dafs  der 
plastische  Leib  vom  animalischen  umschlossen  wird ,  und  wo  der  erstere  an  die 
Peripherie  tritt,  er  ganz  dem  Typus  desselben  unterworfen  ist.  Mund  und  After 
liegen  deshalb  in  der  Mittelebene  des  ganzen  Körpers  *). 

Wenden  wir  uns  an  die  inuern  Theile,  so  dürfen  wir  ferner  nicht  ver- 
gessen, dafs 

1)  fast  alle  organische  Fortbegung  eine  rückgängige  zur  Folge  hat.  Wäre 
das  nicht,  so  mülste  mit  wenigen  Pulsschlägen  alles  Blut  aus  dem  Körper  ge- 
lrieben seyn.  Es  kommt  also  nur  darauf  au ,  die  Richtung  derjenigen  Bewegung 
anzugeben,  welche  hier  die  bestimmende  ist. 

2)  dafs  auch  in  andern  Fällen  die  Bewegung  von  der  ihr  ursprünglich 
zukommenden  Richtung  abgelenkt  werden  kann,  wenn  sie  einen  Ausgangspunkt 
hat,  der  nach  den  Gesetzen  der  Organisation  auch  der  Endpunkt  einer  andern, 
mehr  Kraft  besitzenden  Organisation  ist. 

S)  dafs  durch  den  symmetrischen  Einflufs  des  animalischen  Theiles  eine 
Strömung  innerhalb  des  plastischen  Theiles  in  die  Mittelebene  gestellt  wird.  Wir 
dürfen  deshalb,  wenn  wir  eine  Bewegung  auch  nur  zuweilen  aufser  dieser  Ebene, 
aber  immer  in  derselben  Richtung  abweichend  linden,  diese  als  die  ursprüng- 
liche betrachten. 


*)    Doch  liegt  in  den  Larven  der  Frösche  der  After  in   der  That   rechts  von  der  Mittelebene  des 
Schwanzes. 


214 

Diese  Bemerkungen  ■werden  durch  die  Anwendung ,  die  sie  sogleich  finden 
sollen ,  klarer  werden, 
o.  Gefäfs-  Betrachten  wir  zuerst  die  Blutströmung,    so  finden  wir  freilich   in  den 

system.         Fischen  den  Hauptstrom  des  Blutes  aus  dem  Herzen  in  der  Mittelehene  fortgehend, 
ohne  Zweifel  aber  nur  wegen  der  Herrschaft  des  animalischen  Theiles,  in  welcher 
Hinsicht  wir  auf  eine  bei  dem  Athmungsapparate  zu  machende  Bemerkung  ver- 
weisen.    Und  doch  ist  es  auch  hier,   als  wollte  das  Blut  nach  rechts,   denn  die 
Herzkammer  der  Fische  scheint  in  der  Regel  nach  der  linken  Seite   mehr  aus- 
gedehnt, und  nach  links  liegt  auch  die  Vorkammer.     Die  Richtung,  die  das  Blut 
dadurch  erhält,    geht  also  allerdings  mehr  nach  rechts,  allein  der  symmetrische 
Bau  der  Kiemen  hält  sie  in  der  Mittelebene  zurück.     In  allen  Thieren  mit  Lungen 
aeht   aber  der  Strom  des  Blutes  aus   der  linken  Kammer  deutlich  mehr  nach 
rechts  als  nach  links,  so  dafs  zur  Ernährung  der  linken  Hälfte  des  Kopfes  das  Blut 
oft  von  rechts  herüber  kommen  mufs.      Das  giebt  diesem  Blute  freilich  wieder 
eine  Bewegung  von  rechts  nach  links,  die  wir  als  Folge  der  Symmetrie  im  anima- 
lischen Theile  ansehen  müssen.      Die  vorherrschende  Kraft   zur  Bewegung   des 
Blutes  giebt   nämlich  gewifs  die  linke  Herzkammer,   und  diese  sendet  das  Blut 
immer  nach  rechts.     In  den  Eidechsen,    Schlangen  und  Schildkröten  geht  alles 
Blut     welches  zur  Ernährung  der  vordem  Hälfte  des  Körpers  bestimmt  ist,    in 
Einem  Strome  zuerst  nach  rechts,    und  von  da  vertheilt  es  sich  erst.     Das  nach 
vorn  sehende  Blut  geht  nun  fast  symmetrisch  in  zwei  Strömen  vorwärts,  das  für 
die  hintere  Fläche  des  Körpers  bestimmte  Blut  setzt  in  den  Vögeln  seine  Richtung 
un^etheilt  nach  rechts  fort  und  mufs  nun  freilich ,  da  die  Symmetrie  den  Einilufs 
der  bewegenden  Kraft  alhnählig  schwächt,   sich  nach  links  hinüber  wenden,  um 
die  Mitte  zu  erreichen.      In  den   genannten  Amphibien  tritt  die  Herrschaft  der 
Symmetrie  noch  früher  auf;  der  Blutstrom  für  die  hintere  Hälfte  des  Körpers  ist 
«leich  anfangs  getheilt,    aber  viel  mehr  Blut  strömt  nach  rechts  als  nach  links, 
und  das  letztere  vertheilt  sich  früher,   als  ob  es  mit  weniger  Kraft  fortgetrieben 
wäre.    In  den  Fröschen  ist  die  Vertheilung  gleich  anfangs  ziemlich  symmetrisch.  — 
In  den  Säugethieren  steigt  die  Aorta  zwar  an  der  linken  Seite  der  Wirbelsäule 
herab,  bedenkt  man  aber,   dafs  die  Stellung  der  Aorta  immer  von  einem  grölsern 
gemeinschaftlichen  Stamme  für  die  vordere  und  hintere  Schlagader  bestimmt  ist, 
dafs  dieser  gemeinschaftliche  Stamm  immer  nach  rechts  gerichtet  ist  und  sich  erst 
nach  links  wendet,    nachdem  er  auf  der  rechten  Seite  die  Arterien  der  vordem 
Körperhälfte  angegeben  hat,  oder  indem  er  sie  auf  der  Umbeugung  seihst  abgiebt, 
so  läi'st  sich  das  Hinübergehen  auf  die  linke  Seite  als  Einilufs  der  Symmetrie  be- 
trachten ;    denn  der  Bogen,  den  die  Aorta  bildet,   ist  um  so  weiter,  je  kürzer  der 


215 

Hals  ist.  Das  heilst  mit  andern  Worten ,  die  Aorta  geht  um  so  mehr  nach  der 
linken  Seite  hinüber ,  je  näher  sie  dem  Kopfe  steht ,  dessen  Einllufs  symmetri- 
sirend  ist.  In  den  langhalsigen  Säugethieren ,  wo  aus  dem  gemeinschaftlichen 
Stamme  auf  der  rechten  Seite  der  Stamm  für  die  Kopf-  und  Schlüsselbeiuschlag- 
ader  (die  vordere  Aorta)  abgeht,  beugt  sich  der  nach  hinten  gehende  Ast  su 
rasch  um,  dafs  man  kaum  sagen  kann,  er  ginge  nach  links.  In  solchen  Be- 
trachtungen finden  wir  auch  vielleicht  die  Erklärung,  warum  überhaupt  die 
Säugethiere  in  der  Lage  der  absteigenden  Aorta  von  den  übrigen  Lungenthieren 
abweichen.  Ich  glaube,  der  Unterschied  ist  in  dem  gröfsern  Blulbedürfuisse  des 
Hirnes  begründet.  Denken  wir  uns  in  einem  ganz  unbestimmten  Wirbel  thiere 
den  Blutstrom  aus  der  linken  Kammer  nach  rechts  gehend.  Ist  das  Blutbedüri- 
liil's  des  Hirnes  grofs,  so  wird  dieser  gemeinschaftliche  Blutstrom  aul'ser  der 
Richtung  nach  rechts  zugleich  mehr  die  Richtung  nach  vorn  haben,  als  bei 
Thieren  mit  kleinem  Hirne  und  Kopfe.  In  den  letzlern  wird  daher  das  Blut,  das 
für  die  hintere  Hallte  des  Leibes  bestimmt  ist,  nach  Abgabe  des  Blutes  für  die 
vordere  Hälfte  unter  kurzer  Fortsetzung  des  Stromes  nach  rechts  sogleich  durch 
EiuÜufs  der  Strömung  nach  hinten  umgebogen.  Ist  aber  die  Strömung  nach 
vorn  stärker,  so  wird  die  Strömung  nach  hinten  erst  allmählig  diese  Richtung 
besiegen ,  und  die  Aorta  mufste  noch  weiter  nach  rechts  und  vorn  fortgehen ,  oder 
wenn  der  Einflufs  der  Symmetrie  das  nicht  zuläfst ,  allmählig  nach  links  über- 
biegen ,  um  nach  hinten  zu  kommen.  Dafs  aber  wirklick  das  Blut  in  den  Säuge- 
thieren eine  stärkere  Strömung  nach  vorn  hat,  lehrt  wohl  die  gröfsere  Länge  des 
gemeinschaftlichen  Stammes,  und  dafs  der  Bogen  um  so  weiter  ist,  je  länger  dieser 
gemeinschaftliche  Stamm  wieder  unter  den  Säugethieren  selbst  ist,  bestätigt  das 
Gesagte.  So  kann  man  sich  die  Verschiedenheit  in  einer  ungeformten  Masse  ent- 
standen denken.  Wie  sie  aus  dem  symmetrischen  Kiemenapparate  der  Säuge- 
thiere hervorgebildet  wird,  bleibt  noch  künftigen  Untersuchungen  zu  entscheiden 
überlassen. 

Auch  wo  das  Herz  in  der  Mittelebene  des  Körpers  liegt ,  ist  der  Ursprung 
der  Aorta,  so  bald  zwei  Kammern  da  sind,  immer  so  gelagert,  dafs  der  Stol's, 
den  die  linke  Kammer  dem  Blute  giebt ,  nach  rechts  geht.  Wenn  die  Spitze  des 
Herzens  nach  links  gerichtet  ist,  so  wird  dieses  Verhällnifs  noch  stärker  (Fig.  6. 
Pfeil  d.).  Eine  Richtung  des  Herzeus  nach  rechts  scheint  nirgends  normal.  Ich 
glaubte  sie  zuweilen  bemerkt  zu  haben,  überzeugte  mich  aber,  dafs  diese 
Lage  nur  vom  Hin  -  und  Hergleiten  in  dem  für  die  Untersuchung  umgekehrten 
Thiere  herrühre.  Deshalb  wird  es  erlaubt  seyn ,  in  unsrer  schematischen  Ab- 
bildung  das   Herz    so    zu   stellen,    wie   es   im  Menschen   und   einigen   andern 


216 

Thieren  *)  steht.  Ich  wähle  die  schiefe  Stellung  des  Herzens ,  um  an  ihr  zu 
zeigen ,  wie  die  starke  Ausbildung  der  Verhältnisse  der  Strömung  in  einem  vor- 
herrschenden Theile  wohl  eine  entgegengesetzte  Strömung  in  einem  abhängigen 
Theile  desselben  Systems  erzeugen  kann.  Das  Lungenblut  strömt  nämlich  in  den 
meisten  Thieren  ziemlich  gerade  nach  hinten  in  das  linke  Herz.  Wo  aber  dieses 
sich  so  stellt,  dafs  es  entschieden  nach  rechts  treibt,  erhält  der  Strom  des  Lungen- 
blutes  eine  geringe  Richtung  nach  links.  (Fig.  6.  l'.) 

So  viel  von  der  Richtung  der  arteriellen  Blutbewegung.  Dafs  auch  der 
venöse  Strom  sich  nach  rechts  richtet,  ist  noch  viel  deutlicher.  Das  Blut  aus  der 
linken  Seite  von  der  vordem  Hälfte  des  Körpers  geht  sehr  stark  nach  rechts  hin- 
über. Wir  können  daher  summarisch  den  venösen  Blutstrom  aus  dem  vordem 
Theile  des  Körpers  mit  dem  Pfeile  2  bezeichnen.  Dafs  auch  von  hinten  das 
Venenblut  nach  rechts  sich  bewegt,  lehrt  die  Ablenkung  der  hintern  Hohlvene 
nach  rechts,  je  weiter  sie  vorrückt,  so  wie  die  Gestaltung  des  Rippenvenen- 
stammes.     Der  Pfed  3  repräsentirt  diese  Strömung. 

Sie  ist  noch  deutlicher  im  Pfortadersysteme  (4). 
^.Athmungs-  Den  Alhmungsapparat  finden  wir,  wenn  wir  einen  Blick  auf  die  gesammle 

apparat.  Thierreihe  werfen ,  bald  an  das  ingestive,  bald  an  das  egeslive  Ende  des  Leibes 
geknüpft,  bald  der  Länge  nach  zwischen  beiden  Extremen  vertheilt.  Diese  ver- 
schiedene Stellung  scheint  der  Athmungsapparat  einnehmen  zu  können,  weil  seüie 
Verrichtung  sowohl  in  Ingestion  als  in  Egestion  besteht.  Sehr  nahe  liegt  die  Ver- 
muthung, dafs  in  denjenigen  Thierformen,  in  welchen  der  Alhmungsapparat  das 
vordere  Ende  einnimmt,  dasselbe  mehr  ingestiv  Avirkt,  dagegen  mehr  egestiv, 
wo  er,  wie  in  Holothurien ,  den  meisten  Mollusken^  einigen  Insectenlarven  ,  sich 
mit  oder  neben  dem  Darme  ausmündet.  Beziehen  wir  diese  Vermuthung  auf  die 
Umänderung  des  Blutes  selbst,  so  mufs  sie  freilich  noch  Vermuthung  bleiben, 
denn  von  den  wenigsten  Thieren  können  wir  für  jetzt  bestimmen ,  ob  durch  das 
Athmen  das  Blut  mehr  Stoffe  aufnimmt,  oder  mehr  Stoffe  verliert.  Sehr  deutlich 
scheint  es  mir  aber,  dafs  bei  dem  nach  vorn  gelegenen  Athmungsappaiate  wenig- 
stens die  ingestive  Bewegung  die  bestimmende  ist,  so  wie  bei  der  Lagerung  nach 
hinten  die  egestive.     In  den  Holothurien,    den  Mollusken ,    den  durch  das  hintere 

Ende 

*)  Die  symmetrische  Stellung  des  Herzens  wird,  wie  es  scheint,  den  Vierfüfsern  zu  allgemein  zu- 
geschrieben. Sie  scheint  mir  nur  den  Thieren  mit  zusammengedrückter  Brust  zuzukommen. 
In  Thieren  mit  flacher  Brust  steht  dSs  Herz  mehr  oder  weniger  schief  und  zuweilen  im 
Embryonenzustande  noch  mehr  als  im  Erwachseneu.  So  fand  ich  noch  kürzlich  in  mehreren 
Embryonen  von  Igeln  das  Herz  sehr  stark  nach  links  gerichtet,  viel  weniger  in  der  Mutter. 


217 

Ende  Luft  einziehenden  Inscctenlarven  werden  durch  Muskelcontractionen  die 
Athmungsorgane  entleert.  Die  Wiederanfüllung  ist  vorzüglich  Folge  der  nach- 
lassenden Muskelthätigkeit,  wenigstens  ist,  wenn  noch  eine  entgegengesetzte 
Muskelthätigkeit  hinzutritt,  diese  geringer,  als  die  ausleerende.  Umgekehrt  ist  es 
in  den  Lnngenthieren.  Die  Aufnahme  der  Luft  ist  hier  mehr  activ,  die  Aus- 
treibung mehr  passiv.  Der  Weg  für  die  Aufnahme  wird  also  die  Lagerung  des 
Apparates  bestimmen,  nicht  der  rückgängige  Weg  der  ausgeleerten  Luft.  Nun 
finden  wir  zwar  die  Lunge  gedoppelt;  aber  in  allen  Thieren  die  rechte  Lunge 
gröfser  und  in  den  ächten  Schlangen  sogar  nur  diese  entwickelt,  von  der  linken  nur 
eine  Spur.  Dazu  kommt  noch,  dafs  in  einigen  Cetaceen,  wie  in  der  Gattun« 
Physeter,  das  rechte  Nasenloch  verkümmert.  Ja  es  mag  noch  allgemeiner  seyn, 
dafs  die  rechte  Nasenöffnung  kleiner  ist,  als  die  linke,  wie  z.B.  aus  Sömmer- 
ring's  Beschreibung  des  fossilen  Hyänenschädels  hervorgeht  (Nova  acta  Nat. 
cur.  XIV.  p.  14J.  Wir  können  also  durch  den  gelben  Pfeil  (5)  in  uusrer  Figur 
summarisch  den  Weg  der  Luft  für  die  Athmung  der  Wirbelthiere  bezeichnen. 
In  den  Kiemen  der  Fische  ist  freilich  eine  solche  seitliche  Differenz  wenigstens 
nicht  auffallend,  allein  die  Kiemen  sind  so  unmittelbar  an  den  animalischen  Theil 
des  Leibes  geknüpft,  wie  schon  die  vorübergehenden  Kiemenbogen  der  Embryo- 
nen von  Lungenthieren  beweisen,  dafs  die  Asymmetrie  des  plastischen  Leibes  sich 
in  ihnen  nicht  entwickeln  kann. 

Wenn  ein  Apparat,  wie  der  verdauende,  von  einem  Pole  zum  andern  y. 
durch  die  ganze  Länge  des  plastischen  Leibes  hindurchgeht,  so  kann  er  freilich  apparat*' 
nicht  überall  seinen  Inhalt  nach  rechts  treiben.  Man  darf  nur  erwarten,  dafs  in 
den  Abschnitten,  wo  die  bewegenden  Kräfte  am  stärksten  hervortreten ,  die  also 
die  bestimmenden  für  die  Lagerung  des  Ganzen  sind,  die  Bewegung  diese  Bich- 
tung  erhalte.  Nun  finden  wir  aber  in  allen  Wirbelthieren ,  so  viel  mir  bekannt 
ist ,  den  Magen  nach  links  Hegend  und  den  Pförtner  an  seiner  rechten  Seite ,  so 
wie  den  Anfang  des  Zwölffingerdarmes  nach  rechts  gehend,  er  mag  sich  übrigens 
zugleich  nach  vorn  wenden,  oder  nicht.  Der  Magen  treibt  also  seinen  Inhalt  nach 
rechts.  Dasselbe  Verhältuifs  ist  häufig  in  dem  muskulösen  Mastdarme.  Andere 
Abschnitte  müssen  nun  freilich  von  rechts  nach  links  gehen ,  allein  sie  sind  die 
weniger  thätigen.  So  denke  ich  mir,  dafs,  wenn  die  Speise  in  den  Säugethieren 
nach  links  geht,  um  in  den  Magen  zu  kommen,  dieser  entgegengesetzte  Weg  nur 
durch  die  Macht  des  Magens,  der,  um  nach  rechts  zu  treiben,  links  liegt,  her- 
vorgebracht wird.  Auch  ist  es  nur  der  hintere  Theil  der  Speiseröhre ,  der  vom 
Magen  beherrscht  wird;  denn  wenn  das  Knochengerüste  des  Halses  so  stark  ge- 
krümmt ist,   dafs  die  Speiseröhre  von  der  untern  Fläche  desselben  abgleitet,    so 

Ee 


218 

liegt,  wenn  ich  nicht  irre,  die  Speiseröhre  immer,  mit  Ausnahme  des  hintersten 
Endes,  nach  rechts.  So  fand  ich  seine  Lage  in  Vögeln,  in  Schildkröten,  im 
Kameel ,  im  Faulthier ,  und  wahrscheinlich  ist  sie  in  vielen  andern  Säugethieren 
eben  so.  Wenn  sich  in  den  Vögeln  ein  gesonderter  Kropf  Lüdet,  so  liegt  auch 
dieser  nach  rechts.  Mithin  hat  die  Bewegung  vom  Schlünde  aus,  die  von  den 
kräftigen  Schlingmuskeln  beherrscht  wird,  ebenfalls  im  Allgemeinen  die  Rich- 
tung nach  rechts.     Vergleiche  den  Pfeil  6.  *) 

Der  Weg  der  Galle  dürfte  zAvar  in  den  meisten  Fällen  von  rechts  nach 
links  gehen ,  indessen  kann  man  diese  verkehrte  Richtung  als  abhängig  von  der 
Lage  der  Leber  betrachten,  welche  von  der  vorherrschenden  Strömung  des  Pfort- 
aderblutes  nach  rechts  gestellt  wird.  In  der  That  stellt  sich  die  Leber  bei  der 
Entwickelung  des  Embryo  um  so  mehr  rechts ,  je  mehr  das  Pfortadersystem  sich 
von  den  übrigen  Gefäfsen  scheidet. 
5.   Ge-  .Was  die  Geschlechtstheile  anlangt ,  so  sind  sie  bei  engerer  Verknüpfung 

apparIt!S"  m^  dem  animalischen  Leihe,  welche  auch  aufser  der  Lagerung  ini  erwachsenen 
Zustande  besonders  durch  die  Entwickelungsgeschichle  klar  wird ,  in  der  Regel 
ziemlich  symmetrisch.  Wo  aber  die  Symmetrie  weniger  hervortritt,  wie  z.  B. 
in  dem  weiblichen  Vogel ,  da  ist  nur  der  linke  Eingang  entwickelt ,  das  Ei  wird 
also  auch  von  links  nach  rechts  fortbewegt.  Wir  zeigen  also  die  Richtung  dieser 
Beweeun"  durch  den  Pfeil  8  an. 

Alle  Pfeile  nun ,  die  wir  nach  diesen  Betrachtungen  in  unsre  Figur  ein- 
i.  Harn-  gezeichnet  haben,  zeigen  ihre  Spitzen  nach  rechts  gerichtet.  —  Nur  die  Harn- 
apparat, -yvege  scheinen  sicli  diesem  Gesetze  nicht  fügen  zu  wollen.  Wo  die  Nieren  nicht 
übereinstimmend  auf  beiden  Seiten  sind,  wie  in  mehreren  Ophidiern,  ist  die  Niere 
der  rechten  Seite  länger  und  mehr  nach  vorn  gelegen.  Es  scheint  daher  der  Weg 
des  Harnes  vorherrschend  nach  links  zu  gehen.  Sollte  die  vorherrschende  Thä'tig- 
keit  der  Nieren  darin  bestehen,  Venenblut  anzuziehen,  während  sie  den  Harn 
blos  ablliefsen  lassen:  dann  würden  sie  sich  dem  allgemeinen  Gesetze  fügen  **). 


*)  Dafs  der  Uebergang  von  rechts  nach  links  wieder  einer  bestimmten  Norm  unterworfen  ist, 
dafs  also  eine  bestimmte  Form  von  Spiralgängen  sich  nachweisen  lasse,  wenn  die  Richtung 
nach  rechts  nicht  fortgesetzt  werden  kann,  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln.  Doch  sind  hier  die 
Störungen  so  mannigfach  ,  und  die  Auffindung  des  Typus  so  schwierig,  dafs  dieser  Versuch 
uns  zu  weit  führen  möchte.  Ohnehin  halte  ich  die  Strömung  nach  rechts  für  die  vorherr- 
schende und  allen  Systemen  gemeinsame,  und  sie  genügt  uns  hier. 

**)  Ueberhaupt  aber  ist  das  Vorherrschen  der  rechten  Niere  auch  in  den  Schlangen  nicht  allge- 
mein. Zuweilen  wird  die  Länge  derselben  durch  die  gröfsere  Dicke  der  linken  Niere  aufge- 
wogen ,  wie  ich  in  Vipera  Berus  sehe.  In  Tortrix  Scytale  finde  ich  aber  das  Vorherrschen 
der  rechten  Niere  nach  Meckel  und  Finke  offenbar.  Merkwürdig  ist  es,  dafs  das  Harn- 
syslem  das  einzige  ist,  welches  auch  im  peripherischen  Typus  abweicht. 


219 

Genug  für  den  Beweis,  dafs  im  plastischen  Theile  der  Wirbellhiere  die 
organische  Strömung  vorherrschend  nach  rechts  geht ,  um  zu  erhärten ,  dafs  die 
Verhältnisse  des  Molluskentypus  in  dieser  Hälfte  des  Wirbelthiers  walten. 

Wir  sind  nun  die  vier  Haupttypen  durchgegangen,  und  es  wird  für  unsern  h.  Unterge- 
Zweck  hinlänglich  seyn,  nur  noch  kurz  zu  bemerken,  dafs  diese  Haupltypen  in  pe„"ete  Ty 
untergeordneten  Formen  aLändern,  wie  Variationen  auf  ein  Thema.  So  sind  dir 
Glieder  der  gegliederten  Reihe  bald  mehr  gleich  unter  sich ,  gleichsam  an  einen 
Faden  aufgereiht ,  bald  mehr  um  einen  Mittelpunkt  gesammelt.  Auf  diese  Weise 
bilden  sich  Variationen  der  Haupttypen,  die  man  sich  als  um  ihn  gelagert  denken 
kann  und  von  denen  einige  ihm  näher  stehen ,  wenn  sie  den  Character  der  Haupt- 
typen reiner  darstellen,  andere  mehr  von  ihm  abweichen.  Diese  untergeordneten 
Typen,  verbunden  mit  einem  bestimmten  Grade  der  Ausbildung,  geben  das,  was 
wir  Thierklassen  nennen.  Dabei  wird  bald  das- eine,  bald  das  andere  Lebens 
verhältnifs  mehr  ausgebildet,  oder  richtiger:  die  Ausbildung  des  Lebens  nach 
dieser  oder  jener  Richtung  erzeugt  eben  die  Variationen  der  Haupttypen,  wie  diese 
selbst  wesentlich  in  ihren  Lebenserscheinungen  verschieden  sind.  So  sind  offen- 
bar unter  den  Wirbelthieren  die  Vögel  diejenigen,  in  welchen  die  Beziehung  zur 
Luft  vorherrschend  ist.  Sie  durchzieht  ihren  ganzen  Körper  und  für  sie  sind  die 
vordem  Bewegungsorgane  organisirt.  Eben  so  die  wahren  geflügelten  Insecten 
in  der  Reihe  der  gegbederten  Thiere.  Die  Thierklassen  theilen  sich  wieder  in 
geringere  Variationen ,  die  Avir  Familien  nennen ,  welche  nicht  nur  den  Haupt- 
typus, sondern  auch  den  Typus  der  Klasse  mit  besondern  Modificalionen  tragen, 
wodurch  sich  der  Character  der  Familie  bildet.  Modificationen  geringern  Gra- 
des in  diesem  Familien- Character  geben  die  Gattungen.  So  geht  es  fort  bis  zu 
den  Arten  und  Abarten. 

Wenn  es  richtig  ist,  dafs  alle  gröfsern  und  kleinern  Gruppen  von  Thieren 
auf  einem  doppelten  Verhältnifs  beruhen ,  dem  der  höhern  oder  geringern  Ausbil- 
dung und  der  Variation  der  Hauptlypen  in  Verschiedenheiten  geringern  Grades, 
und  dieser  wieder  weiter ,  so  ist  eine  einreihige  Forlbildung  des  Thiers  im  gan- 
zen Thierreiche  eine  unrichtige  Vorstellung. 

§.4. 

