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Full text of "Über Hobbes naturwissenschaftliche Ansichten und ihren Zusammenhang mit der Naturphilosophie seiner Zeit"

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Gühne,  Bernhard 

Über  Hobbes  naturwissenschaft- 
liche Ansichten 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2010  with  funding  from 

University  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/berhobbesnaturOOgh 


ÜBER 

HOBBES 

NATURWISSENSCHAFTLICHE  ANSICHTEN 


1 


UND 

IHREN  ZUSAMMENHANG 

MIT  DER 

NATURPHILOSOPHIE  SEINER  ZEIT. 


INAUGURAL- DISSERTATION 

ZÜE 

ERLANGUNG  DES  DOKTORGRADES 

DER 

PHLLOSOPHISCHEN  FAKULTÄT  DER  UNIVERSITÄT  LEIPZIG 

VOEGELEGT 
VON 


BERNHARD  GÜHNE 


DRESDEN, 

DRUCK  VON  B.  G.  TEUBNER. 

1886. 


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Aus  den  Banden  der  Scholastik  hatte  mit  anderen  auch 
Galilei  versucht,  die  wissenschaftliche  Welt  zu  befreien  und  zu 
neuem,  fruchtbringenden  Wirken  zu  erwecken.  Seine  Bestrebungen 
finden  den  lebhaftesten  Wiederhall  in  den  Herzen  aller  nach 
wahrem  Wissen  strebenden  Männer  seiner  Zeit  und  rufen  edlen 
Wetteifer  auf  allen  Gebieten  der  Naturwissenschaften  hervor. 
Aber  die  aristotelische  Philosophie  hatte  schon  manchem  auf- 
strebenden Geiste  durch  ihre  Autorität  erfolgreich  widerstanden, 
und  so  sehen  wir  auch  eine  Reihe  begeisterter  Geisteskämpen 
vor  Galilei  gegen  dieses  Bollwerk  anstürmen,  ohne  dass  es  ihnen 
gelungen  wäre,  die  ungeheure  Menge  der  sich  entgegenstellenden 
Vorurteile  zu  bewältigen.  Aus  der  Zahl  der  Männer,  deren 
Lebensziel  es  war,  die  Wissenschaft  in  neuere,  sichere  Bahnen 
zu  lenken,  mögen  neben  Galilei  nur  Kepler,  Descartes,  Mer- 
senne,  Gassendi,  Stevin,  Boyle  angeführt  werden.  Man  wird 
aber  in  der  Reihe  derselben  auch  den  Begründer  des  Naturrechts 
nicht  vergessen  dürfen,  Thomas  Hobbes  (cfr.  Thomas  Hobbes 
Angli  Malmesburiensis  philosophi  vita  1682),  dessen  Werke  uns  ein 
beredtes  Beispiel  liefern  für  das  Bemühen,  das  menschliche  Wissen 
zur  unerschütterlichen  Gewissheit  zu  erheben.  Seine  naturwissen- 
schaftlichen Lehren  sind  in  ihrer  eigentümlichen  Auffassung  schon 
eine  Emanzipation  von  der  aristotelischen  Philosophie,  und  eine 
Betrachtung  derselben  lässt  die  Bestrebungen,  welche  Hobbes 
charakterisieren,  deutlich  hervortreten.  Dazu  kam,  dass  er,  aus- 
gerüstet mit  umfassendem  Wissen,  damit  eine  Schärfe  der  Syllo- 
gistik  verband,  die  ihn  oft  sogar  das  Falsche  seiner  Ansichten 
mit  scheinbar  überzeugender  Klarheit  darlegen  lässt.  Seine  natur- 
wissenschaftlichen Lehren  finden  sich  in  den  Werken  de  corpore, 
de  homine,  ausserdem  in  vol.  IV  und  vol.  VH  von  Hobbes  Werken 
enthalten.  Bei  der  im  Folgenden  angestellten  Betrachtung  der 
auf  die  Naturwissenschaften  bezüglichen  Lehren  Hobbes  finden 
auch  die  rein  philosophischen  Ansichten  desselben  kurz  ihre  Be- 
rücksichtigung. Deshalb  bleibt  die  von  Hobbes  getroffene  Ein- 
teilung in  Logik,  Philosophia  prima,  Lehre  von  den  Bewegungen 
in  der  Körperwelt  und  Physik  auch  beibehalten. 


—     4 


I.  Logik. 

Hobbes  erklärt  die  Philosophie  für  eine  solche  Keniitiiis  der 
Wirkungen  und  Erscheinungen,  wie  wir  sie  uns  durch  genaue 
„Ratiocinatio"  verschaffen,  wenn  Ursache  und  Ursprung  derselben 
uns  bekannt  sind  (ex  conceptis  eorum  causis),  und  umgekehrt 
derjenigen  Ursachen,  die  wir  nur  erst  aus  ihren  Wirkungen  kennen 
(ex  cognitis  effectibus;  de  corp,  1,2;  vol.  I,  cap.  15,  p.  381-,  exam. 
et  emend.  math.  hod.  p.  26).  Hobbes  denkt  bei  seiner  Erklärung 
der  Philosophie  an  den  Gegensatz  zwischen  analytischer  und  syn- 
thetischer Methode  (de  corp.  6,4;  20,  r.;  25,1;  vol.  IV  p.  26)  und  giebt 
dafür  selbst  folgende  Definitionen:  „Analysis"  ist  das  logische 
Schliessen  von  der  vorausgesetzten  Erzeugung  eines  Dinges  auf 
die  erzeugende  Ursache,  oder  die  mitwirkenden  Ursachen  des  Er- 
zeugten, „Synthese"  ist  das  logische  Schliessen,  ausgehend  von 
den  ersten  Gründen  der  Konstruktion,  durch  alle  mittleren  Ur- 
sachen hindurch  bis  zu  dem  konstruierten  und  erzeugten  Dinge 
selbst.  Der  in  de  corpore  gegebenen  Definition  der  Philosophie 
steht  die  einen  wesentlich  veränderten  Standpunkt  in  der  Ansicht 
Hobbes'  dokumentierende  Erklärung  im  Leviathan  (part.  IV 
eh.  46)  zur  Seite,  wo  unter  Philosophie  das  Wissen  verstanden 
wird,  welches  erworben  ist  durch  Entwickelung  der  Gedanken  von 
der  Erzeugung  eines  Dinges  zu  den  Eigenschaften,  oder  von  den 
Eigenschaften  zu  einer  möglichen  Art  der  Erzeugung  derselben 
(cfr.  Vierteljahrschrift  für  wissensch.  Phil.  4;  1880,  p.  64).  Zu  dieser 
neuen  Auffassung  leitete  ihn  die  mathematische  Bewegungslehre, 
deren  Verallgemeinerung  das  Ziel  des  Hobbes  sehen  Denkens  ist. 
Das  Charakteristische  der  Erkenntnis,  und  zwar  der  philosophischen, 
liegt  nun  darin,  dass  dieselbe  durch  „Ratiocinatio^'  erworben  sein 
müsse.  Die  „Methodus  philosophandi'^  ist  der  kürzeste  Weg,  um 
die  Ursachen  der  Thatsachen  zu  erforschen  und  durch  allgemeine 
Schlüsse  untrügliche  Wahrheiten  erkennen  zu  lehren  (exam.  et  em. 
p.  23;  de  corp.  1,2;  VI,  i;  25,8).  Diese  Ratiocinatio  fasste  Hobbes 
als  ein  Rechnen  auf,  insofern  die  Anhäufung  der  verschiedenen 
Dinge  oder  Eigenschaften  der  Körper  uns  eine  Summe,  die  Be- 
schränkung oder  Aufhebung  einer  Anzahl  derselben  eine  Differenz, 
somit  eine  Computatio,  einen  Überschlag  repräsentiert  (de  corp.  1, 
p.  4:  ratiocination  is  the  same  with  addition  and  subtraction;  und 
per    ratio cinationem   intellego    computationem).      Da   das    Denken 


—    5     — 

also  überliaupt  nur  eine  ganz  äusserliche  Operation  ist,  so  ist  die 
Philosophie,  ganz  in  dem  Sinne,  wie  die  Mathematik,  eine  demon- 
strative   Wissenschaft,   und   wird    ebenso    gewiss    sein,   wie    diese, 
wenn    nur    die   Definitionen    richtig   sind   (cfr.  Ludwig  Feuerbach, 
Geschichte  der  neueren  Philosophie:  „über  Hobbes").     Diese  Art, 
wie  Hobbes   das  Denken   und   die  Demonstration   auffasst,  stellt 
nicht  nur   die  mechanische  Äusserlichkeit   seiner  Denkweise   deut- 
lich dar,  sondern  enthält  auch  schon    die  Kantsche  Ansicht  vom 
Denken  in  sich,  demzufolge  das  Denken  ohne  äussere  Anschauung 
leer  ist,  sich  nur  begreifen  lässt,  was  sich  konstruieren,  d.  h.  nach 
gewissen  Normen  formen  lässt,  und  daher  ein  begreifendes  Wissen 
vom    Ewigen,  Unendlichen  nicht  möglich   ist  (cfr.   Kant,  Ausgabe 
von  Karl  Rosenkranz,  Proleg.  p.  66;  Kr.  d.  r.  V.  p.  137,  198,  204, 
213),     Es  spricht  sich  in  der  Hobbes  sehen  Auffassung   eine  be- 
sondere Wertschätzung   der  Mathematik    oder  vielmehr  ihrer  Me- 
thode   aus,    indem    er    in    seinen   philosophischen   und  politischen 
Ansichten    die    Mathematik    sich    zur   Richtschnur   genommen   und 
seine  Lehre  mathematisch-mechanistisch  zu  entwickeln  versucht  hat. 
Die  W'irkungen  oder  Erscheinungen  der  Dinge  werden  demzufolge 
aus  gewissen,  die  Unterscheidung  herbeiführenden  Fähigkeiten  oder 
Kräften  der  Körper  erklärt.     Diese  früher  beobachteten  Wirkungen 
zu  unserm  Nutzen,   unsrer  Machtvervollkommnung   zu   verwenden, 
das   ist   der  Endzweck   der  Philosophie  (The  end  of  knowledge  is 
power,  de  corp.  1,  p.  7.    Ad  commoda  nostra  —  ad  vitae  humanae 
usus,  de  corp.  1,  6).     Die   Lust   am  Wissen    selbst   wird    nicht  so 
hoch   angeschlagen   (de  hom.  10,4;  11,9),  und  Hobbes  schätzt  die 
Mathematik   mit  ihren   Erfindungen   und   die   Physik   an    sich  mit 
ihren  unsichern  Hypothesen  (Probl.  phys.  dedic.)  viel  geringer  als 
Moral  und  Politik,  weil  diese  die  wichtigsten  Güter  des  Menschen 
im  Auge  hätten,  gegen   welche  Mathematik   und   Physik   nur  wie 
ein   Spiel   gelten   (quadratura  circuli   dedic.  vol.  lY  latine  p.  487, 
488:  „scio  philosophiam  seriam  universam  esse,  quae  versatur  circa 
pacem  et  fortunas  civium,  principalem,  caeteras  nihil  esse  praeter 
ludum").    Er  beabsichtigt  nur,  der  Politik  eine  ebenso  feste  Grund- 
lage und  Methode  zu  ofeben,  wie  sie  die  Mathematik  schon  lanpje 
besitzt,  und  da  er  die  Ethik  und  Politik  als  Teile  der  Philosophie 
betrachtet  (de  corp.  1,  p.  11),  welche  auch  durch  Hilfe  der  Mathe- 
matik in   eine   bessere   Form   gebracht  werden   sollen    (ex.  et  em. 
math.  hod.  p.  29),  so  muss  er  den  ganzen  Körper  der  Philosophie 
in  Untersuchung  ziehen.     Hauptzweck  bleibt  bei  ihm  die  Politik, 


—     6     — 

Über    diese   Auffassung   sagt  F.  A.  Lange  in   seiner  „Geschichte 
des  Materialismus"  (p.  234 flg.):  „Hobbes  macht  geradezu  die  Philo- 
sophie der  Politik  und  Industrie   dienstbar  und  treibt  in  diesem 
Punkte  nicht  nur  die  Konsequenz  des  wissenschaftlichen  Materialis- 
mus auf  die  Spitze,  sondern  er  bahnt  auch  direkt  eine  Verbindung 
an  zwischen  dem  besseren  Materialismus  des  Lebens  und  dem  der 
Wissenschaft".    Diese  Ansicht  von  dem  Ziele  der  Philosophie  fällt 
beinahe  mit  dem  Bacon  sehen  „tantum  possumus,  quantum  scimus" 
zusammen,  denn  auch  bei  diesem  decken  einander  Wissenschaft  und 
Macht,  und  Bacon  sucht  nur  für  den  Nutzen  und  die  Grösse  der 
Menschheit  neue  Grundlagen.     Aber  wenn  sich  beide  Männer  auch 
in  dieser  Auffassung  begegnen  und  ausserdem  beide  die  scholastische 
Methode  durch  die  Induktion  ersetzen,  so  variieren  sie  schon  da- 
rin, dass  Hobbes   abweichend  von  Bacon,    auch    die  Bedeutung 
der  Deduktion  gewahrt  wissen  will  (vol.  I,  eh.  XXV  p.  388).    Ferner 
hält  Hobbes  die  Logik  hoch,  welche  Bacon  bekämpft,  und  wäh- 
rend   Bacon    die    Mathematik    fast    gar    nicht    kannte,    übertrug 
Hobbes  ihre  Methode   sogar  in   die  Politik  und  Ethik,   so   dass 
man    Hobbes    wohl    nicht   einen    Schüler   Bacons    nennen    darf, 
wenn  man  vielleicht  auch  zugestehen  muss,  dass  er  durch  seinen 
Umgang  mit  demselben  in  seiner  Abneigung  gegen  die  scholastische 
Philosophie  und  seinem  Streben  nach  wirklichem,  sich  auf  Beob- 
achten   der  Thatsachen   gründendes  Wissen   bestärkt   worden   ist, 
wesentlichen  Einfluss  hat  Bacon  nicht  ausgeübt.     Und   was  man 
als  Argument  dafür  anführen  will,   die  Ähnlichkeit  in  den  politi- 
schen  Ansichten,    das    lässt    sich    mit   demselben    Recht    aus    der 
Ähnlichkeit  ihrer   socialen   Stellung   erklären.     Beide   verbrachten 
ihr  Leben  in  den  höheren  Kreisen,  deren  Interessen  eng  mit  denen 
des  Herrscherhauses  verknüpft  waren,  und   deshalb   vertraten   sie 
auch  gleiche  Interessen  mit  demselben  (cfr.  Tönnies,  Vierteljahrschr. 
f.  w.  Phil.  III,  1879,  p.  459 flg.;  Charles  de  Remusat,  bist,  de  la  phil. 
angl.  vol.  I,  p.  328;  F.  A.  Lange  in  seiner  Geschichte  des  Materialis- 
mus sagt  p.  127  über  Hobbes:  „Sein  Leben  war  ein  Hofmeister- 
leben in  den  Regionen  des  höchsten  englischen  Adels").     Während 
ferner    Bacon    als    Nichtmathematiker    gänzlich    ausserhalb    der 
philosophischen  Bewegung   seiner  Zeit   stand   und  noch   gar  kein 
erkenntnistheoretisches    Problem    kannte,    war    Hobbes   dagegen 
einer  der  ersten  in  der  neuen  Epoche,  welcher  sich  um  die  Lösung 
der  Centralfrage  der  Erkenntnistheorie:  „Ob  und  wie  ein  Wissen 
möglich   sei,  welches   der  aus  Definitionen  und  Axiomen  demon- 


strierenden  Geometrie  an  Gewissheit  gleich  komme"  bemühte; 
und  er  lobte  die  mathematische  Methode  als  die  sicherste,  weil 
sie  von  unscheinbaren,  jedermann  verständlichen  Grundsätzen  aus 
Schritt  vor  Schritt  vorschreitend  die  wichtigsten  Folgerungen  zu 
ihrem  Ergebnis  hat  (hum.  nat.  13,3;  exam.  et  em.  math.  hod.  p.  22, 
23).  Hobbes  gelangte  zum  grossen  Teile  zu  dieser  Auffassung 
durch  seine  Beschäftigung  mit  den  Elementen  Euklids,  dessen 
syllogistisches  Verfahren  ihm  am  geeignetsten  zur  Anwendung 
auf  alle  Gegenstände  des  Erkennens  erschien,  um  besonders  Moral 
und  Ethik  durch  strenge  Verfolgung  dieser  Methode  zur  Gewiss- 
heit zu  erheben.  Seinen  mathematischen  Beschäftigungen  verdankt 
Hobbes  auch  eine  grössere  Strenge  des  Raisonnements  und  mehr 
Anhänglichkeit  an  die  syllogistisch- demonstrative  Methode.  Er 
studierte  auf  seiner  zweiten  Reise  nach  dem  Kontinent  (1629)  be- 
sonders die  „Elemente"  und  es  hat  sehr  viel  Wahrscheinlichkeit 
für  sich,  dass  es  die  von  Claude  Dechales  veröffentlichte  Aus- 
gabe des  Euklid  war  (Whewell,  Geschichte  der  indukt.  Wissensch., 
übers,  von  J.  J.  von  Littrow;  vol.  II,  p.  64).  Charles  de  Remusat 
in  seiner  „histoire  de  la  philosophie  anglaise^^  (vol.  1,  p.  329)  sagt 
darüber  mit  Hinblick  auf  Hobbes'  unglückliche  Versuche  in  der 
Geometrie:  „II  s'eprit  d^un  goüt  malheureux  pour  la  geometrie, 
moins  touche  des  verites  qu^elle  demontre  que  des  exemples  qu'elle 
donne  d'un  emploi  correct  de  la  logique".  Die  Wertschätzung 
der  Geometrie  spricht  Hobbes  selbst  in  der  Dedikations -Epistel 
des  Buchs  „de  cive"  so  aus:  „Alles,  was  wir  im  praktischen 
Leben  der  Physik  verdanken,  das  verdanke  die  Physik  der  Geo- 
metrie; daher  sei  fast  alles,  was  die  heutige  Zeit  von  vergangener 
Barbarei  unterscheide,  als  Wohlthat  der  Geometrie  anzusehen. 
Mit  demselben  Erfolg  werde  sich  dereinst  das  Unternehmen  be- 
lohnt zeigen,  nach  geometrischer  Methode  Moral  und  Politik  zu 
deducieren"  (cfr.  Tönnies,  Vierteljahrschr.  IV,  1880,  p.  57).  Er  soll 
zu  dieser  Auffassung  die  erste  anregende  Idee  von  Galilei  ge- 
legentlich eines  Besuchs  bei  demselben  im  grossherzoglichen  Liist. 
schloss  Poggia  Imperiale  unweit  Florenz  (1636)  empfangen  haben 
(cfr.  Kästner,  Geschichte  der  Mathematik;  vol.  IV,  p.  195).  In 
Leviathan  (part.  I,  eh.  IV)  nennt  er  die  „Geometrie  die  einzige 
Wissenschaft,  welche  es  Gott  gefallen  hat,  bislang  der  Menschheit 
zu  verleihen^^  Und  zwar  verlaugt  er  die  Anwendung  der  Geo- 
metrie auf  Gegenständliches.  Er  ging  in  dieser  Forderung  so 
weit,  die  Geometrie  ohne  diese  Nutzanwendung  als  eine  „unnütze 


-  a  — 

und  schwierige  Spielerei"  hinzustellen  (princip.  et  probl.  aliq.  geom. 
1674,  op.  lat.  V,  p.  200).  Die  Geometrie  würde  also  selbst  als  eine 
Wissenschaft  von  Bewegungen  aufgefasst  werden,  in  der  Ursache 
und  Wirkung  nach  dem  Früher  und  Später  unterschieden  werden 
können  und  somit  als  aus  Definitionen  demonstrierbar.  So  legt 
auch  bei  seiner  Naturphilosophie  Hobbes  nur  die  mathematische 
Anschauung  zu  Grunde  und  erzeugt  aus  ihr  allein  die  Natur, 
denn  „qui  philosophiam  naturalem  quaerunt,  nisi  a  geometria 
principia  quaerendi  sumant,  frustra  quaerunt"  (de  corp.  VI, e). 

Entsprechend  der  Definition  der  Philosophie  ist  Objekt  der- 
selben jeder  Körper,  dessen  Entstehen  und  Eigenschaften  wir 
kennen,  denn  die  Empfindung  stellt  uns  ein  Objekt,  d.  h.  einen 
Körper,  dar;  und  zwar  fasst  Hobbes  den  Begriff  des  Körpers  als 
identisch  mit  dem  der  Substanz  (de  corp.  eh.  YIII,  p.  il7),  eine 
unkörperliche  Substanz  ist  ihm  ein  Unding,  ein  contradiktorischer 
Ausdruck.  Wo  Bacon  also  noch  gegen  die  immaterielle  Sub- 
stanz des  Aristoteles  polemisiert,  da  ist  Hobbes  bereits  fertig 
und  unterscheidet  ohne  weiteres  „den  Körper  und  das  Accidenz^' 
(cfr.  F.  A.  Lange,  Geschichte  des  Materialismus).  Die  Philosophie 
schliesst  als  blosse  Körperlehre  von  sich  die  Theologie  aus,  die 
Lehre  von  der  Natur  und  den  Eigenschaften  Gottes  als  des  Ewigen, 
Unerzeugten.  Denn  wo  nichts  zu  addieren  und  zu  subtrahieren 
ist,  hört  das  Denken  auf  (ubi  ergo  generatio  nulla  aut  nulla 
proprietas,  ibi  nulla  philosophia  intelligitur,  de  corp.  1,  p.  10).  Da 
es  nach  ihm  keine  vernünftige  Definition  giebt,  die  nicht  auf  eine 
sensible  Wahrnehmung  zurückgeführt  werden  kann,  muss  die  un- 
ausgedehnte Substanz,  der  reine  Geist,  das  Unendliche,  Gott,  von 
der  Philosophie  ausgeschlossen  werden.  Und  wenn  uns  auch  der 
Zusammenhang  zwischen  Ursache  und  Wirkung  nicht  zur  Annahme 
eines  letzten  Grundes  aller  Bewegung,  wie  Descartes  es  that, 
eines  ersten  bewegenden  Princips  führte,  wenn  dagegen  ein  un- 
endlicher Causalregressus  wohl  denkbar  wäre,  würde  er  in  Wirk- 
lichkeit doch  nicht  ausführbar  sein;  man  müsste  schliesslich  bei 
einer  Ursache  stehen  bleiben,  und  die  Ursache,  bei  welcher  dies 
geschieht,  nennt  man  dann  Gott  (de  corp.  IV,  cap.  26,1;  Leviath. 
pari  1, 12;  engl,  works  vol.  III,  p.  96;  3.  object.,  object.  V).  Es  bleibt 
uns  also  die  nähere  Bestimmung  seines  Wesens  etwas  ganz  un- 
denkbares, dem  Denken  selbst  widersprechendes,  so  dass  die  wirk- 
liche Anerkennung  und  Erfüllung  der  Idee  Gottes  dem  religiösen 
Glauben  überlassen  bleiben   muss.     Auch   den  Geist   können   wir 


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nicht  in  Betracht  ziehen,  weil  Hobbes  unter  Geist  einen  natür- 
lichen Körper  von  solcher  Feinheit  versteht,  dass  er  nicht  auf  die 
Sinne  einwirkt,  sondern  nur  den  Eaum  ausfüllt,  welchen  das  Bild 
eines  sichtbaren  Körpers  ausfüllen  könnte  (vol.  IV,  eh.  Xr,4,  p.  60; 
über  das  „Unendliche"  cfr.  de  corp.  XXVI,  p.  411,  412».  Ebenso 
ist  Geschichte  (natural  and  political)  auszuschliessen,  weil  solches 
Wissen  nur  auf  Erfahrung  und  Autorität  beruht,  nicht  auf  Ratio- 
cination  (de  corp.  1,  p.  10;  vol.  IV,  eh.  VI,  l;  Ludwig  Feuerbach, 
Geschichte  der  neueren  Philosophie),  und  uns  die  Erfahrung  nur 
eine  Wiedererinnerung  an  die  Folge  der  Erscheinungen,  aber  keinen 
allgemeinen  Schluss  giebt,  während  die  Wissenschaft  nicht  bei  den 
Thatsachen  stehen  bleiben  soll,  sondern  ihre  Ursache  erforschen 
und  durch  allgemeine  Schlüsse  untrügliche  Wahrheiten  erkennen 
lehren  (de  corp.  1,2;  6,1;  25,8;  hum.  nat.  4,6;  10).  In  der  Aus- 
schliessung der  Theologie  aus  dem  Gebiete  der  Philosophie  zeigt 
sich  der  principielle,  Form  und  Inhalt  umfassende  Gegensatz 
Hobbes'  gegen  die  Scholastik,  indem  nach  ihm  das  Materielle, 
Sinnliche  oder  Erscheinende  Ziel  und  wesentliches  Objekt  des 
Geistes  ist  im  Gegensatz  zu  jenem  innerlich  religiösen  und  meta- 
physischen Leben  des  Mittelalters,  demzufolge  jede  Zerstörung 
oder  Widerlegung  aristotelischer  Lehren,  oder  die  Trennung  von 
Philosophie  und  Religion  für  ein  Verbrechen  galt  (cfr.  Whewell, 
Geschichte  der  indukt.  W^issensch.  vol  I,  p.  410.  Bouillier,  „histoire 
et  critique  de  la  revolution  cartesienne"  p.  4  sagt  darüber:  „La 
theologie  etait  (au  moyen  äge)  la  science  unique,  et  ses  represen- 
tants  disposant  ä  la  fois  des  forces  de  FEglise  et  de  l'Etat,  ne 
toleraient  aucune  doctrine  qui  fut  contraire  ä  ses  enseignements  ou 
qui  meme  parüt  s'en  ecarter  et  s'en  distinguer).  Analog  der  Tei- 
lung der  Körper  in  natürliche  und  künstliche  ergiebt  sich  auch 
die  Spaltung  der  Philosophie  in  zwei  Hauptteile,  „natural"  und 
„civil"  philosophy  (de  corp.  1,  p.  12). 

Um  Philosophie  zu  treiben,  um  zu  rechnen,  bedürfen  wir  ge- 
wisser Kennzeichen  (marks),  mit  Hilfe  deren  wir  uns  die  früheren 
Vorstellungen  ins  Gedächtnis  zurückrufen  und  ordnen  (vol.  IV 
eh.  V,  i).  Diese  „Marks"  sind  willkürlich  gewählte,  wahrnehmbare 
Zeichen,  deren  Wahrnehmung  in  unsrer  Seele  den  früheren  ähn- 
liche Vorstellungen  wiederentstehen  lassen,  und  zwar  ist  dabei 
die  Ursache  des  Zusammenhangs  der  Vorstellungen  ihr  erster  Zu- 
sammenhang zu  der  Zeit,  wo  sie  durch  Sinneswahrnehmung  her- 
vorgebracht wurden.     „Signs"   dagegen   sind   Begriffe   natürlichen 


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Ursprungs,  welche  dazu  dienen,  die  Vorstellungen  des  Einen  An- 
deren mitteilen  zu  können,  d.  h.  wenn  man  so  oft  gleichen  Vor- 
umständen gleiche  Nachumstände  hat  folgen  lassen,  dass  man 
jedesmal  das  Eine  wegen  des  Anderen  erwartet,  dann  nennt  man 
beide  Zeichen  (signs)  voneinander  (vol.  IV,  eh.  IV,  9).  Marks  und 
Signs  differieren  nur  darin,  dass  wir  die  ersteren  zu  unserm  eignen 
Gebrauch,  die  letzteren  zum  Gebrauch  Anderer  konstruieren  (de 
corp.  I,  cap.  II,  p.  13 — 15).  Unter  „Sprache"  wird  demzufolge 
eine  Verbindung  von  Worten  verstanden,  sofern  dieselben  Zeichen 
unsrer  Gedanken  bilden.  Und  zwar  dienen  die  Worte  zunächst 
als  Marks,  bevor  sie  wie  Zeichen  gebraucht  werden.  Ein  Name 
ist  ein  von  unserm  Willen  abhängiges  Merkmal,  welches  einer 
andere  Vorstellung  associiert  ist,  und  wir  erwarten,  dass  die  asso- 
ciierten  Vorstellungen  zusammen  wiederkehren,  indem  eine  die 
andern  nach  sich  zieht  (Names  are  signs  not  of  things,  but  of 
our  cogitationj  de  corp.  II,  p.  17).  Die  Worte  sind  sonach  zum 
Urteilen  notwendig,  und  die  Empfindungen  werden  nur  Ideen,  so- 
weit sie  benannt  sind.  Es  hängt  somit  nach  Hobbes  die  Wissen- 
schaft ab  von  einer  genauen  Analyse  des  Sinnes,  welchen  man 
den  Worten  beilegt,  die  Definition  ist  der  fundamentale  Fort- 
schritt, die  Wissenschaft  nur  eine  Deduktion,  angewandt  auf  die 
Definition,  das  heisst  ein  geometrischer  Process  (Charles  de 
Remusat,  p.  346).  Die  Ansichten  Hobbes'  über  die  Wichtigkeit 
der  Zeichen  und  der  Sprache  für  den  Gedanken  und  die  Wissen- 
schaft haben  viel  Analogie  mit  denen  Condillac^s  und  Locke's. 
Nach  dem  Ersteren  wird  die  Wiederholung  bereits  gewordener 
Ideenkombinationen  und  die  Entstehung  neuer  am  meisten  durch 
den  Gebrauch  der  Zeichen  erleichtert,  besonders  der  willkürlichen, 
der  Worte,  deren  Gebrauch  die  durch  das  eine  Wort  bezeichnete 
komplexe  Idee  dem  Hörer  zum  Verständnis  bringt,  somit  mit  der 
Sprache  zusammenfällt,  während  nach  Locke  die  Vorstellungen, 
welche  aus  den  beiden  ursprünglichen  Quellen  derselben,  den  Em- 
pfindungen und  der  Reflexion,  als  Wahrnehmung  der  Thätigkeit 
der  Seele,  hervorgehen,  von  der  Seele,  wie  von  einer  unbeschriebenen 
Tafel  empfangen  würden,  und  es  durch  die  Worte  (die  Sprache) 
möglich  wird,  dass  der  Hörer  dieselben  Ideen  genau  so  verbindet, 
wie  der  Sprechende.  Indem  nun  Hobbes  alle  unsre  Begriffe 
(conceptions)  auf  den  Associationen  der  Sprache  beruhen  lässt, 
indem  er  behauptet,  dass  die  Universalien  von  den  Dingen  erst 
abstrahiert,  nur  Worte  (voces  oder  nomina,  vol.  IV,  eh.  5, 6,  p.  22\ 


—    11    — 

oder  subjektive  Illusionen,  wie   sie  Kant  nannte,   sind,  indem  er 
nur    individuelle    Dinge    als    das   Wahre    in   der  Welt    anerkannt 
wissen  will,  erneuerte  und  entwickelte  er  die  Meinung  der  Nomina- 
listen (H  0  b  b  e  s  erhielt  seine  gelehrte  Bildung  in  Oxford,  wo  er  die  Lo- 
gik der  Nominalisten  kennen  lernte),  besonders  die  Lehre  Wilhelm 
von  Occams  (cfr.  Ritter,  Geschichte  der  Philosophie,  Bd.  10,  p.  468), 
welche  den  Generalideen,  den  Principien  keinen,  von  dem  mensch- 
lichen Geiste,  der  sie  umfasst,  unabhängige  Bedeutung  zuerkannten. 
Mit  ihnen  verband  Hobbes  zugleich  noch  das  Bestreben,  die  Ein- 
sicht in  das  Blendwerk  der  scholastischen  Philosophie  zu  befördern. 
Inwiefern  wir  nun  berechtigt  sind,  die  Associationen  der  Sprache 
als  den  Ausdruck  der  wirklichen  Verkettung  der  Dinge  anzusehen, 
und  unsere  Empfindungen  als  die  Bilder  der  von  uns  selbst  unter- 
schiedenen Bilder,    das  beantwortet  Hobbes   dahin,  dass  wir  da- 
zu durch  kein  legitimes  Motiv  autorisiert,  und  alle  unsre  Voraus- 
setzungen mit  Hinsicht  darauf  willkürliche  sind  (Hobbes,  de  corp.  H, 
p.  13 flg.;  Degerando,  bist,  comparee  des  systemes  de  philosophie, 
voL  in,  p.  91).     Um   nun   den   mancherlei   Täuschungen,   welchen 
der  Mensch  beim  Schliessen  unterworfen  ist,  zu  begegnen,  müssen 
wir  mit  den  ersten  Gründen  unsres  Wissens  und  Empfindens  be- 
ginnen,    wir    müssen    die    eigenen    Begriffe    und    Anschauungen 
genau  ins  Auge  fassen  (vol.  IV,  eh.  V,  14).     Man   könnte  die  Auf- 
fassung des  Hobbes  mit  dem  Satze  des  Protagoras  „der  Mensch 
ist  das  Mass  aller  Dinge"  in  Verbindung  bringen  und  würde  bei 
weiterer  Ausführung  der  Hobbes 'sehen  Lehre  nach  dieser  Richtung 
zu  der  Meinung  gelangen,  dass  alles  Urteilen  nur  vom  individuellen 
Belieben  abhängig  sei,   und    es   nur   auf  die  Art   der  Darstellung 
und  Auffassung  einer  Sache  ankomme,   um   ihr  diesen  oder  jenen 
Charakter  und  selbst  völlig  entgegengesetzte  Eigenschaften  beizulegen 
(cfr.  Dühring,  Kr.  Gesch.  d.  Philos.,  2.  Ausg.,  p.  767).  Aber  Hobbes 
ging    durch   seine  Lehre    von    der  Relativität   der  Begriffe,    sowie 
durch  seine  Theorie  von  der  Empfindung  über  den  Materialismus 
hinaus.     Durch   seine  Lehre   über   die  Sprache   eröffnete   Hobbes 
zugleich    dem   Skepticismus    von   neuem    den  Weg.     Das   logische 
Schliessen  ist  die  einzige  Garantie  für  die  Wissenschaft,   und  die 
Logik  (oder  die  Definitionen),  bei  weitem  mehr  als  die  Erfahrung, 
ist    das    definitive   Instrument   des    menschlichen   Wissens.     Wenn 
nun  die  Empfindung  (sensation),  die  dem  logischen  Überlegen  als 
Grundlage  dient,   wenigstens   hinsichtlich  der  wirklichen  Existenz 
ihres   Objekts   keinen    Glauben    verdient,   wenn    alles    bei   unsern 


—     12     — 

Wahrnehmungen  (perceptions)  relativ  ist,  warum  würde  es  nicht 
auch  so  sein  bei  unserm  logischen  Schliessen  (Charles  de  Remusat, 
p  334)?  Es  würde  also  nach  seiner  Auffassung  (der  exklusiven 
Subjektivität)  unmöglich  sein,  zu  einer  sicheren  und  sich  auch  in 
letzter  Instanz  bewährenden  Erkenntnis  zu  gelangen,  was  eben 
Aiisgangspunkt  und  Ziel  der  skeptischen  Nachweisungen  ist. 
Hobbes  wollte  aber  nur  bezüglich  der  Dinge  skeptisch  sein,  von 
denen  wir  uns  kein  Bild  machen  können,  wie  z.  B.  von  Gott: 
„Wir  haben  von  ihm  keine  Idee",  ruft  er  Descartes  zu,  „es 
folgt  daraus,  dass  die  Imagination  der  ganze  Gedanke  ist."  — 
„Ich  begreife  durch  die  Idee",  antwortet  Descartes,  „alles,  was 
gedacht  wird,  alles  was  durch  den  Geist  (mente)  unmittelbar  be- 
griffen wird''  [Object.  V,  p.  204  (Ausgabe  Elzevir  1642).  Charles 
de  Remusat,  p.  355].  Hobbes  schränkt  aber  durch  seine  Auf- 
fassung zugleich  die  Theorie  Lock  es  ein,  indem  er  auf  die  Er- 
fahrung allein,  die  Empfindung,  den  Ursprung  unsrer  Ideen  zurück- 
führte, welche  Locke  der  Empfindung  und  der  Reflexion  zusammen 
übertrug  (Degerando,  T.  III,  p  91),  und  auf  diese  beiden  Arten 
von  Ideen  und  ihre  Verbindungen  das  Bereich  des  Verstandes 
beschränkte,  und  während  so  Hobbes  den  Satz:  „Nihil  est  in 
intellectu,  quod  non  fuerit  in  sensu'',  analog  der  Condillac'schen 
Auffassung  „penser  est  sentir",  dass  auch  in  den  allerkomplicier- 
testen  Ideenkomplexen  die  ersten  Bestandteile  Empfindungen 
gewesen  waren,  ganz  schroff  vertrat,  gilt  derselbe  für  Locke  nur 
mit  dem  Zusätze  „externo  et  interno".  Aber  den  vollen  Empiris- 
mus vertreten  Hobbes  und  Locke,  indem  sie  sagen,  dass  es 
uns  unmöglich  ist,  über  die  Vorstellungen  hinauszukommen,  welche 
Sinnlichkeit  (und  Reflexion)  unsrer  Betrachtung  dargeboten  haben 
[Heinze  (Überweg)  III,  p.  102]. 

