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Monatsberichte
der
Königlichen
Preufs. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin.
‘Aus dem Jahre 1859.
Mit 6 Tafeln.
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=& Berlin.
Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie
der Wissenschaften.
1860.
In Commission in Ferd. Diimmler’s Verlags-Buchhandlung.
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preufs. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat Januar 1859.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg.
3. Januar. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Rie[s las über den Nebenstrom im Zweige
einer elektrischen Schlielsung.
' Bei der Untersuchung des Entladungsstromes der leydener
Batterie in einem in Zweige gespaltenen Schlielsungsbogen hatte
ich gefunden, dafs das Gesetz der Stromtheilung, das an der Er-
wärmung der Zweige erkannt wurde, nur dann in den Ver-
i suchen rein ausgesprochen ist, wenn die Zweige nicht lang und
ihre Leitungswerthe nicht allzu verschieden sind. Wurde diese
Beschränkung der Versuche nicht inne gehalten, so traten merk-
liche Störungen des Gesetzes ein, die sich durch die, auch sonst
_ plausible, Annahme erklären lielsen, dafs in jedem Zweige durch
den darin flielsenden Zweigstrom ein Nebenstrom erregt werde,
‚der auf den Zweigstrom zurückwirke. Als diese Annahme durch
‚die beobachtete Rückwirkung des in einem Nebendrathe erreg-
ten Nebenstromes auf den Hauptstrom gestützt wurde (Pogg.
Annal. 83. 326) konnte sie als indirekt bewiesen gelten, zumal
da die dagegen erhobenen Einwendungen theils auf einem Mifs-
verständnisse beruhend, theils als nicht stichhaltig erschienen.
Dennoch lohnt es immer der Mühe, den indirekten Beweis durch
[1859.] 4
3
2 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
einen direkten zu ersetzen, zu welchem ich vor Kurzem zufällig
geführt wurde; ich fand in einem Zweige einen kräftigen Ne-
benstrom, den ich nicht erwartet hatte, weil ich an einem ein-
fachen Schliefsungsdrathe zu beobachten glaubte. Ich will zur
Einleitung diesen Versuch beschreiben, der sich zwar nicht zu
genauen Bestimmungen eignet, aber durch die Leichtigkeit seiner
Anstellung empfiehlt.
Die Rückwirkung des Nebenstromes auf den Hauptstrom hat
das Eigenthümliche, dafs sie unmerklich ist bei sehr starkem, wie
bei sehr schwachem Nebenstrome, und ihre grölste Stärke er-
reicht bei einem bestimmten Werthe des Nebenstromes. Um
diese merkwürdige Erscheinung an der leydener Batterie aufzu-
zeigen, bedarf man mindestens 3 einzelner Beobachtungen bei
gleicher Ladung der Batterie, daher 12 und mehr Minuten Zeit,
und einer messenden Vorrichtung zum Laden. Ich wünschte,
die Erscheinung in kürzerer Zeit und ohne wiederholte Ladung
aufzuzeigen und benutzte dazu einen elektromagnetischen In-
ductionsapparat, durch den, nach Koosens Versuchen, eine ley-
dener Flasche beliebig schnell nach einander geladen werden
kann. Von dem einen Ende der Inductionsrolle wurde ein Drath
zum Knopfe einer Flasche geführt (Belegung 1% Quadratfufs,
Glasdicke % Lin.), das andere Ende durch einen Drath mit einem
isolirten Metallteller verbunden. Die Flasche wurde auf den
Teller gestellt und so in die Inductionsschlielsung eingeschaltet;
in dieser Schlielsung liefs ich keine oder eine äulserst geringe
Unterbrechung. Geht nämlich der Inductionsstrom mit Funken
über, so wird zwar die Ladung der Flasche verstärkt, die in
gleicher Zeit zur Benutzung gewonnene Elektricitätsmenge aber
in grölserem Maalse verringert. Die Flasche erhielt eine Schlie-
fsung durch dicken Kupferdrath, von dem 53 Fufs zu einer ebe-
nen Spirale gewunden waren; auflserdem befand sich in der
Schliefsung ein mälsig empfindliches elektrisches Thermometer
und eine Lücke von 0,1 Linie. Diese Unterbrechung ist, wie
man sogleich sieht, nöthig, damit die Wirkung der Flasche merk-
lich werden kann. Als der Inductionsapparat durch ein Grove-
sches Element erregt war, erhielt ich, ohne Hülfe der Flasche,
am Thermometer eine Erwärmung von 4 bis 6, mit derselben,
von 50 bis 60 Linien. Nachdem der Stand der Flüssigkeit
vom 3. Januar 1859. 3
im Thermometer ziemlich constant geworden war, wurde der
Kupferspirale eine ganz gleiche Spirale in 2 Linien Entfernung
parallel gegenüber gestellt. So lange die Enden dieser Neben-
spirale frei blieben, war keine Änderung im Stande des Ther-
mometers zu merken; wurden sie hingegen durch einen dün-
nen 8% Fuls langen Platindrath verbunden, so trat eine Ver-
minderung der Wärme im Thermometer ein, und zugleich er-
fuhr der in der Unterbrechung übergehende Entladungsfunke
eine merkliche Schwächung seines Glanzes. Dies war ganz über-
einstimmend mit meinen früheren Versuchen an der leydener
Batterie; aber im Widerspruche damit erschien die Erwärmung
bedeutend gröfser, wenn die Nebenspirale durch einen kurzen
Kupferdrath, als wenn sie nicht geschlossen war. Am auffal-
lendsten erhält man diese Verschiedenheit der Erwärmung, wenn
man die Nebenspirale zuerst mit dem Platindrathe schlielst und
die Flüssigkeit im Thermometer einen festen Stand. erreichen
läfst, dann die Nebenspirale öffnet, wobei die Flüssigkeit weiter
sinkt, und zuletzt durch den Kupferdrath schlielst, wonach sie,
da hier die stärkste Erwärmung eintritt, ihren tiefsten Stand er-
reicht. Den Grund der Abweichung dieser Beobachtung von
den früher an der Batterie erhaltenen suchte ich darin, dafs
nicht in der einfachen Schliefsung einer leydener Flasche, son-
dern in dem Zweige einer Schlielsung beobachtet worden war,
_ und dals die beiden Zweige sehr verschieden von einander wa-
ren. Während nämlich der Zweig, in dem sich Thermometer
b und Spirale befand, etwa 57 Fuls mals und gröfstentheils aus
dickem Kupferdrathe bestand, besals der andere Zweig (den die
& Inductionsrolle bildete) eine Länge von angeblich 14000 Fuls
® und bestand aus “, Millimeter dickem Kupferdrathe. Die folgen-
_ den Versuche an der leydener Batterie setzten die Richtigkeit
dieses Grundes und das Vorhandensein eines Nebenstromes im
Zweige ganz aulser Zweifel.
Der Schlielsungsbogen einer Batterie enthielt, aufser den
_ wesentlichen Stücken aus dickem Messing, auf einer Holzscheibe
von 1 Fufs Durchmesser eine ebene Spirale, aus 53 Fuls eines
% Linie dicken Kupferdrathes gewunden, und den Platindrath
des Thermometers (19', Zoll lang 0,057 Linie dick). Jener
Hauptspirale stand die gleiche Nebenspirale in 2 Linien Entfer-
1*
4 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
nung gegenüber, deren Enden entweder frei blieben, oder durch
Kupferdrath (102 Zoll lang % Linie dick), oder durch dünnen
Platindrath (8% Fufs lang 0,052 Linie dick) mit einander ver-
bunden wurden. Je nach diesen Schliefsungen der Nebenspirale
wurden im Hauptdrathe die folgenden Erwärmungen beobachtet.
I.
Die Nebenspirale
in 3 Flaschen d. Platindrath
Elektricitätsmenge Per Eller geschlossen
Erwärmung im Hauptdrathe
8 19,8 20, 7,2
10 30,7 31, 10,4
12 42,8 43,3 14,6
Einheit d. Ladung 0,91 0,92 0,32
Der Hauptstrom, für die in Einer Flasche angehäufte Elek-
tricitätsmenge 1 berechnet, betrug im Mittel 91 bei ungeschlos-
sener Nebenspirale, und würde ebenso gefunden werden, wenn
diese Spirale ganz entfernt wäre. Der Strom blieb fast unge-
ändert, als die Nebenspirale durch den Kupferdrath vollkonmen
geschlossen, also der darin circulirende Nebenstrom zu seiner
grölsten Stärke gebracht war. Als hingegen der Nebenstrom
durch die Schliefsung mit dem Platindrathe geschwächt wurde,
war seine Rückwirkung auf den Hauptstrom so grols, dafs die-
ser auf 32, also fast das Drittel seines Werthes sank. Wäre
der Platindrath von bedeutend grölserer Länge genommen wor-
den, so würde der Hauptstrom sich seinem Werthe bei unge-
schlossener oder vollkommen geschlossener Nebenspirale wieder
genähert, und ihn bei einer gewissen Länge des Drathes er-
reicht haben. Von diesem merkwürdigen Wechsel der Stärke
des Hauptstromes bei Schlielsung einer Nebenspirale ist niemals
eine Ausnahme bemerkt worden in der grolsen Zahl von Ver-
suchen, die ich darüber veröffentlicht, und in der bei Weitem
gröfseren, die ich darüber angestellt habe, und nur die quanti-
tativen Verhältnisse der Stromstärke und der zur Schlielsung der
Nebenspirale nöthigen Drathlängen variirten nach der jedesma-
ligen Anordnung des Apparates.
vom 3. Januar 1859. 5
Es wurden zwei Punkte des Schliefsungsbogens, zwischen
welchen das Thermometer und die Kupferspirale lagen, durch
einen 100,7 Fuls langen 0,057 Linie dicken Platindrath mit ein-
ander verbunden, der, was hier nicht weiter zu beachten ist,
auf einem Rahmen im Zickzack ausgespannt war. Es war also,
statt des früheren einfachen, ein verzweigter Schliefsungsbogen
gebildet, in dessen Einem Zweige, der Kupferzweig heilsen mag,
die Spirale und das Thermometer lagen, und dessen andern Zweig
der lange Platindrath bildete. Aus 3 Beobachtungen des Ther-
mometers berechnet, ergab sich für den Strom im Kupferzweige
bei entfernter Nebenspirale der Werth 29 (siehe Reihe II.), also
viel geringer als im einfachen Schlielsungsbogen. Dals dieser
geringe Werth nicht der durch den Kupferzweig gegangenen
Elektricitätsmenge entsprach, war sogleich klar, wenn nicht das
bewährte Gesetz der Stromtheilung gänzlich illusorisch sein
sollte. Nach diesem Gesetze mulste sich die entladene Elektri-
eitätsmenge zwischen beide Zweige im Verhältnisse ihrer Lei-
tungswerthe theilen, konnte also im Kupferzweige nur we-
nig geringer sein, als im einfachen Bogen, wo sie die Er-
wärmung 91 hervorgebracht hatte; wozu noch kommt, dafs
die Zeit, in welcher die ganze in der Batterie angehäufte
Elektricitätsmenge entladen wurde, im verzweigten Bogen
kürzer sein sollte, als im einfachen. Besals der Strom im
Kupferzweige wirklich die Elektricitätsmenge, die ihm das Ge-
setz zutheilte, so konnte die geringe Stromstärke durch einen
Nebenstrom verursacht sein, den der Strom des Kupferzwei-
ges in eben diesem Zweige erregt hatte. Da dieser Neben-
strom in grolser Nähe des Zweigstromes erregt war und durch
den schlechtleitenden Platinzweig seinen Kreislauf vollendete, so
folgte die dadurch bewirkte Schwächung des Stromes im Kupfer-
zweige nach dem Beispiele der Reibe I. Für das Vorhanden-
- sein eines Nebenstromes gibt es aber ein untrügliches, von Fa-
raday entdecktes, Prüfungsmittel. Legt man dem Drathe, in
dem ein Nebenstrom vermuthet wird, einen Drath parallel nalıe,
der metallisch zum Kreise geschlossen ist, so nimmt der Neben-
strom jedenfalls an Stärke ab. War also die Schwäche der Er-
wärmung im Kupferzweige Folge eines darin erregten Neben-
stromes, so mulste diese Erwärmung verstärkt werden durch
2 au
6 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Nahelegung eines, dem Zweige parallelen, zum Kreise geschlos-
senen Drathes. Im Kupferzweige befand sich die ebene Kupfer-
spirale, der in 2 Linien Entfernung eine gleiche Spirale mit
jener parallelen Windungen gegenübergestellt, und durch einen
kurzen Kupferdrath geschlossen wurde. Je nachdem die Spirale
offen oder geschlossen war, erhielt ich im Kupferzweige die fol-
genden Erwärmungen.
IL
Die Nebenspirale
in 3 Flaschen offen | geschlossen
Elektricitätsmenge; | ER a SOFT
Erwärmung im Kupferzweige
8 6,6 13,6
10 9,3 19,4
12 13541 28,4
Einheit d. Ladung 0,29 0,60
Der Zweigstrom im Kupferzweige, der bei ungeschlossener
oder ganz entfernter Nebenspirale den Werth 29 besafs, ist
durch die Nähe der geschlossenen Nebenspirale bis 60, also dem
doppelten Werthe, gestiegen. Bei einem andern Versuche, wo
der Platinzweig durch 535 Fuls eines spiralförmigen % Linie
dicken Kupferdrathes und durch einen fast 3 Fufs langen 0,037
Linie dicken Platindrath verlängert war, erhielt ich im Kupfer-
zweige folgende Erwärmungen.
II.
Die Nebenspirale
in 3 Flaschen offen | geschlossen
Prektrisıtitämätde"]r "FE re Tree
Erwärmung im Kupferzweige
8 7,3 15,7
10 10,7 24,3
12 14,4 33,3
Einheit d. Ladung 0,32 0,72
Der Zweigstrom im Kupferzweige ist durch Schlielsung der
Nebenspirale mit einem kurzen Kupferdrathe im Verhältnisse 32
vom 3. Januar 1859. 7
zu 72 verstärkt worden. Durch jede der beiden Versuchsreihen
ist der vollständige Beweis gegeben, dals im Kupferzweige neben
dem Zweigstrome ein Nebenstrom vorhanden war. Auch im
Platinzweige wird ein Nebenstrom erregt, ist aber, des ihn er-
regenden schwachen Zweigstromes wegen, nur schwach, wie die
folgenden Versuche zeigen. Die ebene Kupferspirale und das
Thermometer wurden aus dem Kupferzweige entfernt und durch
einen 50 Fuls langen Kupferdrath ersetzt; die Kupferspirale und
ein äufserst empfindliches Thermometer wurden in den Platin-
zweig eingeschaltet. Dennoch mulsten stärkere Ladungen der
Batterie angewendet werden.
IV.
Die Nebenspirale
in 3 Flaschen offen | geschlossen
Blektirchätsmenge rien. 1 2 ee
Erwärmung im Platinzweige
12 4,1 3,0
16 ii 9,3
20 11,6 13,9
Einheit d. Ladung 0,087 0,10
Der Zweigstrom im Platinzweige ist durch Schlielsung der
Nebenspirale mit kurzem Kupferdrathe im Verhältnisse 87 zu
400 gestärkt worden, wodurch der Nebenstrom im Platinzweige
erkannt wird. Durch diese Versuche ist der Satz erwiesen: In
jedem Zweige des Schlielsungsbogens der leydener
Batterie wird durch den darin flielsenden Entla-
dungsstrom ein Nebenstrom erregt.
Die Nebenspirale, welche das Mittel zur Erkennung des Ne-
benstromes abgab, durfte nicht gleichgültig gewählt sein. Sie
, mulste aus gutleitendem Drathe bestehen, und durch einen gut-
leitenden Drath geschlossen sein, denn nur unter dieser Bedin-
gung bleibt die Spirale ohne direkten Einfluls auf den Haupt-
‚strom, wie Reihe I. gezeigt hat. Enthält die Nebenleitung, sei
es in dem der Hauptleitung parallelen, oder in einem andern
3 Theile, einen weniger vollkommenen Leiter, so tritt die Rück-
$ wirkung auf den Hauptstrom ein, von der in Reihe I. ein Bei-
j
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“
u
8 Sitzung der physikalisch-maihematischen Klasse
spiel gegeben wurde. Dies zeigen die folgenden Beobachtungen,
die bei derselben Anordnung der Zweige, wie Reihe II, im Ku-
pferzweige angestellt worden sind. Die Nebenspirale bestand
zwar aus dickem Kupferdrathe, wurde aber durch verschiedene
Längen Platindrath geschlossen. (Der Vollständigkeit wegen be-
merke ich, dafs die zweite Schlielsung bestand: aus 17% Fufs
eines 0,052 und 4%, Fuls eines 0,047 Linie dicken Platindraths.
Die letzte Drathlänge ist 5,2 Fufs eines Drathes der ersten
Dicke gleichwerthig.)
V.
Nebenspirale geschlossen durch
Platindrath 0,052 dick
8% Fuls 122,7 Fuls lang
in 3 Flaschen
Elektricitätsmenge
Erwärmung im Kupferzweige
8 6,3 4,6
10 8,8 6,3
12 12,2 8,6
Einheit d. Ladung 0,27 0,19
Der Zweigstrom, der bei frei liegendem Zweige den Werth
29 besals und durch Nahestellung einer vollkommen geschlosse-
nen Nebenschliefsung zu 60 verstärkt wurde (Reihe Il.), ist hier
durch unvollkommen leitende Nebenschliefsungen bis 27 und 19
geschwächt worden. Diese entgegengesetzte Wirkung von Ne-
benschlielsungen stimmt mit den Versuchen überein, die ich
über die Wirkung zweier Nebenströme auf einander veröffent-
licht habe (Pogg. Ann. 83. 321. Elektricitätslehre $. 865) und die
unter Annahme einer unmittelbaren und einer mittelbaren Wir-
kung der Nebenschliefsung auf den Nebenstrom erklärt wurden.
Die beiden in den Zweigen eines Schlielsungsbogens nach-
gewiesenen Nebenströme verfolgen eine entgegengesetzte Rich-
tung in demselben Ringe, der durch beide Zweige gebildet wird,
beschränken sich also gegenseitig. Hieraus folgt, dals der Ne-
benstrom jedes Zweiges auf den Zweigstrom des andern Zwei-
ges in entgegengesetzter Weise wirkt, wie auf den Zweigstrom,
der ihn erregt hat. Die Zweigströme, die in den vorgetragenen
u u Se er EEE
ah > u A
vom 3. Januar 1859. 9
Versuchen durch Aufhebung ihrer eigenen Nebenströme verstärkt
wurden, werden geschwächt durch Aufhebung der fremden Ne-
benströme. Ich brachte in jeden der beiden Zweige eine Ku-
pferspirale mit ihrer Nebenspirale und ein "Thermometer, und
fand, dafs die gutleitende Schliefsung der Nebenspirale eines
Zweiges die Erwärmung im andern Zweige bedeutend schwächte.
Dies genügt, die grolse Verwickelung zu zeigen, welche die
Wirkungen der Zweigströme erfahren müssen, wenn man mit
ihnen zugleich zu kräfligen von einander verschiedenen Neben-
strömen Anlafls gibt. So zusammengesetzte Wirkungen können
nur ein geringes Interesse in Anspruch nehmen, selbst wenn es
möglich wäre, sie einfachen Gesetzen unterzuordnen. Deshalb
habe ich bei den Versuchen über die Stromtheilung kurze Zweige
von nicht allzu verschiedenem Leitungswerthe gebraucht, wo-
durch die Nebenströme schwach und von einander nicht zu ver-
schieden wurden, und es gelang mir, das einfache Gesetz der
Stromtheilung aus den Versuchen abzuleiten.
Ich würde hier schlielsen, wenn ich nicht befürchtete, dafs
der für die Nebenströme in den Zweigen gegebene Beweis des-
halb für nicht allgemein gültig angesehen werden könnte, weil
ich dazu überall spiralförmig aufgewundene Dräthe gebraucht
habe. Obgleich nämlich seit lange Versuche vorliegen, die das
Gegentheil beweisen, wird noch immer in Abhandlungen und
Lehrbüchern angegeben, dals zur Erregung eines Nebenstromes
in der’ Masse des Stromleiters, entfernte Theile dieses Leiters
einander parallel nahe gebracht, also Spiraldräthe gebraucht wer-
den müssen. Dies ist nicht richtig. Die Spiralform des Strom-
leiters ist ein sehr bequemes Mittel, mit einer gegebenen Drath-
länge einen möglichst starken Nebenstrom im Stromleiter zu er-
halten, weil der in jeder Windung vorhandene Hauptstrom nicht
nur auf diese Windung erregend wirkt, sondern -auch auf alle
naheliegenden Windungen. Aber zur Erregung überhaupt ist
die Spiralform nicht nöthig. Wie dies von Faraday an unterbro-
ehenen voltaischen Strömen aufgezeigt worden ist (exper. resear. 9!
series), werden die folgenden Versuche es für den Entladungs-
strom der leydener Batterie beweisen. Es läfst sich jeder Ver-.
such dieser Abhandlung auch ohne Spiralen anstellen, nur we-
niger bequem und weniger schlagend. Ein mit Guttapercha be-
10 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
kleideter Telegraphendrath (Kupfer 50 Fufs lang $ Linie dick,
mit der Hülle 13% Linie dick) war in einem möglichst weiten
Bogen auf dem Fufsboden ausgebreitet, und wurde an der Stelle
der bisher gebrauchten ebenen Spirale, in den Kupferzweig des
Schliefsungsbogens eingeschaltet. Neben diesen Drath wurde ein
gleicher 50 Fuls langer Telegraphendrath gelegt, und mit Schnü-
ren an ihm festgebunden, der zur Prüfung auf den Nebenstrom
bestimmt war. Der Kupferzweig enthielt also, aufser dem Ther-
mometer, nur einen Kupferdrath, dessen entfernte Theile weder
parallel, noch einander nahe lagen. Der Platinzweig war, wie
früher, 100,7 Fufs lang 0,057 Linie dick. Es wurden die Er-
wärmungen am Thermometer beobachtet, je nachdem die Enden
des Nebendrathes, der vom Zweigdrathe durch eine 1% Linie
dicke Guttapercha-Schicht getrennt war, entweder frei blieben,
oder durch einen 10% Zoll langen 9%, Linie dicken Kupferdrath,
oder endlich durch einen 22,7 Fufs langen 0,052 Linie dicken
Platindrath mit einander verbunden waren. Ich gebe die ein-
zelnen, zweimal angestellten Beobachtungen.
VI.
Der Nebendrath
durch Platin
in 3 Flaschen Elektricitäts- offen durch Kupfer |, voschlossen
menge
Erwärmung im Kupferzweige
8 16 15,7 118,8 19,3 11 11,2
10 24,2 24,829 29,3116,7 16,9
42 34 34,241,4 41,023 23,1
Einheit der Ladung 0,73 0,87 0,50
Der Zweigstrom, der bei frei liegendem Zweige den Werth
73 hatte, ist bis 87 gestärkt worden durch einen danebenliegen-
den geschlossenen gutleitenden Drath. Es war also unzweifel-
haft bei den Versuchen der ersten Columne im Zweigdrathe ein
Nebenstrom vorhanden, der den Zweigstrom schwächte und in
der zweiten Columne izum Theil aufgehoben war. Dafs dieser
Nebenstrom bier viel schwächer war, als bei den Versuchen mit
der Spirale (Reihe II.), geht nicht nur aus der hier geringeren
vom 3. Januar 1859. 11
Verstärkung des Zweigstromes hervor, sondern schon aus den
Erwärmungen bei freiliegendem Zweige. Der Werth nämlich des
Zweigsiromes unter dieser Bedingung war dort 29, hier ist er
73, Werthe, deren Unterschied sich nicht aus den etwas ver-
schiedenen Dimensionen der Spirale (53 Fuls von # Linie Dicke)
und des Telegraphendraths (50 Fufs bei & Linie Dicke) herlei-
ten läfst. Die Schwächung des Zweigstromes durch den unvoll-
kommen leitenden Nebendrath, die in der dritten Columne er-
scheint, ist nicbt viel geringer, als in den Versuchen mit der Spi-
rale (Reihe V.), woraus folgt, dafs diese Schwächung nicht auf
der theilweisen Wiederherstellung des Nebenstromes im Zweige,
sondern auf einer direkten Wirkung des Stromes im Neben-
drathe auf den Strom im Zweigdrathe beruht, was auch schon
für sich klar ist. Der oben aufgestellte Satz wird durch den
folgenden bekräftigt: In einem geraden, wie in einem
spiralförmigen, Zweige des Schlielsungsbogens der
Batterie wird durch den darin flieflsenden Strom ein
Nebenstrom erregt.
Die an Zweigen erhaltenen Resultate lassen sich auf den
einfachen Schliefsungsbogen ausdehnen, wodurch eine allgemein
gültige einfache Regel gewonnen wird. Es ist gezeigt worden
dals in jedem Zweige, er sei gestaltet wie er wolle, ein Neben-
strom erregt wird, der eine auffallende Stärke erreicht, wenn
entfernte Theile des Zweiges einander parallel nahe gebracht
sind. Auch im einfachen Schliefsungsdrathe der Batterie wird
ein Nebenstrom erregt, wenn entfernte Theile des Drathes pa-
rallel einander nahe gelegt werden (Pogg. Annal. 81. 428 Elek-
trieitätslehre $. 856). Der Strom war, selbst unter den gün-
stigsten Bedingungen, äufserst schwach, aber es läfst sich mit
Sicherheit erwarten, dals er auch bei einem gerade ausgespann-
ten Drathe merklich sein werde, wenn man sich überaus grolser
Längen bedient. Es folgt daraus eine einfache Regel, die so-
wol für den Hauptstrom der leydener Batterie wie für jeden an-
dern Strom kurzer Dauer, also auch für Inductionsströme jeder
Art und jedes Ursprungs gültig ist: In jedem Leiter eines
Stromes kurzer Dauer wird ein Nebenstrom erregt,
der stets zu einer merklichen Stärke gelangt im
Falle, dafs der Leiter dem Nebenstrome gestattet,
12 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
einen Kreislauf zu vollenden, oder dafs entfernte
Theile des Leiters zu einander in Wirkungsnähe ge-
bracht worden sind.
Bei der Wirkung eines Stromes kurzer Dauer ist auch die
seines Nebenstromes zu berücksichtigen; doch genügt es, bei
Anwendung nicht zu langer Schlielsungsdräthe, den Nebenstrom
nur zu beachten, wenn einer der beiden angegebenen Fälle
stattfindet. Hieraus folgt, dafs im einfachen Schliefsungsdrathe
der Batterie der Nebenstrom von Einfluls ist, wenn der Drath
U- oder N-Formen enthält (zu den letzteren gehören die Spi-
ralen), in Zweigdräthen und in Nebenschlielsungen auch ohne
diese Bedingung. Welche Änderungen durch den Nebenstrom
in dem ihn erregenden Strome hervorgebracht werden, der mit
jenem in demselben Drathe fliefst, habe ich früher ausführlich
angegeben (Pogg. Annal. 81.431 B. 83. 327 Elektricitätslehre
$. 856. 884— 894). Die entgegengesetzte Änderung des erre-
genden Stromes, je nachdem sein Leiter die U- oder N-Form
besals, hat dabei gelehrt, dafs jedem, durch einen Strom von
kurzer Dauer erregten Nebenstrome eine bestimmte Richtung
beigelegt werden muls.
Hr. H. Rose las über das Stickstoffniob.
Wird Ammoniakgas üher Niobsäure beim starken Roth-
glühen geleitet, so wird dieselbe unter Bildung von Wasser in
Stickstoffniob verwandelt. Es ist aber schwer, die ganze Menge
der Säure auf diese Weise zu zersetzen; das erhaltene Pro-
dukt, welches ein Pulver von schwarzer Farbe ist, enthält noch
mehr oder weniger Niobsäure. Dessen ungeachtet leitet es sehr
gut die Elektricität, zeigt indessen keinen metallischen Glanz.
Mit Kalibydrat geschmolzen entwickelt es viel Ammoniakgas,
und beim Zutritt der Luft verbrennt es mit lebhaftem Glanze
zu Niobsäure.
Wird die Niobsäure in einem Strome von Cyangas erhitzt,
so wird sie schnell zersetzt. Die erhaltene Verbindung ist ein
dunkelschwarzes Pulver, das die Elektricität sehr gut leitet, aber
um.
vom 3. Januar 1859. 13
aulser Stickstoff auch noch Kohlenstoff enthält, aber weit weni-
ger, als um mit dem Stickstoff Cyan zu bilden.
Am reinsten erhält man das Stickstoffniob, wenn man Niob-
chlorid in Ammoniakgas erhitzt. Es entstehen dann unter Bil-
dung von Chlorammonium schwarze Rinden von Stickstoffniob,
die man durch Behandlung mit Wasser von allem Salmiak rei-
nigen kann. Es ist ein sehr dunkelschwarzes Pulver, das von
Salpetersäure und selbst von Königswasser fast gar nicht ange-
griffen wird, aber leicht unter Entwicklung von rothen Däm-
pfen von einer Mengung von Salpetersäure und von Fluorwas-
serstoffsäure.
Hr. H. Rose berichtete über eine Arbeit des Hrn. Heintz
über zwei neue Derivate der Zuckersäure.
Das eine desselben ist das Saccharamid, welches ent-
steht, wenn man durch die Lösung des Zuckersäureäthers in
Äther, welche zwar Alkohol, aber kein Wasser enthalten darf,
trocknes Ammoniakgas leitet. Es entsteht ein Niederschlag, der
hauptsächlich aus dem Saccharamid besteht, aber auch zucker-
saures Ammoniak enthält, weil es unmöglich ist, bei dieser Ope-
peration jede Spur von Wasser zu vermeiden. Durch Auswa- _
schen des mit Äther gewaschenen Niederschlags mit kaltem Was-
ser erhält man das Saccharamid rein als ein weilses amorphes
Pulver, welches rothes Lackmuspapier im feuchten Zustande
schwach bläut, sich in lauwarmem Wasser unverändert löst und
beim Erkalten der Lösung herauskrystallisirt. Löst man es in
kochendem Wasser, so geht es in zuckersaures Ammoniak über.
In Äther löst sich das Saccharamid nicht. Dagegen nimmt ko-
chender Alkohol etwas davon auf, wovon sich beim Erkalten
ein Theil in kleinen Krystallchen absondert. Beim Erhitzen
färbt sich das Saccharamid gelb, braun, endlich schwarz, den
Geruch verbrennender stickstoffhaltiger Substanzen verbreitend.
Die zurückbleibende Kohle verbrennt endlich in der Glühhitze
ohne Rückstand. Kalihydrat entwickelt in der Kälte und lang-
sam Ammoniak aus dem Saccharamid, in der Hitze schneller.
- Säuren wandeln es dagegen sofort in das Ammoniaksalz der an-
14 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 3. Januar 1859.
gewendeten Säure und Zuckersäure um. Die Analysen des Sac-
choramids führen zu der empirischen Formel C°H°' NO*®. Hr.
Heintz hält es für am wahrscheinlichsten, dafs die rationelle
v E U MA Dde: = 200 6 DE 2 ü
Formel dieses Körpers N: ist, dals er also ein
Ammoniak ist, in welchem zwei Äquivalente Wasserstoff durch
das zwei basische Saccharyl (C'? H° O'?), das dritte durch Am-
monium vertreten sind.