Anwendung  dieser  Darstellung  auf  die,  Geschichte  der  individuellen  Entwiclelung. 

a.   Der  Em- 

Machen  wir  nun  von  dieser  Uebersicht  der  bleibenden  Formverhältnisse  aih^äh[eCl ' 
unter  den   verschiedenen   ausgebüdeten  Thieren  auf  die  Bildungsgeschichte  der  eine   immer 

,.       ,  ,  .  höhere  Stufe 

einzelnen  Individuen  diß  Anwendung!  der    Ausbii- 

Ee  2  du"£ 


220 

Vor  allen  Dingen  ist  es  klar,  dafs  die  Verhältnisse,  welche  wir  höhern 
und  nietlern  Grad  der  Ausbildung  des  Thiers  genannt  habe«,  ganz  übereinstim- 
men mit  der  in  der  Entwicklungsgeschichte  des  Individuums  immer  mehr  hervor- 
tretenden histologischen  und  morphologischen  Sonderling  (vergl.  Scholionlll.  c.  d.). 
In  dieser  Hinsicht  ist  also  grofse  Uebereinstiinmung.  Die  Grundmasse,  aus  der 
der  Embryo  besteht,  ist  übereinstimmend  mit  der  Körpermasse  der  einfachsten 
Thiere.  In  beiden  sind  wenig  bestimmte  Formen ,  ein  geringer  Gegensatz  von 
Theilen,  und  die  histologische  Sonderung  bleibt  noch  hinter  der  morphologischen 
zurück.  Wenn  wir  nun  die  niedern  Thiere  überblicken,  in  einigen  mehr  innere 
Ausbildung  bemerken,  als  in  andern,  und  sie  dann  nach  dieser  Ausbildung  in  eine 
Reihe  stellen  oder  aus  einander  entwickelt  uns  denken  ;  so  ist  es  nolhwendig,  dafs 
wir  in  der  einen  wirklich  historisch  begründeten  Folge  und  in  der  andern  gene- 
tisch gedachten  Reihe  eine  Uebereinstimmung  eben  in  dieser  fortgehenden  innern 
Sonderung  finden,  und  es  lassen  sich  also  eine  Menge  Uebereinstimmungeu  zwi- 
schen dem  Embryo  höherer  Thiere  und  der  bleibenden  Form  niederer  Thiere 
nachweisen. 

b.  Ergeht  Dadurch  ist  aber  noch  nicht  erwiesen,    dafs  jeder  Embryo  einer  höhern 

aus  einem     Thierform  allmählig  die  niedern  Thierformen  durchlaufe.     Vielmehr  scheint  sich 
Typus  m  den  -j  r  Typus  jedes  Thiers  deich  anfangs  im  Embryo  zu  fixiren  und  die  <ranze  Ent- 

andernuber.        .  •  ■    ' 

Wickelung  zu  beherrschen. 

Unsre  Erzählung  der  Entwicklungsgeschichte  des  Hühnchens  ist  nur  ein 
langer  Commentar  zu  dieser  Behauptung.  Die  AYirbelsaite  ist  der  zuerst  sich  son- 
dernde Theil.  Von  dieser  erheben  sich  die  Rück cnplatten,  bald  treten  auch  die 
Bauchplalten  hervor  und  das  Rückenmark  sondert  sich.  Alle  diese  Bildungsmo- 
mente treten  sehr  früh  auf —  und  man  sieht,  dafs  von  jetzt  an  von  einer  Ueber- 
einstimmung mit  einem  wirbellosen  Thiere  nicht  mehr  die  Rede  seyri  darf,  dafs 
vielmehr  die  Verhältnisse,  welche  den  wesentlichen  Character  des  Wnbelthiers 
bilden,  die  ersten  sind,  die  auftreten.  Es  ist  aber  der  Anfang  derEutwickelungs- 
geschichte  für  alle  Klassen  von  Wirbelthieren  sehr  ähnlich.  Deshalb  können  wir 
nicht  Idols  für  die  Vögel,  sondern  allgemeiner  sagen:  Der  Embryo  des  Wirbd- 
thiers  ist  schon  anfangs  ein  ll'irbelthier ,  und  hat  zu  keiner  Zeit  Uebereinstim- 
mung mit  einem  wirbellosen  Thiere.  Eine  bleibende  Thierform  aber,  welche 
den  Typus  der  Wirbelthiere  hätte,  und  eine  so  geringe  histologische  und  morpho- 
logische Sonderung,  wie  die  Embryonen  der  Wirbelthiere,  ist  nicht  bekannt.  Mit- 
hin durchlaufen  die  Embryonen  der  Wirbelthiere  in  ihrer  Entwichelung  gar  leine 
(bekannten)  bleibenden  Thierformen. 


221 


Sollte  sich  aber  für  die  Entwicklungsgeschichte  des  Individuums  als  Inha-  c-  Uer 

her  einer  besondern  organischen  Form  gar  kein  Gesetz  auffinden  lassen ?  Ich  glau-  biSÄh* 
be,  ja,  und  will  versuchen,  es  aus  folgenden  Betrachtungen  zu  entwickeln.     Die  ^mer  mehr 
Embryonen  der  Säugethiere,  Vögel,    Eidechsen  und  Schlangen,    wahrscheinlich  untergeoid- 
auch  der  Schildkröten,  sind  in  frühern  Zuständen  einander  ungemein  ähnlich  im  tionen.  3 
Ganzen,  so  wie  in  der  Entwickelung  der  einzelnen  Theile,    so  ähnlich,   dafs  man 
oft  die  Embryonen  nur  nach  der  Gröfse  unterscheiden  kann.      Ich  besitze  zwei 
kleine  Embryonen  in  Weingeist,  für  die  ich  versäumt  habe  die  Namen  zu  notiren, 
und  ich  bin  jetzt  durchaus  nicht  im  Stande ,  die  Klasse  zu  bestimmen ,    der  sie  an- 
gehören.    Es  können  Eidechsen,  kleine  Vögel,  oder  ganz  junge  Säugethiere  seyn. 
So  übereinstimmend  ist  Kopf-  und  Rumpfbildung  in  diesen  Thieren.     Die  Extre- 
mitäten fehlen  aber  jenen  Embryonen  noch.     Waren,  sie  auch  da ,   auf  der  ersten 
Stufe  der  Ausbildung  begriffen,  so  würden  sie  doch  nichts  lehren,    da  die  Füfse 
der  Eidechsen  und  Säugethiere,  die  Flügel  und  Füfse  der  Vögel,  so  wie  die  Hände 
und  Füfse  der  Menschen  sich  aus  derselben  Grundform  entwickeln.     Je  weiter  wir 
also  in  der  Entwicklungsgeschichte  der  Wirbellhiere  zurückgehen,    desto  ähn- 
licher finden  wir  die  Embryonen  im  Ganzen  und  in  den  einzelnen  Theilen.     Erst 
allmählig  treten  die  Charactere  hervor,  welche  die  giöfsern,  und  dann  die,  welche 
die  kleinern  Abtheilungen  der  Wirbelthiere  bezeichnen.     Aus  einem  allgemeinern 
Typus  bildet  sich  also  der  speciellere  hervor.      Das  bezeugt  die  Entwickelun"  des 
Hühnchens  in  jedem  Momente.     Im  Anfange  ist  es,  wenn  der  Rücken  sich  schliefst, 
Wirbelthier,   und  nichts  weiter.      Indem  es  sich  vom  Dotter  abschnürt,    die  Kie- 
menplalten  verwachsen  und  der  Harnsack  hervortritt,    zeigt  es  sich  als  Wirbel- 
thier,  das  nicht  frei  im  Wasser  leben  kann.       Erst  später  wachsen  die  beiden 
Blinddärme  heraus,  es  tritt  ein  Unterschied  in  den  Extremitäten  ein  und  der  Schna- 
bel wächst  hervor;  die  Lungen  rücken  nach  oben ;    die  Luftsäcke  sind  in  der  An- 
lage kenntlich,  und  man  kann  nicht  mehr  zweifeln,  dafs  man  einen  Vogel  vor  sich 
habe.     Während  sich  der  Vojjelcharakler  durch  weitere  Entwickelung  der  Flüffel 
und  Luftsäcke  durch  Verwachsung  der  Mitlelfufsknorpel  u.  s.  w.  noch  mehr  aus- 
bildet, verliert  sich  die  Schwimmhaut,  und  man  erkennt  einen  Landvogel.     Der 
Schnabel,   die  Füfse  gehen  aus  einer  allgemeinen  Form  in  eine  besondere  über, 
der  Kropf  bildet  sich  aus,  der  Magen  halte  sich  schon  früher  in  zwei  Höhlen  ge- 
schieden ,  die  Nasenschuppe  erscheint.     Der  Vogel  erhält  den  Character  der  Hüh- 
nervögel und  endlich  des  Haushuhnes. 

Eine  unmittelbare  Folge,,  ja  nur  ein  veränderter  Ausdruck  des  oben  Ge- </.  je  weni- 
zeigten  ist  es,  wenn  wir  sagen:  Je  verschiedener  zwei  Thier formen  sind,  um  desto  wickehiif"'* 
mehr  mufs  man  in  der  Entwichelungsgeschichte  zurückgehen ,    um  eine  Ueberein-  vorgeschrit- 


222 

ten  ist,  de  Stimmung  zu  finden  *).  Wir  wollen,  um  zu  zeigen,  dafs  das  Verhältnifs  nicht 
findrtnhman  Mols  für  die  Wirbelthiere  gilt,  einige  Beispiele  aus  der  niedern  Tlüerwelt  wäh- 
aucK  sehr  jen  pje  Differenz  unter  den  langschwänzigen  und  kurzschwänzigen  Krebsen  ist 
Thiere.  nicht  sehr  grofs.     Der  Flufskrebs  nun  hat  in  der  Mitte  seines  Embryonenlebens 

einen  ziemlich  kurzen  Schwanz  im  Verhä'ltnifs  zu  dem  breiten  Bruststücke  und 
man  würde  ihn  von  kurzgeschwänzten  Krebsen  schwer  unterscheiden,  da  diese 
nach  Cavolini's  Abbildung  im  Einbrj  onenzustande  verhällnifsmäfsig  lang  ge- 
schwänzt sind.  Je  weiter  wir  zurückgehen ,  um  desto  ähnlicher  linden  wir  im 
Krebse  die  Frefs Werkzeuge  den  Füfsen,  ja  sie  sind  im  Anfange  recht  eigentlich 
die  vordem  Füfse,  und  nichts  weiter.  Wir  haben  also  nicht  nur  ein  Näherstehen 
am  Grundtypus  (Uebereinstimmung  der  verwandten  Organe),  sondern  auch  eine 
Aehnlichkeit  mit  den  Stomapoden,  Amphipoden  undlsopoden,  die  im  ausgebil- 
deten Zustande  von  den  Decapoden  viel  mehr  abweichen,  als  diese  unter  sich. 
Dazu  kommt  noch,  dafs  in  den  Decapoden  das  Herz  nach  Rathke  (Iris  Bd.  XVII. 
S.  1098.)  spindelförmig  auftritt  und  gewifs  noch  eine  Menge  bisher  noch  unbe- 
kannter Uebereinstimmungen.  Noch  früher,  wenn  die  Füfse  zur  Seite  wie  kleine 
Knötchen  hervorkeimen,  und  noch  keine  Kiemen  sichtbar  sind,  ist  auch  mit  wah- 
ren Insecten  im  Embryonenzustande  die  Uebereinstimmung  nicht  zu  verkennen.  — 
Ein  Schmetterling  und  eine  Sägewespe  sind  noch  als  ausgewachsene  Larven  leicht 
zu  verwechseln.  Man  hat  zwar  solche  Larven  auch  mit  Würmern  verglichen, 
indessen  mufs  man  gestehen ,  dafs  der  Unterschied  in  wesentlichen  Theilen  noch 
sehr  crofs  ist.  Diese  haben  rothes  Blut  und  keine  Luftgefäfse.  In  jenen  ist  bei- 
des umgekehrt.  In  der  That  aber  sind  die  ausgewachsenen  Raupen  den  Myria- 
poden  viel  ähnlicher,  und  nur  in  sehr  früher  Zeit,  wenn  noch  keine  Luftgefäfse 
entwickelt  sind ,  die  sich  wahrscheinlich  durch  histologische  Sonderung  bilden, 
ist  eine  nähere  Uebereinstimmung  mit  dem  Embryo  des  Blutegels,  so  lange  er  noch 
kein  rothes  Blut  hat. 

Diese  Bemerkungen  führen  uns  auf  die  Frage ,  ob  wir  denn  nicht  immer 
weiter  zurückgehend  auf  eine  Stufe  gelangen  können,  wo  auch  die  Embryonen  der 
Wirbelthierc  und  der  Wirbellosen  übereinstimmen.  Ich  werde  in  einem  spätem 
Zusätze,  wo  besonders  von  der  Verschiedenheit  des  Bildungsschema  für  die  Haupt- 
typen der  Thiere  gesprochen  wird,  zu  erweisen  suchen,  dafs  auch  die  gegliederte 
Thierreihe  mit  einem  Primitivstreifen  ihreEntwickelung  beginnt.  In  diesem  kur- 
zen Momente  würde  also  Uebereinstimmung  zwischen  ihnen  und  den  Wirbelthie- 


*)  Diese  Bemerkung  hebt  durchaus  die  frühere  im  ersten  Scholioii  enthaltene,  von  der  Unbestimmt- 
heit derselben  Form  im  frühesten  Zustande  ,    nicht  auf. 


£23 

ren  seyn.  In  dem  eigentlichen  Keimzuslande  ist  aber  wahrscheinlich  Uebereiö- 
stimmung  unter  allen  Embryonen,  die  aus  einem  wahren  Eie  sich  entwickeln. 
Hierin  liegt  ein  wesentlicher  Grund,  den  Keim  für  das  Thier  selbst  anzuseheu 
(Schob  IL).  Wenn  im  Keime  des  Vogels  der  Frimilivstreifen  sich  bildet,  so  sind 
wir  zwar  geneigt  zu  sagen  :  jetzt  fängt  der  Embryo  an.  Im  Grunde  ist  dieses  aber 
nur  der  Moment ,  wo  für  den  Keim  der  Typus  der  IVirbelthiere  auftritt ,  denn  der 
Primitivstreifen  ist  keinesweges  der  ganze  Embryo ,  da  die  Theile ,  die  sich  zu 
den  ßauchplatten  umbilden,  offenbar  neben  ihm  im  Keime  liegen.  Es  ist  nur  der 
Theil  des  Keimes,  der  zuerst  individuelle  Bildung  annimmt.  Eine  sogenannte 
Keimhaut  ist  aber  in  den  Eiern  der  gegliederten  Thiere  ganz  deutlich  sichtbar. 
Sic  ist  iu  den  Mollusken  fast  gewifs,  denn  das  Ei  der  Schnecken  hat  eine  ungleiche 
Färbung  der  Oberfläche.  Ueberdiefs  habe  ich  die  Keimschicht  und  das  Keim- 
bläschen, die  Vorgänger  des  Keimes,  deutlich  gesehen.  Deshalb  ist  es  mir  sehr 
wahrscheinlich,  dafs  alle  wahren  Eier  einen  gesonderten  Keim  haben. 

Je  weiter  wir  also  iu  der  Entwickelung  zurückgehen  ,  um  desto  mehr  fm-    fjj^jjjjy^ 
den  wir  auch  in  sehr  verschiedenen  Thieren  eine  Uebereinstimmung.     Wir  wer-  tensindviel- 
den  hierdurch  zu  der  Frage  geführt:    ob  nicht  im  Beginne  der  Entwickelung  alle  Thiere 
Thiere  im  Wesentlichen  sich  gleich  sind ,  und  ob  nicht  für  alle  eine  gemeinschaft-  f,]"^,1,1"/ 
liehe  Urform  besteht  ?   Wir  haben  so  eben  bemerkt,    dafs  allen  wirklichen  Eiern  Kugeln.  . 
ein  gesonderter  blattförmiger  Keim  zuzukommen  scheint.     Ein  solcher  scheint  den 
Keimkörnern ,  so  weit  wir  ihre  Entwickelung  kennen ,    zu  fehlen.      Sie  scheinen 
ursprünglich  solide  ;  indessen  wäre  es  immer  möglich,  dafs  sie  schon  beim  Ablö- 
sen von  der  Mutter  eine  innere  Höhlung  haben,  ähnlich  der  Centralhöhle  im  Dot- 
ter, welche  nur  wregen  der  Dicke  der  zuweilen  ziemlich  dunklen  Wandung  dem 
Microscope  entgeht.      Gesetzt  aber  auch,   sie  wären  anfangs  solide  und  würden 
dann  hohl,  wie  es  mir  an  Keimkörnern  von  Cercarien  und  Bucephalen  schien  *), 
so  erkennen  wir  doch,    dafs  der  erste  Act  ihrer  selbstständigeu  Lebendigkeit  in 
der  Aushöhlung  besteht,  wodurch  sie  zu  hohlen,    dickwandigen  Blasen  werden. 
Der  Keim  im  Eie  ist  nach  Schob  II. c,  auch  als  eine  Blase  zu  betrachten,   welche 
im  Vogcleie  zwar  nur  allmählig  den  Dotter  umwächst,   aber  schon  anfangs  durch 
die  Dotterhaut  in  der  Umhüllung  ergänzt  wird,  im  Froscheie  schon  die  Blasenform 
hat,  ehe  der  Typus  der  Wirbelthiere  auftritt,  ja  im  Säugetbiere  vom  Anfange  au 
die  geringe  Dollermasse  schon  zu  umgeben  scheint  **).      Da  der  Keim  aber  das 


*)   Nova  Acta  Acad   C.  L.  C.  Nat.  cur.  Vol.  XIII.  T.  2.  p.  653. 

**)   Heusinger's  Zeitschrift  fiu-  organische  Physik.  Bd.  II.  S.  173. 


■  '■£  ;li8Rary|  =o 


£24 

unnusgebildete  Thier  selbst  ist,  so  kann  man  nicht  ohne  Grund  behaupten,  dal's 
die  einfache  Blasenforni  die  gemeinschaftliche  Grundform  ist,  aus  der  sich  alle 
Thiere  nicht  nur  der  Idee  nach,  sondern  historisch  entwickeln.  Das  Keimkoru 
geht  in  diese  Urform  der  selbsts ländigen  Thiere  unmittelbar  aus  eigener  Kraft  über, 
das  Ei  aber  erst  nachdem  seine  weibliche  Natur  durch  die  Befruchtung  aufgeho- 
ben worden  ist  (vergl.  das  Coroll.  zu  Schol.  I.).  Nach  dieser  Einwirkung  tritt 
die  Sonderung  von  Keim  und  Dotter,  oder  von  Leib  und  Nahrungsstoff  auf.  Die 
Aushöhlung  des  Keimkorns  ist  nichts  anders.  ImEie  jedoch  ist  anfangs  ein  fester 
Nahrungsstoff  (der  Dotter)  und  ein  flüssiger  in  der  Centralhöhle ;  der  feste  Nah- 
rungsstoff  wird  aber  auch  bald  flüssig. 

/.  Die  indi-  Wenn  wir  oben  bemerkten ,  dal's  man,  um  die  Uebereinstimmung  zweier 

Wickelung  Thierformen  zu  finden ,  in  der  Entwickelung  um  so  weiter  zurückgehen  mufs,  je 
Thierfo'r6-™  verschiedener  diese  Thierformen  später  sind ,  so  erkennen  wir  daraus  als  Gesetz 
men   durch-  {]er  individuellen  Entwickelung, 

läuft     nicht  "7 

die  ausgebil-        j)    Dafs  das  Gemeinsame  einer  gröfsern  Thiergruppe  sich  früher  im  Embryo  bil- 
deten    For-  J.  • 
men    niede-            det ,  als  das  besondere. 
rer  Thiere. 

Hiermit  stimmt  es  ganz ,  dafs  die  Blasenform  die  allgemeine  Urform  ist ;  denn  was 
wäre  allen  Thieren  mehr  gemeinsam ,  als  der  Gegensatz  einer  inuern  und  äufsern 
Fläche  ? 

2)  Aus  dem  Allgemeinsten  der  Formverhältnisse  bildet  sich  das  weniger  Allge- 
meine und  so  fort ,   bis  endlich  das  Speciellste  auftritt. 

Das  ist  schon  oben  durch  das  Beispiel  der  Wirbelthiere  und  namentlich  der  Vögel, 
so  wie  auch  der  gegliederten  Thiere  erhärtet.  Wir  stellen  diesen  Satz  nur  noch 
einmal  auf,  um  als  unmittelbare  Folgerung  aus  ihm  folgende  Sätze  über  die  Auf- 
gabe der  Untersuchung  anzureihen. 

3)  Jeder  Embryo  einer  bestimmten   Thierform ,    anstatt  die  andern  bestimmten 
Formen  zu  durchlaufen ,   scheidet  eich  vielmehr  von  ihnen. 

4)  Im  Grunde    ist    also  nie  der  Embryo  einer  höhern  Thierform  einer  andern 
Thierform  gleich,   sondern  nur  seinem  Embryo. 

Nur  dadurch ,  dafs  die  am  wenigsten  ausgebildeten  Thierformen  vom  Embr}  oneu- 
zustande  sich  wenig  entfernen,  behalten  sie  einige  Aehnlichkeit  mit  den  Embryo- 
nen höherer  Thierformen.  Diese  Aehnlichkeit  ist  also,  wenn  unsre  Darstellung 
gegründet  ist,  auf  keine  Weise  das  Bedingende  der  Entwicklungsgeschichte  hö- 
herer Thiere ,  sondern  nur  eine  Folge  der  Organisation  der  niedern. 

Die 


("ein 

Keim  körn 
(selbst  Keim), 


Darstellung   des  Fortschrittes   der   Entwickelung. 

(Zu  Schol.  V.    $.  4.  g.    und  CoroU.    4.) 


Zu     Seitf    225 


f    ?    strahlige 
Entwickelung 


gewundene 
Entwickelung. 


symmetrische 
Entwickelung. 


?    Thiere  des  peripherischen    Typus. 
•    Thiere  mit  massigem    Typus. 
-    Thiere   mit   Langen-  Typus. 


f  das  Skelet 
verknöchert  nicht    —     Knorpelfische- 


keine  wahren  j 
Lungen ;  ^ 


das  Skelet 


■  Kieme  n  fransen. 
Es  bilden  sich  •* 


[verknöchert 


Die 

thierisclie    l 
Frucht     ^ 
ist 
entweder : 


.SP 

'S 


oder    ein  Ei 
mit  einem 
Keime,     in  . 
diesem    tritt 
auf: 


doppelt 

symmetrische 

Entwickelung. 


Knochenfische. 


("verharren.     —     Sireniden. 


iLungeiit   —    Amphibien. 

Die  Kiemenfransen  :<{  (bleiben  aufserlich.       Urodelen. 

I 
^verharren  nicht,  <J 

I, 


werden  umschlossen.     Anuren. 


*"keine  Nabelschnur,«* 


("keine  Flügel  und  Luftsäcke    —     Reptili* 


i 


|  Flügel  und  Luftsäcke      —     —      Vogel. 


.  —  Wirbtlikiere. 

Sie  haben  eine  Wirbel- 
saite ,     Rückenplatten,      . 
Bauchplatten ,  Nerven-     l 
röhre,  Kiemenspalten  , 
und  erhalten: 


einen  hervor- 
wachsenden 
LHamsack, 


?  ohne  Verbindung  mit 
der  Mutter       —     —     Monotrtmen. 


fdie  früh  abfällt« 


(eine  Nabelschnur  , 
.       Saugethitre. 


nach  kurzer  Verbindung 

mit  der  Mutter        —     Beutehhiere. 


"sehr  wenig.     Nager. 

"wachst  lange  fort; 
der  Harnsack  wachst:«  mittelmäfsig.     Jnsectenfresser 


die  länger  verharrt 
L.Der  Dottersack :    < 


_stark.  Fleischfresser 


["wächst  wenig , 
Nabelschnur  sehr  lang  —  Aßen.     Mensch. 


in 

p 

< 


wächst  wenig ,    , 
der  Harnsack :  * 


fin  einieluen  Häufchen.     WitättMutr. 


wächst  sehr  laug,   J 
_Frnchtknchen  ^ausgebreitet      —     - 


Pachydermtn. 
Cttnceen. 


225 

Die  Entwicklung  des  Fmbryo  ist  in  Bezog  auf  den  Typus  dir  Organisa    g.  Die  indi 
tion  so,  als  ob  er  das  Thierreich  nach  der  von  französischen  Systemalikern  so  ge-  wickeln ng"' 
nannten  Methode  analytique  durchginge,    immer  sich  von  den  verwandten  schei- ist  ei"  Fort_ 
deud,  zugleich  aber  von  der  niedern  Stufe  innerer  Ausbildung  zur  höhern  fort-  auaeinerali- 
schreitend.     Wir  bilden  dieses  Verhältnifs  durch  die  umstehende  Tafel  ab.     Im  f£Sri„e 
Einzelnen  kann  sie  eben  so  wenig  genügen ,  wie  jede  Darstellung  organischer  Ver-  "?ehr  sPe 
hältnisse  auf  einer  Fläche.     So  mufs  auch  das  einzeln  Aufgeführte  immer  für  den 
ganzen  Character  gelten ,   z.  B.  Flügelbildung  und  Luftsäcke  für  den  gesammten 
Vogel- Character.      Die  Darstellung  kann  auch  nur  sehr  unvollständig  seyn,    da 
die  Lntersuchung  für  die  meisten  Thierformen  kaum  begonnen  ist. 

Dieses  Schema  soll  nur  versinnlichen,    wie  es  sich  zuerst  entscheidet,  ob 
die  Frucht  ein  wahres  Ei  oder  ein  Keimkorn  ist,   wie  im  Keime  der  Eier  dann 
noch  alle  Thiere  gleich  sind  (siehe  oben  unter  e.),   wie  dann  der  Haupttypus  sich 
fixirt  (was  wir  Auftreten  des  Embryo  nennen),    wobei  es  vorläufig  noch  unent- 
schieden bleiben  mufs,    ob  irgend  ein  Strahlthier  aus  einem   wahren  Eie  sich 
bildet.     Tritt  nun  der  Typus  des  Wirbelthieres  auf,    so  ist  der  Embryo  anfangs 
nichts   als    W  irbellhier   überhaupt,    ohne   bestimmten  Characler.      Wirbelsaite, 
Rücken-  und  Bauchröhre,   Kiemenspalten,    Kieniengefäfse  und  ein  Herz  mit  ein- 
facher Höhle  bilden  sich  in  allen  aus.     Dann  aber  tritt  eine  Sonderling  ein.     In 
einigen  wachsen  Kiemeufasern   hervor  und   kein  Harnsack,    in  andern  da«eeen 
verwachsen  die  Kiemenspalten  und  es  tritt  ein  Harnsack  hervor.     Die  erstem  sind 
Wasserthiere,  wenn  auch  nicht  alle  bleibend,  die  andern  Luftthiere.     Die  letztem 
bekommen  alle  Lungen.     Verfolgen  wir  aber  zuvörderst  die  erste  Reihe!     Die 
Embryonen  sind  längere  Zeit  einander  sehr  ähnlich,  sie  treiben  lange  Schwänze 
hervor  und  schleudern  sich  mit  ihnen  im  Wasser  umher.     Dagegen  entwickeln 
sich   ihre  Extremitäten   im  Verhältnifs    zu   andern    Embryonen   sehr   spät    und 
schwach.     Sie  bekommen   nun   entweder  nie  wahre  Lungen   und   werden  also 
Fische,  oder  es' bilden  sich  wahre  Lungen.     Es  entwickeln  sich  unter  den  letztem 
die  Lungen  entweder  schwach,   in  welchem  Falle  die  Kiemen  bleibend  sind  und 
die  Thiere  Sireniden  werden,   oder  die  Lungen  entwickeln  sich  stärker  und  die 
Kiemen  bleiben  entweder  frei  bis  sie  aufhören  zu  funetioniren  (Salamander),  oder 
die  Kiemen  werden  überdeckt,   der  Schwanz  verliert  sich  und  mit  ihm  die  Fisch 
ähnlichkeit  (ungeschwänzte  Batrachier).    —     In  der  zweiten  Reihe  der  Wirbel- 
thiere,   welche  keine  äufsern  Kiemen  erhält,    ist  wohl  der  wesentlichste  Unter- 
schied der,    dafs  in  einigen  sich  ein  einfacher  Nabel  bildet  (Reptilien  und  Vögel). 
in  andern  dieser  Nabel  sich  in  eine  Schnur  auszieht,    nachdem  er  überhaupt  sich 
rascher  gebildet  zu  haben  scheint   (Schob  II.  b.).     Wie  sich  nun  der  Vogel  vom 

Ff 


226 

Amphibium  scheidet,  ist  schon  oben  gezeigt.  Wahrscheinlich  tritt  auch  bald  ein 
Unterschied  im  Gefäfssysteme  ein ,  dessen  Veränderungen  in  den  Amphibien  aber 
noch  nicht  bekannt  sind.  Wenn  die  Kiemenspalten  der  Eidechsen  noch  offen 
sind ,  sieht  das  Herz  ganz  aus  wie  beim  Vogel  um  dieselbe  Zeit.  So  "wie  nun  im 
Vogel  erst  allmählig  der  specielle  Character  der  Familie  und  der  Gattung  auftritt, 
so  auch  im  Säugethier.  Schwein  und  Hund  sind  sich  anfangs  sehr  ähnlich  und 
haben  kurze  Menscheugesichter.  Noch  länger  besteht  die  Aehnlichkeit  zwischen 
Schwein  und  Wiederkäuer,  deren  Nebenklauen  fast  eben  so  lang  sind,  als  die 
beiden  mittleren.  Uebrigens  sind  die  Embryonen  von  Säugethieren  noch  lange 
nicht  hinlänglich  beobachtet,  um  angeben  zu  können,  wie  und  in  welchen 
Momenten  sie  sich  von  einander  scheiden.  Am  meisten  noch  kenneu  wir  die 
Unterschiede  in  der  Form  und  dem  Baue  der  Eier.  Da  diese  sehr  mannigfach  sind 
in  ihrer  Form  uud  ihrem  Verhältnisse  zur  Mutler,  so  habe  ich,  um  die  Säuge- 
thiere  aus  dem  Schema  nicht  auszulassen,  vorläufig  die  Vertheilung  nach  den 
Eiern  versucht.  Man  kann  nämlich  die  Embryonen  zuerst  in  solche  theilen, 
welche  frühzeitig  geboren  werden,  und  die  in  einem  ausgebildeten  Zustande  zur 
Welt  kommen.  Unter  den  erstem  werden  die  Eier  der  Monotremen  vielleicht 
unversehrt  geboren.  In  den  Beutelthieren  reifst  der  Embryo  von  den  Eihiillen  ab. 
Die  länger  zurückgehaltenen  Eier  können  in  drei  Hauptabtheilungen  gebracht 
werden.  Zu  der  ersten  Hauptabtheilung  rechne  ich  Eier,  in  denen  der  Dotter- 
sack noch  lange  fortwächst.  Sie  geben  Säugethiere  mit  schmalen  hakenförmigen 
Nägeln  (Krallen).  Li  einigen  bleibt  der  Harnsack  früh  in  der  Entwickelung 
stehen  und  der  Fruchtkuchen  ist  auf  eine  Stelle  beschränkt,  oder  zweilappig*)  — 
]\[ager  —  ;  m  andern  entwickelt  sich  der  Harnsack  zu  einer  mittelmäisigen  Aus- 
dehnung —  Insecteufresser  —  ;  in  noch  andern  überwachst  er  das  ganze  Amnion 
in  der  Oueerdimension,  und  der  Fruchtkuchen  ist  gürtelförmig  (Fleischfresser).  — 
Eine  zweite  Abtheüung  von  lange  entwickelten  Eiern  bilden  Eier,  in  denen 
Dottersack  und  Harnsack  klein  sind,  der  Mutterkuchen  einseitig  und  klein  ist? 
uud  wie  es  scheint  dem  Mutterkuchen  der  Nager  entgegengesetzt  liegt.  Das 
Amnion  und  die  Nabelschnur  sind  hier  am  gröfsten.  Diese  Eier  geben  Thiere  mit 
tlachen  Nägeln  und  dreilappigen  Hemisphären  des  grol'seii  Hirnes  **).     Eine  dritte 


*)  Dafs  in  den  Nagern  der  Harnsack  sehr  klein  bleibt,  mufs  ich  vorläufig  Cuvier  nachschreiben, 
da  ich  in  frühern  Untersuchungen  darauf  nicht  die  gehörige  Aufmerksamkeit  gerichtet  habe, 
und  ich  jetzt  drei  Monate  hindurch  vergeblich  mich  bemüht  habe,  trachtige  Kaninchen  zu 
erhalten.  Dafs  im  Igel,  einem  Insectenfresser  also,  der  Harnsack  mittelmäfsig  grof6  ist, 
habe  ich  kürzlich  beobachtet. 