Zwei  Hauptarten  der  menschlichen  Natur  will  Hobbes  unter- 
schieden wissen:  Vernunft  und  Leidenschaft  (reason  and  passion), 
und  daraus  hervorgegangen  Mathematik  und  Dogmatik  (vol.  IV, 
engl.  p.  1).  Die  Vernunft  ist  das  Vermögen  zu  schliessen,  und 
jenachdem  wir  nach  richtigen  Grundsätzen  richtig  folgern  oder 
zu  widersprechenden  Folgerungen  kommen,  legen  wir  uns  richtige 
Vernunft  bei  oder  halten  es  für  vernunftwidrig  (Hum.  nat.  5, 12; 
de  cive  2,1;  de  corp.  1,3.  Ritter  X,  p.  467).  Die  Vernunft  ist  ganz 
und  gar  nichts  angeborenes,  wie  sehr  man  auch  den  Begriff  des 
Angeborenen  beschränke.  Denn  wenn  uns  angeborene  Begriffe 
beiwohnen  sollten,  würden  sie  uns  immer  gegenwärtig  sein  (Obj.III. 


—     13    — 

in  Cart.  med.obj.  X,  p.  214).  Da  nun  die  Sprache  nur  etwas  Er- 
worbenes ist^  kann  die  Vernunft,  welche  auf  ihr  beruht,  auch  nur 
etwas  Erworbenes  sein  (obj.  IV).  Wenn  nun  trotzdem  Hobbes 
btisweilen  von  der  Vernunft  als  etwas  Angeborenem  spricht,  und 
sogar  die  Philosophie  als  eine  natürliche,  dem  Menschen  an- 
geborene Vernunft  betrachtet  (de  corp.  I,  l),  so  will  er  darunter 
ein  von  Natur  uns  eingepflanztes  Gesetz  verstanden  wissen,  und 
wenn  er  sagt,  dass  der  einzelne  Mensch  ohne  Übereinkunft  der 
Sprache  keinen  Beweis  durch  Worte  würde  führen  können,  so 
gesteht  er  doch  zu,  dass  derselbe  fähig  sein  würde,  die  Wahrheit 
einzusehen  und  zu  philosophieren  (de  corp.  6,  ii).  —  Alles  Schliessen 
und  somit  alle  Philosophie,  d.  h.  aller  Gebrauch  der  Namen  in 
der  Sprache,  beruht  nun  auf  dem  Satze  des  Widerspruchs,  und 
es  gilt  dieser  auch  für  den  Grund  aller  Philosophie  (decorp.  2, 8; 
hum.  nat.  5, 12).  Aus  dieser  und  ebenso  aus  der  Mathematik  will 
Hobbes  alle  Axiome  entfernt  wissen  und  behauptet  zugleich,  dass 
sie  aus  Begriffserklärungen  bewiesen  werden  könnten  (de  corp.  3, 9; 
exam.  et  em.  math.  hod.)  Alle  Begriflfserklärungen  sind  aber  nur 
Namen  und  die  Namen  haben  wir  den  Dingen  willkürlich  bei- 
gelegt (decorp.  2,  4;  hum.  nat.  10,2}.  Aus  zwei  Namen  bilden  wir 
durch  ein  verbindendes  Glied  einen  Satz  (a  proposition\  womit 
gesagt  werden  soll,  dass  der  letztere  Name  derjenige  desselben 
Dinges  sei,  wovon  der  erstere  schon  der  Name  ist.  Ebenso  machen 
wir  aus  zwei  Namen  mit  Hilfe  des  Wortes  „est'^  ein  Urteil  (vol.  IV, 
eh.  V,  8. 9. 10).  Eine  Reihe  von  Urteilen  giebt  uns  eine  Demon- 
stration, hero-eleitet  aus  der  Definition  der  Namen  und  fortgesetzt 
bis  zur  letzten  Folgerung.  Die  Wahrheit  besteht  nun  in  der 
richtigen  Beziehung  und  Anwendung  der  Namen  der  Dinge.  Ein 
Urteil  ist  wahr,  wenn  die  zweite  Benennung  die  erste  in  sich  be- 
greift, wenn  nicht,  falsch.  W^enn  nun  aber  irgend  ein  Erkenntnis- 
inhalt in  einem  Urteil  zu  finden  sein  soll,  so  müssen  die  beiden 
Namen,  aus  welchen  es  besteht,  ursprünglich  nicht  dieselbe  Wahr- 
nehmung bezeichnen,  sondern  verschiedene;  und  das  Urteil  muss 
behaupten,  dass  diese  Wahrnehmungen  in  einer  Vorstellung  ver- 
bunden vorkommen.  Damit  das  geschehe,  müssen  die  Wahrneh- 
mungen zuvor  miteinander  vertrlichen  werden  und  Hobbes  be- 
zeichnet  es  als  das  hauptsächlichste  Geschäft  der  Namen,  eine 
solche  Vergleichung  in  feststehenden  Charakteren  auszudrücken 
(Praefatio  in  Mersenni  ballisticam.  op.  lat.  V,  p.  309  flg.)  fTönnies, 
Virteljahreschr.  IV.   1880    p.  58).     Es  würde  somit  die  Philosophie 


—    14    — 

ein  Wissen  bloss  von  Begriffen  und  von  den  Beziehungen  zwischen 
Begriffen  sein,  und  die  Gewissheit  dieses  Wissens  hängt  ab  von 
einem  Willensakt.  Irrtum  in  der  Wissenschaft  ist  nicht  möglich, 
sondern  nur  Absurdität,  da  das  Gegenteil  jedes  wahren  Satzes 
einen  Widerspruch  enthält  (de  corp.  1,  p.  56.  Falsety  arises  not  from 
sense,  nor  from  the  things  themselves,  but  from  pronouncing  rashly 
vol.  IV,  eh.  Y,  13;  3  Objectiones;  obj.  XII,  de  vero  et  falso).  Defini- 
tionen (de  corp,  I,  eh.  VI,  p.  84)  sind  wahr,  weil  wir  wollen,  dass 
sie  wahr  seien,  und  alle  principiellen  Urteile  müssen  Definitionen 
oder  Teile  von  Definitionen,  d.  h.  lauter  analytische  Sätze  sein. 
Hobbes  sagt  selbst:  „The  method  of  attaining  to  the  universal 
knowledge  of  things  is  purely  analytical"  (de  corp.  VI,  p.  69). 
Diese  Ansicht  Hobbes  findet  ihre  Begründung  darin,  dass  alle 
seit  Bacon  in  der  Philosophie  erlangten  Fortschritte  der  Analyse 
zu  verdanken  ist,  welche  man  auf  das  Princip  des  menschlichen 
Wissens  übertragen  hat  (Degerando.  T.  III,  p.  96).  Wenn  nun  auch 
nach  Hobbes  die  Wissenschaft  ihren  ganzen  Inhalt  aus  Erfahrung 
entnimmt,  aus  den  gegenseitigen  Eindrücken  der  Körper,  ihre 
Form  der  allgemeinen  Giltigkeit  hat  sie  aus  der  Vernunft,  aus 
dem  Entschlüsse  des  Einzelnen  oder  aus  der  vertragsmässigen 
Übereinkunft  Mehrerer  (Tönnies.  IV,  1880,  p.  59).  Hobbes  wird  so 
unmittelbar  Idealist.  Die  Phänomene  der  Intelligenz  sind  körper- 
lich und  repräsentieren  nur  Körper;  aber  das  sind  nur  Erschei- 
nungen, und  sie  erfordern  nicht  mehr  Realität,  als  diese  selbst. 
Trotzdem  können  sie  die  Materie  der  Überlegung  bilden,  aber  da 
man  nur  in  Worten  sein  genaues  Urteil  aussprechen  kann,  so 
sind  diese  Körper,  welche  nur  körperliche  Qualitäten,  diese  Quali- 
täten, welche  nur  Erscheinungen,  diese  Phänomene,  welche  nur 
Worte,  und  da  diese  Worte  nur  Zeichen  sind,  die  Notationen 
unserer  Definitionen,  so  ist  jede  Wissenschaft  eine  Wissenschaft 
der  Abstraktion,  jede  Wissenschaft  ist  verbal  und  nominal  (^veritas 
in  dicto  non  in  re  consistit;  de  corp.  III,  p.  31).  Hobbes  selbst 
giebt  eine  genaue  Zusammenfassung  seiner  Philosophie  mit  den 
an  Des cart es  gerichteten  Worten  (obj  IV,  p.  201):  „Was  würden 
wir  sagen,  wenn  vielleicht  das  Raisonnement  nichts  anderes  wäre, 
als  eine  Verbindung  und  Aneinanderreihung  von  Namen  oder 
Benennungen  mit  Hilfe  des  Zeitwortes  „est'^?  Daher  käme  es, 
dass,  indem  wir  mit  dem  Verstände  schliessen,  wir  ganz  und  gar 
nicht  die  Natur  der  Dinge,  sondern  nur  ihre  Benennungen  be- 
rühren, jenachdem  wir  die  Namen  der  Dinge   den  Verabredungen 


—     15    — 

gemäss,  welche  wir  nach  unsrer  Meinung  über  die  Beziehung  der- 
selben machen,  verbinden  oder  nicht.  Wenn  dem  so  ist,  wie  es 
ja  sein  kann,  so  wird  das  schliessende  Denken  (ratiocinatio)  von 
den  Namen  abhängen,  die  Namen  von  der  Vorstellung,  die  Vor- 
stellung vielleicht  von  der  Bewegung  der  körperlichen  Organe, 
und  so  wird  endlich  der  Geist  nichts  anderes  sein,  als  eine  Be- 
wegung in  gewissen  Teilen  des  organischen  Körpers."  Da  nun 
die  aus  der  Vernunft  abgeleitete  Form  wesentliches  Merkmal  der 
Wissenschaft  ist,  so  kann  sie  von  der  Existenz  ihres  Gegenstandes 
völlig  unabhängig  werden.  Und  so  zeigt  sich  (in  Object.  XIV. 
p.  221)Hobbes  auch  bereit,  den  von  Descartesin  anderer  Meinung 
vorgetragenen  Satz,  dass  auch,  wenn  es  auf  der  ganzen  Welt 
kein  solches  Ding,  wie  ein  Triangel  gebe,  doch  der  Begriff  oder 
die  Essentia  desselben  unveränderlich  und  ewig  bestimmt  sei,  mit 
der  Einschränkung  zuzugeben,  dass  unter  Essenz  nichts  anderes 
verstanden  werden  dürfe,  als  eine  Verbindung  von  Namen  durch 
das  Verbum  „est"  (wie  das  Bild  des  Menschen  im  Geiste  zum 
Menschen  sich  verhält,  so  verhält  sich  die  Essentia  zur  Existenz). 
Die  Auffassung  Hobbes,  in  der  Bewegung  die  Ursache  der 
Universalien  zu  sehen  (the  cause  of  universal  things  is  motion; 
de  corp.  eh.  VI,  p.  69)  beschränkt  ihn  beinahe  einzig  und  allein  auf 
die  Fähigkeit  zu  empfinden.  Er  teilt  diese  Art  von  Empirismus 
mit  Hume  und  Helvetius,  welche  zugleich  mit  ihm  den  ab- 
strakten Wahrheiten  das  Recht  streitig  machen,  die  thatsächlichen 
Wahrheiten  fruchtbar  zu  machen  und  nicht  glauben,  den  Kreis 
des  wirklichen  Wissens  über  die  gegenwärtigen  und  unmittel- 
baren Eindrücke  hinaus  erstrecken  zu  können  (Degerando,  T.  III, 
p.  97).  Die  Lehre  Locke s  dagegen  hat  grösseres  Gleichgewicht 
zwischen  den  drei  hauptsächlichsten  intellektuellen  Fähigkeiten 
bewahrt,  indem  sie  zwar  auch  die  Erfahrung  zur  Basis  nahm, 
aber  den  Gebrauch  der  identischen  Wahrheit  zuliess,  um  die  Be- 
obachtungen auszudehnen  und  zu  generalisieren.  Dennoch  ist  in 
Hobbes'  Lehre  von  der  Empfindung,  dass  alle  sogenannten  sinn- 
lichen Qualitäten  als  solche  nicht  den  Dingen  angehören,  sondern 
in  uns  selbst  entstehen,  dass  auch  die  menschliche  Empfindung 
nichts  ist,  als  Bewegung  körperlicher  Teile,  veranlasst  durch  die 
äussere  Bewegung  der  Dinge,  schon  der  volle  Sensualismus 
Lock  es  im  Keime  vorhanden,  der  in  der  Geschichte  des  Materia- 
lismus (cfr.  F.  A.  Lange  a.  a.  0.)  als  Mittelglied  zwischen  der  strengen 
Systematik  eines  Gassen di  und  Hobbes  und  der  volkstümlichen, 


—     16    — 

auf   die    unmittelbare    Wirkung   berechnete    Thätigkeit    der   fran- 
zösischen Encyklopädisten  auftritt. 

Diese  Bewegung,  die  Ursache  der  üniversalien ^  hat  ihren 
Grund  wieder  in  einer  Bewegung^  wie  auch  die  Verschiedenheit 
aller  der  von  uns  mit  den  Sinnen  wahrgenommenen  Dinge  in  der 
Bewegung  begründet  ist.  Bewegung  ist  nun  ,,das  beständige  Ver- 
lassen eines  Ortes  und  das  Gewinnen  eines  anderen"  (de  corp.  eh. 
VI,  p.70);  anklingend  an  das  Aristotelische:  „Ein  Körper  bewegt 
sich,  wenn  er  seinen  Raum  ändert"  (Whewell  I,  p.  43).  Hobbes 
übersieht  hier  offenbar,  dass  in  diesem  Verlassen  und  Gewinnen 
der  Begriff  der  Bewegung  schon  enthalten  ist.  Der  Ort  wird 
dabei  aufgefasst  als  der  von  einem  Körper  umschlossene  oder 
entsprechend  ausgefüllte  Raum.  Jenachdem  wir  bei  der  Bewegung 
nun  die  Bahnen  derselben  schlechthin,  oder  die  Bahnen  der  uns 
klar  zu  Tage  liegenden  Bewegungen  oder  endlich  die  Bahnen  der 
inneren  oder  unsichtbaren  Bewegungen  in  Rücksicht  ziehen,  befinden 
wir  uns  im  Gebiete  der  Geometrie,  oder  der  Physik,  oder  endlich 
der  Naturphilosophie  (cfr.  de  corp.  eh.  VI,  p.  73).  Hobbes  macht 
es  daher  für  Denjenigen,  der  sich  mit  Naturphilosophie  beschäf- 
tigen will,  zur  ersten  Bedingung,  der  Geometrie  zunächst'  seine 
Aufmerksamkeit  zuzuwenden,  und  von  da  ausgehend  weiter  vor- 
wärts zu  schreiten;  und  er  begegnet  sich  in  dieser  Auffassung 
mit  Leonardo  da  Vinci  und  Galilei,  den  bahnbrechenden 
Geistern  wissenschaftlicher  Aufklärung  jener  Zeit  (cfr.  Dühring, 
Krit.  Gesch.  der  allgem.  Princ.  der  Mechanik;  p.  39). 

IL  PhilosopMa  prima. 

Um  die  völlige  Subjektivität  aller  unsrer  Vorstellungen  uns 
anschaulich  zu  machen,  bedient  sich  Hobbes  der  Voraussetzung 
der  Privation,  d.  h.  der  Vorstellung,  die  Welt  mit  Ausnahme  des 
denkenden  Menschen  als  aufgehoben  zu  betrachten  (de  corp,  VII, 
p.  91).  Dieser  Mensch  würde  „Ideen"  von  der  Welt,  d.  h.  Erin- 
nerung und  Vorstellung  von  Grössen,  Bewegungen,  Schall, 
Farben  u.  s.  w.,  sowie  deren  Ordnung  und  Teile  behalten.  Und 
alle  diese  nur  innerlich  auftretenden  Ideen  oder  Phantasmen  würden 
doch  als  ausserhalb  der  Seele  existierend  und  von  derselben  un- 
abhängig erscheinen,  weil  der  Mensch  wohl  wüsste,  dass  die  Be- 
wegungen in  ihm  nicht  von  der  Kraft  seines  Geistes  abhingen. 
Diesen  Dingen  werden  dann  von  seiten  des  Menschen  Namen  bei- 


—     17     — 

gelegt,  sie  werden  subtrahiert  und  addiert.  Wenn  der  Mensch 
also  denkt  und  überlegt,  berechnet  er  immer  nur  seine  eignen 
Vorstellungen  (de  corp.  VIT,  p.  92),  und  könnte  er  sich  daher  eine 
Welt  vorstellen,  wie  er  wirklich  gegenwärtig  sich  eine  denkt, 
obgleich  er  niemals  aus  sich  herausginge,  sondern  immer  nur  mit 
seinen  Vorstellungen  beschäftigt  bliebe.  Die  äussere  Welt  aber 
würde  er  sich  im  Raum  vorstellen  müssen.  „Raum"  definiert 
Hobbes  als  die  Vorstellung  einer  Sache,  welche  existiert,  sofern 
sie  existiert  (de  corp.  VI,  6;  VII,  p,  94;  decam.  phys.  eh.  II),  ohne 
dabei  zu  berücksichtigen,  dass  die  Vorstellung  des  Raumes  doch 
nur  von  der  Vorstellung  eines  ausser  uns  seienden  Dinges  ab- 
genommen werden  sollte.  Allerdings  ist  er  nur  etwas  Eingebildetes, 
ein  blosses  Phantasma,  aber  doch  ist  es  das,  was  von  allen 
Menschen  so  genannt  wird.  Und  zwar  spricht  man  von  Raum 
nicht  mit  der  Vorstellung,  dass  derselbe  schon  voll  ist,  sondern 
weil  er  gefüllt  werden  kann.  Hobbes  hält  zwar  den  Raum  als 
solchen  für  eine  subjektive  Idee,  aber  er  leitet  diese  Idee  doch 
aus  der  Empfindung  her,  so  dass,  wenn  es  nie  eine  Empfindung 
des  Körpers  gegeben  hätte,  auch  keine  Idee  vom  Räume  möglich 
wäre.  Der  eingebildete  Raum  ist  ein  Accidenz  des  Gemüts,  der 
reale  ein  Accidenz  des  Körpers.  —  Auch  der  bewegte  Körper 
lässt  von  seiner  Bewegung  ein  Phantasma  in  der  Seele  zurück, 
die  Zeit  genannt.  „Zeit  ist  das  Bild  der  Bewegung  (time  is  a 
phantasm  of  motion),  die  Vorstellung  eines  Körpers,  welcher  von 
einer  Stelle  zur  anderen  mit  kontinuierlicher  Succession  übergeht" 
(de  corp.  VII;  decam.  phys.  eh.  II).  Genauer  stellt  Hobbes  die 
Zeit  noch  als  die  Vorstellung  des  Vorher  und  Nachher  in  der 
Bewegung  dar  und  erklärt  sich  dabei  selbst  in  Übereinstimmung 
mit  dem  Aristotelischen  „die  Zeit  ist  die  Zahl  der  Bewegung  mit 
Rücksicht  auf  das  früher  und  später"  (de  corp.  VII;  Ritter  III, 
p.  235).  Er  legte  auch  den  Begriff  der  Zeit  mehr  bloss  in  die 
Vorstellung  als  den  Begriff  des  Raumes,  und  sucht,  wie  Aristo- 
teles, das  Gegenständliche,  was  in  der  Zeit  zur  Vorstellung 
kommt,  in  dem  Begriffe  der  Bewegung.  Raum  und  Zeit  sind 
also  nach  Hobbes  zwar  subjektive  Vorstellungen,  allein  sie  sind 
nicht  a  priori,  sie  setzen  die  Empfindung  des  Körpers  und  die 
Erfahrung  von  bewegten  Körpern  voraus.  Zusammenhängend  (con- 
tiguous)  sind  nun  zwei  Räume,  wenn  kein  Raum  zwischen  ihnen 
liegt,  zwei  einander  unmittelbar  folgende  Zeiten  heissen  „im- 
mediate",  während  endlich  Räume  und  Zeiten  als  „kontinuierlich^' 


—     18    — 

aufgefasst  werden,  wenn  sie  einen  Teil  gemeinsam  haben  (de 
corp.  VII).  Bei  der  Frage  über  die  Messbarkeit  von  Zeit  und  Raum 
unterscheidet  Hob b es  messbares  (finite  in  power)  von  unmess- 
barem  (infinite  in  power),  will  dabei  jedoch  festgehalten  wissen, 
dass  die  Anzahl  der  Stunden  oder  Fuss  immer  begrenzt  sein  wird, 
for  every  number  is  finite.  Diese  Auffassung  über  Endlichkeit 
und  Unendlichkeit  fällt  mit  der  des  Aristoteles  zusammen,  dem- 
zufolge „Unendliches^'  das  ist,  ausser  welchem  immer  noch  etwas 
Weiteres  genommen  werden  könne.  Aristoteles  sieht  also  im 
Unendlichen  nur  das  Unbestimmte.  Dasselbe  drücktauch  Hobbes 
aus,  wenn  er  sagt,  dass  man  etwas  Unendliches  nicht  ein  Ganzes 
noch  ein  Einziges  nennen  kann  (de  corp.  p.  99, 100),  und  dass  bei 
dem  Worte  „unendlich'^  in  uns  nur  die  Vorstellung  unsrer  eignen 
Beschränkung  und  Grenzen  entsteht  (object.  p.  212).  Der  Frage 
nach  der  Unendlichkeit  oder  Endlichkeit  der  Welt  begegnet 
Hobbes,  der  sensualistischen  oder  empiristischen  Seite  seiner 
Erkenntnistheorie  gemäss  mit  dem  Einwände,  dass  dem  Worte 
„Welt"  in  UQsrer  Seele  nichts  entspricht,  weil  alle  unsere  Vor- 
stellungen endlich  und  bestimmt  sind;  man  könne  nur  fragen,  ob 
Gott  wirklich  eine  solche  Anhäufung  von  Körper  zu  Körper  ge- 
macht, wie  wir  sie  uns  von  Raum  zu  Raum  machen  können  (de 
corp.  p.  100).  Es  schwebt  ihm  hier  jedenfalls  wieder  die  Aristo- 
telische Ansicht  vor,  derzufolge  „die  Welt  als  ein  im  Räume 
wahrnehmbares  Körperliches"  eine  bestimmte  oder  begrenzte  Grösse 
haben  müsse,  und  ein  Räumliches  oder  Körperliches  nicht  gedacht 
werden  kann  ohne  eine  bestimmte  Begrenzung  (Ritter  III,  p.  224). 

Wenn  Hobbes  „Raum  und  Zeit'^  als  unendlich  teilbar  hin- 
stellt, und  zwar  insofern,  als  das,  was  geteilt  wird,  wieder  zer- 
legbare Teile  giebt,  und  sagt,  „no  quantity  is  so  small,  but  a 
less  may  be  taken",  so  erneuert  er  ebenfalls  die  peripatetische 
Lehre  darüber,  derzufolge  das  Unendliche  nicht  in  der  wirklichen 
Teilung,  sondern  nur  in  der  Teilbarkeit,  nur  dem  Vermögen  nach 
besteht,  und  zwar  einem  Vermögen  nach,  welches  nie  zur  Wirklich- 
keit werden  wird.  Er  begegnet  sich  hier  mit  Descartes,  welcher 
ebenfalls  die  ausgedehnte  Materie  als  ins  unendliche  teilbar  hin- 
stellt, und  befindet  sich  mit  diesem  im  Gegensatz  zu  Gassendi, 
denn  aus  der  unendlichen  Teilbarkeit  des  Raumes  folgt  unmittelbar, 
dass  es  keine  unteilbaren  materiellen  Teile,  keine  Atome  geben  könne. 

Aus  allem  diesen  zieht  Hobbes  nun  die  Folgerung,  dass  die 
allgemeinsten   Arten  der  Phänomene  Grösse  und  Bewegung    sind, 


—     19     — 

und  zwar  die  von  der  Geometrie  untersuchte  räumliche  Grösse 
(exam.  et  emend.  math.  hod.  p.  24).  Es  scheint  ihm  hierdurch  seine 
materialistische  Ansicht  gerechtfertigt^  dass  wir  alle  Erscheinungen 
als  Erscheinungen,  welche  an  Körpern  vorkommen,  zu  denken 
haben  (de  corp.  1^4).  Einen  „Körper"  definiert  er  als  dasjenige, 
was  unabhängig  von  anserm  Denken  mit  irgend  einem  Teile  des 
Raumes  zusammenfällt  oder  gleichzeitig  existiert  (de  corp.  eh.  VIII, 
p.  102;  decam.  phys.  eh.  1,  p.  81).  Die  Art  und  Weise,  nach  welcher 
ein  Körper  aufgefasst  wird,  oder  die  Fähigkeit  des  Körpers,  ver- 
möge welcher  er  in  uns  eine  Vorstellung  von  sich  hervorruft,  ist 
das  „Accidenz"  (an  accident  is  the  manner  by  which  any  body  is 
conceived;  —  is  that  faculty  of  any  body,  by  which  it  works  in 
US  a  conception  of  itself.  de  corp.  VIII,  p.  103).  Es  ist  somit  auch 
jede  Ursache,  d.  h.  jede  Bewegung,  als  Accidenz  eines  Körpers 
zu  betrachten  (de  corp.  eh.  VIII,  2;  IX,  3),  und  das  Accidenz  selbst 
ist  nichts  Wirkliches,  Objektives,  wie  der  Körper,  sondern  nur 
die  Art,  wie  der  Körper  aufgefasst  wird.  Das  Accidenz  ist  in 
einem  Körper,  erklärt  Hobbes  sich  eng  anschliessend  an  die 
Aristotelische  (negative)  Erklärung:  „An  accident  is  in  its 
subject,  not  as  any  part  thereof,  but  so  as  that  it  may  be  away 
the  subject  still  remaining".  Indem  er  so  die  Accidenzen  den 
Körpern  gegenüberstellt  und  als  Wirkungsarten  der  Körper  de- 
finiert, vermeidet  er  die  Unterscheidung  zwischen  primären  und 
sekundären  Qualitäten,  begreift  vielmehr  unter  den  irrealen  Acci- 
denzen auch  Ausdehnung  (de  corp.  eh.  Vlll,  p.  105),  Beweglichkeit 
und  Undurchdringlichkeit,  und  Raum  und  Zeit  sind  bloss  die  ab- 
straktesten Vorstellungen,  welche  als  Erinnerungen  auch  bleiben 
würden,  wenn  alle  Vorstellungen  von  Dingen,  von  seienden  und 
von  bewegten  verschwunden  wären  (Tönnies 'IV,  1880,  p.  72,  73). 
Sonach  würde  also  von  einer  Wirklichkeit  ausserhalb  der  Vor- 
stellungen nichts  als  der  leere  Begriff  eines  Körpers  oder  einer 
Substanz  bleiben  (de  corp.  eh.  VIII.  Dec.  phys.  eh.  I,  VII,  p.  81),  der 
allerdings  als  solcher  als  bloss  ausgedehnt,  nur  für  das  Denken 
zu  gebrauchen  ist.  Er  unterscheidet  den  „Ort"  (place)  als  Vor- 
stellung eines  Körpers  von  bestimmten  Eigenschaften  innerhalb 
der  Seele  als  „scheinbare  Ausdehnung",  und  die  „Grösse"  (magni- 
tude)  als  besonderes  Accidenz  jedes  Körpers,  als  wirkliche  Aus- 
dehnuno^,  und  kommt  auch  hier  wieder  zu  dem  Schluss,  dass  nur 
Namen  und  Zeichen  allgemein  sind  (Nothing  is  general  or  uni- 
versal  besides   names    or   signs;  de   corp.  p.  106).     Aus    der  Auf- 


-     20     — 

fassung,  dass  ein  Körper,  die  Grösse  desselben  und  seine  Stelle 
im  Raum  (place  =  idea  of  extension)  durch  ein  und  dieselbe 
Geistesoperation  geteilt  wird,  leitet  er  die  Eigenschaft  der  Un- 
durchdringlichkeit ab.  Weil  nun  ein  Körper  nicht  ganz  und  auf 
einmal  aus  seiner  frühern  Lage  in  eine  andere  übergehen  kann, 
deshalb  ist  die  Beweguug  kontinuierlich;  sie  stellt  nur  ein  kon- 
tinuierliches Verlassen  eines  Ortes  und  Erwerben  eines  anderen 
in  der  Zeit  dar  (de  corp.  p.  109).  Ruhe  und  Bewegung  eines 
Körpers  stehen  sich  somit  gegenüber  wie  das  Beharren  an  einem 
Orte  und  Ortsveränderung.  Diese  Voraussetzungen  ergeben  die 
seiner  ganzen  Natarlehre  zu  Grunde  liegenden  Folgerungen:  1.  Dass 
das,  was  sich  bewegt,  bewegt  worden  ist;  2.  dass  das,  was  sich 
bewegt,  sich  noch  ferner  bewegen  wird;  3.  dass  das,  was  sich  be- 
wegt, sich  auch  nicht  für  einen  Augenblick  an  einem  und  dem- 
selben Orte  befindet  (de  corp.  p.  110).  Denn  ein  Körper,  welcher 
einmal  ruht,  muss  immer  in  Ruhe  verharren,  wenn  nicht  ein  an- 
derer vorhanden  ist,  der  die  Ruhe  jenes  aufhebt;  umgekehrt  wird 
ein  bewegter  Körper  nicht  aufhören,  sich  zu  bewegen,  wenn  ihn 
ein  anderer  nicht  aufhält  (Trägheitsgesetz). 