Das zweite neue Derivat der Zuckersäure ist eine Verbin-
dung von zuckersaurem Bleioxyd mit Chlorblei,
welche erhalten wird, wenn man den Niederschlag, den ein lös-
liches neutrales zuckersaures Salz in Chlorbleilösung erzeugt,
in einer grolsen Menge einer kochenden Chlorbleilösung, die so
viel Wasser auf so wenig Chlorblei enthält, dafs letzteres auch
beim Erkalten der Lösung sich nicht abscheiden kann, auflöst,
und die filtrirte Flüssigkeit erkalten lälst. Es scheiden sich kleine
Krystallblättchen aus, die in kaltem Wasser fast unlöslich sind,
in kochendem sich nur wenig leichter lösen, dagegen von ver-
dünnter Salpetersäure ziemlich leicht gelöst werden. Nach dem
Trocknen besteht die Verbindung aus einem weilsen, perlmut-
terglänzenden Pulver, das in der Hitze sich bräunt und schwärzt
und endlich zur Abscheidung von metallischem Blei Anlafs giebt.
Sie enthält kein Krystallwasser und ihre Zusammensetzung kann
durch die Formel (C'?#° O''+-2PbO) + 2PbEl ausgedrückt
werden.
Hr. Dove gab eine Mittheilung über die jährlichen
Veränderungen der Temperatur des Meerwassers un-
ter den Tropen.
Hr. Peters berichtete über ein neues Flugbeutel-
thier, Petaurus (Belideus), aus dem südlichen Theile
von Neubolland.
Petaurus (Belideus) notatus n. sp.; canus, subtus pallidior;
rostro brevi fusco; stria a rostro ad regionem sacralem decur-
Gesammtsitzung vom 6. Januar 1859. 15
rente, auriculis, regione orbitali, superficie patagii superiore ni-
gris; macula infra et post auriculam, margine patagii taeniaque
supracaudali albidis; cauda villosa, disticha, nigra, apice nivea.
Longit. a rostri apice ad caudae basin 0,150; caudae 0,160
(e. pil. 0,173); antibrachii 0,031, man. c. dig. 0,0215; cruris
0,032; ped. c. dig. 0,027.
Das einzige Exemplar, welches der Beschreihung zu Grunde
liegt, ist noch jung, indem die hinteren beiden grofsen Back-
zähne zwar vorhanden, aber sowohl oben wie unten noch nicht
zum Durchbruch gekommen sind. Die Zahl der Backzähne ist
übrigens, wie bei den anderen Arten, oben und unten 7, von denen
3 falsche, 4 wahre Backzähne sind. Das zoologische Museum
hat dieses Thier von Hrn. Krefft gekauft, der dasselbe in den
nördlichen gebirgigen Gegenden von Victoria in Neuholland er-
legt hat.
6. Januar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Homeyer las über die Genealogie der Hand-
schriften des Sachsenspiegels.
Hr. Gerhard berichtete über 2 neue entdeckte grie-
chische Inschriften und über das Museo Campana.
41. Ein zu Athen neulich aufgefundener Inschriftstein von
36 Zeilen enthält das für Oxythemis, den aus Plutarch und
Athenäus bekannten Schmeichler und Unterhändler des Deme-
trios Poliorketes, ausgestellte Ehren-Decret. Diese Mittheilung
wird Hrn. von Velsen verdankt.
2. Aus Messenien sind neuerdings zwei zusammengehö-
tige Steinplatten bekannt geworden, deren aus 100 Zeilen be-
- stehende Inschrift (exoterische) Satzungen des aus Pausanias be-
_ kannten Mysteriendienstes im Karnasischen Hain un-
ı weit Oechalia enthalten; dieser Inhalt berührt aulser den Prie-
stern und Eingeweihten hauptsächlich einen gewissen Mnesistra-
tos, welcher den Festzug und den heiligen Quell zu beaufsich-
16 Gesammtsitzung
tigen hatte. Die Inschrift zerfällt in einzelne Abschnitte, denen
die Überschriften regt ieouv za iepäv. magadorıos. srehbavav. si-
MATT MU. Ogx0s yYUvaızovonov. NoumaSs. cozavav. drosrmouvruv.
Seßdohogwr. mer Tv dapogwv., ferner (auf der zweiten Platte):
(regt) adıznuarur. megt ruv #(Ae)mrovru Ev TW iegw. megi TAGS
zguves. Syravpou(?) zarerzeu(is). iegöu Ösimvou. ayogäs. CD)
Üdaros. arsimunros za Aovrgod. wuverıos avechop&s verangestellt
sind. Ein vorläufiger Abdruck derselben ist in der Athenischen
Zeitung ‘O ®irdrargıs, im November vor. .J., erfolgt und durch
Hrn. G. Papasliotis hierher gesandt worden.
3. Aus Rom ist ein Quartband gedruckter Verzeichnisse.
des Museo Campana uns zugegangen. Derselbe enthält zwar
weder Abbildungen, noch ausführliche Beschreibungen, wohl
aber gedrängte Notizen einer Sammlung antiker Kunstschätze,
welche durch Umfang, Auswahl und Wichtigkeit ihres Inhalts
alle früheren Sammlungen antiken Kunstbesitzes weit übertrifft.
Ein ins Einzelne gehender Bericht über die wesentlichsten Ge-
genstände und Ergebnisse dieser Sammlung soll in der bei G.
Reimer erscheinenden „Archäologischen Zeitung” erfolgen, deren
neuestes Quartalheft (October bis December 1358) auch einen
Abdruck der oben gedachten Inschriftsteine enthält.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur-
den vorgelegt:
Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou. Tome XXXI,
no. 3. Moscou 1838. 8.
Proceedings of the Royal Geographical Society of London. Vol. II.
London 1858. 8.
46. Publication des literarischen Vereins in Stuttgart. (12. Jahrgangs,
1858, 1. Publication.) Stutigart 1858. 8.
Annales de chımie et de physique. Tome 54. Cahier 4. Paris 1858. 8.
Revue archeologique. 15° annee, Livr. 9. Paris 1858. 8.
Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. Band 6, Lief. 4,
Berlin 1858. A.
Jahresbericht der Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde.
Hanau 1858. 8.
Roulez, Discours sur les moeurs electorales de Rome. Gand 1858. 8.
La Rondinella. Anno IV, no. 35. Napoli 1858. folio.
vom 13. Januar 1859. 17
Förstemann, Altdeutsches Namenbuch. Band I, Lieferung‘8. 9. Nord-
hausen 1858. 4. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers,? d.:d. Berlin
29. Dez. 1858.
Preller, Aömische Mythologie. Berlin 1858. 8. Im Namen des Hrn.
Verfassers überreicht von Hrn. Trendelenburzg.
Mutanabbii Carmina cum commentario Wähedi, ed. Fr. Dieterici.
Fasc. II. Berolini 1858. 4. Mit Schreiben des Hrn. Herausge-
bers, d. d. Berlin 16. Dez. 1858.
Kiepert, Neuer Handatlas über alle Theile der Erde. Heft 5— 8.
Berlin 1858. fol. obl. Überreicht durch den Hrn. Herausgeber.
Il nuovo Cimento. Tomo VIII, October. Pisa 1858. 8.
Rücksichtlich der durch Hrn. Bibliothekar Holtrop im
Haag eingetroffenen Eröffnung, dals die Versendung von Büchern
und Manuscripten der dortigen Königl. Bibliothek für die Zwecke
der Mitglieder der Akademie durch das Königl. Ministerium autho-
risirt sei, wurde ein Dank an denselben beschlossen.
Bescheinigungen für Empfang der Abhandlungen waren ein-
gegangen von der Pariser Akademie für den Jahrgang 1857 der
Abhandlungen und von der Akademie zu Boston in Massachu-
setts für die Abhandlungen von 1856 und 1857, so wie für die
Monatsberichte von Januar 1857 bis August 1858.
43. Januar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Petermann las über die arabische Chronik des
Samaritaners Abu’l Fath.
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Jahrgang 5. Nürnberg
w 1858. 4.
Bibliotheca indica, ed. Roer. No. 140. 142—145. Calcutta 1858. 8.
i Proceedings of the Hoyal Society of Edinburgh. Vol. IV, no. 48. Edin-
burgh 1858. 8.
— [1859.] 2
18 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Journal of the Asialic Society of Bengal. no. 264 und 267. Calcutta
41858. 8.
Abhandlungen der naturhistorischen Gesellschaft zu Nürnberg. Heft 2.
Nürnberg 1358. 8.
Berliner astronomisches Jahrbuch für 1861. Berlin 1858. 8.
Academiae Jenensi saeculia lerlia gratulalur Academia scienliarum Petro-
politana. Petropoli 1858. gr. 4.
Tomaschek, Deutsches Recht in Österreich. Wien 1859. 8 Mit
Begleitschreiben des Hrn. Ritter von Chlumecky, d.d. Brünn
6. Jan. 1859.
Corenwinder, ZAecherches sur lassimilation du carbone par les
feuilles des vegelaur. Paris 1858. 8.
H. Martin, Appendice ajoute au livre de la vue future. Paris 1858. 8.
Chapitres IX et AX du livre II de lintroduction arithme-
tique de Nicomaque de Gerase. Rome 1858. 8.
Sur quatre personnages appelles Thrasylie. Rome 1858. 8,
Aufserdem war eine dankende Empfangsanzeige der Asiatie
society of Calcutta vom 8. Juli v. J. für die übersandten Ab-
handlungen von 1856 und die Monatsberichte von 1857 einge-
gangen.
Eine von Hrn. Encke übergebene Abhandlung des Padre
Secchi in Rom, betitelt Osservazioni della Cometa Donati
fatte al Osservatorio del Collegio Romano 1858, wurde auf des-
sen Wunsch der Königl. Sternwarte überlassen.
47. Januar. Sitzung der philosophisch-hi-
storischen Klasse.
Hr. Weber las über das Dagakumära-Caritam
die Fahrten der zehn Prinzen.
Wilson, dem wir die erste Herausgabe des Dagakumära
(London 1846) verdanken (eine spätere erschien in Calcutta1350),
berichtet in seiner Vorrede, dafs Dandin, der Verf. desselben,
von der Tradition in die Zeit des Königs Bhoja (nach Lassen’s
vom 17. Januar 1859. 49
neuster Berechnung 997 — 1053 s.-Ind. Alt. III, 544. 1169) gesetzt
werde. Da damit der leizte Abschnitt (die Geschichte des Figruze) in
Widerspruch steht, der von Fürsten aus dem Bhojavanga, Ge-
schlecht des Bhoja, handelt, also des Bhoja Zeit als der Vergan-
genheit angehörig bezeichnet, so ist Wilson nicht abgeneigt,
denselben, zumal er auch stylistisch vor den übrigen sich
markirt, als eine spätere Zuthat zu betrachten: oder wenn man
dies nicht wolle, müsse man das Werk als unter den unmittel-
baren Nachfolgern Broja’s Ende des 11ten, Anfang des 12ien
Jahrhunderts abgefalst betrachten. In der Tbat ist der noch
vollständig von mohammedanischer Zerstörungssucht verschonte
Zustand Indiens — und zwar gerade auch des westlichen Indiens
— der uns in dem Werke entgegeniritt, die völlig einheimische
Gruppirung desselben in einer spätern Zeit wohl kaum als li-
terarisch möglich zu denken: die Yavana (Moslims) ‚werden
nur als Kaufleute, nie als Krieger erwähnt. Insbesondere aber
ist es auch die mehrfache Erwähnung der Buddbisten, einesKlosters
derselben in Campä und buddbhist. wandernder Schwestern ebendas.,
wie in Yalabhi und Madhurd '), welche ein späteresDatum kaum
zulälst. Aus dem reichen Schatze von Königsnamen der ver-
schiedensten Landstricbe Indiens -— Mälava, Magadha, Videha,
Läta, Anga, Wäränasi, Crävasti, Dämaliptä (Suhma), Kalinga,
Fidarbha, Acmaka, Vänaväsi, Kuntala, Murala, Ricika, Konkana,
Sägikya, Mähishmati — lälst sich leider nicht der geringste bi-
[ storische Anhaltspunkt entnehmen, da die Namen jener Fürsten
_ wohl sämmtlich rein erfunden sind *), und der einzige etwaige hi-
storische Kern des Ganzen die Erinnerung an Kämpfe zwischen
Ben beiden rivalisirenden Staaten des Westens und Ostens, Mä-
laca und Magadha, zu sein scheint. — Aufser den, wahrschein-
fl
4
2 ') Letztere beiden Stellen gehören indels allerdings den wohl aus
früheren Darstellungen entlehnten Erzählungen des Mitragupta an, würden
also für die Zeit des Dagak. selbst nicht beweiskräftig sein.
*) Vgl. Lassen Indische Alterth. II, 850. Lassen nimmt davon (pag.
855. 56,) nur die Angaben über die Königsfamilie von Vidarbha aus, für
elche er „das Zeugnils des Dichters Dandin als zulässig bezeichnet”, ohne
ndefs anzugeben, welche Gründe ihn dazu bewegen. Diese Angaben sind
brigens gerade in dem letzten Abschnitte enthalten, der möglicher Weise
$. jedoch pag. 21. not. 5) von einem andern Verf. herrührt.
2*
20 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
lich früheren Darstellungen entlehnten, vier Erzählungen des
Mitragupta mag eben der ganze Inhalt des Werkes seine Erfin-
dung der Phantasie des Verfassers verdanken, natürlich unbescha-
del, dafs er auch darin einzelne Züge wie z.B. bei der Geschichte
des Pramati anderswoher entlehnt hat. Anspielungen auf an-
dere Erzählungen finden sich hie und da zerstreut (z. B. Bezugs der
Yäsavadattä): die bedeutsamste von Allen ist die Anspielung (pag.
118) auf die Geschichte des Kämapäla in seinen beiden früheren Ge-
burten als Caunaka und Cüdraka '), welche als völlig bekannt
vorausgesetzt wird. Die Erfindungsgabe des Verfassers ist übri-
gens trotz aller Kühnheit doch hie und da etwas einförmig: An-
nahme der Gestalt des getödteten Feindes durch den Mörder fin-
den wir uns zweimal, bei Upahäravarman und Mantragupta,
unterirdische Gänge dreimal, bei Apahäravarman, Arthapäla und
Pigruta, ebenso Ergreifung durch die Schaarwache und Liebe
auf ein Bildnils oder einen Traum hin mehrmals als Mittel zur
Lösung oder Schürzung des Knotens aufgetischt. Das Bild der
Gesellschaft, welches sich vor unsern Blicken aufrollt, ist kein
sehr schmeichelhaftes: besonders auffällig ist die Fertigkeit im
gemeinen Diebstahl, welche mehrere der Helden zeigen (so be-
sonders Apahäravarman), und Betrügereien aller Art, die zur
Erlargung eines Mädchens oder dgl. als vollständig in der Ord-
nung erscheinen. Neben der tiefsten Versunkenheit des Volkes
in Aberglauben aller Art erscheinen die zehn Prinzen als voll-
ständig frei davon, keinen Gott und keinen Teufel fürchtend.
Daher kommt ihr Erfolg. Wenn der Dichter aulser dem Zweck
der Unterhaltung noch einen andern vor Augen gehabt haben
sollte, so könnte es, wie bei Le Sage im Gil Blas und Diable
boiteux, nur der sein, zu zeigen, dafs Muth und Klugheit in
allen Gefahren den Erfolg sichern: nur müsse man eben
über die albernen abergläubischen Vorstellungen der Menge völ-
lig erhaben sein, sie dagegen vollständig zum eignen Vortheil
auszunutzen wissen. Im Übrigen fehlt es den Helden und son-
stigen Personen auch nicht an guten Eigenschaften, unter denen
besonders unverbrüchliche Treue der Freunde und Liebenden
*) Anders in der Ködambari, wo Candramas, Candräpida, Cüdraka,
während hier Caunaka, Cüdraka, Kämapdla, die identische Person in drei
Existenzen sind.
vom 17. Januar 1859. 24
gegen einander, der Diener gegen ihre Herrschaft, insbesondere
der Ammen und Zofen gegen ihre Pflegebefoblenen hervorste-
chend sind. Für die Pflege der Gerichtsbarkeit, öffentlichen
Sicherheit (durch die nächtlichen Schaarwachen), wie überhaupt das
öffentliche und private Leben der Hindu finden sich höchst in-
teressante Darstellungen und Winke. Von besonderem Inter-
esse ist z. B. die lange Darstellung in der Geschichte des Apa-
häravarman von der Erziehung eines zur öffentlichen Tänzerin
bestimmten Mädchens, von den Mitteln und Kunstgriffen, durch
welche dgl. Schönen bei ihrem ersten öffentlichen Auftreten sich
Erfolg (eine Claque, und Bestechung der Kritik) zu sichern pfleg-
ten, so wie die ausführliche Beschreibung verschiedener Spiele,
wie des Würfelspiels, Hahnengefechts, Ballspiels u. dgl.
Was aber dem Dagakumäracaritam in unsern Augen eine
ganz besondere Bedeutung verleiht, ist der Umstand, dafs es als das
erste Werk seiner Art, das rein in Prosa geschrieben ist, auf-
tritt. Dafls die Yäsavadathä des Subandhu und die Kä-
dambari des Bäna ihrem Style nach entschieden später sein
müssen, liegt auf der Hand '), und es ist somit Wilson’s der
Tradition folgende Annahme von der Abfassung des Dagakumära
zu Bhoja’s oder bald nach dessen Zeit, wohl eher dahin zu mo-
dificiren, dafs wir das Werk (und zwar dann unter Abtrennung des
letzten Abschnittes) noch vor Bhoja’s Zeit, oder wenigstens in die
erste Zeit desselben setzen, da von jenen beiden Werken feststeht,
dals sie an seinem Hofe oder resp. bald nach seinem Tode verfalst
wurden. Daübrigens der Inhalt des Dagakumära darauf abazielt,
die schlielsliche Besiegung einesMä/ava-Königs durch einen Magadha-
König darzustellen, so ist eigentlich gar nicht abzusehen, wie es
'an Bhoja’s, des Mälava-Königs Hofe abgefalst sein könne’), für
*) Vgl. meine Analysen in Z. der D. M. G. VII, 582 £f. VIIT, 530 ff.
°) Auch erscheint der Name des Dandin nicht unter den Namen der
Dichter, die im Bhojaprabandha aufgezählt werden. — Woher mag Wilson
überhaupt seine Angabe: „tradition affirms the contemporary existence of
Dandin and Bhoja Deva” haben? — Wir kennen übrigens jetzt aus In-
schriften auch zwei bedeutend ältere Bhoja, im achten Jahrhundert, s. Las-
sen III, 827. 1169. Sollte der Ahojavanga p. 180,9. 200,11 etwa auf
diese sich beziehen? Dann brauchte der letzte Abschnitt gar nicht erst
4 abgetrennt zu werden.
22 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
den dieser Inhalt ja eine grobe Beleidigung gewesen sein würde!
Es liegt die Vermuthung nicht fern, dafs der Umstand, dafs
uns Aufang und Ende des Werkes fehlen, biemit in Zusammen-
hang stehe, und der Verlust dieser beiden Theile als eine
auf Befehl Broja’s des Mälava-Königs erfolgte Verstümmelung,
resp. Vernichtung anzusehen sei? Dann müfste sich indels die
Vernichtung noch weiter erstreckt haben, da ja die Besiegung
des Mälava-Vicekönigs wenigstens gerade noch in dem ersten
Abschnitte des Werkes selbst erzählt wird! Es müssen also
wohl andere Gründe jene Verstümmelung herbeigeführt haben.
Im Übrigen ist der Verlust kein beträchtlicher, da das uns als Ein-
leitung, zum Ersatze der ursprünglichen, gebotene Stück (trotz
einzelner Widersprüche, in denen es sich mit dem Inhalt des
Werkes selbst befindet) in der Hauptsache jedenfalls den Inhalt
der verlornen genuinen Einleitung enthält, auch wesentlich in
demselben Style abgefalst ist. Das Ende freilich, wenn auch dem
Inhalt nach leicht zu ergänzen, ist in der That völlig verloren.
Die folgende Analyse ist zunächst bestimmt, auf das bei uns
noch ziemlich unbekannt gebliebene Werk des Dandin auch in
weiteren Kreisen aufmerksam zu mächen und im Allgemeinen
darüber zu orientiren. Vergleichungen mit abendländischen Er-
zählungen anzustellen, habe ich mir einstweilen versagt.
Räjahansa, König von Magadha (Süd-Behar), ward durch‘
Mänasära König von Mälava mit Krieg überzogen, und floh be-
siegt in den Findhya-Wald, wo ihm seine Gemahlin den Adja-
oähana gebar. Der Prinz ward mit neun verschiedenen Kna-
ben gleichen Alters erzogen, die sich in zum Theil höchst
wundersamer Weise in dem Zufluchtsort des Räjahansa zusam-
mengefunden hatten. Sieben derselben waren die Söhne von
Ministern desselben, zwei die Kinder seines in seinen Un-
fall verwickelten und des Thrones ebenfalls verlustig gegangenen
Freundes, des Königs von Fideha (Nord-Behar). Nachdem ihre
Erziehung mit dem sechszehnten Jahre vollendet, gehen sie alle
zehn zusammen in die Welt. Räjavähana trennt sich heimlich von
den Ändern, um einem seinen Schutz erbittenden Brähmanen bei-
zustehen. Das Wiederfinden der Freunde, die sich trennen um
vom 17. Januar 1859. 23
ihn zu suchen, und die Erzählung dessen, was ihnen begegnet,
bildet den Iuhalt des Werkes.
Der Erste, der mit Räjavähana wieder zusanımentriflt, in
einem Lustgarten nämlich, wo derselbe ausruht, ist Somadatta,
der mit einem stattlichen Zuge herbeikömmt und, seinen Prinzen
erkennend, alsbald aus seiner Sänfte steigt, und freudig herbei-
eilend seine Fülse umfalst. Sornadatta hat mit Hilfe von Die-
ben, zu denen er unschuldiger Weise ins Gefängnils geworfen
war, dem König von Läta (Aapızy) Mattakäla viel Schaden zu-
gefügt, ihn zuletzt im Kampfe getödtet, und sich so die Füma-
locanä, Tochter des Yiraketu Königs von Pätali, zur Gemahlin
erworben, die ihr Vater wider seinen Willen Jenem hatte als
Braut überlassen müssen. Er befindet sich auf dem Wege zu
dem Mahäkäla-Tempel des Civa, wohin er mit seiner Gattin zu
pilgern gedachte, um über des Prinzen Geschick Beruhigung zu
‚erhalten. — Während noch Beide durch ‘das Wiederfinden be-
glückt sind, kommt auch noch ein anderer der zehn Genossen,
Pushpodbhava hinzu, der hocherfreut bewillkommnet wird und
seine Geschichte dann ebenfalls erzählt. Im kühlen Schatten
am Fufse eines Berges gelagert, hatte er einen Mann aufgefangen,
der sich, den Tod suchend, von der Höhe desselben stürzte, und sich
dann als sein Vater Ra/nodbhava ergab: derselbe hatte nämlich vor-
mals, als Kaufmann herumschweifend und von der Käla-Yavana-
Insel (p. 28, ult.) eine Kaufmannstochter heimführend, mit dieser
seiner schwangeren Gattin Schiffbruch gelitten, dieselbe dabei
verloren, und war nun nach 16jährigem vergeblichem Suchen zu
jener That der Verzweiflung geführt worden. In ähnlicher
Weise rettete Pushpodbhava auch unmittelbar darauf eben diese
seine Mutter, die damals durch ihre Dienerin gerettet worden
war und, nachdem sie den Verlust ihres Gatten und ihres durch
’
| Schuld der Dienerin damals bald nach ihrer Rettung verlorenen
Sobnes 16 Jahre lang ertragen hatte, jetzt eben sich in das Feuer
4
j
b
’
_ stürzen wollte, um ihre Leiden zu enden. Er führte darauf
seine wiedervereinigten Eltern mit einer Caravane nach Ujjayıns,
wo ihm Bandhupäla, der Vater eines ‚Freundes, durch Augurien
über Röjavähana’s Geschick Auskunft verspricht (p. 31). Dort
verliebte er sich in die Kaufmannstochter Bälacandrikä, die durch
24 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
die Bewerbungen des grausamen Däruvarman, eines Schwester-
sohnes des Mänasära und zweiten Statthalters in Ujjayini, ver-
folgt ward. Auf Pushpodbhava’s Rath gab sie vor, dals ein
böser Dämon (Yaxa) sie zu Zeiten besessen halte, und dals sie
nur dem gehören wolle, der denselben zu vertreiben im Stande
sei. Da Däruwvarman sich hierdurch nicht abschrecken liefs,
sondern auf seinem Begehr bestand, begleitet Pushpodbhava, als
erste Dienerin des Mädchens verkleidet, dasselbe zu dem Ge-
mache des Fürsten hin und tödtet ihn daselbst mit Faustschlägen
und Fufstritten. Sein Tod wird von dem schon vorher auf den
Ausgang neugierigen Volke dem bösen Yaxa zugeschrieben, und
als eigene Schuld des Fürsten angesehen. Pushpodbhava, der
in seiner Verkleidung ohne Verdacht zu erregen entkommt, hei-
rathete wenige Tage darauf die Bälacandrikä. Auf die Anwei-
sung des Bandhupäla, der ihm für heute das Wiederfinden des
Räjavähana vorhergesagt, hat er sich hieher aufgemacht, und
nimmt nun den Prinzen, der den Somadatta zu seiner Mahäkdla-
Pilgerfahrt entläfst, bei sich inseinem Hause in Avantikä(d.1.Ujj.) auf,
denselben für einen geschickten Brähmana ausgebend.—Da sieht
denn der Prinz einstmals in einem Garten die Avantisundari,
Tochter seines väterlichen Feindes, des Mänasära, und Beide
werden von der flammendsten Liebe zu einander ergriffen, in-
dem die Erinnerung in ihnen erwacht, dafs sie bereits in einer
früheren Existenz einander zugehört haben. Die Ankunft ihrer
Mutter trennt das kaum begonnene Gespräch. Bälacandrikä
aber dient dem vor Liebessehnsucht verschmachtenden Paare als
gegenseitige Liebesbotin. Ein Zaubermeister, den der Prinz
von ungefähr, in jenem Garten herumstreifend, antrifft, bietet
ihm seine Dienste an, und verspricht ihm für den nächsten Tag
bereits Vereinigung mit seiner Geliebten. Mit grofsem Pompe
zieht derselbe dann vor des Königs °) Palast und erbietet sich,
nachdem er viele andere Kunststücke gezeigt, ihm die Hoch-
zeit seiner Tochter (p. 47,7) mit einem jungen Prinzen vor-
zuführen. WVährend alle Zuschauer dies für ein Gaukelstück,
wie die bisherigen halten, findet dann die Vermählung der Bei-
°) Damit ist Mänasära gemeint, der, obwohl er nicht mehr regiert,
doch noch den Titel Mälavendra führt.
vom 17. Januar 1859. 25
den, gemäls vorher getroffenen Verabredungen, wirklich vor den
Augen des ganzen Hofes statt, und während die übrigen Zau-
bergestalten zerflielsen, gelangt der Prinz unentdeckt mit sei-
nem Liebcehen in das Frauengemach, wo er sie zunächst mit
wundersamen Erzählungen ergötzt.
Hiermit schlielst die den fehlenden Anfang des Werkes zu
ersetzen bestimmte Einleitung. Das Werk selbst beginnt nun
wie folgt.
Die Prinzessin drückt ihr Entzücken über seine Erzählungen
aus, und belohnt ihn mit dem Einzigen, was sie dafür bieten könne,
dem Kufs ihrer Lippen und dem vollsten Ausdruck ihrer Liebe.
Beim Erwachen findet sie die Fülse des Prinzen durch eine sil-
berne Kette umstrickt. Im Schreck hierüber schreit sie laut
auf, und in der dadurch im Harem entstandenen Aufregung drin-
gen die Wächter herein, sehen den Prinzen, und melden es dem
König Candavarman. Der kommt sofort herbei, erkennt in dem
Prinzen den Freund des Pushpodbhava, welches Letztern Frau den
Tod seines Bruders Däruvarman verschuldet hatte, und beschliefst
ihn pfäblen zu lassen. DerEinspruch beider Eltern derPrinzessin,
des alten Mänasära, der die Regierung bereits lange niederge-
legt hatte, und der Mahädevi, denen Beiden der Prinz seiner
Schönheit wegen als Schwiegersohn willkommen ist, nöthigt in-
dels den Candavarman, der eben nur Vicekönig ist, we-
nigstens zum Aufschub, und zum Einholen bestimmter Befehle
_ von dem regierenden Könige Darpasära (dem Bruder der Prin-
_ zessin), der sich gerade auf einer Bulsfahrt abwesend befindet.
Räjavähana wird mittlerweile auf Befehl des Candavarman in
_ einen Käfig gesperrt, und darin auf einem Kriegszuge gegen den
- König von Anga, Sinhavarman, der dem Cand. seine Tochter dm-
dälikä nicht zur Frau geben will, mitgeschleppt. Der Anga-
_ König wird bei einem Ausfall (aus Campä) gefangen genommen:
die Hand seiner Tochter soll ihm das Leben retten. Zugleich
kommt von Darpasära der Befehl, den gefangenen Galan seiner
Schwester ohne Rücksicht auf die Bitten des kindischen Vaters
sichten, und sie selbst nebst ihrem jüngeren Bruder Kir-
>
26 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
!isära einzusperren. Als dem gemäls am andern Morgen Rä-
javähana vorgeführt wird, um einem wütlıenden Elephanten zum
Zerstampfen vorgeworfen zu werden, löst sich plötzlich die sil-
berne Kette von seinen Fülsen, nimmt die Gestalt einer schönen Fee
(Apsaras) an, die sich verneigend ihm das Wunder der Verwand-
lung also erklärt. „Ihr Halsband sei ihr einst, als sie in den
Lüften mit einem Flamingo spielte, entglitten und einem bülsenden
Einsiedler auf den Kopf gefallen, durch dessen Fluch sie dann
für eine bestimmte Zeit zurKette geworden, und so in den Besitz
eines Geistes(Fidyidhara) gekommen sei. Dieser nun, dem Darpa-
sära seine Schwester als Braut zugesagt hatte, habe damals, als
dieselbe mit dem Prinzen das Lager getheilt, dies erschaut und zur
Rache ihm die Fülse mit der Kette gebunden. _ Jetzt aber sei
ihr Fluch zu Ende, und sie stehe zu seinen Diensten.” Der
Prinz entläfst sie hocherfreut, indem er ihr aufträgt, sein Lieb-
chen zu trösten. Da erhebt sich plöszlich ein Tumult: Canda-
varman sei im Beginn der Hochzeitsfeierlichkeiten von einem
Fremden erschlagen worden, der mit gewaltiger Wuth um sich
hauend den Palast mit Leichen fülle. Der Prinz benutzt die
Verwirrung, stölst den Wächter des wüthenden Elephanten, der
ihn zu zerstampfen bestimmt war, von demselben herunter,
schwingt sich selbst hinauf und eilt damit dem Palast zu, wo er
den kühnen Mann, der die That gethan, ‚mit lauter Stimme
aufruft sich zu ihm zu Hüchten. Es geschieht, und derselbe 'er-
giebt sich als des Prinzen Freund Apahäravarman. Beide ver-
theidigen sich nun tapfer gegen die Diener deserschlagenen Fürsten,
bis ihnen die plötzliche Ankunft fremder Schaaren Hülle bringt,
welche sichalsdie Truppen ergeben, die dem Anga-Könige von Sei-
ten der Herrscher von Yideha, Väränasi, Grävasti, Dämaliptä,
Kalinga und Yidarbha, unter der Aufübrung der übrigen Freunde
des Prinzen, zur Hülfe gegen den Mälava-Fürsten geschickt wor-
den waren. Der Anga-König wird natürlich sofort. befreit.