**)  Es  wäre  sehr  interessant,  die  Eier  der  Makis  zu  kennen,  um  zu  entscheiden,  ob  sie  deneT 
der  Affen  sehr  ähnlich  sind,    oder  nicht. 


Zu   Seite  225. 


Darstellung 


("ein  Keimkorn 
(selbst  Keim). 


B 

-Z3 


C  ?  strahlige 
Entwickelung. 

gewundene 
Entwickelung. 

symmetrische 
Entwickelung. 


CO 

3 

< 


Die 

thieri- 

sche 

Frucht^ 

ist 

entwe 

der: 


c/3 


CO 

0X3 


V 
fe 


des  Fortschrittes  der  Entwickelung. 


?  Thiere  des  peripherischen  Typus. 
Thiere  mit  massigem  Typus. 


—   —   Thiere  mit  Längen-  Typus. 


oder 
ein  Ei 
mit 

einem  ^ 
Keime. 
In  die- 
sem 
tritt 
jiuf: 


doppelt 
symmetrische 
(^Entwickelung. 


fKie- 
men- 
fran- 
sen. 

Esbil 
den 


IVirbelthiere. 
Sie  haben  eine 
Wirbelsaite, 
Rückenplat- 
ten ,      Bauch- 
platten, Ner 
venröhre , 
Kiemenspal- 
ten ,    und   er- 
halten : 


"das  Skelet 
verknöchert 
nicht     —     Knorpelfische. 


("keine 
wah- 
ren 
Lun-     I 
gen;      I  das  Skelet 

^verknöchert  —  Knochenfische. 


Lun- 


sich  :     L§en-  —  Jtnpkihien.  j 

Die  Kiemen  ^ 
c . 


("verharren.  —  Sireniden. 


fransen  : 


("bleiben  äufser- 
ver-       I  lieh    — 
harren^  Urodelen. 
nicht, 


S/J 


werden    um- 
schlossen   

_Anuren. 

fkeine  Flügel  und  Luftsäcke  

f  keine     I  Reptilien. 

Nabel  <( 
schnnr,  j_Flügel  und  Luftsäcke  —    Vögel. 


CD 


,9> 


rdie 
I  früh 
abfällt 


P?  ohne  Verbindung  mit  der"3 
J  Mutter  —  Monotremen.      -^ 


einen 
her- 
vor- 
wach- 
sen- 
den 
Harn 
sack      L 


1  eine 
I  Nabel- 
schnur, 


I  nachkurzer Verbindungmit  Ü 
^der Mutter—  Reutelthiere.    3 

("sehr  wenig  — 
Nager. 

J  mittelmäfsig   


die 


Säuge-  ^  di 

thiere.       länger 
ver 

harrt.    • 
Der 
Dotter- 
J_sack : 


("wächst 
lange 
fori; 
der 
Harn 
sack 
wächst; 


o 

a 


wächst 
wenig, 
der 
Harn- 
Lsack: 


ifsig 
Insectenfresser. 
stark  — 
t     Fleischfressee. 

C  wächst   wenig. 

I  Nabelschnur  sehr 
lang  —  Affen, 
Mensch. 
fineinzel- 
nenHäuf- 
chen  — 
Wieder- 
käuer. 


wächst 
sehr 
lang. 
Frucht- 
L,kuchen 


\ 


ausge- 
breitet. 
Pachy- 
dermen. 
\^Cetaceen. 


229 

Abtheilung  von  Eiern  hat  einen  bald  verkümmernden  Dottersack,  allein  einen 
ungeheuer  nach  zwei  Enden  auswachsenden  Harnsack.  Diese  Eier  geben  Huf- 
thiere  und  Flossenthiere ,  und  zwar  Thiere  mit  gespaltenem  Hufe,  wenn  der 
Fruchtkuchen  über  das  ganze  Ei  vertheilt,  aber  doch  in  einzelnen  Stellen  gesam- 
melt ist.  Andere  Hufthiere  und  Cetaceen ,  wenn  der  Mutterkuchen  gleichmäßig 
ausgebreitet  ist  *).  —  Hiernach  wird  die  Hauptverschiedenheit  der  Säugethiere 
auch  schon  sehr  früh  im  Eie  bestimmt,  denn  je  nachdem  der  Harnsack  stark  her- 
vorwachst, oder  nicht,  Avird  das  Ei  lang  oder  kurz**).  Im  erstem  Falle  bekommt 
der  Embryo  nicht  nur  eine  breitere  Hornbedeckuug  für  die  Finger,  sondern  auch 
einen  zusammengesetzten  Magen ,  und  was  damit  verbunden  ist,  lange  Kiefern, 
ein  ilaches  Kiefergelenk,  gewöhnlich  zusammengesetzte  Zähne,  Unfähigkeit  zu 
greifen  und  zu  klettern  u.  s.  w.  Es  ist  überhaupt  die  plastische  Reihe  unter  den 
Sängethieren. 

Einem  Einwurfe  gegen  die  ganze  Darstellung  kann  ich  nicht  umhin  zu  be- 
gegnen, der  dadurch  begründet  scheint,  dafs  zuweilen  Embryonen  nahe  ver- 
wandter Thiere  schon  früh  ziemlich  verschieden  aussehen.  Es  sind  nämlich  die 
Embryonen  der  Schlangen  sehr  früh  aufgerollt,  und  unterscheiden  sich  dadurch 
merklich  genug  von  den  Eidechsen.  Das  rührt  offenbar  von  der  ansehnbehen 
Länge,  in  welche  hier  der  Typus  der  Wirbelthiere  ausgezogen  ist.  Die  Zer- 
gliederung zeig*  im  innern  Baue  grofse  Uebereinstimmung,  und  da  das  liintere 
Ende  der  Eidechsen  auch  eine  Spirale  bildet ,  so  rührt  der  Unterschied  wolü  nur 
daher,  dafs  der  Typus  der  Wirbelthiere  in  den  Schlangen  mehr  in  die  Länge 
gezogen  ist,  und  er  scheint  überhaupt  gröfser  als  er  ist ,  weil  er  so  unverhüllt  da 
liegt.  Eben  so  sind  die  Larven  mancher  Insectenlamilien  für  die  äufsere  Betrach- 
tung sehr  verschieden  nach  den  einzelnen  Gattungen.  Viel  hängt  hier  vielleicht 
davon  ab,  ob  sie  längere  oder  kürzere  Zeit  im  Eie  verweilen.  Dennoch  wäre 
dieser  einzige  Einwurf,  den  ich  gegen  die  gegebene  Ansicht  zu  machen  wüfste, 
auch  nicht  von  Bedeutung,  wenn  nicht  eine  innere  Verschiedenheit  verwandter 
Larven  nachgewiesen  wird. 

Von  einem  Durchlaufen  des  Embryo  durch  die  ganze  Thierreihe  kann 
schon  deshalb  nicht  die  Rede  seyn,  weil  er  nie  aus  einem  Haupttypus  in  den 
andern  übergeht.      Unser  Schema   lehrt    aber   auch   augenscheinlich,    wie   der 


.-7 


*)  Nach  einer  brieflichen  Mittheilung  von  Rudolphi  hat  das  Chorion  äes  Delphins  Aehnlich- 
keit  mit  dem  der  Pferde.     Nach  Bartholin  soll  es  eine  Placenta  txilit  seyn. 

*♦)  Vielleicht  ist  der  Unterschied  noch  früher  schon  in  der  Schaalenhaut  kenntlich.  Siehe: 
lieber  die  Gefäfsv erbindun g  zwischen  Mutter  und  Frucht.     Leipzig,   1828.    Fol. 


>" 


ganzen 


230 

Embryo  nie  durch  eine  andre  Thierform  hindurchgeht,    sondern  nur  durch  den 
lndifferenzzusland  zwischen  seiner  Form  und  einer  andern,  und  je  weiter  er  rückt, 
desto  geringer  ist  der  Unterschied  der  Formen ,   zwischen  welchen  die  Indifferenz 
lie°t.     In  der  That  zeigt  die  Abbildung,  dafs  der  Embryo  einer  gewissen  Thier- 
form  im  Anfange    nur   ein   unbestimmtes  Wirbelthier,    dann  ein  unbestimmter 
Vogel  und  so  weiter  ist.     Da  er  zugleich  innerlich  sich  ausbildet,  so  ist  er  in  der 
Reihe  seiner  Ausbildung  zugleich  ein  immer  mehr  entwickeltes  Thier. 
Aber,     wird    mau    hier   einwenden,    wenn   dieses   Entwickelungsgesetz 
richtig  seyn  sollte,   wie  war  es  möglich,   dafs  man  für  das  frühere  so  viele  un- 
lüu"bare  Gründe   anführen  konnte.      Die  Sache   ist   ziemlich   leicht   erklärlich. 
Zuvörderst  ist  der  Unterschied  so  grol's  nicht,  als  er  beim  ersten  Anblicke  scheint, 
und  zweitens  hat  man,    wie  ich  glaube,    bei  jener  Ansicht  zuerst  sich  eine  An- 
nahme erlaubt  und  nachher  vergessen,    dafs  sie  nicht  erwiesen  war,   vor  allen 
Dingen  aber  den  Unterschied  zwischen  Typus  der  Organisation  und  Stufe  ihrer 
Ausbildung  nicht  beachtet.     Da  nämlich  der  Embryo  allmählig  durch  fortgehende 
histologische  und  morphologische  Sonderung  sich  ausbildet,    so  mufs  er  in  dieser 
Hinsicht  mit  wenig  entwickelten  Thieren  um  so  mehr  übereinstimmen,  je  jünger 
er  ist.     Ferner  weichen  die  verschiedenen  Thierformen  bald  mehr  bald  weniger 
vom  Haupttypus  ab.      Der  Typus  selbst  ist  natürlich  nirgends  rein  ausgebildet, 
sondern  nur  unter  bestimmten  Modifikationen.     Nun  scheint  es  aber  ganz  not- 
wendig,  dafs  diejenigen  Formen,   in  welchen  die  Thierheit  am  höchsten  ausge- 
bildet ist,    am  meisten  vom  Grundtypus  abweichen.     In  allen  Grundtypen  näm- 
lich, wenn  ich  sie  richtig  aufgefunden  habe,  liegt  eine  gleichmäfsige  Vertheiluug 
der  organischen  Elemente.     Wenn  nun  vorherrschende  Centralorgane  sich  bilden, 
und  vor  allen  Dingen  ein  Centraltheil  des  Nervensystemes ,  wonach  wir  doch  am 
meisten  die  höhere  Ausbildung  abmessen  müssen,  so  wird  nothwendig  der  Typus 
bedeutend  modificirt.     Die  Würmer,  die  Myriopoden  haben  einen  gleichgliedrigen 
Körper  und  stehen  dem  Typus  näher  als  die  Schmetterlinge.     Ist  nun  das  Gesetz 
wahr,    dafs   bei  der  individuellen  Ausbildung  der  Haupttypus  zuerst  bestimmt 
wird  und  nachher  die  Modificationen,    so  mufs  der  unentwickelte  Schmetterling 
der  ausgebildeten  Scolopendra  und  selbst  dem  ausgebildeten  Rundwurme  ähnlicher 
seyn,   als  umgekehrt  die  junge  Scolopendra  oder  der  junge  Rundwurm  dem  aus- 
gebildeten Schmetterlinge.      Nimmt  man  nun   auf  die  Eigentümlichkeiten  des 
Rundwurmes,  das  rothe  Rlut  z.  R.,   das  er  auch  erst  später  erhält,   nicht  Rück- 
sicht,   so  kann   man  leicht  sagen,    der  Schmetterling   sey   anfangs  ein  Wurm. 
Dasselbe    ist  deutlich  bei  den  Wirbelthieren.      Die  Fische   sind  weniger  vom 
Grundtypus  entfernt,  als  die  Säugethiere,  und  besonders  der  grofshirnige  Mensch. 


231 

Sehr  natürlich  also,  dafs  der  Embryo  der  Säugethiere  dem  Fische  ähnlicher  ist, 
als  der  Embryo  des  Fisches  dem  Säugethiere.  Wenn  man  nun  im  Fische  nichts 
erkennt,  als  das  wenig  ausgebildete  Wirbel ihier  (und  das  ist  die  unbegründete 
Annahme,  deren  wir  oben  erwähnten),  so  mufs  man  das  Säugethier  für  einen 
höher  ausgebildeten  Fisch  halten,  und  dann  ist  es  ganz  consequent  zu  sagen  ,  der 
Embryo  des  Wirbelthieres  sey  anfangs  ein  Fisch.  Deswegen  durfte  ich  früher 
behaupten  (§.  l.),  dafs  mit  der  herrschenden  Ansicht  über  das  Entwicklungs- 
gesetz die  Ansicht  von  einer  einseitigen  Stufenleiter  der  Thiere  nothwendig  sich 
verbindet.  Nun  ist  aber  der  Fisch  nicht  blofs  ein  unvollkommenes  Wirbel thier, 
sondern  hat  aufserdem  noch  den  Fischcharacter ,  wie  die  Entwicklungsgeschichte 
deutlich  nachweist. 

Doch  schon  genug!  Ich  habe  versucht,  in  der  Versiunlichung  des  Eut- 
wickeluugsganges  auch  darzustellen,  wie  der  Embryo  des  Menschen  allerdings 
dem  Fische  näher  sieht,  als  umgekehrt,  indem  er  sich  weiter  vom  Grund typus 
entfernt,  und  nur  aus  diesem  Grunde  ist  manches  Problematische,  wie  die  Nabel- 
schnur der  Monotremen,  mit  aufgenommen.  Im  Einzelnen  kann  diese  Darstellung 
eben  so  wenig  alle  Relationen  richtig  geben ,  wie  jede  andre  Abbildung  organi- 
scher Verwandtschaften  auf  einer  Fläche,  auch  wenn  die  Untersuchung  schon 
beendigt  wäre,  die  doch  kaum  begonnen  ist. 

Wir  fassen  nur  noch  den  Inhalt  dieses  Paragraphen  an  seinem  Schlüsse 
zusammen.  Die  Entwickelung  eines  Individuums  einer  bestimmten  Thierfornt 
wird  von  zwei  Verhältnissen  bestimmt,  l)  Von  einer  fortgehenden  Ausbildung 
des  thierischen  Körpers  durch  wachsende  histologische  und  morphologische  Son- 
derung ;  2)  zugleich  durch  Fortbildung  aus  einer  allgemeinem  Form  in  eine  mehr 
besondere. 


Corollarien    zum   fü  nft  en    Scholion. 

Die  Entwickclungsgeschichte  ist  der  wahre  Lichtträger  für  Untersuchungen 
über  organische  Körper.  Bei  jedem  Schritte  findet  sie  ihre  Anwendung,  und  alle 
Vorstellungen,  welche  wir  von  den  gegenseitigen  Verhältnissen  der  organischen 
Körper  haben ,  werden  den  Einflufs  unsrer  Kenntnifs  der  Entwickelungsgeschichte 
erfahren.  Es  wäre  eine  fast  endlose  Arbeit,  den  Beweis  für  alle  Zweige  der 
Forschung  führen  zu  wollen.  Da  aber  jene  Vorstellungen  von  selbst  sich  umge- 
stalten müssen,    wenn  man  den  Entwickelungsfortgang  anders  aufgefafst  hat,  so 


23£ 

ma<*  es  erlaubt  seyn ,  Einzelnes  herauszuheben ,  um  daran  den  Einflufs  der  hier 
gegebenen  Darstellung  zu  beurkunden  und  eben  dadurch  ihre  Ausführlichkeit  zu 
rechtfertigen.  Ich  habe  versucht ,  auch  diese  Zusätze  oder  Anhänge  so  zu  ordnen, 
dals  die  frühern  zum  Verständnifs  der  nachfolgenden  beitragen  ,  doch  hat  es  mir 
nicht  in  allen  Einzelheiten  gelingen  wollen,  -wenn  ich  nicht  viele  erläuternde 
Episoden  einschalten  wollte.  Man  wird  ohnehin  über  Wiederholungen  zu  klagen 
haben.  Die  gröfste  Wiederholung  geht  aber  schon  daraus  hervor,  dafs  alle  diese 
Betrachlungen  eben  nichts  sind,  als  Reflexe  vom  Inhalte  dieses  Scholious. 


Erstes     Gorollarium. 

Anwendung  dieses  Scholinns  auf  die  Lehre  von  den  Hem/nungsbildungen. 

Es  ist  nicht  mehr  an  der  Zeit  den  Beweis  zu  führen,   dafs  die  Mifsbil- 
dungeu  nur  verstanden  werden  können  aus  der  Kenntnifs  der  regelmäfsigen  Ent- 
wickehmg.  —     Nur  über  die  Hemmungsbildungen  erlaube  ich  mir  ein  Wort,  da 
mau  wohl  hie  und  da  das  Verstehen  dieser  Mifsbüdung  für  unzertrennlich  von  der 
Ansicht  einer  Durchbildung  der  höhern  Tliierform  durch  specielle  niedere  Thier- 
formen  angesehen  hat,  und  glauben  könnte,   dafs  ein  Widerspruch  gegen  diese 
Vorstellung  auch  ein  Widerspruch  gegen  die  Vorstellung  von  Hemmungsbildungen 
sey.     Die  Lehre  von  den  Hemmungsbildungen  steht  aber  zu  fest,   um  durch  die 
veränderte  Ansicht  von  der  Aufeinanderfolge  der  Formenverschiedenheiten  in  der 
Entwicklung  der  höhern  Organismen  erschüttert  zu  werden.     Jedoch  wird  mau 
diese  Mifsstaltungen  nicht  für  ein  Zurückbleiben  einer  fremden  Thierform,   die 
der  Embryo  hätte  durchlaufen  sollen,    sondern  ganz  einfach  für  ein  theilweises 
Stehenbleiben  auf  einer  frühern  Stufe  der  eigenen  Entwickelung  ansehen  müssen. 
Zuweilen  ist  allerdings  eine  Aehnlichkeit  mit  irgend  einer  bleibenden  Thierform 
in  einzelnen  Theilen  in  die  Augen  springend,    allein  es  ist  eben  so  leicht  erweis- 
lich,  dafs  diese  Aehnlichkeit  nicht  das  Bedingende  der  Mifsgestaltung,   sondern 
das  Resultat  anderer  Verhältnisse   ist,    entweder    1)  weil  jene  Thierform   dem 
Grundtypus  näher  steht,  wo  denn  ein  Zurückbleiben  auf  einer  frühern  Bddungs- 
stufe   eiue   höhere  Form  einer   solchen  nothwendig  näher  bringen    mnfs,    oder 
2)  weil  ein  umgeändertes  Bildungsverhältnifs  sich  dem  BUdungsverhältnisse  des- 
selben Theiles  in  einem  andern  Thiere  nähern  kann.     So  ist  z.  B.  die  Nase  des 
[Menschen  zuweilen  in  einen  Rüssel  verlängert,  welche  an  den  Rüssel  des  Schwei- 
nes erinnert.     Es  geht  aber  die  menschliche  Nase  nie  durch  eine  Bildung  hin- 
durch,  in  welcher  sie  der  Nase  des  Schweines  ähnlich  wäre.     Vielmehr  ist  die 

Nase' 


233 

Nase  des  Schweines  in  der  vierten  Woche  des  Enibrj  onenlebens  nicht  nur  der 
Nase  des  frühen  menschlichen  Embryo  ähnlich,  sondern  seihst  der  Nase  des 
erwachsenen  Menschen  viel  ähnlicher,  als  in  späterer  Zeit.  Dieses  Verhältnifs 
stimmt  ganz  mit  der  allgemeinen  Regel.  Die  Nase  der  Luft  athmenden  Säuge- 
llüere  ragt  gewöhnlich  nicht  über  die  Kiefern  hervor.  Die  Besonderheit  des 
Schweinerüssels  tritt  also  eben  so  Avohl  als  die  Besonderheit  der  menschlichen 
Nase  später  auf,  ohne  dafs  eine  Form  durch  die  andere  hindurch  gebildet  würde. 
Wenn  nun  der  Mensch  den  Rüssel  eines  Schweines  hat,  so  ist  das  keine  Hem- 
mungsbildung, sondern  die  Folge  einer  abweichenden  Bildung,  die  ein  Resultat 
hat ,  wie  im  Schweine ,  wo  sie  aus  normalen  Verhältnissen  hervorgeht.  —  Da 
wir  grade  eine  Formabweichung  der  Nase  vor  Augen  haben ,  so  erinnere  ich  nur 
an  den  Wolfsrachen,  als  einer  unbezweifelbaren  Hemmungsbildung,  die  aber 
eben  so  sicher  nicht  ein  Stehenbleiben  auf  einer  andern  Thierlorm  ist. 

Zweites  Corollarium. 

Zuwendung  der  gegebenen  Darstellung    auf  die   Bestimmung    der    einzelnen  Or- 
gane in  den  verschiedenen  Thierformen. 

Die  nähere  Kenntnifs  der  Entwickelungsgeschichte  wird  uns  auch  einst  die 
einzig  sichern  Bestimmungsgründe  für  eine  passende  Benennung  und  richtige  Beur- 
theilung  der  organischen  Theile  in  den  verschiedenen  Thierformen  geben ,  und 
schon  jetzt  läfst  sich  in  dieser  Hinsicht  Einiges  erkennen. 

Da  nämlich  jedes  Organ  das  was  es  ist,  nur  durch  die  Art  seiner  Ent- 
wickelung  wird,  so  kann  sein  wahrer  Werth  nur  aus  seiner Büdungsweise  erkannt 
werden.  Wir  urtheilen  jetzt  meistens  nach  einem  unbestimmten  Gefühle,  statt 
jedes  Organ  nur  als  isolirte  Bildung  seines  Fundamentalorganes  zu  betrachten  und 
von  diesem  Gesichtspunkte  aus  die  Uebereinstimmung  und  Verschiedenheit  in  den 
verschiedenen  Typen  zu  erkennen.  Ein  jeder  Typus  hat  nämlich  nicht  nur  seine 
Fuudamentalorgane,  sondern  in  jedem  Typus  theilen  sich  diese  in  individuelle  Or- 
gane ,  die  nicht  ganz  das  seyn  können ,  was  sie  in  einem  andern  Typus  sind.  Wir 
bedürfen  daher  einer  vollständigen  Benennung,  welche  nicht  blos  die  Namen  der 
Organe  aus  dem  Typus  der  Wirbelthiere  auf  die  Organe  anderer  Typen  anwendet, 
sondern  diesen  eigene  Namen  giebt,  wenn  sie  andern  Ursprunges  sind.  Dieser 
Forderung  wird  zwar  kaum  in  einem  Jahrhundert  genügt  werden  können,  indes- 
sen wird  es  gut  seyn,  die  Aufmerksamkeit  darauf  zu  richten.  Allerdings  hat 
schon  oft  die  unmittelbare  Beobachtung  des  ausgebildeten  Thiers  zur  Erkennung 

&8 


234 

der  wesentlichen  Verschiedenheit  geführt ;   vielleicht  hat  man  aber  die  bedingen- 
den Verhältnisse  weniger  ins  Auge  fassen  können. 

Ich  erinnere  zuvörderst  an  die  Frage ,  wie  die  Reihe  von  Nervenknoten  auf 
der  Bauchseite  der  gegliederten  Thiere  zu  benennen  sey.  Ein  Rückenmark  bü- 
den  sie  gewii's  nicht ,  da  dieses  aus  einer  Nervenröhre  besteht,  die  nur  durch  das 
Schema,  das  die  Entwickelung  der  Wirbelthiere  beherrscht,  erzeugt  wird.  Dem 
sympathetischen  Nerven  der  Wirbelthiere  sind  jene  Nervenknoten,  eben  so  wenig 
vergleichbar,  denn  sie  versorgen  die  der  Willkühr  unterworfenen  Muskeln,  und  das 
plastische  Nervensystem  liegt  in  den  gegliederten  Thiereu  auf  der  Rückenfläche  *). 
Sie  sind  vielmehr  die  Enden  der  paarigen  Nerven  des  animalischen  Lebens,  und 
eben  deshalb,  wie  schon  Weber  und  Treviranus  bemerkt  haben,  den  imWir- 
belthier  von  ihrer  Einfügung  in  das  Rückenmark  sogenannten  Rückenmarksnerven 
mit  ihren  Spinalganglien  vergleichbar.  Diese  Nerven  haben  jedoch  im  geglieder- 
ten Thiere  nur  eine  Reihe  von  centralen  und  von  peripherischen  Enden,  weil  der 
ganze  animalische  Theil  des  Leibes  eiu  einfach  symmetrischer  und  nicht  ein  dop- 
pell symmetrischer  ist. 