Indem  mau  nun  bei  der  Beweguug  eines  Körpers  von  seiner 
Grösse  abstrahiert,  kann  man  den  zurückgelegten  Weg,  den  durch- 
laufenen Raum,  den  Körper  selbst  als  Punkt,  und  die  durch  Be- 
wegung eines  ausgedehnten  Körpers  (a  body  which  is  considered 
as  long)  erzeugten  Oberflächen  und  Körper  betrachten.  Da  die 
Punkte  eines  Körpers  (solid)  nicht  alle  verschiedene  Linien  be- 
schreiben können,  weil  der  Weg  des  folgenden  Teils  mit  dem  des 
vorhergehenden  zusammenfällt,  so  dass  nur  der  frühere  Körper  wieder 
entstehen  würde,  kann  es  in  einem  Körper  nur  drei  Dimensionen 
geben  (de  corp.  eh.  VIII).  Betrachten  wir  die  Bewegung  eines 
Körpers  mit  Rücksicht  auf  die  zurückgelegte  Strecke,  so  kommen 
wir  zu  dem  Begriffe  der  Geschwindigkeit  (velocity  or  swiftness  is 
the  motion  according  to  length),  und  je  nachdem  in  gleichen 
Zeiten  gleiche  Wegstrecken  zurückgelegt  werden  oder  nicht,  erhält 
man  gleichförmige  und  ungleichförmige  Geschwindigkeiten.  Be- 
rechnet man  die  Geschwindigkeit  der  Bewegung  für  jeden  Teil 
ihrer  Grösse,  so  ergiebt  sich  die  Grösse  der  Bewegung,  die  Kraft 
derselben.  Wenn  nun  Hob b es  behauptet,  dass  alle  anderen  Acci- 
denzen  ausser  Grösse  oder  Ausdehnung  entstehen  und  vergehen 
können,  so  giebt  er  sich  selbst  schon  die  Richtung  an,  welche  er 
bei  der  Definition  der  Materie  einschlagen   muss.     Zwischen  Kör- 


--     21     — 

per  und  Accidenz  besteht  der  Unterschied,  dass  die  Körper  Dinge 
sind    und    als    solche   nicht   entstanden  (not  generated),  die  Acci- 
denzen  dagegen  entstanden  sind.     Ob  wir  nun  einen  neuen  Körper 
als    Objekt    unsrer    Wahrnehmung    wahrnehmen,    oder    nur    dem 
früher   angenommenen    Körper    neue   Eigenschaften   beilegen,   das 
hängt  von  der  sprachlichen  Feststellung  der  Begriffe  ab,  und  somit 
ist  der  Unterschied   zwischen  Körper  und  Accidenz  nur  ein  rela- 
tiver,   von    unsrer  Auffassung   abhängiger.     Wir   setzen   in  jedem 
Satze  unter  dem  einen  Namen  eine  konkrete  Sache  und  legen  ihr 
unter  dem    andern    Namen  ihr  Accidenz   bei;   dieses   kommt    und 
geht  im  Wechsel   der  Bewegung,  während  der  Körper  ohne  Ver- 
änderung   bleibt    und    nicht    vergehen   kann  (de  corp.  111,3).     Je- 
nachdem  ein  Accidenz  vergeht  und  ein  anderes  entsteht,  erscheint 
der  Gegenstand   anders.     Das  Accidenz,    dessentwegen  wir    einem 
Dinge  einen  gewissen  Namen   beilegen,   heisst   sein  Wesen,   seine 
Art  (essence),  und  das  Wesen,  sofern  es  entstanden  ist,  wird  Form 
genannt    (de   corp.  eh.  VIII,  p.  117),     Eücksichtlich   des   Accidenz 
ist    der    Körper    „Subjekt",    rücksichtlich    der    Form    „Materie". 
Und    es    sind   die  Prädikate,   welche   wir   den  Subjekten   beilegen, 
als  die  Ursachen  anzusehen,  welche    die  Bewegung  hervorbringen 
(de    corpore  3,3).      Die   Variation    der   Accidenzen   verändert    den 
Körper,   die  Formveränderung   lässt   ihn   entstehen   und  vergehen. 
Bei   allem   Vergehen    und   Entstehen    aber   bleibt   der   Name    der 
Materie  (matter)  unverändert.     Von  der  Substanz  der  Dinge  haben 
wir  keinen  Begriff,  die  erste  Materie,  an  welcher  alles  haften  soll, 
ist  uns  unbekannt,    und  wenn  wir  auch  das  Dasein  der  Substanz 
erschliessen  können,  so  haben  wir  doch  keine  Vorstellung  von  ihr 
(Obj.  im  Gart.  med.  p.  264).     Diese  allen  Dingen  gemeinsame  Ma- 
terie (uiateria  prima)  ist  weder  einer  von  den  Körpern,  noch  ein 
ganz    besonderer    Körper   ausser    allen    anderen,   und    daher   folgt 
schon,    dass    sie    in   der   That   nichts    ist,    als    ein    blosser   Name, 
welcher  die  Auffassung   eines  Körpers   nur  mit  Rücksicht  auf  die 
Grösse  oder  Ausdehnung  desselben  und  die  Fähigkeit,  Form    und 
Accidenzen  an- und  aufzunehmen,  bezeichnet  (de  corp.  ch.VIlI,  p.  119): 
Materia  prima  is  body  in  general,  that  is,  body  considered  universally, 
not  as  having  neither  form  nor  any  accident,  but  in  which  no  form 
nor  any  other  accident  but  quantity  are  at  all  considered,  that  is,  they 
are  not  drawn  into  argumentation.  Bei  der  Ho  bb  es 'sehen  Definition 
ist  die  Aristotelische  Auffassung  der  Materie  als   das  Bleibende 
und  dem  Werden  zu  Grunde  Liegende  offenbar  als  Ausgangspunkt 


—     22    — 

benutzt  (Ritter  III,  p.  128,  129),  aber  Hobbes,  der  das  Mögliche 
oder   Zufällige   als   nicbt    in   den    Dingen   selbst,   sondern    nnr  in 
unsrer  Auffassung  der  Dinge  begründet  erkennt  (de  corp.  cap.  II,  i), 
demzufolge  im  Zusammenbange   der   Erscheinungen  keine  Thätig- 
keit  entsteht,  zu  welcher   nicht   die  ganze  Kette  der  Bewegungen 
oder  die  ganze  Natur  mitwirkte   (of  lib.  and.  nee.  p.  481),  somit 
Alles  in  der  Natur  auch  notwendig  ist,   und  wir  nur  beziehungs- 
weise   von    etwas    Zufälligem    sprechen    können    (de  corp.  10,5), 
vermeidet  den  Fehler  des  Aristotelischen  Systems,  indem  er  das 
Aeeidenz  als  Zufälligkeit  im  Objekte   durch   die   zufällige,  subjek- 
tive   Auffasung    ersetzt.     Diese   Ansicht    über    das    Zufällige    der 
Erscheinungen    findet   man   auch  in   dem    essai   philosophique  sur 
les  probabilites   von  Laplace    ausgesprochen,    wo   derselbe   sagt: 
„Alle   Ereignisse,    selbst    die    ganz   zufällig  und  von   den  grossen 
Gesetzen    der    Natur    völlig    unabhängig    scheinenden,    sind    doch 
ohne  Zweifel  eine  ebenso  notwendige  Folge  derselben  ewigen  Ge- 
setze,   als    es    die   Bewegung    der    Sonne   und    aller  Körper   des 
Himmels    nur   immer   sein   kann,  und   nur  unsre  Unkenntnis   des 
Zusammenhangs  dieser  Erscheinungen  lässt  sie  uns  von  dem  blin- 
den Zufall  abhängig  machen.     Jedes  gegenwärtige  Ereignis  muss 
mit    einem    ihm    vorhergegangenen    in    irgend    einer    Verbindung 
sein,  da  nichts  bestehen  kann,  ohne  einen  Grund  seines  Bestehens 
zu   haben.      Selbst    unsre    scheinbar   gleichgiltigsten   Handlungen 
unterliegen  einem  Gesetze,  und  der  allerfreieste  Wille  wird,  wenn 
gar  kein  Motiv  ihn  bestimmt,  auch  keine  Handlung  hervorbringen 
können"  (W.  WhewellII,p.  500;Hobbes  vol.IV,p.  229flg.;  ofliberty 
and  nee.  VI,  p.  274;  object.  (1642)  p.  192,  object.  prima).     Die  Ma- 
terie als  das,  „was   an  sich  nichts  Bestimmtes  ist  und  Alles  wer- 
den kann",  wird  von  Hobbes   als  der  allgemein  gefasste  Körper, 
eine  Abstraktion    des    denkenden  Subjekts   hingestellt.     Nicht   die 
Materie  beharrt  und  bleibt  bei   aller  Veränderung  beständig,  son- 
dern der  Körper,  der  nur  seine  Accidenzen  wechselt  und  uns  so 
in    verschiedener    Weise    erscheint   (de   corp.  VIII).      Diese    Auf- 
fassung   der   Materie    bei   Hobbes   hat    als   ferneren    Grund   den, 
dass   er   bei    seiner  Naturphilosophie  nur  die  mathematische  An- 
schauung zu  Grunde  legt,   dass  bei  ihm  die  Mathematik  die  Be- 
deutung eines  Produktiven  hat,  und   er  aus   ihr  allein   die  Natur 
erzeugt    (de  corp.  VI,6).      Demzufolge    ist    bei    ihm    der    Körper 
notwendig    das    einzige    Reale,    Substanzielle    und    Wirkliche    der 
Natur    als   Körper  lediglich,    allein  in   und    mit  der  Bestimmung 


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der  Quantität  oder  Grösse,  als  das  einzige  wesentliche  Prädikat, 
welches  das  .,Sein*^  und  „Vorgestelltwerden*'  des  Körpers  bedingt. 
Das  diesen  verschiedenen  Ansichten  zu  Grunde  liegende  Reale  ist 
die  Bewegung  der  Teile  des  Körpers.  Hobbes  scheint  sonach  in 
seinen  Werken,  indem  er  alles  Sein  und  Werden  auf  Bewegung 
zurückführt,  das  anstreben  zu  wollen,  was  als  die  grösste  Förde- 
derung  der  Naturwissenschaft  zu  betrachten  ist  und  wovon  Alexan- 
der von  Humboldt  (Kosmos  1,  p.  106)  sagt:  ,,Wenn  wir  aus  einer 
kleinen  Anzahl  von  Kausalgesetzen  durch  ihre  vereinten  oder 
successiven  Wirkungen  die  Erscheinungen  der  Natur  deduktiv  ab- 
zuleiten vermöchten,  so  wäre  damit  der  grcsste  Fortschritt  in  der 
Erkenntnis  der  Natur  erreicht."  Hobbes  kam  infolge  einer  über 
den  Sinn  aufgeworfenen  Frage  zu  dieser  Ansicht,  dass  die  Ursache 
aller  Dinge  in  der  Verschiedenheit  der  Bewegungen  gesucht  wer- 
den müsse,  und  durch  seinen  Verkehr  mit  P.  Mersenne  befestigte 
sich  dieses  Princip  um  so  mehr,  als  Des  carte  s  in  seinem  System 
alle  Erscheinungen  in  der  Natur  nach  mechanischen  Gesetzen  vor 
sich  gehen  Hess  (cfr.  Charles  de  Remusat,  bist,  de  la  phil.  angl.  1, 
p.  330).  Es  ist  also  nach  Hobbes  jedes  Accidenz  nur  die  Weise 
eines  Körpers  und  jede  Ursache,  d.  h.  jede  Bewegung  nur  als 
Accidenz  eines  Körpers  zu  betrachten  (de  corp.  8, 25  9, 3).  In- 
dem er  nun  die  bewegenden  Substanzen  den  Bewegungen,  welche 
wir  in  uns  empfinden,  unterschiebt,  indem  er  beständig  darauf 
zurückkommt,  dass  Empfindung  und  Denken  nur  Veränderungen 
des  Körpers  sind,  und  die  Vorstellung  des  Raumes,  welche  nur 
in  unsrer  Einbildung  sich  findet,  auf  den  Gedanken  der  äusseren 
Dinge  und  alsdann  auch  auf  unsern  Geist  überträgt,  gelangte  er 
zu  seinem  Materialismus,  zu  seiner  Lehre,  dass  alles  körperlich 
sei,  was  wir  in  uns  oder  ausser  uns  erkennen  können  (Ritter  lÜ, 
p.  492).  Er  ist  ganz  abstrakter  Materialist,  d.  h.  der  Begriff,  den 
seine  Philosophie  beherrscht,  ist  der  Begriff  der  blossen  Materie, 
des  blossen  oder  mathematischen  Körpers.  Dieser  reine  Körper 
in  seiner  Abstraktion  ist  aber  die  Negativität  und  Idealität  aller 
sinnlichen  Accidenzen,  d.  i.  aller  Qualität,  der  reine  Körper  ist 
nur  die  ganz  abstrakte  Quantität  (Ludwig  Feuerbach,  Geschichte 
der  neueren  Philosophie,  p.  107).  Die  Wirkung  der  Körper  auf 
einander,  die  Aufhebung  der  Gleichgiltigkeit  und  Getrenntheit 
der  Körper,  wodurch  Verbindung  und  Zusammenhang,  und  damit 
erst  Leben  und  Bestimmung  entsteht,  stellt  sich  dar  als  das  Zer- 
stören vorhandener  und  Hervorrufen  neuer  Accidenzen,  und  kann 


—     24     — 

nur   die   mechanisclie,   in   Druck,    Stoss   und   Zug   sich  äussernde 
Bewegung    sein  (de  corp.  VI,  5:    Causa   enim    omnium  universalis 
una  est  motus).     Unter  einer  Ursache  ist   das   Zusammenkommen 
aller  Accidenzen  zu  verstehen,  welche  sowohl  im  thätigen  als  im 
leidenden    Körper    auftreten,    deren    gleichzeitiges    Vorhandensein 
in    demselben   Augenblick    die   bezweckte  Wirkung  hervorruft  (de 
corpore  6, 10;  9).     Hobbes   unterscheidet  zwischen   efficient  cause 
und  material  cause,  die  erstere   als    Aggregat  der   zur  Erzeugung 
der  Wirkung  im   Agens   vorhandenen  Accidenzen,  die  letztere  als 
Aggregat  der  Accidenzen  im  Patiens,  beide  zusammen  machen  die 
vollständige  Ursache    aus.     In   dem   Augenblick,   in   welchem    die 
Ursache    eine    vollständige    geworden    ist,    ist   auch   die  Wirkung 
vorhanden    (de  corp.  p.  123),    so    dass    sich    bei    jeder  Handlung 
Anfang  und  Ursache  als  ein  und  dasselbe  betrachten  lässt.    Wenn 
nun  Hobbes  im  Ferneren  sagt,  dass  die  Ursache  einer  Bewegung 
nur  in  einem  Körper  liegen  könne,  welcher  sich  bewegt  und  einen 
andern    berührt   (de  corp.  eh.  IX),  so  vertritt   er  mit  seiner  Auf- 
fassung   zugleich    die  Meinung,    welche    in    der  Descartes^schen 
kosmischen  Wirbeltheorie  mit  eingeschlossen  war,   dass  jede  Be- 
wegung zunächst  immer  durch  etwas,  was  selbst  bewegt  ist,  nicht 
aber  durch  verborgene  Ursachen  zu  erklären  sei.    Zugleich  spricht 
er  damit  das  Grundprincip    seiner  naturphilosophischen  Ansichten 
aus,  demzufolge  alle  Erscheinungen  in  der  Natur  ihren  Grund  in 
Bewegung  haben,  welche  sich  schliesslich  vermittelst  der  einander 
berührenden  Körper    auf    die    Organe    unsres   Körpers    überträgt, 
der  sie  in  modificierter  Gestalt  als  Sinnesempfindungen  wahrnimmt. 
Da  aber  jede  Bewegung  bei  dieser  Voraussetzung  nur  eine  andere 
Bewegung  zum  Grunde  hat,  diese  wieder  eine  andere  u.  s.  w.,  da 
das  Princip   und   der  Anfang   der  Bewegung  nicht  in  der  Natur 
als    blosser  Körper   liegen   kann,    so   ist   die  Bewegung   nur   von 
dem  denkenden  Subjekte,  das  sie  als  eine  Thatsache  aus  der  Er- 
fahrung  aufgenommen   hat,   in   die  Natur   hineingetragen,  sie  ist 
ihr  nicht  immanent  (Dec.  phys.  eh.  IV,  p.  105;  eh.  X  p.  176). 

Bewegung  ist  Folge  einer  Kraft,  und  wie  der  Ursache  eine 
Wirkung  entspricht,  so  ruft  die  Kraft  eine  Handlung  (act)  hervor. 
Die  Unterscheidung  in  Kraft  und  Handlung,  anklingend  an  die 
Antithese  des  Aristoteles  von  Kraft  und  Wirkung  (dvva^ig  xal 
BvegyELo)^  rührt  dabei  her  von  den  verschiedenen  Gesichtspunkten, 
von  denen  aus  man  Beides  betrachtet  (the  power  of  the  agent  and 
the  efficient  cause  are  the  same  thing,  de  corp.  X,  p.  127).     Man 


—     25     — 

spricht  von  Ursache  (cause)  mit  Rücksicht  auf  die  schon  erzeugte, 
und  von  Kraft  (power),  mit  Rücksicht  auf  die  spätere  Wirkung; 
in  gleicher  Weise  entsprechen  einander  passive  power  und  material 
cause;  und  das  erzeugte  Accidenz  wird  mit  Rücksicht  auf  die 
Ursache  als  Effekt,  mit  Rücksicht  auf  die  Kraft  als  Handlung  (act) 
bezeichnet.  Wie  nun  Ursache  und  Wirkung  in  demselben  Augen- 
blick eintreten,  so  wird  auch  jede  Handlung  in  demselben  Augen- 
blick vor  sich  gehen,  in  welchem  die  Kraft  vollständig  genügend 
ist.  Wir  nennen  die  Handlungen  „möglich"  und  „unmöglich*', 
jeuachdem  eine  vollständige  Kraft  zur  Hervorbringung  derselben 
vorhanden  ist  oder  nicht,  während  eine  nicht  zu  verhindernde  Hand- 
lung „notwendig'^  heisst  (de  corp.  X).  Subjekt  der  Philosophie  ist 
der  Körper,  welcher  einer  Veränderung  unterworfen  ist.  Wenn  von 
dem  einen  Körper  gleichzeitig  dasselbe,  wie  von  dem  andern 
ausgesagt  werden  kann  oder  nicht,  sind  die  Körper  gleich  oder 
verschieden,  und  zwar  ist  diese  Relation  der  Ähnlichkeit  oder  Un- 
ähnlichkeit,  Gleichheit  und  Ungleichheit,  kein  neues  Accidenz, 
sondern  war  in  dem  Verglichenen  vor  der  Vergleichung  schon  ent- 
halten, so  dass  die  Ursachen  der  in  den  aufeinander  bezogenen 
Körpern  auftretenden  Accidenzen  gleichzeitig  die  Ursachen  der 
Ähnlichkeit  und  Unähnlichkeit,  der  Gleichheit  und  Ungleichheit  sind. 
Hobbes  unterscheidet  drei  Dimensionen,  Länge  oder  Linie, 
Oberfläche  und  den  Körper,  und  nennt  jede  derselben  eine  Grösse 
(quantity).  Einmal  lassen  sich  diese  Grössen  durch  die  Darstel- 
lung bestimmen  (exposed  quantity),  ausserdem  durch  das  Gedächt- 
nis, d.  h.  durch  Vergleichung  mit  einer  dargestellten  Grösse. 
Linien,  Oberflächen  und  Körper  lassen  eine  Darstellung  zu  durch 
Bewegungen,  durch  Hinzufügen  und  durch  Schnitte  (Kegelschnitte), 
sie  werden  „kontinuierlich'^  genannt,  während  die  Zahlen  durch 
Zahlworte  oder  von  einander  verschiedene  Punkte  repräsentiert 
und  daher  als  diskrete  Grössen  aufgefasst  werden.  Die  Geschwin- 
digkeit misst  Hobbes  mit  Hilfe  der  gleichförmigen  Bewegung 
und  fordert  dabei  sowohl  die  Darstellung  der  verwandten  Zeit, 
als  auch  der  in  dieser  Zeit  zurückgelegten  Strecken.  Und  das 
Verhältnis  zweier  Zeiten  oder  zweier  gleichförmiger  Geschwindig- 
keiten ist  dann  bekannt  (exposed),  wenn  zwei  Strecken  bestimmt 
sind,  auf  denen  man  zwei  Körper  sich  gleichförmig  bewegen  lässt, 
so  dass  dieselben  beiden  Strecken  einmal  ihr  Verhältnis  angeben, 
dann  aber  auch  dasjenige  zweier  Geschwindigkeiten  und  das 
zweier    Zeiten    (de  corp.  eh.  XHI,  p.  144).     Da   nun    „gross    und 


—     26     — 

klein"  nur  Sinn  haben  als  Yergleichung,  und  eine  Grösse  nur 
grösser,  gleich  oder  kleiner  sein  kann  als  eine  andere  mit  ihr 
verglichene,  unterscheidet  Hobbes  dreierlei  Verhältnisse:  Pro- 
portion of  excess,  of  equality  and  of  defect,  und  versteht  unter 
Analogismus  den  Fall,  wo  vier  Grössen  eine  geometrische  Pro- 
portion bilden.  Er  spricht  sogar  von  einem  Hyperlogismus  (wenn 
das  Verhältnis  des  ersten  Vorangehenden  zum  ersten  Nachfolgenden 
grösser  ist  als  das  Verhältnis  des  zweiten  Vorangehenden  zum 
zweiten  Nachfolgenden-,  eh.  XIII,  p.  147)  und  von  einem  Hypo- 
logismus  (wenn  die  Sache  gerade  umgekehrt  liegt)  und  nennt 
zwei  geometrische  Proportionen  gleich,  wenn  die  nämliche  Ur- 
sache, welche  gleiche  Wirkungen  in  gleichen  Zeiten  hervorbringt, 
beide  Proportionen  bestimmt.  Zum  Beweis  dafür  benutzt  er  den 
Satz:  Velocity  is  motion  considered  as  determined  by  a  certain 
length  or  line,  in  a  certain  time  transmitted  by  it. 

Wenn  sich  Hobbes  im  Ferneren  nicht  klar  ist  über  die 
Basis  der  Logarithmen  (de  corp.  p.  175),  die  er  daraus  herleiten 
zu  können  glaubt,  dass  man  eine  vorgelegte  Grösse  in  unzählig 
viele  Teile  zerlege,  so  dass  die  Differenz  zwischen  ihren  arithme- 
tischen und  geometrischen  Mitteln  unendlich  klein  (none  at  all) 
ist,  muss  man  das  darauf  zurückführen,  dass  es  nicht  gar  zu  leicht 
aus  Neper's  Vortrag  (gest.  1618)  einzusehen  war,  worauf  seine 
Logarithmen  beruhen,  so  dass  sich  noch  1621  sonst  geschickte 
Mathematiker  abhalten  Hessen,  sich  derselben  zu  bedienen,  wie 
Kepler  in  seiner  Vorrede  zu  seiner  Chilias  logarithmorum  erzählt 
(Kästner,  Geschichte  der  Mathematik,  vol.  1,  p.  569).  Nepers 
Untersuchungen  erschienen  erst  1641  unter  dem  Titel:  Logarith- 
morum canonis  descriptio,  seu  arithmeticarum  supputationen  mira- 
bilis  abbreviatio  etc.,  und  zwar  repräsentieren  die  Nep er' sehen 
Logarithmen  die  Radien  der  gleichseitigen  Hyperbel  zwischen  den 
Asymptoten  (wenn  man  das  eingeschriebene  Viereck  gleich  eins 
setzt,  cfr.  Montucla,  vol.  II,  p.  14 flg.).  Ob  Hobbes  die  Briggs- 
schen  Logarithmen  gekannt  hat,  darüber  findet  sich  kein  Anhalt 
in  seinen  Werken.  Bei  den  ferneren  Definitionen  gerader  und 
krummer  Linien,  wobei  der  Kreis  als  krumme  Linie  mit  gleich- 
förmigem Umfang  von  den  gekrümmten  Linien  (de  corp.  eh.  XIV, 
p.  180flg.)  unterschieden  wird,  führt  er  diejenige  der  Berührung 
in  folgender  Weise  an:  Zwei  Linien  berühren  einander,  wenn  sie 
von  einem  und  demselben  Punkte  ausgehend  einander  nicht  schnei- 
den, soweit  man  sie  auch  in  derselben  Weise,  in  der  sie  entstan- 


1 


-     27     ~ 

den  sind,  verlängere.  Charakteristiscli  für  Hobbes  ist  noch,  dass 
er  die  auch  von  Newton  vertretenen,  von  Wallis  und  anderen 
bestrittenen  Kontiugenzwinkel  (Montucla,  III,  p.  575)  in  seinen 
Schriften  aufgenommen  hat,  wenngleich  die  Anwendung  derselben 
in  seinen  Abhandlungen  einer  Verbreitung  derselben  nicht  günstig 
gewesen  ist  (de  corp.  XIV,  p.  184flg.). 


III.  Die  Lehre  von  der  Natur  und  den  yerscliiedenen 
Arten  der  Bewegung  in  der  Körperwelt. 

Hobbes  fasst  die  Geometrie  selbst  als  eine  Wissenschaft  von 
Bewegungen  auf,  in  der  Ursache  und  Wirkung  nach  dem  Früher 
und  Später  unterschieden  werden  können,  somit  als  aus  Defini- 
tionen demonstrierbar.  Es  hatten  sich  also  in  seinen  Gedanken 
die  Begriffe  von  Geometrie  und  Mechanik  unlöslich  miteinander 
verschlungen,  und  er  nennt  den  dritten  Teil  von  de  corpore,  wo- 
rin er  zu  einer  abstrakten  Darstellung  der  mechanischen,  haupt- 
sächlich der  dynamischen  Gesetze  übergeht  „Geometrie^'.  Gleich 
im  Beginn  dieses  Teiles  (de  corp.  XV,  p.  204)  spricht  er  die 
Absicht  aus,  im  folgenden  nur  neues  darzulegen,  was  auf  die 
Naturphilosophie  hinführe.  Wenn  er  nun  sagt,  dass  der  bewegte 
(oder  ruhende)  Körper  in  seiner  Bewegung  (in  Ruhe)  verharrt,  bis 
ein  anderer  Körper  ihn  daran  hindert  (bewegt),  und  wenn  nach 
ihm  das  Aufhören  der  treibenden  Kraft  (movens)  nicht  zugleich 
die  Bewegung  des  getriebenen  Körpers  aufhebt  (de  corp.  XV, 
p.  213),  so  vermeidet  er  damit  jene  Schwierigkeit,  die  sich  der 
Befreiung  von  der  Aristotelischen  Auffassung  von  natürlicher  und 
gewaltsamer  Bewegung  entgegenstellte  (cfr.  Whewell  1,  p.  431, 
432;  2,  p.  18),  und  nahm  teil  an  dem  Fortschritt  der  Wissenschaft, 
wie  er  von  Galilei  angebahnt  und  in  seinen  Discorsi  1638  über 
diesen  Gegenstand  bekannt  gegeben  wurde  (Whewell  II,  p.  23,  24). 
Unter  „Endeavour"  versteht  nun  Hobbes  eine  Bewegung  in 
einem  Räume  oder  einer  Zeit,  welche  kleiner  ist,  als  dass  sie 
durch  Zahl  oder  Erklärung  bestimmt  werden  könne,  so  dass  diese 
Bewegung  durch  die  Ausdehnung  eines  Punktes  hin  in  einem 
Augenblicke  (point  of  time)  stattfinde  (de  corp.  XV,  p.  206). 
Dieser  Begriff  des  Endeavour  begegnet  sich  mit  dem  von  Galilei 
herrührenden  Princip  der  virtuellen  Geschwindigkeit,  demzufolge 
unter  „virtuellen  Geschwindigkeiten"  die  unendlich  kleinen  Räume 
verstanden  werden,  welche   bei   einem  System    von  Punkten  jeder 


—     28     — 

dieser  Punkte  im  Falle,  dass  das  Gleichgewicht  gestört  werden 
sollte,  im  ersten  Augenblick  dieser  Störung  und  zwar  nach  der 
Richtung  jeder  der  störenden  Kräfte  genommen  beschreiben  würde 
(Whewell  2,48).  Will  Hobbes  seine  Definition  aufrecht  erhalten, 
so  darf  er,  wie  es  auch  geschieht,  unter  einem  Punkte  nicht  das 
verstehen,  was  an  sich  keine  Grösse  habe  oder  durch  kein  Mittel 
teilbar  sei,  denn  er  vertritt  die  bis  ins  Unendliche  gehende  Teil- 
barkeit der  Körper;  er  will  also  den  Punkt  nicht  als  ein  unteil- 
bares (indivisible),  sondern  ebenso  wie  den  Zeitmoment  (instant) 
nur  als  ein  ungeteiltes  (individed)  betrachtet  wissen.  Es  folgte 
das  schon  aus  seiner  Annahme,  dass  jede  Wissenschaft  den  Kör- 
per zu  ihrem  Gegenstande  hat  (de  corp.  1,8),  und  dass  sonach 
der  Punkt,  ebenso  wie  die  Linie  und  die  Fläche,  Körper  sein 
müsse  (exam.  et  em.  math.  hod.  p.  33;  punctum  est  divisibile  quidem, 
sed  cujus  pars  nulla  in  demonstratione  consideranda  est,  vol.  lY, 
de  princ.  et  rat.  geom.  c.  1,  p.  392).  Allerdings  lassen  sich  weder 
die  Zeit  noch  der  Weg,  in  welcher  das  Endeavour  stattfindet,  mit 
der  Grösse  der  ganzen  Zeit  oder  des  ganzen  Weges  vergleichen, 
wohl  aber  kann  das  mit  den  Endeavours  untereineinander  ge- 
schehen, wie  ein  Punkt  mit  dem  anderen  verglichen  werden  kann 
(de  corp.  XV,  p.  206).  Diese  Auffassang  des  Punktes  als  eines 
Körpers  von  unendlich  kleinen  Dimensionen  können  wir  als  ein 
Eintreten  in  die  Bestrebungen  der  damaligen  Zeit  bezüglich  der 
Ausbildung  der  Differentialrechnung  betrachten,  denn  so  lässt  es 
sich  nur  erklären,  wenn  Hobbes  unter  anderem  von  den  „verti- 
kalen Punkten"  zweier  Winkel  spricht  und  dieselben  als  in  dem- 
selben Verhältnis  wie  die  Winkel  gleich  oder  ungleich  bezeichnet. 
Wie  sich  aber  schon  aus  der  Einführung  des  „Endeavour" 
auf  Bekanntschaft  mit  den  Schriften  Galilei's  schliessen  lässt 
und  es  wahrscheinlich  ist,  dass  es  die  1634  in  französische  Sprache 
vonMersenne  übersetzte  und  veröffentlichte  „Mechanik  Galilei's" 
war,  woraus  Hobbes  die  mathematisch -mechanische  Lehre  Gali- 
lei's kennen  lernte,  so  tritt  das  noch  mehr  zu  Tage  darin,  dass 
Hobbes  auch  den  Lieblingsausdruck  des  Galilei,  „Impetus",  für 
eine  augenblickliche  Kraftwirkung  in  analogem  Sinne  wie  dieser 
einführt.  Dieser  „Andrang"  (impetus)  ist  bei  Galilei  völlig 
gleichbedeutend  mit  Moment,  und  es  liegt  schon  in  dem  Begriffe 
des  Moments  bei  Galilei,  die  Doppeldefinition  der  Kraft  als  Be- 
streben zur  Bewegung  und  als  Ursache  der  Bewegung.  „Impetus" 
oder  „quickness  of  motion"  definiert  Hobbes  als  die  Geschwindig- 


—     29     — 

keit  des  bewegten  Körpers  in  den  einzelnen  Momenten  der  Zeit,  wäh- 
rend welcher  er  sich  bewegt,  und  es  ist  auch  hier,  wie  bei  Galilei, 
jedenfalls   die  Empfindungsvorstellung  von  dem  Andränge,  den  ein 
schwerer,  bewegter  Körper  gegen  einen  Widerstand  ausüben  würde, 
für  die  Entstehung   des  Begriffs   massgebend   gewesen.     Es    stellt 
also  der  Impetus  nur  die  Grösse  und  Schnelligkeit  des  Endeavour 
dar.     Mit  Rücksicht  auf  die  ganze  Zeit  dagegen  versteht  Hobbes 
unter  Impetus  die    ganze  Geschwindigkeit  des  Bewegten  während 
derselben  und  bezeichnet  denselben  als  das  Produkt  einer  Strecke, 
welche    die    Zeit,    und    einer    Strecke,    welche    das    arithmetische 
Mittel    der   Impetus    oder    Geschwindigkeiten    repräsentiert.      Die 
Grösse  des  Impetus    während   gewisser   Zeiten   wird   sich  auch  in 
der  verschiedenen  Länge  des  zurückgelegten  Weges  darstellen  lassen 
(de  corp.  p.  207),   und    jenachdem    das    Streben    (endeavur)   eines 
bewegten    Körpers    demjenigen    eines    anderen    bewegten    Körpers 
ganz  oder  teilweise  entgegengesetzt  ist,  oder  jenachdem  das  Stre- 
ben   des    einen    Körpers    darauf   ausgeht,   die   Teile   eines    andern 
Körpers  aus  ihrer  Lage   zu   verdrängen,  spricht  man  von  Wider- 
stand und  Druck.     Wenn  weiter  Hobbes   unter  „force"  den  Im- 
petus oder  die  Schnelligkeit  der  Bewegung  multipliciert   mit  sich 
selbst  oder  mit  der  Grösse  des  bewegten  Körpers,  oder  diejenige 
Kraft    versteht,    durch    welche    der    bewegte    Körper    mehr    oder 
weniger   auf  den   widerstehenden   Körper   einwirkt,   so   scheint  er 
hier    lebendige   Kraft    und   Bewegungsquantität   nicht  streng  aus- 
einander zu  halten  (cfr.  Fischer,  Geschichte  der  Physik,  vol.  II,  p. 
319).      Nehmen    die  Teile    eines  Körpers    auf   Grund   der  inneren 
Konstitution   desselben  ihre   ursprüngliche   Lage   nach   Aufhebung 
des  Druckes  wieder  ein,  so   haben  wir  es    mit   einem   elastischen 
Körper  zu   thun.     Richtig   sind  Hobbes^   Auffassungen   bezüglich 
der  Wirkung  des  Impetus,   dass   nämlich   auch   der  geringste  Im- 
petus   eine    Wirkung    hervorbringen    muss,    weil    sonst    aus    der 
Summe   dieser   Impetus   keine   Summe   resultieren   kann   (de  corp. 
p.  212,1,2),  dass  das  Aufheben  der  Bewegung  im  treibenden  Kör- 
per  nicht   auch   ein  Aufheben   derselben   im  bewegten  hervorruft 
(de  corp.  XXII,  14),   somit  das  Aufhören   der  Bewegung  nicht  ent- 
gegengesetzte Bewegung  ist  (cfr.  Descartes  Ansicht  darüber).    Die 
Bewegungen  selbst  lassen  sich  von  verschiedenen  Gesichtspunkten 
betrachten,   bezüdich   der  Gestalt   der  Bahn,    der  Verschiedenheit 
in  der  Regulierung  (uniform,  multiform),    der  Zahl   der   sich    be- 
wegenden Körper,  der  relativen  Lage  der  Bahn  (senkrecht,  geneigt. 


—     30     — 

parallel),  der  gegenseitigen  Stellung  der  Körper  zueinander  (als 
Stoss  und  Zug),  wobei  der  Stoss  die  üntersclieidung  in  trusion 
(bei  gleichzeitigem  Beginnen  der  Bewegung  des  bewegenden  und 
bewegten  Körpers)  und  vection  (wenn  der  bewegende  Körper  sich 
zuerst  bewegt)  zulässt,  endlich  nach  der  ,, Wirkung"  des  movens 
auf  das  patiens.  Und  zwar  nennt  Hobbes  diese  Wirkung  ,, Mo- 
ment^' (moment  is  the  excess  of  motion,  which  the  moveat  has 
above  the  motion  or  endeavour  of  the  resisting  body,  de  corp. 
p.  214;  u.  eh.  XXI1I,4,  p.  351),  will  also  wie  Galilei  unter  Mo- 
ment sowohl  die  Fähigkeit  als  die  thatsächliche  Wirkung  verstan- 
den wissen  (Dühring,  Principien  der  Mechanik  p.  2Q),  und  es  ist 
auch  bei  ihm  das  Moment  die  Wirkung,  mit  welcher  die  Bewegung 
vor  sich  geht  (Whewell  2,  p.  59).  Bei  der  Bewegung  ist  weiter 
noch  eine  Berücksichtigung  der  Verschiedenheit  in  den  Medien 
und  der  Zusammensetzung  des  bewegten  Körpers  notwendig. 
Jedes  Endeavour  schlägt  die  Richtung  ein,  welche  der  bewegende 
Körper  vorschreibt,  oder  beim  Vorhandensein  mehrerer,  die  Rich- 
tung der  aus  ihrem  Zusammenwirken  resultierenden  Kraft.  Wird 
von  zwei  einen  Körper  bewegenden  Kräften  die  eine  aufgehoben, 
so  folgt  der  Körper  nur  noch  der  anderen  und  so  wird  z.  B.,  wenn 
bei  der  Bewegung  eines  Körpers  auf  einem  Kreise  die  in  der 
Richtung  des  Radius  wirkende  Kraft  wegfällt,  der  Körper  in  der 
Tangente  fortfliegen  (de  corp.  XV,  6).  Man  kann  das  als  eine 
Ahnung  jenes  von  Huyghens  ausgesprochenen  und  später  immer 
mehr  betonten  Axioms  ansehen,  dass  sich  in  einer  Kombination 
von  Bewegungsursachen  die  einzelnen  Elemente  an  ihrem  Teile 
so  zur  Geltung  bringen,  als  wenn  die  übrigen  Bestandteile  gar 
nicht  vorhanden  wären  (cfr.  Dühring,  Kritische  Gesch.  der  allgem. 
Princip.  der  Mech.  p.  141).  Jedes  Endeavour  pflanzt  sich  nun  nach 
Hobbes  auf  unendliche  Entfernung  fort,  denn  es  ist  Bewegung, 
und  diese  erzeugt  wieder  Bewegung  und  so  in  infinitum,  die  Be- 
wegung kann  nicht  aufhören,  nicht  verloren  gehen,  sie  wird  im 
Augenblick  (in  any  instant  to  any  distance)  auf  jede  nur  mögliche 
Entfernung  hin  fortgepflanzt. 