Die Wiedervereinigung aller Freunde erregt den gröfsten Ju-
bel, und jeder erzäblt nun der Reibe nach, wie es ihm er-
gangen sei. Zunächst Apahäravarman, der Königssohn von
Videha.
vom 17. Januar 1859. 27
Cap. II. Derselbe war damals, nach dem Verschwinden des
Räjavähana, diesen suchend im Anga-Lande umhergeirrt, und
daselbst zu einem in hohem Rufe der Weisheit stehenden Einsiedler
Mariei in der Nähe von Campä gepilgert, um Auskunft von ihm
zu erhalten. Den fand er aber seinerseits in bitterer Noth, in
die er durch die Hetäre Köämamanjar? gerathen war, welche in
Folge einer Wette, ihn mit ihren Liebesnetzen bestricken zu
können, dies in der listigsten Weise durchgeführt, und nachlem
sie ihn berückt, mit Spott und Hohn wieder heinigeschickt hatte,
Bei ihm übernachtet habend, trifft er am andern Morgen vor
der Stadt ein zweites Opfer der Fallstricke der Hetäre in hellen Thrä-
nen, eines reichen Kaufmanns Sohn nämlich, Firipaka genannt (von
seiner Häfslichkeit), der nach dem Verlust seines ganzen Ver-
mögens, das er an sie verschwendet, buddbistischer Mönch ge-
worden war, sich aber nach dem brähmanischen Glauben seiner
Väter zurücksehnte. Nachdem er ihn durch das Versprechen,
dals die Hetäre ihm all das Seine wieder herausgeben werde,
getröstet hat, begiebt er sich in die Stadt, gewinnt daselbst in
einem Würfelspielhaus einem bochmüthigen Spieler 16000 Dinära
ab, und erwirbt sich durch Verschenkung der Hälfte des Ge-
winnstes Kubm und Freunde. In der Nacht macht er sich,
nach allen Regeln des Diebeshandwerkes (wie sie von Karnisuta
p- 78, 12 gelehrt sind) ausgerüstet, auf, um durch einen Einbruch
sich noch mehr Reichthümer zu verschaffen. Unterwegs trifft er
‚auf ein schönes, junges Mädchen, die von ihm angeredet sich
als eine Kaufmannstochter Kulapälikä zu erkennen giebt, die zu
ihrem Geliebten flieht, dem Dhanamitra, dem sie früher von
_ ihrem Vater versprochen war, der aber arm geworden ist, wes-
halb sie jetzt einen Andern, den reichen Arthapati 'heirathen
soll. Der Prinz 'erbietet sich mitleidsvoll sie ihrem Geliebten
zuzuführen. Die Schaarwache, welche gerade herbeikommt,
wird getäuscht, indem er sich als eben von einer Schlange ge-
stochen todt stellt und das Mädchen sich für seine trostlose Gat-
tin ausgiebt. So der Gefahr der Festnehmung durch die
Wache entronnen, gelangen sie glücklich zu Dhanamitra, der
„durch den Edelmuth des Prinzen gerührt sich ihm in inniger
Be undschaft zu eigen giebt. Nachdem sie berathschlagt, was
-
«2
28 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
zu thun sei, bringen sie zunächst das Mädchen wieder heim, rau-
ben mit ihrer Hülfe das Haus ihres Vaters aus, und verstecken
die Beute. Mit der Schaarwache zusammentreffend besteigen
sie einen Elephanten, der am Wege schlummerte, werfen den
Treiber berunter, schlagen die Angriffe der Wache zurück, be-
schädigen darauf durch das wüthende Thier das Haus des Artha-
pati, lassen sich in einem Wäldchen, die Zweige der Bäume
ergreifend, von demselben herunter, und legen sich, heimgekehrt
in Dhanamitra’s Haus, daselbst zur Ruhe. Die Hochzeit der
Kulapälikä wird so zunächst um einen Monat verschoben.
Auf die Anweisung des Prinzen begiebt sich Dhanamitra so-
dann zum Könige mit einem ledernen Säckel”), der ihm in dem
Walde von einem Bülser geschenkt worden sei, als er sich eben
aus Verzweiflung über den Verlust seiner Braut habe das Leben
nehmen wollen, und der in den Händen von Kaufleuten oder
Hetären die Kraft besitzen solle, alle Morgen mit Gold gefüllt
zu sein, vorausgesetzt, dals dieselben vorher all ihr Besitzihum
verlheilt, das unrechimälsig Erworbene dem wahren Eigenthü-
mer zurückgegeben, das rechtmälsig Erworbene an die Gölter
und Brähmanen verschenkt hätten. Der König sichert ihm für
den Besitz seinen Schutz zu. Dhanamitra beginnt sein früheres
freigebiges Leben und füllt nächtlich den Säckel mit dem ge-
stohlenen Gute. Als der Vater der Kulapälikä davon hört, dals
Dhanamitra wieder reich geworden sei, kommt er von selbst,
ihm seine Tochter wieder anzubieten.—Da geschah es, dals in
diesen Tagen ARädgamanjari, die jüngere Schwester der Hetäre
Kämamanjari, zum ersten Male vor dem Publikum im Concert
und Tanz auftrat. Der Prinz verliebt sich in sie zum Hinsie-
chen, und da sie fest entschlossen ist nur um Liebe, nicht um
Geld, und zwar nur als Gattin sich hinzugeben, die Ihrigen da-
gegen nur für Gold ihre Einwilligung dazu ertheilen wollen,
erreicht er Beides, indem er ihnen durch Vermittlung einer bud-
dhistischen Bettelschwester (79, 11) den Glücks -Säckel zu steh-
len verspricht, und anch, mit Wissen des Dhanamitra, wirklich
übergiebt. Er läfst zugleich durch einen in seinem Solde ste-
”) Vgl. des Fortunatus Glückssäckel: doch ist hier die Darstellung in
so fern witziger, als die Kraft des Säckels hier als eine nur erlogene er-
scheint.
\
vom 17. Januar 1859. 29
henden Freund des Arthapati den Dhanamitra gröblich belei-
digen, und auf dessen Klage steckt dann der König den Artha-
pati ins Gelängnils, um für die Schmähungen Jenes, der sich
auf des Prinzen Befehl aus dem Staube gemacht hat, einzustehen.
Die Hetäre sodann, in dem Eifer den Glückssäckel recht bald
zu probiren, giebt nicht nur, um den Vorbedingungen dazu zu
genügen, dem Yirüpaka all das Seine zurück, der nun zu dem
brahmanischen Glauben zurückkehrt, sondern theilt auch all das
Ihrige in der auffallendsten Weise aus. Auf des Prinzen An-
ordnung geht Dhanamitra zum König, und theilt ihm seinen
Verdacht mit, dals sie eben wohl in dem Besitze seines Säckels
sein möge, da sie, die bisher so geizig, auf einmal so verschwen-
derisch geworden sei. Sie wird darauf mit ihrer Mutter ein-
gezogen, und giebt auf den Rath des Prinzen den Arthapati als
denjenigen an, der ihr den Säckel geschenkt habe: derselbe
wird darauf, da er ohnehin schon in schlechtem Rufe steht, zum
Tode verurtheilt, auf Dhanarnitra’s Bitten indels vom Körige
nur mit Einziehung seines Eigenthums und Verbannung bestraft.
Einen Theil seines Vermögens erhält die Hetäre, die den Säckel
herausgeben mufs, vom Könige zum Ersatz für das, wie er
meint, im Glauben an den rechtmäfsigen Besitz des Säckels von ihr
verschwendete eigene Vermögen. Hierauf endlich findet die
Hochzeit des Dhanamitra statt. — Bei allem Glücke, welches nun
auch Apahäravarman im Besitze seiner Rägamanjari genofs,
setzte er doch seine Diebeskunst in einem solchen Grade in
_ Thätigkeit, dafs, wie es heilst, „‚die früher reich waren nun an
den Tbüren Derer betielten, welche früher arm, durch die von
ihm gestohlenen und wieder verschleuderten Reichthümer reich ge-
worden waren”. Bei einem dgl. nächtlichen Ausgange ward
er aber von der Schaarwache nach tapferem Widerstande ver-
A wundet und gefangen. Um nicht auch die Seinigen in sein Un-
glück zu reilsen, bricht er, kurz entschlossen, in Gegenwart der
Wache, gegen eine treue Dienerin Crigälikä, die ihm gefolgt
war, in die bittersten Schmähungen gegen dieselben aus, als ob
sie ihn betrogen und verrathen hätten, und er nun aus Rache
dem Dhanamitra den Säckel und der Rägamanjari ihre Juwelen
‚gestohlen habe. Die schlaue Dienerin geht darauf ein und
30 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
weils durch ibr Klagen ihn scheinbar zu erweichen, so wie von
der Wache zu erlangen, dafs er ihr ins Ohr den Platz nennen darf,
wo er die gestohlenen Juwelen versteckt habe, was er natürlich
aber zu andern Aufträgen benutzt. Im Gefängnifse dann von dessen
Aufseher Käntaka, einem jungen, eitlen Laffen, mit achtzehn
Torturen bedroht, wenn er den Säckel nicht herausgebe, stellt
er sich fortwährend als vom bittersten Hals gegen Dhanamitra
erfüllt und weigert sich dessen. Letzterer wendet sich mittler-
weile, durch Grigälikä unterrichtet, an den König, und bittet
ihm, in Anbetracht bisheriger Freundschaft für den Übelthäter,
um Verschonung desselben mit weiterer Strafe, falls er nur den
Säckel wieder herausgäbe: Crigälikä aber vermittelt gleichzeitig,
den weiteren Aufträgen gemäls, die ihr der Prinz gegeben, um
für alle Fälle möglichst sicher zu gehn, zwischen Rädgamanjarf
und der Tochter des Königs, Ambälikä, durch reiche Geschenke
an deren Wärterin, ein inniges Freundschaftsbündnils. Es ge-
lingt ihr sodann, durch verschiedene Listen, in Käntaka den
Glauben zu erwecken, dafs die Königstochter in ihn verliebt und
er zur Thronfolge bestimmt sei; er möge sich doch durch einen
unterirdischen Gang den Weg zu ihrem Gemache bahnen. Als
er bereitwillig darauf eingeht, und ihr den Dieb des Säckels
als denjenigen nennt, den er zum Aushöblen des Ganges ver-
wenden wolle, räth sie ihm, denselben nach gethaner Arbeit bei
Seite zu schaffen, um des Geheimnisses sicher zu sein. Er
sendet sie dann selbst ab, um mit dem Apahäravarman Verab-
redung zu treffen, den sie nun dabei von Allem unterrichtet,
was sie gethan hat. Seiner Fesseln entledigt, macht sich der-
selbe bald ans Werk, das ihm trefflich gelingt, tödtet darauf den
Käntaka, der ihn, gegen den geleisteten Schwur ihn frei zu
lassen, wieder in Bande schlagen will, mit dessen eigenem
Schwerte, und beschliefst nun den Gang für sich selbst zu
einer Beraubung des Harems zu benutzen. Der Anblick der
auf ihrem Lager schlummernden Königstochter vertreibt ihm
aber, daselbst angelangt, alle dgl. Gedanken und erfüllt sein
Herz mit Sehnsucht nach ihrem Besitze. Der Gefahr wegen, die
eine Überraschung der unvorbereiteten Jungfrau mit sich führen
würde, weils er sich indels doch so weit zu bezähmen, dals er
vom 17. Januar 1859. 7 al
nur ein Bildnils ihrer selbst, wie sie auf dem Lager ruht, und
das seinige, wie er zu ihren Füfsen gesunken bittend die Hände
faltet, nebst einem seine Liebe schildernden Spruche auf ein da
be6ndliches Pastell malte. Durch den Gang ins Gefängnils
zurückgekehrt, unterrichtete er einen Mitgefangenen daselbst,
Sinhaghosha, von dem Plane und dem Tode des Käntaka, und
verliels dann dasselbe nebst der Crigälikä, trifft aber sogleich
auf die Schaarwache, der er nur dadurch entgeht, dals er sich
verrückt stellt, während €. sich als seine Mutter ausgebend die
Wächter ihn zu fahen bittet. So entkommen Beide ohne Ver-
dacht zu erregen, er indem er fortrennt, sie indem sie ibm
wehklagend nachläuft, und gelangen so zur Rägamanjari, die
er für die lange Trennung und Angst durch seine Liebkosungen
den Rest der Nacht entschädigt, am Morgen erst sich zu Dha-
namitra begebend. Sinhaghosha wird am andern Tage von
dem Könige, dem er den ruchlosen Plan des dabei umgekommenen
Käniaka mittheilt, an dessen Stelle zum Gefängnilsaufseber ge-
macht, und verstattet nun dem Apahäravarman vermittelst des
Ganges häufigen nächtlichen Zugang zu der in Folge des Bildes in
Liebe zu Diesem erglühten Königstochter. Bald darauf begann die
Belagerung der Stadt durch Cundavarman, deren Verlauf und
Ende wir bereits kennen. Als dieser Fürst eben im Begriff
war die zitternde Hand der 4mbälikd, dem Atharcana -Ritus
(91, 13) gemäls, vor dem Feuer als Zeugen zu erfassen, erschlug
‚ihn Apahäravarman, trug die erschreckte Maid durch das Ge-
x dränge rasch fort in den Harem, unter dem Schutze des Dhana-
4 miira, der mit Begleitern in der Nähe war, und leistete ‘dann,
_ wie wir gesehen, dem ihm Hülfe verheilsenden Rufe des Räjavä-
_ hana Folge.
R Cap. III. Der zweite, der seine Geschichte erzählt, ist
BRehärasarman, des Vorigen Bruder. Er war, auf seinem Su-
chen, nach seines Vaters Reich Yideha gekommen. In einem
Tempel von Mithilä von einer alten Bülserin freundlich aufge-
nommen frägt er theilnehmend nach dem Grunde ihrer Thrä-
nen. Sie erzählt ihm dann das‘ harte Geschick sei-
mer eignen Eltern, (des Prahäravarman :und der Priyam-
vadd), welche von dem jetzigen Könige Yikatavarman, dem
‚Sohne des Samhäravarman, ältesten Bruders des Prahäravar-
>
32 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
man, schon seit 16 Jahren im Gefängnils gehalten wurden,
nachdem sich derselbe zur Zeit von des Letztern Besuch bei
Räjahansa, inFolge von deren Niederlage durch den Mälava-König,
nebst seinen Brüdern des Thrones bemächtigt hatte. Die Alte
selbst und ihre Tochter waren die Wärterinnen der beiden jun-
gen Prinzen gewesen, die damals auf der Rückkehr von Magadha,
als Prahäravarman sich um Hülfe gegen seine Bruderssöhne
an seinen Schwestersohn, den König von Suhma, wenden wollte,
bei einem Überfall durch Räuber im Walde verloren gegangen
waren. Der Prinz giebt sich ihr zu erkennen; die Freude der
Alten, wie ihrer Tochter Pushkarikä, welche Tags darauf zu-
fällig dazu kommt, ist überaus innig. Letztere dient jetzt als
Zofe bei Kalpasundari, der schönen Gemahlin des Yikafavarman,
Tochter des Fürsten von Kärnarüpa (Kulindavarman). Der
Prinz, der entschlossen ist, den Usurpator zu vernichten und
seine Eltern zu befreien, weist zunächst die Zofe an, den be-
reits vorhandenen Groll der Königin gegen ihren häfßslichen,
untreuen und bösen Gemahl auf jede Weise zu schüren, damit
sie sich für möglichst beklagenswerth halte. Als dies einige
Tage hindurch geschehen, sendet er durch die Alte der Königin
sein Bildnils, durch welches diese von heftiger Liebe zu ihm
erfafst wird. Sie erzählt dabei der Alten, wie sie von ihren
Eltern, die mit dem alten Yideha-König Prahäravarman und
seiner Gattin in engster Freundschaft gelebt, ursprünglich für
deren Sohn zur Gattin bestimmt gewesen sei, und dafs sie ihren
jetzigen Gatten nie geliebt habe, jetzt aber von Liebe zu dem
jungen Fremden ergriffen ihn förmlich hasse. Noch denselben
Tag begehrte sie eine Zusammenkunft mit demselben zu haben.
Der Prinz hatzwar nun einige Gewissensbisse wegen des Ehebruches,
aber theils der Gedanke an seine Eltern theils ein zienilich alberner
Traum beschwichtigt dieselben. Nach den genauen Beschreibungen
der Örtlichkeit, die ihm die Alte giebt, und mit Hülfe eines für ihn
zum Überspringen der Gräben bereit gelegten Springstocks ge-
langt er glücklich in den Garten des Harems und an das zum
Stelldichein bestimmte Lusthäuschen. Die durch seine Liebe
beglückte Königin ist Morgens beim Scheiden ganz untröstlich,
und ergreift freudig den Plan, den er ihr vorlegt, ihren Gatten
vom 17. Januar 1859. 33
aus dem Wege zu räumen und sich selbst an seine Stelle zu
setzen. Demgemäls zeigt sie nämlich Jenem das Bildnifs des
Upah., das sie durch die Alte erhalten, unter dem Vorwande,
dals eine weise Frau ihr ein Mittel gesagt habe den König
umzugestalten und diesem schönen Bildnilse gleich zu machen:
nachdem nämlich die Priester vorher dem Atharva-Ritus gemäls
verschiedene Opfer gebracht, müsse sie in der Nacht ganz allein
an einem einsamen Orte des Gartens bestimmte Opfer von Aloe,
Sandel, Kampfer, kostbaren Gewändern vollziehen, und werde
dann durch einen mystischen Spruch zunächst selbst dem Bild-
nils ähnlich werden: darauf solle sie eine Glocke läuten, der
dadurch herbeigerufene Gatte solle ihr zuerst alle seine Geheim-
nisse verkünden, und sodann mit geschlossnen Augen sie um-
armen, worauf die Gestalt des Bildnisses auf ihn übergehen, sie
selbst aber ihre frühere Gestalt erhalten werde. Der König
geht bereitwillig hierauf ein, im Einverständnils mit seinen Mi-
nistern. Der Ruf des bevorstehenden Ereignisses erregt im
ganzen Volke allgemeine Erwartung. Zur näher noch verab-
redeten Zeit schleicht sich Upah. in das Lusthäuschen: die Kö-
nigin erscheint in opfergemälser Pracht, theilt ihm mit, was sie
so eben noch, seinem Rathe gemäfs, mit dem König gesprochen,
und er geht nun statt ihrer an die Opferstelle, wo er die Glocke
zieht. Der König, auf dies Zeichen herbeikommend, schöpft
zwar zunächst einigen Verdacht, als er ihn sieht: da der Prinz
jedoch den Gegenstand, von dem die Königin noch so eben
mit dem König gesprochen, wieder berührt, das Versprechen
nämlich, fortab ihr treu zu bleiben, so glaubt der König in der
That mit der dem Spruche gemäls verwandelten Königin zu
‚sprechen, theilt ihr alle seine nur ihm und den betreffenden
Dienern bekannten Staatsgeheimnisse °) mit und empfängt so-
‚dann mit geschlossenen Augen den 'Todesstreich. Der Prinz
rschneidet die Glieder und verbrennt sie in dem lodernden
euer zu Asche. Darauf berubigt er die doch etwas in Angst
gerathene Königin, und begiebt sich an ihrer Hand in den Ha-
®) z. B. den beabsichtigten Betrug eines Yavana - Kaufmanns Namens
hanati um den wahren Preis eines Diamanten, den er feil hat (111, 8).
- [1859.] 3
34 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
rem, unter die versammelten Frauen, die ihn erstaunt begrüfsen.
Durch die Kenntnifs aller der bösen Absichten des Königs wird
andern Tages jeder Zweifel der Minister an der Identität der
Person beseitigt. Mit dem neuen Körper hat er, wie er sagt,
auch neue Gesinnungen angenommen und giebt den früheren
durchweg gerade entgegengesetzte Befehle: insbesondere läfst
er sofort seine Eltern aus dem Gefängnils befreien, statt sie zu
vergiften, wie früher bereits beschlossen war, und übergiebt sei-
nem Vater wieder die Regierung. Die alte WVärterin unter-
richtet die Eltern von dem wahren Sachverhalt. Der Prinz
wird von seinem beglückten Vater zum yuvaräjan (Kronprinz)
geweiht, und zieht dem Anga-Könige Sinhavarman, als altem
Freunde seines Vaters, dessen Briefe die ihm von dem Mälava-
Fürsten drohende Gefahr melden, zu Hülfe.
Cap. IV. Es folgt die Geschichte des Arthapäla. Der-
selbe war bei seinem Suchen nach dem Prinzen nach Yäränasi,
der Kägi-Stadt, gelangt, wo er bei der heiligen Badestelle Mani-
karnikä den Tempel des Avimuktewvara umwandelnd auf einen
riesenhaften, starken Mann trifft, der sich in Thränen ganz auf-
löst. Mitleidig fragt er ihn nach dem Grunde seines Schmer-
zes. Das Schicksal seines Wohlthäters, des Ministers Käma-
päla, ist es, wie derselbe nun ausführlich berichtet, das ihn so
bekümmert. „Er selbst heifse Pürnabhadra und habe sich die
Gunst des Kämapäla durch den tapfern Muth erworben, mit
dem er einen wilden Elephanten eingeschüchtert habe, der be-
stimmt war ihn zur Strafe für begangne Diebstähle zu zertreten.
Kämapdla habe als Zeuge davon ihm nicht nur das Leben, son-
dern auch seine Freundschaft geschenkt, und ihm als Zeichen
der letztern einst seine früheren Schicksale erzählt. „,„Er sei
ein jüngerer Bruder eines der Minister des Magadha - Königs,
habe aus Lust zu lockerem Leben Kusumapura verlassen, sei
dann nach Färänas? gekommen, und daselbst mit Käntimati,
der Tochter des Königs Candasinha, in ein Liebesverhältnils ge-
treten. Ein Sohn, die Frucht desselben, der wie todtgeboren
kam, sei um Entdeckung zu verhüten, auf dem Leichenacker
ausgesetzt worden: die damit beauftragte Frau aber sei heim-
kehrend von der Schaarwache gefalst worden und habe das Ge-
| vom 17. Januär 1859. 35
_ heimnils, so wie seinen eignen Aufenthaltsort verrathen. Man
habe ihn gebunden und zum Richtplatz geführt. Als der Nach-
richter schon das Schwert erhoben, seien ihm plötzlich die Bande
entfallen, er habe jenem das Schwert entrissen, sich damit Bahn
gemacht und sei entkommen. Im Walde lange herumirrend,
sei er auf eine himmlische Jungfrau gestofsen, die sich ihm ehr-
erbielig verneigt und als Tärävali, Tochter des Yaxa-Fürsten
Manibhadra zu erkennen gegeben habe. Einst von einem Be-
suche der Zopamudrä, Frau des Agastya, vom Malaya- Berge
heimkehrend, habe sie in der Nähe von Yäränas’ auf dem Lei-
chenacker einen kleinen Knaben ausgesetzt gefunden. Die müt-
terliche Zärtlichkeit, die sie sogleich für denselben gefühlt, und
die sie veranlafst, ihn mit sich zu nehmen, habe ihr der
(Oberkönig der Yaxa, Kuvera) Herr von Alakä dadurch er-
klärt, dafs sie in einer frühern Geburt dessen leibliche Mutter
und unter dem Namen A’ryadäsi Frau seines damals Cüdraka ge-
nannten Vaters Kämapäla gewesen, während er jetzt Sohn des-
selben von der Käntimat? (damals Pinayavati) sei. Sie habe
den Knaben darauf Kwvera’s Rathe gemäls zur Einsiedelei des
vertriebenen Magadha-Königs Räjahansa gebracht, um mit des-
sen Sohne Räjavahana aufgezogen zu werden — dieser Knabe
ist eben Arthapäla selbst — und sei nun jetzt herbeigekommen, ihm
(Kämapäla) in seiner Noth Hülfe zu bringen. Nachdem er
einige Tage mit ihr in himmlischen Freuden zugebracht, habe
er sie um ihren Beistand gegen Candasinha gebeten, sei von
ihr des Nachts in dessen Schlafgemach geführt worden, -habe
denselben das Schwert in der Hand geweckt, sich ihm zu er-
kennen gegeben, und Verzeihung resp. Straflosigkeit für seine
Schuld gefordert. Der König in der Todesfurcht habe dies zu-
gesagt, ihm die Känztimati? zur Gemahlin und Antheil an der
Regierung versprochen, und am andern Morgen auch sein Wort
‚gehalten. Täräval! habe dann die Küäntimat! über das Ge-
schick ihres ausgesetzten Söhnchens beruhigt, und so lebe er
enn nun jetzt mit Beiden und noch drei andern, ebenfalls auch
bereits in jener frühern Geburt gehabten, Frauen vereint in ru-
higem Glücke.”” Bald nach dieser Erzählung Kä4mapala’s sei
der Schwiegervater desselben gestorben, nachdem dessen älterer
3°*
1 RE
36 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Sohn Candaghosha in Folge zu reichen Genusses der Liebes-
freuden ihm schon vorausgegangen war. Küämapäla habe dann
seinen damals kaum fünfjährigen jüngeren Schwager, Sinhaghosha,
auf den Thron gehoben, für ihn regierend. Der aber habe jetzt,
von Feinden des Köämapäla zur Furcht aufgestachelt, eine zeit-
weilige durch grundlose Eifersucht herbeigeführte Abwesenheit
der denselben sonst schützenden Tärävali benutzt, um ihn in
Bande zu schlagen, und habe den Befehl gegeben, ihm beide
Augen auszustechen. Der Kummer hierüber presse ihm diese.
Thränen aus.” Arihapäla giebt sich nun dem Pürnabhadra als
Sohn des Kämapäla zu erkennen. Eine giftige Schlange, die
sich in demselben Augenblicke zeigt, und die er mit Hülfe sei-
ner Formelkenntnils sich zueigen macht, beschlielst er zur Rettung
seines Vaters zu verwenden. Er trägt daher dem Pürnabhadra
auf, seine Mutter von dem was er vorhabe und was demgemäls
von ihr zu thun sei in Kenntnils zu setzen. Als nun Käma-
päla von einer grolsen Masse Volkes umgeben herbeigeführt
wird, um seine Strafe für die ihm Schuld gegebenen Anschläge
auf das Leben des Königs zu erleiden, und der Nachrichter eben
nach dreimaliger lauter Verkündung des Urtheils sich anschickt
dasselbe zu vollziehen, wirft Arthapäla jene Schlange auf seinen
Vater, stillt aber sogleich die Wirkungen des Giltes durch seine
Formeln, so dafs derselbe nur scheinbar leblos daliegt, während
der Nachrichter von der Schlange ebenfalls gebissen wirklich stirbt.
Käntimati, mitllerweile von Pürnabhadra unterrichtet, eilt her-
bei, und erlangt von dem Könige die Erlaubnils sich mit ihrem Ge-
mahle zu verbrennen, und zu dem Zwecke denselben mit sich
nach Hause zu nehmen. Daselbst von seinem Sohne durch die
Formel dafür alsbald in das Leben zurückgeführt, beschliefst X4-
mapäla seine Freunde zusammenzurufen und mit ihrer Hülfe
sich in seinem festgebauten Hause zur Wehre zu setzen. Wäh-
rend diese dann glücklich alle Angriffe des Königs Sinhaghosha
zurückschlagen, bahnt sich Arthapäl/a einen unterirdischen Gang
zu dessen Schlafgemach. Er gelangt dabei unter der Erde zu
einem Örte, wo er ein wunderschönes Mädchen von ihren
Frauen umgeben findet. Es ist dies Manikarnikä, nachgeborne
Tochter des Candaghosha, die ihr Grofsvater Candasinha zur
vom 17. Januar 1859. 37
Gemahlin des Darpasära, Königs von Mälava, bestimmt hatte
und deshalb, durch das Beispiel seiner Tochter Käntimati ge-
witzigt, um eine anderweitige Neigung von ihrer Seite zu ver-
hüten, in diesen unterirdischen weiten Gemächern, die mit
allem Luxus und Annehmlichkeiten für hundert Jahre aus-
reichend ausgestattet waren, aufziehen lies. Zwölf Jahre
waren schon seitdem verflossen. Die Amme, die dies dem Ar-
thapäla, der sich ihr genannt hat, erzählt, fügt hinzu, dals die
eigne Mutter des Mädchens dasselbe, während es noch in ihrem
Schoofse befindlich war, im Spiel an seine Mutter als Gattin
für ihn, der gleichfalls noch nicht geboren war, verwettet
"habe. Mit Hülfe der Amme gelangte Arthapäla darauf durch
den Eingang der Höhle in das Schlafgemach des schlummern-
den Königs, und schleppte ihn gebunden mit sich durch die Höhle
und den Gang in das Haus seines Vaters: hier ward er dann
gefangen gehalten, während Kämapäla die Regierung über-
nahm, Arthapäla sich mit der Manikarnikä vermählte, und dar-
auf dem Sinhavarman zu Hülfe zog. Die Vereinigung mit
Räjavähana trägt dem Sinhaghosha jetzt, dem Wunsche der
Küäntimati wie des Arthapäla gemäls, seine Befreiung ein.
Cap. V.?) Der nächste, der seine Geschichte erzählt, ist
Pramati. Derseibe war nach der Trennung von seinen Ge-
nossen in den Findhya-Wald gelangt, hatte sich da unter einen
Baum gelagert, sich dem Schutze der Gottheit desselben mit
einem frommen Gebete empfohlen und war dann eingeschlum-
‚mert. Im Traume fühlte er sich emporgehoben und sah sich,
‚die Augen öffnend, in einem zauberhaften Gemach an der Seite
einer vom Mondlicht übergossenen schlafenden Jungfrau von
wunderherrlicher Schönheit ruhen: aus Furcht sie zu erschrecken
"wagt er nicht sie zu berühren und eine Bewegung derselben be-
merkend stellt er sich schlafend. Sie erwacht wirklich, be-
trachtet staunend und entzückt ihren Lagergenossen, sinkt aber
bald wieder in den Schlaf zurück. Ebenso er selbst. Am
Morgen erwachend findet er sich früstelnd unter dem Baum im
Walde. WVährend er noch über das was er gesehen nachsinnt,
6
r °) Vgl. Vetälapancavingati XVII.