Ob  mau  das  vorderste  Nervenknoleupaar  der  gegliederten  Thiere  Hirn  nen- 
nen soll,  oder  nicht,  hängt  ganz  davon  ab,  welche  Bedeutung  man  dem  Worte 
Hirn  geben  will.  Gewifs  ist  es  nicht  das  Organ ,  welches  wir  in  Wirbelthieren 
Hirn  nennen,  denn  dieses  ist  das  vordere  Ende  der  Nervenröhre,  die  den  geglie- 
derten Thieren  fehlt.  Es  ist  vielmehr  das  vorderste  Knotenpaar  in  der  Ganglien- 
reihe ,  und  da  diese  mit  den  Spinalganglien  der  Wirbelthiere  zu  vergleichen  ist, 
so  erscheint  jenes  sogenannte  Hirn  für  den  Längentypus  das,  was  der  Gasser'sche 
Knoten  für  die  Wirbelthiere  ist.  Auch  dieser  nimmt  ja  Sinuesnerven  auf.  Man 
scheint  ein  besonderes  Gewicht  darauf  zu  legen,  dafs  er  über  dem  Schlünde  liegt. 
Das  scheint  mir  jedoch  eine  unrichtige  Ansicht.  Er  liegt  eigentlich  nur  vor  dem 
Scldunde.  Die  Muudöffhung  ist  nämlich  wenn  wir  den  Längentypus  ganz  rein  in 
seiner  Idee  auffassen ,  nicht  am  vordersten  Ende,  sondern  nach  unten  gerichtet, 
so  wie  auch  die  Mundüffuung  der  Wirbelthiere  nicht  am  vordersten  Ende  des  Ty- 
pus der  Wirbelthiere  liegt,  sondern  etwas  hinter  ihm  nach  der  Bauchfläche  zu, 
weshalb  ein  Theil  der  ßauchplatten,    die  Wandung  der  Nase  nämlich,   vor  und 


*)  Zwar  war  ich  schon  früher  bestimmt  worden  ,  den  sogenannten  zurücklaufenden  Nerven  der 
gegliederten  Thiere  für  ihr  plastisches  Nervensystem  zu  halten,  weil  ich  im  Krebse  ihn  weit 
verfolgt  hatte ,  indessen  bin  ich  durch  eine  briefliche  Mittheilnng  des  Herrn  Prof.  J.  M  ü  lle  r 
über  den  Gegenstand  erst  vollständig  belehrt.  Müller's  Genauigkeit  in  der  Untersuchung  und 
Feinheit  in  der  Zergliederung  ist  es  gelungen,  diesen  Nerven  in  der  ganzen  Ausdehnung  der  pla- 
stischen Organe  zu  verfolgen  ,  worüber  derselbe  mir  eine  vortreffliche  Abbildung  mitzutheilen 
die  Güte  gehabt  hatte.     . 


235 

üher  der  Mundöffnung  liegt.  Beim  Hühnchen  ist  es  sehr  deutlich ,  dafs  der  Mund 
nach  unten  durchbricht.  Dafs  in  den  gegliederten  Thieren  die  Mundöffnun«  der 
untern  Hälfte  der  einfachen  Ringe  angehört,  zeigen  sehr  deutlich  die  Krebse  aber 
auch  diejenigen  Formen ,  die  den  Typus  weniger  verändert  darstellen ,  die  Aune- 
liden.  Im  Regenwurm  z.  B.  zeigt  dieses  Verhältuifs  der  über  die  Mundöffnung 
hinausgehende  sogenannte  Rüssel  deutlich.  Er  enthält  die  vordersten  unvollstän- 
dig ausgebildeten  Ringe.  Wenn  nun  in  den  gegliederten  Thieren  die  Mundöff- 
nung zwar  vorn,  aber  doch  an  der  untern  Fläche  ist  und  dem  vordersten  Ende  der 
Bauchfläche  entspricht,  so  mufs  nolhwendig  ein  Nervenknotenpaar  vor  derMund- 
ölFnung  liegen ,  und  dafs  es  der  obern  Wand  näher  liegt,  als  die  hintern  Knoten, 
rührt  eines  Theils  vom  Dnrchbruche  des  Mundes ,  andern  Theils  davon  her ,  dafs 
es  eben  das  vorderste  Ende  einnimmt.  Sehr  häufig  liegt  es  wirklich  in  derselben 
Ebene  mit  den  übrigen,  wie  in  den  Crustaceen,  wo  der  Mund  weiter  nach  hinten 
liegt,  und  in  den  Insecten,  wo  der  Kopf  mehr  oder  weniger  mit  der  Mundöffnung 
nach  unten  gerichtet  ist.  Nur  in  den  Anneliden  ist  seine  Lage  entschieden,  aber 
doch  nur  wenig  nach  oben.  Die  hier  folgende  Skizze  wird  es  anschaulich  ma- 
chen ,  dafs  das  sogenannte  Hirn  der  Insecten  die  Bedeutung  der  hintern  Ganglien 
hat  und  der  Schlundring  nur  eine  seeundäre  Bildung  ist ,  abhängig  vom  Durch- 
bruche des  Mundes,  veranlagst  durch  die  Symmetrie  des  Baues  und  die  notwen- 
dige Verknüpfung  aller  Ganglien  *). 


Dafs  das  sogenannte  Hirn  in  der  Form  häufig  von  den  übrigen  Ganglien  ab- 
weicht, kann  kein  Widerspruch  seyn,  da  auch  diese  um  so  weniger  gleich  sind, 
je  verschiedener  die  einzelnen  Abschnitte  des  Körpers  ausgebildet  sind.  Dafs  es 
häufig  (obgleich  nicht  immer)  an  Masse  überwiegt,  ist  unmittelbare  Folge  der 
Lage  am  vordem  Ende,  worüber  ich  auf  das  4te  Corollarium  verweise. 

Will  man  aber  mit  dem  Ausdrucke  Hirn  nicht  ein  bestimmtes  Organ ,  son- 
dern den  Centraltheil  des  Nervensystems  überhaupt  oder  diejenige  Nervenmasse  be- 
zeichnen, welche  Sinneseindrücke  empfängt,    dann  kann  man  allerdings  den  In- 


*)  Es  freut  mich,  dafs  ich  noch  vor  Abgänge  des  Manuscriptes  das  erste  Heft  von  Meckel's  Ar- 
chiv für  A.  u.  Ph.  1828  erhalte.  Müller  beweist  hier,  dafs  in  den  Scorpioniden  der  Schlund 
gar  nicht  von  einem  Nervenringe  umgehen  ist.  Desto  besser!  Wir  sehen  daraus  deutlich  dafs 
dieser  Ring  nur  abhängig  ist  von  der  Lage  des  Mundes  und  der  Sinnes- Nervenknoten.  In  den 
Spinnen  ist  Achnlichet. 

Gg   2 


236 

fetten  ein  Hirn  zufchreiben.  Nur  mufs  man  sich  dieser  Bedeutung  bewufst  blei- 
ben uud  für  die  erstere  Bestimmung  scheinen  in  den  Spinnen  die  im  Bruststücke 
zusammengedrängten  Nervenknoten  als  Hirn  betrachtet  werden  zu  müssen.  Eine 
Art  Bewegungshirn ! 

Dasselbe  eilt  für  das  Nervenhalsband  der  Mollusken.  Es  ist  nicht  das  Or- 
gan,  welches  wir  Hirn  nennen,  auch  nicht  in  den  Cephalopoden ,  sondern  ledig- 
lich der  Central theil  eines  Nervensystems ,  welches  in  seinen  allgemeinsten  Bezie- 
hungen mit  dem  plastischen  Nervensystem  der  Wirbelthiere  verglichen  werden 
kann,  welches  aber,  da  es  nicht  an  ein  Hirn  und  Rückenmark  als  beherrschen- 
den Centraltheil  sich  anschliefst ,  eine  andere  Form  hat.  Das  sogenannte  Hirn  der 
Cephalopoden  kann  ich  für  nichts  anders  als  das  Nervenhalsband  der  Gasteropoden 
anschu.  In  jenem  sind  die  Ganglien  zusammengeschmolzen,  in  diesem  sind  sie 
mehr  getrennt.  Es  ist  ein  Centrum  des  plastischen  Nervensjrstems  und  kann  nur 
mit  den  Ganglien  verglichen  werden ,  welche  in  "V\  irbellhieren  Fäden  an  die  Sin- 
nesorgane und  andre  Kopftheile  abgeben,  hier  aber  kein  herrschendes  Centrum 
haben,  sondern  sich  dem  Hirne  unterordnen.  Betrachtet  man  in  den  Wirbelthi«- 
rai  das  Ganglion  maxillare,  das  sogar  auch  einen  Nerven  aus  demÜhre  erhält,  in 
Verbindung  mit  dem  Ganglion  caroticum,  petrosum ,  Vidianum,  ciliare,  und  den 
Fäden,  die  an  die  Sinnesorgane  und  die  Schlingwerkzeuge  gehen ,  so  hat  man  auch 
einen  Ring ,  durch  welchen  der  Anfang  des  verdauenden  Kanales  durchgeht. 

Wie  jeder  Theil  nur  verstanden  werden  kann  aus  seiner  Beziehung  zum 
Typus  und  seiner  Entwickelung  aus  demselben,  lehren  uns  andre  Theile  noch  auf- 
fallender. Die  Luftröhren  der  Insecten  sind  freilich  luftführende  Organe,  aber 
nicht  das  Organ,  -welches  wir  in  Wirbelthieren  Luftröhre  nennen,  weil  dieses 
eine  Entwickelung  der  Schleimhautröhre  ist,  die  Luftröhren  der  Insecten  aber  ent- 
weder durch  histologische  Sonderung  oder  durch  Hineinstülpung  der  äufsern  Haut 
entstanden  seyn  müssen. 

Zuweilen  hat  man  dasselbe  Wort  für  verschiedene  Organe  nur  aus  Man»el 
eines  andern  Wortes  angewendet,  die  \ erschiedenheit  aber  allgemein  anerkannt. 
So  hat  kein  Anatom  wohl  die  Flügel  der  Insecten  für  gleich  mit  den  Flügeln  der 
Vögel  angesehen.  Auch  in  den  Füfsen  hat  man  die  wesentliche  Verschiedenheit 
der  ersten  Glieder  wohl  nie  verkannt.  Für  die  Antennen  hat  man  mit  Recht  ein 
besonderes  Wort  verwendet.  Sie  sind  auch  allerdings  nicht  in  den  Wirbelthieren. 
Allein  sie  sind  die  Flügel  des  Kopfringes,  das  lehrt  nicht  nur  ihre  Stellung,  son- 
dern auch  ihre  Entwickelungsweise.  Sie  haben  in  der  Puppe  dasselbe  Lagenver- 
hältnifs  wie  die  Flügel,  mit  dem  Unterschiede  nur,  da fs  sie  vom  Kopfe  kommen. 
Eben  deshalb  sind  sie  auch  übereinstimmend  mit  den  Seitenanhängen  der  Krebse. 


237       m 

Welche  Sinneseindrücke  nun  auch  diese  Antennen  haben  mögen,  so  sind  sie  doch 
nie  die  Tastorgane,  Riech- oder  Hörorgane  der  Wirhelthiere ,  sondern  empfin- 
dende Kopfflügel. 

Ich  möchte  durch  diese  Betrachtungen  verständlich  machen,  wie  ein  jeder 
Typus  für  sich  stndirt  seyn  will,  und  im  Grunde  seine  eigenen  Organe  hat,  wel- 
che nie  ganz  so  in  andern  Typen  sich  wieder  finden.  Zuweilen  wird  zwar  der 
Unterschied  nur  gering  seyn.  Der  Verdauungskanal  entsteht  hei  allen  Thieren 
aus  der  dem  Doller  zugekehrten  Flache.  In  ihm  wird  der  geringste  ursprüngliche 
Unterschied  sich  erkennen  lassen.  Allein  in  seiner  fernem  Gliederung  in  Organe 
wird  sich  dennoch  für  die  Bedeutung  d^r  einzelnen  Organe  ein  Unterschied  auf- 
fiuden  lassen,  denn  bekanntlich  ist  es  oft  sehr  schwer,  die  einzelnen  Abtheilun- 
gen ,  "wie  Magen  u.  s.  w.  zu  benennen.  Es  wird  besser  gelingen ,  wenn  wir  jeden 
Theil  nur  nach  andern  Thieren  desselben  Typus  bestimmen.  —  Wie  wenig  sich 
die  Geschlechtstheile  der  massigen  Reihe  aus  den  Wirbelthieren  deuten  lassen,  ist 
bekannt.  Noch  auffallender  ist  das  Tentakelsystem  mit  seinen  Gefäfsen,  welches 
in  mann igfachen  Verschiedenheiten  in  den  strahlten  Thieren  sich  findet,  denn 
die  flimmernden  Rippen  der  Beroen  und  das  Ringgefäls  einiger  (wenn  nicht  aller) 
Medusen  darf  man  wohl  als  Modification  dieses  Sjstems  betrachten.  In  den  ge- 
gliederten Thieren  und  den  Wirbelthieren  kennen  wir  aber  nichts  Aehnliches. 
Es  ist  wohl  dem  peripherischen  Typus  eigenihiimlich. 

Es  wird  hinlänglich  seyn  zu  bemerken,  wie  wenig  also  die  Vorstellung 
t\er  Natur  entspricht,  dalk  alle  Thiere  nur  als  zerstreute  Organe  der  menschlichen 
( )rganisation  zu  betrachten  sind.  Einige  Organe  des  Typus  der  Wirhelthiere  mö- 
gen immerhin  die  Organe  der  massigen  und  der  gegliederten  Reihe  in  sich  enthal- 
ten, wie  es  für  die  Sinnesorgane  wenigstens  mir  wahrscheinlich  ist. 

Wie  selbst  in  den  Wirbelthieren  die  Entwicklungsgeschichte  nur  in  der 
Deutung  der  Organe  leiten  kann ,  werde  ich  vielleicht  in  einer  besondern  Abhand- 

Drittes  Corollarium. 

Anwendungen  auf  die  Erhenntnifs  der  tliierischen  Verwandtschaften. 

Ich  habe  oben  (Schob  V.  §.  1.)  zu  behaupten  gewagt,  dafs  die  Vorstellung  n. Einreihige 
von  einer  einreihigen  Aufeinanderfolge  der  Thiere  die  vorherrschende  ist,  und  ich  Schaft  der 
sehe  voraus,  dafs  man  diese  Aeufserunjz  für  viel  zu  weit  gehend  ansehen  wird,   da  Jh"'-TP, ,st. 

•  o  £>  herrschende 

nur  wenige  Naturforscher  unserer  Tage  sich  laut  und  entschieden  für  dieselbe  er-  Vorstei- 
klären,  ja  nicht  wenige  bestimmt  sich  gegen  dieselbe  ausgesprochen  haben.     Ich 
mufs  daher  meine  Behauptung  mit  einigen  Zügen  zu  beweisen  suchen. 


238 

Die  Ansicht  hat ,  wie  ich  glaube ,  viel  mehr  uubewufste  als  Lewufste  An- 
hänger.    Es  scheint  mir  nämlich ,  dafs  aus  längst  verflossener  Zeit  sich  eine  Menge 
Vorstellungen,  die  auf  der  Ansicht  von  einer  Stufenleiter  beruhen,   sich  fortge- 
pflanzt haben  und  ohne  dafs  wir  es  wüfslen,    unsrer  Ansicht  der  organischen  Ver- 
wandtschaft eine  Farbe  geben  ,  die  nicht  aus  der  Untersuchung  stammt.     Sind  die 
Behauptungen  ,  dafs  die  Cephalopoden  oder  die  Krebse  sich  au  die  Fische  anschlie- 
fsen  oder  gar  in  sie  übergehen,    nicht  Ausdrücke  dieser  Grundansicht  ?   Aus  einer 
unmittelbaren  und  freien  Vergleichung  der  Organisation  können  sie   doch   wohl 
nicht  hervorgegangen  sejn.     Eben  so  unbegreiflich  ist  die  Verbindung  zwischen 
den  Echinodermen  und  Mollusken.     Gehen  diese  Versuche,  zwischen  zwei  entlege- 
nen Ländern  Brücken  zu  schlagen,  nicht  aus  dem  Bestreben  hervor,  jedes  Glied  aut 
zwei  Seiten  anzuknüpfen ?  Hatte  man  nämlich  die  Crustaceen  aus  dem  Typus,  der 
in  den  gegliederten  Thieren  herrscht,  verstehen  gelernt,    so  wollte  mau  nun,  da 
man  sie  als  die  am  meisten  ausgebildeten  derselben  betrachtete,    (womit  ich  nicht 
einstimmen  möchte ,)  auch  von  ihnen  weiter  gehen.    Eben  so  glaubte  man,  es  müsse 
ein  Weg  von  dem  höchsten  Strahlthiere  zu  andern  Ländern  führen.  —     Sehen  wir 
aber  nach  unsrer  Ansicht  die  einzelnen  Formen  oder  Gruppen  von  Formen  als  Va- 
riationen auf  ein  Thema  an,    so  werden  wir  die  Uebergänge  nur  einzeln  finden 
und  nur  als  Folge  der  Umbildungsfähigkeit  einer  Form ,    eben  deshalb  nicht  als  an 
sich  noth wendig  und  bestimmend.     Dann  werden  wir  nicht  verleitet  werden ,  im 
Heterogen  Uebereinstimmung  zu  finden,    indem  wir  die  Stufenfolge  nicht  als  das 
Bedingende  der  thierischen  Formverschiedenheiten  ansehen. 

Die  Streitfrage,  ob  die  gegliederten  Thiere  oder  die  Mollusken  höher  ste- 
hen ,  scheint  mir  ebenfalls  nur  auf  dieser  Ansicht  einer  einreihigen  Ausbildung  zu 
beruhen.     Falst  man  das  Wesen  der  verschiedenen  Typen  gehörig  auf,   so  scheint 
es  leicht  einsichtlich ,  wie  in  dem  einen  die  plastischen  Bildungen  vorherrschen, 
in  dem  andern  Empfindungs  -  und  Bewegungsorgane.      Das  Herz  und  die  Leber 
der  Mollusken,    so  wie  überhaupt  ihre  Drüsen,    werden  uus  also  wohl  nicht  be- 
stimmen können  ,  sie  höher  als  die  gegliederten  Thiere  zu  stellen.     Beinahe  ebeu 
so  einseitig  Aväre  es,  diese  alle  über  die  Mollusken  zu  stellen,  obgleich  sie  im  All- 
gemeinen doch  durch  gröfsere  Mannigfaltigkeit  der  Aeufserungeu  des  Lebens  eher 
auf  eine  solche  Stelle  Anspruch  machen  könnten.     Im  Grunde  hat  aber  jeder  die- 
ser Abschnitte  des  Thierreiches  sein  eigenes  Maals ,    welches  nur  aus  seinem  Ty- 
pus "enommen  werden  darf.     Je  gröfser  die  histologische  und  morphologische  Son- 
derung ,  desto  höher  nach  uusrer  Ansicht  die  Ausbildung  innerhalb  desselben  Ty- 
pus.    Eine  geringere  morphologische  Sonderung  ist  aber  immer  eine  Annäherung 
an  den  Grundtypus.     Niedriger  organisirt  seheinen  uns  also  die  Anneliden  wegen 


239 

Gleichheit  der  Glieder  trotz  des  Gefäfssystems ,  dessen  Beschränkung  in  den  In- 
secten  leicht  verständlich  ist  durch  die  Entwickelung  der  Luftgefäfse.  Nicht  viel 
höher  stehen  uns  die  Myriapodeu ,  deren  Frefswerkzeuge  noch  wahre  Kopffüfse 
sind  und  deren  Kopf  nur  wenig  von  den  übrigen,  fast  gleichen  Ringen  geschieden 
ist.  In  den  Thysanuren  und  Parasiten  tritt  mehr  morphologische  Sonderung  her- 
vor, und  sie  lassen  den  Bau  der  wahren  Insecten  ahnden. 

So  wie  sich  stufenweise  Umbildungen  von  den  Annulaten  durch  die  Myria- 
poden,  Thvsanuren,  Parasiten  zu  den  wahren  Insecten  erkennen  lassen,  eben  so 
durch  die  lsopoden  ,  Amphipoden,  Stomapoden  zu  den  Decapoden  und  durch  die 
Scorpioniden  zu  den  Araneiden.  Warum  mau  aber  die  eigentlichen  Spinnen  oder 
die  Decapoden  unter  den  Krebsen  für  höher  ausgebildet  halten  soll,  als  die  eigent- 
lichen Insecten,  ist  nicht  klar.  Etwa  des  vollständigen  Gefäfssystems  wegen ? 
Dieses  ist  ja  nur  Folge  einer  weniger  lebhaftem  Wechselwirkung  mit  der  Luft,  de- 
ren stärkerer  Eiufluls  immer  die  Entwickelung  des  thierischen  Lebens  fördert. 
Giebt  uns  dagegen  das  Individualismen  der  organischen  Bestandteile  das  Maafs 
für  die  Ausbildung,  so  bemerken  wir  in  den  zehnfüfsigen  Krebsen  aufser  der  ge- 
ringen histologischen  Sonderung ,  die  mir  offenbar  scheint ,  eine  Tendenz ,  Sinnes- 
organe ,  Bewegungsorgane  und  plastische  Organe  in  Einen  Haupttheil  zusammen- 
zudrängen, wodurch  zwar  der  Typus  stark  umgestaltet  wird,  die  wesentlichen 
Theile  aber  wenig  gesondert  werden  ;  in  den  Spinnen  ist  wenigstens  der  plastische 
Leib  vom  animalischen  gesondert ,  in  den  Insecten  mit  Metamorphose  aber  schei- 
den sich  Sensibilität,  Irritabilität  und  Plasticität,  und  zwar  nur  bei  vollendeter 
Entwickelung.  Am  höchsten  ausgebildet  unter  ihnen  scheinen  mir  wieder  diejeni- 
gen, deren  Bruststück  nicht  wie  im  Floh,  den  Coleopteren,  Orthopteren  in 
mehrere  gesonrlerte  Ringe  zerfällt,  sondern  in  Einen  gesammelt  ist.  Diese  sind  es 
auch,  in  denen  die  ursprünglich  übereinstimmenden  Theile,  wie  die  Füfse  und 
Frefswerkzeuge,  die  gröfste  Verschiedenheit  erlangt  haben.  Sie  sind  es,  welche 
die  am  meisten  ausgebildeten  Flügel  besitzen  und  die  uns  überhaupt  die  mannig- 
faltigsten Aeufserungen  des  Lebens  offenbaren.  Zwar  zeigen  uns  die  Krebse  ein 
Ohr  und  eine  Nase.  Allein  wir  dürfen  nicht  übersehen,  dals  der  Kopf  der  In- 
secten klein  genug  ist,  um  solche  Theile  zweifelhaft  zu  machen,  dals  einige  Na- 
turforscher sie  wirklich  gefundeu  zu  haben  glauben  und  dals  auf  jeden  Fall  die 
Siunesempfindungen  nicht  fehlen. 

Wenn  es  gelingt,  alle  hergebrachten  Vorstellungen  von  einer  Stufenleiter  /,.  Die  ver- 
ganz los  zu  werden,  dann  wird  man  jede  Form  als  Modiiication  einer  allgemeinern  TMere"sind 
Form  und  diese  als  Modifikation  eines  Grundtypus  betrachten  und  von  diesen  Ge-  vielmehr  Va- 
sichtspunkten  aus  verstehen  lernen.     Dann  wird  man  mehr  darauf  Bedacht  haben,  gewisser 


240 

Hauptfor-  fjjj  jetJe  Thierart  die  allseitigen  Verwandtschaftsverhältnisse  zu  bestimmen ,  als  die 
Stelle  in  einer  allgemeinen  Stufenleiter.  Sucht  man  aber  nach  einer  Stufe  der  Aus- 
bildung, so  wird  man  diese  nur  nach  dem  Maafse  der  Sonderung  der  Theüe  und 
innerhalb  des  Typus,  dem  das  Thier  angehört,  aufzusuchen  haben.  Dafs  aber 
wirklich  die  hergebrachten  Vorstellungen  von  einer  Stufenleiter  Leiter  unserer  An- 
sichten geworden  sind ,  dafür  glaube  ich  doch  noch  einige  Beweise  aufstellen  und 
beleuchten  zu  müssen. 

Mau  spricht  so  oft  von  Rückschritten  in  der  Metamorphose  einer  ganzen 
'L  hierform  oder  eines  einzelnen  Organes.  Sollte  sich  unter  solchen  Rückschritten 
wirklich  etwas  klar  denken  lassen,  wenn  man  nicht  annimmt,  dafs  die  Gestaltung 
eines  Thiers  das  Bedingende  der  Gestaltung  eines  andern  Thiers  ist  ?  So  viel  ist 
aber  wohl  einsichtlich,  dafs  einer  solchen  Darstellung  schon  die  Vorstellung  einer 
Stufenleiter  zum  Grunde  liegt.  Wenn  man  nämlich  die  offenbar  verwandten  Thiere 
zusammenstellt  und  nun  sie  mit  den  Formen  ihrer  höchsten  Ausbildung  an  eine 
andere  Reihe  unten  anschliefst,  so  wird  man  in  dieser  einen  Rückschritt  erkennen. 
Ich  will  nur  kurz  an  das  oben  (Scholion  V.  §.  3.«.)  benutzte  Beispiel  der  Fische 
erinnern.  Ja  man  spricht  von  dem  Rückschritte  einzelner  Organe ,  und  setzt  dann 
doch  voraus,  dafs  jedem  Organe  eine  fortschreitende  Entwickelung  von  der  Mo- 
nade zum  Menschen  zukomme,  und  dafs  diese  Entwickelung  nach  der  Reihen- 
folge der  Thiere  realisirt  seyn  sollte ,  wovon  man  denn  nun  die  einzelnen  Ausnah- 
men angiebt.  Sind  aber  die  Organe  Modificationen  von  Fundamentalorganen,  und 
diese  verschieden  nach  dem  Schema  der  Entwickelung  (vergleiche  das  folgende 
(  orollarium) ,  so  scheint  in  der  Aufgabe  selbst  eine  irrige  Voraussetzung  zu  liegen. 
Ich  glaube  daher ,  dafs  es  für  die  vergleichende  Anatomie ,  wenn  sie  auf  die  Er- 
kenntnifs  der  Bildungsgesetze  gerichtet  seyn  soll,  der  einzig  richtige  Weg  ist,  au- 
Iser  der  steten  Beziehung  zu  einem  Grundtypiis,  dem  das  ganze  Thier  angehört, 
die  Organe  für  sich  in  den  verschiedenen  Formen  zu  vergleichen,  wie  Burdach 
in  seiner  Physiologie  unternommen  hat,  ohne  dieFormeu  so  an  einander  zu  reihen 
wie  man  die  Thiere,  denen  sie  angehören,  in  anderer  Beziehung  für  mehr  oder 
weniger  ausgebildet  hält.  Man  wird  dadurch  erkennen,  wie  die  allgemeine  Bil- 
dung des  ganzen  Körpers  eines  Thiers,  oder  sein  Verhältnifs  zur  Aufsenwelt,  auf 
die  Gestaltung  der  einzelnen  Organe  einwirkt  und  sich  von  verführenden  Voraus- 
setzungen frei  halten. 
Rück-  ^ak  a'Jer  (^ese  Rückschritte  in  der  Ausbildung  der  Organe  nur  ein  Schein 

achritte  Iie-  sind,    der  auf  einer  vorausgesetzten  einreihigen  Ausbildung  beruht,  sieht  man  am 

gen  nur  in  ,.   -  -.  t    r      ■  i        •     i  t     mi   •  1 

unsrer  Vor-  deutlichsten  daraus,    ilals  sie  schwinden,  wenn  man  die  Ihiere  nach  einem  andern 
weil""^        organischen  Systeme  ordnet ,    als  man  eben  zum  Grunde  gelegt  hat.      Ich  hebe  ein 

Bei- 


241 

Beispiel  für  viele  hervor.  Wenn  ich  die  Ueberzeugung  habe,  dafs  die  geglieder- 
ten Thiere  ia  Eine  Reihe  fortgehender  Ausbildung  zu  stellen  sind ,  und  sie  nach 
der  Ausbildung  im  Gefäfss)"steme  ordne,  so  kann  ich  sie  so  auf  einander  folgen 
lassen:  Wahre  Insecten,  Myriapoden,  Arochniden,  Anneliden.  Dann  sind  die 
Augen  durch  die  ganze  Reihe  zuriickschreitend.  Ordne  ich  sie  nach  den  Sinnes- 
organen und  insbesondere  nach  den  Augen,  so  sind  umgekehrt  die  Gefäl'se  rück- 
schreitend. Von  den  Athmungsorganen  und  dem  Gefäfssysteme  versieht  es  sich 
ohnehin  von  selbst,  dafs  das  eine  gegen  das  andere  zurückschreitend  scheint,  da 
diese  Systeme  sich  antagonistich  bedingen.  Betrachte  ich  sie  als  Modificationen 
eines  Grundtypus,  in  welchen  bald  dieses  bald  jenes  System  mehr  aus  der  ein- 
fachen Grundform  umgebildet  ist,  so  fallen  alle  Rückschritte  weg- 

Was  ich  hier  von  den  gegliederten  Thieren  gesagt  habe,  um  ein  anschau-    *  1}ie  Va~ 

00  ...  .  riationen 

liches  Beispiel  für  sie  zu  wählen,  gilt  durchaus  nicht  für  sie  allein,  auch  nicht  sind  in  v-er- 
blofs  für  das  antagonistische  Verhältnifs  von  Athmungsorganen  und  Gefäfssystem.  Systemen  ' 
Es  zeigt  sicli  überall,  wo  überhaupt  die  Variation  mannigfaltig  ist.  Ueberblicken  ver«cn,e<,en- 
wir  die  verschiedenen  Formen  der  Säugethiere,  so  finden  wir  für  eine  Reihe  von 
Organen  andre  Verwandtschaften,  als  für  eine  andere.  Nehmen  wir  auf  die 
Bildung  des  animalischen  Theiles  Rücksicht ,  die  wir  am  Skelette  am  deutlichsten 
abmessen,  so  sind  die  Fledermäuse  von  allen  eigentlichen  Vierfüfsern  gar  sehr 
verschieden.  Wir  müssen  in  ihnen  die  am  meisten  abweichende  Ordnung  bilden. 
In  Hinsicht  der  Verdauungsorgane  sind  sie  den  Insectenfressern  gleich.  Pallas, 
der  in  der  Zoographia  rosso  - asiatica  die  Fledermäuse  mit  dem  Maulwurfe  eng 
verbindet,  scheint  mir  daher  eben  so  viel  Recht  zu  haben,  als  Tiedemann, 
der  ungefähr  gleichzeitig  sie  in  seiner  Zoologie  weit  von  einander  trennt.  Aus 
denselben  Gründen  verbindet  Tiedemann  den  Seehund  mit  dem  Dugon»  die 
bei  Pallas  weit  aus  einander  stehen.  Dieser  hat  die  Extremitäten,  jener  die 
Zähne  gelten  lassen.  Was  lehren  solche  Beispiele  auders,  als  dafs  die  verschie- 
deneu orgauischen  Systeme  verschieden  variireu.  Maulwurf  und  Fledermaus 
suchen  dieselbe  Beute,  jener  in  der  Erde,  diese  in  der  Luft.  RHre  Bewegungs- 
organe sind  daher  verschieden  nach  dem  Aufenthaltsorte.  Der  Dugong  und  der 
Seehund  sind  beide  im  Wasser,  haben  flossenartige  Extremitäten,  aber  was  sie 
im  Wasser  suchen,  ist  ganz  verschieden.     So  ihr  Gebilsnnd  ihr  Magen. 