Wir  werden  dieser  Auffassung  wieder  bei  der  Lichtbewegung, 
beim  Schall,  den  Gefühlsempfindungen  begegnen.  Hobbes  fasste 
seine  Meinung  darüber  in  die  Worte  zusammen:  „All  endeavour 
whether  it  be  in  empty  or  in  füll  space,  proceeds  not  only  to 
any  distance,  how  great  soever,  but  also  in  any  time,  how 
little    soever,   that    is,    in    an    instant"    (de  corp.  XV,  7;  p.  217), 


—     31     - 

auch    wird    das    Endeavour    während    seiner    Fortpflanzung    nicht 
schwächer. 

Dass  die  Geschwindigkeit  nicht  durch  die  Angabe  einer  blossen 
Raumdurchmessung  ersetzt  werden  kann,  weil  man  sonst  das  Ein- 
fache mit  dem  Zusammengesetzten  vertauschen,  die  blosse  Er- 
scheinungsform der  veränderlichen  Zustände  des  Körpers  mit  dem 
Bleibenden  und  der  Hauptsache  verwechseln  würde  (Dühring,  Kr. 
Gesch.  der  Princip.  der  Mech.  p.  30),  erkannte  auch  Hobbes,  in- 
dem er  die  Grösse  der  Geschwindigkeit  eines  Körpers  innerhalb 
einer  beliebigen  Zeit  aus  der  Summe  aller  Geschwindigkeiten  oder 
Impetus  während  der  einzelnen  Zeitmomente  (points  of  time)  der 
Bewegung  des  Körpers  herleitete  (de  corp.  XVI,  1,  p.  218),  und  so 
den  Weg  Galilei's  einschlug,  welchem  jede  Geschwindigkeit,  mit 
welcher  sich  eine  Masse  bewegt,  als  aus  der  Summation  elemen- 
tarer Geschwindigkeiten  entstanden  gilt.  Unter  „velocity'^  ver- 
steht nun  Hobbes  die  Kraft,  vermöge  deren  ein  Körper  während 
einer  bestimmten  Zeit  einen  bestimmten  Weg  zurücklegt.  Er 
macht  den  Versuch,  die  Bewegungserscheinungen  phoronomisch 
(cfr.  Dühring,  p.  4,  i)  darzustellen,  indem  er,  unter  der  Voraus- 
setzung des  gleichbleibenden  Impetus,  die  diesen  Impetus  dar- 
stellende Strecke  als  Zeitmass  benutzt,  während  er  auf  einer  zu 
dieser  Linie  geneigten  Geraden  den  zurückgelegten  Weg  des  Kör- 
pers abträgt  und  das  daraus  gebildete  Parallelogramm  als  Reprä- 
sentation der  Geschwindigkeit  der  ganzen  Bewegung  hinstellt. 
Wächst  dagegen  die  Bewegung  aus  der  Ruhe  beginnend  gleich- 
förmig in  ihrer  Geschwindigkeit,  so  will  er  die  ganze  „velocity'' 
der  Bewegung  durch  ein  Dreieck  dargestellt  wissen,  dessen  eine 
Seite  die  ganze  verflossene  Zeit,  die  andere  der  in  dieser  ganzen 
Zeit  erreichte  grösste  Impetus  ist,  oder  entsprechend  durch  ein 
Parallelogramm,  dessen  eine  Seite  die  ganze  Zeit,  die  andere  der 
halbe  grösste  Impetus  ist,  oder  schliesslich  durch  ein  Parallelo- 
gramm, dessen  eine  Seite  die  mittlere  Proportionale  aus  der  gan- 
zen Zeit  und  der  Hälfte  derselben,  und  die  andere  die  Hafte  des 
grösseren  Impetus  ist  (de  corp.  XVI,  l,  coroll.  p.  218).  Diesen  An- 
nahmen analog  leitet  Hobbes  eine  Anzahl  Sätze  über  gleich- 
förmige und  beschleunigte  Bewegung  ab,  die  im  wesentlichen  mit 
der  Darstellung  Galilei's  über  diesen  Gegenstand  übereinstimmen 
(Hobbes,  de  corp.  3,  4,  5).  Die  für  die  Richtigkeit  seiner  Sätze 
aufgestellten  Beweise  sind  rein  geometrischer  Art,  ein  Verfahren, 
das  er  mit  Galilei  teilt,  und  bieten  insofern  für  unsere  Anschau- 


—     32     — 

UDgsweise  manches  Ungewohnte,  wie  es  sich  im  ferneren  auch  bei 
seinen  geometrischen  Arbeiten  zeigt,  wo  er  mit  Vermeidung  jeder 
unmittelbar  analytischen  Bestimmung  sich  bei  der  Lösung  mit 
mittleren  und  höheren  Proportionalen  zu  helfen  sucht.  Diese 
Vermeidung  jeder  analytischen  Bestimmung  hat  ihren  Grund  bei 
Hob b es  in  seiner  Abneigung  gegen  die  Algebra  überhaupt.  In 
dieser  Abneigung  gegen  die  Anwendung  von  Zahlen  auf  die  Geo- 
metrie begegnet  er  sich  mit  Josef  Scaliger,  dessen  Werke 
Hobbes  kannte  (vol.  VII ,  six  lessons  etc.  p.  291),  und  der  es 
tadelte,  dass  Archimed  Zahlen  in  geometrischen  Beweisen  braucht 
(cfr.  Kästner,  Geschichte  der  Mathematik,  Bd.  1,  p.  505).  Mit  dem- 
selben stimmte  er  noch  in  der  Meinung  überein,  dass  nach  der 
Geometrie  etwas  wahr  sein  könne,  was  nach  der  Arithmetik  falsch 
ist  (Hobbes,  vol.  VII,  cap.  VIH,  six  lessons  to  the  prof.  of  math. 
p.  186),  und  dass  man  eher  der  Arithmetik  einen  Fehler  in  der 
Berechnung  zutrauen  könne,  als  der  Konstruktion.  Hobbes  nennt 
geradezu  die  Algebra  „die  Geissei  der  Geometrie"  (weapon  of 
algebra,  vol.  VII,  seven  phil.  probl.  eh.  VIII),  allerdings  hatte  auch 
Wallis  ihm  gegenüber  schonungslos  von  dieser  Waffe  Gebrauch 
gemacht.  Die  weiteren  Sätze  über  die  Bewegung  eines  durch 
zwei  Kräfte  bewegten  Körpers  in  der  Diagonale  des  von  diesen 
Kräften  als  Seiten  gebildeten  Parallelogramms  (de  corp.  XVI,  8, 
corolL),  oder  in  einer  Parabel  (ibid.,  9),  gehen  nicht  über  das 
von  Galilei  über  diese  Beziehung  Gesagte  hinaus,  und  im  ferneren 
behandelt  er  nur  eine  Anzahl  verschiedenartiger  Parabeln  (XVI,  10 ;  il), 
deren  Gestalt  er  in  einem  besonderen  Kapitel  unter  der  gemein- 
samen Benennung  der  „deficient  figures"  (cap.  XVII)  der  Unter- 
suchung unterzieht.  Er  giebt  dabei  gleichzeitig  eine  Definition 
der  „commensurablen"  Grössen  als  solcher,  welche  sich  zuein- 
ander verhalten  wie  Zahl  zu  Zahl  (cap.  XVII,  p.  247,  de  corp.), 
analog  unsrer  Auffassung  solcher  Grössen  als  durch  dasselbe  Mass 
messbar  und  somit  eine  vergleichende  Beziehung  der  Masszahlen 
zulassend.  Die  Beweise,  welche  Hobbes  für  seine  verschiedenen 
dargestellten  Kurven  (die  Parabel  nennt  Hobbes  eine  dreiseitige 
Figur  mit  einem  Mittel;  sie  ist  gleich  %  des  zugehörigen  Parallelo- 
gramms; eine  dreiseitige  Figur  mit  zwei  Mitteln  wird  kubische 
Parabel  [gleich  %  des  zugehörigen  Rechtecks]  genannt,  u.  s.  w., 
de  corp.  p.  253,  eh.  XVII)  aufstellt,  enthalten  mancherlei,  was 
nicht  als  begründet  betrachtet  werden  kann,  und  das  Bewiesene 
ebenso  wie  das  Konstruierte  nicht  aus  dem  Gesagten  folgern  lässt. 


1 


-     33     — 

Auch  stellt  er  eine  Anzahl  Reihen  auf,  die  wenig  Zweck  erkennen 
lassen,  einmal,  um  wieviel  gewisse  dreiseitige  Figuren  (deficient 
figures)  sich  von  dem  dazugehörigen  Parallelogramm  unterschei- 
den und  um  wieviel  sie  andrerseits  von  einem  geradlinigen  Dreieck 
von  derselben  Grundlinie  und  Höhe  variieren  (de  corp.  eh.  XVITI, 
p.  254 — 260),  und  will  diese  Beziehungen  benutzen,  um  die  Ver- 
hältnisse zu  bestimmen,  welche  die  mit  beschleunigter  Bewegung 
in  bestimmten   Zeiten   zurückgelegten  Wege  zu  den    Zeiten    selbst 

CD  ~  O 

haben.  Zum  Zwecke  des  Beweises  dafür  vergleicht  er  die  Flächen 
zweier  dreiseitigen  ähnlichen  Figuren  miteinander  als  proportional 
dem  Verhältnis  zweier  Strecken,  und  begründet  endlich  seine  Ab- 
leitungen damit,  dass  alle  Gleichheit  und  Ungleichheit  zwischen 
zwei  Wirkungen,  d.  h.  jedes  Verhältnis  von  den  gleichen  oder 
ungleichen  Ursachen  jener  Wirkungen  herrühre  und  dadurch  be- 
stimmt werde,  dass  somit  die  Verhältnisse  der  Grössen  dieselben 
sind  mit  den  Verhältnissen  ihrer  Ursachen.  Er  will  auf  diese 
Weise  durch  Vergleichung  der  Grössen  mit  Hilfe  der  sie  erzeugen- 
den Bewegungen  zeigen,  dass  die  Oberfläche  einer  Kugelschale 
gleich  ist  demjenigen  Kreise,  dessen  Radius  gleich  der  vom  Pole 
der  Kugelschale  nach  dem  Umfange  der  Basis  gezogenen  Geraden 
ist  (de  corp.  XVII,  p.  265),  und  löst  den  Fall  konstruktiv  auch  für 
den  Halbkreis  richtig  (es  gilt  dieser  Satz  auch  für  jeden  beliebigen 
anderen  Teil  der  Kugeloberfläche),  aber  sein  Beweis  dafür  ist  un- 
zulänglich und  unübersichtlich,  während  die  Berechnung  dieses 
und  aller  übrigen  Fälle  sofort  die  Richtigkeit  derselben  klar  dar- 
thun  würde.  Ebenso  gelangt  er  bei  dem  Versuche  .  die  Parabel 
zu  rektificieren  (de  corp.  eh.  XVIII,  l,  p.  268,  269),  da  er  die  Grösse 
der  Beschleunigung  der  die  Parabel  miterzeugenden  Bewegung 
nicht  genau  bestimmt,  bei  seiner  Annahme  zu  einem  falschen  Re- 
sultat,  was  sich  sofort  bei  der  analytischen  Lösung  dieses  Problems 
zeigt.  Es  ergiebt  sich  (cfr.  Schlömilch,  Analysis  I,  §  83,  p.  386) 
durch  Rektifikation  des  Halbparameters: 

während  nach  den  Hobbes'schen  Voraussetzungen  die  rektificierte 
Parabel  ganz  unabhängig  vom  Halbparameter  sein  würde.  [Es  würde 
sich  ergeben: 


—     34     — 

Anschliessend  an  diese  Bestimmung  der  Parabel  durch  eine  gerade 
Linie  spricht  er  noch  die  Überzeugung  aus,  dass  es  auch  mög- 
lich sein  würde,  die  Kreislinie  durch  eine  ihr  genau  gleiche  gerade 
Linie  darzustellen  und  verweist  auf  die  darauf  bezüglichen  Ver- 
suche von  Archimedes,  Apollonius,  sowie  auf  Bonaventura 
(de  corp.  XVIII,  p.  273),  welcher  Letztere  annahm,  dass  jedes  zu- 
sammenhängende Gebilde  aus  einer  unbestimmten  Anzahl  letzter 
Teile  bestehe,  in  welche  man  die  Figur  durch  parallele  Schnitte 
zerlegen  kann;  also  nur  die  Exhaustionsmethode  der  Alten  wieder 
zur  Anwendung  brachte  (Montucla,  vol.  II,  p.  38).  Auch  Hobbes 
scheint  sich  derselben  bei  dem  Versuche,  die  Länge  eines  Quadranten- 
bogens  durch  Konstruktion  zu  bestimmen,  zu  bedienen.  Seine 
weiteren  Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand,  sowie  über  die 
Quadratur  des  Zirkels  sind  teils  in  de  corp.  eh.  XX,  teils  vol.  VII, 
p.  178  und  in  vol.  IV,  p.  360flg.,  p.  484 flg.;  de  quadratura  circuli 
etc.  enthalten. 

In  seiner  Auffassung  über  die  Einfalls-  und  Reflexionswinkel 
(de  corp.  eh.  XIX)  ist  seine  Bezeichnung  der  Winkel  eine  von  der 
unsrigen  abweichende,  indem  er  unter  Einfallswinkel  nicht  den- 
jenigen versteht,  welchen  der  Einfallsstrahl  mit  dem  Einfallslot 
bildet,  sondern  den  vom  Einfallsstrahl  und  reflektierender  Linie 
(line  reflecting)  gebildeten  Winkel  (de  corp.  XIX,  p.  275).  Von 
den  über  die  Reflexion  aufgestellten  Behauptungen  haben  eigent- 
lich nur  Satz  1  und  2  mit  Coroll.  über  die  Reflexion  paralleler 
Linien  und  diejenigen  zweier  von  einem  Punkte  ausgehenden  Gera- 
den für  die  späteren  physikalischen  Betrachtungen  Bedeutung.  Im 
weiteren  behandelt  er  die  Reflexion  beim  Kreise  (de  corp.  XIX, 
3  — lo)  allerdings  ausführlich,  aber  gerade  in  dieser  Ausführlich- 
keit nur  das  Streben  nach  Berücksichtigung  besonderer  Fälle  zum 
Ausdruck  bringend. 

Hobbes  nahm,  wie  schon  erwähnt  ist,  an  den  Bestrebungen 
seiner  Zeit,  die  Kreislinie  zu  rektificieren  und  den  Kreis  zu  qua- 
drieren, eifrig  teil  und  kannte  sowohl  die  von  Archimedes  ge- 
gebene angenäherte  Bestimmung  der  Zahl  %  und  des  Quadran- 
tenbogens,  als  auch  die  Resultate  Ludolph^s  von  Cöln  (welcher 
zuerst  nach  der  Methode  des  Archimedes  die  Zahl  tc  auf  36 
Stellen  berechnete,  anno  1610)  und  von  Willebrordus  Snellius 
(welcher  mit  Hilfe  eines  Polygons  von  1073741824  (==  2^^)  Seiten 
das  Resultat  Ludolph's  fand;  cfr.  Montucla,  vol.  II,  p.  6,  7;  de 
corp.  eh.  XX,  p.  287,  288).  Vielleicht  hat  er  die  von  den  Letzteren 


l 


-     35     - 

aufgestellten  Werte  (wenn  man  den  Radius  gleich  lO'OOO'OOO 
setzt,  so  differiert  der  Quadrantenbogen  nicht  um  eine  ganze  Ein- 
heit von  der  Zahl  15'707963)  als  für  die  Praxis  wenig  geeignet 
angesehen  und ~ deshalb  versucht,  analog  der  Exhaustionsmethode 
der  Alten  dieses  Problem  konstruktiv  zu  lösen.  Möglich  ist  es 
allerdings  auch,  dass  er  zu  seinen  vielen  Versuchen  (Hobbes,  de 
magn.  circ.  vol.  IV,  p.  360 flg.),  auf  diesem  Wege  zum  Ziele  zu 
gelangen,  durch  seine  Beschäftigung  mit  den  Werken  des  Regio- 
montanus  gekommen  ist  (Hobbes,  vol.  IV  de  princ.  et  rat.  geom. 
cap.  23,  p.  464),  der  wieder  die  vom  Kardinal  Nicolaus  Cusanus 
[dessen  1565  in  Basel  erschienenen  Werke  Hobbes  möglicher- 
weise selbst  gekannt  hat  (Whewell,  vol.  1,  p.  384)]  gegebenen  Vor- 
schriften prüfte  (Kästner,  vol.  I,  p.  575).  Aus  Regiomontan  stammt 
auch  die  Notiz  bei  Hobbes,  dass  die  Araber  die  Zahl  ;r  =  ]/lü 
[(wenn  der  Durchmesser  des  Kreises  gleich  1  gesetzt  wird,  ist 
der  Umfang  des  Kreises  gleich  j/lO)  cfr.  H.  Hankel,  Gesch.  der 
Math.  p.  216;  Kästner,  vol.  II,  p.  33,  34]  angenommen  hätten  und 
Hobbes  stimmt  dieser  Annahme  bei  (in  vol.  VII,  p.  178).  Man 
muss  sich  darüber  wundern,  denn  wenn  auch  Scaliger  (gestorben 
1609)  noch  n^  =  10  setzte  (cfr.  Kästner  1,  p.  494),  so  wurden 
doch,  da  schon  gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  die  Ausziehunor 
der  Quadratwurzeln  und  die  Annäherung  zu  ihnen,  wenn  sie 
irrational  sind,  besonders  durch  die  von  Simon  Stevin  (Kästner 
III,  p.  5)  eingeführte  Einteilung  nach  Zehnen  und  dieser  gemässen 
Rechnung  (Franz  Vieta  giebt  den  Kreisumfang  bis  auf  Hundert- 
tausendmillionteile des  Durchmessers  an  und  erreicht  das,  indem 
er  dabei  Quadratwurzeln  aus  Quadratwurzeln  zieht,  cfr.  Kästner, 
III,  p.  38)  weiter  getrieben  worden  ist,  als  zuvor,  die  für  den 
Kreis  angestellten  Berechnungen  mit  einer  solchen  Genauigkeit 
durchgeführt  (wie  es  z.  B.  der  von  Adrianus  Romanus  ge- 
gebene Wert  für  den  Umfang  des  Kreises  gleich  62831'853071'795862, 
7c  =  3,1415926535897931  zeigt;  Kästner,  vol.  1,  p.  462,  466),  dass 
man  über  die  Ungenauigkeit  der  früheren  Bestimmungen  nicht  im 
Zweifel  sein  konnte,  noch  dazu,  da  dieselben  von  Ludolph  von 
Cöln,  Adrianus  Romanus  und  Anderen  ihre  Widerlegung  ge- 
funden hatten  (Kästner  1,  p.  498). 

Um  das  bereits  zur  Zeit  des  Dinostratus  (cfr.  H.  Hankel, 
Gesch.  der  Math.  p.  151)  aufgetauchte  Problem,  „einen  gegebenen 
Winkel  nach  einem  bestimmten  Verhältnis  zu  teilen",  zu  fördern, 
sucht    Hobbes    dasselbe    demjenigen,    „eine    gerade    Linie    gleich 

3* 


—     36     - 

dem  Bogen  eines  Kreises  zu  finden",  reciprok  zu  machen,  weil, 
wenn  uns  die  Länge  des  Quadrantenbogens  bekannt  wäre,  wir  da- 
durch auch  einen  Winkel  nach  einem  gewissen  Verhältnis  zu  teilen 
im  stände  wären.  Da  das  nun  nicht  auf  arithmetische  Weise  ge- 
schehen könne,  so  sucht  er  es  auf  geometrischem  Wege  zu 
erreichen  (cfr.  Whewell  1,  p.  433  über  das  nach  Kepler  benannte 
Problem).  Jedenfalls  darf  man  annehmen,  dass  die  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  zehnten  oder  der  ersten  Hälfte  des  elften  Jahrhunderts 
von  dem  Araber  Abü'l  Güd  gelöste  Aufgabe  der  Trisection  eines 
Winkels  mit  Hilfe  von  Kegelschnitten  ihm  nicht  bekannt  gewesen 
ist  (H.  Hankel,  p.  216),  Hobbes  erster  Versuch  zum  Ziele  zu 
kommen,  indem  er  die  trigonometrische  Beziehung  benutzt,  dass 
man  bei  sehr  kleinen  Winkeln  den  Sinus  für  den  Bogen  setzen 
kann  (de  corp.  XX, 2),  hatte  ebensowenig  Erfolg  als  der  andere, 
aus  der  Natur  der  Krümmung  des  Kreises  selbst  die  Kreislinie  zu 
bestimmen.  Alle  seine  teils  in  de  corpore,  teils  in  vol.  IV,  de 
quadratura  circuli,  über  Umfang  und  Inhalt  des  Kreises  nieder- 
gelegten Untersuchungen,  wie  diejenigen  de  duplicatione  cubi 
(vol.  VII,  eh.  VIII,  p.  60,  61),  welche  auf  kubische  Gleichungen 
führen,  und  die  er  in  der  Weise  der  Alten  mit  Kreis  und  Lineal 
ebenso  vergeblich  wie  diese  zu  lösen  versuchte,  zeigen  nur  Hobbes^ 
Vorliebe  für  unlösliche  Probleme*,  und  diese  Richtung,  zugleich 
mit  der  paradoxen  Kühnheit  die  Rechenmethoden  oder  vielmehr 
Rechenversuche  vermehren  zu  wollen,  fanden  durch  Wallis  be- 
soüders  ihre  Widerlegung  und  Berichtigung.  Zu  bedauern  bleibt 
nur,  dass  so  viel  Scharfsinn  und  so  viel  Mühe  mit  so  geringem 
Erfolg  belohnt  aufgewandt  worden  ist,  dass  Hobbes,  gleichwie 
die  Alten  in  der  Exhaustionsmethode,  bei  den  in  den  Beweisen 
gemachten  Umwegen  allein  die  formale  Strenge  des  Raisonnements 
zu  wahren  vermochte  (Dühring,  a.  a.  0.  p.  6).  Hobbes  will  aber 
die  Richtigkeit  seines  Verfahrens  und  zugleich  seine  Abweichung 
von  demjenigen  der  Alten  damit  begründen,  dass  bei  den  Alten 
die  Analysis  von  den  Kräften  ausging  und  dass  dieselben  darin 
fehlten,  etwas  mit  einer  entfernteren  Kraft  zu  thun,  was  sich 
durch  eine  nähere  bewirken  lasse.  Zugleich  erblickt  er  darin  nur 
ein  Argument  dafür,  dass  sie  die  Natur  eines  Dinges  nicht  voll- 
ständig verstehen.  Vergleicht  man  aber  die  Euklidische  Definition 
der  Analysis  (H.  Hankel,  p.  137):  „Analysis  ist  die  Annahme 
des  Gesuchten  als  zugestanden  durch  die  Folgerungen  bis  zu 
einem  als  wahr  Erkannten"  mit  der  Hobbes 'sehen:  „Analysis  ist 


—     37     - 

das  Schlussverfahren,  bei  welchem  unsre  Überlegung  (reason)  von 
etwas  Vorausgesetztem  zu  Principien,  zu  ersten  Voraussetzungen 
übergeht  (de  corp.  XX,  6)'^,  so  erscheint  der  Unterschied  der  bei- 
derseitigen Meinungen  als  kein  grosser.  Nach  Hobbes  ist  dabei 
das  Endziel  jeder  ^,Analysis"  das  Verhältnis  zweier  Grössen,  wel- 
ches die  gesuchte  Grösse  der  Wahrnehmung  darstellt,  für  den 
Fall,  dass  eine  Figur  beschrieben  ist  (de  corp.  p.  311).  Wir 
müssen  zuletzt  zu  den  Ursachen  von  Gleichheit  und  Ungleichheit 
selbst  kommen,  und  da  das  Ende  der  Analyse  entweder  die  Kon- 
struktion eines  (möglichen)  Problems  oder  der  Nachweis  seiner 
Unmöglichkeit  ist,  so  muss  der  Analysierende  bis  zu  den  wirk- 
lichen (efjßcient)  in  den  Definitionen  enthaltenen  Ursachen  zurück- 
gehen, d.  h.  die  Wahrheit  der  Voraussetzung,  welche  er  beweist, 
ist  aus  den  Voraussetzungen,  welche  dieselbe  beweisen,  hergeleitet. 
Weil  nun  der  Grund  fiir  die  Konstruktion  in  den  Dingen  selbst 
liegt  und  in  Bewegung  oder  deren  Zusammenwirken  besteht,  des- 
halb sind  die  Propositionen,  mit  welchen  die  Analysis  endet,  De- 
finitionen, welche  zeigen,  in  welcher  Weise  das  Entstehen  der 
Dinge  vor  sich  geht  (de  corp.  p.  312).  Synthetisch  ist  die  Art 
und  Weise  des  Nachweises  selbst,  und  Analyse  und  Synthese 
unterscheiden  sich  nur  im  Vorwärts-  und  Rückwärtsgehen  von- 
einander. Durch  Synthese  aber  zum  Beweise  des  Problems  zu- 
rückzugehen, wäre  unmöglich,  weil  jede  wissenschaftliche  Demon- 
stration von  den  Ursachen  ausgehen  muss,  aus  welchen  die  Kon- 
struktion des  Problems  hergeleitet  ist. 

Wenn  Hobbes  weiter  behauptet,  dass  Niemand  ein  guter 
Analyst  sein  könne,  der  nicht  zuerst  ein  guter  Geometer  wäre, 
dass  das  richtige  Lehren  der  Geometrie  durch  Synthese  (nach 
Euklids  Methode;  cfr.  de  corp.  p.  314)  geschehe,  so  bringt  er  da- 
mit wieder  nur  seine  Abneigung  gegen  die  Algebra  zum  Aus- 
druck, während  es  doch  gerade  für  die  Lösung  von  Fragen,  die 
für  die  alte  Analysis  unlöslich  waren,  keine  glücklichere  Idee 
gab  als  die,  diese  Untersuchungen  auf  Algebra  und  Arithmetik 
zurückzuführen,  analog  dem  Satze:  „Alle  Grössen  können  durch 
gewisse  Zahlenwerte  ausgedrückt  werden^'  (Montucla,  II,  p.  103, 
104)  und  Briggs  z.  B.  ausdrücklich  erklärte,  dass  Geometrie  ohne 
Verbindung  mit  Arithmetik  nur  von  geringem  Nutzen  sei  (Kästner, 
III,  p.  17).  Hobbes  dagegen  bezeichnete  die  Algebra  als  eine  Kunst 
„neither  of  teaching  nor  learning  geometry,  but  of  registering 
->vith  brevity  and  celerity  the  inventions  of  geometricians"  und  zeigte 


—     38     — 

sich  so  weit  entfernt  von  der  Auffassung  Descartes',  welclier 
erkannte,  dass  ein  algebraischer  Ausdruck  eine  kurze  und  energische 
Darstellung  der  Eigentümlichkeit  einer  Kurve  ist  (Montucla,  II, 
p.  121).  Auch  dass  er  der  reinen  Algebra,  ohne  jede  Idee  einer 
Sache,  jedweden  Nutzen  abschreibt  (de  corp.  p.  317),  kommt  nur 
daher,  dass  er  bei  allen  seinen  Berechnungen  eine  materielle 
Grundlage  alles  Seins  behauptete,  und  deswegen  für  ihn  die  kör- 
perlichen Verhältnisse  der  Geometrie  das  Erste  sind,  während  sich 
die  arithmetischen  Berechnungen  nur  an  das  Körperliche  an- 
schliessen  sollen  (cfr.  Ritter,  10,  p.  462). 

Indem  Hobbes  in  der  Definition  der  „einfachen"  Bewegung 
(de  corp.  eh.  XXI,  i)  dieselbe  als  eine  solche  bezeichnet,  bei  wel- 
cher die  in  einem  bewegten  Körper  angenommenen  einzelnen 
Punkte  in  den  einzelnen  gleichen  Zeiten  einzelne  gleiche  Bogen 
beschreiben,  will  er  darunter  in  der  Hauptsache  diejenige  kreis- 
förmige Bewegung  (circular  motion)  verstanden  wissen,  bei  wel- 
cher jede  in  dem  bewegten  Körper  angenommene  gerade  Linie 
immer  sich  selbst  parallel  geführt  werde.  Er  legt  dieselbe  der 
Erde  bei  (de  corp.  XXI,  2,  coroll.)  und  sucht  die  Bewegung  der- 
selben aus  der  Bewegung  eines  deferierenden  Kreises  (ganz  analog 
der  Kopernikanischen  Auffassung)  zu  erklären  (Whewell,  I,  p.  387), 
will  aber  zugleich  mit  seiner  Darstellung  darthun,  dass  die  von 
Kopernikus  angenommenen  zwei  jährlichen  Bewegungen  der 
Erde  (eine  jährliche  Bewegung  um  die  Sonne  von  West  nach 
Ost  und  eine  jährliche  konische  Bewegung  der  Erdaxe  um  eine 
Senkrechte  zur  Ebene  der  Ekliptik;  cfr.  R.  Wolf,  Geschichte  der 
Astronomie,  p.  228;  Kopernikus,  de  revol.  orb.  cel.  übers,  von 
Menzzer,  cap.  11,  p.  28,  29)  sich  auf  diese  einfache  Bewegung  zurück- 
führen lassen  (de  corp.  pari  IV,  eh.  XXVI,  5,6),  übereinstimmend 
mit  Rothmann,  der  schon  wenige  Jahre  nach  der  Erscheinung 
des  Werkes  „De  Revolutionibus "  in  seinem  Briefe  an  Tycho  de 
Brahe  (Tycho,  epist.  1,  p.  184,  vom  Jahre  1590)  sagte:  „Es  ist 
kein  Grund  für  diese  dritte  Bewegung  der  Erde  vorhanden,  denn 
die  jährliche  und  tägliche  Bewegung  derselben  reicht  für  alles 
aus."  Hobbes  stimmt  dagegen  mit  Kopernikus  und  dem  Grund- 
satze der  Alten  darin  überein,  dass  diese  Bewegung  eine  gleich- 
förmige (Whewell  1,  p.  389)  Cirkularbewegung  ist,  worauf  er 
durch  Galilei  geführt  worden  sein  kann,  der  in  seinem  ersten 
Dialog  über  das  Kopernikanische  System  (Galilei,  Dial.  I,  p.  40), 
welcher  im  Jahre  1630  erschien,  noch  behauptete,  dass  die  kreisförmige 


—     39      - 

Bewegung  allein  eine  ihrer  Natur  nach  gleichförmige  sei  (Whewell 
II ,  p.  29).  H  0  b  b  e  s  steht  auch  bezüglich  seiner  Ansicht  über  das  Welt- 
system noch  ganz  auf  dem  Kopernikanischen  Standpunkt  und 
scheint  die  von  Kepler  herbeigeführte  Reformation  der  Astronomie 
nicht  hinreichend  gekannt  oder  geschätzt  zu  haben  (cfr.  Joh.Kepler's 
astron.  Weltansicht  von  Dr.  Ernst  Fiiedr.  Apelt,  p.  4  u.  13;  Hobbes 
de  corp.  XXVI,  5,  6;  XXIX).  Das  darf  uns  aber  nicht  verwundern, 
denn  es  ist  thatsächlich  die  Entdeckung  der  drei  Gesetze,  welche 
Kepler 's  Namen  unsterblich  machten,  von  seiner  Mitwelt  nicht 
anerkannt  worden  und  selbst  von  Galilei  niemals  auch  nur  er- 
wähnt. Erst  die  Engländer  Horrox  und  Crabtree  verglichen 
die  Kepler' sehen  Gesetze  mit  dem  Himmel,  fanden  ihre  Wahr- 
heit bestätigt  und  verschafften  ihnen  Anerkennung  in  England, 
und  diese  Männer  bilden  auch  das  verbindende  Mittelglied  zwischen 
Kepler  und  Newton. 