38 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
erscheint eine himmlische Frau, die ihn zärtlich umarmt, und
ihm das Räthsel löst. Es ist seine eigne Mutter Tärävali, die
Tochter des Yara-Königs Manibhadra, die nachdem sie seinen
Vater Kämapäla !°) auf geringfügigen Anlals hin in eifersüch-
tigem Zorne (er hatte sie mit dem Namen der Käüntimati ange-
redet! p. 120, 16) verlassen hatte, zur Strafe dafür ein Jabr lang
von einem bösen Geiste besessen ward. Die Zeit war jetzt um,
und sie war im Begriff zu ihrem Gemahl zurückzukehren. Vor-
her aber hatte sie noch dem Feste des Tryambaka in Grävasti
beiwohnen und den dazu herbeikommenden Göttern und Ver-
wandten ihre Verehrung abstatten wollen. Am vorigen Abend
hatte sie dann, hier vorbeikommend, das Gebet des Pramati
gehört, und um ihn vor Ungemach des Nachts über zu schützen,
bis sie vom Feste zurückkomme, ihn im Schlafe zu der schlum-
mernden Navamälika, Tochter des Dharmavardhana Königs von
Grävasti gebracht. Zurückgekehrt von der Feier habe sie nun-
mehr erst, wo ihr Geist ganz von dem Fluche gereinigt war,
ihn als ihren eignen Sohn erkannt, und zugleich gesehen, wie
er sowohl als die Maid aus Schüchternbeit und Scham sich ge-
genseitig schlummernd gestellt hätten. Sie habe ihn dann
wieder wirklich in Schlaf versenkt, und hieher zurück gebracht,
und müsse ihn jetzt, zu seinem Vater eilend, seinem eignen
Witz und Geschick überlassen. Nach zärtlichem Abschiede ver-
schwindet sie. Pramati aber, von Liebe verzehrt, macht sich
auf nach Grävasti. Unterwegs erwirbt er sich als Zuschauer bei
einem Hahnenkampfe die Freundschaft eines alten Brähmana da-
durch, dals er die höhere Tüchtigkeit des Hahnes desselben
zwar sogleich lächelnd gegen ihn bemerkt, aber den Andern
gegenüber verschweigt. Der Alte beherbergt ihn freundlich
1°) In der Einleitung (9, 21) wird dessen Vetter Sumati als Vater des
Pramati genannt und von seiner Mutter ist dort gar nicht die Rede! — Es
fehlt übrigens hier jegliche Andeutung von Seiten der Zörävali, wann sie
den Pramati geboren, und weshalb sie ihn nicht bei sich erzogen habe,
Sie nennt sich hier (wie auch in der Einleitung p. 14, 21 geschieht) Mut-_
ter des Arthapäla, während sie duch in der jetzigen Existenz (118,8) nur
seine Stiefmutter ist (‚vgl. dazu dvaimätura p. 116, 10. 194, 17 Bruder von
einer zweitenFrau des Vaters). Nach deın Plural vo zu urtheilen (p. 133, 13),
muls sie noch mehr Söhne haben, als diese Beiden. Oder ist v4m zu lesen?
vom 17. Januar 1859. 39
die Nacht über. Am andern Morgen in G@rävast? ankommend
legt sich Pramati, vom Gehn ermüdet, in einer Laube des äu-
fseren Lustwaldes um auszuruhen nieder: da tritt ein Mädchen
an ihn heran mit einem Bilde in der Hand, das sie staunend
mit ihm vergleicht. Navamälikä hat nämlich das Porträt des
im Traume gesehnen Jünglings gemalt, und ihre Zofe ausge-
schickt nach dem Original dafür zu suchen. Pramati giebt sich
dann als solches zu erkennen, indem er das Bild der Prinzessin
daneben malt, und die übrigen Umstände des beiderseitigen
nächtlichen Erblickens erzählte. Er schickt darauf die Zofe zu-
rück, mit der Botschaft, dals er in Kurzem selbst bei der Prin-
zessin erscheinen werde, und wendet sich dann mit seinem
Plane dafür an jenen alten Brähmanen. Dem zu Folge führt ihn
dieser als seine Tochter verkleidet darauf vor den König, mit der
Bitte ihm, der jetzt seinen künftigen Schwiegersohn zu holen
gehe, dieselbe für die Zeit seiner Abwesenheit zu bewahren,
indem er keinen andern Ausweg wisse, denn erwachsene Mäd-
chen seien, besonders wenn die Mutter todt sei, überaus schwer
zu hüten. Der König geht freundlich darauf ein, und giebt
das Mädchen seiner Tochter zur Gespielin. Einen Monat spä-
ter bei einem Badewallfahrtsfest des Harems taucht Pramati in
der Gangä unter, und schwimmt unter dem Wasser bis zu
einem verabredeten Platz, wo der Alte mit männlicher Kleidung
auf ibn wartet. Der Mädchenputz wird bei Seite gelegt: und
der Alte tritt nun mit Pramati als seinem mitgebrachten Schwie-
gersohne vor den König, seine Tochter zurück zu fordern. Der
Harem ist mittlerweile durch das Ertrinken derselben in der
grölsten Aufregung, die Prinzessin ganz aulser sich, und der
König nun dem Alten gegenüber in der schlimmsten Verlegenbeit.
Schon ist Letztrer im Begriff, sich selbst vor des Königs Pa-
last auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen, da weißs ihn Die-
‚ser noch zu besänftigen, indem er ihm zum Ersatz für die ver-
lorne Tochter die eigne Tochter für den Schwiegersohn zur Ge-
mahlin giebt, und zugleich diesem auch die Regierung überträgt.
So hatte Pramati alle seine Wünsche erreicht: im weitern
_ Verlaufe zog er dann nach Camp um dem Sinhavarman bei-
zustehen.
2
40 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Cap. VI. Mitragupta kommt nun zur Erzählung seiner
Fata. Er war im Lande der Suhma im äufsern Lustgarten der
Stadt Dämaliptä zu einem grolsen Feste gekommen. Von
einem in einer abgelegenen Laube seinen Kummer mit einer
Laute zerstreuenden Jünglinge erfuhr er die Veranlassung des
Festes, wie seiner Traurigkeit. Der Suhma-König Tungadhan-
van hatte dereinst durch die Gunst der Göttin Findhyaväsini
zwei Kinder erhalten, einen Sohn Bhimadhanvan und eine Toch-
ter Kandukävati, unter der Bedingung, dals Jener dem Gemahl
Dieser unterthan sein solle, — dafs ferner sie von ihrem siebenten
Jahre ab allmonatlich am Tage wo der Mond in der Station der
Krittikäs steht, durch einen mit Ballspiel verbundenen Tanz die
Göttin ehren solle, bis sie einen passenden Gatten finden werde, —
und dafs endlich die Wahl ihres Gatten ihr völlig frei stehen
solle: das Fest aber solle den Namen „‚‚das Ballfest” führen.
Dieses Fest nun stehe heute bevor. Er selbst sei mit der
Milchschwester der Prinzessin, Candrasenä, vertraut, die aber
seit einigen Tagen von dem Prinzen (Bhimadhanvan) bestürmt
werde. Das sei der Grund seiner Zurückgezogenheit und
Trauer. Kaum war er zu Ende, da kam das Mädchen selbst
herbei, ihrem Kogadäsa — so heilst der Jüngling — ihre Zärt-
lichkeit und Treue zu versichern, indem sie sich bereit erklärt
mit ihm zu fliehen wohin er wolle, wenn es nöthig werde. Sie
fordert dann Beide auf, ihrer nahenden Gebieterin, zu der sie
zurückeilt, bei ihrem öffentlichen Ballspiel zuzuschauen Mitra-
gupla entbrennt bei ihrem Anblicke sogleich vom Feuer der
Leidenschaft, und sein Anblick erweckt auch in ihr gleiche Glu-
ihen. Am Abend nach dem ausführlich geschilderten Ballspiele
kommt Candrasenä mit der Nachricht davon zu Kogadäsa, um
ihn damit zu erfreuen, denn wenn Mitragupta somit, wie es die
Aussicht hat, König werde, könne Bhimadhanvan unmöglich
sie selbst dem Kogudäsa, Mitragupta’s Freunde, entreilsen.
Eine Spionin des Prinzen hat aber alles dies gehört. Mitra-
gupta wird deshalb auf seinen Befehl im Schlafe überfal-
len, gefesselt, und ins Meer geworfen. Eine Planke, auf die
er von ungefähr stöfst, schützt ihn vor dem Untergange: er
treibt damit am Morgen einem Yavana-Schiffe (p. 147, 15) zu,
u
vom 17. Januar 1859. 41
das unter Anführung eines gewissen Rämeshu Trauben 11) führte.
Dasselbe ward bald darauf durch ein gröfseres und von vielen
kleinen Booten unigebenes Schiff angegriffen, und die Yavana wa-
ren nahe daran zu unterliegen. Da erbot sich Mitragupta, wenn
man ihm nur seine Fesseln lösen wolle, ihnen zu helfen. Er
enterte auch alsbald das feindliche Schiff, und nahm den An-
führer lebendig gefangen. Es war Bhimadhanvan, der nun in
dieselben Fesseln geschlagen ward, die Mitragupta so eben noch
getragen hatte. Das Schiff aber ward durch einen ungünstigen
Wind, der sich plötzlich erhob, weitfort nach einer Insel ver-
schlagen: man legt an, um Wasser und Früchte einzunehmen.
Auch Mitragupta steigt ans Land, wandert auf einem Berge da-
selbst umher, sich der köstlichen Gegend erfreuend, und badet
sich in einem Teiche. Da stürzt plötzlich ein gewaltiger Räxasa
auf ihn zu, und droht ihn zu fressen, wenn er ihm nicht vier
Fragen beantworte. Mitragupta steht ihm kaltblütig zur Rede
und bekräftigt seine Antworten durch vier Erzählungen, die als
Beleg für ihre Richtigkeit dienen sollen (p. 150—65). Der
Räxasa ist dadurch boch erfreut: in demselben Augenblick rich-
ien von der Luft herunterfallende Perlen die Augen Beider in
die Höhe; sie erblicken einen andern Räxasa, der ein sich sträu-
bendes Mädchen mit sich fortschleppt. Mitragupta ruft ihm
erzürnt zu, die Unthat zu lassen, kann aber, da er ohne Waffen
und des Fliegens unkundig ist, nichts weiter thun. Ihm zu
Liebe aber erhebt sich drohend der erste Rä.xasa und nöthigt
den Räuber, seinen Raub aus der Luft herabfallen zu lassen.
Mitragupta fängt denselben unversehrt in seinen Armen auf,
während die beiden Aiäxasa sich gegenseitig im Kampfe vernich-
ten. Als der Prinz darauf das vor Schreck bewulstlose Mäd-
chen an dem blumigen Ufer des Teiches niederlälst, erkennt er
zu seinem Entzücken seine geliebte Kandukävati. Zum Be-
_ wulstsein gebracht durch seine Liebkosungen erzählt sie ihm,
br 1) dräxd, ob etwa entstanden aus g&£? Das Wort findet sich vier-
_ mal im ganapätha zu Pänini: nämlich zu IV, 3, 167 drärdh =dräräyäh
& phaläni. VI, 2, 88 dräräprasthah. 134 drärä als zweites Glied eines Com-
N positums. VIII, 2, 9 drärämant. Die drei ersten süfra gehören zu denen,
- die im bhäshya nicht erklärt sind.
c
42 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
wie sie auf die Nachricht davon, dafs ihr Bruder ihn habe ins
Meer werfen lassen, sich von Hause weggestohlen habe um ihr
Leben zu enden. Da sei ihr plötzlich der Räxasa mit Liebes-
anträgen genaht und habe sie trotz ihres Sträubens entführt.
Mitragupta führt sie nun zum Schiffe, auf welchem sie mit gün-
stigem Winde bald nach Dämaliptä gelangen. Daselbst finden
sie das Volk in der grölsten Bestürzung, demn der alte König
hat sich aus Kummer über den Verlust seiner beiden Kinder mit
seiner Frau und vielem Gefolge an dem Ufer der Gangä nieder-
gelassen, entschlossen durch Hunger das Leben zu enden. Mi-
Zragupta wird natürlich auf das freudigste als Erretter begrülst,
und als Schwiegersohn und Mitregent angenommen, während
Candrasenä mit Kogadäsa vereinigt wird. Als Anführer der
Hülfstruppen für Sinhavarman hat Mitragupta nun auch das
hohe Glück mit seinem Prinzen wieder vereinigt zu werden,
Cap. VIL. Es folgt Mantragupta. Nach dem Kalinga-
Lande gekommen, hatte er sich in einem Walde vor der Stadt,
in der Nähe eines Platzes, der zur Leichenverbrennung diente,
zur Nachtruhe gelegt. Bevor er noch einschlafen konnte, über-
hörte er das Gespräch eines Geisterpärleins, die den Wunsch
ausdrücken, dals die Herrschaft des bösen Zaubrers, dem sie die-
nen müssen, und der sie nie zum Genufse ihrer Freuden kommen
lasse, bald ein Ende finden möge, Neugierig gemacht geht er
dem Klang der Stimmen vorsichtig nach, und erblickt den Zau-
brer, der mit Todtenknochen behängt, mit Todtenasche be-
schmiert, mit blitzförmig um ihn fliegendem Haarputz ge-
schmückt, mit der linken Hand Sesam und weilse Senfkörner
ins Feuer streut. Der dienstbare Geist schafft aul seinen Be-
fehl die Kanakalekhä, Tochter des Kalinga-Königs Kardana
herbei, und der Zaubrer ist eben im Begriff dem weinenden,
wehklagenden Mädchen, das er am Schopfe falst, mit seinem
scharfgewetzten Messer das Haupt abzuschlagen: Ja entreilßst
ihm Mantragupta das Messer und schlägt ihm selbst den Kopf
damit ab, den er darauf in den hohlen Stamm eines nahen Bau-
mes hineinwirft. Der Geist, seiner Erlösung von dem harten
Dienst froh, preist die That und bietet sich als Diener an.
Mantragupta weist bescheiden Lob wie Dienste zurück, und
vom 17. Januar 1859. 43
wünscht von ihm nur, dafs er das zitternde Mädchen wieder in ihr
Gemach zurückschaffen möge. Mit gebrochner Stimme aber Nleht
ihn die Maid an, sie nicht, nachdem er so eben ihr Leben ge-
rettet, aufs Neue dem Tode, durch Liebesgram nämlich, preis-
zugeben, sondern mit ihr zu kommen: der Verschwiegenheit und
Treue ihrer Zofen sei sie sicher. Durch diese Worte selbst
von Verlangen erfalsi, befahl er dem Geiste, zugleich mit der
Prinzessin auch ihn in den Harem zu bringen, und verlebte, da-
selbst verborgen, im Verein mit derselben selige Tage. Als darauf
einst in der heilsen Jahreszeit der Kalinga-König mit seinem
Harem und ganzem Gefolge in einen an der Meeresküste gele-
genen Wald zog, wo das Sprützen der Wogen ans Gestade
Kühlung versprach, ward er mitien im Spiel, Tanz und Gesang
durch die Flotte des Andhra-Fürsten Jayasinha überfallen, und
mit seinem ganzen Hofstaat gefangen weggeführt. Mantragupta,
der im Harem zurückgeblieben, will ganz verzweifeln, schöpft
aber bald neue Hoffnung, als er durch einen vom Andhra-Lande
kommenden Brähmanen hört, dals Jayasinha allerdings um die
Prinzessin freie, dieselbe sei aber von einem Yaxa besessen,
der keinen andern Mann zu ihr lasse, und der König suche da-
her einen Zauberer, den Geist zu bannen. Er holt nun den
damals versteckten magischen Haarputz des erschlagenen Zau-
bermeisters hervor, nimmt auch im Übrigen die Tracht eines
Solchen, so wie Schüler an, die seinen Ruhm verbreiten. So
zieht er nach dem Andhra-Lande, wo der König sich alsbald an
ihn um Hülfe wendet. Der wie er vorgiebt grofsen Schwierig-
keit des Unternehment wegen, bedingt er sich drei Tage zuVor-
bereitungen aus, welche er benutzt um des Nachts eine in Ver-
bindung mit dem Ufer eines Teiches stehende versteckte Höhle
zu graben. Nach Ablauf der dreitägigen Frist weist er sodann
den König an, sich in der folgenden Nacht bei Fackelschein in
_ jenem von ihm nunmehr durch Sprüche geweihten Teiche, der
_ mit Wachen zu umstellen sei, unterzutauchen und auf dem Bo-
den desselben so gut es gehe sich niederzulegen. Die Wachen
_ würden ein leises Geräusch hören und wenn dieses vorbei sei,
F werde der König mit einer neuen, schönen Gestalt aus dem
_ Teiche hervorgehen, vor welcher jener böse Geist, der die
7
44 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Prinzessin besessen halte, sofort weichen werde. Er verab-
schiedet sich zugleich, da er nicht länger, als bereits geschehn,
an einem Orte weilen dürfe und zieht fort. In der Nacht ver-
birgt er sich sodann in jener Höhle, zieht den König, der seinen
Anordnungen gemäls in den Teich hineinsteigt, unter dem Was-
ser in dieselbe hinein, tödtet ihn, verbirgt den Leichnam in
der Höhle, und steigt sodann selbst statt seiner aus dem Wasser
hervor, von den über das Wunder der Gestaltveränderung er-
staunten Wachen freudig begrülst werdend.. Am Morgen ver-
kündet er auf dem Throne sitzend, seine Verwandlung als einen
Beweis der brihmanischen Seherkraft, vor dem das Haupt aller
Ungläubigen sich in Scham verneigen müsse, und befieblt den
brähmanischen Göttern Civa, Yarma und Brahman alle Ehre zu
erweisen,!?) sowie reiche Geschenke zu vertheilen. Durch
eine Zofe seiner Geliebten, die er von ungefähr sieht, }älst er
dieselbe von Allem was geschehn unterrichten, wird entzückt
von ihr aufgenommen, befreit ihren Vater von seinen Fesseln,
und übergiebt demselben die Regierung auch über das Andhra-
Reich, worauf er von ihm dem Sinhavarman zu Hülfe ge-
schickt wird.
Cap. VII. Die letzte Geschichte die des Yigruza ist nicht
vollständig. Derselbe hatte im Findhya-Walde auf die Bitte
eines achtjährigen von Hunger und Durst gequälten Knaben den
in einen Brunnen gefallenen alten Begleiter desselben daraus ge-
rettet, und Beide mit Früchten und Wasser gelabt. Der Greis
berichtet ihm ihr Geschick. „Punyavarman, aus dem Bhoja-
Geschlechte, der weise König von Yidarbha hatte seinem Sohne
Anantavarman ein schönes Reich hinterlassen. Die guten Rath-
schläge seiner Minister macht ein Spötter zu nichte, alle die
verlachend, welche das in der Hand befindliche Gute nicht ge-
nössen, wegen der Fata Morgana der Belohnungen, welche
man ihnen für jene Entsagung in dem Leben nach dem Tode
verheilse: oder welche sich durch ungemessene Verheilsungen
irdischen Erfolges unter die Zuchtruthe weiser Gaukler und Be-
trüger begäben, welche den ganzen Tag eines Fürsten nach be-
1?) Wohl im Gegensatz gegen seinen, etwa buddhistischen ? Vorgänger.
vom 17. Januar 1859. 45
stimmten Geschäften ordneten, ihn mit Mifstrauen aller Art er-
füllten und dabei doch nur das Füllen ihres Bauchs und Säckels
im Auge hätten: er möge lieber sein Leben genielsen und sich an
den Freuden, die ihm so reichlich geboten seien, ergötzen (p.
481— 85). Diesen lockeren Rathschlägen des Finärabhadra
kam bald ein Ankömmling, Candrapälita, der verbannte Sohn
des Indrapälita, Ministers des Agmaka-Königs, weiter zu Hülfe,
dessen Liederlichkeit den König völlig verstrickte. Jagd, Wür-
felspiel, Liebeslust, 'Trunk, Härte in Wort und That, Raub frem-
den Eigenthums — Alles fand in ihm einen beredten Verthei-
diger (p. 189— 90) und er dafür am König einen eifrigen Schü-
ler. Dem Beispiel des Königs folgten seine Diener, schranken-
los alle Gelüste befriedigend und das Land aussaugend. Die
Einnahmen begannen zu versiegen, die Ausgaben aber stiegen
fortwährend. Das ganze Reich gerieth in Verwirrung. Die
Frauen des Harems vergalsen in ihrer Liederlichkeit alle Sitte.
Überall Streit, Unterdrückung der Schwachen, Raub und Elend
(p- 191 —2). Auch die Vasallen und Nachbarn empörten sich
nun, zunächst Bhänwarman, Herr von Fänaväsi, auf Antreiben
des Fasantabhänu, Königs von Agmaka. Anantavarman 208
von Letztrem und andern Vasallen begleitet gegen Jenen aus, an
dem Ufer der Narmadd sich lagernd. Durch die Schändung
der Xmätalorvagi, einer Tänzerin eines seiner Vasallen, des
Kuntala-Fürsten Avantideva, erregte er daselbst in Letzterm sol-
chen Groll, dals es dem Yasantabhänu gelang, denselben nebst
vier andern Vasallen, Firasena Herrn von Murala, Ekavira
Herrn von Ricika, Kurmäragupta Herrn von Konkana und Nä-
gapäla Herrn von Sägikya, zu einer Verschwörung zu vereinigen.
Tags darauf in der Schlacht wandten sie ihre Waffen, statt ge-
gen den Yänaväsi-Fürsten, gegen Anantavarman selbst, der so
seinen Tod fand. JYasantabhänu dann, obwohl an Macht der
geringere, wulste es weiter so einzurichten, dals seine Genossen
_ über die Beute in Streit geriethen, sich gegenseitig vernichteten,
_ und er so dieselbe allein davontrug, dem Bhänuvarman einen
Y Antheil daran gewährend. Es unterwarf sich darauf das ganze
Reich des Anantavarman. Der alte treue Minister Fasuraxita
reltete indels den Sohn Bhäskaravarman — eben den Knaben
f
46 Sitzung der plulosophisch-historischen Klasse
hier — so wie dessen dreizehnjährige Schwester Manjuoädini
und deren Mutter YFasundharä, starb aber bald darauf aus Gram.
Andere Freunde führten dann die Geflüchteten nach Mähish-
mat! zu Mitravarman!?), einem Stiefbruder des Anantavar-
man. Dieser aber machte der Königin unpassende Anträge und
beschlofs, zurückgewiesen, aus Rache ihren Sohn zu tödten.
Aus Furcht davor übergab sie denselben ihm selbst, dem Greise,
ihrem treuen Diener zur Flucht, mit der Hoffnung später ihnen
folgen zu können, wenn sie an einen sichern Ort gelangt wä-
‘ren. So seien sie hier in den Wald gekommen und er bitte
nun für den Knaben um seinen Schutz und Beistand.” Fieruta
giebt sich ihnen, nachdem er nach der Herkunft der Fasundharä
gefragt, als ein Verwandter derselben zu erkennen, da seines
Vaters Mutter die Schwester ihrer Mutter gewesen sei!*) und
verheilst ihnen seine Hülfe zur Wiedervertreibung des Acmaka-
Fürsten. Durch das Fleisch eines Rehs, welches er schiefst,
kräftigt er sodann zunächst die beiden Flüchtlinge wie sich
selbst, und gewinnt dabei durch seine Geschicklichkeit in Zer-
legung und Zubereitung des Rehs die bewundernde Zuneigung
eines Kiräta, mit dessen Bogen er das Thier geschossen hat.
Nach Neuigkeiten aus Mähishmat? gefragt berichtet derselbe,
dals er erst heute da gewesen sei um Tigerfelle zu verkaufen:
die Stadt sei freudig erregt, weil die Ankunft des (Mälava-Prin-
zen) Pracandavarman, jüngeren Bruders des Candavarman, be-
vorstehe, der um die Manjueädin?!?) freien wolle. Yigruta
schickt in Folge dieser Angaben den Greis an die Königin mit
Nachricht und Grufs von ihm selbst und verschiedenen Bot-
schaften und Rathschlägen. Demgemäls giebt sie zunächst vor,
dals ihr Sohn im Walde von einer Tigerin zerrissen worden
sei, und erklärt sich sodann gegen Mitravarman bereit nunmehr
seine Wünsche zu erfüllen. Als er ihr hocherfreut naht, schlägt
13) Wilson hat hier und sonst ’mifrav., d. i. Amitrav., s. indels 201, 4.
1%) Der Grolfsvater des Vigruta wird hier Sindhudatta (p. 195, 14)
während in der Einleitung Padmodbhava genannt (p. 3, 9).
15) Die hier (196, 8) Tochter des Mitravarman heilst! statt: des Anan-
tavarman! Auch die Calcutt. Edit. hat so.
vom 17. Januar 1859. 47
sie ihn aber mit einem Kranze, den sie in Wasser getaucht,
worin sich ein ihr von Figruta geschicktes starkes Gilt (Yatsa-
näbha genannt) befindet, an Kopf und Brust, indem sie ausruft:
„möge dieser Schlag für dich ein Schwertschlag sein, so wahr
ich meinem Gatten die Treue bewahrt halte”. Da er sofort
todt niederfällt, ihre Tochter aber, welcher sie den nochmals in das
Wasser, dem nun freilich ein ebenfalls von Yigruta gesandtes
Gegengift beigemischt ist, getauchten Kranz um den Hals hängt,
unverletzt bleibt, so gilt dies Ereignils als ein Zeichen der Wahr-
haftigkeit ihrer Galtentreue, ohne dals Jemand Arges vermuthet,
und das Volk jauchzt ihr freudig entgegen. Sie schickt darauf
an Pracandavarman eine Aufforderung, die Tochter und mit
ihr das Reich in Besitz zu nehmen, beruft aber heinlich eine
Versammlung der angesehensten Bürger und Minister, denen
sie anvertraut, dals die Göttin Findhyaväsin! ihr heute im
Traume erschienen sei und verkündet habe, dafs am vierten Tage
von heute ab Pracandavarman sterben werde, am fünften Tage
aber aus ihrem an der Revä gelegenen Tempel, nachdem man
ihn untersucht, leer gefunden und verschlossen habe, der junge
Prinz — den sie selbst in Gestalt einer Tigerin geraubt habe,
um ihn seinen Feinden zu entrücken — in Begleitung eines
Brähmanenjünglings hervorgehen werde, welcher letztre das
Reich einstweilen verwalten und die Manjuweädin? als Gemahlin
erhalten solle: sie bittet, das Geheimnils treu zu bewahren,
sich aber vorbereitet zu halten. Yicruta als Bettelbruder ver-
kleidet bringt ihr den Knaben in gleichem Gewande, um ihr die
Freude des Wiedersehens zu machen, um die Manjueädini zu
‚sehen, und sich in der Stadt die nöthige Ortskenntnils zu ver-
schaffen. Darauf legt er das Gewand eines Gauklers an, mischt
‚sich unter die den Pracandavarman mit ihren Spielen erfreuen-
den Tausendkünstler, zeigt verschiedene Kunststücke der Art,
und weils bei einem Messerspiele einen Wurf so geschickt auf
den zwanzig Bogen weit entfernten Fürsten zu richten, dafs
‚derselbe sofort todt niederfällt. Mit dem Ausruf „Fasanzabhänu
r e!6) noch 1000 Jahre” entspringt er, den Verdacht des Mor-
8 16) jivät, eine archaistische Conjunctivform: „vivat!”.
E
48 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
des dadurch auf den Agmaka-Fürsten als Anstifter lenkend, und
nimmt im Walde wieder die Büfsertracht an, sich mit dem Kna-
ben versteckt hallend. Am andern Tage geschieht in der an-
gegebenen Weise die Durchsuchung des Tempels durch die
Königin und ihr Gefolge. Derselbe wird leer befunden und
geschlossen. Jigruta aber hat sich in einer Höhlung, die er
unter dem Götterbilde gemacht hat, mit dem Knaben versteckt,
hebt dasselbe in die Höbe, stellt es wieder richtig auf, und
öffnet nun, Beide in reicher Kleidung, den Tempel von innen,
dem Volke draufsen verkündend, was die Königin bereits vorher
als ihr Traumgesicht erzählt hatte. Das Volk, überrascht und
erstaunt, pries ihn als den Schützer des Bhoja- Geschlechtes
(p- 200, 11): der Knabe erhielt von dem Schulze der Göttin den
Namen A’ryäputra (p. 200, 17) und Alles geschah, wie Figruta
angeordnet hatte. Derselbe übernahm die Regierung und rich-
tete sein Bestreben dahin, in möglichst staatskunstgemäfser Weise
den Kampf gegen den Agmaka-Fürsten vorzubereiten, und zwar
zunächst die Minister des Mitravarman, insbesondere den Arya-
ketu, der wie die Königin aus dem Kogala-Lande stammte, zu
gewinnen, was ihm denn auch bald gelang.
Hiermit bricht das Werk ab. Es fehlt somit theils der
Schlufs der Erzählung des Yigruta, ‚das Gelingen seiner Pläne
gegen den Agmaka-Fürsten nämlich, theils aber auch die zur
Vollendung des Rahmens nöthige Rückführung des ARäjahansa
auf seinen ihm dereinst durch den König von Mälava, welches
Reiches Macht jetzt gebrochen, entrissenen Thron von Magadha.
Ich schliefse hier noch die vier Erzählungen des Mitragupta
an, welche ich oben (p. 41), um den Zusammenhang nicht zu
unterbrechen, ausgelassen habe. Es liegt die Vermuthung nicht
fern, dafs dieselben ihrem Inhalte nach ein von dem Verfasser
vorgefundenes Gut sind.
Die vier Fragen und Antworten lauten: was ist grausam?
Frauenherz! was ist einem Hausbesitzer lieb und zu nutz? sei-
nes Weibes Tugenden! was ist Liebe? Entschlossenheit! was
überwindet Schwierigkeiten? Klugheit! Beispiel dafür sind die
Geschichten der Dhüumini, Gomini, Nimbavati, Nitambavati,
vom 17. Januar 1859. 49
4)17) Im Lande Trigarta waren drei Brüder, wohlha-
bende Hausbesitzer, mit Namen Dhanaka, Dhänyaka, Dhan-
yaka. In Folge eines zwölfjährigen Regenmangels entstand
eine arge Hungersnoth, in der die drei Brüder all ihr Hab und
Gut, Vieh, Dienerschaft, Kinder, die Frauen des ältesten und
mittlern Bruders der Reihe nach verzehrten. Nur Dhdimini, die
Gemahlin des jüngsten war noch übrig, und sollte am andern
Tage verspeist werden. Dhanyaka aber, ihr Gemahl, entfloh,
da er sie zärtlich liebte, mit ihr über Nacht, und gewann, die
bald vom Wege Ermüdete tragend, den Wald. Mit dem eignen
Fleisch und Blut stillte er ihren Hunger und Durst, und traf
nach einiger Zeit, sie immer weiter tragend, auf einen Mann,
der mit abgeschnittenen Beinen, Händen, Ohren und Nase auf
dem Erdboden zuckend dalag. Mitleidig nahm er auch ihn auf
dieSchulter und liefs sich dann mit den Beiden in einem Theil des
Waldes nieder, der reich an Wurzeln und Wild war und in dem er
eine Laubhütte für sie zurecht machte. Er verband dem Ver-
stümmelten die Wunden und pflegte ihn so gut, dafs er wieder
stark und kräftig ward. Einst ging er wieder aus, um Wild
zu suchen, da nahte sich Drumin? dem Krüppel mit Anträgen,
die er zwar zurückwies, dann aber doch von ihr zu erfüllen
gezwungen ward. Als Dhanyaka darauf heimkehrte und Was-
ser wünschte, warf sie ihm, Kopfschmerzen vorgebend, den
Schöpfeimer mit dem Seil zu, damit er sich selbst aus dem Brun-
nen Wasser hole, schlich ihm dann nach und stürzte den zum
‚Schöpfen sich Bückenden kopfüber in das Wasser hinab. Den
Krüppel aber nahm sie auf die Schulter, zog mit ihm als ihrem
Gatten von Land zu Land und gewann sich durch ihre ver-
meintliche Gattentreue Ruhm und Ehren. So wohnte sie einst,
hochgeehrt von dem Könige, in Avanti. Da sah sie den Dhan-
Yaka, den Kaufleute beim Wasserschöpfen gerettet hatten, rief
„das ist der Bösewicht, der meinen Gatten so verstümmelt
hat,” und veranlalste so den König, denselben zum Tode zu
rtheilen. Zur Hinrichtung geführt werdend, rief Dhan-
a, dals seine Strafe eine gerechte sei, wenn auch der, den
° *7) Vgl. Pancatantra IV, 5 pag. 220—22. ed. Kosegarten.