Giebt  unter  solchen  Verhältnissen  eine  Annäherung  an  den  Menschen  nicht 
immer  für  jedes  organische  System  eine  verschiedene  Thierreihe,  und  wenn  das 
ist ,  sind  die  Rückschritte  nicht  sinnlos  ?  Es  ist  überhaupt  der  Mensch  wohl  nur 
in  Hinsicht  seines  Nervensystems  und  dem,  was  zunächst  damit  verbunden  ist,  die 
höchste  Form  der  Thiere.      Der  aufrechte  Gang  ist  nur  Folge  der  höhern  Ent- 

Hh 


242 

Wickelung  des  Hirnes,  da  wir  überall  finden,  dafs,  je  mehr  das  Hirn  das  Rücken- 
mark überwiegt ,  um  so  mehr  es  sich  über  dasselbe  erhebt.  Ist  diese  Bemerkung 
gegründet,  so  lassen  sich  alle  körperliche  Unterschiede  zwischen  dem  Menschen 
und  andern  Thioren  auf  die  Hirnbildung  zurückführen ,  und  dann  ist  auch  der 
Vorzug  des  Menschen  nur  ein  einseitiger,  wenn  auch  der  wichtigste.  Man  muh 
in  der  That  vom  Vorurtheil  eingenommen  seyn ,  wenn  man  nicht  den  Magen  des 
Rindviehes,  der  das  Gras  in  Chylus  umwandelt,  für  vollkommuer  hält,  als  den 
Mäzen  des  Menschen. 

Viertes    Gorollarium. 

Eintheilung    der   Thiere  nach  der  Entwickelungsweise. 

a.  Blick  Es  ist  'Jt  der  That  merkwürdig,  dafs  man  von  den  Thieren  behauptet  hat, 

""/.S'ihrc  ihr  Embryo  durchlaufe  die  Formen  anderer  Thiere ,  die  man  für  die  nieder n  hält, 
Eintheilung.  während  etwas  Aehnliches  von  den  Pflanzen  nie  behauptet  ist.  Noch  hat  kein 
Botaniker  zu  beweisen  gesucht,  dafs  der  Embryo  der  dicotyledonischen  Pflanzen 
anfänglich  monocotyledonisch  sey,  oder  umgekehrt.  Der  Unterschied  zwischen 
den  Monocotyledonen  und  Diootyledonen  besteht  aber  nur  in  einer  Verschiedenheit 
des  Bildungstypus  —  und  so  bestätigt  es  sich  auch  hier,  dafs  der  Typus  gleich 
anfangs  bestimmt  wird,  einen  ganz  kurzen  Moment  etwa  abgerechnet,  wo  äufser- 
lich  wenigstens  kein  Typus  kenntlich  ist.  —  Es  bewährt  sich  ferner  gleichfalls 
an  den  Pflanzen,  dafs  in  der  Entwickelung  zuerst  die  allgemeinere  Form  sich 
zeigt  und  aus  dieser  die  speciellere  sich  entwickelt ;  denn  die  Samenblätter  süid 
roh  und  wenig  geformt,  für  eine  Menge  Pflanzen  gleich,  nur  im  Typus  ver- 
schieden, und  darauf  erst  entwickeln  sich  die  specielleu  Formen  der  Blätter, 
Knoten  und  Internodien ,  welche  die  individuelle  Pflauzenform  bestimmen. 

Wir  können  vielleicht  noch  mehr  von  den  Botanikern  lernen.  Sie  haben 
das  Reich  der  Pflanzen  in  gröfsere  Provinzen  nach  der  Entwickelungsweise  des 
Embryo  ein"etheilt  in  Acotyledonen ,  Monocotyledonen,  Dicotyledonen.  Man 
könnte  und  sollte,  demselben  Priucipe  folgend,  das  Reich  der  Thiere  nach  der 
Entwickelungsweise  eintheilen. 

Indessen  dürfte  man  einwenden,  dafs  ja  die  Bildung  der  Cotyledonen,  als 
der  ersten  Blätter,  mit  der  spätem  Form  der  blattförmigen  Entwicklungen  über- 
einstimmt, und  dafs  die  Eintheilung  der  Pflanzen  nach  den  Samenblättern  eben 
nichts  ist,  als  eine  Eintheilung  nach  dem  Typus  der  blattförmigen  Bildungen 
selbst ,  und  also  nach  dem  Bildungstypus  der  ganzen  Pflanze.  Diese  Bemerkung 
ist  sehr  richtig     aber  sie  beweist  nicht ,   dafs  die  Eintheilung  nach  den  Samen- 


*b  ' 


343 

blättern  unpassend  ist.  Denn  da  im  Embryonenzustande  der  Typus  am  reinsten 
sich  zeigt ,  am  wenigsten  zu  einer  individuellen  Modification  umgewandelt ,  wie 
eben  schon  das  allgemeine  Gegenüberstehen  der  Samenblätter  in  dicotyledonischeu 
Pflanzen  erweist,  während  die  späteren  Blätter  oft  abwechselnd  stehen,  so  ist 
eben  der  Character  der  Hauptgruppen  —  der  Typus  —  im  Embryonenzustande 
deutlicher,  und  die  Botaniker  sind  durch  die  gröfsere  Einfachheit  der  Forra- 
verhältnisse  und  durch  die  gröfsere  Leichtigkeit,  den  Embryo  zu  untersuchen, 
dahin  geführt,  die  Hauptgruppen  nach  ihm  zu  bilden.  Die  Zoologen  sollten  sich 
bemühen,  ihnen  hierin  nachzukommen  und  dabei  von  der  Ucberzeugung  aus- 
gehen, dafs  das  Aufsuchen  von  verschiedenen  Schema ten  der  Entwickelang  nichts 
anders  ist,  als  ein  Suchen  nach  den  verschiedenen  Typen  der  Organisation,  da 
ja   eben   die   besondere  Entwickelungsweise    die  Besonderheit   der  Organisation 


erzeugt. 

Vergleichen  wir  vorher  die  ßildungsgeschichte  der  Pflanzen  im  Allgemeinen    b-  Primä*ei 

-      i        n-i  i  i '•   i  i       rrii   •  -i  •  i       tt   ,  .  Unterschied 

mit  der  bildungsgescnichte  der  1  hiere ,  so  werden  wir  manene  Ueberemstimmung,  zwischen 
aber  auch  wesentliche  Verschiedenheiten  finden,  die  auf  dem  wesentlichen  Unter-  Thieren" "i n d 
schiede  zwischen  Thier  und  Pflanze  beruhen  müssen ,  und  diese  Verschiedenheiten  der  Ent" 

i  •   ii    •   i  ■    •         !,-■    i        r-       >•      i  •  i  i  •      •  i  ,  wickelune. 

können  uns  vielleicht  einige  Winke  tur  die  bisher  noch  nicht  genug  gekannten 
Eutwickelungsformen  der  Thiere  geben.  —    Wir  finden  in  den  Pflanzen  ebenfalls 
wie  bei  den  Thieren  einen  paarigen  und  einen  unpaarigen  Typus  in  den  Mono- 
cotyledonen  und  Dicotyledonen,      Nie  aber  wächst  in  den  Pflanzen  das  Paarige 
wieder  zusammen,   wie  in  den  Thieren,    sondern  alle  Enlwickelung  der  Biälter, 
der  Biumenkronen ,  der  Staubwege  und  selbst  der  Samenkapseln  besteht  in  einer 
fortgehenden  Entfaltung   nach    aufsen.      Im    Thiere    wölben    sich   die    paarigen 
Platten  gegen  einander  und  verwachsen  innig,  Hohlen  umschlief  send.     Die  ve^e- 
tabilische  Entwickelung  ist  also  fortgehende  Entfaltung ,  die  animalische,    wenig- 
stens in  den  höheren  Formen,    eine  Umbildung,    auch  wenn  sie  von  einer  Am 
ausgeht.     Damit  stimmt  es  auch,   dafs  in  ersteren  der  bei  der  Zeugung  mitgege- 
bene Nahrungsstoff,   der  vor  der  Zeugung  von  der  Masse  des  zukünftigen  Embryo 
noch  nicht  geschieden  ist ,  nie  ein  innerer  ist ,   und  das  lehrt  uns  wieder  eine  ur- 
sprüngliche Verschiedenheit.     Im  Augenblicke  nämlich,   wo  die  Masse  des  wer- 
denden Embryo  sich  vom  Nahruugsstoff'e  scheidet,    wie  der  Keim  vom  Dotter, 
niufs  die  Scheidung  ein  verschiedenes  Lagerungsverhältuifs   haben,    worin  wir 
von  neuem  einen  Beweis  finden  können,  wenn  es  eines  solchen  überhaupt  bedürfte, 
dafs  die  erste  Sonderung  des  Keimes  nicht  verschieden  ist    von   seinem  fernem 
Wachsthume,   sondern  nur  der  Anfang  desselben,    und  eine  Bestätigung  der  An- 
sicht.    dafs,  Avenn  auch  eine  Zeitlang  der  thierische  Keim  in  einigen  Thieren  de>, 

Hh   2 


244 

Dotter  nur  bedeckt,    ohne  ihn  ganz  zu  umschliefsen ,    man  doch  diese  Keimhaut 

als  umhüllend  ansehen  darf  (denn  sie  strebt  danach)   und   als  das  Thier   selbst 

(Schob  II.   §.  2.)- 

c    Ver-  Wenn  wir  die  Entwickehmgsweise  der  verschiedenen  Thierformen  kenn- 

Formen  der  tcn 5   s0  wäre  es  der  naturgeniäfse  Gang  der  Untersuchung,    in  der  Entwickelung 

Entwicke-      (|^e  verschiedenen  Schemata  der  Bildung  aufzusuchen  und  daran  die  Typen  der 

hing   111  den  °  »  * 

Tiüeren.        Organisation  zu  erkennen.     Leider  aber  ist  die  Untersuchung  sehr  weit  zurück, 
und  wir   haben  daher   versucht,    vorher  die  Typen  nach  den   ausgewachsenen 
Thierformen  aufzustellen ,  und  wollen  nun  die  Frage  über  die  Verschiedenheit  der 
Entwickelungsweise  derselben  etwas  beleuchten. 
<i.  Doppelt  Das  Schema ,  nach  welchem  die  Wirbelthiere  sich  ausbilden  ,  ist  sehr  aus- 

sehe Ent-     führlich  von  uns  untersucht  worden.     Wir  müssen  aber  zur  nähern  Vergleichung 
Wickelung     ^      Resultat  hier  nochmals  Aviederholen.     Es  läfst  sich  so  zusammenfassen :    Die 

der    Wirbel- 
thiere. Entwickelung  der  Wirbelthiere  geht  von  einer  Axe  nach  oben ,   in  zwei  Blättern, 

die  in  der  Miltelebene  verwachsen,  und  auch  nach  unten  in  zwei  Blättern,  die 
ebenfalls  in  der  Mitte  verwachsen.  Dadurch  bilden  sich  zwei  Hauptröhren  über 
einander.  Während  der  Bildung  derselben  sondert  sich  der  Keim  in  Schichten, 
und  so  bestehen  daher  beide  Hauptröhren  aus  untergeordneten  Röhren,  die  sich 
einschliefsen  als  Fundamenlalorgane ,  und  welche  die  Fähigkeit  enthalten,  zu 
allen  Organen  sich  auszubilden,  durch  welche  die  Oeconomie  des  gesanimten 
Lebens  mit  Ausnahme  der  Fortbewegung  unterhalten  wird.  Diese  Entwickelungs- 
form  darf  man  Avohl ,  besonders  da  die  Asymmetrie  der  plastischen  Organe  nur 
durch  Umänderung  erreicht  wird,  eine  doppelt  symmetrisclie ,  eine  Evolutio 
bigejnina  nennen.  (Schob  IV.)  —  Erst  später  wachsen  Organe  hervor,  welche 
dem  Thiere  die  Fähigkeit  geben,  bewegend  auf  das  Element  einzuwirken,  in 
oder  auf  welchem  es  lebt  —  die  Extremitäten.  Diese  Organe  bestehen  wenig- 
stens aus  zwei  Hauptgliedern:  das  Wurzelglied  und  das  Endglied;  das  erstere 
bildet  einen  Gürtel,  welcher  beide  Hauptröhren  einschliefst.  Der  Bau  des  End- 
gliedes wird  durch  das  Element  bestimmt,  auf  welches  es  wirken  soll.  W  enn  in 
diesem  Elemente  der  Rumpf  schwebt,  so  finden  sich  keine  ausgebddete  Mittel- 
glieder. Soll  aber  der  Rumpf  auf  dem  Elemente  getragen  werden,  so  bilden  sich 
zwischen  beiden  Gliedern  noch  zwei  Mittelglieder.  (Corallar.  zu  Schob  IV.) 
e.  Sym-  Was  das  Schema  anlangt,  nach  welchem  sich  die  gegliederten  Thiere  aus- 

Entwicke-      bilden,    so  ist   nicht  zu   bezweifeln,    dafs  ihr  Leib  sich   nach  dem  Rücken   zu 
J»ng  in  de«  schliefst.       Schon    Cavolini's    Untersuchungen    und  Abbildungen   über    Ent- 

rhieren    des  1     1      t  i  t?  I,     A 

Längen-        wickelung  der  Taschenkrebse  lassen  dieses  Verhältnifs  vermuthen.     Ls  geht  deut- 
TyPus.  lieh  hervor  aus  Herold's  Untersuchungen  über  die  Entwickelung  der  Spinnen. 


245 

Es  ist  vou  Rathke  und  mir  mit  Bestimmtheit  am  Flufskrebse  beobachtet  worden. 
Mit  ungemeiner  Deutlichkeit  kann  man  aber  den  ganzen  Verlauf  der  Entwickelung 
au  der  Wasserassel  (Oniscus  aquaticusL.)  verfolgen,  vro  auf  dem  goldgelben  Dotter 
der  werdende  weifse,  mehr  als  im  Krebse  in  die  Lange  gezogene  Leib  sich  sehr 
kenntlich  macht.  —  Die  Entwickelung  geht  ferner  von  einem  Primitivstreifen 
aus ,  welcher  in  der  Mitte  der  BauchÜäche  des  werdenden  Thieres  liegt.  Dieser 
Primitivstreifen  ist  zwar  im  Flufskrebse  etwas  modiiieirt,  indem  er  am  vordem 
Ende  in  einen  Kreis  ausläuft,  so  dafs  er  ungefähr  der  Raquette  gleicht,  mit  der 
man  Federbälle  wirft.  Allein  diese  kreisförmige  Erweiterung  gehört  wohl  nicht 
zum  Grundtj  pus  der  Wirbelthiere,  sondern  scheint  eine  Besonderheit  der  Krebse 
zu  seyn,  die  daher  rührt,  dafs  im  vordem  oder  Bruststücke  des  Krebses  die 
Glieder  um  einen  Mittelpunkt  zusammengedrängt,  der  Typus  also  modificirt  ist. 
In  Fliegeneiern  habe  ich  aber  einen  gleichmäfsigen ,  scharf  ausgebildeten  Streifen 
gesehen,  den  ich  für  den  nicht  niodificirten  Primitivstreifen  halte.  —  Es  geht 
ferner  dem  Primitivstreifen  ein  Keim  vorher,  den  man  auf  den  Eiern  der  Krebse 
deutlich  sieht,  und  den  Herold  aus  Spiuneneiern  abbildet.  Dieser  Keim 
scheiut  wie  im  Hühuereie  in  Form  eines  sehr  dünnen  Ueberzuges  den  Dotter  zu 
umhüllen,  ehe  die  Seitenlheile  des  Leibes  sich  nach  oben  schliefsen. 

Von  dem  Primitivstreifen  nämlich  erhebt  sich  der  Leib  des  werdenden 
Embryo  in  Form  von  zweien  Blättern  (wenn  wir  vorläufig  auf  die  Bildung  der 
Extremitäten  noch  keine  Rücksicht  nehmen)  ,  die  gegen  die  Mittellinie  zusammen- 
Avachsen.  Sie  spalten  sich  ebenfalls,  wie  im  Embryo  der  Wirbelthiere ,  in 
mehrere  Lagen ,  welche  in  einander  liegende  Röhren  erzeugen.  Es  ist  offenbar, 
dafs  eine  innere  Lage  den  Darm  bildet ,  also  eine  Schleimhautröhre  ist ;  eine 
äufsere  Lage  bildet  die  Haut,  die  sich  später  wieder  in  zwei  untergeordnete 
Lagen  theilt,  die  äufsere  für  das  Hornskelet  und  die  innere  eng  anliegende  für  die 
eigentliche  Haut.  Zwischen  der  Haulröhre  und  der  Schleimhautröhre  liegt  eine 
mittlere,  aus  welcher  sich  die  Muskeln  und  Nerven  scheiden  mögen.  Es  scheint 
nämlich,  dafs  die  Nerven  dieser  Thiere  sich  nur  durch  histologische  Sonderung, 
nicht  aus  einem  eigenen  Blatte  bilden.  Üb  noch  mehr  Blätter  da  sind ,  ob 
namentlich  ein  eigenes  Gefafsblalt  sich  unterscheiden  lasse,  werden  wohl  erst 
Rathke's  genaue  und  fortgesetzte  Untersuchungen  lehren. 

Das  Angegebene  ist  schon  hinlänglich  für  uns,  um  daraus  zu  erkennen, 
dafs  in  den  gegliederten  Thieren  die  Entwickelung  eine  von  der  Bauchfläche  fort- 
gehende symmetrisclie  ist,  eiue  evolutio  gemina.  Das  Schema  für  die  Ent- 
wickelung dieser  Thiergruppen  ist  also  nur  die  Hälfte  von  dem  Schema  der  Ent- 
wickelung der  Wirbelthiere.     Wenn  wir  dieses  mit  einer  8  vergleichen  konnten, 


246 


so  ist  jenes  die  Hälfte  dieser  Ziffer,    und  zwar  die  untere,  dem  Dotter  zugekehrte 
Hälfte ,  aber  umgekehrt  liegend.     Auch  die  innern  Theile  haben  in  Bezug  auf  die 
Centrallinie,  von  der  die  Bildung  fortschreitet  —  die  Mittellinie  der  untern  Fläche, 
in  welcher  aber  keine  gerundete  Axe  sich  zu  bilden  scheint  —  dieselbe  Lage ; 
denn    nach   der  Centrallinie   (Taf.  III.   Fig.  8.  o)   hin  liegen  die  Stämme  und 
Centraltheile  der  animalischen  Nerven    und   ein  Theil  des  Gefäfssystems  (wenn 
auch  diese  Gefäfse  nicht  immer  in  der  Mittellinie  liegen,   wie  die  Aorta  und  die 
Hohlvene  der  höhern  Thiere,    so  ist  doch  öfter  der  Fall  z.  B.  bei  den  Krebsen 
nach   Audouin,    beim  Regenwurm,   überhaupt  wohl  immer,   wo  die  Bauch- 
gefäfse  unpaarig  sind ;  paarige  müssen  freilich  seitlich  seyn.    Nach  der  Schlufslime 
zu  (ebend.  a)  liegt  das  Herz  mit  andern  Gefäfsen  und  hierher  rücken  iVie  innern 
Geschlechtsorgane,   wenn  sie  sich  einander  nähern.     In  der  Mitte  liegt  der  Darm- 
kanal, aber  nach  oben  zu  tritt  aus  ihm  che  Leber  hervor.    Kurz,  die  obere  Mittel- 
linie verhält  sich  in  Hinsicht  auf  die  innere  Bildung  des  Rumpfes  ganz  wie  eine 
Schlufslinie,  und  der  ganze  Leib  der  Thiere  dieses  Typus  ist  in  Hinsicht  seiner 
Entwickelungsweise  im  Wesentlichen    mit   der  Bauchröhre  der  Wirbelthiere  zu 
vergleichen ,  wenn  man  sie  in  umgekehrter  Lage  sich  denkt. 
/.  was  hier  Man  könnte  daher  die  Frage  aufwerfen,   wie  sie  denn  auch  wirklich  auf- 

Rür.ken  ist.  vorfen  ist}  0]j  man  nicht  richtiger  die  dem  Erdboden  zugekehrte  Fläche  eines 
Insectes  seinen  Bauch  und  die  entgegengesetzte  seinen  Rücken  nennen  sollte ,  um 
die  Uebereinstimmung  vollständiger  aufzufassen.  Allein  gegen  diese  Benennung 
spricht  die  äufsere  Ansicht  des  Thiers,  nicht  nur  die  Stellung,  die  es  gegen  den 
Erdkörper  behauptet,  sondern  auch  der  Bau  seiner  Extremitäten ,  seiner  Sinnes- 
organe und  überhaupt  seiner  Oberfläche,  ja  Mund,  After  und  Geschlechtsöffhun- 
gen.  Wollte  man  nämlich  auch  sagen:  Die  Insecten  und  ihre  Verwandten  sind 
bestimmt ,  mit  dem  Rücken  gegen  den  Erdboden  gekehrt  umherzugehen  ;  diesem 
Verhältnisse  gemäfs  haben  sie  ihre  Extremitäten  auf  dem  Rücken :  so  finden  wir 
doch ,  dafs  gewisse  allgemeine  Charactere ,  welche  die  obere  Hälfte  der  Wirbel- 
thiere °egen  die  untere  auszeichnen ,  auch  in  der  Hälfte ,  welche  die  Insecten  ge- 
wöhnlich nach  oben  kehren,  im  Verhältnis  zur  untern  bestehen. 

Die  vom  Erdboden  abgekehrte  Fläche  der  Wirbelthiere  ist  wie  in  den 
Gliederthieren  die  Streckseite  des  ganzen  Thiers ,  gewöhnlich  auch  länger  als  die 
ent«e<*enoesetzte  Fläche,  dunkler  gefärbt,  stärker  behaart,  mit  dickem  Haut- 
decken versehen.  Die  letzten  Verhältnisse  könnte  man  fredich  der  unmittelbaren 
Einwirkung  des  Lichtes  zuschreiben.  Allein  die  Mundöffnung  ist  auch  in  den 
Gliederthieren  nach  unten  gerichtet,  und  zwar  scheint  sie  eben  so,  wie  die  Mund- 
öffnung der  Wirbelthiere  durch   eine  Durchbohrung  von  der  Schleimhautröhre 


247 

aus  zu  entstehen  *);  die  Geschlechtsöffnung  ist,  wenn  sie  nicht  nach  hinten  steht, 
ebenfalls  an  der  untern  Fläche;  die  Sinnesorgane,  wenigstens  die  Au^en  und  die 
Antennen,  gehören  dagegen  der  ohern  Fläche  oder  derjenigen  an,  die  wir  die 
Bauchseite  nennen  würden ,  wenn  wir  blofs  auf  den  inaern  Bau  und  die  Ver- 
gleichuug  mit  Wirbelthieren  Rücksicht  nähmen.  Wir  glauben  diese  Lage  der 
Sinnesorgane  damit  erweisen  zu  können ,  dafs  in  den  Anneliden  die  Augen  offen- 
bar nach  oben  liegen.  Eben  so  ist  es  in  den  Arachniden.  Eben  so  offenbar  ist 
das  Verhältnifs  in  den  Pseudentomen  oder  Insecten  ohne  Metamorphose.  Aus 
diesem  Grunde  kann  man  dasselbe  von  den  Insecten  mit  grofsen  Augen  annehmen, 
wo  es  allerdings  im  entwickelten  Zustande  weniger  klar  ist,  aber  doch  im  Larven- 
zustande.  Ich  stehe  auch  nicht  an,  es  von  den  Crustaceen  mit  gestielten  Augen  zu 
glauhen,  da  es  bei  denen  mit  ungestielten  Augen  klar  ist.  Die  Antennen,  ob- 
gleich zuweilen  etwas  herabgedrückt ,  gehören  doch  wohl  der  obern  Hälfte  des 
Kopiringes  an ,  denn  sie  sind  überhaupt  für  den  Kopf  in  Hinsicht  der  Stellung 
dasselbe,  was  die  Flügel  für  das  Bruststück  sind.  Sie  haben  in  den  Puppen  ganz 
dieselbe  Lage.  Ist  diese  Bedeutung  gegründet,  so  gehört  auch  die  Nase,  die  wir 
nur  in  den  Crustaceen  mit  Bestimmtheit  kennen ,  der  obern  Hälfte  des  Bozens 
au.  —  Etwas  schwieriger  ist  das  Verhältnifs  des  Ohres  zum  Grundtypus  zu 
bestimmen.  Wir  kennen  es  mit  Sicherheit  auch  nur  in  den  Krebsen .  und  es  lieyt 
allerdings  auf  der  untern  Fläche  des  Kopfendes.  Allein  es  gehört  einem  einge- 
setzten Theile  des  äufsern  Skelettes  an ,  Avelches  seitlich  neben  der  auf  der  innern 
Fläche  deutlich  erkennbaren  Mittelleiste  liegt.  Wenigstens  gehört  also  das  Ohr 
auch  hier  nicht  unmittelbar  der  untern  Fläche  an,  und  bei  dem  Man«el  anderer 
Vergleichungspunkte,  müssen  wir  uns  damit  begnügen,  dafs  das  Ohr  nicht  nach- 
weisbar der  untern  Hälfte  des  Kopfringes  angehört. 