Die  Bewegung  eines  Körpers  mit  einfacher  Bewegung  in 
einem  flüssigen  Medium  zieht  bei  Ausschliessung  jedes  Raumes 
(without  vacuity)  notwendig  die  kontinuierliche  Veränderung  aller 
Teile  der  zusammenhängenden  Flüssigkeit  hinsichtlich  ihrer  Lage 
nach  sich  (de  corp.  XXI,  3,  p.  321  flg),  analog  dem  von  Pascal  in 
seiner  1653  erschienenen  Abhandlung  vom  „Gleichgewicht  der 
Flüssigkeiten"  Bewiesenen,  dass  die  in  einem  Gefässe  einge- 
schlossene Flüssigkeit  nach  allen  Richtungen  denselben  Druck 
ausüben  müsse  (Whewell  II,  p.  71).  Und  zwar  findet  die  Lagen- 
veränderung nach  der  Grösse  der  Geschwindigkeit  des  sich  be- 
wegenden Körpers  am  schnellsten  in  den  kleinsten  Kreisen  statt 
und  entsprechend  langsamer  in  den  grösseren.  Dabei  wird  zu- 
nächst die  dem  Körper  selbst  anhaftende  Flüssigkeit  mit  dem- 
selben in  gleicher  Zeit  herumgeführt,  die  entfernteren  Teile  der 
Flüssigkeit  dagegen  vollenden  ihre  Kreise  in  Zeiten,  die  ihren 
Entfernungen  von  Movens  proportional  sind  (de  corp.  XXI, 4). 
Entsprechend  wird  durch  dieselbe  einfache  Bewegung  eine  An- 
häufung homogener,  eine  Zerstreuung  heterogener  in  der  Flüssig- 
keit schwimmender  Körper  verursacht,  während  heterogene,  durch 
eine  Specialursache,  d.  h.  die  innere  Bewegung  ihrer  kleinsten 
Teile  unterschiedene,  nicht  schwimmende  Körper  durch  diese  Be- 
wegung unordentlich  untereinander  gemischt  werden.  Eine  solche 
Bewegung  nennt  Hobbes  „Fermentation'^,  kann  aber  unmöglich 
unsere  jetzige  Auffassung  dieses  AN'ortes  damit  verbunden  haben, 
denn    in   de   corp.  XXVII,  3,  p.  449    nennt    er    auch    die    einfache 


I 


-     40     — 

Cirkularbewegung  der  Luftteilchen  Fermentation  and  glaubt,  dass 
durch  dieselbe  das  Wasser  als  Wolken  aufsteige,  zugleich  will  er 
in  der  Fermentation   der  Luft  das  Princip   der  Blutbewegung  er- 
keunen  (de  hom.  1,2,  p.  4).    Wenn  er  nun  im  Ferneren  behauptet, 
dass  ein  mit  einfacher  Bewegung  bewegter  kugelförmiger  Körper 
am    Äquator   mehr   Kraft  besitzt,   als    an   dea   Polen,   heterogene 
Körper  zu  zerstreuen,  so  ist  das  richtig  (der  grösseren  Centrifugal- 
kraft    halber    am    Äquator),   ungenau    aber  ist   die  Angabe,  dass 
in  einer  mit  einfacher  Bewegung  fortschreitenden  Flüssigkeit  sich 
diese  nur  deshalb  nach  allen  Seiten  hin  über  die  Oberfläche  einer 
in   ihr   schwimmenden  Kugel    ausbreite,   weil   sie  nirgend   anders 
hin    ausweichen   könne,  weil    hierbei    die    von   der  Adhäsion  her- 
rührende Wirkung   gar    nicht   in   Betracht    gezogen   ist   (de  corp. 
XXI, 8).     Auch  wird  eine   in    einer  Flüssigkeit  mit   einfacher  Be- 
wegung fortschreitende  Kugel  nur  dann  eine  andere  in  demselben 
Medium  mitschwimmende   Kugel   mit   der  Flüssigkeit  gleichzeitig 
gleiche    Bogen    zurücklegen   lassen    (de  corp.  XXI,  lo),    wenn    die 
zweite  Kugel    mit   der   Flüssigkeit    gleiches    specifisches    Gewicht 
hätte,     andernfalls     müssten     die    von     der    Verschiedenheit    der 
specifischen   Gewichte    herrührenden  Momente    mit  berücksichtigt 
werden.     Jenachdem  nun  die  Körper  so  beschaffen  sind,  dass  kein 
Teil    derselben   dem   Movens    ausweicht,    ausser   wenn    alle    Teile 
ihre  Lage  gleichzeitig  verändern,   oder  während  das  Ganze  unbe- 
weglich bleibt,  die   Teile  leicht   vom  Movens  aus   ihrer  Lage  ge- 
bracht   werden    können,     unterscheidet     man    harte    und    weiche 
Körper,    und    ebenso    wie    hart   und   weich    sind    auch  gross  und 
klein  nur  verschiedene  Grade  der  Qualität  (de  corp.  XXII,  2).    Da 
die  Bewegung   das  allen  Erscheinungen  zu  Grunde   Liegende    ist, 
heisst  „etwas  thun"  und  „etwas  leiden"   soviel   als  bewegen  und 
bewegt   werden    (de  corp.  XXII,  3),   und   es    sind    auch    die   beim 
Drucke  zweier  flüssigen  oder  festen  Körper  auftretenden  Erschei- 
nungen Bewegungsphänomene,  und  zwar  findet  das  seitliche  Beraus- 
treten  der  Körper  dabei  immer  in  einer  zu  den  drückenden  Kör- 
pern senkrechten  Richtung  statt  (de  corp.  XXII,  4),  nur  tritt  das 
z.  B.  bei  festen  Körpern  zu  schwach  auf,  um  bemerkt  zu  werden. 
Die  aus  dem  Druck  zweier  einander  nicht  durchdringenden  festen 
Körper  in  einer  zur  gedrückten  Oberfläche   senkrechten  Richtung 
resultierende  rückwirkende  Kraft  erklärt  Ho  bb  es  ganz  richtig  dahin, 
dass>  vermöge   der   Zerlegung    der   widerstehenden  Kraft   in  zwei 
Einzelkräfte,    von    denen    die    in    der    Richtung    der    Oberfläche 


—     41     — 

liegende  nicht  zur  Wirkung  gelangt,  nur  die  zur  Oberfläche  senk- 
rechte Kraft  in  Frage  kommt.  Wie  Kepler,  so  sucht  auch  er 
seiner  Ansicht  über  die  Zerlegung  der  Kräfte  analog  die  Ursache 
der  Ablenkung  eines  aus  einem  Mittel  auf  ein  anderes  auffallen- 
den Körpers  in  dem  Widerstände  des  dichteren  Mittels,  und  wenn 
er  auch  mit  Descartes  (Cartesii  Dioptr.  p.  52)  die  Brechung 
des  Lichtstrahles  aus  mechanischen  Grundsätzen  durch  die  Zer- 
legung der  Kräfte  anzugeben  versucht,  so  behauptet  er  doch  zu- 
gleich mit  Fermat  in  der  Lehre  vom  Lichte  im  Gegensatze  zu 
Descartes,  dass  die  Bewegung  im  dichteren  Mittel  sich  verlang- 
same (de  corp.  XXII,  7;  XXIV, 9,  p.  375),  was  Leibniz  später  bei 
seiner  Annahme  des  kürzesten  Weges  und  der  kürzesten  Zeit  zu 
seiner  Erklärung  der  Brechung  benutzte  (Pristley  1,  p.  88,  89. 
Geschichte  der  Optik).  Für  das  Wasser  haben  Fizeau  und 
Foucault  wirklich  die  Lichtgeschwindigkeit  nur  gleich  %  von 
der  Geschwindigkeit  in  der  Luft  gefunden.  Hobbes  benutzt 
gleichzeitig  die  Zerlegung  der  Kräfte  zu  einer  klaren  und  anschau- 
lichen Erklärung  der  Erscheinungen,  welche  beim  Segeln  eines 
Schiffes  gegen  den  Wind  auftreten  (de  corp.  XXII,  8)  und  setzt 
ebenso  hinreichend  auseinander,  warum  ein  geneigt  auftreffender 
Stoss  schwächer  wirkt  als  ein  senkrechter,  und  zwar  im  Verhältnis 
des  Sinus  des  Neigungswinkels. 

Nach  seiner  ganzen  Auffassung  der  Bewegung  und  der  Über- 
tragung derselben  von  einem  Körper  auf  den  andern,  musste 
Hobbes  zu  der  Ansicht  gelangen,  dass  in  einem  vollen  Medium 
(d.  h.  ohne  jedweden  leeren  Raum)  auch  die  kleinste  Bewegung 
sich  überallhin,  und  im  Falle  eines  unendlichen  Mediums  unend- 
lich weit  fortpflanzt  (cfr.  damit  Descartes,  la  dioptr.  1637,  p.  4). 
Denn  das  Bestreben  (endeavour)  des  einen  Teilchens  sich  zu  be- 
wegen, macht  das  ihm  im  Wege  Stehende  ausweichen,  dieses 
bewirkt  dasselbe  bei  einem  Dritten  u.  s.  w.,  und  so  setzt  sich 
das  bis  ins  Unendliche  fort.  Psychologisch  wichtig  ist  die  über 
das  Wahrnehmen  kleiner  Gegenstände  durch  das  Auge  abgeleitete 
Ansicht.  Hobbes  führt  das  Aufhören  der  Wahrnehmung  sehr 
kleiner  Gegenstände  (z.  B.  eines  Sandkorns)  in  gewissen  Eut- 
fernungeu  (für  welche  bei  gewöhnlichem  Licht  der  Gesichtswinkel 
nicht  unter  Yg  Minute  betragen  darf)  nicht  darauf  zurück,  dass 
die  Aktion  des  Sandkörnchens  auf  das  Sehorgan  ganz  aufgehoben 
sei,  sondern  nur  zu  sehr  geschwächt.  Denn  dass  die  Aktion  des 
Einzelnen   nicht    aufgehoben    sei,   erkenne    man    daraus,   dass   ein 


—     42     — 

ganzer  Haufe  solcher  Körnchen  in  derselben  Entfernung,  in  wel- 
cher das  Einzelne  verschwinde,  doch  deutlich  wahrgenommen 
werde  (cfr.  de  hom.  cap.  3,2,  p.  20).  Allerdings  müsste  nach  seiner 
Annahme,  dass  die  ganze  Welt  voll  ist  und  ein  Endeavour  sich 
somit  in  derselben  auf  unendliche  Entfernung  hin  gleichstark 
überträgt,  auch  die  Wahrnehmung  der  kleinen  Körper  nicht  von 
der  Entfernung  abhängig  sein  (de  corp.  XXII,  9).  Wie  er  aber 
hierbei  das  „Warum"  unerörtert  lässt,  so  geht  er  auch  bei  der 
Auseinandersetzung  über  die  Begriffe  hart,  weich,  zäh,  Aus- 
dehnung und  Zusammenziehung  (dilatation  and  contraction)  nicht 
auf  die  Natur  derselben  ein,  sondern  sagt  nur,  zäh  ist  das,  was 
zwischen  hart  und  weich  liegt  und  gekrümmt  werden  kann,  ohne 
dadurch  in  dem,  was  es  war,  geändert  zu  werden  (de  corp. 
XXII,  10,  ll).  Die  Unterscheidung  einer  Bewegung  als  Stoss  und 
Zug  (pulsion  und  traction)  will  Hobbes  nur  auf  den  Stoss  redu- 
ciert  wissen,  indem  er  sich  vorstellt,  dass  der  ziehende  Körper 
durch  seine  Bewegung  die  vor  ihm  befindlichen  Teile  des  Mediums 
verdrängend,  durch  deren  Ausweichen  einen  Druck  oder  Stoss 
auf  den  gezogenen  ausübt,  analog  der  Erklärung  der  Wurf- 
bewegung des  Aristoteles  (cfr.  Arist.  Phys.  VIII, lo).  Wenn  er 
nun  bei  elastischen  Körpern  die  Eigenschaft  derselben,  sich  zu 
restituieren,  der  inneren  Konstitution  derselben  zuschreibt,  so 
wendet  er  sich  dabei  zugleich  entschieden  gegen  die  Annahme, 
dass  die  Wegnahme  eines  Hindernisses  die  Kraft  einer  Ursache 
repräsentiere  (de  corp.  eh.  XY  art.  3,  XXII,  13,  18),  hält  vielmehr 
aufrecht,  dass  die  durch  den  Druck  beeinflusste  Bewegung  der 
kleinsten  Teile  eines  Körpers  und  die  Variation  derselben  nach 
Wegnahme  der  drückenden  Kraft  wieder  in  ursprünglicher  Weise 
vor  sich  ginge.  Dass  ein  in  Bewegung  befindlicher  Körper  auch 
nach  dem  Aufhören  der  treibenden  Kraft  oder  des  treibenden 
Körpers  noch  in  seiner  Bewegung  verharrt,  bis  er  durch  einen 
äusseren  Widerstand  daran  gehindert  wird,  ist  die  konsequente 
Vertretung  der  Hobbes'schen  Ansicht,  dass  die  Aktion  eines 
äusseren  Agens  ohne  Berührung  keine  Wirkung  hervorrufe.  Ebenso 
richtig  erklärt  sich  daraus  die  fernere  Erscheinung,  dass  die  Teile 
eines  plötzlich  aus  der  Ruhe  in  Bewegung  versetzten  Körpers 
nicht  alle  gleichzeitig  dieselbe  Geschwindigkeit  annehmen,  wie 
auch  weiter  daraus  die  Möglichkeit  abgeleitet  wird,  die  Körper 
durch  einen  rasch  ausgeführten  Schlag  oder  Stoss  zu  zerbrechen 
oder  zu  zertrümmern  (de   corp.  XXII,  14,  15;  vol.  VII  seven  phil. 


—     43     — 

probl.  eh.  p.  53).  Wenn  Hobbes  nun  als  Ursache  der  Schwierig- 
keit, die  sich  der  Bestimmung  derjenigen  Kräfte  entgegeDstellt, 
welche  Schlag  und  Stoss  genau  repräsentieren,  diejenige  hinstellt, 
dass  z.  B.  die  Geschwindigkeit  des  Schlagenden  zu  vergleichen  sei 
mit  der  Grösse  des  Wägenden,  so  lässt  er  dabei  die  Schätzung 
der  Arbeitsleistung  mit  Hilfe  der  „lebendigen  Kraft",  welche  Be- 
zeichnung erst  von  Leibniz  herrührt,  ganz  unberücksichtigt  und 
will  das  Mass  des  Gewichts  von  der  Ausdehnung  des  ganzen  Kör- 
pers abhängig  gemacht  wissen.  Nur  kurz  angedeutet  behandelt 
er  noch  den  elastischen  Stoss,  bei  welchem  er  Aktion  und  Reaktion 
in  derselben  Richtung  wirkend  annimmt  (de  corp.).  Er  ist  aller- 
dings mit  seiner  Auffassung  noch  weit  entfernt  von  der  Galil ei- 
schen (in  dessen  Discorsi,  Bd.  XIII  der  Werke  p.  318flg.  nieder- 
gelegten) Ansicht,  derzufolge  „das  Moment"  eines  schweren  Kör- 
pers im  Akte  des  Stosses  als  ein  Aggregat  unendlicher  Momente 
betrachtet  wird,  in  welchen  die  eigene  Schwere  sich  bethätige. 
Doch  wurde  erst  durch  die  Arbeiten  eines  Wallis,  Wren  und 
Huygens,  besonders  die  des  Letzteren,  in  den  Jahren  1668  und 
1669  eine  klare  und  möglichst  vollständige  Darlegung  der  Stoss- 
gesetze  angebahnt  (cfr.  Dühring,  Kr.  Gesch.  der  Princip.  der  Mech. 
p.  154—174;  Fischer,  Gesch.  der  Physik  vol.  1,  p.  361flg.,  369flg.). 
Wichtig  für  Hobbes^  spätere  physiologische  Lehren  ist  seine 
Auffassung  der  Gewohnheit  (habit).  Er  bezeichnet  dieselbe  als 
das  Entstehen  einer  Bewegung  oder  das  leichte  Hinführen  des 
bewegten  Körpers  in  einem  bestimmt  vorgezeigten,  sichern  Wege, 
wobei  die  ein  Hindernis  dieser  Bewegung  repräsentierenden  Endea- 
vours  sich  nach  und  nach  abschwächen.  Und  zwar  will  er  diese 
Gewohnheit  sowohl  bei  lebenden  Wesen,  als  auch  bei  unbeseelten 
Körpern  beobachtet  wissen,  wobei  er  ganz  richtig  folgert,  dass 
nach  und  nach  dabei  die  innere  Konstitution  des  Körpers  eine 
dauernde  Beeinflussung  erfährt. 

Die  über  das  Endeavour  dargelegten  Sätze  benutzt  Hobbes 
bei  seiner  Behandlung  der  Wage.  Eine  Wage  ist  nach  ihm  eine 
gerade  Linie,  deren  Mittelpunkt  unbeweglich  ist,  während  alle 
übrigen  Punkte  frei  beweglich  sind  (de  corp.  XXIII,  p.  351).  Für 
den  Fall  des  Gleichgewichts  verlangt  er  die  Gleichheit  der 
Endeavours  der  einzelnen  an  den  Wagebalken  wirkenden  Körper. 
Hier  würde  somit  das  Endeavour  mit  dem  statischen  Moment 
zusammenfallen.  Während  er  unmittelbar  darauf  das  Gewicht  als 
das  Aggregat  aller  Endeavour  definiert,  mit  welchem  alle  Punkte 


I 


—     44     - 

der  auf  den  Wagebalken  drückenden  Körper  in  parallelen  Linien 
nacli  unten  streben,  und  endlich  „Moment"  nach  ihm  diejenige 
Kraft  ist,  welche  der  zu  wiegende  Körper  besitzt,  um  den  Wag- 
balken zu  bewegen  auf  Grund  einer  bestimmten  Lage.  Gerade 
diese  Auffassung  des  Moments  schliesst  sich  eng  an  die  Galilei'sche 
an:  „Es  ist  das  Moment  jener  Andrang  (impeto)  herunter  zu 
gehen,  der  sich  aus  der  Schwere,  der  Lage  und  anderen  zusammen- 
setzt, wovon  eine  solche  Neigung  verursacht  werden  kann" 
(Galilei,  Discorsi  e  dimonstrazioni  matematiche,  Bd.  XIII,  3.  Tag, 
p.  175).  Unter  Gleichgewichtsebene  versteht  Hobbes  dabei  die- 
jenige, durch  welche  der  zu  wägende  Körper  so  geteilt  wird,  dass 
die  Momente  auf  beiden  Seiten  gleich  bleiben.  Der  gemeinsame 
Schnitt  zweier  Gleichgewichtsebenen  ist  der  Gleichgewichtsdurch- 
messer, endlich  der  gemeinsame  Punkt  zweier  Gleichgewichts- 
durchmesser der  Schwerpunkt.  Aus  diesen  Definitionen  folgen 
die  von  Hobbes  über  die  Wage  aufgestellten  Sätze  von  selbst: 
Dass  das  Gleichgewicht  zweier  gleich  schwerer  Körper  durch 
Auflegen  eines  Übergewichts  auf  den  einen  derselben  gestört 
werde;  dass  zwei  gleich  schwere  Körper  von  gleicher  Masse  in 
gleicher  Entfernung  vom  Mittelpunkt  der  Wage  angebracht  im 
Gleichgewicht  sind  oder  gleiche  Momente  haben  (analog  der 
Archimedischen  Fundamentalvoraussetzung:  „Gleich  schwere 
Körper  in  gleichen  Entfernungen  wirkend  sind  im  Gleichgewicht"); 
dass  zwei  Gleichgewichtsebenen  nicht  parallel  sind;  dass  der 
Schwerpunkt  in  jeder  Gleichgewichtsebene  liegt.  Der  Beweis  für 
die  Behauptung,  dass  das  Moment  eines  an  einem  Punkte  des 
Wagbalkens  angreifenden  Körpers  sich  verhalte  zum  Moment  des- 
selben oder  eines  anderen  (wobei  Hobbes  allerdings  noch  hinzu- 
fügen müsste,  dem  ersten  an  Gewicht  gleichen)  Körpers  an  einem 
anderen  Punkte,  wie  die  Entfernungen  dieser  Punkte  vom  Centrum 
der  Wage,  oder  wie  die  von  den  Punkten  um  das  Centrum  der 
Wage  beschriebenen  Kreisbogen,  oder  endlich  wie  die  Basen  ähn- 
licher Dreiecke,  beruht  somit  nur  auf  der  Annahme  der  Gleich- 
heit der  geleisteten  Arbeiten  (de  corp.  XXIII,  4,  p.  353,  354).  Ganz 
richtig  setzt  Hobbes  auch  das  Verhältnis  der  Momente  (hier  der 
statischen  Momente)  ungleich  schwerer  Körper  an  der  Wage  aus 
dem  Verhältnisse  ihrer  Entfernungen  vom  Centrum  und  ihrer 
Gewichte  zusammen,  und  leitet  daraus  weiter  ab,  dass  für  solche 
auf  verschiedenen  Seiten  des  Centrums  der  Wage  angreifende 
Körper  für   den  Fall   des  Gleichgewichtes   die  Gewichte  und  ihre 


—     45     — 

Entfernungen  vom  Centrum  im  umgekehrten  Yerhältnisse  stehen 
müssen  (de  corp.  XXIII,  5,  6,  7).  Dass  für  die  über  die  ganze 
Länge  des  Wagbalkens  errichteten  Parallelogramme,  Parallelepipede, 
Prismen,  Cylinder  oder  deren  Oberflächen,  oder  die  durch  parallele 
Schnitte  zur  Basis  derselben  erhaltenen  Stücke  die  Momente  im 
nämlichen  Verhältnis  zueinander  stehen,  wie  ähnliche  Dreiecke, 
deren  Scheitel  im  Centrum  der  Wage  liege  und  deren  eine  Seite 
die  durch  parallele  Schnitte  abgeschnittenen  Teile  des  Wagbalkens 
sind,  lässt  sich  schon  aus  der  Beziehung  dieser  Körper  und  Ober- 
flächen untereinander  ableiten.  Hobbes  benutzt  aber  bei  seinem 
Beweis  einmal  die  Zerlegbarkeit  dieser  Körper  in  unendlich  viele 
Teile,  und  dann  die  frühere  Auffassung,  dass  eine  Ebene  (hier 
ein  Dreieck)  sich  aus  geraden  Linien  zusammensetzt  und  körper- 
lich ausgedehnt  aufzufassen  sei  (de  corp.  XXIII,  s).  Zum  Schluss 
giebt  er  noch  richtig  die  Bestimmung  des  Schwerpunktes  eines 
Kugelsektors  an,  und  zwar  liege  derselbe  so,  dass  die  von  der 
Achse  des  Kegels  und  der  halben  Höhe  der  Haube  gebildete  Strecke 
im  Verhältnis  von  3  zu  1  geteilt  wird  (cfr.  Reis,  Physik,  p.  101, 
Aufg.  126).  Der  Beweis  für  diese  Behauptung  ist,  anschliessend 
an  die  früheren  Sätze,  umständlich  und  wenig  überzeugend,  von 
einer  Zerlegung  des  Kugelsektors  in  lauter  pyramidalische  Elemente 
keinerlei  Andeutung  vorhanden  (de  corp.  XXIII,  u). 

Bei  den,  den  dritten  Teil  seines  Werkes  de  corpore  beschliessen- 
den  Betrachtungen  über  Refraktions-  und  Reflexionserscheinungen 
fallen  seine  Bezeichnungen  der  Winkel  als  „gebrochene"  Winkel 
(angle  refracted)  und  „Neigungswinkel"  (angle  of  inclination)  mit 
unseren  Brechungswinkel  und  Einfallswinkel  zusammen  (de 
corp.  XXIV,  i—8l).  Hobbes  definiert  dabei  das  „dünnere"  Mittel 
als  dasjenige,  in  welchem  sich  einer  Bewegung  oder  der  Ent- 
stehung einer  solchen  weniger  Widerstand  entgegenstellt,  während 
im  ,, dichteren"  Mittel  mehr  Widerstand  vorhanden  ist.  Hat  das 
Medium  durchaus  denselben  Widerstand,  so  ist  es  homogen, 
andernfalls  heterogen.  Beim  Übergehen  eines  Körpers  oder  einer 
Bewegung  aus  einem  Medium  in  das  andere  in  einer  zur  trennen- 
den Oberfläche  senkrechten  Richtung  wird  ^  keine  Brechung  auf- 
treten können,  weil  wegen  der  gleichen  Beschaffenheit  des  Mediums 
nach  allen  Seiten  vom  Einfallspunkte  entweder  die  gebrochene 
Linie  (oder  Richtung)  nach  allen  Seiten  hingehen  muss,  was 
absurd  wäre,  oder  was  eben  eintritt,  keine  Brechung  vor- 
handen ist  (de  corp.  XXIV, 2).     Hobbes  leitet  daraus  die  Schluss- 


—     46     — 

folgerung  ab^  dass  nur  in  der  ., Neigung"  des  Einfallsstrahls  die 
Ursache  dafür  enthalten  sei,  ob  der  einfallende  Körper  beide  Mittel 
durchdringt  oder  die  Bewegung  sich  nur  durch  Druck  fortpflanzt. 
Dass  ein  aus  einem  dünneren  in  ein  dichteres  Mittel,  geneigt 
gegen  die  trennende  Fläche  übergehender  Körper  vom  Einfallslot 
abgelenkt  werde,  erklärt  er  als  Resultante  dreier  Kräfte,  parallel 
der  trennenden  Fläche,  senkrecht  zu  derselben  (von  oben),  und 
dieser  entgegengesetzt  (vom  Widerstand  des  dichteren  Mittels  her- 
rührend) von  unten  (de  corp.  XXIV,  3).  Überwiegt  die  restituierende 
Kraft  des  dichteren  Mittels  über  die  senkrecht  von  oben  wirkende 
Komponente  (wie  es  z.  B.  eintritt,  wenn  ein  Körper  sehr  geneigt 
gegen  die  Oberfläche  des  Wassers  geworfen  wird),  so  findet  kein 
Eindringen  des  Körpers  in  das  dichtere  Mittel,  sondern  eine  gleich- 
sam reflektierte  Bewegung  desselben  statt.  Hobbes  leitet  somit 
die  Reflexion  nur  aus  der  Elasticität  des  Mobils  und  derjenigen 
der  Oberfläche  ab,  derart,  dass,  wenn  man  beide  gleich  hart 
nimmt,  keine  Reflexion  resultiert.  Wenn  er  aber  weiter  die  von 
einem  Punkte  eines  Mittels  nach  allen  Richtungen  in  demselben 
sich  ausbreitende  Bewegung  (endeavour)  beim  Auftreffen  auf  die 
brechende  Fläche  eines  anderen  Mediums  so  gebrochen  werden 
lässt,  dass  der  Sinus  des  gebrochenen  Winkels  sich  verhält  zum 
Sinus  des  Neigungswinkels  umgekehrt  wie  die  Dichtigkeiten  der 
beiden  Medien,  so  kann  man  das  zwar,  ebenso  wie  die  im  Beweis 
angewandte  Konstruktion  als  einen  Anklang  an  das  Huygens'sche 
Princip  (1690)  betrachten,  nur  lässt  Hobbes  die  Art  und  Weise 
der  Fortpflanzung  der  Bewegung,  sowie  die  Elastirität  der  be- 
treffenden Medien  ganz  unberücksichtigt  und  zieht  nur  die  beider- 
seitige Dichte  in  Betracht.  Es  geht  dabei  also,  wie  auch  bei  der 
Geschwindigkeit  des  Lichts,  nur  eine  Geschwindigkeitsänderung 
in  senkrechter  Richtung  vor  sich,  während  Descartes  z.  B.  die 
Geschwindigkeitsänderung  des  Strahls  in  seiner  ganzen  Richtung 
behauptet  (Montucla  II,  p.  252).  Es  würde  der  von  Hobbes  an- 
geführte Satz:  „Der  Sinus  des  Einfallswinkels  und  der  Sinus  des 
Brechungswinkels  stehen  für  zwei  konstante  Medien  im  Verhält- 
nis  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten"  nur  insoweit  Geltung 
haben,  als  dieselben  den  Dichtigkeiten  der  betreffenden  Mittel 
umgekehrt  proportional  wären,  während  die  Geschwindigkeit 
gleich  der  Quadratwurzel  aus  dem  Quotienten  von  Elasticität  und 
Dichtigkeit  ist,  und  schon  1664  Boyle  und  Hooke  bemerkten, 
dass  die  Grösse  der  Brechung  sich  nicht  nach  der  Dichtigkeit  der 


I 


—     47     — 

brechenden  Mittel  richte,  wenngleich  nach  den  Versuchen  der 
Akademie  der  Wissenschaften  die  brechende  Kraft  der  Luft  ihrer 
Dichte  proportional  gefunden  wurde  (cfr.  Hobbes,  de  corp.  XXIV,  4, 
p.  378  — 381;  und  Priestley,  L  Geschichte  der  Optik,  p.  125,  128). 
Das  Brechungsverhältnis  oder  der  Brechungsexponent  zweier 
Mittel  wird  auch  von  ihm  als  konstant  betrachtet,  denn  er  sao-t, 
dass  das  Verhältnis  der  Sinusse  zweier  Brechungswinkel  dem  Ver- 
hältnisse der  Sinusse  der  dazugehörigen  Einfallswinkel  gleich  ist 
(de  corp.  XXIV,  5;  Decam.  physiol.  eh.  X,  p.  174,  175).  Als  Corollar 
dazu  könnte  man  dann  unmittelbar,  wie  es  auch  Hobbes  thut, 
daraus  ein  Verhältnis  ableiten  für  den  Sinus  der  aus  einem  dünneren 
und  aus  einem  dichteren  Mittel  unter  demselben  Einfallswinkel 
einfallenden  Strahlen.  Weiter  fügt  er  noch  die  schon  von  Kepler 
erwähnte  Erscheinung  an,  dass  die  gebrochene  Linie  (Strahl)  in 
die  trennende  Oberfläche  zu  liegen  kommt,  wenn  bei  der  Brechung 
aus  einem  dichteren  in  ein  dünneres  Mittel  für  den  Fall  eines 
Einfallswinkels  von  45^  der  Sinus  des  Einfallswinkels  gleich  dem 
Brechungsexponenten  wäre  (oder  mit  Hobbes  zu  sprechen:  Das 
Verhältniss  der  Dichtigkeiten  gleich  dem  Verhältnis  der  Diagonale 
zur  Seite  des  Quadrats  ist);  durch  genaue  Beobachtungen  hat  sich 
ergeben,  dass  der  Grenzwinkel  zwischen  Glas  und  Luft  40^, 
zwischen  Wasser  und  Luft  48 V,^  beträgt.  Ebenso  tritt  nach 
Hobbes  totale  Reflexion  ein  für  den  Fall  grösserer  Dichtigkeit 
unter  der  Voraussetzung  eines  Einfallswinkels,  welcher  grösser  oder 
kleiner  als  45^  ist.  Eine  genauere  und  eingehendere  Darlegung 
dieser  Erscheinungen  war  erst  späteren  Gelehrten  vorbehalten 
(cfr.  de  corp.  XXIV,  7,  8,  9;  Priestley,  p.  66  über  Kepler). 


IT.  Physik  oder  die  Naturerscheinungen. 

Als  Grund  für  diese  Bezeichnung  des  vierten  Teiles  seiner 
Werke  führt  Hobbes  selbst  den  an,  dass  das  darin  Behandelte 
seine  Principien  in  den  Erscheinungen  der  Natur  hat  und  damit 
endigt,  eine  Kenntnis  der  natürlichen  Ursachen  zu  liefern.  Er 
will  in  diesem  Teile  aus  den  durch  die  Empfindung  wahrge- 
nommenen Erscheinungen  und  Wirkungen  der  Natur  zu  dem  ge- 
langen, woraus  sie  entstanden  sind,  während  die  vorhergehenden 
Artikel  nur  das  „Übereinkommen"  über  die  Benennung  der  Dinge 
enthalten  (de  corp.  XXV,  i).  Man  könnte  die  ersten  Abschnitte 
dieses    vierten    Teiles    als    Versuch    einer    physiolog.    Psychologie 


—     48     — 

bezeichneü,  der  allerdings  nur  Keime  dieses  Wissenszweiges  in 
seiner  heutigen  Gestalt  aufweist.  Daran  würden  sich  Hobbes' 
Ansichten  über  das  Weltsystem  und  die  physikalischen  Eigen- 
schaften der  Körper  schliessen.  Und  während  er  im  dritten  Teile 
nur  den  mechanischen  Teil  der  Physik  in  Betracht  zieht,  geht 
er  im  vierten  Teile  auf  die  übrigen  Gebiete  derselben  näher  ein. 
Jeder  Begriff  (conception)  rührt  von  einer  Wirkung  (action) 
des  Dinges  selbst  her  und  wird,  sofern  diese  Wirkung  gegen- 
wärtig ist,  „Empfindung"  genannt  (vol.  IV,  eh.  III).  Da  nach 
Hobbes  all  unser  Wissen  aus  der  Empfindung  entspringt,  muss 
das  Suchen  nach  den  Ursachen  der  Empfindung  mit  der  Unter- 
suchung der  Empfindung  selbst  beginnen.  Diese  Schätzung  der 
Empfindung  wird  uns  durch  das  Gedächtnis  (memory)  möglich, 
d.  h.  durch  die  eine  Zeitlang  in  uns  verbleibende  Erinnerung 
wahrgenommener  Dinge  nach  dem  Verschwinden  derselben  (for  he 
that  perceives  that  he  has  perceived,  remembers;  de  corp.  XXV,-i). 
Aus  dem  fortwährenden  Wechsel  der  Empfindungen  in  den  ein- 
zelnen Sinnesorganen,  welche  uns  nur  einzelne  Begriffe  von  den 
einzelnen  Qualitäten  an  den  Objekten  geben  (vol.  IV,  p.  4),  dem 
Vergehen  und  Entstehen  der  Bilder  (phantasms),  je  nach  den  ver- 
schiedenen den  Organen  sich  darbietenden  Objekten,  zieht  Hobbes 
den  Schluss,  dass  die  Empfindung  irgend  eine  Veränderung 
oder  Umwandlung  in  dem  Empfindenden  selbst  und  zwar  eine 
Bewegung  der  inneren  Teile  der  Sinnesorgane  unsres  Körpers  ist 
(vol.  IV,  eh.  II,  Abschnitt  IX:  as  in  vision,  so  also  in  conceptions 
that  arise  from  other  senses,  the  subject  of  their  inherence  is 
not  in  the  object  but  in  the  sentient).  Als  Beispiel  dafür  führt 
er  unter  anderen  den  durch  heftigen  Schlag  oder  Druck  im  Auge 
hervorgerufenen  Lichtreiz  an  (vol.  IV,  eh.  II,  Abschnitt  VH:  all 
apparition  of  light  is  really  nothing  but  motion  within).  Da  nun 
eine  Bewegung  nur  wieder  durch  einen  bewegten  und  berühren- 
den Körper  hervorgerufen  wird,  so  muss  notwendig  als  unmittel- 
bare Ursache  der  Empfindung  oder  Wahrnehmung  der  auf  den 
äusseren  Teil  des  betreffenden  Sinnesorgans  durch  unmittelbare  1 
Berührung  übermittelte  Druck  aufgefasst  werden,  der  sich  den 
früher  aufgestellten  Gesetzen  entsprechend  als  Druck  bis  zum 
innersten  Teil  des  Organs  im  Augenblick  fortpflanzt.  Wir  sehen 
hier,  dass  Hobbes  auch  schon  der  Schwierigkeit  einer  Analyse 
der  Empfindungen  des  Gefühlssinns  Rechnung  trägt,  indem  er 
seine  sämtlichen  Sinnesempfindungen  auf  Erscheinungen  des  Tast- 


—     49     — 

Sinnes  reduciert,  alle  sind  es  nur  Dmckerscheinungen.  Möglicher- 
weise ist  er  zu  dieser  Auffassung  gekommen,  weil  uns  die  Quali- 
täten der  Druckempfindungen  am  unmittelbarsten  Aufschluss  über 
die  allgemeinen  physikalischen  Eigenschaften  der  Körper  geben. 
Der  auf  das  äussere  Organ  ausgeübte  Druck  postuliert  einen  ent- 
fernteren äusseren  Körper,  und  der  Schlussstein  dieser  den  Druck 
vermittelnden  Körper  bildet  das  wahrgenommene  Objekt  selbst. 
Das  allen  Körpern  gemeinsame  Restitutionsvermögen  lässt  auch 
durch  die  von  aussen  vermittelst  des  Sinnesorgans  bis  zum 
innersten  Teile  desselben  sich  fortpflanzende,  und  wenn  auch  noch 
so  kurz  dauernd,  dort  ein  Bild  oder  eine  Idee  ihres  Ursprungs 
hervorrufende  Bewegung,  ein  nach  „ aussen ^^  gerichtetes  Streben 
(endeavour)  des  Organs  und  dadurch  die  Vorstellung  eines  „äusseren 
Objekts"  entstehen.  Dabei  wird  aber  nur  dasjenige  nach  aussen 
gerichtete  Streben  Empfindung  genannt,  was  in  den  einzelnen 
Zeiten  durch  Vehemenz  kräftiger  und  vor  den  übrigen  vorherr- 
schender wird  (de  corp.  XXV,  6).  So  dass  eich  als  Definition  der 
Empfindung  nach  Hobbes  ergiebt:  Sense  is  a  phantasm,  made 
by  the  reaction  and  endeavour  outwards  in  the  organ  of  sense, 
caused  by  an  endeavour  inwards  from  the  object,  remaining  for 
some  time  more  or  less  (de  corp.  XXV,  2).  Indem  er  so  als  Sub- 
jekt der  Empfindung  den  Empfindenden  selbst  bezeichnet,  als 
Objekt  das  wahrgenommene  Ding,  ist  es  nur  korrekt,  wenn  er 
es  als  richtiger  hinstellt,  zu  sagen,  „ein  lebendes  Wesen  sieht", 
als  „das  Auge  sieht",  und  „man  sieht  die  Sonne''  als  ,,man  sieht 
das  Licht",  weil  Licht,  Farbe,  Wärme,  Schall  und  andere  wahr- 
nehmbare Qualitäten  nur  Vorstellungen  in  dem  Empfindenden 
selbst  sind,  und  eine  Wahrnehmung  nur  ein  Empfindungsakt  ist, 
der  sich  von  der  Empfindung  selbst  wie  fieri  von  factum  esse 
unterscheidet.  Dasjenige,  was  wirklich  in  der  Welt  ausser  uns 
existiert,  sind  jene  Bewegungen,  welche  die  Empfindungen  verur- 
sachen, und  somit  einmal  zur  Sinnestäuschung,  dann  aber  auch 
zur  Klärung  dieses  Irrtums  hinführen  (vol.  IV,  eh.  II,  Abschnitt  X). 
Da  die  Empfindungen  nur  vermittelst  der  Sinnesorgane  entstehen, 
wird  eine  Verletzung  derselben  auch  das  Entstehen  der  Empfin- 
dung verhindern.  Die  Frage  nach  der  physiologischen  Beschaff'enheit 
der  Organe  selbst  beantwortet  Hobbes  dahin,  dass  sie  aus  gewissen 
Lebensgeistern  (spirits:  cfr.  Descartes,  Dioptr.  1637,  disc.  IV,  p.  30; 
Hobbes,  de  homine  I,  2)  und  Häuten  bestehen,  welche  letzteren 
als   Fortsetzung    der   pia    mater  (der   Hirnhaut)    das    Gehirn,    die 