[1859.] 4
50 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
er angeblich verstümmelt habe, dahin aussagen werde. Der
Richter liefs den Krüppel berbeiholen, der sich nun weinend
dem Dhanyaka zu Fülsen warf, und Alles der Wahrheit ge-
mäfs erzählte. Das böse Weib ward darauf auf Befehl des
Königs verstümmelt und den Hunden zum Frals vorgeworfen,
Dhanyaka dagegen gelangte zu hohen Ehren.
2) In der Stadt Känc? im Lande der Dravida war ein rei-
cher Kaufmannssohn Namens Caktikumära, der, ı8 Jahr alt, weil
er sah, dafs weder die Unbeweibten noch die, welche kein
gutes Weib hätten, sich wohl befänden, ein passendes Weib zu
suchen als Wahrsager verkleidet umherzog. Als Solchem
brachte man ihm überall die Mädchen, um ihnen ihr Geschick
zu weissagen, herzu. Wo er dann eine mit guten Anzeichen
Begabte, von gleicher Kaste traf, frug er sie, ob sie ihm mit
einem Reismaafse, das er bei sich trug, ein gutes Essen kochen
könne. Verlacht und verspottet pilgerte er so von Haus zu Haus.
Einst aber sah er im Lande der Ciovi, die auf dem rechten Ufer der X&4-
veri wohnen, ein junges Mädchen, Gomin? mit Namen, welche deren
Amme ihm zubrachte, und deren Körper in allen seinen Gliedern
passende Verhältnisse und alle Glückszeichen (sehr ausführlich
beschrieben) zeigte, so dals sein Herz sich sogleich zu ihr hin-
gezogen fühlte. Er beschlofs aber doch, auch ihr erst seine
Frage vorzulegen. Das Mädchen ging sofort darauf ein, und
es wird nun in sehr ausführlicher Weise beschrieben, wie sie
das Essen herstellte, und ihn bewirthete. Entzückt machte er
sie zu seiner Frau, und auch als solche fuhr sie fort, auf das
Trefflichste für ihn zu sorgen, sein Hauswesen unermüdlich zu
pflegen und durch stete Freundlichkeit — auch gegen eine zweite
Frau, die er sich noch dazu nahm — ihre ganze Umgebung für
sich zu gewinnen, so dafs er durch ihre Tugenden sich im aller-
höchsten Grade beglückt fühlte.
3:18) In Yalabhi, im Lande der Sauräshtra, war ein rei-
cher Schiffsherr, Grihagupta, der seine Tochter Rainavat? an
einen Kaufmannssohn Balabhadra aus Madhumati verheirathete.
Die junge Frau setzte demselben aus jungfräulicher Scham, als
"*) Vgl. Shakespeare’s Ende gut, Alles gut.
vom 17. Januar 1859. 51
sie allein waren, im Dunkel der Nacht, so heftigen Widerstand
entgegen, dafs seine Liebe zu ihr in bittern Hals umschlug,
und er, obwohl er sie noch gar nicht ordentlich gesehen, doch
sich gar nicht weiter mit ihr zu befassen beschlofßs. Die Ver-
lassene ward nun von den Ihrigen und andern Leuten hart ge-
tadelt, und ihr Name spottweise in Nimbavati !?) umgeändert.
Nach einiger Zeit bitire Reue empfindend, sah sie eine alte
wandernde Schwester, die ihr mütterlich zugeihan war, und
klagte ihr heimlich, nach dem Grunde ihres Kummers befragt,
unter Thränen ihre Noth, wie sogar ihre eigne Mutter sie ver-
achte und wie sie nahe daran sei, vor Gram ihrem Leben ein
Ende zu machen: den geheimen Grund ihres Unglücks aber
werde sie doch nie vor andern Ohren kund thun. Die Alte
verspricht ihr, selbst zu Thränen gerührt, ihre Hülfe, wenn sie
irgend ein Mittel wisse, ihren Gatten wieder zu gewinnen: und
richtet das wirklich ihrer Anweisung gemäfs in folgender Weise
aus. Kanakavati!, die Tochter des Nachbarn, eines reichen
Kaufmanns, Nidhipatidatta, war mit Ratnavati innig befreundet.
Zu ihr begiebt sich dieselbe, um reich geschmückt auf ihrem
Söller Ball zu spielen. Da wulste die Alte ihren Gatten gerade
bei dem Hause vorüber zu führen, und Rainavat? warf den Ball
nach ihm. Die Alte nahm ihn und reichte ihm denselben, in-
dem sie sagte, dals Kanakavati, die Tochter des reichen Kauf-
manns und Freundin der Ratnavari, die ihm dieserwegen sehr
grolle, es sei, die den Ball geworfen habe: er möge ihn ihr
nur wieder zuwerfen. So entspann sich ein Liebesverhältnifs,
welches damit endete, dals Balabhadra, in dem Glauben es sei
'Kanakavati, seine Gattin bei Nacht entführte und mit ihr, reich
‚mit Juwelen versehen, in die Fremde zog. Die Nachforschungen
‚der Verwandten nach den Beiden beschwichtigte die Alte damit,
dals sie vorgab, Balabhadra habe gegen sie Reue über seine
grundlose Verstolsung der Ratnavati ausgesprochen, und werde
wohl mit ihr fortgezogen sein. Aatnavati aber nahm unter-
_ wegs eine Dienerin an zum Tragen der Sachen. So gelangten
sie nach Ähetakapura, wo Balabhadra durch seine Klugheit im
r
19) zimba, Melia Azadiracta, mit säuerlichen Früchten.
4*
52 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Handel sich bald ansehnlichen Reichthum erwarb. Jene Die-
nerin nun bekam einst wegen ihrer Faulheit, Unzuverlässigkeit
und Widerspenstigkeit Schelte und Prügel, und rächte sich da-
für durch den Verrath des Geheimnisses, welches sie in der
Zeit ihrer Gunst erfahren hatte, soweit sie es kannte. Der
Polizeiverweser, der etwas babsüchtig war, wandte sich sofort
an die Stadtältesten mit dem Antrage dem Jungfrauenräuber, der
die Tochter des Nidhipatidatta gestohlen habe, sein Eigenthum
zu konfisciren. Balabhadra gerieth darob in gewaltigen
Schrecken: da rieth ihm seine Gattin zu sagen, dals sie gar
nicht Kanakavati, die Tochter des Nidhipatidatta, sondern sein
ehlich angetrautes Weib Aaznavati, Tochter des Grihagupta, sei:
wenn man es nicht glauben wolle, möge man die Verwandten
zur Entscheidung kommen lassen. Grihagupta kam denn auch
bald, Balabhadra ward zu seinem grolsen Erstaunen den wah-
ren Sachverhalt inne und blieb fortab seiner Gattin innig zu-
gelhan.
4)2°) In der Stadt Madhurä im Lande der Gürasena lebte
ein dem Spiel und den Weibern ergebner Bursch, der, weil
seine Faust seinen Freunden bei Schlägereien stets zu Dienste
stand, den Namen Kalahakaniaka (Kampfzacken) erhalten hatte.
Der sah einst in der Hand eines fremden Malers ein weibliches
Bildnifs, das ihn sogleich mit der flammendsten Liebe erfüllte.
Er errieth aus ihren Zügen und der Haltung ihrer Glieder, dals
sie die Gattin irgend eines nicht besonders kräftigen alten
Kaufmanns sein möge. So war es auch. Der Maler nannte
sie ihm als Nizambavati, Gemahlin des Anantakirti in der Avanti-
Stadt Ujjayin’. Unverzüglich machte er sich nun als Wahr-
sager verkleidet auf, sie zu sehen und betrat, um Allmosen bet-
telnd, ihr Haus. Ihr Anblick entflammte seine Leidenschaft
noch mehr, und er sann darauf, wie er sie gewinnen könnte.
Auf seine Bitte erhielt er von den Stadtältesten das Amt, den
Leichenverbrennungsacker zu bewachen. Mit von da genom-
?°) Vgl. Vetäla Pancavingatil. — Ausführlich übersetzt findet sich
diese Erzählung in C. v. Holtei’s Sammlung „Für den Friedhof der
evangelischen Gemeinde in Graz” 1857.
vom 17. Januar 1859. 53
menen Leichentüchern gewann er eine alte wandernde Schwe-
ster, Arhantikä, die er als Liebesbotin an Niz. schickte. Er
ward aber abgewiesen. Auf sein Anstiften ging dieselbe indels
nochmals zu ihr hin, that so als ob sie sie nur hätte auf die
Probe stellen wollen, und versprach ihr zum Lohne für ihre
Gattentreue einen Sohn zu verschaffen. Ihr Gatte sei bisher
unfruchtbar gewesen, weil irgend ein böser Zauber sie gebannt
halte: wenn sie aber heute Nacht in das (Kloster-)Wäldchen
kommen wolle, werde sie einen Spruchkundigen treffen, auf
dessen Hand sie ihren Fuls setzen möge, um ihn von demselben
besprechen zu lassen: mit diesem Fulse müsse sie dann später
ihren sich ihr nahenden Gemahl vor die Brust stolsen, wo-
durch derselbe einen kräftigen Sohn zu zeugen in den Stand
gesetzt werden würde. Nitambavat/ liels sich bethören und
kam. Kalahakantaka aber, der vorher durch die Alte in das
Wäldchen eingelassen war, und sie da erwartete, zog ihr von
dem Fufse, den sie ihm reichte, die eine goldne Spange ab,
ritzte sie mit einem Messer in den Schenkel und lief eilig da-
von. Ihre eigne Thorheit und die böse Alte verwünschend,
wusch Nitambavat? zunächst ihre Wunde in dem Tempelteiche
aus, verband sie, nahm auch die andere Spange ab, und hielt
sich drei oder vier Tage in der Einsamkeit, ihr Lager hütend.
Jener Schelm indessen wandte sich mit der geraubten Spange,
um sie zu verkaufen, an Anantakirti selbst. Dieser erkannte
dieselbe sofort als die seiner Frau, und fuhr ihn hart an, woher
er sie habe. Er blieb dabei, dafs er das nur vor versammelter
Gilde sagen könne. Der Kaufmann liels seiner Gattin ihre
Spangen abfordern, und erhielt von ihr nur die eine, die sie
noch hatte, indem sie ihm schämig und verwirrt sagen liels: die
andre habe sie neulich Abends im Wäldchen verloren, und noch
nicht wiederfinden können. Vor versammelter Gilde sagte dann
Kalahakantaka aus, er habe neulich Nachts bei seinem Amt als
- Hüter des Leichenackers, das er auch bei Nacht ausübe, eine
schöne Frau einen halbverbrannten Leichnam von dem Holz-
EEE
kan
I EEE
stolse zerren sehn, sei darauf zugesprungen, habe sie gepackt,
und sie zufällig mit seinem Messer etwas an dem einen Schen-
kel geritzt: sie sei ihm aber mit Zurücklassung der einen Spange
54 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
entflohen. Die Versammlung war nach einiger Überlegung ein-
stimmig der Ansicht, dals Nitambavati sonach eine Hexe (Cö-
kini) sei, die sich von Todtenfleisch näbre. Von ihrem Gat-
ten deshalb verstofsen, ward sie des Nachts, als sie sich auf
jenem Leichenacker aus Verzweiflung erhängen wollte, von
Kalahakantaka betroffen. Er fiel ihr zu Fülsen, sagte ihr, dals
er allein aus leidenschaftlichem Verlangen nach ihrem Besitze
alles dies angestellt habe, dals er nur in ihr seine einzige Wonne
finde, und brachte es durch seine Schmeicheleien und Betheue-
rungen wirklich dahin, dafs sie, die eben keine andere Wahl
weiter hatte, ihm verzieh und sich ihm zu eigen gab.
Es folgt ein Verzeichnils der mitgetheilten Eigennamen.
rn Pe;
EWR TEN
Agastya 35.
Anga 25 — 27.
Anantakirti 52. 53.
Anantavarman I— 16.
Andhra 43. 14.
Apahäravarman 26—31.
Armitravarman (?) 46.
Ambälikä 25. 30. 31.
Arthapati 27 — 29.
Arthapäla 31 — 38.
Arhantikä 53.
Alakä 35.
Avanti 24 (Pntika). 49. 52.
Avantideva 45.
Avantisundari 24.
Avimuktegvara 3).
Acmaka 145 — 48.
Aryaketu AS.
Aryadäsi 35.
A’ryäputra 18.
Indrapälita 45.
Ujjayini 23. 52.
Upahäravarman 31 — 34.
Ekavira 15.
Ricika 45.
Kanakalekhä 12.
Kanakavati 51. 52.
Kandukävati 10— 12.
Karnisuta 27.
Kardana 12.
Kalahakantaka 52 — 54.
Kalinga 26. 42. 43.
Kalindavarman 32,
Kalpasundar! 32.
Käncl 50.
Käntaka 30. 31.
Käntimati 34— 38.
Kämapäla 31— 38.
Kaämamanjari 27 — 29.
Kämarüpa 32.
Kälayavana 23.
Käver? 50.
Kägi 34.
Kirtisära 25. 26.
Kuntala 115.
Kumäragupta 15.
Kulapälikä 27. 23.
Kusumapura 34.
Konkana 15.
Kocadäsa 0. 42.
Kogala 48.
Xmätalorvagt 45.
Khanati 33.
Khetakapura 51.
Gangä 12.
Grihagupta 50. 52.
Gomin? 48. 50.
Candaghosha 36.
Candavarman 25. 46.
Candasinha 34 — 36.
Candrapälita 45.
Candrasenä 40. 42.
| Campä 25. 27.
Jayasinha 43.
Tärävali 34 — 33.
Tungadhanvan 40.
Trigarta 49.
Tryambaka 38.
Darpasära 26. 37.
Därwarman 24. 25.
Dravida 50.
Dranaka 49.
%
_ Dhanamitra 27 —31.
E Dhanyaka 49.
Dämaliptä 26. 40. 42.
vom 17. Januar 1859.
Nitambavati 48. 52 — 51.
Nidhipatidatta 51. 52.
Nimbavati 48. 51.
Padmodbhava 46.
Pätali 23.
Punyavarman Al.
Pushkarikä 32.
Pushpodbhava 23— 25.
Pürnabhadra 34. 36.
Pracandavarman 46, 47.
Pramati 37 — 39.
Prahäravarman 31. 32.
Priyamvadä 31.
Bandhupala 23.
Balabhadra 50 — 52.
Bälacandrikä 23.
Bhänuvarman 45,
Bhäskaravarman 45.
Bhimadhanvan 40, 4.
Bhoja 44. 48.
Magadha 22. 33. 48.
Manjuvädin? 46 — 48.
Manikarnikä 36. 37.
Manikarnikä, Ort 34.
Manibhadra 35. 38.
Mattakäla 23.
Madhumat? 50.
Madhurä 52.
Mantragupta 42. 43.
Marici 27.
Malaya 35.
Mahäkäla 23. 24.
Mahädevi 25.
Mänasära 21. 24. 25.
Mälava 22. 26. 32. 48.
Mähishmati 46.
Mitragupta 410 —42.
56
Mitravarman 46,
Mithilä 31.
Murala 45.
Yavana 33. 40. 4.
(Käla-)Yavana 23,
Ratnavati 50 — 52.
Ratnodbhava 23.
Rägamanjari 23 —31.
Räjavähana 22—26.
Räjahansa 22. 32. 48.
Rämeshu 41.
Reä 47.
Läta 23.
Lopamudrä 35.
Valabhi 50.
Vasantabhänu 45. 47.
Vasundharä 46.
Vasuruxita 45.
Vänaväst 45.
Fämalocanä 23.
Färänas! 26. 34.
Fikatavarman 31. 32.
Vidarbha 26. 44.
Wideha 22. 26. 31. 32.
Gesammtsitzung
Finayavati 35.
Vindhya 22. 37. 44.
Findhyaväsin? 40. AT.
Pirüpaka 27. 29.
Vigruta 44. 48.
Fihärabhadra 45.
Viraketu 23.
Firasena 5.
Gaktikumära 50.
Civi 50.
Cüdraka 35.
Gürasena 52.
Origälikä 29 — 31.
Grävasti 26. 38. 39.
Samhäravarman 31.
Säcikya 45.
Sinhaghosha 31.
Sinhaghosha, ein andrer 36. m
Sinhavarman 25.
Sindhudatta 46.
Sumati 33.
Suhma 32. 40.
Somadatta 23. 24.
Sauräshtra 50.
20. Januar. Gesammtsitzung der Akademie,
Hr. du Bois-Reymond las: Fortgesetzte Unter-
suchungen über das Verhalten des Muskelstromes
bei der Zusammenziehung.
Hr.:H. Rose trug alsdann eine Mittheilung des correspon-
direnden Mitgliedes der Akademie, Hrn. Hofmann in London,
„zur Kenntnifs der Phosphorbasen” vor.
vom 20. Januar 1859. 57
Phosphorhaltige Harnstoffe.
Die Existenz einer Gruppe wohlcharakterisirter Diamine:
A,
B, N;
G;
ellte die Bildung ähnlicher Körper in der Phosphor-, Arsen -
ind Antimon-Reihe in Aussicht:
A, A, A:
B,ıP, B; UAs, B, VSb,
07 €; SE
s war sogar nicht unwahrscheinlich, dafs sich gemischte Ver-
indungen
A, A, A,
B,inp Bz UNAs B, UPAs
C c, c,
erden erzeugen lassen.
Im Verlauf einer Untersuchung über die Polyammoniake
ind Verwaudtes bin ich auf einige Verbindungen gestolsen,
elche der letzten Gruppe angehören.
Unterwirft man Sulphocyanphenyl der Einwirkung des Tri-
thylphosphins, so erhitzt sich die Mischung zum Sieden, und
starrt beim Erkalten zu einer harten Krystallmasse. Aus siedendem
ither schielst der neue Körper in langen, prachtvollen, orange-
gelben Nadeln an, die in Wasser nnlöslich, in Alkohol aufser-
srdentlich leicht löslich sind. Die Krystalle schmelzen bei 61°.
Jber ihren Schmelzpunkt erhitzt, zersetzen sie sich in mannig-
Itige Produkte, unter denen schon jetzt das Bisulphid der
hosphorbase genannt zu werden verdient. Der neue Körper
st sich leicht selbst in den verdünntesten Säuren; es entste-
ei krystallisirbare Salze von vollendeter Schönheit, aus deren
Lösung auf Zusatz eines Alkali’s die ursprüngliche Substanz wieder
usgeschieden wird. Dieses Verhalten charakterisirt die neue Ver-
bindung als organische Base.
58 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Die Analyse derselben hat zu der Formel:
GC, H,, NPS,
geführt; sie entsteht daher einfach durch Vereinigung gleicher
Äquivalente der Composanten.
C‚,H,NS,+C.H,;,P=C,,H,,NPS,
Sulphocyanphenyl Triäthylphosphin Neuer Körper
Sowohl der Bildungsweise als auch den chemischen Eigen-
schaften nach, gehört dieser Körper in die Gruppe substituirter
Harnstoffe.
Betrachtet man den Harnstoff als ein Diamin
(C, 0;)”
H. h N.
H,
so gäbe die Formel
(GC, 5,)”
(C, H,); } NP
(C, H,)(€C,: H,)
ein Bild des neuen Körpers, d. h. er liefse sich als Harnstoff
betrachten, dessen Sauerstoff durch Schwefel, dessen Wasserstoff
theilweise durch Äthyl und theilweise durch Phenyl vertreten
ist, während für die Hälfte des Stickstoffs Phosphor substi-
tuirt ist. t
Die Bildung dieser Verbindung bietet einiges theoretisches
Interesse, indem sie die Existenz von Harnstoffen beweist, in
denen der ganze Wasserstolfgehalt substituirt ist, deren Vor-
handensein man bisher bezweifelt hat. Auch beansprucht sie
einige Beachtung als Beispiel der aufserordentlichen Persistenz
des Harnstoff-Typus, der sich hier, einer beinahe bis zur Spitze
getriebenen Substitution gegenüber, unverändert erhalten hat.
Die Salze des neuen Harnstoffs, — dem ich keinen Na-
men zu geben wage, — sind leicht krystallisirbar und lassen sich
daher ohne Schwierigkeit in reinem Zustande gewinnen. Sie
sind übrigens wie die Harnstoffsalze im Allgemeinen von nur
geringer Beständigkeit und zersetzen sich unter manichfaltigen
vom 20. Januar 1859. 59
' Einflüssen, in denen sich die Base oder ihre Composanten oder
selbst weitere Zersetzungsprodukte ausscheiden.
Ich habe die Formel des neuen Harnstoffs durch die Ana-
' Iyse einiger seiner Verbindungen controlirt. Das chlorwasser-
; stoffsaure Salz, das bromwasserstoffsaure und das Platinsalz zei-
3
gen die gewöhnliche Constitution.
Chlorwasserstoffsaures Salz C,, H,., NPS, HCl
Bromwasserstoffsaures Salz C,, H,. NPS, HBr
Platinsalz C,; H,, NPS, HCIPıt CI,
Noch verdient bemerkt zu werden, dafs sich der neue Harn-
‚stoff leicht mit Jodmethyl und Jodäthyl vereinigt. Die Methyl-
verbindung krystallisirt in langen goldglänzenden Nadeln.
C,;, H,. NPS,, C,H, J
In das entsprechende Chlorür verwandelt, liefert die Me-
ihylverbindung auf Zusatz von Platinchlorid einen in orange-
gelben Nadeln krystallisirten Niederschlag.
C,; H,. NPS,, C,H, Cl, Pt Cl,.
Bei der Behandlung mit Silberoxyd verwandelt sich die Jod-
verbindung in eine Flüssigkeit von stark alkalischer Reaction, in
der wir das Oxydhydrat eines Diamin-Phosphonium’s
[C: H; ((C, 5)” (C,H,), (C,, H,) Sun 0,
annehmen dürfen. Diese Base aber ist von sehr geringer Be-
ständigkeit, fast im Augenblick ihrer Abscheidung spaltet sie
sich in Sulphocyanphenyl und das Oxydhydrat des Methyltri-
äthylphosphoniums.
Das Sulphocyanphenyl ist nicht die einzige Schwefeleyan-
verbindung, welche sich durch das Triäthylphosphin in einen
Nitrophosphorharnstoff verwandelt. Sulphocyanallyl (Senföl) wirkt
mit grolser Heftigkeit auf Triäthylphosphin. Nach einigen Ta-
gen setzt die dunkel gewordene Mischung grolse wohlausgebil-
dete aber gefärbte Krystalle ab, die ich noch nicht analysirt
habe, die sich aber unzweideutig als eine der vorherbeschriebe-
nen analoge Verbindung charakterisiren, in der Allyl an die
Stelle des Phenyl’s getreten ist.
60 Gesammtsitzung
Ich habe auch das Verhalten des Sulphocyanphenyl’s gegen
das Triäthylarsen geprüft. Allein mit der Phosphorbase vergli-
chen ist das Arsen ein träger Körper. Nichtsdestoweniger setzt
die Mischung nach Verlauf von einigen Tagen Krystalle ab,
welche wahrscheinlich den analogen Nitroarsenharnstoff darstellen.
Hr. Weber gab Nachträge zu seiner Ausgabe (18/49) des
ersten Buches des Üatapatha Brähmana.
Bei meinem letzten Aufenthalte in England im Herbst v. J.
nahm ich die Gelegenheit wahr, die in Oxford befindlichen ac-
centuirten Handschriften dieses Buches M (Mill 121). B und G
(Bodley. Wilson 363 und 364) neu zu vergleichen. Es ist das-
selbe (nebst einem Theile des dreizehnten) das einzige der vier-
zehn Bücher des betreffenden Brähmana, bei dessen Ausgabe
mir keine hiesigen Handschriften zu Gebote standen und bei
dem ich daher blos auf meine im Jahre 1847 gemachte Abschrift,
resp. Collation der eben genannten Mss. beschränkt war. Die
neue Collation nun hat mir eine Reihe nicht unwesentlicher
Verbesserungen ergeben, die ich nebst sonstigen dgl., insbeson-
dere einigen durch Deuterologie im Druck ausgefallenen Stellen,
wie folgt mittheile '):
pag. 1,5 Malta. — Zul. AASTA.— 4,
ASTIEATZITET. — 21 ZITAT? bleibt besser, gegen Sä-
Far (und pag. 181.131). — 6,2% dgI.— Se
12,9. 14 aba) ZEM°, 3. pers. Dual. Conjunct, — 9, 21
RAT Haas ITIT°. — 11, 17-21 der Accent von ST-
<attet ist nicht zu ändern wie pag. 1191 vorgeschlagen: mit
1) Den Accent bemerke ich nur da, wo er fehlt oder zu verbessern
ist. — Vgl. übrigens auch Edit. pag. 134. 1191.
vom 20. Januar 1859. 61
AT (= AI) beginnt der Nachsatz. — 12, 4 TEATKAT-
salat. — 14,22 Agtar Aare Ta. — 15, 08
MEIST. — 16,9 ZIRUTTT IETER; daruna als
oxytonon in BC, (vgl. XII, 4, 4,9;) als paroxytonon in M. —
4 RFaReT M pr. m. BC. (vgl. VIL,5, 2,32.) THFIRAT M
En. 1r earat gut AITgTerTeTeET =-
EIRATTIATE AT EATATET. — 18,0 STTHTETTeT SA-
ab A ars ATagpeeTg Ta AT
AUT. — 20, 9u. 12 AITARTA. — 24,4 das erste KTeIt
hrs streichen: == ı 27,;20 ATSTTATTET. — 28, ı6 IIA-
m. ganıa fort: _ 29, 0 Matstarra
zT RITA AaTtsTaa-.— sl FIZEN ara.
® 33, 1.2 Nat MBC, d.i. Far; EN
ie Edit. — 34,21 Ab & EA AT ist richtig (MBC), nicht
in gar zu ändern wie pag. 134 vermuthet. — 35, 11 [STITTL-
at (MBC) bleibt besser, gegen Säyana. — 17 ats Estzaj
ara. 096, 9 ZErAT mit BC. gegen M. — 37,4 °-
Ara“ — 10 HAT AAIT BC. (& fehle M). —
40, 13 TAT & HACU° bleibt so, mit MBC.Säy. — 41,15
62 Gesammtsitzung
SSTITSIETLETTFTET. — 42,19 FAT nach AIRSITT ist zu
streichen. — 44, ı7 STATT. — 45,7 ARTE MBC,
wohl aber besser mit Säyana wie Edit. — 21 GA at. — 46, |
16 ATATATRA- — 47, 5 AIR — 53, 22 STIER. |
— 55, 10. 11 ZAQTTEITTET nach FEZIET: und TEITER ist zu
streichen. — 20 | & aaa. 5624 TO it niche m
FOIIET zu ändern (wie pag. 1191 vermuthet), 5. hat zu blei- @
ben. — 57, 15 AIAHTE. — 58,2 aba 18-1
— 9 AIFTTEPTET". — 00, 2 AITOT TERRI®. Auf pag. gt
ierig IT vermuthet. — 5 u. 9 °ATEOTATSTTATEIT AerN
at get at SsaTatler ea ae at
get at SsaTatler as ASTam.— 62,2 Alf
Cab DILEIDE — 63,22 3 wc. ZUM). — 65, |
ATATTSEITFT. — 6 FERTTATSaTAHTTeT MSc ist wohl beizu-
behalten. — 21 HAIATAArT°. — 67, 21 ART C sec.
I er FT Cr. ” er 68, 17 "IE? (BC.
Ja m). —- 9omzead.— 70, sur Fr-
alail-. — 9 FAT. — 74,12 STGEAT.— 16
TFTErT° ohne Accent MBC, wohl aber ER: 72, 3 AT-
vom 20. Januar 1859. 63
Mattet MBC (V X) gegen Säyana (V ITT).— 73,15
Aa Sa. — 74,6 ana A.— 76,3 BC
lesen PıratgzaTa (Säy. ZITISTITTT), M. aber wie Edit.
— 5 TARTaZRRd. — 1A MAT. — 20 Se
C sec. ci pr. m. Be, wie Kalk ng 77, ı ATSITet-
ed. — 78, 10 eat AMT. — 1 Raten
AT. — 15 HARTE. — 22 SETTAT ASTA Cpr:m.
ASTTstet 1 EISTTATTETS TEN
fc. AT m. — RB. fehlt von pag. 81,11 bis 87,16). — 2ı
afe: aa. — 85, 16 DIT a TR. — 86,4
IA AIaIRG. — 80,4 RT AT. 90,5 Parmiifer
AR Tarıleremb Tert TARTTle Are. — 93, 16
Aa. - 94, 20 °TAT MAST.— 95, 19 SERTTEI
IT. —
Ich benutze diese Gelegenheit um einen unangenehmen Fehler
in meiner Ausgabe der Yäjas. Samhitä zu verbessern, wo XV, 58
nach SITTIT zu lesen ist [I SATTE 1 EITErT
Meine Übersetzung der Fäj. S., für deren lange Verzögerung ich
in der That um specielle Nachsicht bitten mufs, wird mir zu einer
Retractatio verschiedener anderer Stellen Veranlassung geben.
—
64 Gesammtsitzung
Hr. Dove theilte eine Bemerkung mit über die Tem-
peraturgegensätze dieses Winters auf dem Gebiete
des preulsischen Staates.
Während häufig eine sehr lange Zeit hindurch die Polar-
und Äquatorialströme in ihren uferlosen Betten ihre Richtung
unveränder beibehalten, so dals, während in einem bestimmten
Gebiete intensive Kälte herrscht auf einem daneben liegenden
ebenso eine ungewöhnliche Milde ununterbrochen sich zeigt,
kommen wiederum Jahre vor, und das jetzige ist ein auffallen-
des Beispiel davon, in welchen die Ströme schnell ihre Stelle
verändern, so dafs an demselben Orte die Temperatur häufig auf
und ab schwankt, während wenn man gleichzeitig ein gröfseres
Beobachtungsgebiet ins Auge falst verschiedene Stellen dessel-
ben in der Art ihre Rollen mit einander vertauschen, dafs das
jetzt zu warme nun das zu kalte wird und umgekehrt. Als Be-
leg dafür mögen die mittleren Temperaturen der fünftägigen
Zeiträume vom 22.—?26. November und 17.—21. December
dienen, die im Folgenden zusammengestellt sind. Positive Zah-
len bezeichnen um wie viel die mittlere Wärme (Reaumur) im
Jahr 1858 das zehnjährige Mittel desselben Zeitraums übertraf,
negative um wie viel es darunter herabsank.
22.— 26. Nov. 17.— 21. Dec.