Nehmen  wir  nun  noch  die  Extremitäten  hinzu,  so  finden  wir,  dafs  alle 
Theile,  durch  welche  das  gegliederte  Thier  mit  der  Aufsenwelt  in  unmittelbarer 
Wechselwirkung  steht,  dieselbe  Lage  haben,  wie  im  Wirbel ihiere,  gegen  die 
innern  Theile  aber  eine  umgekehrte.  Da  nun  die  vom  Erdboden  abgekehrte 
Fläche  in  den  Wirbelthieren  und  in  den  Gliederthieren  viele  Uebereinstimmuni» 
hat,   so  suchen  wir  hierein  den  Character  des  Rüclens  und  sagen  lieber,  dafs  i\ie 


*)  Da  die  Mundöffnung  durch  eine  Durchbohrung  nach  unten  gebildet  wird,  so  scheint  es  noch 
einsichtlicher,  wie  diejenigen  Extremitäten,  zwischen  welchen  der  Mund  durchbricht,  zu 
Frefswerkzeugen  werden,  und  wenn  der  Kopf  wenig  Selbstständigkeit  hat,  den  übrigen  Ex- 
tremitäten ähnlich  bleiben ,  im  Dienste  des  Mundes  aber  als  Kopfextremiläten ,  oder  Frefs- 
werkzeuge ,  eine  besondere  Form  annehmen ,  wenn  der  Kopf  sie  selbst  hat. 


248 

Entwickelung  dieser  Thiere  vom  Bauche  nach  dem  Rücken  geht,  als  dafs  wir  sie 
auf  dem  Rücken  umherlaufen  liefsen. 
g.  Extremi-  Die  Füfse  der  gegliederten  Thiere  mit  den  Extremitäten  der  Wirbelthiere 

Typus.  6S  S  verglichen,  zeigen  uns  einige  Uebereinstiminung ,  aber  auch  wesentliche  Ver- 
schiedenheiten. Man  kann  den  sogenannten  Tarsus  der  Insecten  (Fig.  8.  e)  mit 
dem  Endgliede  (Flg.  7.  h)  der  Extremität  der  Wirbelthiere  sehr  wohl  vergleichen. 
Es  ist  in  jenem  wie  in  diesem  eine  Theilung  in  mehrere  untergeordnete  Glieder 
erkennbar,  und  das  erste  derselben  pflegt  auch  gröfser  zu  seyn,  als  die  übrigen. 
Eben  so  ist  in  dem  sogenannten  Schienbeine  der  Insecten  (Fig.  8.  d)  und  dem 
untern  Mittelgliede  der  Wirbelthiere  (Fig.  7.  g)  die  Uebereinstiminung  wohl  nicht 
zu  läugnen.  Zwischen  beiden  ist  dasselbe  Endgelenk  (Hand  -  oder  Fufsgelenk  in 
den  Wirbelthieren).  Eben  so  stimmt  noch  der  Schenkel  (Fig.  8.  c)  der  Insecten 
mit  dem  obern  Mittelgliede  der  Wirbelthiere  (Fig.  7.  f),  und  das  Gelenk  zwischen 
beiden  scheint  dasselbe  Mittelgelenk  (Knie  oder  Ellenbogengelenk),  dessen 
Streckseite  nach  oben  und  aufsen  gerichtet  ist.  Allein  schon  das  darauf  folgende 
Gelenk  ist  meist  verschieden.  Zwischen  der  sogenannten  Hüfte  (Fig.  8.  b)  der  In- 
secten und  ihrem  Schenkel  ist  meist  ein  Gewerbgelenk,  und  zwischen  dem  Rumpf- 
«diede  der  Wirbelthiere  und  ihrem  obern  Mittelgliede  ein  freies  Gelenk.  Das 
oberste  oder  Rumpfglied  endlich  zeigt  einen  ganz  verschiedenen  Character. 
Während  es  in  Wirbelthieren  einen  Ring  bildet,  welcher  sich  oben  und  unten 
an  den  Rumpf  legt  (Fig.  7.  d  e) ,  ist  die  Hüfte  der  Insecten  immer  nur  mit  der 
untern  Hälfte  eines  Leibesringes  verbunden,  und  wenn  sie  aus  diesem  Ringe 
merklich  hervortritt ,  hat  sie  immer  die  Richtung  nach  unten.  Sie  ist  nur  die 
Hälfte  vom  Rumpfgliede  der  Wirbelthiere  und  man  kann  sie  weder  vollkommen 
mit  der  obern  Hälfte  (Schulterblatt) ,  noch  mit  der  untern  Hälfte  (Schlüsselbeine) 
vergleichen,  da  diese  beiden  Abschnitte  nur  ihre  Bedeutung  durch  das  Lagen- 
verhältnifs  zu  den  beiden  Hauptröhren  des  Rumpfes  erhalten.  In  der  ausge- 
bildeten Form  des  Insectenfufses  haben  wir  also  auch  vier  Hauptglieder,  wie  in 
Wirbelthieren.  Das  Endglied  wird  ebenfalls  vorzüglich  durch  die  Beschaffenheit 
des  Elementes,  auf  das  es  wirken  soll,  bestimmt,  die  zwei  Mittelglieder  sind 
den  Mittelgliedern  in  der  Extremität  der  Wirbelthiere  verwandt,  das  Rumpfglied 
ist  völlig  verschieden.  Jener  Aehnlichkeit  ungeachtet  besteht  der  Unterschied, 
der  für  beide  Provinzen  des  Thierreiches  allgemein  ist,  dafs  im  Tjpus  der  Wirbel- 
thiere ein  knöchernes  inneres  Skelet  die  Stütze  des  Ganzen  ist,  im  gegliederten 
Thiere  hingegen  erhärtete  Hautschienen  die  Stütze  bilden. 

Die  Eigentümlichkeit  der  einzelnen  Glieder  ist  freilich  nur  deutlich  in 
den  Insecten  mit  Metamorphose,    und  zwar  im  ausgebildeten  Zustande.     In  den 

Ära- 


249 

Araneiden,  Scorpioniden,  den  Crustaceen  aller  Formen,  den  Myriapoden,  ver- 
lieren die  Mittelglieder  allmählig  ihren  selbstständigen  Character  und  werden  den 
untergeordneten  Abtheilungen  des  Endgliedes  mehr  gleich.  Savigny  hat  mit 
seinem  Scharfblicke  diese  veränderten  Formen  auf  die  vollkommen  ausgebildete 
Form  zurückgeführt,  indem  er  nachweist,  dafs  die  sogenannten  Schenkel  und 
Schienbeine,  also  beide  Mittelglieder,  jedes  für  sich  wieder  in  zwei  untergeord- 
nete Glieder  zerfallen.  Das  ist  ganz  gut;  man  kann  aber  vielleicht  noch  einen 
Schritt  weiter  gehn.  Nur  in  den  Scorpioniden  und  Araneiden  behalten  die  Mittel- 
glieder noch  ihren  Character  durch  die  Form  des  zwischen  ihnen  liegenden  Gelen- 
kes. In  den  Crustaceen  und  vorzüglich  in  denen,  die  nicht  zu  den  Decapoden 
gehören,  und  den  Myriapoden,  ist  dieser  Character  geschwunden  und  mit  ihm 
auch  die  Eigentümlichkeit  des  Oberschenkels  und  Schienbeines  selbst.  Man 
kann  in  der  That  bei  diesen  Thieren  mit  eben  so  viel  und  mehr  Grund  die  ganze 
Extremität  mit  dem  Endgliede  der  wahren  Iusecteu  vergleichen,  und  wird  bierin 
noch  durch 'den  Umstand  bestärkt,  dafs  nach  Savigny's  Ansicht  nur  eine  einzige 
Spitze  für  das  Endglied  übrig  bleiben  würde.  Savigny's  Deutung  kann  uns  nur 
belehren,  dafs  ein  Theil  des  Fufses  der  Crustaceen  und  Myriapoden  auf  die  Mit- 
telglieder bezogen  werden  mufs,  wenn  wir  die  Füfse  dieser  Thiere  mit  den  Fü- 
fsen  der  vollkommenen  Insecten  vergleichen ,  dafs  sie  aber  ihre  Besonderheit  ver- 
loren haben  und  eben  deshalb  mehr  Theile  des  Endgliedes  sind,  grade  so  wie 
Oberarm  und  Unterarm  in  den  Cetaceen  in  das  Endglied  aufgenommen  sind.  Nun 
leben  aber  die  Crustaceen  im  Wasser,  und/lie  Mjriapoden  kriechen  unter  Rinden 
und  Steinen  fort.  Wir  sehen  also  auch  hier,  wie  bei  den Wirbellhieren,  dafs,  wo 
der  Leib  nicht  auf  dem  Erdboden  getragen  wird,  die  Mittelglieder  der  Extremitäten 
ihren  Character  zu  verlieren  geneigt  sind. 

Der  Flügel  ist  immer  in  der  obern  Hälfte  des  Leibesringes  eingelenkt.  In 
den  Amphipoden  undlsopoden  sieht  man  häufig  am  Rande  der  Leibesringe  als  Fort- 
setzung des  obern  Bogens  ein  angefügtes  Blättchen ,  welches  in  seiner  allgemein- 
sten Bedeutung  wohl  mit  einem  Flügel  verglichen  werden  mufs.  In  andern  Cru- 
staceen und  einigen  Myriapoden  sehen  wir  statt  derselben  unmittelbare  Fortsetzun- 
gen der  obern  Hälfte  der  Körperringe,  sie  mögen  vereinzelt,  oder  mehrere  unter 
sich  verwachsen  seyn ,  dachförmig  hervorstehen.  Solche  blattförmige  Hervorra- 
gungen können  wir  um  so  mehr  nicht  gelöste  Extremitäten  der  obern  Hälfte  der 
Körperringe  nennen,  da  sie,  so  viel  ich  mich  besinne,  in  geil  ügelten  Insecten 
nicht  vorkommen  und  die  Flügeldecken  der  Käfer  ihre  Bedeutung  offenbar  nach- 
zuweisen scheinen  ,  besonders  wenn  sie,  wie  in  Blaps,  unter  sich  verwachsen  sind. 
Sie  sind  nur  von  den  Ringen  des  Hinterleibes  gelöst,  weil  in  den  Insecten  mit  Me- 


I 


250 

tamorphose  die  Extremitäten  überhaupt  sich  auf  das  Bruststück  concentrirt  haben. 
Erinnern  wir  uns  nun,  tlafs  Savigüy  nachgewiesen  hat,  wie  auch  in  den  Anne- 
liden immer  7.\vei  Reihen  von  unentwickelten  Extremitäten  vorkommen,  so  kön- 
nen wir  überhaupt  den  gegliederten  Thieren  eine  zweifache  Reihe  von  Extremitä- 
ten zuschreiben,  eine  fiir  die  untere  Hälfte  der  Leibesringe,  bestimmt  für  die  Be- 
wegung auf  dem  Boden  und  im  Wasser,  und  eine  zweite  aus  der  obern  Hälfte  der 
Leibesringe,  in  den  Anneliden,  bestimmt  für  die  Bewegung  im  Wasser,  sonst 
aber  im  entwickelten  Zustande  bestimmt  fiir  die  Bewegung  in  der  Luft.  Nur  den 
Arachniden  scheint  i\ie  obere  Reihe  ganz  zu  fehlen. 

Wie  wir  also  in  dem  Typus  der  Wirbelthiere  eine  einfache  Reihe  von  Ex- 
tremitäten fanden,  welche  mit  zweiarmigen  Wurzelgliedern  den  Rumpf  von  sei- 
ner obern  uud  untern  Fläche  umfassen,  erkennen  wir  dagegen  im  Längentypus 
die  Anlage  für  zwei  Reihen  von  Extremitäten,  deren  Wurzelglieder  einfach  sind 
und  von  denen  die  obere  Reihe  der  obern ,  die  untere  Reihe  der  untern  Hälfte  der 
Körperringe  angehört.  Die  obere  Reihe  folgt  nicht  nur  wenn  sie  mit  den  Leibes- 
ringen verwachsen  ist,  sondern  auch  während  der  Entwicklung  des  Individuums 
im  Puppenzuslande  der  absteigenden  Richtung  der  untern  Extremitätenreihe  (an- 
gedeutet in  Fig.  8/') ,  doch  ohne  je  mit  ihr  zu  verwachsen.  Im  ausgebildeten 
Zustande  entfernen  sie  sich  von  einander,  und  während  die  Wurzelglieder  der  Wir- 
belthiere einen  Ring  bilden,  der  die  beiden  Ringe  oder  Hauptröhren  des  Leibes 
umschliefst  (vergl.  Fig.  7),  sehen  wir  in  den  Wirbelthieren  aus  dem  einfachen 
Ringe  des  Rumpfes  die  Extremitäten  in  zwei  entgegengesetzte  Winkel  (gleichsam 
eine  nicht  geschlossene  8)  abgehen  {Fig.  8). 

Der  Flügel  scheint  mir  eine  vollständige  Extremität.  Ob  man  mit  Jurine 
in  diesem  Theile  verschmolzene  Mittelglieder  erkennen  will ,  oder  nicht ,  ist  ziem- 
lich gleichgültig ;  auf  jeden  Fall  ist  der  Flügel  nach  denselben  Ansichten  nur  ein 
Hauplglied  zu  nennen,  nach  denen  wir  die  Flosse  der  Wirbelthiere  dafür  erklärt 
haben. 

Es  mufsle,  indem  wir  nach  dem  Eutwickelungsschema  des  Längentypus 
suchten ,  von  den  verschiedenen  Klassen  der  gegliederten  Thiere  gesprochen  wer- 
den, deren  Bau  und  Entwickelungsweise  bekannter  ist,  doch  gilt  dieses  Schema 
uhne  Zweifel  auch  für  diejenigen  Thiere,  welche  nach  dem  Längentypns  gebaut 
sind  ,  ohne  so  hoch  organisirt  zu  seyn,  dafs  sie  den  gegliederten  Thieren  Cu  vier» 
beigezählt  werden  könnten.  Der  einfach  symmetrische  Bau  läfst  über  denselben 
Entwicklungsgang  wohl  nicht  zweifeln,  und  ich  will  nur  auf  den  allmähligen 
Ueltergang  von  den  Nereiden  zu  den  Naiden,  von  diesen  zu  Gordius  und  Vibrio  er- 
innern. 


Die  Entwickelunssjiesehichte   der  Thiere   des   peripherischen   Typus   ist  '"■  Stiahlen- 

i        •  ••  ii  -liriiTi        formige  Ent- 

noch  ganz  im  Dunkeln,  und  wir  müssen  uns  daher  begnügen,  durch  folgende  Be-  Wickelung 
merkungen  eine  fortgesetzte  Reihe  vou  Beobachtungen  zu  ersetzen,  da  es  hier  an  rudt*nVTy~ 
Gelegenheit  fehlt,  die  Enlwickelung  der  höhern  Slrahlthiere  vollständig  zu  beob-  P"f- 
achten.  So  viel  ist  wohl  als  sicher  zu  betrachten,  dafs  sie  in  diesen  Thieren  kei- 
ner der  beiden  bisher  betrachteten  Eutwickelungsweisen, folgt.  Ich  habe  kleine 
Seesterne  in  Weingeist  gesehen ,  deren  Scheibe  kaum  eine  Linie  im  Durchmesser 
hielt.  Sie  hatten  schon  ganz  die  strahl  ige  Form  der  erwachsenen  Thiere.  Die 
Embryonen  von  Medusen  sind  ziemlich  verschieden  von  den  erwachsenen  Thieren. 
Ihre  Gestalt  ist  glockenförmig.  Sie  scheinen  nämlich  eine  innere  Höhlung  zu  ha- 
ben, die  an  dem  einen  Ende  ausläuft.  Ich  gebe  hier  in  Fig.  9  eine  neue  Abbil- 
dung die  freilich  nur  nach  einer  flüchtigen  Zeichnung  entworfen  werden  konnte, 
weil  die  frühere  Abbildung  im  Deutschen  Archiv  für  Physiologie  .Bd. VIII.  Taf.  I\. 
Fig.  6  durch  den  Kupferstecher  ganz  unverständlich  geworden  ist  und  dem  Texte 
nicht  entspricht,  indem  das  eine  Ende  des  Embryo  nicht  abgestutzt  ist.  Wie  sich 
dieser  glockenförmige  Embryo  in  eine  gewölbte  Scheibe  umwandelt,  habe  ich 
zwar  noch  nicht  vollständig  beobachtet,  indessen  scheinen  nur  zwei  Umwandlun- 
gen denkbar:  entweder  breitet  sich  der  untere  Rand  der  Glocke  aus  und  die  innere 
Höhlung  wird  zur  untern  Fläche,  oder  die  jetzige  innere  Fläche  ist  schon  die  künf- 
tige innere  Fläche.  Dann  mufs  die  äufsere  Wand  peripherisch  stark  zunehmen. 
In  beiden  Fällen  würde  die  Entwickelung  nach  allen  Seiten  ausstrahlend  gleich- 
mäfsi°  fortschreiten.  Dafs  im  peripherischen  Typus  die  Entwickelung  von  der 
Mitte  nach  der  Peripherie  fortschreitet,  wird  auch  durch  die  Entwickelungswei.se 
derjenigen  Thiere  wahrscheinlich,  deren  Leib  nach  dem  Längentypus,  modifi- 
cirt  durch  den  peripherischen  Typus,  gebaut  ist.  Ich  habe  oben  bemerkt,  dafs 
im  Primitivstreifen  der  Krebse  das  vordere  Ende  ringförmig  gebaut  ist,  von  die- 
sem Rillte  aus  £;eht  die  Entwickelung  nach  allen  Seiten  fort,  hier  freilich  durch 
den  Lähgentypus  modificirt,  so  dafs  die  Theile,  die  vor  und  neben  der  künftigen 
Mundöffuun0'  sind,  in  der  Ausbildung  zurückbleiben.  Indessen  lassen  sie  erken- 
nen welche  Form  die  Entwickelung  ohne  diesenEinflufs  haben  würde.  Dasselbe 
scheint  sich  mir  noch  auffallender  aus -Herold 's  Untersuchungen  über  die  Ent- 
wickelungsgeschichte  der  Spinnen  zu  bestätigen,  da  in  der  Spinne  die  vordere 
Hälfte* des  Leibes  auch  strahlenförmig  gebaut  ist,  jedoch  mit,  anderer  Stellung  der 
Mundöffnung. 

Für  Untersuchungen   über   die  Entwickolungsweise   der  Thiere   aus  dem  i.  Entwicke- 
Typus ,  oder  der  Mollusken ,  fehlt  es  zwar  keinesweges  an  Gelegenheit,  a^Tm""« 

mit     mass 
gern  Typus. 


allein  sie  sind  so  schwierig,  dafs  wir  trotz  der  angestrengten  und  sehr  ehrenwer-  "^  T"Jna"j" 


Ii  2 


252 

then  Bemühungen  von  Stiebel,  Carus  und  Pfeiffer  doch  über  die  Bildungs- 
reise der  einzelnen  Theile  fast  nichts  wissen.  Stiebel  dürfte  etwas  zu  viel  be- 
richtet haben,  und  Carus  ist  so  vorsichtig,  dafs  er  uns  über  die  innere  Entwicke- 
lung  nur  wenig  sagt. 

Von  der  Sehnsucht  getrieben,  zu  erfahren,  ob  das  Entwickelungsschema 
dieser  Thierform  von  dem  der  andern  Typen  verschieden  sey,  mufste  ich  mich 
daher  an  eigene  Versuche  wagen,  da  ich  für  die  Beantwortung  dieser  Frage  kaum 
Vermuthuneen  erhalten  konnte.  Zuerst  wendete  ich  mich  an  die  Muscheln,  fand 
nl>er  aufser  der  Schwierigkeit ,  mir  von  irgend  einer  Art  eine  fortlaufende  Reihe 
von  Embryonen  zu  verschaffen,  in  diesen  selbst  mehr  Schwierigkeiten,  als  ich 
erwartet  hatte.  In  den  kleinen  Muscheln  sind,  wenn  die  Schaalen  schon  sehr 
deutlich  und  von  der  merkwürdigen  gleichschenkeligen  Form  sind,  (welche  Ja- 
cob s  o  n  bewogen  hat ,  neuerlich  die  ganz  vernachlässigte  Ansicht  vonRathke 
wieder  aufzunehmen ,  dafs  diese  Thierchen  gar  nicht  die  Brut  der  Muscheln,  son- 
dern Schmarotzer  sind),  wenn  die  beiden  Muskeln  schon  deutlich  erkennbar  sind 
und  die  Schaalen  mit  Kraft  an  einander  ziehen,  alle  übrigen  Theile  noch  so  hell 
und  so  wenig  different,  dafs  ich  sie  wenig  von  einander  unterscheiden  konnte. 
Ich  habe  daher  die  Untersuchung  der  Entwickelung  der  Muscheln  wieder  aufgege- 
ben und  wül  nur  aus  dem  spärlichen  Inbegriffe  meiner  Ausbeute  bemerken :  l)  dafs 
die  in  den  äufsern  Kiemen  befindlichen ,  zweischaaligen  Thierchen  ganz  gewifs 
die  Brut  der  Muschel  sind  und  nicht  Schmarotzer,  denn  die  Kiemen  sind  gefüllt 
wenn  der  Eierstock  entleert  ist,  man  sieht  unter  den  Eihüllen  den  Embryo  sich 
bilden,  sich  bewegen  und  hervorbrechen;  2)  dafs  die  Entwickelung  von  der  Seite 
des  Schlosses  nach  der  enf gegengesetzten  fortzuschreiten  scheint  und  zugleich  von 
vorn  nach  hinten,  wodurch  das  hintere  Ende  erst  später  seine  überwiegende  Länge 
erhält-  3)  dafs  eben  aus  der  oben  erwähnten  Durchsichtigkeit  mit  einiger  Sicher- 
heit sich  folgern  läfst,  dafs  die  Leber  nicht  so  früh  sich  bilde,  als  man  von  den 
Mollusken  zu  erwarten  geneigt  ist  *). 

An  die  Entwickelung  der  Schnecken  mich  wendend ,  fand  ich  auch  hier 
die  Untersuchung  überaus  schwierig  und  meine  abgebrochenen  Versuche  sind 
durchaus  nichts  weniger  als  genügend.  Man  mufs,  weil  der  Embryo  zu  dick  und 
undurchsichtig  ist,  um  seine  innern  Umgestaltungen  ohne  Zergliederung  zu  er- 
kennen, ihn  unter  dem  Microscope  zerlegen.  Eine  Zerlegung  kann  al»er  bei  der 
Kleinheit  und  Zähigkeit  der  Theile  ohne  die  bedeutendsten  Quetschungen  undZer- 


*)   Carus  wurde  durch  Untersuchung  von   jungen  Ascidien    sogar  zu   der    Verinnthung  einer   unge- 
mein späten  Entwickelung  der  Leber  geführt  (Meckel't  dtuttchet  Archiv  Bd.  II.). 


253 

reifsungen  nicht  erreicht  werden.  Eben  deshalb  müssen  die  Versuche  sehr  oft 
■wiederholt  werden,  bis  man  ein  vollständiges  Büd  erhält.  Ich  glaube  jedoch  hin- 
längliche Momente  erlangt  zu  haben,  um  daraus  über  das  Schema  der  Eutwicke- 
luDg  mir  eine  Ansicht  zu  bilden.  Ich  führe  nur  an,  -v^as  zur  Sache  gehört.  Wenn 
ich  hier  und  da  nicht  alles  so  erkennen  konnte,  wie  meine  Vorgänger,  so  mag  der 
Grund  vielleicht  darin  liegen,  dafs  ich  nicht  so  anhaltend  untersucht  habe,  als  sie. 
Indessen  ist  es  natürlich ,  dafs  ich  auf  die  eigene  Beobachtung  fortbaue.  Andre 
mögen  entscheiden ,  ob  und  wo  ich  irrte. 

Dafs  die  Eier  der  Wasserschnecken  durch  ein  äufseres  Eiweifs  mit  einan- 
der verbunden  sind,  jedes  Ei  seinen  Dotter,  (in  seltenen  Fällen  auch  mehrere) 
hat,  dafs  dieser  Dotter  in  einem  flüssigen  Eiweifs  enthalten  ist,  welches  von  einer 
Hülle  umschlossen  wird ,  setze  ich  als  bekannt  voraus. 

Der  kürzlich  gelegte  Dotter  besteht  aus  gröfsern  hellem  Bläschen ,  nebst 
kleinern  punktförmigen  Körnchen,  und  es  scheint  fast,  als  ob  jedes  Bläschen  seine 
Atmosphäre  von  Körnchen  hätte.  Diese  blasige  Masse  bildet  aber  nur  das  Innere 
der  Dotterkugel,  die  äufsere  Hülle  derselben  ist  dichter  und  kleinkörnig.  Carus 
Ijeschreibt  am  eben  gelegten  Dotter  zwei  gegenüberliegende  helle  Stellen,  durch 
welche  die  Axe  der  künftigen  Drehung  bestimmt  werden  soll  *).  Da  man  nun 
später  in  der  Axe  der  Drehung  zwei  Zapfen  hervorragen  sieht,  so  läfst  Carus 
vermuthen ,  ohne  es  jedoch  bestimmt  zu  behaupten ,  dafs  aus  den  hellen  Stellen 
diese  Zapfen  hervorwachsen.  Von  diesen  Verhältnissen  habe  ich  mich  nicht  über- 
zeugen können.  Zwei  hellere  Stellen  konnte  ich  am  frisch  gelegten  Dotter  nicht 
unterscheiden.  Es  schien  mir  nur  eine  da  zu  sejn,  und  oft  ist  auch  diese  sehr  un- 
kenntlich. Wenn  man  nun  das  Ei  unter  dem  Microscope  dreht,  so  sieht  mau  al- 
lerdings, sobald  die  helle  Stelle  nach  unten  liegt,  die  Mitte  des  Eies  wieder  etwas 
heller,  was  aber  daher  zu  rühren  scheint ,  dafs  die  unten  liegende  helle  Stelle  der 
Bekleidung  mehr  Licht  durchläßt,  als  durch  den  Dotter  dringt,  wenn  die  helle 
Stelle  zur  Seite  hegt,  Mein  Zweifel  über  die  zwei  hellen  Flecken  wird  aber  vor- 
züglich durch  eiue  etwas  spätere  Zeit  bestimmt,  wo  das  Ei  noch  ohne  Drehung 
ist  und  ganz  bestimmt  nur  Eine  sehr  deutlich  hellere  Stelle  hat,  die  etwas  aus  dem 
Umfange  des  Eies  hervorragt,  und  zwar  vorzüglich  mit  Einem  Rande.  Bald  dar- 
auffängt nun  das  Ei  au  sich  zu  drehen,  und  die  helle  Stelle  befindet  sich  nicht  in 
der  Axe,  sondern  im  Umschwünge  der  Drehung.     Der  weitere  Verfolg  läfst  dar- 


*)  Von  den  äußern   Lebentbedingungen   der  viei/r-  und   kaltblütigen   Thiere.      Leipzig   1824.    4t». 
Ente  Beilage. 


254 

über  keinen  Zweifel,  dafs  diese  helle  Stelle  die  Sohle  des  werdenden  Thiers  ist, 
und  der  am  meisten  vorspringende  Rand  wird  in  späterer  Zeit  das  Kopfende. 

Schon  die  ungleiche  Färbung  in  der  oberflächlichen  Lage  des  Dotters  läfst 
eine  Keimhaut  oder  einen  Keim  annehmen.  Sollte  es  sich  bestätigen,  dafs,  wie 
Citrus  beschreibt  und  a.  a.  O.  Taf.  I.  Fig.  W.A.  abbildet,  zwei  gegenüberlie- 
gende helle  Stellen  am  Dotter  sind,  so  würde  mau  daraus  schliefen  müssen,  dafs 
der  Keim  an  diesen  Stelleu  erst  später  den  weniger  gefärbten  Dotier  überwächst, 
uud  ich  würde  dann  glauben  müssen,  dafs  es  mir  nicht  gelungen  ist,  eben  geleg- 
ten Laich  zur  Untersuchung  zu  erhalten,  denn  allerdings  habe  ich  nicht  den  Laich 
rou  eingefangenen  Schnecken  bei  mir  in  der  Stube  legen  lassen.  Die  ersten  An- 
lange des  werdenden  Embryo  wären  diese  hellen  Stellen  dann  gewifs  nicht,  das 
lehrt  der  weitere  Verfolg. 