4 


—    50    — 

Nerven,  das  Herz  und  die  Arterien  umfassen.  Da  nun  Hobbes 
die  alte  peripatetische  Auffassung  (cfr.  Ritter  III,  p.  273 flg.),  „das 
Herz  als  Quelle  aller  Empfindung"  wieder  zu  der  seinigen  macht, 
so  wird  auch  das  Entstehen  der  Wahrnehmung  eines  Objekts  eng 
mit  der  ununterbrochenen  Übernnttelung  der  Bewegung  vom  Ge- 
hirn nach  dem  Herzen  verbunden  sein.  Dem  Einwände,  dass  nach 
dieser  Auffassung  jedes  Ding,  welches  reagiert,  auch  Empfindung 
haben  würde,  begegnet  Hobbes  mit  der  Annahme  der  Empfin- 
dung als  eines  Urteils,  das  wir  uns  über  die  Gegenstände  durch 
Vergleichung  und  Unterscheidung  ihrer  Bilder  machen.  Notwendig 
ist  damit  eine  vergleichende  Erinnerung  früherer  und  späterer 
Bilder  und  eine  Verschiedenheit  derselben  verbunden,  es  hat  also 
das  Urteil  in  der  Erinnerung  an  die  Verschiedenheit  der  eine 
Zeitlang  verharrenden  Einzelvorstellungen  seinen  Grund  (de  corp. 
XXV, 8),  denn  es  würde  dasselbe  bedeuten,  gar  nichts  zu  em- 
pfinden oder  ■  immer  dasselbe  zu  empfinden  (de  corp.  XXV,  5).  Zu- 
gleich liegt  in  der  Empfindung  als  einer  Bewegung  die  Möglich- 
keit, nur  ein  Ding  auf  einmal  wahrzunehmen,  und  Hobbes 
musste  besonders  dieses  als  Charakteristikum  der  Empfindung  be- 
tonen, weil  nach  ihm  der  Teil  des  Empfindungsorgans,  welcher 
die  Bewegung  vom  Gehirn  nach  dem  Herzen  übermittelte,  allen 
Organen  gemeinsam  ist  und  sich  somit,  durch  eine  bestimmte 
Empfindungsbewegung  in  Anspruch  genommen,  gegen  die  An- 
nahme einer  anderen  sträubt.  Daraus  erklärt  sich  auch  die  Er- 
scheinung, dass  ein  angestrengtes  Beschäftigen  mit  einem  Objekt 
die  Wahrnehmung  gegen  alles  Andere  in  der  Umgebung  für  kurze 
Zeit  aufhebt  oder  wenigstens  abstumpft.  Zugleich  hängt  damit 
die  Unterscheidung  der  Bewegungen  unsrer  Sinnesorgane  in  Em- 
pfindung und  Vorstellung  (fancy)  zusammen.  Wir  sprechen  von 
Empfindung,  solange  das  Objekt  gegenwärtig  ist,  und  nennen 
das  nach  Entfernung  des  Objekts  zurückbleibende  Bild  eine  Vor- 
stellung (fancy  oder  memory).  Weiter  werden  die  Imaginationen 
als  abnehmende  Empfindungen  charakterisiert,  indem  das  Organ 
durch  andere  gegenwärtige  Objekte  affiziert  wird  und  jene  Phan- 
tasmen weniger  hervortreten  können  (cfr.  de  corp.  XXV,  7,  p.  396; 
vol.  IV  engl.  eh.  III,  pari  1,  p.  9  u.  pari  VII,  p.  12).  Eine  undeut- 
liche Auffassung  stellt  das  fragliche  Objekt  als  Gesamtheit  dar, 
aber  keinen  der  kleineren  Teile  durch  sich  selbst,  so  dass,  wenn 
auch  die  Auffassung  des  Begriffs  bei  der  ursprünglichen  Erzeugung 
zugleich  mit  den  Teilen   des  Objekts  deutlich  war,  wir   bei   dem 


—     51     — 

Wiederhervorrufen  des  Begriffs  die  Empfindung  von  etwas  Fehlen- 
dem, was  wir  erwartet,  bekommen,  und  dadurch  den  Begriff  für 
einen  früheren  abgeschwächt  halten.  Den  Grund  dafür  sucht 
Hobbes  in  der  durch  kontinuierliche  Einwirkung  faction)  der  Ob- 
jekte herbeigeführten  Ermüdung  des  Organs,  dessen  Teile  durch 
die  Spirits  nur  mit  Mühe  bewegt  werden,  während  zugleich  eine 
Erschlaffung  der  Nerven  und  ein  Zurückziehen  der  Spirits  nach 
der  Hirnhöhle  oder  dem  Herzen  stattfinde,  und  erst  nach  Er- 
frischung des  Organs  durch  Ruhe  und  Stärkung  desselben  durch 
neue  Spirits  das  Empfindende  wieder  erwache  (de  corp.  XXV,  7). 
Das  Hervorgehen  der  verschiedenartigsten,  scheinbar  heterogener 
Vorstellungen  auseinander  hat  seinen  Grund  in  dem  Zurück- 
bleiben der  durch  die  Mannigfaltigkeit  der  Objekte  im  Sinnesorgan 
erzeugten  Bewegungen  (cfr.  über  habit  p.  90),  welche,  sobald  die 
eine  derselben  über  die  andere  vorherrschend  zu  werden  beorinnt, 
die  ganze  Kette  der  Vorstellungen  in  der  früheren  Folge  nach 
sich  zieht,  so  dass  bei  der  grossen  Menge  der  in  uns  vorhandenen 
Vorstellungen  beinahe  jeder  Gedanke  aus  jedem  anderen  hervor- 
gehen kann  und  eine  zufällige  Folge  derselben  vorhanden  zu  sein 
scheint  (cfr.  W.  V^undt,  physiol.  Psychologie,  IL  Teil,  p.  365). 
Dieses  Aufbewahren  früherer  Begriffe  vermittelt  gleichsam  ein 
sechster  Sinn,  das  Gedächtnis  (remembrance,  vol.  IV,  eh.  III, 
part.  6).  Die  Entscheidung  über  die  von  einer  Bewegung  aus- 
gehende Reihe  der  Vorstellungen  bezüglich  der  gewünschten  End- 
vorstellung fällt  die  Erfahrung  (experience),  d.  h.  eine  Erinnerung 
daran,  was  für  Folgen  gewisse  vorangegangene  Vorfälle  gehabt 
haben  (vol.  IV,  eh.  IV,  Abschnitt  6).  Und  diese  ist  es  auch, 
welche  einen  relativen  Schluss  auf  die  Zukunft  (we  make  remem- 
brance to  be  the  prevision  of  things  to  come,  or  expectation  or 
presumption  of  the  future),  eine  Muthmassung  (conjecture)  aus 
dem  Vorangegangenen  zulässt  (vol.  IV,  eh.  IV,  7,8).  Hierin  liegt 
zugleich  der  Grund  für  die  Annahme  der  Zeichen  (signs).  Der 
Unterschied  zwischen  Phantasie  (fancy)  und  Erinnerung  (memory) 
gründet  sich  also  nicht  auf  die  Dinge  selbst,  sondern  auf  die 
Betrachtungen  von  Seiten  des  Wahrnehmenden;  bei  der  Erinnerung 
scheinen  sich  die  Vorstellungen  mit  der  Zeit  abzuschwächen,  aber 
in  unsrer  Phantasie  betrachten  wir  dieselben,  wie  sie  sind.  Das 
fortwährende  Entstehen  von  Vorstellungen  im  Sinn  und  in  der 
Imao-ination  ist  das  den  Menschen  mit  anderen  lebenden  Kreaturen 
gemeinsame  Urteilen  (discourse  of  mind),  d.  h.  eine  Vergleichung 

4* 


I 


—     52     — 

der  nach   und   nach   entstehenden  Vorstellungen  (vol.  IV,  eh.  IV, 
Abschnitt  2,  3,  4,  5). 

Interessant  sind  noch  die  von  Hobbes  über  den  Traum  und 
die  dabei  auftretenden  Vorstellungen  angestellten  Betrachtungen. 
Er  fasst  den  Traum  auf  als  eine  Reproduktion  früherer  Vorstel- 
lungen und  will  das  Entstehen  derselben  im  Grunde  aus  Reizungs- 
erscheinungen der  einzelnen  Organe,  der  inneren  Teile  des  Menschen, 
sowie  des  Herzens  auf  das  Gehirn  herleiten  (cfr.  damit  W.  Wundt, 
physiol.  Psychologie  p.  178,  179),  zugleich  aber  lässt  er  auch 
Sinneseindrücke  percipiert  und  appercipiert  werden,  nur  dass  die 
reproducierten  Vorstellungen  im  Bewusstsein  einen  hallucinatori- 
schen  Charakter  tragen  und  Illusionen  verursachen,  andrerseits 
auch  die  Apperception  eine  veränderte  ist,  so  dass  seine  Auf- 
fassung der  Träume  annähernd  mit  der  jetzigen  zusammenfällt, 
j;i  er  erfasste  eigentlich  den  modernen  Begriff  der  Hallucinationen 
fast  vollständig,  demzufolge  „Hallucinationen"  reproducierte  Vor- 
stellungen sind,  die  sich  von  den  normalen  Erinnerungsbildern 
nur  durch  ihre  Intensität  unterscheiden  (cfr.  W.  Wundt,  physiol. 
Psychologie  II,  p.  353  u.  362).  Den  Mangel  an  Ordnung  und  Zu- 
sammenhang in  den  Vorstellungen  der  Träume  begründet  er  mit 
der  zufälligen,  meist  zusammenhangslosen  Aufeinanderfolge  der 
Vorstellungen  (vol.  IV,  eh.  III,  Abschnitt  3),  und  da  nach  Sistie- 
rung der  Empfindung  keine  neue  Bewegung  von  Seiten  des  Ob- 
jekts uns  entgegentritt,  müssen  die  Träume  notwendig  das  aus 
früheren  Vorstellungen  der  Sinne  Zusammengesetzte  enthalten. 
Doch  kann  auch  die  zufälligerweise  in  einigen  Organen  zurück- 
bleibende Empfindung  das  Entstehen  von  Träumen  bedingen.  Er 
ist  der  Meinung,  dass,  wenn  irgend  eine  innere  Bewegung  des 
Herzens  die  Pia  mater  trifft,  diese  vorherrschende  Beweguno;  im 
Gehirn  eine  Vorstellung  entstehen  lässt.  Die  dem  Herzen  eigen- 
tü'nlichen  Bewegungen  sind  Begehren  und  Widerstreben  (appetites 
and  aversi^ns);  wie  diese  ni)n  ihren  Ursprung  in  Vorstellungen 
haben,  so  würden  auch  umgekehrt  Vorstellungen  aus  den  Bewe- 
gungen des  Herzens  hervorgehen,  und  in  solclier  Weise  die  Be- 
wegungen des  Herzens  und  des  Gehirns  aufeinander  zurückwirken. 
Die  Vorstellungen  im  Traume  sind  ferner  denjenigen  im  Wachen 
an  Deutlichkeit  gleich,  weil  einmal  durch  das  Fehlen  aller  anderen 
äusseren  Eindrücke  die  eine  Vorstellung  hervorrufende  innere  Be- 
wegung am  deutlichsten  hervortritt  (sleep  is  the  privation  of  the 
act  of  sense,  the  power  remaining;  vol.  IV,  eh.  III,  Abschnitt  2), 


I 


-     53    — 

und  andrerseits  Lücken    oder   abgeschwächte   Partien  unsrer  Vor- 
stellungen  durch    andere,    erdichtete    Teile    derselben   (fictions    of 
mind)  sofort  ersetzt  werden  (vol.  lY,  eh.  111,4).     Was  endlich  den 
Umstand    betrifft,    dass    wir    uns    im    Traume    über    die    unwahr- 
scheinlichsten   und    ungeheuerlichsten    Vorstellungen    nur    selten 
wundern,  so  beruhe   das   darauf,  weil  im   Schlafe    alle   Dinge    als 
gegenwärtig  erscheinen  (de  corp.  XXV,9),  und  die  Deutlichkeit  der 
Begriffe   im    Traume   jedes   Misstrauen   benimmt,   wenn  nicht  die 
Absonderlichkeiten  gar  zu  überraschend  sind  (vol.  IV,  eh.  III,  Ab- 
schnitt IX).     Aus  eben  dieser  Deutlichkeit  der  Begriffe  im  Traume 
erklärt  sich  auch  die  Fortsetzung  der  Traumvorstellung  während 
des    Wachens,    weil    bei    der   Annahme   der   Dinge   in   gewohnter 
Reihenfolge  am  gewohnten  Orte,  mit  allen  notwendigen  Teilen  leicht 
eine  Täuschung  möglich  ist  (vol.  IV,  eh.  III,  p.  14;  cfr.  W\  Wundt, 
physiol.  Psychologie  II,  p.  367,  368).       Noch    erwähnt    Hobbes 
die  bisweilen  im  Aucre  auftretenden  Nachbilder   als   durch  heftige 
und    lang   andauernde  Reizung    (action  of  sense)   des  betreffenden 
Organs   hervorgerufen   und   nennt   endlich   „Phantasmen"   die   be- 
sonders im  Dunkeln  vor  den  Augen  erscheinenden  kleinen  Bilder, 
die    wir   mit  dem  Namen  „Visionen"   belegen   (vol.  IV,  eh.  111,5). 
Die    Sinnesempfindungen   werden   uns    durch    die    fünf   Sinne 
vermittelt,  deren  Organe   teils   gemeinsame,  teils    getrennte  Teile 
besitzen.     So  besteht  nach  ihm  das  Auge  aus  belebten  und  unbe- 
lebten Teilen.    Unbelebt  sind  die  drei  Feuchticrkeiten :  die  wässricre 
Feuchtigkeit,   eingeschlossen    von    der   uvea,    den   Ciliarfortsätzen 
und  der  Linsenhaut;   die  krystallinische   Feuchtigkeit  von   sphäri- 
scher   Gestalt,    gehalten    von    den    Ciliarfortsätzen,    allseitig    von 
einer  durchsichtigen  Haut  umgeben,  und  die  glasige  Feuchtigkeit 
(Glaskörper).     Als  belebte  oder  beseelte  Teile   des  Sehorgans  be- 
zeichnet  er  die   Aderhaut  (membrane  choroides)   als  Teil   der  Pia 
mater,  bedeckt  von  der  Retina,   ausgehend  vom  Marke    des  opti- 
schen   Nervs.      Diese    Aderhaut    (vgl.  damit  Kepler^s   Ansicht   in 
Priestley,  Geschichte  der  Optik,  I,  p.  33)  denkt  er  sich  fortgesetzt 
bis  zum  Beginn  des  Rückenmarks  in  der  Hirnschale,  dem  gemein- 
samen Eintrittspunkte  aller  im  Kopfe  endigenden  Nerven  sowohl 
als  auch  der  animal   spirits.     Diese   „animal   spirits"    werden    als 
blosse  Lebensgeister  (vital  sp.)  aufgefasst,  welche  durch  das  Herz 
gereinigt  von  den  Arterien  bis   nach   dem  Ursprünge  der  Nerven 
im    Kopfe    weiter    geführt    werden.      Die.se    Arterien    bilden    das 
Komplement    des    ganzen    Sehorgans,   uiid    sind    ausserdeai    allen 


—     54     — 

übrigen  Sinnesorganen  gemeinsam.     Möglich  ist  es,  dass  Hobbes 
bei  Abfassung  dieser  Betracbtungen   die  Entdeckungen  Leuwen- 
hoeck's    (cfr.  Wbewell,  III,  p.  475)    über    die    Krystalllinse    des 
Auges    gekannt    bat,    mehr   Wahrscheinlichkeit   hat    es    für    sich, 
dass  er  sein  anatomisches  Wissen  grösstenteils  Harvey  verdankt. 
Hobbes^  sonstiges  Wissen  nach  dieser  Richtung  ist  nur  beschei- 
dener Art.   So  bezeichnet  er  als  eigentliches  Hörorgan  das  Trommel- 
fell   und    dessen    eigenen   Nerv,    während    Nervenhäute    (nervous 
membranes)  am  Gaumen  und  der  Zunge  dem  Geschmack,  in  den 
Nasenlöchern  dem  Geruch,  endlich  gewisse  über  den  ganzen  Kör- 
per hin  zerstreute  Nerven  und  Häute,  dem   Gefühl  dienen.     Not- 
wendigerweise musste  er  sich  zu  einer  solchen  Annahme  bequemen, 
weil   nur   auf  diese  Weise  nach   der   damaligen  Anschauung  eine 
Erklärung   der  Empfindung   als   in  Bewegung  bestehend  möglich 
war.     Besonders  betont  er   noch,   dass    alles    andere  zur  Empfin- 
dung  gehörige    durch   die  Arterien,  nicht   die  Nerven    vermittelt 
werde.     Ausser  diesen  von  den  Objekten   in  den  Organen  hervor- 
gerufenen Wirkungen  will  er  noch  eine  von  der  Empfindung  aus- 
gehende   animalische   Bewegung,    die   besonders   zur  Verstärkung 
der  erzeugten  Ideen  dient,  angenommen  wissen  (de  corp.  XXV,  10,  ii, 
p.  402  —  406).     Jenachdem   die  vom   äusseren  Teile   eines  Sinnes- 
organs nach  dem  Herzen  hin  sich  fortpflanzende  Aktion  die  zum 
Leben  notwendige  Bewegung   desselben  hindert   oder  unterstützt, 
wird  dadurch  die  Empfindung  des  Unbehagens  (Unruhe,  Kummer 
u.  s.  w.)    oder    des   Behagens    hervorgerufen,    und    zwar    scheinen 
dieselben  auf  Grund  des  nach  innen  gerichteten  Strebens  im  Organ 
selbst  zu   liegen   (vol.  IV,  eh.  VII,  p.  31).     Eine  zum  Leben   not- 
wendige Bewegung  ist  diejenige  des  Blutes   in  den  Arterien  und 
Venen,   dessen  fortwährende  Cirkulation  von  Harvey  zuerst  be- 
obachtet  und   gezeigt   worden  ist.     Und    man  muss   es  Hobbes 
als  grosses  Verdienst  anrechnen,   dass   er  dieser  Auffassung  ohne 
jeden  Vorbehalt  beitrat,  während  eine  grosse  Anzahl  der  damaligen 
Ärzte  sich  gegen  die  Annahme  desselben  sträubten.     Unterstützen 
einander  die  Lebensbewegung  und  die  von  den  Sinnen  herrühren- 
den Bewegungen,  so  entsteht  jenes  schon  am  Embryo  beobachtete 
Streben   nach   dem,   was    angenehm   ist,  das  Begehren  (appetite), 
ein    Annähern,    was    wir    als    einfache    Triebbewegung    auffassen 
können  (W.  Wundt,  physiol.  Psychologie  II,  p.  383 flg.),  und  wenn 
es   beschwerlich   erscheint.    Widerstreben    (aversion).     Wesentlich 
werden  dieselbeu  mit  durch   die  Erfahrung  bedingt,  wie  sich  das 


—     55     — 

an    der   geriugen   Zahl   der  Begeliren   bei   kleinen   Kindern   zeigt, 
deren  willkürliche  (aoimate)  Bewegungen  denjenigen  Erwachsener 
an    Zahl    bedeutend   nachstehen.     Doch   bleibt    als   fest   bestehen: 
„Appetite  and  aversion  are  the  first  endeavours  of  animal  motion." 
Folge  dieses  ersten  Antriebs  (endeavour),  dieser  einfachen  Trieb- 
bewegung, ist  eine  Reizung  der  Nerven  und  ein  Zurückziehen  der 
Lebensgeister  zu  ihrer  Centralstelle  im  Gehirn^  gefolgt  von  einem 
Anspannen  und   Schlaffwerden    der  Muskeln   und   dem  damit  ver- 
bundenen   Zusammenziehen     und    Strecken    der    Glieder    (animal 
motion;  vol.  IV,  eh.  VII^io,  12).     Die  Unterscheidung  in  Begehren 
und  Widerstreben   gilt   nur   solange,  als  keine  Überlegung  dabei 
in   Frage    kommt.     Aus   der  während   der  Abwechselung  von  Be- 
gehren   und    Widerstreben    stattfindenden    Überlegung    geht    als 
letzter   Akt    desselben    bei    vorherrschendem   Begehren    der  Wille 
(of  liberty  and  nee.  p.  273  in  vol.  IV)  hervor,  andernfalls  Wider- 
wille, so  dass  ein  und  dasselbe  nur  mit  Rücksicht  auf  die  Über- 
legung   als    Wille    und    als    Begehren    aufgefasst    werden    kann. 
Ganz  richtig  fasst  Hobbes  so  den  Willen  als  eine  Bewusstseins- 
thatsache  auf  und  betont  auch  bei  der  Freiheit  des  Willens  ledig- 
lieh  die  Thatsache  der  Wahl  als  psychologisches  Motiv,  indem  er 
unter   Freiheit   die  Fähigkeit  oder   Kraft   (faculty  or  power)   ver- 
steht, zu  thun  was  man  will  (of  lib.  and  nee.  vol.  VII,  p.  273  flg.), 
und  sie  in  dieser  Auffassung   sowohl   den   Menschen    als   anderen 
lebenden  Wesen  zugesteht,  von  einer  unbedingten  Autonomie  des 
Willens  (wie  es  Des  carte  s  thut)  und  einer  von  jeder  Notwendig- 
keit befreiten  Freiheit  des  Willens  absieht,  und  sich  so  auf  den  Boden 
eines  Spinoza  stellt,  der  die  unbedingte  Autonomie  des  Willens 
als  widersprechend  zurückweist  (W.  Wundt,  physiolog.  Psychologie, 
II,  p.  399).     Aus    eben    dieser    Reihe    der   Begehreu    und   Wider- 
streben leitet  Hobbes  auch  Hoffnung  und  Furcht  ab,  jenachdem 
die    Überlegung    im   raschen   Wechsel    der   aufeinander   folorenden 
Becrehren  und  Widerstreben  sich  bald  dem  einen,  bald  dem  andern 
zuwendet.     Gleichenfalls  setzt   er   die  Leidenschaften  (vol.  IV,  eh. 
IX)  der  Seele  daraus  zusammen,  so  dass  z.  B.  beim  Arger  mit  der 
Abneigung  gegen  ein  drohendes  Übel   das  Bestreben,   dieses  Übel 
durch  Gewalt  zu  meiden,  verbunden  ist  (de  corp.  XXV,  12),  räumt 
aber   dem   reinen  Vergnügen   und   dem   reinen   Schmerz   eine    be- 
sondere Stellung   ein. 


56     — 


Die  Welt  und  die  Sterne. 

Hobbes  betrachtet  die  Welt  als  den  grössten  aller  wabr- 
nebmbaren  Körper  und  begegnet  den  Fragen  über  Grösse  und 
Anfang  der  Welt  mit  dem  Einwände,  dass  das  nicht  Sache  des 
Philosophen,  sondern  des  Theologen  sei  (de  corp.  eh.  XXVI,  i,  p. 
414),  zugleich  erklärt  er  sich  bezüglich  dieser  Punkte  mit  der 
Bibel  in  Übereinstimmung  (de  hom.  cap.  I,i).  Die  Auffassung  der 
Welt  als  eines  Unendlichen  ist  nach  ihm  dem  Menschen  unmög- 
lich, weil  derselbe  selbst  endlich,  nur  endliche  Vorstellungen  hat 
und  ein  unendlicher  Kausalregressus  ihm  nicht  denkbar  ist.  Not- 
wendig wurde  Hobbes  nach  seiner  Theorie  der  Vermittelung  der 
Bewegung  durch  unmittelbare  Berührung  (übereinstimmend  mit 
Descartes,  Dioptr.  p.  42)  zu  der  Annahme  gedrängt,  die  Welt  als 
voll  zu  betrachten,  und  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  sucht  er, 
zugleich  den  Druck  der  Luft  negierend  oder  wenigstens  nicht  be- 
rücksichtigend, alle  die  unter  der  Annahme  eines  luftleeren  Raums 
erklärten  Erscheinungen  anders  abzuleiten  und  sogar  zur  Wider- 
legung dieser  Annahme  zu  benutzen,  indem  er  sie  auf  die 
lebhafte  Cirkularbewegung  der  Luft  zurückführt  (vol.  IV,  Dial. 
phys.  de  nat.  aeris  p.  233flg.',  vol.  VII,  eh.  I,  p.  13;  III.  probl.  of 
vac, u.  Decam.  phys.  eh. III,  p.  89 flg.;  de  corp.  XXVI, 2,  3).  Zugleich 
sieht  man  aber  dabei  auch,  dass  er  sich  nicht  eine  klare  Vor- 
stellung vom  Drucke  der  Flüssigkeiten,  wie  es  seiner  Zeit  Robert 
Boyle  (geb.  1626,  gest.  1691)  durch  seine  hydrostatischen  Para- 
doxen (cfr.  Whewell,  vol.  I,  p.  306)  nach  dieser  Richtung  hin  that, 
gebildet  hatte  und  auch  nie  gebildet  hat  (de  corp.  XXVI,  4;  XXX,  6, 
p.  515).  Ebensowenig  ist  er  sich  über  die  Dampfbildung  klar,  wie 
es  sich  unter  anderem  an  seiner  Erklärung  des  kochenden  Wassers 
im  evakuierten  Räume  zeigt  (vol.  VII,  eh.  III,  p.  22;  Whewell  II, 
p.  537;  Fischer,  II,  p.  175).  Wenn  er  annimmt,  dass  die  in  einem 
umgekehrt  in  Wasser  getauchten  Glase  befindliche  Luft  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  zusammengedrückt  würde,  dann  aber  nach 
den  Rändern  des  Glases  hin  sich  durch  die  Flüssigkeit  hindurch- 
dränge, so  ist  das  erstere,  schon  von  Bacon  angenommene  (Fischer, 
I,  p.  89)  nur  dann  möglich,  wenn  man  mit  Hobbes  voraussetzt, 
dass  die  Luftpartikelchen,  zusammengepresst  oder  nicht,  immer 
denselben  Raum  einnehmen  (vol.  IV,  lat.  p.  276),  das  andere  falsch. 
Ebenso    ist    es    nicht    richtig,    wenn    er    meint,   dass    der   Druck 


1 


—     57     — 

des  Wassers  nicht  mehr  wachse,  sobald  sich  das  Gefäss 
ganz  unter  dem  Wasserspiegel  befindet,  „weil  das  natürliche 
Streben  des  Wassers  nach  unten  und  die  Kraft,  welche  man  zur 
Durchdringung  des  Wassers  bis  zu  einer  grösseren  Tiefe  anwenden 
muss,  sich  das  Gleichgewicht  hielten"  (de  corp.  XXX,  6,  p.  515), 
dabei  immer  auf  der  Meinung  beharrend,  dass  Luft  in  Luft, 
Wasser  in  Wasser  nicht  drücke  (Fischer  I,  p.  437;  Hobbes,  vol. 
YII,  eh.  1,  p.  13;  vol.  IV,  lat.,  p.  269).  Jedenfalls  hat  er  von  den 
Untersuchungen  PascaPs,  welche  derselbe  1653  in  einer  Abhand- 
lung „von  dem  Gleichgewicht  der  Flüssigkeiten"  darlegte,  und 
worin  er  zeigte,  dass  die  in  einem  Gefäss  eingeschlossene  Flüssig- 
keit nach  allen  Richtungen  denselben  Druck  ausüben  müsse,  keine 
Kenntnis  (Whewell,  vol.  II,  p.  71).  Es  ist  nur  konsequent,  wenn 
er  auch  den  Torricelli^schen  Versuch  (1643)  (cfr.  vol.  VII,  decam. 
phjs.  eh.  III,  p.  92 flg.)  in  entsprechender  Weise  zu  erklären  ver- 
sucht und  denselben  lediglich  auf  die  Annahme  zurückführt,  dass 
die  ganze  Welt  voll  von  Luft  sei  und  somit  das  aus  der  umge- 
kehrten Glasröhre  bis  zum  Niveau  von  750  mm  abfliessende 
Quecksilber  so  auf  die  äussere  unelastische  Luft  drücke,  dass 
sich  diese  durch  das  Quecksilber  hindurch  nach  dem  leeren  Raum 
der  Röhre  dränge;  weil  aber  das  Quecksilber  nicht  in  jeder  Höhe 
Kraft  genug  besitze,  eine  derartige  Durchdringung  zu  verursachen, 
es  stehen  bleiben  müsse,  bis  der  nach  unten  gerichtete  Druck 
und  der  Widerstand  der  Luft  im  Gleichgewicht  sind.  Auch  bei 
den  Kapillarerscheinungen  bleiben  Adhäsion  und  Kohäsion  ganz 
bei  Seite  (Dec.  phys  eh.  V,  p.  116),  während  er  die  Tropfenbildung 
auf  ebenen  Platten  richtig  aus  der  Kohäsion  der  Teilchen  ableitet 
(ibidem  eh.  VIII,  p.  151).  Wahrscheinlich  ist  er  zu  seinen  An- 
sichten durch  das  Bestreben  geführt  worden,  den  allseitigen  Druck 
der  Luft  auf  unsern  Körper  und  das  Gleichgewicht  der  über  uns 
stehenden  Luft  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  ganze  Welt 
voll  ist,  zu  erklären.  Er  lässt  dabei  die  Elasticität  und  Schwere 
der  Luft  ganz  unberücksichtigt,  oder  sagt  wenigstens,  dass  ein  Ge- 
wicht der  Luft  nur  von  den  der  Luft  beigemengten  festen  oder 
flüssigen  Körperchen  (Staub,  Wasser)  herrühren  könne  (de  corp.  eh. 
XXX,  3,9,  lo),  und  doch  waren  es  gerade  diese  Beide,  welche  die 
Aristoteliker  zur  Aufstellung  des  horror  vacui  führten.  Auch 
hatte  schon  Galilei  gelehrt,  dass  die  Luft  ein  bestimmtes  Ge- 
wicht hat,  und  Baliani  (1630)  schrieb:  „Wenn  wir  im  leeren 
Räume   uns   befänden,   so  würde    uns  das  Gewicht  der  Luft  über 


—     58    — 

uns  selir  fühlbar  werden",  sogar  Descartes  setzt  in  einem  Briefe 
vom  Jahre  1631  die  Ursache  der  Suspension  des  Quecksilbers  in 
einer  oben  verschlossenen  Röhre  in  den  Druck  der  Luftsäule,  die 
bis  zu  den  Wolken  reicht;  Pascal  endlich  lieferte  1647  den 
experimentellen  Nachweis,  dass  man  durch  Besteigung  eines  Berges 
die  Höhe  der  unter  uns  stehenden  Luftsäule  ändert,  damit  auch  der 
Druck  ein  anderer  wird  (Whewell,  vol.  II,  p.  73,  74).  Hobbes 
vertrat  seine  Meinung  unerschütterlich,  um  so  mehr,  da  die  von 
ihm  über  Licht  und  Schall  beim  evakuierten  Raum  gemachten 
Beobachtungen  diese  noch  zu  bestätigen  schienen  (vol.  VII,  eh.  III, 
probl.  of  vac.  p.  21). 

Als  „  schwere ^^  Körper  werden  diejenigen  aufgefasst,  welche, 
wenn  sie  durch  nichts  gehindert  werden,  von  selbst  (by  their  own 
accord)  nach  dem  Centrum  der  Erde,  und  zwar  durch  die  Anziehung 
derselben,  hinfallen  (de  corp.  XXX,  2;  vol.  VII,  sev.  phil.  probl.  eh.  I, 
p.  7;  dec.  phys.  eh.  VII,  VIII).  Hobbes  begnügt  sich  aber  nicht 
damit,  wie  Galilei,  diese  Kraft  anzunehmen  und  aus  der 
Beobachtung  ihrer  Natur  zu  bestimmen,  sondern  will  eine  Her- 
leitung derselben  aus  der  Bewegung  versuchen.  Er  ist  sich  aber 
noch  nicht  ganz  über  die  Natur  der  Schwere  klar,  denn  er  legt 
in  seiner  Untersuchung  die  Frage  vor:  Woher  es  komme,  dass 
einige  Körper  schneller,  andere  langsamer  fallen  (de  corp.  p.  511). 
Unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Welt  ganz  voll  ist  und  durch  die 
tägliche  Bewegung  der  Erde  die  Luft  leichter  vorwärts  getrieben 
wird,  als  ein  fester  Körper,  kommt  er  zu  der  Folgerung,  dass 
der  Druck  der  Luft,  der  sich  in  jedem  Augenblick  wieder  erneuere, 
das  Herabsteigen  des  Steins  und  sein  beschleunigtes  Fallen  verur- 
sache (vol.  VII,  sev  phil.  probl.  p.  9).  Diese  Auffassung  lässt  ihn 
die  Folgerungen  ziehen,  dass  die  Schwere  der  Körper  nach  den 
Polen  hin  abnimmt  (ibidem,  p.  11),  wofür  er  den  Beweis 
in  den  nach  den  Polen  zu  grösser  werdenden  Schnee- 
flocken sieht.  Die  ferneren  über  die  Beschleunigung  aufgestellten 
Sätze  verdankt  er  jedenfalls  der  Beschäftigung  mit  Galilei's 
Dialogen,  die  er  selbst  erwähnt.  Wie  aber  seine  Erklärung  der 
Anziehung  nur  als  unrichtig  bezeichnet  werden  kann,  so  ist  er 
auch  bei  den  Erscheinungen  des  Druckes  in  Flüssigkeiten,  am 
Heronsball,  der  Windbüchse  u.  s.  w.  nicht  glücklicher  gewesen 
(de  corp.  XXX,  6, 7,  8,  9,  lO;  vol.  VII,  sev.  phil.  probl.  p.  13;  decam. 
phys.  p.  140 flg.).  Die  von  ihm  beschriebene  Einrichtung  eines 
Thermometers  (oder  wie  er  selbst  sagt  Thermoskop)  ist  das  schon 


I 


—     59     — 

von  Bacon  unter  dem  Namen  calendrae  vitrum  dargestellte 
DrebbeTsche  Luftthermometer,  aber  es  gelingt  ihm  hier  auch  nicht, 
die  daran  beobachteten  Vorgänge  zufriedenstellend  zu  erklären 
(Fischer,  vol.  1,  p.  217;  Hobbes,  de  corp.  XXX,  12). 