Memel — 0.43 — 7.44
Tilsit — 3.20 — 7.49
Arys — 453 — 7.44
Königsberg — 4.16 — 754
Hela — 2.19 — 5.95
Danzig — 2.41 — 683
Schönberg —., 335 — 7.85
Conitz — al — 7.26
Bromberg — 5.32 — 7.94
Posen — 3.40 — 7.08
Ratibor — 5.86 — 6.55
Breslau — 5.34 — 633
Zechen — 4.20 — 7.18
Görlitz — 5.69 — 215
Frankfurt a. O0. — 4.02 — 4.66
Cöslin — 3.03 — 6.49
Stettin — m — 5.23
vom 20. Januar 1859. 65
22.— 26. Nov. 17. — 21. Dec.
Hinrichshagen — 2.37 — 39
Salzwedel — 2.82 — 121
Berlin — 313 — 2.80
Torgau — 4.73 — 1.33
Erfurt — 855 0.10
Heiligenstadt — 5.17 — 0.17
Gütersloh — 3.00 0.77
Paderborn — 3.30 1.24
Cleve — 4.00 0.71
Cöln — 658 0.26
Boppard — 3.88 0.13
Kreuznach — 824 — 0.45
Neunkirchen — 3.76 1.19
Trier — 6.13 0.66
Im November haben die nördlichen Gegenden fast ihre
rmale Wärme, aber mit der Entfernung von der Ostsee stei-
ee
ert sich die Temperaturerniedrigung immer mehr nach Süden
ind erhält ihr relatives Maximum in Erfurt und Kreuznach an der
südlichen Grenze unsres Beobachtungsgebietes. Im December
ingegen ist die grölste relative Abkühlung in Ostpreulsen, wo
ie vorher die kleinste war und nimmt so schnell nach Westen
hin ab, dafs schon in Erfurt die Grenze des kalten Gebietes
u ist, und das Rheinland bereits im warmen Strome liegt.
ei so schnellem Wechsel kann natürlich keine dauernde Kälte
hervortreten, die als Gegensatz zu Europa sich nun in Nord-
amerika zeigt, wo im Staate New-York am 7. Januar 1859 die
Kälte — 30° R. betrug, während wie mir Lieutnant Bluhm aus
Erzerum schreibt in Kleinasien der Winter ein ungewöhnlich
‚milder ist,
i An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur-
on vorgelegt:
3 Ei uemorie dell’ J. R. Istituto veneto. Tomo V. Venezia 1855. 4.
4tti dell’ J. R. Istituto veneto. T’omo I, no. 8-10. Tomo III, no. 9.
% 10. Venezia 1855—58. 8.
" Atti delle adunanze dell’ J. R. Istituto veneto. Tomo VI. Venezia
1855. 8.
[1859.] 5
!
66 Gesammtsitzung vam 20. Januar 1859. 3
Verhandlungen und Mittheilungen des siebenbürgischen Vereins für Natur-
wissenschaften zu Hermannstadt. Jahrgang 8. und 9, no. 1—6.
Hermannstadt 1857— 1858. 8.
Mittheilungen der k. k. Geographischen Gesellschaft. 1. Jahrgang, Heft
2. 1. Jahrgang, Heft 1.2. Wien 1857—1858. 4. Mit Schrei-
ben des ersten Sekretars der Gesellschaft, Hrn. Foetterle, vom
27. Dez. 1858.
Monumenti ed Annali pubblicati dal Instituto di corrispondenza archeolo-
gica nel 1856. Lipsia (1858). folio.
Bulletino dell’ Instituto di corrispondenza archeologica per l’anno 1856.
Lipsia (1858). 8.
Neues Jahrbuch der Pharmacie. Band 10. Speyer 1853. 8,
Prouhet, Notice sur la vie et les travaux de Mr. Charles Sturm. Paris
1856. 8.
Memorie dell’ J. R. Istituto lombardo di scienze, lettere ed arti. Vol. VII,
fasc. II. Milano 1858. 4.
Alberi, Prima applicazione del pendolo all’ orologio. Firenze 1858. 4.
Sammlung der russischen Reichsgesetze. Fortsetzung. Band 1. Pe-
tersburg 1858. 8. Mit Ministerialreseript vom 17. Jan. 1859.
Alsdann kamen zum Vortrag:
1) ein Rescript des vorgeordneten K. Ministeriums, d. d.
15. Januar dieses Jahres, welches die dem Dr. Philipp Wirt-
gen in Coblenz von der Akademie zur Fortführung seiner Be-
arbeitung einer Flora der Rheinprovinz bewilligten 300 Rthlr.
genehmigt;
Ferner 2) ein gleiches Rescript vom 14. Januar, welches
die zur Ausführung des Registerbandes zum Aristoteles dem Prof.
Bonitz in Wien von der Akademie zur Verfügung gestellten
200 Rthlr. genehmigt;
3) Eine Einladung des Dresdener Gewerbe- Vereins, d. d.
8. Januar, zur Theilnahme bei der Feier des 25jährigen Be-
stehens desselben, welche dadurch zur Kenntnils der daran Theil
zu nehmenden beabsichtigenden Mitglieder gebracht wurde;
4) Eine Empfangsbescheinigung der Naturforschenden Ge-
sellschaft zu Danzig, d. d. 14. Januar, für die Abhandlungen von
1857 und die Monatsberichte vom September 1857 bis Juni
1858;
Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1859, 67
5) Ein an Hrn. Ehrenberg adressirtes von ihm überge-
benes Danksagungsschreiben des Hrn. Ed. de Verneuil in Pa-
ris, d. d. 17. Januar, für seine Ernennung zum correspondiren-
den Mitgliede der Akademie.
‚27. Januar. Öffentliche Sitzung zur Feier
| des Geburtstags Friedrichs des
Grolsen.
# Der an diesem Tage vorsitzende Sekretar, Hr. Trende-
Tenburg, eröffnete die Sitzung mit einem Vortrage: Frie-
drich der Grolse und sein Staatsminister Freiherr
won Zedlitz, eine Skizze aus dem preulsischen Unter-
Tichtswesen.
Auf diese Darstellung, welehe unten abgedruckt ist, folgte
den Statuten gemäls der Bericht über die Personalveränderungen
in der Akademie seit der öffentlichen Sitzung am 28. Jan. v. J.
{ Aus dem engern Kreise der ordentlichen Mitglieder schie-
den durch den Tod Hr. Johannes Müller am 28. April 1858
and Hr. Theodor Panofka am 20. Juni 1858.
An auswärtigen Mitgliedern verlor die Akademie Sir Ro-
bert Brown in London am 10. Juni 1858, Hrn. Friedrich
euzer in Heidelberg am 16. Febr. 1858, ferner das Ehren-
aitglied Hrn. C.J. Temminck in Leiden am 30, Januar 1858,
an korrespondirenden Mitgliedern in der physikalisch - mathemati-
schen Klasse Hın. Karl tzustav Mosander in Stockholm am
15. Oct. 1858, in der philosophisch-historischen Klasse Hrn. Jo-
eph Chmel in Wien am 28. Nov. 1858 und Hro. Giovanni
sirolamo Orti Manara in Verona.
Dagegen ergänzte sich die Akademie durch die Walıl des
n. Theodor Mommsen, bisherigen korrespondirenden Mit-
liedes in Breslau, zum ordentlichen Mitgliede der philosophisch-
istorischen Klasse, der Hrn. Friedrich von Thiersch in
lünchen und Franz Neumann in Königsberg, bisheriger Cor-
espondenten, zu auswärtigen Mitgliedern, des Radscha Radha-
£ anla Deva in Calcutta zum Ehrenmitgliede, der Hrn. Her-
5
: 5
b
mann Abich in St. Petersburg, Michel Chasles in Paris,
Edcuard de Verneuil in Paris zu korrespondirenden Mit-
gliedern in der physikalisch-mathematischen Klasse, der Hrn. Pe-
ter von Chlumecky in Brünn, Philippe Le Bas in Paris,
GeorgRosen in Jerusalem, Anton Schiefner in St. Peters-
burg, Aloys Sprenger in Heidelberg, Andreas Upström in
Upsala, Natalis de Wailly in Paris zu korrespondirenden
Mitgliedern in der philosophisch-historischen Klasse.
68 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Hr. Homeyer schlofs die Feier mit einem Vortrag über
die Genealogie der Handschriften des Sachsenspie |
gels.
Er legte zunächst die Bedeutung derartiger Untersuchun-
gen für die deutschen Rechtsbücher überhaupt, als Vorarbeiten
zu deren Herausgabe dar, und gab dann eine Übersicht der Klas-
sen, Ordnungen und Gruppen, in welche die Texte des Sachsen-
spiegels nach dessen Entwicklungsgang sich scheiden lassen.
31. Januar. Sitzung derphysikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. du Bois-Reymond las über die Abhängigkeit
der Grölse der secundär-elektromotorischen Wir-
kung innerlich polarisirbarer Körper von deren Di-
mensionen.
Die wichtige Rolle, welche die innere Polarisation bei ge-
wissen thierisch-elektrischen Erscheinungen spielt, hat mich
veranlalst, dieselbe noch nach mehreren Richtungen weiter zu
verfolgen, als dies in meiner ersten Mittheilung darüber ') ge-
schehen ist. Unter anderen ward es mir wünschenswerth, eine
deutliche Vorstellung davon zu erlangen, wie die Dimensionen
1) Diese Berichte, 4. August 1856. S. 450, — Moleschott’s Un-
tersuchungen zur Naturlehre des Menschen und der Thiere. 1858. Bd. IV.
S. 158.
vom 31. Januar 1859. 69
des innerlich polarisirbaren Körpers auf die Stärke der secundär-
elektromotorischen Wirkung einfliefsen. Offenbar muls das Ver-
hältnils ein sehr verwickeltes sein, insofern nämlich der Wider-
stand der innerlich polarisirbaren Körper stets ein grolser im
Vergleich zu dem der Säule und des Multiplicators ist, die ur-
sprüngliche und die secundäre Stromstärke folglich schon in die-
ser Weise von den Malsen jenes Körpers abhängen; zweitens
bei wachsendem Querschnitt des innerlich polarisirbaren Körpers
die Dichte des gleich stark gedachten ursprünglichen Stromes
darin abnimmt, die secundär elektromotorische Kraft aber unzwei-
felhaft nicht mit der ursprünglichen Stromstärke, sondern viel-
mehr mit dieser Dichte nach irgend einem Gesetze wächst.
Um einigermalsen die Folgen dieser verschiedenen Abhän-
gigkeiten zu übersehen, wollen wir gewisse einfache Voraus-
seizungen machen, wodurch wir in Stand gesetzt werden, uns
der Rechnung zu bedienen.
= Es heilse nämlich
3 E die elektromotorische Kraft der Säule, die den ursprüng-
lichen Strom liefert;
S der Widerstand des Säulenkreises gemessen bis zum in-
erlich polarisirbaren Körper;
M der Widerstand des Multiplicatorkreises ebenso gemessen;
q der Querschnitt jenes prismatisch gedachten Körpers;
L die Länge desselben gemessen zwischen den den Grund-
Hächen des Prisma’s angelegten Endbäuschen des Säulenkreises;
) mL, worin m eine Constante <1, seine Länge gemessen
zwischen den Keilbäuschen des Multiplicatorkreises;
3 & der Widerstand desselben für die Einheit der Länge und
des Querschnittes;
endlich z die Dauer der Schliefsung des ursprünglichen
Stromes.
_ Die Stärke des ursprünglichen Stromes wird sein
- E
’ IT = ———. I
in SS cL ®
z}
"Wir wollen annehmen, die im durchströmten Körper im Augen-
blick der Öffnung des Säulen- und Schliefsung des Multiplicator-
70 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
kreises (die als gleichzeitig betrachtet werden) gegenwärtige u 1
im letzteren Kreise wirksame Summe E’ secundär - elektromotori-
scher Kräfte sei 1. der Dauer des ursprünglichen Stromes, 2. sei-
ner Dichte, beides zwischen gewissen Grenzen, 3. der Länge der
in’s Auge gefalsten Strecke mZ einfach proportional. Da die
Dichte = dem Quotienten aus dem Querschnitt in die Strom-
stärke, so wird also E’ dem Querschnitt, innerhalb gewisser
Grenzen, umgekehrt proportional sein.
Dies scheint ganz unverfänglich, doch ist zweierlei dazu zu
bemerken. Erstens muls man sich den innerlich polarisirbaren
Körper von sehr gestreckter Gestalt denken, damit man ohne
merklichen Fehler E’ der Strecke mZ proportional setzen könne,
weil nämlich die Ableitung zum Multiplicatorkreise nicht von
den Grundflächen des Prisma’s aus, sondern mittelst der Keil-
bäusche geschieht, in welche sich die Stromescurven hineinbie-
gen müssen, so dals ein Theil der zunächst den Ableitungsstel-
len ihren Sitz habenden elektromotorischen Kräfte nicht zur
Wirkung kommt. Für's Zweite sind Gründe vorhanden anzu-
nehmen, dafs die in einem (uerschnittselement erzeugte secun-
där-elektromotorische Kraft im Multiplicatorkreise nur mit einem
Theile wirkt, welcher nicht unabhängig ist von dem Querschnitt
des innerlich polarisirten Körpers, von seiner Länge, und vom
Widerstande des Multiplicatorkreises.
Sieht man von diesen Umständen ab, so hat man also
v
I ‘
E=-—n.t.— .ml.
gq i
Setzt man hierin für Z dessen Werth aus (I), so erhält man |
5 E mL \
= n.tı —— 0. —
g + cL q f
q j
Unter der schon erwähnten Voraussetzung einer sehr gestreck-
ten Gestalt des innerlich polarisirbaren Körpers ist der Wider-
stand desselben zwischen den Keilbäuschen ohne merklichen Feh-
ler zu setzen
moL
7
vom 31. Januar 1859. 71
Es ergiebt sich folglich für die im ersten Augenblick der Schlie-
fsung des Multiplicatorkreises stattfindende Stromstärke der Aus-
druck
E mL
S+ oL gg = Yizo
Baruk arn
Wie man sieht, kommen in diesem Ausdruck die Dimensionen
I!’ =—n.t.
(I)
‚des polarisirbaren Körpers Z und g nur zusammen und zwar
dergestalt verbunden vor, dals sie den Widerstand des Körpers
angeben, insofern derselbe von den Dimensionen abhängt. Lielse
man daher Zund g in gleichem Verhältnils sich verändern, so dals
L
—_r= const.,
7
so würde die im ersten Augenblick stattfindende secundär - elek-
tromotorische Wirkung dieselbe bleiben, welches auch der Werth
von Z und q wäre.
Ein Ergebnils, welches auch ohne Rechnung einleuchtet.
Bleibt nämlich der Widerstand des innerlich polarisirbaren Kör-
(pers unverändert, so bleibt dies auch die Stärke des ursprüng-
lichen Stromes, und ebenso der Widerstand des secundären Krei-
ses, d. h. des Kreises, der aus jenem Körper und dem Multipli-
catorkreise besteht. In dem Mafse, wie der Querschnitt wächst,
nimmt freilich, bei sich gleich bleibender Stärke des ursprüng-
lichen Stromes, die Dichte dieses Stromes im Querschnitt und
“folglich die secundär-elektromotorische Kraft im Längenelemente
ab. Allein da in demselben Malse die Länge wachsen soll, so
bleibt schliefslich E’, die Summe der secundär-elektromotorischen
Kräfte, constant, und bei sich gleichbleibendem Widerstande des
secundären Kreises also auch die Stärke der secundär-elektrömo-
törischen Wirkung im ersten Augenblick.
Denken wir uns nunmehr r veränderlich und untersuchen
die Function 7’=f (r), so zeigt sich, dals dieselbe für r=0 und
r=00 verschwindet und dazwischen ein Maximum hat für
wenn also $=M und m = 1, für
72 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
oL
err=—=S=M,
q
oder für den Fall, dafs der Widerstand des innerlich polarisir-
baren Körpers gleich ist dem des Säulen- und dem des Multi-
plicatorkreises. Geben wir $S und M ihre allgemeine Bedeutung
wieder, denken uns g beständig, und nur Z veränderlich, so fin-
det ein Maximum statt für
Umgekehrt bei beständigem Z und veränderlichem g für
m
su a)
a—aE
Bemerkenswerth ist noch, was sich ereignet, wenn man
sich denkt, dafs der Widerstand des Säulen- sowohl als des Mul-
tiplicatorkreises verschwindet gegen den des innerlich polarisir-
baren Leiters, und umgekehrt. In beiden Fällen hört die Func-
tion Z’=f(r) auf, ein Maximum zu besitzen. Im ersten Fall
nämlich wird sie
ntE
I’=—-,
Q
e°.r
im zweiten
‚ mntE.r
I = Zu RL (IV)
Die Stärke der secundär-elektromotorischen Wirkung wird also
im ersten Falle dem Widerstand des polarisirbaren Leiters, so-
fern er von dessen Dimensionen abhängt, umgekehrt, im zwei-
ten gerade proportional sein.
Es wäre nun von hohem Interesse gewesen, die wichtig-
sten unter diesen Schlüssen durch den Versuch zu prüfen, theils
um die Gestaltung des Phänomens unter den fraglichen Um-
ständen wirklich zu erkennen, theils um sich von dem Mals von
Wahrheit und Irrthum in den gemachten Voraussetzungen zu
überzeugen. Dies würde indessen für's Erste erfordert haben,
dafs diese Versuche in messende umgewandelt würden, wozu die
Beseitigung der Polarisation der Platinenden des Multiplicator-
vom 31. Januar 1859. 73
kreises und die Anwendung eines wirklichen galvanometrischen
Melswerkzeuges, statt des Multiplicators für den Nervenstrom,
oder Graduirung des letzteren, vor Allem nöthig geworden wä-
ren. Für’s Zweite ist aber noch zu beachten, dafs der Ausdruck
(IT) die Stärke der secundär -elektromotorischen Wirkung unter
den gemachten Voraussetzungen genau nur im ersten Augenblick
nach der als gleichzeitig betrachteten Öffnung des Säulen- und
Schlielsung des Multiplicatorkreises darstellt. Zur Bewährung
dieser Formel und der daraus abgeleiteten Schlüsse könnte folg-
licb nur geschritten werden mit Hülfe der von Hrn. Poggen-
dorff für das Studium der secundär--elektromotorischen Erschei-
nungen empfohlenen und zwar äufserst schnell bewegten Wippe,
etwa in der Gestalt, die Hr. Siemens derselben ertheilt hat.?)
Obschon ich nun dies Alles für nicht unausführbar hielt, so
würde es doch auf alle Fälle ein so weit aussehendes Unterneh-
men geworden sein, dals ich vor der Hand davon abstehen zu
müssen glaubte. Ich habe mich damit begnügt, von jenen Schlüs-
‚sen solche durch den Versuch zu bestätigen, welche dazu keine
eigentlichen Malsbestimmungen erfordern, wobei ich also aufser
Acht lassen durfte erstens, dals die bei Schliefsung des Multi-
| plieator- nach Öffnung des Säulenkreises erfolgende Summe se-
eundär-elektromotorischer Wirkungen auf die Nadel der Gröfse
_ der im ersten Augenblick stattfindenden secundär- elektromotori-
‚schen Kraft möglicherweise nicht einfach proportional ist; und
zweitens, dals wenn auch diese Proportionalität stattfände, der
Ausschlag der Nadel doch nicht entfernterweise ein getreues
Mals jener Summe liefert. Sogar von solchen Prüfungen habe
ich übrigens nur den allerkleinsten, wenn auch wichtigsten
Theil bisher anzustellen vermocht.
Il. — = const.
Ein Punkt, der zunächst zur experimentellen Bestätigung
einlud, war das oben der Formel (II) entnommene Ergebnifs,
dafs die Grölse der secundär-elektromotorischen Wirkung von
?) Vgl. Poggendorff’s Annalen der Physik und Chemie. 1844.
Bd.LXI. S. 586; — 1857. Bd. CHI. S. 70,
74 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
der Länge und dem Querschnitt ganz unabhängig sei, wenn
nur das Verbältnils beider beständig bleibe.
Ich liefs von einem geschickten Tischler aus demselben
Stück Weilsbüchenholz fünf Paar Stäbe von verschiedener Gröfse
schneiden, an denen diese Bedingung möglichst genau erfüllt
war. Dieselben besalsen nämlich (in rheinischen Zollen) fol-
gende Malse:
| I | 10 | II. | IV | V
Lä nge | qr | gr | ar | dr 6"
2 x ai En x zu % ” x a =” x % % ” x Ei
Querschnitt | _ ı 2 3 an ar 6
—an =,0 = 40 =40 =,0
Diese Stäbe wurden in destillirtem Wasser gesotten, bis
sie untersanken und anzunehmen war, dafs sie alle auf allen
Punkten gleichmäfsig damit durchtränkt seien. Die Stäbe wur-
den, bei den folgenden Versuchen, um ihnen den ursprünglichen
Strom zuzuleiten, mit ihren beiden Enden zwischen die Zulei-
tungsbäusche der Säule eingeklemmt. Die Enden waren, wie
ich es häufig bei diesen Versuchen ihue, um das Eindringen des
Kupfersalzes zu verhindern, mit Schildern aus Modellirthon be-
kleidet. Der Modellirthon ist zwar selbst innerlich polarisirbar, ?)
indessen verschwinden die secundär-elektromotorischen Wirkun-
gen, deren er fähig ist, gegen die des Holzes sogar bei gleichen
Dimensionen; vollends mulste dies hier der Fall sein, wo die
Dicke der Thonschilder gegen die Länge der Stäbe, mit Aus-
nahme vielleicht des kürzesten, kaum in Betracht kam.
Die grölstmögliche Dünne der Schilder war übrigens noch
durch eine andere Betrachtung geboten. Durch die Einführung
derselben in den Säulenkreis geht der erste Factor des Nenners
in (II) über in
ZEN WEGE,
SS — + —
q q
wo r den eigenthümlichen Widerstand des Thons, A die Dicke |
des Thonschildes bezeichnen. Da in dem hinzugetretenen Gliede
®) S. diese Berichte, 4. Aug. 1856. S. 455.
vom 31. Januar 1859. 75
der Querschnitt des innerlich polarisirbaren Körpers nicht mehr
mit der Länge zusammen in der Art vorkommt, dafs dadurch
der Widerstand jenes Körpers ausgedrückt wird, insofern er von
den Dimensionen abhängt, so würde, wenn dieses Glied einen
grolsen Einfluls ausübte, die Schlufsfolge, auf deren Bestätigung
im Versuch es hier abgesehen ist, in ihren Vordersätzen unter-
graben werden. Es muls also darauf geachtet werden, dafs
27% :g möglichst klein sei, was, da r durch die Natur der Dinge
und g durch den angewandten Stab gegeben sind, nur dadurch
geschehen kann, dals man % möglichst klein, d. h. die Thon-
schilder möglichst dünn nimmt.
Um die secundär-elektromotorische Wirkung von den
Stäben abzuleiten, wurden denselben die mit doppelten Ei-
weilshäutchen bekleideten Schneiden der Keilbäusche angelegt;
wenn die Stäbe nicht quadratisch waren, der einen breiten Seite,
allen aber an zwei im Voraus bezeichneten, von ihren beiden
Enden gleich weit entfernten und zwar so gewählten Stellen,
dsm=%.
Einige Vorversuche lehrten, dafs, um am Multiplicator für
‚den Nervenstrom einen Ausschlag von passender Gröfse durch
die secundär-elektromotorische Wirkung dieser Stäbe zu erhal-
_ ten, der Durchgang des Stromes von zehn Grove’schen Ele-
menten während eines gewissen durch das Uhrwerk‘) abge-
messenen Bruchtheils einer Secunde genügte, dessen ahsoluten
Werth ich noch nicht kenne und daher vorläufig mit ' ‚„” bezeichne.
Diese Anordnung wurde beibehalten, da anzunehmen war, dafs
der Widerstand der mit destillirtem Wasser getränkten Stäbe
noch immer grols genug war im Vergleich zu dem der zehn-
gliederigen Grove’schen Säule, damit nicht eine Annäherung
an den durch (IV) ausgedrückten Zustand stattfinde, während es
aus Gründen, die ich hier noch nicht erörtern mag, zweckmälsig
schien, die Schlielsung des Säulenkreises möglichst kurz dauern
zu lassen.
Die Stärke des ursprünglichen Stromes, die begreiflich mit
allen Stäben dieselbe sein mulste, wurde durch den Ausschlag
*) S. diese Berichte, 17. Juli 1856. S. 395.
76 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
bestimmt, den derselbe an einer Tangentenbussole mit Spiegel-
ablesung hervorbrachte. Der Spiegel schwang so viel schneller
als das Nadelpaar des Multiplicators für den Nervenstrom, dafs
es keine Schwierigkeit hatte, zuerst den Ausschlag durch den
ursprünglichen Strom, dann den durch die secundär-elektromo-
torische Wirkung zu beobachten.
Es wurden nun nach einander, jedoch ohne in Bezug auf
die absolute Grölse der Stäbe irgend eine Ordnung zu beob-
achten, mit jedem der beiden zu einem Paar gehöriger Stäbe
vier Versuche angestellt. Bei zweien ging der Strom in der
einen, bei den beiden anderen in der anderen Richtung, durch
die Stäbe. Die Zahlen in der folgenden Tabelle sind demnach
Mittel aus acht Ablesungen. Die Zahlen in der mit U bezeich-
neten wagerechten Reihe sind die Ausschläge durch den ursprüng-
lichen Strom, die in der mit $S bezeichneten die durch die se-
cundär-elektromotorische Wirkung.
Be Ba Pi ee ni
| het ee
8 A| 5er are]
Die Zahlen der zweiten Reihe stimmen zwar nicht besonders, in-
dem die unter II und III eine etwas grolse Abweichung vom
Mittel zeigen. Da aber die Zahlen der ersten Reihe in dem-
selben Sinne abweichen, so ist klar, dafs in diesen Fällen, aus
irgend einem Grunde, das Product aus Stärke in Dauer des ur-
sprünglichen Stromes beziehlich gröfser oder kleiner war als sonst.
Erwägt man, dafs während die absoluten Dimensionen der Stäbe
so aulserordentlich wachsen, die Zahlen, welche die ungefähre
Gröfse der secundären Wirkung bemessen, sich beinahe gleich
bleiben, und höchstens spurweise eine Abnahme nach der Rich-
tung der wachsenden absoluten Dimensionen erkennen lassen ;
nimmt man hiezu die zahlreichen Fehlerquellen, als da sind ver-
schiedene Leitungsfähigkeit und Polarisirbarkeit des Holzes, ra-
scheres Austrocknen der Stäbe von kleinerem Querschnitt, ver-
schiedene Leitungsfähigkeit und Dicke der Thonschilder, ver-
vom 31. Januar 1859. 77
schiedene Dauer der Schliefsung des Säulenkreises (da das Uhr-
werk bei so kurzen Zeiträumen etwas weniger verläfslich arbei-
tet), verschiedenes Anlegen der Keilbäusche, Austrocknen der
Eiweilshäutchen und Eindringen des Salzes in dieselben, u. d. m.:
so gelangt man zu dem Schlusse, dals das theoretisch vorherge-
sehene Gesetz sich im Versuch hinreichend bewährt habe um
annehmen zu können, dafs es nicht allzuweit von der Wahrheit
abweiche. In diesem Schlusse wird man noch bestärkt durch
die Wahrnehmung, zu der uns alsbald Gelegenheit werden wird,
wie rasch und gesetzmälsig die secundär-elektromotorischen Wir-
kungen sich verändern, sobald nicht blofs die absoluten, sondern
‚auch die relativen Dimensionen des innerlich polarisirbaren Kör-
pers sich verändern.
4
U. Maximum in Bezug auf Z.
5 Demnächst versuchte ich nämlich jetzt, das durch die
rechnung verkündigte Maximum der secundär-elektromotorischen
Wirkung in Bezug auf den Leitungswiderstand des innerlich po-
larisirbaren Körpers, sofern er durch die Dimensionen bestimmt
wird, nachzuweisen, und zwar zuerst indem ich, bei beständigem
Querschnitt, allein die Länge wachsen liels. Zu diesem Zweck
brachte ich auf der einen schmalen Seite der in der vorigen
Versuchsreihe mit V bezeichneten, 6” = 156.9”” langen, mit
destillittem Wasser getränkten weilsbüchenen Stäbe, eine will-
riche Theilung an, deren Grade beiläufig sehr nahe = 2””
ren. Der Stab wurde mit dem einen Ende eingeklemmt, so
dafs er wagerecht frei schwebte. An die eine seiner dabei senk-
Bet: gestellten breiten Seitenflächen wurden die mit doppelten
_ Eiweilshäutchen bekleideten Keilbäusche des Säulenkreises, an die
andere, jenen genau gegenüber, die des Multiplicatorkreises ge-
legt, so dals also m hier =1 war. Der ursprüngliche Strom
wurde von nur fünf Grove’schen Elementen geliefert. Die
R "Dauer der Durehströmung war auch hier nur an A ”. Ich gebe
Sie Zahlen einer Versuchsreihe, in Mitteln aus zwei Beobach-
ingen mit verschiedener Richtung des ursprünglichen Stromes.
78 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
| ®o |
en ee 1 rt
15 | 3 | 392 | 262 | 24 | 350 | 22.0
20 | + | 342 | 320 | 23 | 31.7 | 305
35| 5 | 355 | 305 | 2 | 275 | 317
soo | 6 | 237 | 30.0 | 2ı | 220 | 30.2
BR ee
40] 8] 19:74] 29.2] 19° | 19:20] 26:5
5 | 9 7167], 260 7 18 RT
50 | 10 | 160 | 255 | 17 | 155 | 242
u BET IT DIEET I De EI
se 1 RP er ra
EITIOH TORE ae RK AU RR TR RR rt
In dieser Tabelle zeigt die erste Columne (Z) die zwischen
den beiden Paaren von Querbäuschen begriffenen Längen des
feuchten Holzstabes in Graden jener willkürlichen Theilung an;
die zweite und fünfte (No.) enthalten die Nummern der Ver-
suche; die mit $S und U bezeichneten haben dieselbe Bedeutung
wie in der vorigen Tabelle. Beim Verfolgen der Versuchsnum-
mern bemerkt man dals ich zuerst Z von 5 bis auf 80° wach-
sen und dann wieder bis auf 5° sinken liels. Dies hatte zum
Zweck die Veränderungen der verschiedenen Theile der Vor-
richtung, die während der mehrere Stunden langen Dauer des
Versuches nicht wohl zu vermeiden waren, unschädlich zu ma-
chen. Man sieht, dafs unserer Vorhersicht gemäls, ein Maximum
der secundär-elektromotorischen Wirkung in Bezug auf die Länge
des innerlich polarisirbaren feuchten Leiters wirklich stattfindet.
Dasselbe liegt zwischen den Längen 20° und 35°. Die Aus-
schläge schwanken hier so wenig, dafs ihre Unterschiede inner-
halb der Grenzen bleiben, zwischen denen sie sich auch ohne
Veränderung der Länge zeigen würden, wenn die Keilbäusche
vom 31. Januar 1859. 79
mehrmals entfernt und wieder hinangeschoben worden wären,
Jenseits des Maximums nimmt die secundär- elektromotorische
"Wirkung weit langsamer ab, als sie diesseits desselben anstieg.
Ähnliche Versuche wit gleichem Erfolg, wenn auch nicht
so wohl ausgesprochener Gesetzmälsigkeit der Zahlen, habe ich
auch noch mit dem oben $. 76 mit III bezeichneten Stäbepaar
angestellt.