Selbst  wenn  die  Angabe  von  Carus  als  richtig  befunden  werden  sollte,  ist 
doch,  wie  gesagt,  nach  eiu  Paar  Tagen  nur  Eine  helle  Stelle  da,  und  diese  erhebt 
sich  in  schiefer  Richtung  vom  Dotter,  wodurch  ihre  Durchsichtigkeit  für  dieBeob- 
achtung  sehr  vermehrt  wird,  und  diese  hervorgehobene  helle  Stelle  ist  die  erste  An- 
la°e  für  den  am  meisten  animalischen  Theil  des  Thiers.  Der  übrige  Umfang  des 
Keimes  scheint  den  Dotter  noch  ziemlich  eng  zu  umgeben.  Wenn  aber  die  Dre- 
hung schon  deutlich  wird,  erscheint  eine  dunkle  Kreislinie  *) ,  die  allmählig  die 
Dotierkugel  von  einer  äufsern  Hülle,  die  sie  überall  umgiebt,  sondert.  Der  Dot- 
ter nimmt  nun  an  Färbung  ab  und  wird  bedeutend  gröfser.  Die  Bläschen  in  ihm 
siud  vergröfsert,  sehr  deutlich  durch  das  Microscop  kenntlich,  und  scheinen  auch 
an  Zahl  zugenommen  zu  haben,  so  dafs  man  annehmen  mufs,  dafs  sich  allmählig 
durch  Aufnahme  des  Eiweifses  immer  mehrere  von  den  dunklen  Körnchen  des  Dot- 
ters in  Bläschen  umwandeln.  Was  die  Doiterkugel  wie  ein  Sack  umgiebt,  ist  der 
Leib  des  Thiers.  Das  Ganze  hat  eine  unregelmäfsig  runde  Gestalt,  doch  ragt  in 
dem  umgebenden  Sacke  die  früher  erschienene  helle  Stelle  weit  vor.  Etwas  später 
wird  der  Embryo  kahnförmig,  der  in  ihm  liegende  sehr  deutlich  zu  unterschei- 
dende jetzt  mehr  durchsichtige  Dotter,  in  welchem  mau  jedes  einzelne  Bläschen 
erkennt,  nimmt  an  dieser  Gestalt  Anlheil  und  erscheint  nierenförmig.  Der  um- 
gebende Leib  ragt  von  allen  Seiten,  auch  am  hintern,  dem  hellen  Kopfende  ent- 
gegengesetzten Ende  mit  breitem  Saume  (für  die  Ansicht  unter  dem  Microscope) 
über  dem  Dotter  hervor.  Noch  etwas  später  scheint  der  Dotter  ganz  das  hinterste 
'Ende  des  Embryo  einzunehmen.      Dieses  rülirt  zum  Theil  von  der  stärkern  Krüm- 


*)   Eine  Kreislinie  für  jede   Ansicht  durch   das   Microscop,    in  der  That  also   eine  sphärische  Be- 
grenzung. 


255 

mung  des  Embryo  ,  zum  Theil  ist  aber  wirklich  der  Dolter  mehr  nach  hinten  ge- 
rückt. Die  Entwicklungsstufe,  die  ich  jetzt  meine,  weifs  ich  nach  dem  Zeit- 
maafse  nicht  zu  bestimmen.  Sie  fällt  nach  Carus  Darstellunii  auf  den  siebenten 
Tag.  _ 

Es  sind  um  diese  Zeit  und  schon  etwas  früher  zwei  seitliche  Zapfen  in  der 
Axe  der  Drehung  kenntlich.  Ich  habe  mich  auf  das  Bestimmteste  überzeugt,  dal» 
diese  Zapfen  die  seitlich  vorragenden  Ränder  des  Kragens  sind ,  wie  schon  Carus 
vermuthet.  Carus  bemerkt  ferner  gegen  S  t  i  e  b  e  1,  dafs  immer  die  hintere  Hälfte 
des  Enibryo  die  grofszellige  ist.  Das  ist  auch  so  auffallend,  dafs  Stiebel  wohl 
nur  durch  einen  Schreibfehler  zu  der  entgegengesetzten  Aeufserung  gekommen 
seyn  kann.  Diese  Ansammlung  grofser  Zellen  halte  ich  aber  für  eine  Art  von 
Doltersack,  nämlich  für  den  noch  nicht  in  einen  Darm  ausgesponnenen  Theil  des 
Dotters,  denn  es  ist  zuvörderst  augenscheinlich,  dafs  die  Zellen  nicht  in  der  Ober- 
fläche liegen ,  wie  man  aus  einem  dünnen  Saume  erkennt,  der  den  Umfang  der 
grofszelligen  Masse  ümgiebt  und  selbst  aus  einer  eben  so  feinkörnigen  Masse  be- 
steht, als  die  Masse  des  Kopfes  ist;  ferner  hat  der  Umfang  der  grofszelligen  Masse 
im  Innern  des  Leibes  eine  ziemlich  bestimmte  Grenze,  und  endlich  sind  dieZellen, 
oder  vielmehr  Bläschen  vollkommen  den  Bläschen  ähnlieh ,  die  man  vom  Anfange 
an  im  Dotter,  nur  immer  im  Wachsen  begriffen,  erkennt,  sie  sind  auch  von  der- 
selben körnigen  Masse  umgeben.  Endlich  müfste  der  Dotter  ganz  plötzlich  ver- 
schwinden, nachdem  er  lange  an  Masse  zugenommen  hatte ,  wenn  man  ihn  nicht 
in  diesem,  jetzt  im  hintersten  Ende  liegenden  Sacke  wieder  erkennen  wollte. 

Carus  glaubt,  dafs  schon  am  siebenten  Tage  die  hintere  Spitze  des  Em- 
bryo von  einer  Leber  eingenommen  werde.  Ich  habe  mich  hiervon  nicht  über- 
zeugen können,  und  habe  vielmehr  die  Leber  mit  Deutlichkeit  erst  an  schon  aus- 
gekrochenen Schnecken  beobachtet.  Vielleicht  ist  sie  schon  in  der  letzten  Zeit 
des  Lebens  im  Eie,  wo  man  um  den  überall  gebildeten  Darm  eine  weiche  Masse 
erkennt,  an  der  ich  bei  der  Zergliederung  jedoch  keine  bestimmte  Organisation 
unterscheiden  konnte,  während  ich  doch  nach  dem  Auskriechen  die  Gallengänge 
gefunden  zu  haben  glaube.  —  Wenn  die  Schaale  zuerst  als  eine  ganz  durch- 
sichtige Hülle  von  ausgeschiedenem  Eiweilsstoffe  kenntlich  wird,  eine  Bildung, 
die  nach  Carus  auf  den  loten  und  Uten  Tag  fällt,  ist  das  hintere  Ende  des  ge- 
krümmten Leibes  von  derselben  grofszelligen  Masse  ausgefüllt,  wie  früher.  Die 
umkleidende  Haut  scheint  aber  merklich  dünner  geworden  zu  seyn,  indem  ilitnv 
Masse  jetzt  ziemlich  dicht  unter  der  Schaale  liegt.  In  der  Masse  sah  ich  zwei  in 
spitzen  Winkeln  sich  schneidende  Schatten,  die  ich  mir  durchaus  nicht  anders 
deuten  kann,  als  dafs  sich  der  Dottersack  verlängert  und  dafs  die  hintere  blinde 


256 

Spitze  sich  um  sich  selbst  umgeschlagen  hat.  Jetzt  ist  noch  der  Embryo  ziemlich 
symmetrisch,  doch  ragt  das  hintere  umgeschlagene  Ende  der  Dottermasse  ein  klein 
wenig  nach  rechts  vor.  Es  gelang  schon  eine  Zergliederung  mit  spitzen  Nadeln 
unter  dem  Microscope  einigermafsen  und  liefs  einen  engen  vordem  Theil  des  Darm- 
kanales  erkennen,  der  vom  Kopfende  nach  dem  hintern  Ende  fortlief  und  hier  mit 
plötzlicher  Erweiterung,  die  nur  zu  leicht  abreifst,  in  die  großzellige  Masse  über- 
zugehen schien.  Es  ist  mir  nicht  recht  erinnerlich ,  ob  es  schon  um  diese  Zeit, 
oder  wie  es  mir  wahrscheinlicher  ist,  etwas  später  war,  wo  ich  einen  vordem 
Theil  des  Darmes  mit  dem  deutlich  erkennbaren  Magen  ausarbeitete  und  hinter 
dem  Magen  den  Darm  von  der  erweiterten  Stelle  abrifs. 

Es  braucht  kaum  erzählt  zu  werden,  wie  das  hintere  Ende  nun  immer 
mehr  nach  rechts  geschoben  wird  und  sich  aufwindet,  wobei  sich  die  Schaale 
verdickt  und  undurchsichtiger  wird.  In  der  zweiten  Hälfte  des  Edebens  läfst  sich 
der  ganze  Darmkanal ,  der  bis  auf  den  Magen  ziemlich  gleich  eng  ist ,  ausarbeiten. 
Er  liegt  nun  im  hintern  Theile  nicht  mehr  eng  der  äufsern  Bekleidung  an,  son- 
dern zwischen  beiden  ist  eine  sehr  weiche  Masse ,  an  der  ich  keine  Structur  er- 
kennen konnte. 

Man  sieht  leicht  ein ,  was  ich  aus  diesen  Beobachtungen  zu  folgern  geneigt 
bin.  Es  scheint  mir ,  dafs  der  Dotter  von  einem  Keime  umschlossen  wird,  dafs 
dieser  Keim,  wie  überall,  das  künftige  Thier  selbst  ist,  welches  den  Dotter  als 
lYahrungsstoff  umschliefst  und  eben  deshalb  die  ganze  Dotterkugel  nichts  ist,  als 
ein  Embryo  mit  grofser  verdauender  Höhle.  Im  sackförmigen  Keime  erscheint 
entweder  schon  bei  der  Geburt  oder  sehr  bald  nach  derselben  eine  hellere  Stelle, 
durch  welche  man  in  den  Dotter  hineinsieht,  und  welche  dadurch  erkennen  läfst, 
dafs  das  Innere  der  Dotterkugel  weniger  dunkel  ist,  als  der  gröfste  Theil  der  Ober- 
fläche (des  Keimes) ,  und  eben  deshalb  den  Unterschied  zwischen  Keim  und  der 
übrigen  Dotiermasse  bemerklich  macht.  Die  helle  Stelle  ist  mit  dem  Fruchthofe 
in  der  Keimhaut  des  Vogels  in  so  fern  verwandt,  als  diese  einen  eben  solchen  Ge- 
gensatz zu  dem  körnigen  Gefäfshofe  und  Dotterhofe  offenbart,  wie  die  helle  und 
glatte  Stelle  zu  dem  gröfsern  dunklern  und  körnigen  Theile  des  Keimes  im 
Schneckenei.  Darin  ist  aber  ein  Unterschied ,  dafs  in  dem  Fruchthofe  des  Vogel- 
eies der  Embryo  sich  bildet  und  erst  sehr  spät  der  Gefäfshof  in  den  Embryo  mit 
aufgenommen  wird.  In  der  Schnecke  aber  wird  der  dunkle  Theil  des  Keimes 
gleich  anfangs  Leibestheil ,  und  zwar  nicht  ein  umhüllter,  sondern  ein  umhüllen- 
der. —  Der  ganze  sackförmige  Keim  sondert  sich  dann  in  zwei  Hauptschichten, 
eine  äufsere  animalische  und  eine  innere  plastische  Schicht.  Die  letztere  bleibt 
nun  unmittelbare  Hülle  des  Dotters  und  wird  die  Haut  des  verdauenden  Kanales, 

wäh- 


während  sie  sich  von  der  äufsern  löst.     Nur  an  zweien  Stellen  scheint  sie  mit  den 
äufsern  verbunden  zu  bleiben,    den  künftigen  Mund-  und  After«eoenden.      Die 
Hauptmasse  des  Dotters,  die  ich  Dottersack  genannt  habe,    blofs  um  die  sackför- 
mige Gestalt  anzuzeigen,  zieht  sich  nach  hinten  und  rechts  von  dem  hellen  Flek- 
ken  zurück,  wodurch  dieser  immer  mehr  als  die  vorragende  Stelle  kenntlich  wird. 
Es  wird  dadurch  an  den  beiden  Anheftungspunkten  ein  Mund-  und  ein  Aflerdarm 
aus  dem  Dottersacke  gleichsam  ausgesponnen.     Der  mittlere  Theil  der  Schleim- 
hautröhre ist  noch  sackförmig ,   verengt  sich  aber  auch  bald,   indem  er  zugleich 
sich  spiralförmig  aufwindet  und  gegen  die  angrenzende  Gegend  der  .äufsern  Hülle 
andrängt.     Dafs  sich  die  Mitte  des  plastischen  Theiles  mehr  nach  hinten  zieht,  als 
umgekehrt  der  animalische  Theil  sich  nach  vorn  verlängert,   schliefse  ich  aus  dem 
Dünnerwerden  der  äufsern  Hülle  über  der  Darmspirale.     Es  scheint  in  der  That, 
als  ob  das  Bild,  das  Cu vier  gebraucht,   wenn  er  uns  den  Bau  der  gewundenen 
Schnecken  anschaulich  macht,   indem  er  sagt,   ihre  plastischen  Organe  lä<*en  so, 
als  ob  sie  einen  Bruch  bildeten,    durch  die  Entwickelungsgeschichte  vollkommen 
gerechtfertigt  würde.     Es  hat  ferner  das  Ansehn ,   als  ob  um  diese  Zeit  die  ersten 
Windungen  der  Schnecke,  wenn  die  Schaale  sich  zu  bilden  anfängt,   von  der  Spi- 
rale des  Darmes  ganz  ausgefüllt  wären.      Wenn  nun  aber  später  der  Darm  auch 
in  dieser  Gegend  sich  verengt,    so  kann  er  die  Schaale  nicht  mehr  ganz  ausfüllen, 
er  nimmt  eine  andere  Gestalt  an,   und  dadurch  wird  vielleicht  der  Absatz  der  fast 
ungeformten  Masse  veranlafst,    die  man  in  späterer  Zeit  des  Embryouenlebens  in 
der  Spitze  der  Schaale  bemerkt. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dafs  die  Bildungsweise  der  nackten  Schnecken 
etwas  abweichen  mufs.  Der  Hauptunterschied  läfst  sich  darin  vermuthen ,  dafs 
die  Darmspirale  weniger  gegen  die  äufsere  Hülle  andrängt.  Deswegen  bleibt  auch 
der  äufsere  oder  animalische  Theil  mehr  symmetrisch,  denn  offenbar  sind  es  die 
plastischen  Organe,  welche  die  Spirale  der  äufsern  Form  erzeugen.  Einen  solchen 
Einflufs  der  plastischen  Organe  auf  die  äufsere  Form  finden  wir  sonst  nirgends. 
In  den  andern  Typen  ist  der  animalische  Theil  durchaus  der  bestimmende,  in  den 
Mollusken  der  plastische. 

Ich  mufs  das  Wenige  an  den  Schnecken  beobachtete  vorläufig  für  die  ganze 
Heihe  der  Thiere  des  massigen  Typus  gelten  lassen,  da  ich  von  der  innern  Bil- 
dung der  Muscheln  noch  gar  nichts  Zusammenhängendes  berichten  kann. 

Doch  schon  hiernach  schein*  jeder  Haupttypus  der  thierischen  Organisa-    k.  Vergjei- 
tion  ein  besonderes  Schema  der  Entwicklung  zu  befolgen,    was  freilich  sich  nicht  ve"*"hiede 
anders  erwarten  läfst,  da  die  Art  und  Weise,   wie  die  Theile  an  einander  gefügt  ne»  Eniwik- 
sind,  nur  das  Resultat  der  Gestaltungsweise  seyn  kann.     Im  Grunde  hätte  ich  also  roen?*8 

Kk 


258 

die  Ausdrücke  Typus  und  Schema  mit  einem  gemeinsamen  vertauschen  können. 
Ich  habe  sie  nur  aus  einander  gehallen,  um  eben  dadurch  recht  anschaulich  zu 
machen,  dafs  jede  organische  Form,  in  Hinsicht  des  Typus,  das  was  sie  ist, 
durch  die  Art  der  Bildungsweise  wird.  Das  Schema  der  Entwicklung  ist  nichts 
als  der  werdende  Typus,  und  der  Typus  das  Resultat  des  Bildungsschema.  Eben 
deshalb  ist  der  Typus  erst  ganz  zu  verstehen  aus  seiner  Entwickelungsweise. 
Diese  bringt  in  die  ursprünglich  nach  den  wesentlichen  Verhältnissen  überein- 
stimmenden Keime  Verschiedenheit.  Es  müssen  verschiedene  Bedingungen  oder 
bildende  Kräfte  auf  die  Keime  einwirken,  um  diese  Mannigfaltigkeit  zu  erzeugen, 
worüber  wir  später  ein  Paar  Fragen  aufwerfen  wollen. 

i.    lieber-  Hier  schliefsen  wir  aber  noch  die  Bemerkung  an,  dafs  die  ursprüngliche 

einstimmen-  Uebereinstimuiuns   aller  thierischen  Keime   auch   in  den   ausgebildeten  Formen 

ncs   in  allen  o  _     o 

Entwicke-     nicht  ganz  schwindet  und  dafs  wir  den  tiefsten  für  uns  erreichbaren  Unterschied 
men.  der  Thierformen  in  der  Entwickelungsweise  aufzusuchen  haben. 

Was  die  ursprüngliche  Uebereinstimmung  anlangt,  so  erinnere  ich,  dal 's 
nach  dem  Corollarium  des  zweiten  Scholions  jedes  Thier  zuvörderst  ein  Theil 
seiner  Mutter  ist,  dafs  es  selbstständig  wird,  entweder  durch  unmittelbare  Ent- 
wickelung  der  Mutter  selbst,  oder  nach  Einwirkung  eines  männlichen  Princips, 
und  dafs  dann  der  erste  Act  der  Selbstständigkeit  darin  besteht,  in  eine  Blasenform 
überzugehen  ,  indem  entweder  das  Ganze  der  Leib  des  neuen  Thiers  ist,  oder  der 
werdende  Leib  (der  Keim)  sich  von  einem  blofs  ernährenden,  von  ihm  um- 
schlossenen Stoffe  trennt.  Hier  theilen  sich  Thier  und  Pflanze,  da  die  Pflanze 
den  ernährenden  Stoff  nicht  umschliefst.  Die  Blasenform  ist  also  der  allge- 
meinste  Character  des  Thiers,  der  Gegensatz  von  äufserer  und  innerer  Fläche 
der  allgemeinste  und  also  wesentlichste  Gegensatz  im  Thiere.  (Vergl.  oben 
Schob  V.  §.  4.  d.) 

Es  bleibt  noch  ferner  eine  Uebereinstimmung  zwischen  allen  Entwicke- 
luugsformen.  In  allen  Thieren  nämlich  ,  welche  einen  Keim  und  einen  Dotter  in 
früher  Zeit  haben  ,  scheidet  sich  der  umgebende  Keim  in  mehrere  Schichten ;  die 
dem  Dotter  zugekehrte  ist  die  plastische,  aufnehmende,  die  von  ihm  abgekehrte 
die  mehr  animalische,  wenn  auch  die  äufserste  Grenze  derselben  nur  Grenzorgan 
wird,  und  sich  mehr  oder  weniger  mit  einer  ausgeschiedenen  nicht  lebendigen 
Schicht  bekleidet.  Dafs  nun  das  Gefäfssj\stem ,  wenn  es  anders  von  der  ver- 
dauenden Höhle  geschieden  ist,  sich  nach  aulsen  von  ihr,  dem  animalischen 
Theile  näher  bildet,  dafs  im  animalischen  Theile  Muskeln,  Nerven  u.  s.  w.  sich 
trennen,    scheint  ebenfalls  noch  der  Idee  des  Thiers  überhaupt  anzugehören,  uud 


259 

je  weiter  diese  histologische  Sonderling  geht,   desto  mehr  ausgebildet  nennen  wir 
ein  Thier. 

Davon    ganz   verschieden   ist   aber  das  Lagerungsverhältnifs  der  Theile.     ">.  Haupt 
Dieses  wird  durch  die  äufsere  Form  der  Entwickelung  bestimmt.  heften  d«Q 

Wir  haben  vier  Hauptformen  oder  von  uns  sogenannte  Schemata  der  Ent-  Entwi,cke- 

*  °  liingsfor- 

wickelung  unterschieden.  men. 

Die  strahlenförmige  Entwickelung   (evolutio  radiata),    welche  von  einem 

Mittelpunkte  aus  das  Gleichnamige  peripherisch  wiederholt. 
Die  gewundene  Form  der  Entwickelung   (evolutio  contorta~)}    welche  das 

Gleichnamige  um  einen  Kegel  oder  andern  Raum  dreht. 
Die  symmetrische  Entwickelung  Qevolutio  gemina*),  die  das  Gleichnamige 
von  einer  Axe  zu  beiden  Seiten  bis  zu  einer  der  Axe  gegenüberliegenden 
Schlufslinie  vertheilt. 
Die  doppelt  symmetrische  Entwickelung  (evolutio  bigemina)}  die  von  einer 
Axe  aus  das  Gleichnamige  von  beiden  Seiten  aus  nach  oben  und  unten  ver- 
theilt und  in  zwei  Schlufslinieu  zusammenführt,   so  dafs  die  innere  Schicht 
des  Keimes  unten  und  die  obere  Schicht  desselben  oben  umschlossen  wird. 
Wir  wissen,    dafs  in  den  höhern  Wirbelthieren  der  Keim  sich  bald  in 
zwei  Theile  sondert:    einen  innern,    den  man  insbesondere  den  Embryo,    und 
einen  äufsern,   den  man  die  Keimhaut  nennt.     Ich  habe  schon  bemerkt,    dafs 
jener  nichts  ist ,  als  ein  Theil  des  Keimes ,  der  sich  nach  dem  jedem  Thiere  eigen- 
thümlichen   Schema  der  Entwickelung  umbildet,    während  der   peripherische 
Theil  in   der  Entwickelung  zurückbleibt.      Iu  Säugethieren ,    Vögeln   und  den 
Reptilien  ist  der  mittlere  Theil  nur  klein  gegen  den  äufsern  und  er  umwächst  all- 
mählig  den  Dotter,  die  Schlufslinie  der  Bauchseite  bildend.     Im  Frosche  ist  zwar 
der  äufsere  Thed  des  Keimes  sehr  dick ,   doch  ist ,   glaube  ich ,    eine  Sondertmg 
in  Embryo  und  Keimhaut  nicht  zu  läugnen ,    denn  der  mittlere  Theil  ist  in  dem 
Augenblicke,    wo  sich  der  Rücken  schliefst,  noch  sehr  viel  dicker,  und  die  Ab- 
grenzung  ist  ziemlich  scharf  zwischen  den  Bauchplatten  und  dem  einen  äufsern 
Theüe,  den  ich  für  die  Keimhaut  ansehe.    Die  erstem  wachsen  gegen  die  Schlufs- 
linie des  Bauches  zusammen.     Eben  so  schien  es  mir  in  ganz  jungen  Barschen, 
wo  die  Keimhaut  viel  dünner  und  durchsichtiger  ist.     Ich  sah  neben  dem  Stamme 
der  Wirbelsäule  ein  Paar  sehr  schmale  dunklere  Streifen  als  werdende  Bauch- 
platten.    Aus  diesem  Grunde  kann  man,  glaube  ich,  von  den  Wirbelthieren  all- 
gemein sagen,   dafs  der  Embryo  mit  seinen  Bauchplatten  den  Dotter  umwachsen 
wird,    obgleich  dieser  schon  früher  von  der  Keimhaut  umhüllt  ist.     In  den  ge- 
gliederten Thieren  ist  es  eben  so.     Ihre  Seitenplalten  sind  durch  Dicke  von  der 

Kk  2 


s 


260 

ei »entlichen  Keimhaut  deutlich  unlerschieden ,  sie  umwachsen  auch  den  Dotter. 
In  den  Mollusken  aber  scheint  dtv  ganze  Keim  sich  gleichniäfsig  zu  verändern. 
Man  darf  von  ihnen  daher  nicht  sagen,  dafs  der  Embryo  den  Dotier  umwächst, 
sondern  richtiger,  dafs  er  vom  Augenblicke  der  Befruchtung  an  umhüllend  bleibt  ; 
denn  eine  Sonderung  des  Keimes  in  Embryo  und  Keimhaut  ist  nicht  kenntlich, 
vielmehr  wird  der  ganze  Keim  Embryo.  Dasselbe  würde  höchst  wahrscheinlich 
im  strahlten  Typus  Statt  finden,  wenn  eine  Thierform  aus  dieser  lieihe  sich  aus 
einem  wahren  Eie  entwickeln  sollte,  worüber  es  an  aller  Erfahrung  fehlt*). 
Wenn  alle  aus  blofsen  Keimkörnern  werden  sollten,  so  ist  das  Verhältnifs  noch 
augenscheinlicher ,  da  ja  ein  Keimkorn ,  so  vitl  wir  wissen ,  sich  ganz  entwickelt 
und  nichts  ist,  als  ein  Keim  ohne  Dotter. 

Wir  dürfen  hierbei  ein  interessantes  Verhälliiil's  nicht  übersehen.     In  den- 
jenigen Eiern,    in  welchen  der  Keim   sich  deutlich  in  einen  Embryo  und  eine 
Keimhaut  sondert,  ist  es  der  animalische  Theil  des  Embryo,  der  diese  Sonderung 
bedingt.     Der  animalische  Theil  ist  es,   der  so  stark  wächst,   dafs  man  die  Ab_ 
jjueazuaa  des  Embryo  gegen  die  Keimhaut  erkennt.     Erst  wenn  er  die  ganze  Form 
des  Thiers  bedingt  hat,    scheint  der  plastische  Theil  eine  gewisse  Selbstständig- 
keit zu  erhalten,    die  in  den  gegliederten  Thieren  sich  öfters  nur  auf  Abtrennung 
beschränkt  und  dann  tue  einzelnen  Organe  hervortreten  läfst,    in  den  Wirbel- 
thieren  alier  doch  so  viel  Macht  erhält,   dafs  sich  das  plastische  System  unsym- 
metrisch ausbildet.      Von  der  Einwirkung  des  plastischen  Theiles  auf  den  ani- 
malischen ist  kaum  hie  und  da  eine  Spur  zu  erkennen.      Anders   ist  -es   in  den 
Mollusken.     Der  plastische  Theil  wird  sehr  früh  selbstständig  und  er  wirkt  be- 
stimmend auf  die  äufsere  Form.     Man  sieht,   wie  der  wesentliche  Character  des 
Thieres  sich  sehr  früh  offenbart  und  wird  es  in  der  Entwicklungsgeschichte  be- 
gründet finden ,    dafs  die  Mollusken  auf  den  Namen  der  plastischen  Thiere  An- 
sprüche  machen  dürfen.      Man   wird  hiernach    auch   besser  beurtheilen,    mit 
welchem  Hechte  man  die  Mollusken  mit  dem  vegetativen  Abschnitte  des  Leibes 
der  Wirbelthiere  vergleichen  kann,   nach  dem  vorwaltenden  Character  nämlich, 
nicht  nach  der  Summe  aller  einzelnen  Theile.     In  den  Mollusken  nämlich  ist  auch 
ein  relativ  animalischer  Thed,   der  die  ganze  Peripherie  einnimmt  und  in  der 
Sohle  der  Gasteropoden  am  meisten  ausgebddet  ist.      Sie  sind  im  Vergleich  zu 

*)   Es  kann  kaum  etwas  für  die  Entwickelungsgeschichte  jetzt  interessanter  seyn  ,   als  die  Beob 
achtnng  der  Entwickelung  der  Seesterne  und  nächst  diesen  der  Cephalopoden.     Nach  Cavo- 
lini   sollen  diese  einen  aus  dem  Munde  heraushängenden  Dottersack  haben    {Abhandt.   über 
die  Erzeugung  der  Fische  und  Krebft,    übers,  von  Zimmermann,  1792.  S    54),  was  schwer 
zu  begreifen  ist. 


261 

andern  Tliieren  lebendige  Bäuche,  allein  da  diese  Bäuche  sich  selbständig, 
ohne  Eiuüuls  eines  höher  gebildeten  animalischen  Theiles  entwickeln,  so  haben 
sie  doch  auch  einen  Theil ,  der  für  sie  mehr  animalisch  ist ,  und  das  ist  derjenige, 
der  die  äufsere  vom  Dotter  abgekehrte  Fläche  ihres  Keimes  ursprünglich  bildete. 