Hobbes  fasst  die  Welt  auf  als  Aggregat  aller  festen,  sicht- 
baren (Erde,  Sterne)  oder  unsichtbaren  durch  den  Himmelsraum 
zerstreuten  Körper  und  denkt  sich  alle  übrigen  Teile  des  Uni- 
versums von  „jenem  am  meisten  flüssigen  Äther"  ausgefüllt,  der 
keine  einzige  leere  Stelle  zulässt  (de  corp.  p.  426;  Ritter,  III,  p. 
253).  Zugleich  bekennt  er  sich  zu  der  von  Kopernikus  in 
seinem  Werk  „de  revolutionibus  etc."  (cap.  10,  p.  23 flg.)  nieder- 
gelegten Reihenfolge  der  Weltkörper,  derzufolge  sechs  Planeten 
sich  um  die  Sonne  bewegen  und  die  Fixsterne  verschiedene  Ent- 
fernungen von  der  Sonne  besitzen.  Auch  legt  er  der  Sonne  und 
den  Planeten,  wie  schon  früher  erwähnt,  der  peripatetischen  Lehre 
analog  und  wiederum  im  engen  Anschluss  an  Kopernikus  (de 
revol.  lib.  1 ,  cap.  4)  eine  einfache  kreisförmige  Bewegung  bei  (cfr. 
Whewell  I,  p.  56,  153,389,390),  und  lässt  dem  Luftkörper  (als 
solchen  muss  er  die  Luft  auffassen,  weil  dieselbe  die  ganze  Welt 
erfüllt;  zugleich  weist  er  ihr  aber  eine  Ausnahmestellung  zu, 
wenn  er  sagt:  „the  earth  attracted  all  kind  of  bodies  but  air; 
Decam.  phys.  eh.  X,  p.  169;  de  corp.  XXX,  14)  für  unsre  Sinne 
nicht  wahrnehmbare,  mit  eigner  einfacher  Bewegung  begabte 
kleine  feste  Körper  beigemischt  sein  (de  corp.  p.  427).  Seiner  Auf- 
fassung nach  würde  aber,  wie  Newton  an  der  Descartes^schen 
Hypothese  zeigte,  die  Bewegung  der  Himmelskörper  ebenfalls 
bald  ihr  Ende  erreichen  (Montucla,  II,  p.  606).  Hobbes'  Vor- 
liebe für  geometrische  Beziehungen  bewog  ihn  auch  zur  Annahme 
der  von  Kepler  zwischen  den  Entfernungen  von  Sonne,  Mond 
und  Erde  und  dem  Erdhalbmesser  aufgestellten  Verhältnisse, 
denen  zufolge  die  Entfernung  des  Mondes  von  der  Erde  mittlere 
geometrische  Proportionale  zwischen  der  Entfernung  der  Sonne 
von  der  Erde  und  dem  Erdhalbmesser  wäre,  deren  Unrichtigkeit 
schon  aus  der  Kepler'schen  Annahme  der  Sonnenparallaxe  gleich 
1'  ersichtlich  ist  (de  corp.  XXVI,  Abschnitt  5,5;  Whewell  I,  p. 
414—1418;  Littrow,  p.  371  flg.,  p.  729flg.).  Bezüglich  der  Grösse 
der  Planetenbahnen  (Kreise)  und  der  Umlaufszeiten  beschränkt 
er  sich  auf  die  kurze  Angabe,  dieselben  den  in  Frage  kommenden 
Erscheinungen  am  zweckdienlichsten  anzunehmen.  Auch  wegen 
der    Betrachtungen    über    die   verschiedenen   Jahreszeiten,    sowie 


—     60     — 

über  Tag  und  Nacht  verweist  er  nur  auf  Kopernikus,  Kepler, 
Galilei.  Mit  dem  Ersteren  leitet  er  die  tägliche  Umdrehung  der 
Erde  aus  der  die  Äquinoktialkreise  bedingenden  jährlichen  Be- 
wegung derselben  her,  indem  er  zugleich  mit  Kepler  der  Sonne 
eine  gewisse  Kraft  beilegt,  durch  welche  sie  alle  Planeten  um 
sich  herumführt  (Whewell,  vol.  II ,  p.  133;  Hobbes  VII ;  decam.  phys. 
cap.  IV,  p.  99),  und  als  Zweck  der  beiden  jährlichen  Bewegungen 
die  Parallelität  der  Erdachse  bezeichnet  (cfr.  Kopernikus,  de  revol. 
cap.  II,  p.  28flg.5  Whewell  I,  p.  388,  389;  Decam.  phys.  IV,  p.  96, 
97),  welche  er  zugleich  mit  der  einfachen  jährlichen  Bewegung 
der  Erde  im  Beweise  auf  die  einfache  Bewegung  der  Sonne  zurück- 
führt. Dieselben  Principien  will  er  auf  die  Mondbewegung  ange- 
wandt wissen.  Die  Annahme  einer  einfachen  Bewegung  der  Sonne 
in  einem  Epicykel  mit  ihren  Folgen  sucht  er  durch  Beweise  auf- 
recht zu  erhalten  (de  corp.  XXVI,  7,  p.  430 — 434;  Decam.  phys- 
ch.  IV,  p.  107),  unbekümmert  um  die  über  das  Planetensystem 
von  Kepler  gemachten  Entdeckungen,  nach  denen  die  Kreise  und 
mit  ihnen  alle  gleichförmigen  Bewegungen  der  Planeten  gänzlich 
wegfallen  (Littrow,  1.  Abt.,  Kap.  IX,  §  134).  Doch  beging  er  den- 
selben Fehler  wie  Kepler,  indem  er  nicht  zeigte,  wie  die  Sonne 
in  der  Entfernung  die  der  Erde  eigentümliche,  geneigte  Bewegung 
erzeuge  (Decam.  phys.  eh.  IV,  p.  104)  und  wenn  er  auch  ein  Bei- 
spiel dafür  anzuführen  versuchte,  so  musste  er  zu  seiner  Erklä- 
rung immer  wieder  neue  Annahmen  machen  (the  earth  is  a  bullet 
without  weight,  decam.  phys.  cap.  IV,  p.  99,  100;  Whewell  II,  p. 
133).  Er  spricht,  übereinstimmend  mit  Kepler,  von  einer  Excen- 
tricität  der  Erde,  die  er  für  den  Fall,  dass  die  jährliche  Be- 
wegung in  einem  vollständigen  Kreise  stattfinde,  in  de  corp. 
XXVI,  8,  p.  433,  433  bestimmt  und  zuorleich  die  Gründe  für 
Aphelium  und  Perihelium,  wenn  auch  unzulänglich  (ibid.  p.  434), 
angiebt.  Er  sieht  diese  Excentricität  im  Unterschiede  ihrer  Teile 
und  der  daraus  hervorgehenden  verschiedenen  Anziehung  derselben 
durch  die  Sonne  gegründet,  muss  aber  seiner  ursprünglichen  An- 
sicht der  Bewegung  analog  die  Auffassung  dieser  Anziehung  als 
einer  magnetischen  Kraft  entschieden  zurückweisen  (eine  unmittel- 
bare Wirkung  in  die  Ferne  ist  unmöglich;  de  corp.  XXVI,  p.  434; 
decam.  phys.  eh.  IV;  Kepler,  Epitome.  Astr.  copern.  S.  176;  Whewell 
I,  p.  19).  Ebensowenig  will  er  die  Ähnlichkeit  der  Körper  als 
Ursache  ihrer  gegenseitigen  Anziehung  gelten  lassen,  wendet  sich 
aber   nicht   gegen    den  Hauptirrtum    des   Keple  raschen  Versuchs, 


—     61     — 

die  Bewegung  der  Planeten  um  die  Sonne  durch  eine  Central- 
kraft  zu  erklären,  indem  Kepler  voraussetzte,  dass  eine  fort- 
währende Tangentialkraft  (Transversalkraft)  der  Sonne  nötig  sei, 
um  eine  solche  Bewegung  hervorzubringen  (Whewell  II,  p.  82). 
Noch  folgt  nach  Hobbes  aus  der  Excentricität  der  Erde  die  Er- 
scheinung, dass  ihre  Bahn  eine  Ellipse  oder  elliptische  Linie  und 
die  Parallelität  der  Erdachse  nur  in  den  Äquinoktialpunkten  vor- 
handen ist  (Littrow,  III.  Abt.,  Kap.  XI,  §  115,  116,  117).  Dass  der 
Mond  während  seiner  Bewegung  um  die  Erde  uns  immer  ein 
und  dieselbe  Seite  zeigt,  erklärt  er  ganz  richtig  daraus,  dass 
durch  die  gleichzeitige  Einwirkung  von  Erde  und  Sonne  auf  den 
Mond  die  Rotation  desselben  um  seine  Achse  seiner  Revolution 
um  die  Erde  gleich  ist  (de  corp.  XXVI, 9;  Decam.  phjs.  eh.  IV,  p. 
106),  so  dass  also  der  von  Newton  gethane  Ausspruch:  „Der 
Mond  zeigt  uns  immer  dieselbe  Seite,  also  dreht  er  sich  um  seine 
Achse'^  schon  hierin  mit  enthalten  ist.  Die  scheinbaren  Librationen 
des  Mondes  dagegen  führte  er  auf  die  Stellung  desselben  zur 
Ekliptik  zurück,  ohne  genauer  darauf  einzugehen  (Littrow,  I.  Abt., 
Kap.  XI,  §  163;  IIL  Abt.,  Kap.  XI,  §  109-,  Hobbes,  de  corp.  p.  437). 
Eingehender  behandelte  er  die  Erscheinungen  der  Ebbe  und  Flut, 
deren  Ursprung  von  ihm  in  den  drei  einfachen  Bewegungen  der 
Sonne ,  des  Mondes  und  der  Erde  und  der  täglichen  Umdrehung 
der  Erde  o-esucht  wird.  Zugleich  weist  er  der  Westküste  von 
Amerika  (Decam.  phys.  eh.  V,  p.  110;  de  corp.  eh.  XXVI,  p.  437) 
die  Rolle  einer  Stauvorrichtung  zu.  Er  nimmt  an,  dass  die 
Wassermassen  des  Meeres  mit  ihren  Becken  an  der  Dotation  der 
Erde  teilnehmen,  dass  aber  die  unter  der  Mondbahn  befindlichen 
Teile  derselben  eine  Anziehung  von  Seiten  des  Mondes,  ein 
Herausheben  aus  ihrem  Niveau  erfahren  und  somit  eine  grössere 
Geschwindigkeit  erhalten.  Diese  Bewegung  glaubt  er  nun  an  der 
südlichen  Küste  Amerikas  sich  stauend  und  dadurch  dort  ein  un- 
unterbrochenes Anschwellen  und  Herabsinken  erzeugend,  das  sich 
über  den  Atlantischen  Ocean  und  über  die  Südsee  hin  ausbreitet. 
Ein  Zusammentreffen  der  Mondbahn  mit  den  Äquinoktialpunkten 
dieut  zur  Verstärkung  der  Erdbewegung  und  damit  dieser  Er- 
hebung, wie  auch  Springfluten  bei  Neu-  und  Vollmonden  grössten- 
teils nur  auf  dem  Zusammenwirken  von  Mond  und  Sonne  beruhen. 
Dabei  werde  die  zwischen  diesen  Weltkörpern  befindliche  Luft 
durch  diese  Bewegung  nach  den  Polen  hin  zurückgedrängt  und 
damit   eine    zu    starke  Annäherung   der  Weltkörper  untereinander 


—     62     — 

vermieden  (vol.  VII ^  sev.  phil.  probl.  eh.  II;  decam.  phys.  eh.  V,  p. 
III).  Indem  er  nun  die  Entfernung  des  Mondes  von  der  Erde 
gleich  59  Erdhalbmessern  und  seine  Umlaufszeit  ungefähr  gleich 
29  Tage  annahm,  gelangte  er  zu  der  angenäherten  Dauer  eines 
Mondtages  von  24^  15°"  (gegenüber  unserer  Annahme  von  24^  50"^ 
Hobbes,  de  corp.  XXVI,  lo,  p.  439;  Decam  phys.  eh.  V,  p.  110,  111; 
Littrow,  III.  Abt.,  Kap.  X,  §  100).  Er  sprach  noch  besonders  auch 
dem  Mond  die  Fähigkeit  zu,  die  Regentropfen  aufzusaugen,  be- 
zeichnete damit  also  die  Mondstrahlen  als  warm  und  glaubte 
diese  Meinung  durch  den  in  den  Konjunktionen  von  Sonne  und 
Mond  gewöhnlich  auftretenden  Wetterwechsel  bestätigt.  Für  die 
von  Hipparch  im  2.  Jahrh.  v.  Chr.  entdeckte  Präcession  der 
Äquinoktialpunkte,  welche  in  Newton  ihren  Erklärer  fand  (Mon- 
tucla  II,  p.  620)  und  wofür  d'Alembert  und  Laplace  die  Theorie 
entwickelten,  giebt  Hobbes  ein  jährliches  Fortrücken  von  51" 
(cfr.  Wolf,  Greschichte  der  Astron.  p.  159)  in  der  umgekehrten 
Ordnung  der  Zeichen  an,  zugleich  das  entsprechende  Fortrücken 
von  Apogäum  und  Perigäum  der  Sonne  damit  verbindend  (de 
corp.  eh.  XXVI,  11,  p.  441  flg.;  Decam.  phys.  eh.  IV,  p.  103;  Copernicus, 
de  revol.  lib.  III,  cap.  2).  Bezüglich  der  Ansicht  über  die  Gründe, 
die,  wie  er  in  de  corp.  p.  442  anführt,  Keplern  zur  Teilung  der 
Excentricität  der  Erde  bewog,  befindet  er  sich  im  Irrtum. 
Kepler  gelangte  zu  seiner  Auffassung  der  Planetenbahnen  durch 
Berechnung  der  Marsbahn  nach  sechs  verschiedenen  Hypothesen, 
von  denen  ihm  die  beiden  letzten  „physischen'^  Hypothesen,  „die 
Bahn  genau  kreisförmig",  und  „die  Bahn  genau  elliptisch"  anzu- 
nehmen, zur  Annahme  einer  zwischen  Kreis  und  der  früheren 
Ellipse  liegende  Ellipse  und  dadurch  endlich  zu  der  längst  ge- 
wünschten Übereinstimmung  zwischen  Beobachtung  und  Berechnung 
führte  (Whewell  I,  p.  431,  432).  Hobbes  will  aber  auch  seine 
Betrachtungen  nur  als  einen  Beweis  für  die  Möglichkeit  einer 
Erklärung  der  betreffenden  Erscheinungen  auf  Grund  seiner  ur- 
sprünglichen Voraussetzungen  angesehen  wissen  (de  corp.  XXVI). 


Licht,  Wärme  und  Farben. 

Von  den  intersiderischen  Körpern,  nämlich  dem  Äther  und 
denjenigen  Körpern,  deren  Teile  einen  gewissen  Grad  von  Kohäsion 
besitzen,  zieht  er  zunächst  den  alle  Räume  erfüllenden  Äther 
in  den  Kreis  seiner  Betrachtungen  und  bezeichnet  die  durch  ein- 


—     63     — 

fache  Cirkularbeweguiig  der  Sonne  hervorgerufene  Abstossimg 
dieser  ätherischen  Substanz  als  Ursprung  der  Lichtbewegung. 
Er  nähert  sich  mit  dieser  Annahme  der  Undulationstheorie  und 
geht  mit  derselben  zugleich  von  der  stabilen  Gleichgewichtslage  des 
Äthers  beim  Fehlen  jeder  Lichterscheinung  aus.  Wir  sehen  so 
Hobbes  gleichzeitig  mit  Descartes  und  Hooke  die  von  Huygens 
in  mehreren  ihrer  Hauptzüge  begründete,  später  allgemein  ange- 
nommene Theorie  mit  anbahnen  (Hobbes,  vol.  IV,  tract.  opt.  p. 
218,  prop.  1;  Whewell,  II,  p.  410,  411).  Diese  Bewegung  pflanzt 
sich  nach  den  Gesetzen  des  mechanischen  Stosses  im  Augenblick 
(vol.  IV,  tract.  opt.  prop.  III  corolL:  Lumen  propagatur  ad  quam- 
libet  distantiam  in  instante)  bis  zu  unserem  Auge  und  nach  dem 
innersten  Teile  dieses  Organs,  dem  Herzen  fort,  dessen  nach  aussen 
reagierendes  Streben  (endeavour)  in  der  Retina  endigt,  und  von  uns 
als  Licht  oder  die  Vorstellung  eines  ausser  uns  befindlichen  leuch- 
tenden Körpers  gefasst  wird  (de  corp.  XXVII, 2).  Hobbes  geht 
aber  in  der  Auffassung  dieser  retrograden  Bewegung  nicht  so 
weit  wie  Descartes,  wenn  dieser  vermöge  derselben  dem  Menschen 
die  Fähigkeit  zusprechen  will,  auch  im  Finstern  zu  sehen  (Des- 
cartes, la  dioptr.  1637,  p.  5),  wenngleich  die  sonstigen  Meinungen 
Beider  über  das  Licht,  das  Entstehen  desselben  u.  s.  w.  viel  Ähn- 
lichkeit haben.  Nach  den  dabei  zu  Grunde  liegenden  naturphilo- 
sophischen Ansichten  Hobbes'  kann  man  den  Äther  lediglich  als 
ein  System  materieller  Teile  ansehen,  und  so  weit  fällt  seine  Auf- 
fassung wiederum  mit  den  neueren  Principien  der  Undulations- 
theorie zusammen,  doch  legt  er  diesen  kleinsten  Teilen  keine  an- 
ziehenden und  abstossenden  Kräfte  bei,  indem  er  als  besondere 
Eigenschaft  des  Äthers  immer  nur  die  erwähnt,  dass  er  am 
flüssigsten  ist,  also  am  leichtesten  eine  Verschiebunor  seiner  Teile 
zulässt.  Hobbes  hält  aber  Äther  und  Luft  nicht  scharf  ausein- 
ander, wenn  er  behauptet,  dass  durch  die  einfache  Cirkularbewegung 
der  Sonne  eben  das  von  uns  Luft  genannte  Medium  in  allen  seinen 
Teilen,  sogar  den  kleinsten,  so  bewegt  werde,  dass  dieselben 
fortwährend  ihre  Plätze  miteinander  vertauschen  und  nennt  diese 
Bewegung  Fermentation  (vol.  IV,  lat.  Probl.  phys.  p.  327  flg.;  Fischer 
II,  p.  178 flg.;  Boyle,  p.  180).  Öie  perpetuierliche  Ortsveränderung 
der  flüssigen  Teile  unsres  eignen  Körpers  und  das  daraus  folgende 
Herausdrängen  derselben  (durch  die  Poren),  sowie  der  Spirits 
stellt  Hobbes  als  Folge  der  das  Sonnenlicht  begleitenden  Wärme 
hin.     Und  so  unterscheiden  sich  nach  ihm  Licht  und  Wärme  nur 


—     64     — 

dadurch  voneinander,  dass  das  Erstere  aus  einem  geradlinig  sich 
fortpflanzenden  Bewegungsantrieb  (action)  entstellt,  die  Letztere 
aus  der  einfachen  Bewegung  des  Mediums,  dessen  Teile  sie  fort- 
während ihre  Plätze  vertauschen  lässt  (de  corp.  XXYI,  4).  Über- 
raschend tritt  uns  besonders  hier  bei  der  Auffassung  von  Licht 
und  Wärme  die  Ähnlichkeit  mit  der  Annahme  der  neueren  Physik 
über  diese  Erscheinungen  entgegen:  „Dieselben  Atherschwingungen, 
sagt  Helmholtz,  welche  das  Auge  als  Licht  fühlt,  fühlt  die  Haut 
als  Wärme,  dieselben  Luftschwingungen,  welche  die  Haut  als 
Schwirren  fühlt,  fühlt  das  Ohr  als  Ton  etc."  Werden  die  Teile 
eines  Körpers  gleichzeitig  so  bewegt,  dass  sowohl  Wärme  als 
Licht  entstehen,  so  nennen  wir  dieses  Bewegungsresultat  „Feuer", 
und  im  Ferneren  spricht  Hobbes  noch  speciell  aus,  dass  dasselbe 
in  besonders  lebhaften  Schwingungen  der  Teile  des  Mediums 
(nämlich  der  Luft)  beruhe,  welche  Bewegung  sich  auf  die  kleinsten 
Teile  leicht  zerstreubarer  (brennbarer)  Körper  nach  Aufhebung 
ihrer  Kohäsion  überträgt  (de  p.  451,452;  decam.  phjs.  eh.  VI,  p. 
124;  vol.  VII,  sev.  phil.  probl.  cap.  4).  Sonach  muss  er  auch  die 
beim  mechanischen  Stoss  und  dem  Zerbrechen  fester  Körper  auf- 
tretenden Feuererscheinungen  auf  rasche  kreisförmige  Bewegungen 
der  kleinsten  Teile  dieser  Körper  reducieren  (de  corp.  XXVII,  5; 
vol.  VII,  sev.  phil.  probl.  eh.  IV,  p  30)  und  das  Leuchten  der 
Bologneser  Steine  (cfr.  Priestley  II,  p.  265;  Fischer  H,  p.  113),  der 
Johanneswürmchen,  alten  Holzes  gleicher  Weise  auf  dieselbe  ihnen 
durch  die  Einwirkung  des  Sonnenlichtes  gleichsam  imprägnierte 
Bewegung  zurückführen  (Hobbes,  vol.  VII,  ibidem  eh.  VI),  wie  er 
auch  das  Leuchten  des  Seewassers  in  einer  durch  den  Wind  her- 
vorgerufenen Rotation  der  Salzteilchen  sieht  (ibidem  eh.  VII;  cfr. 
Descartes,  les  met.  disc.  III  du  sei,  p.  180).  Das  bei  einer  Flamme 
durch  verstärkte  Sauerstoffzufuhr  hervorgerufene  lebhaftere  Brennen 
erklärt  er  aus  dem  Freiwerden  der  in  den  Körpern  befindlichen 
ätherischen  und  flüssigen  Teile  (anklingend  an  das  StahPsche 
Phlogiston),  deren  Bewegung  zur  Verstärkung  der  ursprünglichen 
Flamme  beitrage  und  durch  den  vergrösserten  Druck  auf  unser 
Auge  die  Vorstellung  eines  stärker  leuchtenden  Körpers  vermittele, 
während  er  andrerseits  durch  dieses  Ausströmen  der  ätherischen 
Luftteilchen  und  Zurückbleiben  der  harten  einen  innigeren  Zu- 
sammenhang der  Körper,  ein  Härten  derselben  zu  erreichen 
glaubt,  und  schliesslich  das  Schmelzen  der  Körper  als  ein  Streben 
(endeavour)  der  einzelnen  Teile  nach  einfacher  Bewegung  hinstellt 


—     65     — 

(de  corp.  XXVII,  8;  p.  453  flg.).  Die  Wirkung  des  Schiesspulvers 
findet  eine  entsprechende  Deutung  (ibidem  10;  cfr.  Bacon  in  Fischer 
I,  p.  227),  doch  muss  man  bezüglich  dessen  sowie  der  späteren 
Erwähnung  über  das  Kohlengas  von  Gruben  (de  corp.  XXX,  14; 
Decam.  phys.  X,  p.  17J,  de  hom.  II,  5)  in  Rücksicht  ziehen,  dass 
bei  dem  damaligen  Stande  der  Chemie  eine  Verbrennungstheorie 
kaum  angedeutet  war  (Boyle  nennt  z.  B.  das  Feuer  eine  ponderable 
Materie  von  unbekannter  Natur,  cfr.  Fischer  vol.  11,  Kap.  4,  p.  188  flg.), 
und  noch  lange  Zeit  nach  Hob b es  bis  Lavoisier  die  phlogistisch- 
chemische  Theorie  Stahl's  herrschte  (Whewell,  vol. III,  p  119  flg.) 
Bei  der  Selbstentzündung  feuchten  Heu's  wird  den  der  Luft  bei- 
gemengten kleinen  festen  Körpern  der  Hauptanteil  zugeschrieben 
(de  corp.  p.  456),  und  diese  sind  es  auch,  welche  bei  dem  Ver- 
suche, Blitz  und  Donner  zu  erklären,  durch  ihre  in  den  Hohl- 
räumen der  Wolken  gehinderte  und  deshalb  sich  gegenseitig 
steigernde,  ihnen  eigentümliche  Bewegung,  diese  Hohlräume  der 
„gefrorenen"  Wolken  gewaltsam  durchbrechen,  und  dieser  Vorgang 
wird  vermöge  der  Luft  dem  Auge  als  Blitz,  dem  Ohr  als  Donner 
übermittelt  (de  corp.  XXVII,  9,  p.  457;  XXVIII,  14,  p.  480,  481, 
cfr.  damit  Descartes,  les  met.  (1637),  disc.  sept.  p.  243,  244). 

Die  Farben  sind  ebenfalls  Licht,  und  weil  durch  eine  sich 
gegenseitig  hindernde  Bewegung  entstanden,  getrübtes  Licht 
(troubled).  Bei  seiner  Beweisführung  für  diese  Behauptung  hält 
aber  Hobbes  den  einfallenden,  den  gebrochenen  und  den  aus  dem 
Prisma  austretenden  Strahl  nicht  auseinander,  sucht  vielmehr  aus 
einer  Mischung  dieser  drei,  wie  er  sagt,  aus  den  transversalen 
Bewegungen  unter  denselben  die  Farben  abzuleiten  und  muss  da- 
bei das  zweite  Licht  (nach  unsrer  Auffassung  „reflektiertes"  Licht; 
de  corp.  XXVII,  12)  noch  hinzunehmen,  um  aus  diesen  vier  Grössen 
vier  Farben  zu  erhalten,  rot,  gelb,  grün  (dem  blau  sich  nähernd) 
und  purpurn  (de  corp.  XXVII,  13,  p.  459  flg.  cfr.  Priestley  I,  p.  43, 
54;  Descartes,  les  met.  cap.  VIII,  e).  Descartes  half  sich  aus 
dieser  Verlegenheit  durch  die  Annahme  einer  geradlinigen  und  einer 
drehenden  Bew^egung  beim  Lichte  und  Hess,  jenachdem  die  Letztere 
oder  die  Erstere  stärker,  oder  Beide  gleich  stark  waren,  mt,  blau 
und  gelb  entstehen,  aus  welchen  drei  Farben  man  die  übrigen 
durch  Mischung  schon  längst  zusammengesetzt  hatte  (Priestley  I, 
p.  105).  Erst  Newton  bestimmte  die  Zahl  und  das  Entstehen  der 
Farben  beim  Prisma  definitiv  durch  seine  genialen  Untersuchungen 
(cfr.  Montucla  vol.  II,  p.  518). 

5 


—    66    — 

Auch  an  den  zu  Keplers  Zeit  (um  1600)  wieder  vorgenommenen 
Untersuchungen  über  die  Strahlenbrechung  im  Dunstkreise  beteiligte 
sich  Hobbes,  und  zwar  führte  er  die  Erscheinung,  dass  Mond  und 
Sterne  am  Horizont  grösser  und  röter  erscheinen  als  höher  am 
Himmel,  auf  die  Reflexion  der  Lichtstrahlen  an  den  der  Luft  bei- 
gemengten Wasser-  und  Erdteilchen  zurück  (de  corp.  XXVII,  14, 
Priestley  I,  p.  66,  67).  Zugleich  verweist  er  auf  die  von  Descartes 
bei  der  Erklärung  des  Regenbogens  (les  meteores;  disc.  YIII, 
p.  250  flg.)  benutzte  doppelte  Refraktion  und  Reflexion  des  Licht- 
strahls in  kugelförmig  angenommenen  Wasserbläschen  als  geeignet 
zum  Entstehen  der  vier  angegebenen  Farben.  Weisses  Licht  soll 
nun  aus  einer  Mischung  vieler  reflektierter  Lichtstrahlen  hervor- 
gehen, oder  in  dem  Beobachter  durch  unendlich  vielfache  Reflexion 
der  von  dem  leuchtenden  Körper  ausgehenden  Strahlen  das  Bild 
des  ganzen  leuchtenden  Körpers,  d.  h.  das  Bild  von  weiss  hervor- 
rufen (de  corp.  XXVII,  15)^  während  Dunkelheit  Aufhebung  jedes 
Lichtes  bedeute  (blackness  is  the  privation  of  light)  und  daher 
rühre,  dass  die  auffallenden  Lichtstrahlen  nicht  nach  dem  Auge 
des  Beobachters,  sondern  nach  dem  Körper  hin  reflektiert  werden. 
Als  Begründung  seiner  Behauptung  führt  er  unter  anderen  Bei- 
spielen die  leichtere  Entzündbarkeit  schwarzer  Körper  durch  Brenn- 
gläser an,  dadurch  bedingt,  dass  während  bei  einer  weissen  Ober- 
fläche die  vorstehenden  Teilchen  konvex,  bei  einer  schwarzen  da- 
gegen mehr  aufgerichtet  seien  (de  corp.  XXVII,  16).  Sobald  Licht 
oder  Farbe  eine  bestimmte  Gestalt  annimmt,  erhält  man  ein  Bild 
(imago),  welches,  obgleich  nur  in  unsern  Vorstellungen  existierend, 
doch  zunächst  als  Objekt  selbst  genommen  wird  (de  hom.  cap.  II,  l). 
Bei  allen  von  Hobbes  angegebenen  Konstruktionen  der  Bilder  im 
Auge  muss  man  stets  berücksichtigen,  dass  Hobbes  analog  der 
Annahmen  über  die  Richtung  der  Restitution  einer  von  einem  ge- 
neigten Druck  getroffenen  Fläche  und  unter  der  (annähernd  rich- 
tigen) Voraussetzung,  dass  das  Auge  vollständig  kugelförmig  ist, 
die  Bewegung,  welche  die  Nervenhaut  des  Auges  trifft,  stets  durch 
das  Centrum  dieses  kugelförmigen  Augapfels  reflektiert  werden 
lässt  (wegen  der  „resistentia";  de  corp.  XXVI ,  art.  6;  de  hom. 
cap.  IV,  i),  und  jeder  leuchtende  Punkt  dem  entsprechend  not- 
wendig in  der  Richtung  einer  durch  diesen  Mittelpunkt  gehenden 
geraden  Linie  gesehen  werden  müsste  (de  hom.  cap.  II,  2).  Er 
wies  dabei  dem  Fusspunkte  der  optischen  Achse  die  Stelle  der 
Netzhautgrube    zu,    sodass    ausserhalb    der   optischen   Achse   kein 


—     67     — 

deutliclies  Sehen  möglich  ist  (de  liom.  II)  und  verlangte,  mit 
Kepler,  der  das  Auge  als  camera  obscura  betrachtete,  dass  der 
Lichtkegel  durch  die  verschiedenen  Feuchtigkeiten  und  die  Linse 
auf  einen  Punkt  der  Retina  zusammengebrochen  vs^erde  (Montucla 
vol.  II,  p.  224flg.,  Hobbes,  de  hom.  cfr.  YIII,  i).  Weiter  führt  er 
eine  Anzahl  Täiischungserscheinungen  auf  dieses  Princip  zurück 
(ibidem  II,  2,  coroll.),  unter  Anderem  eine  dem  Scheiner'schen 
Versuch  (1619)  mit  der  Nadel  entsprechende,  und  sagt  ganz  richtig, 
dass  bei  der  Betrachtung  eines  Objekts  mit  geringer  Aufmerksamkeit 
nur  ein  undeutliches  Bild  desselben  entsteht  (Zerstreuungskreise), 
sowie  dass  es  zur  deutlichen  Wahrnehmung  eines  Objekts  einer 
über  dasselbe  hingleitenden  Bewegung  des  Auges  bedarf.  Die  un- 
deutliche Wahrnehmung  sehr  kleiner  oder  grosser  entfernter  Gegen- 
stände, die  Erscheinung,  dass  lebhafte  Feuerfuoken  und  Fixsterne 
wie  behaart  erscheinen,  will  er,  wie  Gassendi  (cfr.  Priestley  I, 
p.  158),  aus  der  zu  weit  geöffneten  Pupille  erklären  (de  hom.  VIII^  o), 
wodurch  mehrere  und  dadurch  undeutliche  Bilder  ein  und  desselben 
Punktes  auf  der  Netzhaut  hervorgerufen  würden  (de  hom.  II,  2, 
coroll.  3),  was  man  vielleicht  als  Annäherung  an  die  Forderung 
des  deutlichen  Sehens:  dass  die  von  dem  leuchtenden  Punkte  aus- 
gehenden Strahlen  in  einem  Punkte  der  Netzhaut  sich  vereinigen, 
ansehen  kann.  Hobbes  stellt  als  Hauptfordernis  desselben  die 
richtige  Stellung  von  Pupille,  Linse  und  Retina,  und  richtige 
Krümmung  der  Letzteren  hin  (ibidem  4).  Deshalb  giebt  er  auch  als 
Gründe  für  die  Blödsichtigkeit  bejahrter  Leute  (er  nennt  dieselben 
^vcjTCeg)  Zusammenziehung  der  Retina  oder  der  Ciliarfortsätze 
und  damit  verbundene  Abflachung  der  Linse  an,  oder  Veränderung 
der  Flüssigkeit,  oder  zu  grosse  Pupille,  und  schlägt  zur  Abhilfe 
dieser  Mängel  Linsen,  ein  mit  einem  kleinen  Loch  versehenes  Blech, 
kleine  Röhrchen  (tubulus,  ibidem  coroll.  1,  2)  vor.  Zur  Wahr- 
nehmung bewegter  Körper  ist  es  erforderlich,  dass  denselben  das  Auge 
immer  zugewandt  bleibt,  und  da  die  Lichtbewegung  im  Auge  eine 
Dauer  besitzt  (Nachbilder;  de  hom.  cap.  III,  8),  wird  demzufolge 
ein  bewegter,  leuchtender  Punkt  die  Vorstellung  einer  zusammen- 
hängenden Lichtlinie  erwecken  (de  hom.  p.  14,  15,  vol.  IV,  sev. 
phil.  probl.  eh.  IV,  p.  29,  30),  wie  aus  demselben  Grunde  nach 
ihm  die  Lichtflammen  leuchtender  Körper  länger  und  breiter  er- 
scheinen, als  sie  wirklich  sind  (Irradiation).  Vollständig  unsrer 
Auffassung  entsprechend  sind  die  Betrachtungen  über  das  Messen 
von   Strecken    auf  Grund    der  Bewegung    unsrer  Augen    (de    hom. 