III. Maximum in Bezug auf g.
4 Nunmehr handelte es sich darum, das Dasein eines Maxi-
mums auch in Bezug auf g, bei beständig gehaltenem Z, nach-
zuweisen. Dies hatte sehr viel grölsere Schwierigkeiten. Erstens
giebt er keineArt den Querschnitt des innerlich polarisirbaren feuch-
ten Leiters mit solcher Leichtigkeit zu verändern, wie die beim Ver-
‚such in Betracht kommende Länge desselben, und zweitens wird
‚der Vergröfserung des Querschnittes durch die Malse der Bäusche
‚sehr bald eine nicht zu überschreitende Grenze gesetzt, wenn
nicht ganz andere Einrichtungen nöthig werden sollen.
Zuerst schnitt ich aus grolsen Kartoffeln Prismen von un-
gefähr 40°” Länge und möglichst grolsem Querschnitt, klemmte
‚sie, an ihren Grundflächen mit möglichst dünnen Thonschildern
‚versehen, zwischen die Zuleitungsbäusche der Säule ein, und legte
ihnen die mit doppelten Eiweilshäutchen bekleideten Keilbäusche
des Multiplicatorkreises an. Es zeigte sich, dals bei 1” langer
Dauer des ursprünglichen Stromes dreilsig Grove’sche Glieder
nothwendig waren, um am Multiplicator für den Nervenstrom
eine secundär-elektromotorische Wirkuug von passender Stärke
zu erzeugen. Ich spaltete nun das Prisma der Länge nach, be-
obachtete abermals die secundär-elektromotorische Wirkung, und
so fort, bis ich das Prisma auf einen ganz dünnen Streifen des
Kartoffelgewebes zurückgeführt hatte. Allein nur in seltenen
Fällen gab sich, und auch nicht ganz überzeugend, anfangs eine
Verstärkung, und erst später eine Schwächung der Wirkung in
Folge der Verdünnung des Prisma’s kund. Nur das zeigte sich
allerdings, dals von einer gewissen Grenze an die Wirkungen
mit weiter wachsender Dicke nicht mehr merklich zunehmen.
Unter der Voraussetzung, dals ein Maximum wirklich vorhanden
und die Formel (III) richtig sei, war es deutlich, dafs dasselbe
80 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
in diesen Versuchen nicht erreicht werden konnte, weil die
Bäusche sowohl, als die Kartoffeln, vermöge ihrer absoluten Dir
mensionen, nicht die Anwendung eines Prisma’s von solchem
Querschnitt erlaubten, dafs die in (III) ausgesprochene Bedin-
gung erfüllt würde. Es konnte aber, von den im Zähler ste-
henden Factoren dieses Ausdrucks, & naturgemäls nicht verklei-
nert werden, Z aber deshalb nicht, weil alsdann die Gesetze
der linearen Stromvertheilung auch nicht mehr annähernd an-
wendbar gewesen wären, und weil dadurch die secundär-elektro-
motorische Wirkung selber zu sehr geschwächt worden wäre.
Aus demselben Grunde kann die Verkleinerung von m nicht
viel helfen, die ich übrigens fruchtlos bis zum= % trieb.
Eben so unglücklich war ich mit aus Thon gekneteten
Stäben von verschiedenem Querschnitt, und mit balkenförmigen
Fliefspapierbäuschen, die mit destillirttem Wasser getränkt waren,
und von denen ich Schicht um Schicht ablöste um ihren Quer-
schnitt allmälig zu verkleinern. Indessen führte mich dieser
letziere Versuch auf den Gedanken der Methode, mit deren Hülfe
es mir zuletzt doch gelang, das Maximum der secundär- elektro-
motorischen Wirkung auch in Bezug auf den Querschnitt dar-
zuthun.
Es war nämlich klar, dals es sich darum handelte, einen in-
nerlich polarisirbaren Körper von geringerem eigenthümlichen
Widerstande zu haben, als Kartoffelgewebe, Thon, Fliefs-
papier mit Wasser getränkt. Ein solcher ist das mit einer
Salzlösung getränkte Holz, welches sich damit noch immer,
obschon bei weitem nicht so stark wie mit Wasser, kräftiger
secundär - elektromotorischer Wirkungen fähig zeigt.) Die An-
wendung des Holzes bot aber eine doppelte Schwierigkeit. Er-
stens die, es vollkommen gleichmälsig mit der so schwer darin
eindringenden Salzlösung zu tränken, zweitens die, dals man
nicht weils, wie man den Querschnitt nach Belieben veränder-
lich machen könne. Denn daran, ein feuchtes Holzprisma etwa
zu spalten oder mit der Säge allmälig zu verkleinern, war aus
vielerlei Gründen nicht zu denken.
5) $. diese Berichte, 4. Aug. 1856, S. 456.
vom Januar 1859. °\. 81
Ich half mir folgendermafsen. Aus Birkenfournier liefs ich
eine hinlängliche Anzahl Streifen von 6” Länge, %” Breite und
#5 Dicke schneiden. Einen Theil davon sott ich in gesättigter
Kochsalzlösung bis sie darin untersanken. Auf die in passenden
Abstand gerückten Zuleitungsbäusche der Säule legte ich nun
zuerst einen Streifen mit seinen beiden Enden flach auf, gegen
Verunreinigung mit dem Kupfersalz durch ein Thonschild geschützt.
An die eine Kante des Streifens schob ich, in geringer Entfer-
nung von dessen Enden, die Keilbäusche des Multiplicatorkreises,
hier natürlich ohne Eiweilshäutchen, da ja der Streifen gleich-
falls mit Kochsalzlösung getränkt war. Nachdem die secundär-
elektromotorische Wirkung unter diesen Umständen bestimmt
‘war, legte ich auf den ersten Streifen einen zweiten, auf diesen
einen dritten, und so fort nach Bedürfnils, indem ich Sorge
trug, dals die Kante der Streifen stets in genaue Berührung mit
den Schneiden der Keilbäusche kam. Die Säule mulste, bei '/,”
dauerndem Dorchgang des Stromes, dreilsiggliederig genommen
werden. Die secundäre Wirkung wurde wie bisher am Multipli-
eator für den Nervenstrom, die ursprüngliche an der Spiegel-
"bussole beobachtet. In der folgenden Tabelle, deren Zahlen das
Mittel aus vier Ablesungen bei verschiedener Richtung des ur-
sprünglichen Stromes, und bei wachsender und abnehmender
Anzahl der Streifen sind, bedeuten die obersten Zahlen die An-
‚zahl der angewandten Foubnfersttsifen.
F Pate Tn2< Ira, "Bu 8
# U 12771331 |42.0 |44.1|44.5 | 45.0 |465
h‘ 50167 ‚4.07 41.0, 28 5 9,0]>,?
Bei 6, vollends bei 8 Streifen fand nur noch eine ungewisse
gr secundär-elektromotorischer Wirkung statt.
9 Da, bei verschwindendem Querschnitt des innerlich polari-
‚sirbaren Körpers, die secundär-elektromotorische Wirkung noth-
wendig gleichfalls verschwinden muls, so ist durch diese Ver-
‚suchsreihe nunmehr ein Maximum jener Wirkung auch in Bezug
auf den Querschnitt erwiesen, wenn gleich die derselben ent-
‚sprechenden Zahlen von 1 bis 2 Streifen nur unbedeutend
wachsen.
[1859.] 6
»
82 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Besser spricht sich das Gesetz in folgender Versuchsreihe
aus, welche mit ähnlichen Streifen angestellt wurde, die ich aber,
statt in Kochsalzlösung, in schwefelsaurer Kupferoxydlösung ge-
sotten hatte. Hier fielen die Thonschilder zwischen den Strei- |
fen und den Säulenbäuschen fort, hingegen ward es nöthig, die
Keilbäusche mit mehreren Lagen Flielspapier zu bekleiden, von
denen die innersten mit Kochsalzlösung, die äulsersten mit schwe-
felsaurer Kupferoxydlösung getränkt waren. Die secundär- elek-
tromotorische Wirkung war so sehr viel gröfser®), dafs es
genügte, fünf Grove’sche Glieder ’/,” lang einwirken zu las-
sen, aulserdem aber die Empfindlichkeit des Multiplicators für
den Nervenstrom noch bedeutend gemälsigt werden mufste. Die
Zahlen in der mit % bezeichneten senkrechten Spalte sind mit
einem der Länge nach in zwei gleich breite Hälften zerschlitz-
ten Fournierstreifen gewonnen.
"Bude Sa ua a De Aa RE se DE a bi Fi
"DO 118.2 19.6 147.3 | 60.6 | 67.2] 65.7 | 68.2 | 67.0 156.3
Ss ] 10.7 | 19.6 | 22.6 | 19.0 11.7 |11.0| 7.7 | 55 | 3.0
Das Dasein eines Maximums in Bezug auf den Querschnitt
ist hienach nicht zu bezweifeln. Befremdend ist jedoch, dafs
mit der Kupferlösung das Maximum wie mit der Salzlösung be-
reits bei zwei Dicken erreicht wurde. Nach Formel (IIl) hätte
man erwarten sollen, dals, wegen des grölseren r und des klei-
neren SM, das dem Maximum entsprechende g mit der Kupfer-
lösung grölser hätte sein müssen. Dagegen ist es aber doch
eingetroffen, dals mit den mit Salzlösungen getränkten Holz-
streifen das Maximum bei einem viel geringeren Querschnitt
erreicht wurde, als mit den mit destillirtem Wasser getränk-
ten Flielspapierbäuschen, dem Thon und den aus Kartoffeln ge-
schnittenen Prismen.
Diese Versuche beweisen somit hinlänglich streng Folgendes:
Die Stärke der secundär-elektromotorischen Wirkung innerlich pola-
risirbarer Körper ist eine Function des Widerstandes dieser Kör-
per, sofern derselbe durch die Dimensionen bestimmt wird.
Diese Function besitzt ein Maximum, welches bei beständiger
°) S. diese Berichte, 4. Aug. 1856. S. 460.
vom 31. Januar 1859. 83
I
| "Länge und wachsendem eigenthümlichen Widerstande der inner-
lich polarisirbaren Körper in Bezug aufg weiter hinausrückt. Bei
weiter wachsendem Querschnitt verschwindet die secundär- elek-
| tromotorische Wirkung.
Diese Ergebnisse stimmen mit der obigen Theorie überein,
und sind zum Theil eigenthümlich genug, um es wahrscheinlich
zu machen, dafs diese Übereinstimmung nicht auf einem blofsen
"Zufall beruhe.
Weiter bin ich in dieser Richtung nicht fortgeschritten.
‚Das Bisherige genügte für meine Zwecke, und diese Prüfungen
stellten sich doch auch bei dieser lockeren Art der Behandlung
als viel zu schwierig heraus, als dals es sich für mich der Mühe ver-
lohnt hätte, damit weiter fortzufahren. Es däucht mir aber hier
ein schönes Feld für weitere Bestrebungen in scharf messendem
Sinne offen zu stehen.
* Hr. Klotzsch theilte hierauf Beobachtungen des Hrn. Dr.
er
5 M. Traube in Ratibor über dieRespiration der Pflanzen
mit.
F Das Keimen der Pflanzensaamen geht bekanntlich nur bei
rn Gegenwart von Wasser und Sauerstoff vor sich, der hierbei in
B> ‚ein gleiches Volum Kohlensäure verwandelt wird. Dieser Oxy-
dationsprozels ' ) findet aber nicht nur statt, bis das Würzelchen
ausgetreten ist, sondern setzt sich auch fort, wenn man die ge-
keimten Saamen unter Abschluls des Knie sich weiter
zu bleichenden Pflänzchen entwickeln läßst.
3 Der Keim wächst hier auf Kosten der in den Saamenlappen
_ aufgehäuften Vorräthe, wie daraus hervorgeht, dafs sein Wachs-
thum aufhört, sobald man die Cotyledonen abtrennt.
$ Aus Gründen, deren Darlegung mich hier zu weit führen
würde, war es mir wahrscheinlich, dals der während des Wachs-
ihums im Dunkeln aufgenommene Sauerstoff nicht von den
_ Saamenlappen, sondern von dem sich entwickelnden
‚Keim aufgenommen werde. Ich machte deshalb nachste-
_hende Versuche, die alle, aus später leicht ersichtlichen Grün-
‘) Statt Oxydation, eip Ausdruck, der bisher nur im anorganischen
Reiche Anwendung fand, könnte man füglich Umwandlung sagen. Kl.
6°
84 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
den, unter Abschlufs des Sonnenlichts vorgenommen
werden mulsten.
Übt der Sauerstoff einen Einflufs auf die Saa-
menlappen aus?
Versuch 1.
Die Cotyledonen eines Erbsenpflänzchens, dessen Stengel
in der Dunkelheit eine Länge von 2% Zoll erreicht hatte, wur- ]
den in ausgekochtes, luftfreies, mit einer Ölschicht bedecktes
Wasser mit sammt den Wurzeln eingetaucht, während der Keim
frei in die Luft hinausragte.
Innerhalb 36 Stunden war der Keim um 1%, Zoll gewach-
sen, trotzdem die Cotyledonen in diesem Versuch keinen Sauer-
stoff aufnehmen konnten. Andere Erbsenpflänzchen, die in
Erde unter gewöhnlichen Verhältnissen vegetirten, wuchsen nicht
schneller.
Versuch 2.
Einem Erbsenpflänzchen, dessen Stengel in der Dunkelheit
eine Länge von 3 Zoll erreicht hatte, wurde ein Keimblatt ab-
getrennt, um das andere desto bequemer dick mit Collodium be-
streichen und der Einwirkung des Sauerstoffs gänzlich entziehen
zu können. Darauf wurde das Pflänzchen wieder in feuchte
Erde gesetzt, doch so, dafs das Keimblatt 2 Linien über dem
Erdboden völlig unbedeckt schwebte, damit die Flüssigkeit in der
Erde den Collodiumüberzug nicht lockerte.
Nach 24 Stunden war das Pflänzchen im Dunkeln um 1 Zoll,
nach weiteren 48 Stunden um weitere 2% Zoll gewachsen. Als
der Versuch dann beendigt wurde, zeigte sich der Collodium-
überzug noch fest anhaftend.
Der nämliche Versuch wurde mehrere Male mit demselben
Erfolg wiederholt.
Aus diesen beiden Versuchen ergiebt sich, dafs der Oxy-
dationsproze[ls?) bei dem Keimen der Pflanzen nicht
in den Cotyledonen vor sich geht.
?) Vergleiche umstehende Bemerkung.
vom 31. Januar 1859. 85
Eine gelegentliche Bemerkung des so genauen Beobachters
Saussure scheint diesem Experiment zu widersprechen. Er
theilt (Saussure, deutsche Übersetzung, S. 10) mit, „dafs,
„wenn man Saamen der Bufbohnen in Wasser keimen läfst, die
„Pflanze, welche herauskommt, nicht anders gedeihen kann, als
„so lange ihre Saamenlappen über der Oberfläche des Wassers
„bleiben.”
Es kann sich aber der Einfluls des Sauerstoffs hier ebenso
‚gut auf das junge Pflänzchen direkt beziehen, welches unmittel-
bar nach dem Keimen noch lange nicht die Länge der Saamen-
Slappen erreicht hat, mithin in jenem Fall ebenfalls noch unter
_ Wasser befindlich ist.
—_—
N)
4 Übt der Sauerstoff auf den Keim einen Einfluls
aus?
4 Versuch 3.
0 Kartoffelkeime, die eben heraustraten, von % bis 4 Linie
Länge, wurden mit Collodium betupft. Nach einigen Stunden
bereits waren sie zu dünnen, trocknen Resten zusammengetrock-
net. Bestrich man aber nicht den Keim selbst, sondern nur die
Kartoffel in der Umgebung der Augen, in dem Umkreis von 2
bis 3 Linien mit Collodium, se trocknete der Keim nicht ein,
sondern wuchs freudig fort.
Nicht blofs ein Überzug von Collodium tödtete den Keim,
schon das dicke Bestreichen mit einer Mischung von Öl mit
ie hemmte sofort die Entwicklung eines schon 1%
Zoll langen Kartoffel-Ausläufer.
3 Bestrich man die eine Seite eines 2 Zoll langen Keims der
mie nach mit Ölfirnils, so wuchs nur die andere Seite und
ae
während das junge Pflänzchen sonst lothrecht in die Höhe wuchs,
bog sich hier bei weiterer Entwicklung die Terminalknospe
_ nach unten.
0 Beiläufig erwähnt, beweist die Thatsache, dafs auch in völ-
liger Dunkelheit die Pflanzen lothrecht in die Höhe wach-
sen, dals dieses Phänomen nicht, wie man glaubt, mit der Ein-
wirkung des Sonnenlichts in irgend einer Beziehung steht, son-
dern auf ganz andern Ursachen beruht.
86 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Versuch 4.
Eine Kartoffel hatte in der Dunkelheit in feuchter Erde
einen 6 Zoll langen Stolo getrieben, der mit zahlreichen Wur-
zelfasern in der Erde befestigt war. Ohne die Lage der Kar-
toffel und der Wurzelfasern zu ändern, wurde der Keim in
eine, mit dem untern offenen Ende in Quecksilber tauchende
Glasröhre hineingebogen, die mit atmosphärischer Luft gefüllt
und durch das Quecksilber gesperrt war. In zwanzig Stunden
war der in die Röhre frei hineinragende Theil des Keims um
1 Zoll gewachsen. Hierauf wurde reines Wasserstoffgas hinein-
geleitet, um jede Spur atmosphärischer Luft hinauszutreiben.
Nach 37 Stunden hatte sich die Knospe des Stolo auch nicht
um eine Spur verlängert. Herausgenommen zeigte sich die Ter-
minalknospe und der angrenzende Stolo-Theil bis zur Länge von
1 Zoll gänzlich verwelkt. Der untere Theil des Ausläufers war
gesund geblieben und trieb späterhin aus einem Blattwinkel eine
neue Knospe. |
Zwei andere Versuche der nämlichen Art gaben das näm-
liche Resultat. Übrigens verminderte sich in diesen Versuchen
regelmälsig das Volum der Atmosphäre in der Glasröhre, weil
durch Diffusion längs des in Quecksilber eintauchenden Stengel-
theils ein Theil Wasserstoff austrat und durch eine kleine Menge
atmosphärischer Luft ersetzt wurde.
Versuch 53.
Mit Erbsenpflänzchen gelang der Versuch in dieser Weise
nicht, weil sie die Abwesenheit des Sauerstoffs länger ertragen
können und die durch Diffusion langsam eindringende Luft ge-
nügt, ihr Wachsthum zu unterhalten.
Hier mulste, nachdem durch Versuch 1. festgestellt war,
dals Cotyledonen und Wurzel auch unter Abschluls des Sauer-
stoffs functioniren, die ganze Pflanze in eine Atmosphäre von
reinem Wasserstoff gebracht werden.
5 Erbsenpflänzchen wurden aus der Erde herausgenommen
und in ein unten offenes, mit lufifreiem Wasser gefülltes Glas-
rohr hineingebracht, das dann durch Quecksilber abgesperrt
wurde. Hierauf trieb man durch reines WVasserstoffgas das
vom 31. Januar 1859. 87
Wasser bis auf einen kleinen Theil aus, der zur Ernährung der
Pflanzen nöthig war und nur die Wurzeln bedeckte.
Innerhalb 47 Stunden hatten sich sämmtliche Pflanzen im
Dunkeln auch nicht um eine Spur verlängert. Herausgenommen
zeigten sie sich gänzlich verwelkt. In den letzten 17 Stunden
des Versuchs vergröfserte sich das bis dahin constante Volum
des eingeschlossenen Gases, durch Kohlensäureentwicklung in
Folge eingetretener Fäulniß.
In einem anderen, in der nämlichen Weise mit einem ein-
zigen Erbsenpflänzchen angestellten Versuch, der 44 Stunden
dauerte, blieb das Volum der Atmosphäre immer das nämliche.
Zu Ende des Versuchs zeigte sich die Terminalknospe mit dem
angrenzenden Stengeltheil verwelkt, dagegen der untere Theil
gesund, und als die Pflanze in Erde gesetzt wurde, trieb sie
‚nach einigen Tagen eine Seitenknospe aus einem Blattwinkel.
In einem Controllversuch, angestellt in der nämlichen Art
it 5 Erbsenpflänzchen mit der einzigen Abänderung, dals die
Atmosphäre nicht aus Wasserstoff, sondern atmosphärischer Luft
estand, waren die Erbsenpflänzchen auch nach 48 Stunden
och vollkommen gesund und um 1 bis 1%, Zoll gewachsen.
feuchte Erde gesetzt, vegetirten sie sämmtlich freudig weiter.
Versuch 6.
Um zu ermitteln, ob in den vorhergehenden Versuchen der
Wasserstoff an sich dem Wachsthum der Pflanzen schädlich ge-
vesen sei, oder nur die Abwesenheit des Sauerstoffs, wurde ein
“ Dunkeln gewachsenes Erbsenpflänzchen in ein mit den offe-
nen Ende in Wasser tauchendes Glasrohr gebracht, das ein
asgemisch aus gleichen 'Theilen Wasserstoff und atmosphäri-
cher Luft enthielt. Innerhalb 28 Stunden war das Pflänzchen
m 1 Zoll gewachsen und blieb vollkommen gesund.
Versuch 7.
Ein im Dunkeln gewachsenes Erbsenpflänzchen wurde in
asrohr gebracht, so dals es gänzlich in Wasser getaucht war.
ich 24 Stunden war noch keine Spur eines Wachsthums bemerk-
bar, und herausgenommen, zeigte sich der Terminaltheil des
s mit gewöhnlichem, nicht ausgekochtem Wasser gefülltes
88 Sitzung der physikalisch-malhematischen Klasse
Stengels in der Länge von circa 1 Zoll mit der Knospe schlafüä
und verwelkt. Der untere Stengeltheil war elastisch und gesund. 8
Aus allen diesen Versuchen geht hervor, dafs der Keim
bei Abhaltung des Sauerstoffs keine Spur eines
Wachsthums zeigt, und zunächst der Terminaltheil
des Stengels mit der Knospe, später erst bei länger
fortgesetztem Versuch und beginnender Fäulnils,
die ganze Pflanze verwelkt.
Dafs immer nur der Terminaltheil des Stengels verwelkte, {
nicht aber die unteren Theile desselben, wenn die voranstehen-
den Versuche nicht zu lange fortgesetzt wurden, führte mich
auf folgende Experimente:
Versuch 8.
Alle Theile eines im Dunkeln gewachsenen Erbsenpflänz-
chens durften mit Collodium bestrichen werden, ohne dals ihr
* Aussehen verändert, oder das Wachsthum der Pflanze im Ge-
ringsten behindert wurde, nur nicht der Terminaltheil des Sten-
gels in einer Länge von ungefähr einem Zoll. Sobald dieser
oberste Theil des Stengels einen Überzug von Collodium er-
hielt, hörte das Wachsthum sofort auf, und der Theil selbst
trocknete zusammen. Die Knospe war für immer todt, und erst
nach einiger Zeit brach an einer andern Stelle in einem Blatt-
winkel eine Seitenknospe aus.
Hieraus geht hervor, dafs nur der dicht unterhalb der
Terminalknospe befindliche Stengeltheil in einer
Länge von einem Zoll des Sauerstoffs nothwendig
bedarf.
= Versuch 9.
Es wurden auf ein im Dunkeln gewachsenes Erbsenpflänz-
chen der Länge nach feine blaue Querstriche (aus einer Mi-
schung von Öl, feingeriebener Kreide und Indigo) in gleichen
Entfernungen von einander aufgetragen. Die Pflänzchen selbst
waren an ein Stäbchen befestigt, an dem ebenfalls Behufs der
Vergleichung eine solche Theilung angebracht war.
vom 31. Januar 1859. 89
Durch Beobachtung der Auseinanderschiebung der Quer-
‚striche während des Wachsthums ergab es sich, dafs das Wachs-
thum der Erbsenpflanzen immer nur in dem Terminaltheil des
Stengels in einer Länge von 10—1?2 Linien vor sich geht.
Denkt man sich diese 10—12 Linien in 3 Theile getheilt, so
ist in dem obersten und untersten Dritttheil (dicht unter der
Knospe und 7 bis 12 Linien davon entfernt) das Wachsthum
‚allemal langsamer als in dem mittleren Drittbeil, wo die Aus-
einanderschiebung am Stärksten ist. Alle übrigen Theile des
‚Stengels, die in irgend einem Moment weiter als 10 bis 12 Li-
nien von dem Anbheftiungspunkt der Terminalknospe entfernt
sind, wachsen nicht mehr und sind vollkommen entwickelt.
Aus Versuch 8 und 9 geht hervor, dals nur derjenige
"heil desStengels, der im Wachsen begriffen ist, zur
ornahme dieses Lebensprozesses des Sauerstoffs
bedarf, d. h. der Sauerstoff ist unentbehrlich zur Or-
ganisation.
In den Keimblättern findet keine Oxydation?) statt, eben-
sowenig in den unteren Theilen des Stengels. In den Cotyle-
donen werden ohne Zutritt des Sauerstoffs durch chemische
ozesse die Nahrungsstoffe gelöst, gehen durch den unteren
Theil des Stengels ohne weitere Veränderung hindurch, um in
der Nähe und dicht unter der Terminalknospe durch den Zutritt
des Sauerstoffs wahrscheinlich in Zellenmasse verwandelt zu werden.
Über die Bedeutung des Sauerstoffs für die Wur-
\ zeln.
| Ein in ihrer Entwicklung scheinbar abweichendes Verhal-
| ten zeigen die Würzelchen des Erbsenkeims.
Während der Stengel sofort aufhört zu wachsen und bald
zu Grunde geht, wenn er mit Wasser, selbst lufthaltigem, um-
geben ist (Versuch 7), besitzen die Würzelchen die Fähigkeit,
‚sich darin, wenngleich nur langsam, zu verlängern. In ausge-
chtem, unter Öl erkaltetem Wasser hört ihre Entwickelung
vollständig auf; sie behalten aber dann immer noch eine Zeit
” *) Vergleiche vorstehende Bemerkung.
90 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
lang die Fähigkeit, Wasser aufzusaugen und in den Keim über-
zuführen, bis sie endlich faulen. Auf dieser Fähigkeit der Wür-
zelchen, den Luftgehalt des Wassers zu ihrer Entwicklung zu
verwenden, beruht die Eigenthümlichkeit der Saamen mancher
Landpflanzen, z. B. der Erbsen und Bohnen, auch unter Was-
ser keimen zu können.
Übergielst man einen Haufen Erbsen in einem Becherglas
mit so viel Wasser, dals sie selbst nach dem Quellen damit be-
deckt sind, so keimen sie fast alle, aber die Würzelchen der
oberen Erbsen sind auffallend länger, als die der untern, welche
nach Durchbrechung der Saamenhäute aus Mangel an Sauerstoff
gänzlich in ihrer Entwicklung stehen bleiben. Die Plumula
wächst unter Wasser gar nicht und bleibt zwischen den Saa-
menlappen versteckt.
Am Reichlichsten entwickeln sich die Wurzelfasern der Land-
pflanzen in einer lockern, nicht wirklich nassen, sondern nur
feuchten Erde, die der Luft möglichst freien Zugang gestattet,
und hauptsächlich darauf beziehen sich die mühsamen, mechani-
schen Arbeiten des Ackerbaus und wahrscheinlich auch der grofse
Nutzen der Drainage. Als ich einmal bereits gekeimte Erbsen
in nasse, fast schlammige Gartenerde setzte, und unter Pappbe-
deckung vor Zutritt des Lichtes bewahrte, war ich erstaunt,
auch selbst nach 11 Tagen nur ein höchst unbedeutendes Wachs-
thum bei ihnen wahrzunehmen. Bei näherer Nachforschung er-
gab sich als Ursache dieser Erscheinung, dals die Erde sich bei
gehemmter Verdunstung zu dicken feuchten Klumpen zusammen-
geballt, die Erbsen fest eingeschlossen und ihre Würzelchen
meist völlig erstickt hatte. In lockere, feuchte Erde gebracht,
trieben die Erbsen bald neue Würzelchen und vegetirten im
Dunkeln freudig fort. |
Man hat behauptet, dafs der Sauerstoff beim Keimen den
Anstofs zur chemischen Bewegung für die in den Saamen ent-
haltenen Proteinstoffe abgebe und sie zu Fermenten umbilde,
die nachher zu weiteren chemischen Veränderungen die Veran-
lassung geben.
Wir haben aber gesehen, dafs der Sauerstoff nicht blols im
Anfang des Keimens, sondern auch weiterhin nothwendig ist,
vom 31. Januar 1859. 91
dafs in jedem Moment, wo der Sauerstoff entzogen wird, auch
sofort jede Organisation aufhört. Wir haben es also hier nicht
mit einem Gährungs-, sondern mit einem wirklichen Verwe-
sungsprozels, mit der andauernden Umwandlung eines Bestand-
theils des Keims zu ibun, ähnlich, wie in der Kssigbildung, wo
in jedem Moment der zutretende Sauerstoff durch ein Verwe-
sungsferment auf den Alkohol übertragen wird, und, sobald man
den Sauerstoff abhält, sofort auch die Essigbildung aufhört.
Welcher Bestandtheil aber ist es, der beim Keimen oxy-
dirt wird? ®)
Die Hauptbestandtheile der Erbsencotyledonen sind Legu-
min und Stärkemehl, die durch chemische Prozesse in der Kei-
mung ersteres zu Eiweils, letzteres zu einem löslichen Kohle-
‚hydrat gelöst werden, um als solche durch die unteren Theile
üe Stengels zu den Terminaltheilen zu gelangen. Das Eiweils
den wir auch nachher als solches wieder, das lösliche Kohle-
Bydrat aber ist in Cellulose übergeführt worden.?’) Es kann
keinem Zweifel unterliegen, dals die Cellulose das während der
Organisation sich bildende Oxydationsprodukt eines löslichen
Kohlehydrats ist.
»- Nach welchem Schema auch dieser Verwesungsprozels vor
sich gehen möge, immer mufs neben einer dem Volum des ver-
zehrten Sauerstoffs gleichen Menge Kohlensäure gleichzeitig auch
Wasser und Sauerstoff im Verhältnifs des Wassers austreten,
wie folgendes Schema deutlich macht:
2(C,zH,, O,;)d.h. 2At. Traubenzucker + 4 O=12 (CO,)
#+14(H0) +C,;H,. 0,0. (1 At. Cellulose).
In der Tbat ist nach den Versuchen Saussure’s das Vo-
lum der gebildeten Koblensäure immer dem des verzehrten Säuer-
stoffs gleich und nach Boussingault treten während der Kei-
” *) Vergleiche vorstehende Bemerkung.
°) Es ist nicht bewiesen, dafs sich Legumin in Eiweils verwandelt.
Stärkemehl soll in ein lösliches Kohlehydrat übergehen, worunter Trau-
benzucker zu verstehen. Die Umwandlung der letzteren in Cellulose,
| Kohlensäure und Wasser durch einen Oxydationsprozels ist eine Hypo-
these des Hrn, Verfassers und sollte nach den bisherigen Erfahrungen um-
gekehrt eher die Bildung von Traubenzucker aus Cellulose vorauszusetzen
, sein. Rulsbg.
BL .
92 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
mung neben Kohlenstoff auch Wasser- und Sauerstoff aus, so
dals die Saamen durch das Keimen relativ nicht kohlenstoffärmer
werden.