In    allen   vier  Formen   verändert  dre  dem  Dotter  zugekehrte  Fläche   des 
Keimes  ihre  Lage  zu  demselben  nicht,  sondern  behält  dieselbe  und  wird  die  ver- 
dauende Fläche   des  ausgewachsenen  Thiers.      In   allen  Formen  ist   ferner   das 
Peripherische  des  ausgewachsenen  Thiers    die  äufsere   dem  Dotter   abgekehrte 
Fläche  des  Keimes.     Deswegen  glaubte  ich  oben  mit  Recht  behaupten  zu  können, 
dafs  es  das  Verhällnils  zum  Dotter  ist,   welches  im  Keime  die  primäre  Sonderling 
in  eine  animalische  und  eine  plastische  Schicht  erzeugt.  —     Aber  nicht  in  allen 
Thieren  bleibt  die  ganze  äufsere  Lage  des  Keimes  äufserlich.      In  den  Wirbel- 
thiereu  wird  durch  die  eine  Hälfte  der  doppelt  symmetrischen  Entwickelung  ein 
Theil  der  äufsersten  Fläche  umschlossen  und  verwandelt  sich  in  die  Nervenröhre, 
das  Rückenmark  mit  dem  Hirne,    Theile,  welche  daher  nothwendig  den  andern 
Typen  fehlen  müssen.     Ich  möchte  hieran  recht  anschaulich  machen,  wie  es  das 
Schema  der  Entwickelung  ist,   welches  den  Hauptcharacter  des  Thiers  erzeugt. 
Nehmen  wir  an,  dafs  in  irgend  einem  Glieder thiere,  welches  im  Momente  seiner 
frühesten  Bddung  begriffen  ist,    ein  Thed  des  Keimes  von  beiden  Seiten  sich 
erhöbe  und  dadurch  einen  Theil  der  äufsern  Fläche  umschlösse,   so  würde  der 
umschlossene  Theil  ein  animalischer  Centraltheil  seyn.     Dann  würden  die  inuern 
Urgane  alle  im  Verhältnils  zu  ihm  wie  im  Wirbelthiere  liegen,    die  plastischen 
Nerven   ausgenommen,    welche   durch  den    Einilufs   des   animalischen  Nerven- 
systems diesem  letzten  in  den  Wirbel  thieren  genähert  scheinen.     Im  Verhällnils 
zur  Aufsehwelt  aber  lagen  alle  inuern  Theile  umgekehrt,  da  der  Centraltheil  selbst 
nach  unten  liegen  würde.      Wollten  wir  das  Thier  umkehren,    so  würden  alle 
äufsern  Thede  im  Verhällnils  zur  Aufsenwelt  verkehrt  liegen,    die  Extremitäten 
und  die  Sinnesorgane,    und  vorausgesetzt,    dafs  die  Streckseiten  und  Beugeseiten 
sich  nicht  durch  den  Hinzutritt  des  neuen  Centraltheiles  umgekehrt  hätten ,  auch 
diese.     Hieraus  schliefsen  wir  nun  zurück,  dafs  durch  das  Auftreten  eines  Central- 
theiles für  den  animalischen  Leib  zwar  die  Lage  der  plastischen  Organe  unver- 
ändert geblieben    ist  und  ihr  Verhältnis  zu  der  nächsten  animalischen  Schicht, 
das  Verhällnils  zur  Aufsenwelt  aber  und  alles,  was  dieses  Verhältnifs  im  Körper 
repräsentirt,   sich  umgekehrt  hat.     Im  erstem  Falle ,   wo  der  Fortgang  der  Ent- 
wickelung einfach  symmetrisch  ist,   wird  die  Centrallinie ,    von  der  sie  ausgeht, 
ßeugeseite  des  Thiers ;  bei  doppelt  symmetrischer  Entwickelung  wird  die  Seite, 
von  der  sie  ausgeht,  Streckseite.     Nach  der  Beugeseite  hin  entwickeln  sich  die 


262 

Extremitäten  und  die  Fufswerkzeuge.  Schon  dadurch  erweist  sie  sich  als  die 
dem  Planeten  in  ihrer  tiefsten  Bedeutung  zugekehrte.  Nach  der  Streckseite ,  der 
vom  Boden  abgekehrten ,  bilden  sich  die  Sinneswerkzeuge  aus. 

Ich  habe  dieses  Corollarium  mit  der  Bemerkung  begonnen ,  dafs  man  nach 
der  Eulwickelungsweise  die  Thiere  eintheilen  sollte,  und  ich  habe  ausführlich 
genug  gezeigt,  dafs  die  Haupttypeu  ihre  eigene  Form  der  Eutwickelung  haben. 
Nur  mit  ein  Paar  Worten  erlaube  ich  mir  noch  hier  anzudeuten ,  dafs  wir  in  der 
Entwicklungsgeschichte ,  wenn  wir  sie  genau  genug  für  die  verschiedenen 
Klassen  und  Familien  der  Thiere  kennten ,  wolü  den  sichersten  Wegweiser  auch 
für  die  weitere  Eintlieilung  erhalten  würden.  Haben  wir  diese  im  Auge,  so 
werden  wir  die  wahren  Insecten  leicht  für  eine  höhere  Stufe  der  Ausbildung 
erkennen,  als  die  Arachniden  und  Crustaceen.  Wir  werden  die  Batrachier  für 
verschieden  genug  halten,  um  sie  mit  Blainville  von  den  Reptilien  als  be- 
sondere Klasse  zu  scheiden  —  und  was  haben  sie  denn  mit  diesen  anderes 
gemein ,  als  dafs  sie  keine  Fische ,  keine  Vögel ,  oder  Sa'ugethiere  sind  ? 


263 


Scholion     VI. 

Allgemeinstes       Resultat. 


Ueberblicken  -wir  den  Inhalt  sämnitlicher  Scholien ,  so  geht  aus  ihm  ein 
allgemeinstes  Resultat  hervor.  Wir  fanden,  dafs  die  Wirkung  der  Zeugung  darin 
besteht ,  einen  Theil  zu  einem  Ganzen  zu  erheben  (Schob  II.).;  dafs  in  der  Ent- 
wicklung die  Selbstständigkeit  im  Verhältnifs  zu  seiner  Umgebung  wächst 
(Schob  II.) ,  so  wie  die  Bestimmtheit  seiner  Gestaltung  (Schob  I.) ;  dafs  in  der 
innern  Ausbildung  aus  allgemeineren  Theden  speciellere  sich  hervorbilden  und 
deren  Besonderheit  wächst  (Schob  IIb) ;  dafs  das  Individuum  als  Inhaber  einer 
bestimmten  organischen  Form  allmählig  aus  allgemeineren  Formen  in  die  mehr 
besonderen  übergeht  (Schob  V.),  und  können  nun  das  allgemeinste  Resultat  der 
Untersuchungen  und  Betrachtungen  wohl  so  aussprechen : 

Die  Entwiclelungsgeschichte  des  Individuums  ist  die  Geschichte  der  wachsen- 
den Individualität  in  jeglicher  Beziehung. 
Dieses  allgemeinste  Resultat  ist  freilich  so  einfach ,  dafs  es  keines  Beweises  durch 
Beobachtung  zu  bedürfen,  sondern  a  priori  erkannt  werden  zu  müssen  scheint. 
Allein  wir  glauben,  dafs  diese  Einfachheit  nur  das  Gepräge  der  Wahrheit  und 
eben  deshalb  auch  Bürge  derselben  ist.  Hätte  man  das  Wesen  der  Eutwickelungs- 
geschichte  von  vorn  herein  so  erkannt,  wie  wir  es  eben  ausgesprochen  haben, 
so  hätte  man  daraus  auch  deduciren  können  und  sollen,  dafs  das  Individuum 
einer  bestimmten  Thierform  diese  erreicht,  indem  es  aus  einer  allgemeinern  in 
die  besondere  übergeht.  Allein  die  Erfahrung  lehrt  überall,  dafs  die  Deductionen 
immer  sicherer  werden,  wenn  ihre  Resultate  vorher  durch  die  Beobachtung 
ermittelt  sind.  Der  Mensch  müfste  ein  noch  gröfseres  geistiges  Erbtheil  erhalten 
haben,  als  er  wirklich  besitzt,  wenn  es  anders  seyn  sollte. 

Hat  aber  das  eben  ausgesprochene  allgemeinste  Resultat  Wahrheit  und 
Inhalt,    so    ist    es  Ein  Grundgedanke,    der  durch    alle  Formen  und  Stufen  der 


264 

tluerischen  Entwicklung  geht  und  alle  einzelnen  Verhältnisse  beherrscht  Der- 
selbe Gedanke  ist  es,  der  iru  Welträume  die  vertheilte  Masse  in  Sphären  sam- 
melte uud  diese  zu  Sonnensystemen  verband,  derselbe,  der  den  verwitterten 
Staub  an  der  Oberfläche  des  metallischen  Planeten  in  lebendige  Formen  her- 
vorwachsen  liefs.  Dieser  Gedanke  ist  aber  nichts  als  das  Leben  selbst,  und  die 
Worte  und  Sylben,  in  welchen  er  sich  ausspricht,  sind  die  verschiedenen 
Formen  des  Lebendigen. 


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265 


Erklärung    der    Abbildungen. 


Tafel    I.    und    IL 

Die    beiden    ersfen   Tafeln    enthalten  Abbildungen    von  Durchschnitten    des  Hühner  - 
Embryo  aus  der  ersten  Zeit  der  Bebrütung,    und  sollen  anschaulich  machen,    wie  ein  Theil  des 
Keimes  sich   in  den  Embryo   umwandelt.      Sämmtliche  Abbildungen  sind    ungefähr   sechsmal 
vergröbert.       Die    Durchschnitte    sind    theils    Längsdurchschnitte,     theils    Queerdurcl.chnittl 
Jm  Allgemeinen   ist  der  Gesichtspunkt  immer  im  Auge   behalten  worden      alle  Theile   in   ,] 
gegenseitigen  Lage  darzustellen.      Indessen  würde   eine   zu  strenge  Befolgung  dieses  Grundsatzes 
dem  Zwecke  der  Abbildungen,    der  möglichsten  Deutlichkeit,   nicht  entsprochen  haben        De/ 
wegen  ist    1)  in  den  Längsdurchsclmitten  auf  die  vom  dritten  Tage  an  auftretende  Krümmuno 
des  Kopf -und  Schwanzendes   nach  der  Seite  nicht  Rücksicht  genommen,    sondern  die  Mittel 
flache    des  Körpers    ist   als    eine   Ebene    angesehen.      Eben    so   ist     2)    in   allen    diesen  Durch 
schnitte«  der  Harnsack  als  in  der  Mittelfläche  des  Körpers  gelegen  betrachtet,  und  auch  das  Herz 
mi1   seinen   einzelnen  Theilen.      Endlich  sind    3)    die   späteren  Embryonen  vom  dritten  Ta«e  an 
ein  wenig  aus  der  Krümmung  gezogen,    jedoch  so,    dafs  der  Embrvo   des  fünften  Tan  es  immer 
mehr  gekrümmt  erscheint,    als   der  des  vierten,    und   dieser  mehr  als  der  dreitägige     wo  dürr  h 
as  gegenseitige  \  emaltnils  weniger  gestört  ist. 

In  allen  Abbildungen  ist  die  Dotterhaut  durch  eine  punktirte  Linie,  che  Keimhaut 
durch  drei  versclueden  gefärbte  Linien  angedeutet,  indem  das  Schleimblätt  gel«  das  Gefäfs 
blatt  roth  und  das  seröse  Blatt  schwarz  gefärbt  ist.  Dieselben  Farben  sind  in'den  Theilen  bei 
behalten-,  in  welche  sicli  die  Keimhaut  umwandelt.  Wo  aber  der  Schnitt  auf  ein  wirkliches 
Blutgeials  trifft,  ist  dieses  durch  Zinnober  angedeutet,  während  das  Gefafsblatt  als  solches  mit 
Carrnin  gezeichnet  ist.  Im  das  später  sich  findende  Körpervenensystem  von  den  Dottervenen 
(die  zum  Pfortadersystem  gehören)  zu  unterscheiden,  sind  die  erstem  blau  gezeichnet  Die 
DottergeMse  sind  aber  mit  Zinnober  gefärbt,   sie  mögen  Arterien  oder  Venen  seyn 

{"»  de»  Zusammenhang  der  Gefäfse  verständlicher  zu  machen,  sind  auch  seitliche 
Gefafse  angegeben.  Diese  sind  aber  nicht  durch  ausgezogene,  sondern  durch  punktirte  Linien 
angedeutet,  damit  das  Auge  sich  sogleich  bei  der  Ansicht  Orientiren  möge  über  das  was  in 
der  Mittelebene  und  was  aufser  ihr  liegt.  In  den  Längsdurchschnitten  konnten  Rückenmark 
und  Kuckenplatten  nicht  unterschieden  werden,    ohne  der  Deutlichkeit  zu  schaden. 

LI 


266 

Die  Längsdurchschnitte  sind  mit  römischen  Ziffern  bezeichnet,  die  ihnen  entsprechen- 
den Queerdurchschnitte  mit  arabischen  Ziffern  desselben  Werthes.  Die  Buchstaben  für  die 
Bezeichnung  der  einzelnen  Theile  sind  nicht  in  allen  Abbildungen  sämmtlich  aufgeführt ,  um 
diese  nicht  durch  Ueberladung  undeutlich  zu  machen ,  alle  Längsdurchschnitte  haben  aber  über- 
einstimmende Bezeiclmung ,  eben  so  die  Queerdurchsclmitte  eine  zweite ,  so  dafs  die  Bezeich- 
nung in  einer  Figur  leicht  auf  die  andere  übertragen  werden  kann,  besonders  da  die  Figuren  so 
gestellt  sind,    dafs  sie  sich  leicht  gegenseitig  erläutern. 

Die    Tafel  I.    giebt  DurchscJuiitte  aus    der  ersten  Periode,    oder   den  beiden  ersten 

'Ingen    der  Bebrütimg,    die     Tafel    II.    aus  der  zweiten   Periode,     oder  den  drei   folgenden 

Tagen  ,    und  zwar  ist 

Fig.  I.   Längsdurchsclinitt   1  ,■»»■.,    , 

jr-      .      n.         j      1     i     -^    r  aus  der  illitte  (oder  etwas  später)  des  ersten  Tages. 

rig.  1.    Queerdurchsclinitt  J  r        v  o 

Fig.  II.    Längsdurchsclmitt   '■ 

jp.      ri     r\         j       i     i    -^    r  aus  der  zweiten  Hälfte  des  zweiten  Tages. 

rig.   2.    Queerdurchsclinitt  j  °   . 

Fig.  III.    Längsdurchschnitt  1 

Fig.  3.    Queerdurchsclmitt     /aUS  dem  ***"**  deS  ZWeiten  TaSeS- 

KB.    Die  Nebenfigur  3'  giebt  die  Ansicht  von  der  Rückenseite  des  Embryo. 

Fig.  IV.    Längsdurchsclmitt  "1  , 

tt-      ,      r\         j       i      i     -^      r  aus  der  Mitte  des  zweiten  Tages. 

rig.  4.    l^ueerdurchschnitt    J 

Fig.  V.   Längsdurchsclmitt    |  _ 

E,.      _     ^         iii.       ^  aus  dem  linde  des  zweiten  lages. 

rig.  5.   Queerdurchsclmitt  j  ° 

Fig.  VI.   Längsdurchschnitt  aus  dem  dritten  Tage. 

Fig.  6'  und  6     Queerdurchsclmitte  von  Embryonen  desselben  Tages.      6*  zeigt  einen  frühern, 

6     einen  spätem  Bildungsmoment. 
Fig.  VII.    Längsdurchschnitt  aus  dem  vierten  Tage. 
Fig.  7   und  7     Queerdurchsclmitte  aus  derselben  Zeit ,    und  zwar  ist  7    eine  frühere  ,    7"  eine 

spätere  Bildung. 

Fig.  VIll.    Längsdurchsclmitt  1  ,         ,.     ,.        _ 

,..„,-.  ,       ,     ,     .  ?    aus  dem  Hüllten  läge. 

rig.  8.    Queerdurchsclinitt 

INB.  Damit  die  Queerdurchsclmitte,  wenn  man  sie  in  der  Reihe  betrachtet,  die  all- 
mälilige  Fortbildung  erläutern  ,  sind  sie  vom  dritten  und  vierten  Tage  sämmtlich  aus 
derjenigen  Gegend  des  Leibes  gewählt ,  in  welcher  der  Darm  noch  nicht  geschlossen 
ist.  Aus  denselben  Embryonen  würden  Queerdurchschuitte  in  dem  vordersten  oder 
hintersten  Theil  des  Leibes  ein  ganz  anderes  Ansehn  gewähren.  Fig.  8.  ist  als  ein 
Schnitt  dicht  hinter  dem  Dottergange  zu  betrachten. 
Jn  allen  Längsdurchsclmitten  wird  bezeichnet  durch: 

A   der  Rand  der  Keimhaut. 

B   die  Grenze  des   Gefäfsblattes  derselben.      In  späterer   Zeit   bezeichnet    B   zugleich   den 
Durchschnitt  der  Grenzvene. 

C  die  Dotterhaut. 

D   die  Eischaalenhaut. 

E   die  Centralhölile  im  Dotter. 


267 

F   der  aufsteigende  kanal  aus  derselben. 
G    der  Hügel  der  Keimschicht. 
H  der  weifse  Rand  desselben. 
/,    Ä",    L   die  Halonen. 

a    das  vordere  Ende  der  Wirbelsaite. 

h    das  hintere  Ende  derselben. 

a  b   die  Wirbelsaite. 

c   das  vordere  Ende  der  Rückenplatte. 

c  b   die  Rückenplatte. 

d  das  vordere  Ende  des  Speisekanals  ;    später  die  MundöiFnung. 

e    der  Athmungsapparat. 

NB.     In  Fig.  VI.  ,    wo    der   Atiunungsapparat   Mos    seitlich   hervorgetreten    ist ,     niclil 
nach  unten,   findet  sich  dieser  Buchstabe  in  Klammern  eingeschlossen 

/  der  Magen.   - 

g   der  vordere  Eingang  in  den  Speisekanal. 

//   der  GaUengang. 

/  die  Leber. 

k   der  hintere  Eingang  in  den  Speisekanal. 

g  k   die  Darmrinne,    oder  der  nicht  geschlossene   fheil  des  Darmes. 

/   der  Mastdarm. 

m   der  Harnsack. 

n   die  Blinddärme. 

NB.     In  Fig.  VII.   ist   dieser  Buchstabe   in  klammern  eingeschlossen  ,    weil   die  Blind- 
därme nur  seitlich  hervorragen. 

o    das  hintere  Ende  des  Speisekanals;   später  die  AfterörT'miug  vom  Embryo. 

p    der  Umschlag  der  keimhaut  beim  Uebergange  in  die  kopf  kappe. 
Nach  der  Trennung  derselben  in  zwei  Lagen  ist  : 

p    die  Unibeugung  des   serösen  Blattes  ,    und  p  die  Umbeugung   des  Gefäls  -    und  Schleim- 
%  Mattes. 

q    die  Umbeugung  der  Iveimhaut  beim  Uebergange  des  Embryo  in  die  Scliwanzkappe. 

r    der  vordere  Rand  der  köpf  kappe,  oder  derUebergang  derselben  in  die  übrige  keimhaut 

r     die  Stelle  des  serösen  Blattes  ,    die  sich  von  hier  gelöst  hat. 

p  r   die  kopfkappe. 

s   der  hintere  Rand  der  Schwanzscheide,   oder  Uebergang  derselben  in  die  übrige  Keimhaut. 

»    das  von  dieser  abgelöste  seröse  Blatt. 

q  s    die  Schwanzkappe. 

r  p  q's   Wolff's  falsches  Amnion. 

/    der  vordere  Theil  der  Amnionsfalte. 

p  r  t    die  kopfscheide. 

u   der  hintere  Theil  der  Amnionsfalte. 

q  s  u   die  Schwanzscheide. 

p  r   t  u  s    q    das  Amnion.  , 

i.l    9 


268 

f  tu  s   seröse  Hülle,    oder  P  and  er '3   falsches  Amnion. 
v   die  Vorkammer  des  Herzens. 
w   die  Kammern  desselben. 
x   die  Aorteuzwiebel. 

«f       ^    v  z  zeigt  zugleich  für  den  spatem  Embryo  das  Gekröse  an. 
z    die  Gekrösschlagader   J    J 

u    die  Gekrösvene. 
ß  die  Nabelvene, 
y   der  Körpervenenstamm. 
In    den   Queerdurchsclmitten   ist : 
a   die  Wirbelsaite. 

Ii   der  äulsere  Piand  der  Rückenplatte. 

<"   der  obere  Hand  derselben,   später  die  Mittellinie  des  Rückens. 
b  c    die  Rückeuplatte. 

d   der  äufsere  (und  später  der  untere)  Rand  der  Bauchplatte. 
h  il   die  Bnuchplatte. 
e    die  Umbeugung  des  serösen  Blattes. 
d  e    der  häutige  Theil  der  Baiichwand. 
f  der  Rand  der  Seitenkappe. 

g   der  seitliche  Theil  der  Amnionsfalte ,    später  der  Scldul's  des  Amnions. 
d  e  g   das  Amnion.  . 

h    der  obere  Winkel. 

i  der  untere  Winkel  der  Gekrösplatte ,    später  die  Naht  des  Gekröses. 
h  i  die  Gekrösplatte. 
k   das  Gefäfsblatt  auf  dein  Darme. 
/   das  Schleiinblatt  des  Darmes. 
I  f  W  o  1  ff'  s   falsches  Amnion. 
»1    der  Wolffische  Körper. 
n   die  Lücke  des  Gekröses. 
o   die  xVorta. 
p   der  Harnsack. 


Tafel     III. 

Diese  Tafel  enthält  gröfstentlfeils  ideale  Abbildungen  zur  Versinnlichuug  gewisse»  Ver- 
hältnisse.     Sie  dient   zur  Erläuterung  der  Scholien  und  Corollarien.      Einzelne   Figuren   «erden 
(reiten  Hefte  ausf  ührlicher  berücksichtigt ,   als  im  ersten  geschehen  ist. 
Fig.  1.    Ein  Kelch  aus  dem  Eierstocke  eines  Vogels,  mit  dem  enthaltenen  reifen  Dolter  Out- 
recht durchschnitten. 

1  der  Stiel  des  Kelches. 

2  die  Narbe  des  Kelches. 


im  zw« 


269 

3  der  Kelch  selbst. 

4  eüi   ganz    zurückgesunkener    Kelch  ,    der   das  Ausehn   eines    sogenannten    gelben   Körpers 

erhalten  hat. 
a  die  äufsere  Haut  des  Kelches ,    eine  Fortsetzung  der  äul'sern  Haut  des  Eierstockes. 
b  die  Kapsel. 
c   Dotterhaut. 
d   CentraLhohle  im  Dotter. 
e   die  Keimschicht  mit  dem  Keimbläschen. 

Fig.  2.  Senkrechter  Durchsohnitt  eines  Hühnereies  in/Beginne  der  Bebrütung." 
a   Durchschnitt  der  Schaale. 
b  der  Schaaleuhaut. 

<  -         -         der  Dotterliaut. 

d  -'  der  Centralhöhie  im  Dotter, 

e  -         -         des  Keimes. 
f  der  Wölbung  der  Dotterhaut  über  dem  Keime. 

Fig.  3.    Ein  Ei,   das  etwa  24  Stunden   bebrütet  ist,   von  oben  angesehen,    doch  so  ,    dafs  die 
Schaale  und  die  Schaalenhaut  nur  im  Durchschnitte  erscheinen. 
a   die  Schaale. 
b    die  Schaalenhaut. 

e   Grenze  zwischen  dem  auisern  und  mittlem  Eiweifs. 
c    Ligamentum  albuminis  des   Treddern. 
d   Grenze  zwischen  dem  mittlem  und  innersten  Eiweifs. 
e ,    e   Hagelschnüre. 
f  Dotteikugel. 
g   Grenze  der  Keimhaut. 
g  h   der  Dotterhof'. 
h   Grenze  des  Fruchthofes. 
h  i   der  Gel  äfshof. 
i   der  Fruchthof'  mit  dem  Embryo  in  seiner  Mitte. 

Fig.  4.     Idealer  senkrechter  Queerdurchschnitt  des  Embryo  eines  Wirbelthiers. 
a   der  Stamm  der  Wirbelsäule. 

h   Rückenplatten.      Beide  bilden  zusammen  die  Rückenröhre. 
c  Bauchplatten.      Beide  bilden  mit  einander  die  Bauchröhre. 
d  das  Piückenmark. 
e  die  Gefäfshautröhre. 
/  die  Schleimhautrölire. 
g   fälsche  Nieren. 
h  Haut. 
i  Amnion. 
k   seröse  Hülle. 
/  Dottersack. 


270 

Fig.  5.     Abbildung  von  der  Umbildung  des  Keimes  in  den  Embryo 
a  ß    Inbegriff  der  Centrallinien  aller  Fundameutalorgaue. 
a   Wirbelsaite. 

/;  Bildungsbogen  der  Rückenplatten. 
c  _  der  Baucliplatten. 

zl  der  Nerveiiröhre. 

e  der  Gefäfsröhre. 

(  der  Scldeiinhautrölire. 

m   Kamm  der  Rücken  platte. 

m    die  Stelle  im  Keime,   aus  welcher  er  stammt. 
n    Kamm  der  Bauchplatte. 

n    die  Stelle  im  Keime  ,    aus  welcher  er  stammt. 
%   durchbohrender  Bildungsbogen  des  Auges. 
r   durchbolirender  Bildungsbogen  des  Ohres. 
Fi»    6      Ideale  Abbildung    der    organischen  Bewegungen   im   Wirbeltlnere.      Der  Leib   des 
Thiers  ist  durchsichtig   gedacht,    so    dafs    man    nur   den   Umrils  erkennt.      Auch   der 
ümrifs  des   Herzens   ist  angedeutet  (m  der  Gestaltung  ist  die  rechte  \  orkammer  etwas 
über  die  Norm  nach  hinten  gestellt).      Die  Ansicht  ist  von  der  Rückenflache. 
1'    Weg  des  rothen  Blutes  in  die  linke  Kammer. 

1  Balm  desselben  aus  der  linken  Kammer. 

2  Balm  des  Venenblutes  aus  der  vordem  Hälfte  des  Körpers  in  die  rechte  \  orkammer. 

3  Bahn  des  Venenblutes  aus  der  hintern  Hälfte  des  Körpers  in  die  rechte  Vorkammer. 

4  Balm  des  Tibrtaderblutes. 

5  Weg  der  eiugeatlimeten  Luft. 

6  Weg  der  Speisen  aus  dem  Sclilundkopfe  in  die  Speiseröhre. 

7  Weg  des  Speisebreies  aus  dem  Magen  in  den  Darm. 

8  Weg  des  Kothes. 

9  Weg  der  Eier. 

Fig.  7.    Idealer  Durchschnitt  eines  Wirbelthiers  ,    um   den  Typus  der  Extremitäten   daran  zu 

zeigen. 
a   Stamm  der  Wirbelsäule. 
b   oberer  Wirbelbogen. 
c   unterer  Bogen,  oder  Flippen. 
d  Rückenstück  vom  Rumpfgliede 
e   Bauchstücke  vom  Rumpfgliede 
/  oberes  Mittelglied  ^      der  Extremität. 

g   unteres  Mittelglied 
h  Endglied 
fi    Endglied  als  Flosse 
Fig.  8.   Idealer  senkrechter  Durchschnitt  eines  Gliederthiers. 

a   Stamm  oder  Centrallinie  der  Körperringe. 

d    Schlufslinie.- 


271 


^    der  E 


xtremitiil. 


b  Hüfte. 

c    Oberschenkel 

'/  Unterschenkel 

c    Fufs. 

/  Flügel. 

f     Lage  des  unentwickelten  Flügels. 
Fig.  9.    Embryo  einer  Merluse. 
Fig.  10.    Bildungsscheinn  der  Thiere  des 
Fig.   1  1 .    Typus  der  Stralilthiere. 
Fig.   12.    Tjpus  der  Mollusken. 
Fig.   13.    Typus  der  Gliedertliiere. 
Fig.   14.    Typus  der  Wirbelthiere. 


-längentypus. 


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Halle, 

;ed  ruckt   in    der   Geb  a  uh  r  s  c  h  e  n    B  uc  lkdruc  ker  e  i.