—     68     — 

p.  16),  dass  wir  die  Bewegung  von  Sonne,  Mond  und  Fixsterne 
wegen  einer  der  unendlichen  Entfernung  gegenüber  unmerklich 
geringen  Drehung  des  Auges  nicht  bemerken,  dass  bei  gemein- 
samer Bewegung  von  Objekt  und  Auge  diese  von  uns  nicht  wahr- 
genommen wird,  dass  bei  ruhendem  Objekt  und  bewegtem  Auge 
die  Überlegung  den  Sachverhalt  klar  machen  muss,  dass  endlich 
bei  zusammengesetzter  Bewegung  des  Objekts  das  Auge  nur  die 
ihm  nicht  eigentümlichen  Bewegungen  bemerkt.  Weniger  zufrieden- 
stellend sind  die  Erklärungen  der  bei  Trunkenen  und  sich  lange 
im  Kreise  Drehenden  auftretenden  Sinnestäuschungen  (de  hom.  II,  7). 
Beim  direkten  Sehen  unterscheidet  Hobbes  wirklichen  und 
scheinbaren  Ort  des  Objekts,  abhängig  von  Lage,  Gestalt  und 
Grösse  desselben,  und  da  das  Auge  zur  Wahrnehmung  einer  ge- 
wissen durch  die  Entfernung  bedingten,  endlichen  Kraft  bedarf, 
welche,  wenn  sie  zu  gering  ist,  zwar  eine  Bewegung  des  Seh- 
organs hervorruft,  aber  nicht  den  Gegenstand  selbst  deutlich  sicht- 
bar macht  (de  hom.  cap.  3,  l,  2),  so  folgt  daraus,  dass  die  Ent- 
fernung, bis  zu  welcher  ein  Objekt  deutlich  wahrgenommen  werden 
kann,  wesentlich  von  der  Intensität  der  Beleuchtung  abhängt, 
ebenso  dass  das  aus  kleinsten  Teilen  bestehende  Objekt  nicht  das 
Bild  dieser  kleinen  Teile,  sondern  ihre  Gesamtheit  liefert.  Zu- 
gleich liegt  in  der  geringen  Grösse  des  Sehwinkels  der  Grund  dafür, 
dass  wir  gewisse  Körper  nur  als  Punkte  wahrnehmen,  des  schwachen 
Eindrucks  wegen,  welchen  sie  auf  der  Retina  hervorrufen.  Weil 
nun  die  Begrenzungspunkte  eines  Objekts  mit  den  ihnen  benach- 
barten zu  einem  Bilde  verschmelzen,  und  dem  analog  die  Be- 
grenzung variiert  wird,  scheint  uns  beim  direkten  Sehen  der  Ort 
des  Bildes  näher  und  das  Bild  kleiner  als  das  Objekt  (de  hom.  3,  3), 
was  sich  mit  der  grösseren  Entfernung  des  wahrgenommenen 
Objekts  mehr  und  mehr  steigert,  während  der  Sehwinkel  für  beide 
derselbe  bleibt.  Hobbes  will  nun  aus  der  Lage  des  Objekts  und 
dem  perspektivischen  Horizontalpunkt  (für  welchen  das  Objekt 
als  Punkt  erscheinen  würde)  den  Ort  des  Bildes  bestimmen  und 
kommt  in  seinen  Betrachtungen  zu  der  Folgerung,  dass  die  grössere 
oder  geringere  scheinbare  Entfernung  der  Objekte  von  den  zwischen 
denselben  und  dem  Auge  liegenden  Gegenständen  abhängt,  will 
ferner  als  Wirkung  der  nebelartig  einen  Körper  umhüllenden  un- 
durchsichtigen Teilchen  nur  eine  Verminderung  der  Beleuchtung, 
keine  Grössenveränderung  des  Bildes  gelten  lassen  (vgl.  damit  die 
Beobachtungen  über  die  scheinbare  Grösse  der  Menschen  im  Nebel; 


i 


—     69     — 

Priestley   p.  156    über   Le  Cat,   traite    des  sens,  p.  260).     Weiter 
führt   er  ganz  richtig  an,  dass   während  die  Aufmerksamkeit  des 
Sehenden    intensiv    auf   ein  bestimmtes   Objekt   gerichtet  ist,    ein 
sich  zwischen  dasselbe  und  das  Auge  schiebender  kleinerer  Körper 
dann  ferner  und  grösser  erscheint  (de  hom.  3,  e)  und  erklärt  ebenso 
korrekt   das    blassere   Licht   und    die   geringere   Grösse   des  Voll- 
mondes   tagsüber   aus    der   überwiegenden   Intensität   des  Sonnen- 
lichts, übergeht  aber  die  schon  von  Leonardo  da  Yinci,  Maestlin 
und    Kepler    über    das    aschgraue   Licht   des    Mondes   gemachten 
Beobachtungen  mit  ihren  Erklärungen  vollständig  (Littrow,  I.  Abt., 
Kap.  XI,  §  162;    Hobbes,   de   hom.   cap.  III,  7).     Bezüglich   der 
scheinbaren  Vergrösserung  von  Sonne,  Mond  und  Sterne  am  Horizont 
betritt  er  den  schon  von  Ptolemäus  (Priestley  I,  p.  11,  12)  ein- 
geschlagenen Weg,  sie  aus  der  Beziehung  der  dazwischenliegenden 
Objekte    auf  Entfernung  und  Grösse  dieser  Himmelskörper  zu  er- 
klären und  giebt  selbst  eine  Ableitung  dafür  an  (de  hom.  cap.  VII,  8, 
cfr.  damit  Descartes,  la  dioptr.  disc.  VI,  p.  67),  während  er  die  auch 
schon  im  Almagest  enthaltene  Herleitung  dieser  Erscheinung  aus 
Brechung  der  Strahlen  durch  die  zwischen  Auge  und  leuchtendem 
Körper  befindlichen  Dünste  zurückweist  (de  hom.  III,  7,  Priestley, 
p.  67,  68,  96).    Die  in  der  Atmosphäre  befindlichen  Wasserdämpfe 
haben   nach    ihm    keine    brechende,    sondern    nur    eine    dämpfende 
Kraft,   sie  rufen  nur  eine  Reflexion  des  Lichts  und  als  Folge  der 
sich   gegenseitig   störenden  Strahlen  die  rote  Farbe  der  Himmels- 
körper   am    Horizont   hervor    (de   hom.   cap.  VII,  8).      Er   wendet 
sich   auch   entschieden  gegen  jede  Annahme  einer  Schwankung  in 
den   Dichtigkeitsverhältnissen   der   reinen  Luft  und   sieht  die  von 
Gassendi   (de   sole  humili   et   sublimi,  Priestley  I,   p.  106,  107) 
über  die  Grösse  der  Schatten  bei  aufgehender  und  kulminierender 
Sonne,  sowie  die  an  Fixsternen  gemachten  Beobachtungen  nur  als 
Beweis  dafür  an,  dass  in  der  Atmosphäre  (darunter  versteht  Hobbes 
die   reine  Luft)  keine  Brechung  möglich  ist  (de  hom.  cap.  VII,  7), 
während  schon  von  Tycho,   wenn   auch   nur   angenähert,  richtige 
Beobachtungen  über  diese  Erscheinung  vorlagen  (Montucla,  vol.  11 
bis  IV,  p.  664  flg.). 

Die  Anwendung  der  Geometrie  für  einen  bestimmten  Fall, 
nämlich  die  richtige  Zeichnung  eines  Gegenstandes,  wie  derselbe 
dem  Gesicht  erscheint,  welche  besonders  während  des  16.  Jahr- 
hunderts neu  auflebte  (cfr.  Montucla,  vol.  II,  lib.  V,  p.  706flg.)^  rechnet 
Hobbes   als   einen  Teil  der  Optik   zur  angewandten  Mathematik, 


—     70     — 

obgleich  er  sie  weiter  nur  als  die  Kunst  bezeichnet,  Pyramiden- 
schnitte oder  Kegelschnitte  zu  beschreiben  (de  hom.  lY,  i).  Dabei 
muss  man  wieder  in  Rücksicht  ziehen,  dass  nach  Hobbes  nur 
die  durch  das  Centrum  des  Auges  gehenden  Sehstrahlen  gemeint 
sind  (cfr.  de  hom.  II,  2).  Seine  Betrachtungen  gehen  auch  nicht 
über  die  von  ihm  selbst  ausgesprochene  Absicht  hinaus,  die  ein- 
fachsten Fälle  für  Parallele  und  Kreise,  sowie  Ellipsen,  Parabeln 
und  Hyperbeln  zu  behandeln,  doch  ist  dieser  Teil  nicht  frei  von 
ünwahrscheinlichkeiten  (de  hom.  IV,  9,  10,  11)  und  bietet  nur  durch 
seine  Notiz  über  die,  von  Simon  Stevin  zuerst  erwähnten,  ver- 
zogenen Bilder  und  deren  Konstruktion  eine  interessante  Schluss- 
wendung (de  hom.  IV,  12,  Priestley,  I,  p.  81). 

Reflexion  des  Lichts  an  Spiegeln. 

Im  Ferneren  will  Hobbes  versuchen,  die  Reflexion  an  einem 
ebenen  Spiegel  zu  erklären  (cfr.  vol.  VII,  sev.  phil.  probl.  eh.  VII, 
p.  52)  und  führt  zwar  die  Erscheinungen  richtig  an,  benutzt  aber 
in  seiner  Begründung  das  willkürlich  Angenommene  zum  Beweis 
und  erschwert  durch  seine  Voraussetzung,  dass  das  Bild  näher  zu 
liegen  scheint,  als  das  Objekt,  die  Darstellung  unnötig.  Die  Ver- 
nachlässigung dieses  Umstandes  betrachtet  er  als  einen  die  Richtig- 
keit der  optischen  Auffassung  beeinträchtigenden  Fehler.  Voll- 
kommen korrekt  giebt  er  die  an  durchsichtigen  Glasspiegeln  durch 
mehrfache  Reflexion  und  Refraktion  resultierenden  Bilder  an,  ana- 
log der  Erscheinung,  welche  Kepler  bei  Linsengläsern  beobachtet 
hatte  (Fischer,  vol.  II,  p.  61).  Dabei  muss  man  immer  darauf  Rück- 
sicht nehmen,  dass  Hobbes  den  Lichtstrahl  als  körperlich  aus- 
gedehnt betrachtet  (radius  est  spatium  solidum ;  vol.  IV,  tract.  opt. 
prop.  IV),  also  immer  ein  Lichtbündel  auffallen  lässt.  —  Bei  der 
Reflexion  an  konvexen  Spiegeln  entsprechen  dem  Perpendikel  eines 
Punktes  im  Objekte,  Perpendikel  des  Auges,  Scheitel  des  Spiegels 
und  Sehlinie  unsern  Begriffen  vom  Hauptstrahl,  optischer  Achse, 
optischen  Mittelpunkt  und  reflektierten  Strahl  (de  hom.  cap.  V,  3) 
und  unter  punctum  reflexionis  will  er  das  Bild  verstanden  wissen. 
Nur  lässt  er  bei  seinen  Konstruktionen  die  geometrischen  Bezieh- 
ungen beinahe  allein  hervortreten  (de  corp.  eh.  XIX,  3 flg.).  Zwar 
findet  er  auf  diesem  Wege  ganz  richtig,  dass  das  Bild  eines  un- 
endlich fernen  Punktes  in  die  Entfernung  des  halben  Radius  eines 

1           2       1 
Kugelspiegels    fallen    muss   (analog    der   Formel:     j- = y 


—     71     — 

cfr.  de  hom.  V,  4),  giebt  aber  für  den  Fall,  wo  das  Auge  entfernter 
vom  Spiegel  liegt,  als  das  Objekt,  die  Lage  der  Hauptstrahlen 
falsch  an  (nämlich  alle  parallel  der  optischen  Achse)  und  muss 
folglich  auch  ein  falsches  Bild  erhalten.  Ebenso  findet  man  weder 
bei  konvexen,  noch  bei  konkaven  sphärischen  Spiegeln  eine  Er- 
wähnung des  Brennpunktes  oder  seiner  Wirkungen,  während  doch 
schon  Porta  (cfr.  Fischer  I,  p.  168)  die  Bestimmung  des  Brenn- 
punktes eines  Hohlspiegels  gab  und  selbst  in  de  hom.  cap.  VIII,  9, 
eine  Bemerkung  über  „Brenngläser"  angefügt  ist.  Die  Betrach- 
tungen über  Bilder  bei  concaven  sphärischen  Spiegeln  bieten  zu- 
sammen nur  eine  Reihe  Konstruktionen  besonderer  Fälle,  und  zwar 
stellt  er  für  die  umgekehrte  oder  aufrechte  Stellung  der  Bilder 
als  entscheidend  hin,  ob  die  einfallenden  Strahlen  vor  der  Reflexion 
sich  kreuzen  oder  nicht  (de  hom.  cap.  VI,  1  u.  3),  während -doch  die 
Lage  des  Objekts  vor  oder  hinter  dem  Brennpunkte  die  Lage  der 
Bilder  bedingt.  Aus  all'  den  angegebenen  Konstruktionen  ist  nur 
ersichtlich,  dass  er  den  Vorgang  des  Entstehens  von  Bildern  bei 
konkaven  sphärischen  Spiegeln  auf  nicht  stichhaltige  Voraussetz- 
ungen gegründet  hat  und  demzufolge  zu  falschen  Resultaten  ge- 
langen musste.  Zu  dieser  Unklarheit  hat  jedenfalls  der  Umstand 
noch  mit  beigetragen,  dass  er  der  Stellung  des  Auges  einen  be- 
stimmenden Einfluss  auf  die  Lage  des  Bildes  zuweist  (cfr.  de  hom. 
cap.  VI,  8),  während  doch  nach  den  zwischen  Objekts-,  Bild-  und 
Brennweite  bestehenden  Beziehungen  keine  dieser  Grössen  von  der 
Stellung  des  Auges  unmittelbar  abhängig  ist. 

Die  Refraktionserscheinungen  suchte  Hobbes  in  Überein- 
stimmung mit  Fermat  (cfr.  Montucla,  v^ol.  II,  p.  252)  unter  der 
Annahme  zu  erklären,  dass  eine  Änderung  der  Lichtgeschwindig- 
keit beim  Eintritt  aus  einem  dünneren  in  ein  dichteres  Medium 
(de  corp.  XXVIII,  13)  nur  in  senkrechter  Richtung  zulässig  sei 
(vol.  VII,  lettre  to  Sir  Ch.  Cavendish,  p.  460),  während  z.  B.  Des- 
cartes  eine  Änderung  derselben  in  ihrer  ganzen  Richtung  be- 
hauptete (Descartes,  dioptr.  disc.  II;  Priestley,  vol.  I,  p.  87  flg., 
Hobbes,  vol.  VII,  lettre  to  Sir  Ch.  Cav.,  p.  ^70;  sev.  phil.  probl. 
ch.  VH;  vol.  IV,  tract.  optic).  Bei  dem  specielleren  Eingehen  auf 
einzelne  Fälle  zeigt  nun  Hobbes,  dass  eiue  im  dichteren  Mittel 
befindliche  Linie  dem  Auge  als  am  Ende  gehoben  erscheint  (de 
hom.  cap.  VII,  2, 4),  während  im  umgekehrten  Falle  sich  die  ent- 
gegengesetzte Erscheinung  ergiebt  (ibidem.  3,  5).  Auf  diese  Weise 
sollen  auch  der  von  Descartes  (les  meteores  disc.  dem.)  behandelte 


—     72     — 

Fall;  dass  die  Sonne  früher  über  dem  Horizonte  erscheint,  als  es 
thatsäcblich  ist,  sowie  die  Erscheinung  der  Nebensonne,  ihre  Er- 
klärung finden  (de  hom.  VII,6;  de  corp.  XXVIII,  16,  17;   Montucla, 
vol.  I,  p.  670flg.).    Den  Darstellungen  über   Mikroskope  und  Tele- 
skope lässt  Hobbes  eine  kurze'Erläuterung  über  die  Wirkung  ver- 
schiedener   Linsen    vorangehen,    darin    dem    Verfahren    Kepler 's 
folgend,  der  damit  zuerst  den  gemachten  Entdeckungen  ein  sicheres 
Fundament   schuf  (Fischer  I,  p.  190).     Die    von   Hobbes    behan- 
delten   Fälle    geben    die   richtigen  Brechungserscheinungen   an   bi- 
konvexen und    bikonkaven  Gläsern    wieder    (de    hom.  VIII,  2    mit 
coroU.  3).    Aus  diesen  Relationen  setzt  er  die  Wirkung  der  Brillen 
zusammen   und   stellt   als    deren   Zweck  hin,    diejenigen  Strahlen, 
welche   entfernter  vom  Fusspunkte   der    optischen  Achse   als    zum 
deutlichen  Sehen  notwendig  ist,  auffallen  (also  jenseits  der  Retina 
sich  schneiden),  oder  diejenigen,  welche  die  optische  Achse  dies- 
seits   schneiden   (diesseits    der  Retina),    durch   richtige   Brechung, 
bei  den  Ersteren  durch  konvexe,  bei  den  Letzteren  durch  konkave 
Gläser  an  ihre  richtige  Stelle  zu  bringen  (de  hom.  VIII,  4,  5).    Aller- 
dings kann  man  seine  ferneren  Untersuchungen  nach  dieser  Hin- 
sicht,  zu   welcher   er   durch  die   zeitgenössischen  Beschäftigungen 
mit  diesem  Gegenstand  angeregt  wurde  (cfr.  Fischer,  I,  p.  190 flg.), 
nur    als  Versuche    gelten    lassen,    die    Erscheinungen    auf   Grund 
seiner  Hypothese   abzuleiten.    Er   berücksichtigte    dabei    aber   die 
gegenseitigen  Lagen  von  Objekt   und  Brennpunkt   der  Linsen   zu 
wenig    und    nimmt   von   vornherein   eine  bestimmte  Lage  für  das 
Bild  durch  die  Stellung  des  Auges  an  (de  hom.  VIII,  6,  7, 8,  9).    Die 
Anwendungen,  welche  er  von  Zusammenstellungen  der  Linsen  macht, 
zeigen   allerdings,   dass   ihm   das  holländische  (de  hom.  IX,  1,2, 5) 
sowohl  als   das  Kepler'sche  (ibidem.  3,4)  Teleskop  bekannt  sind, 
aber   einmal   benutzt    er   bei   dem   Ersteren   nur   einfach  konvexe 
Objektive  und  konkave  Okulare  und  bei  dem  Letzteren  entsprechend 
beide  Mal   einfach  konvexe  Linsen,  und  dann  fasst  er  auch  beim 
Mikroskop   den  Grad  und   die  Art  und  Weise  der  Vergrösserung 
unrichtig  auf  (de  corp.  XXVII,  l,  p.  446).     Seine  Zusammensetzung 
des  Mikroskops  aus  grösserem  Okular  und  kleinerem  Objektiv  ist 
der  des  astronomischen  Fernrohrs  ähnlich  (de  hom.  IX, 9;  Fischer  I, 
p.  203),    und   findet   er   auch    ganz   richtig   ein   umgekehrtes   ver- 
grössertes  Bild.    Aus  Allem  lässt  sich  zuletzt  nur  der  Schluss  ziehen, 
dass    seine  Bestrebungen    auf  diesem   Gebiete   nichb  derartige  ge- 
wesen sind,  um  eine  Förderung  dieses  Wissenszweiges  zu  bedeuten. 


73     — 


Schall,  Geruch,  Geschmack,  Gefühl. 

Wenig  besser  hat  Hob b es  verstanden,  aus  seinen  Principien 
die  Erscheinungen  des  Schalls  abzuleiten.  Er  unterscheidet  die 
dabei  auftretende  Bewegung  des  Mediums  als  Stoss  (stroke)  von 
der  nur  ein  Streben,  einen  Druck  (endeavour)  repräsentierenden 
Lichtbewegung,  und  sieht  in  der  Bewegung  des  Mediums  nicht 
den  Ton  selbst,  sondern  nur  die  Ursache  der  in  uns  stattfindenden 
Reaktion  des  Gehörorgans.  Seine  Vorstellungen  über  dasselbe  sind 
allerdings  noch  sehr  unvollkommen  (de  corp.  XXIX,  i).  Diese  Be- 
wegung der  Luftteilchen  ist  nach  ihm  eine  mit  bedeutender  Ge- 
schwindigkeit in  sich  erweiternden  Kreisen  stattfindende  Ortsver- 
änderung derselben  (ibidem  9),  die  demzufolge  durch  den  Wind 
verstärkt  oder  auch  geschwächt  werden  kann.  Mau  kann  Hobbes 
aus  dem  Falschen  in  dieser  Erklärung  keinen  Vorwurf  machen, 
denn  die  Auffassung,  dass  die  Bewegung  der  Luftteilchen  vorwärts 
schreitet,  während  die  Luftteilchen  im  allgemeinen  an  dieser  fort- 
schreitenden Bewegung  nicht  teil  nehmen,  stiess  noch  zur  Zeit 
des  jüngeren  Johann  Bernoulli  (1736  „über  das  Licht")  auf 
Schwierigkeiten,  (cfr.  Whewell,  II,  p.  335),  wenngleich  Newton 
schon  in  der  ersten  Ausgabe  seiner  Priucipien  (1687)  die  Elasticität 
als  die  eigentliche  Kraft  der  Luftteilchen,  diese  Bewegung  der  auf- 
einander folgenden  Verdünnung  und  Verdichtung  der  Luft  fortzu- 
pflanzen, nachgewiesen  hatte.  Wenngleich  nun  Hobbes  in  der 
Luft  die  Fortpflanzung  der  Schallbewegung  als  ein  Fortschreiten 
der  Luftteilchen  hinstellt,  so  will  er  doch  das  Entstehen  der  ver- 
schiedenen hohen  und  tiefen  Töne,  sowie  ihre  Gleichförmigkeit 
und  Dauer,  analog  den  von  Mersenne  in  seinem  „Harmonicorum 
liber"  (Paris  1636)  angenommenen  Vibrationen  fester  Körper,  von 
der  grösseren  oder  geringeren  Anzahl  dieser  Vibrationen,  deren 
Grösse,  sowie  der  Materie  dieser  Körper  abhängig  armehmen  (de 
corp.  XXIX,  2, 3, 4, 8).  Auch  seine  Betrachtungen  über  das  Echo 
als  Reflexion  des  Schalls  bieten  manche  richtige  Punkte,  wenn- 
gleich er  die  Bedingungen  für  das  Auftreten  mehrfacher  Echos 
und  dergleichen  nicht  anzugeben  im  stände  ist.  Wahrscheinlich 
waren  ihm  die  von  Gasseudi  über  die  Fortpflanzungsgeschwindig- 
keit des  Schalls  angestellten  Versuche  nicht  bekannt  (Whewell,  II, 
p.  335;  Hobbes,  de  corp.  XXIX ,  7).  Ebenso  geht  der  von  ihm 
über  Saiten  und   deren  Töne   cregebene  Überblick   nicht   über   die 


—     74     — 

ersten  Schritte  der  von  Mersenne  angestrebten  Theorie  derselben 
hinaus  (de  corp.  XXIX,ii). 

Wie  nun  bei  den  Sinneswahrnehmungen  des  Sehens  und  Hörens 
die  Bewegung  das  zu  Grunde  liegende  Princip  war,  so  auch  bei 
Geruchs-,  Geschmacks-  und  Tastempfindungen.  Bei  den  Ersteren 
werden  durch  eine  von  dem  duftenden  Körper  ausgehende  Be- 
wegung der  Luft  mit  dem  gleichzeitigen  Einziehen  derselben  die 
an  der  Vereinigungsstelle  von  Mund  und  Nase  in  den  Häutchen 
eingebetteten  Nerven  nach  der  verschiedenen  Natur  dieser  Be- 
wegung die  einzelnen  Gerüche  empfunden  (de  corp.  XXIX,  12  flg.), 
während  beim  Geschmacksorgan  die  unmittelbare  Berührung  des 
Gegenstandes  mit  den  Geschmacksnerven  zur  Erzeugung  des  Ge- 
schmacks erfordert  wird,  ohne  dass  Hobbes  die  Natur  dieser  Be- 
wegung angeben  kann.  Charakteristisch  für  die  Richtigkeit  seiner 
Ansicht  ist  die  Annahme,  dass  die  innere  Bekleidung  von  Magen, 
Zunge,  Gaumen  und  Nase  eine  von  der  dura  mater  ausgehende 
Haut  sei,  welche  zugleich,  durch  den  ganzen  Körper  zerstreut, 
die  Tastempfindung  vermittelt  (ibidem  17, 18). 

Magnetismus  und  Elektricität. 

Schon  in  der  Nebeneinanderstellung  derjenigen  Körper,  welchen 
eine  magnetische  Kraft  beigelegt  wird,  zeigt  sich  der  enge  An- 
schluss  an  die  Gewohnheit  der  damaligen  Zeit,  die  Elektricität 
als  eine  Art  Magnetismus  zu  betrachten.  Hobbes  sagt  nämlich, 
dass  der  Magneteisenstein  Eisen  trägt,  dass  Jet,  wenn  es  gerieben 
wird,  Strohhälmchen  anzieht,  dass  aber  beide  dieselbe  Ursache 
der  Attraktion,  „eine  Bewegung  ihrer  kleinsten  Teile  hätten" 
(Decam.  phys.  eh.  YHI,  p.  152;  sev.  phil.  probl.  eh.  7,  p.  55;  de  corp. 
p.  527,  528).  Dem  entgegen  muss  man  sich  daran  erinnern,  dass 
schon  Gilbert,  dessen  Werk  „de  magnete"  (1600)  Hobbes 
selbst  anführt  (vol.  VH,  eh.  VH,  p.  57),  in  demselben  einen  Unter- 
schied zwischen  magnetischen  und  elektrischen  Kräften  gemacht 
wissen  will,  von  denen  die  Ersteren  nur  auf  das  Eisen  wirken, 
die  Letzteren  alle  leichten  Körper  anziehen  (Whewell,  HI,  p.  7). 
Trotzdem  nun  Hobbes  das  Auftreten  verschiedener  Pole,  die  An- 
ziehung ungleichnamiger,  Abstossung  gleichnamiger,  die  meri- 
dionale  Lage  der  Nadel,  sowie  ihre  Variation  und  Inklination 
kennt,  lässt  er  magnetischen  Pol  und  geographischen  Nordpol  zu- 
sammenfallen   (Decam.  phys.  eh.  IX,  p.  160  flg.,  eh.  VIII,  p.  152). 


—     75    — 

Ebenso  zeigt  er  sich  mit  dem  Magnetismus  der  Lage,  der  Her- 
stellung neuer  Magnete  durch  Bestreichen,  der  magnetischen 
Wirkung  durch  feste  Körper  hindurch  vertraut.  Alles  das  lässt 
erkennen,  dass  er  mit  den  Bestrebungen  seiner  Zeit  rüstig  Schritt 
zu  halten  bemüht  war,  und  wenn  er  auch  auf  Grund  seiner  Prin- 
cipien  keine  zufriedenstellende  Theorie  aller  Erscheinungen  geben 
konnte,  zugleich  weitblickend  genug  war,  das  von  ihm  Aufge- 
stellte als  des  Beweises  bedürftige  Hypothesen  zu  betrachten  (de 
corp.  XXX,  p.  531).  Seine  Theorie  der  Gewitterbildung  schliesst 
sich  eng  an  die  Descartes 'sehen  Ansichten  darüber  an  und  bietet 
insofern  nichts  Neues,  nur  dass  Descartes  die  Wolken  dabei 
aus  Eisnadeln  bestehen  lässt,  während  sie  nach  Hobbes  ganz 
gefroren,  mit  kleinen  Hohlräumen  durchsetzt  sein  sollen  (de  corp. 
XXVni,  13;  vol.  Vn,  sev.  phil.  probl.  eh.  VI,  p.47,49).  Die  durch 
Zerbrechen  dieser  Eismassen  hervorgerufene  Erschütterung  der  Luft 
nimmt  unser  Auge  als  Blitz,  das  Ohr  als  Donner  wahr  (de  corp. 
XXYHI,  14;  XXIX,  5).  Notwendig  musste  er  dadurch  zu  der  An- 
sicht geführt  werden,  dass  der  Blitz  nicht  brenne,  sondern  seine 
von  den  Menschen  beobachtete  Wirkung  nur  dem  lebhaften  direkten 
Luftstrome,  also  einer  Kältewirkung  zuzuschreiben  sei  (de  corp 
XXVni,  2;  Decam.  phys.  eh.  VI,  p.  128).  Es  hängt  das  zusammen 
mit  dem  Unterschied  der  harten  und  weichen  Körper,  als  in  der 
Art  und  Schnelligkeit  der  Bewegung  ihrer  kleinsten  Teile  beruhend, 
sodass  der  Widerstand  bei  der  ersteren  sowie  die  damit  zusammen- 
hängende Ela^ticität  derselben  (Decam.  phys.  eh.  Y,  p.  108)  nur 
von  dem  Bestreben  herrühre,  diese  Cirkularbewegung  aufrecht  zu 
erhalten  (vol.  VII,  sev.  phil.  probl.  eh.  V,  de  corp.  XXVIII,  10,  12). 
Mit  Rücksicht  darauf  ist  die  von  Hobbes  angegebene  Erklärung 
der  Glasthränen  von  Interesse  (Decam.  phys.  eh.  VII,  p.  131;  sev. 
phil.  probl.  eh.  Y,  35,  37;  Fischer  I,  p.  284  flg.,  II,  p.  304),  der- 
zufolge,  wenn  der  Stiel  abgebrochen  wird,  durch  die  freiwerdende 
elastische  Kraft  die  übrigen  Glasteile  mit  der  grössten  Geschwin- 
digkeit aufeinander  treffen  unddadurch  voneinander  getrennt  werden. 


Physiologische  Betrachtungen. 

Hobbe's  anatomische  Kenntnisse  sind  jedenfalls  seinem  Um- 
gänge mit  Harvey,  dem  berühmten  Entdecker  des  Blutumlaufs, 
zuzuschreiben,  und  wenn  sie  auch  nur  als  ein  schwacher  Versuch  gel- 
ten können,  den  damaligen  Stand  dieses  Wissenszweiges  darzustellen 


—     76     — 

so  ist  ihre  Berücksichtigung  doch  zur  abschliessenden  Charakterisie- 
rung des  Hobb es' sehen  naturphilosophischen  Systems  notwendig. 
Die  zum  Leben  nötigen  Speisen  gelangen  in  den  Magen,  der 
sie,  nach  der  von  der  Academie  del  Cimento  vertretenen  Ansicht 
(Whewell  III,  p.  470),  durch  seine  eigentümliche  Bewegung  er- 
weicht und  in  die  Gedärme  drängt.  Als  dünnster  Teil  dieses 
Speisesaftes  tritt  der  Chylus  (cfr.  Caspar  Aselli  in  Whewell  III, 
p.  467)  durch  die  Lactealien  in  die  untere  Schlüsselbeinader  (vena 
subclavia),  gelangt  von  da  durch  die  vena  cava  in  das  Herz  und 
nach  Vermischung  mit  dem  Blute  in  die  Arterien  (de  hom.  cap.  I,  2). 
Von  diesen  schaffen  die  Carotides  die  Stoffe,  welche  der  Ernährung 
dienen,  nach  dem  Gehirn,  von  wo  aus  sie  sich  in  die  Nerven  ver- 
teilen, um  endlich,  in  unendlich  viele  Fädchen  zerlegt.  Fleisch  zu 
bilden,  das  seine  rote  Farbe  dem  Einfluss  der  Arterien  verdankt, 
welche  ausserdem  nach  Sättigung  der  Muskel  das  Blut  in  die 
Kapillarvenen  drängen  und  endlich  noch  die  Vermittelung  der 
Bewegungen  unsrer  Empfindungen  nach  dem  Herzen  übernehmen. 
Ausserdem  ist  eine  Kommunikation  der  Luft  mit  dem  Blute  durch 
die  Lungen  und  die  nach  denselben  führenden  Arterien  und  Venen 
hergestellt  (de  hom.  I,  p.  3;  Whewell  IH,  p.  457).  Diese,  die 
Cirkulation  des  Blutes  verursachende  Bewegung  des  Herzens  (sy- 
stolae  et  diastolae)  glaubt  Hobbes  auf  die  Wirkung  der  Luft,  als 
einer  sogenannten  Fermentation  zurückführen  zu  müssen  (de  hom. 
1,  p.  4,  cfr.  Whewell  III,  p.  475  über  Leuwenhoeck)  und  ahnte 
so  gewissermassen  das,  was  spätere  Physiologen  d^hin  beantworteten, 
dass  diese  Veränderung  in  der  Fortschaffung  des  Kohlenstoffs  aus 
dem  Blute  mittelst  des  Oxygens  der  Atmosphäre  bestehe.  Zugleich 
bot  sich  ihm  dadurch  eine  Möglichkeit  zur  Begründung  der  An- 
sicht, dass  die  Ursachen  von  Krankheiten  auf  kleinen,  in  der  Luft 
befindlichen,  die  Blutbewegung  mehr  oder  weniger  beeinflussenden 
Körpern  beruhen  (vol.  VII,  Decam.  phys.  eh.  VII,  p.  136  flg.). 


Schlussbemerkung. 

Ein  Überblick  über  sämtliche  Lehren  der  Hobbes 'sehen 
Naturphilosophie  zeigt  uns  die  Darstellung  des  absoluten  Sen- 
sualismus ohne  Färbung  und  Abschweifung.  Aber  nachdem  er 
jedes  Sein  auf  den  Körper  und  jede  Erkenntnis  auf  gegenseitige 
Eindrücke  der  Körper  zurückgeführt  hatte,  schlug  er  eine  idea- 
listische Richtung  ein.    Zugleich  leistete  er  der  skeptischen  Rieh- 


i 


tung  der  damaligen  Zeit  den  Dienst,  ihm  durch  sein  System  einen 
Anstrich  mathematischer  Evidenz  zu  geben.  Ein  grosses  Verdienst 
aber  erwarb  er  sich  noch  durch  seine  Art  und  Weise  zu  schreiben, 
indem  er  als  Laie  und  Weltmann  sprechend  der  Philosophie  selbst 
die  Sprache  der  Welt  und  damit  die  wahre  Publicität  gab.  Wenn 
man  also  auch  seine  Bestrebungen  nicht  den  epochemachenden 
Entdeckungen  der  damaligen  Zeit  als  ebenbürtig  an  die  Seite 
stellen  kann,  so  hat  er  doch  erfolgreich  an  dem  Fundament  unsres 
heutigen  Wissens  mitgearbeitet  und  wird  so  auch  in  der  Ge- 
schichte der  Naturwissenschaften  immer  seine  gebührende  Wür- 
digung finden. 


l 


Vita. 


Icli,  Hermann  Bernhard  Gühne,  geboren  in  Malkwitz  bei 
Dahlen  in  Sachsen  am  8.  Dezember  1858,  besuchte  die  Realgym- 
nasien zu  Döbeln  und  Würzen  von  Ostern  1871  bis  Ostern  1879, 
studierte  hierauf  an  der  Universität  Leipzig  Mathematik,  Natur- 
wissenschaft und  Philosophie.  Ich  hörte  daselbst  die  Herren 
PProf.  Hankel,  Scheibner,  Neumann,  Mayer,  Klein,  von 
der  Mühll,  Bruhns,  Bruns,  Zöllner,  Wundt,  Heinze,  von 
No Orden  u.  A.  Allen  meinen  Lehrern  fühle  ich  mich  zu  dauerndem 
Danke  verpflichtet.  Ostern  1883  bestand  ich  die  Staatsprüfung, 
legte  bis  Ostern  1884  mein  Probejahr  am  Kreuzgymnasium  in 
Dresden  ab,  war  bis  Ostern  1886  an  der  Realschule  (Freimaurer- 
institut) in  Dresden -Friedrichstadt  thätig  und  bin  seitdem  an  das 
Realgymnasium  zu  Dresden-Neustadt  übergegangen. 


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B      Gühne,  Bernhard 

1248     Über  Hobbes  naturwissenschaft- 

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