Der chemische Proze[s der Organisation, der
Zellenbildung, ist also nichts Anderes, als die Oxy-
dation eines löslichen Koblenhydrats zu Cellulose,
dem wichtigsten unlöslichen Bestandtheil der Pflan-
zen.®) l
Mit diesem Ergebnils meiner Versuche stimmen eine grofse-
Anzahl bisher unverstandener und deshalb unbeachtet gebliebener
Versuche Saussure’s überein.
Dieser Forscher beobachtete, dals ohne Zutritt von Sauer-
stoff Zweig-Knospen im Frühjahr, ebenso, wie Blüthen-Knospen,
nicht zum Aufbrechen gelangen können; sie sind in sauerstoff-
freiem Gase wie gelähmt. Nur beim Zutritt von Sauerstoff ent-
wickeln sie sich und verwandeln dieses Gas ebenso, wie es bei
der Keimung geschieht, in ein gleiches Volum Kohlensäure.
Ein ähnliches Verhalten zeigen auch die schon entwickel-
teren, grünen Pflanzen. Diese starben in Saussure’s Ver-
suchen in reinem Stick- oder Wasserstoff nach einigen Tagen,
wenn sie im Schatten vegetirten. Dem Sonnenlicht ausgesetzt,
fristeten sie, freilich meist schmachtend, ihr Leben längere Zeit,
weil sie im Sonnenlicht etwas Sauerstoff aus sich selbst ent-
-wickelten. Nur die langsam wachsenden Sumpfpflanzen hielten
sich eine unbegrenzte Zeit in Wasser- und Stickstoff und wuch-
sen darin, weil der von ihnen im Sonnenlicht entwickelte Sauer-
stoff zu ihrer Vegetation genügte. Wurde aber in dem Reci-
pienten, in dem sie sich befanden, eine Mischung von Eisenfeile
und Schwefel aufgehängt, die jenen Sauerstoff absorbirte, so
hörte jede Spur des Wachsthums auf.
Es ist unzweifelhaft, dals auch der von den grünen Pflan-
zentheilen aufgenommene Sauerstoff ebenso, wie bei der Kei-
mung, selbst im Sonnenlicht, in Kohlensäure verwandel
wird. Hier aber, wo sie sich sofort zersetzt, ist ihre Nachwei
sung unmöglich. Dies ist die Ursache, dals man die Bedeutun
des Sauerstoffs für die Pflanzen so lange verkannte. Dals i
°) Vergleiche umstehende Bemerkung.
vom 31. Januar 1859. 93
der Dunkelheit die grünen Pflanzentheile den aufgenommenen
Sauerstoff in Kohlensäure verwandeln, hat man bekanntlich schon
längst wahrgenommen.
j Sonach gilt das Gesetz, dals der Sauerstoff zum
Wachsthum, zur Zellenbildung nothwendig sei,
nicht blols für den Keimungsakt, sondern für jedes
Stadium der Entwicklung bei den Pflanzen.
t _——
Kurzer Überblick.
4) Die Pflanzen nehmen nicht blos während der Keimung,
sondern zu jeder Zeit ihrer Entwicklung, selbst im Sonnenlicht
(Saussure), Sauerstoff auf.
2) Die Aufnahme von Sauerstoff ist für ihre Entwicklung
durchaus nöthig; wird ihnen dies Gas entzogen, so hören sie
auf zu wachsen und gehen bald zu Grunde.
; 3) Bekanntlich wird der von den Pflanzen in der Dunkel-
eit aufgenommene Sauerstoff immer in Kohlensäure verwandelt.
Es geschieht dies unstreitig auch im Sonnenlicht; nur ist hier
e Kohlensäure nicht nachzuweisen, da sie von den grünen
Pflanzen sofort wieder zersetzt wird.
| 4) Bezeichnen wir bei den Thieren denjenigen zur Erhal-
tung ihres Lebens nothwendigen Akt mit Respiration,
der in der Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlen-
‚säure besteht, so besitzen alle Pflanzen (ganz aulser Zusam-
‚menhang mit ihrer Fähigkeit, durch ihre grünen Theile die Koh-
lensäure zu zersetzen) eine Respiration, gleich den Thie-
ren. Die Respiration ist ein für die Erhaltung der
Lebensthätigkeit aller Organismen nothwendiger
Akt.
5) Die Pflanzen besitzen kein besonderes Respirationsorgan.
Es respiriren ausschlielslich und immer nur diejenigen Theile,
die in der Entwicklung begriffen sind, und zwar vorübergehend
nur so lange, als sie wachsen. Es sind dies bei jungen Pflan-
zen immer nur die Terminaltheile der Knospen.
6) Das wichtigste Produkt der Respiration bei den Pflan-
zen ist die Cellulose, die durch Oxydation eines in allen
94 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 31. Januar 1859.
Pflanzensäften nachweisbaren Kohlehydrats, des Dextrins, Tra
benzuckers u. s. w. entsteht. ?)
7) Die vornehmste Funktion der Respiration bei den Pflan-
zen ist die von der Cellulosebildung abhängige Organisatio
des Nahrungssaftes. Die Zellenbildung ist deshalb völlig
unabhängig vom Sonnenlicht. Die Pflanzen wachsen, wie die
Thiere, auch in der Dunkelheit.
8) Die lothrechte Richtung des Wachsthums der jungen
Pflanzen steht ebenfalls in keiner Beziehung zum Sonnenlicht.
g
”) Vergl. vorstehende Bemerkung.
Ö ;
Nachtrag.
Friederich der Grofse und sein Staatsminister
Freiherr von Zedlitz.
Eine Skizze ans dem preulsischen Unterrichtswesen.
Me ortrag zur Feier von Friederichs des Grolsen Geburtstag am 27. Jan. 1859.
3 Von Hrn. Trendelenburg.
»
%
.
"Ein froher Tag führt uns heute zusammen. Im Begriff,
n vaterländischer Erinnerung das Gedächtnils Friederichs des
Grolsen zu feiern, grüfst uns wie ein helles Zeichen der Zukunft
die Kunde, dafs ein Sprols des Königshauses geboren ist, der,
so Gott der Herr will, bestimmt ist, einst Preulsens Geschichte
weiter zu tragen.
{ Indem wir, dankbar aufblickend, die freudige Bewegung un-
“sers Königshauses und unsers Vaterlandes mitempfinden und ihre
E Wünsche theilen, wenden wir, von Hoffnungen der Zu-
kunft belebt, gern unser Auge zu dem Polarstern der preufsi-
schen Geschichte, zu Friederich dem Grofsen.
Wenn die erste Hälfte von König Friederichs des Zweiten
Regierung vornehmlich durch kriegerische Thaten bezeichnet ist,
‚so gehört die zweite unter dem Schutz des schlagfertigen Arms
r vielseitigen Entwickelung des gesicherten Reiches an. Kaum
ruhte die blutige Arbeit des Krieges, kaum hatten heldenmüthige
Kämpfe einen ruhmreichen Frieden erworben, so beginnen die
rastlosen Bestrebungen des Königs von Neuem, nach Er Rich-
tungen die Kraft des Landes und des Volkes menschlich auszu-
bilden. Erst beide Seiten zusammen vollenden sein grofses Bild.
Die letzte ist stiller und geräuschloser als die erste. An dem
_ ehernen Denkmal, auf welchem Friederich, von den "Tugenden
96 Nachtrag.
getragen, über den Genossen seines Lorbeers als der gebietende
König erscheint, bringt uns nur die Rückseite unter dem Zei- |
chen des Palmenzweiges die tiefsinnigen schaffenden Männer vor
Augen, welche uns den grolsen Inhalt der Friedensjahre dar- N
stellen, die Gesetzgebung und Verwaltung, die Wissenschaft und #'
Kunst. Ein Name, der an dieser Seite des Denkmals, unter den |
Gestalten von Schlabrendorff und Finkenstein neben den W
Namen von Cocceji, Herzberg, Domhardt seine würdige
Stelle fände, möge uns heute beschäftigen. Denn es liegt dem
Beruf der Akademie nahe, in dankbarer Erinnerung die ec
haltige, aber dennoch leichter vergessene Thätigkeit von Män
nern zu erneuen, welche Preulsen geistig anbauien. m
Dieser Name heilst Zedlitz. Den Freiherrn Karl Abra- }
ham von Zedlitz Leipe') batte Friederich früh hervorgezos
gen und im Jahr 1770 zu dem Minister sich erwählt, welcher
seine Absichten auf Erziehung und Bildung ins Werk setzte.
Wie in Friederichs (Seneralen Funken seines Heldengeistes er-
scheinen, so erscheint in einem solchen Minister eine Fortsetzung. F
seiner regierenden Gedanken, eine ausführende Hand seines #
Geistes.
An den Namen Zedlitz möge es heute erlaubt sein Rn
Skizze aus dem preulsischen Unterrichtswesen anzuknüpfen. |
Friederich der Grolse verfalste im December 1769 einen ®
Brief „über die Erziehung” mit besonderer Rücksicht auf Preu-
fsen?). Schon mehrere Male hatte er über Fragen der Erzie-
hung und zwar für besondere Zwecke gehandelt, wie z. B. 1751
in der Anweisung an den Major Borcke,°) den Erzieher sei-
nes Neffen, des nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm II, und
4765 in der Anweisung für die Leitung der neu angelegten
Ritterakademie in Berlin*). Der Brief über die Erziehung er-
schien im Jahre 1770 und der König übersandte ihn an den
Minister von Münchhausen mit dem Befehl, den Inhalt bei
den Universitäten zu berücksichtigen. Schon im Januar des
nächsten Jahres trat der Freiherr von Zedlitz in das Depar-
tement der lutherischen Kirchen- und Schulsachen ein und der
Brief über die Erziehung bezeichnet uns des Königs Absichten
zu der Zeit, da er Zedlitz an die Spitze des Unterrichtswe-
sens stellte.
Anhang. 97
Dem König schwebt in diesem Briefe das Beispiel der grie-
bischen und römischen Erziehung vor, welche eine Fülle gro-
(ser Männer hervorgebracht. In den Gymnasien vermilst er,
dals die Schüler nicht gewöhnt werden selbst zu denken und
nicht früh ihr eigenes Urtheil üben. In demselben Sinn for-
dert er, dafs die Universitäten, statt nur das Gedächtnils der
ugend zu füllen, die wichtigste Seite, den Gebrauch des Ver-
tandes ausbilden; und in demselben Sinn tadelt er, dafs die Stu-
lirenden keine eigenen Aufsätze schreiben. Selbst im weibli-
hen Unterricht hebt er die Nothwendigkeit hervor, die Ver-
nunft mehr zu entwickeln. Allenthalben ist das Selbstdenken,
das Selbsturtheilen, des Königs erster Gesichtspunkt. Schon in
Anweisung an den Erzieher seines Neffen findet sich der
usdruck: „es genügt nicht, ihm die Geschichte wie einem Pa-
pagei beizubringen”.
fl Der König wirft in dem Briefe auf die Universitäten einen
scharfen Blick. Obwohl Halle und Frankfurt a. O. so gute
Lehrer hätten, als die Zeit sie darbiete, so bemerke man doch,
dals dort nicht mehr das Studium der griechischen und lateini-
schen Sprache so im Schwange sei, wie vordem. Es scheine,
dals diese guten Deutschen, der tiefen Gelehrsamkeit, welche
ie ehemals besalsen, überdrüssig, gegenwärtig mit dem minde-
stens Aufwand berühmt werden wollen; sie hätten das Beispiel
tiner benachbarten Nation, welche sich begnüge liebenswürdig
zu sein und sie würden immer oberflächlicher. Der König ta-
delt die Professoren, die zufrieden sind Collegienleser zu sein,
and vermilst die persönliche Unterweisung. Selbst in den Stoff
des Unterrichts läfst er sich ein. In der Medicin empfielt er,
statt des Systems von Hoffmann oder eines obscuren Arztes,
ie Werke Boerhave’s und in der Astronomie und Geometrie
ewton, in der Philosophie lobt er Thomasius und statt
Christian Wolfs Lehre, in welcher die Monaden und die
ästabilirte Harmonie so abgeschmackt und unverständlich seien,
‚als die substantiellen Formen des Aristoteles, dringt er auf ein
Studium Locke’s. Später vermilst der König in der Schrift
‚über die deutsche Litteratur ?) auf den Universitäten eine allge-
‚meine Methode der Wissenschaften, da die gute Methode doch
nur Eine sei.
[1859.] 7
98 Anhang.
Der König klagt ferner in dem Briefe über die weichliche”
Erziehung im Adel, namentlich in dem reichen Theile desselben;
Erziehung. Es dürfe in den Ämtern die Geburt nicht über das
Verdienst siegen. Wo das geschähe, würde die Regierung die’
traurigsten Folgen erfahren. Der König betont hier diesen Ge-
danken, wie einst in der Anweisung an den Erzieher seines Nef-
fen, der lernen soll, dafs alle Menschen gleich sind und dals die
Geburt, die nicht durch Verdienst gestützt wird, ein Hirnge-'
spinnst ist‘). Indem er auf die richtige Erziehung dringt, setzt
er im Briefe hinzu: „Kurz, ich bin überzeugt, dals man aus dem
Menschen machen kann, was man will.” Gegen das Vorurtheil,
als ob Kunst und Wissenschaften die Sitten verweichlichten, erklärt
er sich entschieden. „Alles,” sagt er, „was den Geist erhellt,
alles was den Kreis der Kenntnisse erweitert, erhebt die Seele
statt sie herabzustimmen.” Auch für den Stand des Offziers
fordert er gründlichere Bildung. Nach dem Vorbild der römi-
schen Gesetze will der König eine strengere väterliche Erzie-
hung und daher eine Ausdehnung der väterlichen Gewalt bis
ins 26ste Lebensjahr des Sohnes. 7
Schliefslich will er eine Veredelung der weiblichen Erzie-
hung, und tadelt scharf die höheren Stände, welche ihre Töch-
ter nur dazu erziehen, dafs sie gefallen. i
In diesem Sinne verbreitet sich der Brief über den höhern
Unterricht und die Erziehung in den höhern Ständen. An dem
Volksunterricht und der christlichen Erziehung geht er schwei-
gend vorüber. x
Für den allgemeinen Sinn dieser kleinen Schrift ist es am
bezeichnendsten, dals die Übung des eigenen Urtheils, der An
bau des schliefsenden Verstandes, kurz das Selbstdenken als die
Seele des Unterrichts betrachtet wird. In demselben Sinne fin-
det sich noch in dem berühmten Schreiben des Königs an den
Etatsminister Freiherrn von Zedlitz vom 3. September 1779
über den Unterricht der Jugend wiederholt der Ausdruck 7):
„Wer zum besten raisonniren kann, wird immer zum weitesteu
kommen, besser als der, der nur falsche Schlüsse zieht.” Im
Anhang. 99
Jegensatz gegen die gedächtnilsmälsige Überlieferung eines un-
verstandenen Stofles, gegen die blinde Gewöhnung angelernter
Vorstellungen, gegen die Geistesträgheit der Schüler, wie der
Lehrer, hatte diese Stimme, welche den alten Unterricht auf-
ttelte, eine erweckende Macht. Zedlitz stimmt mit dieser
Forderung überein und sie wird ein Grundgedanke seiner Wirk-
'samkeit. Er sucht Lehrer, die einer bessern Methode mächtig
sien und andere Lehrer zu einer bessern Methode anleiten kön-
en und versteht unter dieser besseren Methode eine solche,
welche selbstzudenken lehrt. So schreibt er noch im Jahre 1783
‚Dr. Freylinghausen®), damals Direktor der frankischen
S\ tungen, da es sich um die Ernennung eines Inspektors am
Pädagogium handelt, in einem uns abschriftlich vorliegenden
Briefe: „Es ist wohl nichts Unleugbareres, als dafs die Kinder
gar nicht zum Selbstdenken gewöhnt werden. Das geschieht
t beim Religionsunterricht, wo blols heilige Worte und
Sprüche ins Gedächtnils gezwungen werden, ohne an Sinn und
Verstand zu denken. Es geschieht auch nicht beim Sprachun-
richt, wo man nur auf Vocabeln sieht und der Schüler
echterdings nichts von den exponirten Sachen versteht. Dies
finde ich leider in den meisten Schulen so, wo auch die frömm-
ten und gelehrtesten Leute unterrichten, denen es sonst gewils
wahre Religion und um wahre Kenntnils der Alten zu thun
i Das Hindernils aber besteht in dem Mangel richtiger zweck-
mälsiger Methode.” Wir sehen hier die didaktische Fortsetzung
Bestrebungen, welche damals mit einem neuen und schönen,
mit einem noch unvernutzten und noch unbefleckten Namen
Aufklärung hielsen, an welchen die kräftigsten Geister der Na-
wie an einer Angelegenheit der Menschheit Theil nahmen.
Im Jabre 1784 beantwortete Kant in der Berliner Monats-
schrift die dort aufgeworfene Frage: was ist Aufklärung?) an
welcher sich gleichzeitig Mendelssohn versucht hatte, und
hob seinen Aufsatz mit der Antwort an: „Aufklärung ist der
Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündig-
keit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes
\obne Leitung eines Andern zu bedienen. Selbst verschuldet ist
\diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Man-
‚gel des Verstandes, sondern der Entschliefsung und des Muthes
7.
100 Anhang.
en
liegt, sich seiner ohne Leituug eines Andern zu bedienen. San
pere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu
bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.” Die bes-
sere Methode, für welche Zedlitz im Sinne seines Königs Or-
gane suchte, ging, bewulst oder unbewulst, auf dies Ziel der
Mündigkeit hin. So erscheint das didaktische Streben in einem
grölsern Zusammenhang.
Kant hat Recht, wenn er in demselben Aufsatz auf Friede-
rich den Grofsen mit den Worten deutet: „Ich höre von allen
Seiten rufen: räsonnirt nicht! Der Offizier sagt: räsonnirt nicht,
sondern exercirt! Der Finanzrath: räsonnirt nicht, sondern be-
zahlt! Der Geistliche: räsonnirt nicht, sondern glaubt! Nur
ein einziger Herr in der Welt sagt: räsonnirt, so viel Ihr
wollt und worüber Ihr wollt, aber gehorcht!” Kant hätte
noch mehr sagen können. Dieser Herr wollte sogar, dafs als
denkende Wesen die Menschen raisonniren lernten; und
stellte seinem Minister die Aufgabe es lehren zu lassen.
Die Methode, welche sich auf das eigene Urtheil und das
eigene Denken der Studirenden stützt, hat auf der Universität,
auf welcher nach dem wissenschaftlichen Ziele Forschen und
Lehren und selbst Lernen und Mitforschen Hand in Hand gehen
müssen, unbestrittene Geltung. Nur über den Weg, wie sich
die Forderung erfüllen lasse, wird man getheilter Meinung sein.
Zedlitz handelte im Sinne des Briefes über die Erziehung,
wenn er im Jahre 1772 bei der Revision des Königsberger
Lectionskatalogs Examinatorien vermilst und aufgiebt,‘°) und
noch im Jahre 1785 an der Universität Halle zufolge ihrer Ak-
ten durch eine Verordnung Examinatorien einzuführen ver-
sucht, '') welche, wenn nicht mit allen, doch mit den Haupt-
collegien sollen verbunden werden. Der Bericht der Universität
sagte voraus, dals nach der Erfahrung sich die Studirenden nur
sehr schwach betheiligen würden.
Sicherer als dieses zweifelhafte Mittel für den grolsen Zweck,
war die Anregung, welche Zedlitz den philosophischen Studien
auf den Universitäten zu geben suchte. Es bezeichnet die Höhe
seines Geistes, dals er selbst an den letzten Fragen des Wis-
sens rege und thätig Theil nahm; und schon früh bewegt er
sich in dieser Richtung. Als er in Halle Rechtswissenschaft
Anhang. 101
studirte, sah Friederich der Grolse den jungen Schlesier
voll glücklicher Anlage. Damals hatte wahrscheinlich der König
das Gespräch über Locke, dessen er in dem Briefe über die
Erziehung nicht ohne einigen Spott erwähnt, '?) und zwar mit
Professor Meier, der blols an seinen Baumgarten gewöhnt
war; er befahl ihm über Locke zu lesen. Das Collegium fand
nur 4 Zuhörer, aber unter diesen war auf des Königs Antrieb
der jugendliche von Zedlitz. Später, da er schon Minister
ist, sehen wir ihn in einer wissenschaftlichen Beziehung zu
Kant und zwar schon zu einer Zeit, da Kant noch nicht seine
Kritik der reinen Vernunft herausgegeben hatte und sein Name
noch unbekannter war.'?) Dr. Herz, ein Lieblingsschüler
Kant’ s, hatte zu Berlin im Jahre 1777 vor einem gemischten
Publikum Vorlesungen über Logik und Einleitung in die ge-
sammte Philosophie eröffnet und der Staatsminister von Zed-
litz war einer seiner aufmerksamsten Zuhörer. Im folgenden
hre studirt er die physische Geographie nach einem in Kant’s
Vorlesungen entstandenen Hefte und bittet Kant in einem eigen-
Bändigen Briefe mit sichtlichem Verlangen, ihm ein sorgfältiger
| nachgeschriebenes zu verschaffen.
Es ist das Rescript merkwürdig, das Zedlitz unter dem
2. Dec. 1775 an die ost-preulsische Regierung erläfst, um die
Universität Königsberg zu Fortschritten anzuregen. Es heilst darin
unter Anderem: „Da unsere landesväterliche Absicht dahin ge-
| het, dals auf unsern Universitäten die Köpfe der Studirenden
nicht mit nahrungslosen Subtilitäten verdüstert, sondern aufge-
‚heitert und durch die Philosophie besonders zur Annahme und
Anwendung wahrhaft nützlicher Begriffe fähig gemacht werden
sollen, so sehen wir ungern, dals auf dortiger Universität die
Crusianische Philosophie, über deren Unwerth die erleuchtetsten
Gelehrten längst eins sind, noch gelehrt wird.” Es wird ferner
rauf gedrungen, dals sich die Professoren der Weitläuftigkeit
‚enthalten, da der gedachteste Vortrag allemal der kürzste sei,
und dals sie z. B. die Pandektenlehre und das Lehnrecht in
nem Halbjahr lesen. Endlich wird die Aufsicht über die
Sitten der Studirenden eingeschärft, und es wird gehofft, dafs
von den Studirenden eigentlich gelehrte und unzweideutige Pro-
ben des Fleilses sichtbar werden. So legt der Minister an die
102 Anhang. 5
1
Universitäten das Maafs an, das ihrem eigenen Wesen inne-
wohnt, das Maafs des wissenschaftlichen Fortschrittes und treibt
sie mit ihrem eigenen Geiste, dem Geist der Wissenschaft,
vorwärts. j
Ein eigenhändiger Brief an Kant vom 28. Mai 1778 zeigt
des Ministers freudigen Eifer für die Wirksamkeit seiner Uni-
versitäten und den tieferen Blick, mit welchem er ihre Lehrer
würdigte.
Es war Meier in Halle verstorben, der, ein Schüler
Baumgartens, zu den berühmtesten Wolfianern gehörte,
Zedlitz berief Kant. Durch eine ablehnende Antwort über
rascht, schrieb er ıhm unter Anderm:
„Ich kann meinen Wunsch, Sie nach Halle zu ziehen, nicht
aufgeben. Es ist zu schlimm, dafs Ihre Denkungsart mit Ihrem
Amte so genau übereinkommt. — Wirklich, so lobenswürdig
dies an sich ist, so schlimm dünkt es mir, dals Sie mit so vie-
lem philosophischen Kaltsinne eine so calculatorisch richtige
Verbesserung ausschlagen. Und doch wiederhole ich den An-
trag — — und bilte Sie zu erwägen, dals ich jetzt mit nicht
ungegründeter Hoffnung eines guten Erfolges daran arbeite,
Halle so empor zu bringen, als es jemals gewesen ist.” Der A
Minister nennt nun einige vorzügliche Männer, wie z. B. Ka r-
sten, Meckel, und sagt: „Die theologische Fakultät ist bes-
ser besetzt als irgendwo in Europa, und sollte einer der All
tagsmänner abgehen, so bole ich mir den Herrn Griesbach
wieder.” Indem er Kant an die Pflicht erinnert, in einem weitern
Zirkel gemeinnützige Kenntnisse und Licht auszubreiten, sagt
er gegen den Schluls: „Erwägen Sie, dafs die in Halle studi-
renden 1000 bis 1200 Studenten ein Recht haben, von Ihnen
Unterweisung zu fordern, deren Unterlassung ich nicht verant-
worlen möchte.”
Als Kant zufrieden und sich beschränkend der alten Wirk-
samkeit in Königsberg, seiner Vaterstadt, treu blieb: ehrte der
Minister Kant’s beharrliche Gesinnung und machte wiederholt
die Universität auf den Schatz aufmerksam, welchen sie in Kant
und dessen Lehrthätigkeit besitze. So erkannte Zedlitz sei-
Anhang. 103
nen Mann, ehe noch, wie ein Jahrzehend später, Kant’s Ruhm
durch Deutschland ging. Es würdigte der Minister den im
Stillen die Reform der deutschen Philosophie vorbereitenden
"Kant mit tieferem Blick, als damals unsere gelehrte Körper-
schaft, welche ihn erst im Jahr 1786 zum Mitgliede der Aka-
") demie erwählte.
Das befriedigende Einverständnils mit der Universität Halle,
| dessen der Brief an Kant gedenkt, dauerte nicht lange. Die
| Händel des Dr. Bahrdt thaten darin einen Rißs. Dr. Bahrdt,
| der auf Betrieb des Weihbischofs zu Worms wegen unchrist-
| licher Lehre vom Reichshofrath geächtet war, kam im Mai 1779
| plötzlich nach Halle, um dort zu lesen. In Erfurt hatte er als
Professor der Philosophie den heterodoxen Zeitgeist für sich
|
ausgebeutet; in Graubünden und in Heidesheim war er als zwei-
ter Basedow aufgetreten, aber hatte dabei gemeine Zwecke ver-
folgt. In seiner Übersetzung des neuen Testaments, welche
er unter dem Namen der neusten Offenbarungen Gottes heraus-
| gegeben, hatte er die christlichen Worte getilgt, z. B. Sünde
‚ in Verdorbenheit der Grundsätze, Evangelium in Merkwürdig-
keiten aus dem Leben Jesu oder in den Ausdruck der liebens-
'würdigsten Religion verwandelt, und das Tiefe ins Flache ge-
zogen. Überhaupt verwusch er das Christenthum in eine des
| Aberglaubens entledigte gemeinnützige Moral des Lebensgenusses.
\ Die ‚Übersetzung des neuen Testaments und seine Schrift: die
‚ Lehre von der Person und dem Amte des Erlösers, waren
‚Gegenstand der Anklage geworden. Bahrdt war verurtheilt
' entweder zu widerrufen oder das Reich zu meiden. Seiner
Stelle als General-Superintendent in Dürkheim entsetzt, irrte er
‚ umher. Leichtfertig in seinem Lebenswandel, unruhig in sei-
nem Wesen, gewandt Aufsehen zu machen und das grolse Pu-
blikum für seine Gedanken zu erregen, begabt, aber balb ge-
lehrt, konnte er der Universität Halle nicht genehm sein. _ Sie
betrachtete ihn als einen Mann, dessen Berührung die Jugend
‚anstecke und wünschte ihn entfernt zu sehen. In diesem Sinne
berichtete der Senat.'‘) Des Ministers Bescheid war scharf
und abfällig. Dem Dr. Bahrdt, der, nicht ohne sein Vor-
wissen nach Halle gekommen war, gestaltete er philosophische,
—_
104 Anhang.
nur nicht theologische Vorlesungen zu "halten. Indem er der
Universität Intoleranz, Sectirerei und Verfolgungsgeist vor-
warf, '?) stach er mit diesen Worten insbesondere in das Herz
des würdigen Semler, der in Halle in einer dem Grübeln und 4
Frömmeln abgeneigten Zeit denkende und forschende Geistliche
bildete. Der Minister hiels sogar in einem eigenen Briefe
Bahrdt in Halle willkommen. '°) „Ich freue mich ,” schreibt
er, „dals Sie doch Einen Zufluchtsort in Deutschland haben fin-
den können, und dals dieses gerade in unsern glücklichen Staa-
ten ist.” Er hat für Bahrdt eine innere Neigung. Gern
würde er ihn als Lehrer an einem Seminar anstellen, aber er
scheut doch, wie er an einen vertrauten Mann schreibt, '") die
„Klerisei” vorsätzlich dagegen aufzubringen. ‚Ich halte es für
Pflicht,” sagt er, „das Fersenstechen des Aberglaubens nicht zu
achten, wenn ich den Weg über die Schlangs nehmen muls;
allein wenn ich vorbeigehen und doch an Ort und Stelle kom-
men kann, warum soll ich da das Beest erst zischen machen? es
ist ja doch eine Teufels- Musik.” Wiederholt nimmt er sich
Babrdts gegen die Universität an, obgleich es der theologischen
Fakultät wohl anstand, sich von dieser zweifelhaften Bundesge-
nossenschaft ihres eigenen Freisinns loszusagen und ernste Kri-
tik von flacher oder frivoler Negation zu unterscheiden. An
die philosophische Fakultät, welche den Vorlesungen Bahrdt’s
über Quintilian und dem Disputatorium Hindernisse entgegen-
stellt, schreibt der Minister im Namen des Königs 30. October
4779'°): „Unser Ober-Curatorium will nicht hoffen, dafs Ihr
von dem sehr unrühmlichen Parteigeist der theologischen Fa-
kultät seid angesteckt worden. Daher Ihr auch von dergleichen
für Unsere Zeiten so unschicklichem Fanatismo abzustehen be-
fehliget werdet.” Des Ministers Liebe für Bahrdt war doch“
verschwendet. Vergebens ermahnt er ihn in einem Brief durch
ein vorsichtigeres Leben den Schein abzuthun, '”) „‚dals die freie
Denkungsart mehr aus den Begierden des Herzens als aus der
Überzeugung des Verstandes entsprossen sei.” „Bei Ihrer Ge-
sinnung,” fragt er ihn, °°) „wollen Sie Jugendlehrer, Erzieher
bilden?” Zuletzt wurde das Maals voll. Als Bahrdt in Halle
eine Weinwirthschaft für Studirende eröffnet, oder, wie es in
Anhang. 105
dem Reskript heifst, *') als Dr. Bahrdt ein neues Erwerbungs-
mittel dadurch ausfindig macht, dals er eine Freimaurerloge an-
gelegt hat und darin junge Leute für nicht unbeträchtliche Re-
ceptionsgebühren aufnimmt, befielt Zedlitz dem Unfug zu
steuern. Dies geschah indessen schon unter der folgenden Re-
gierung im Sept. 1787.
Der Cultusminister, der dem leichtfertigen Dr. Bahrdt
Jahre lang die ruhige Wirksamkeit der theologischen Fakul-
tät preisgab, welche er kurz zuvor die beste in Europa
genannt hatte, verhält sich ungefähr, wie der philosophi-
sche König, der auf den Verfasser des Buchs „der Mensch
eine Maschine,” der auf einen La Metrie eine Lobschrift
schrieb und in ihm nur den Verfolgten sah. Doch darf man
bei der Emerson einen politischen Grund nicht übersehen,
den Zedlitz auch in dem Bericht an den König berührt. Der
Reichshofrath hatte die Verbannung verfügt. Die Protestanten
mulsten ihm das Recht bestreiten, sich um das zu kümmern, was
sie als Protestanten thaten, und über evangelische Bücher zu
urtheilen und sie zu verdammen, so lange sie das Corpus Evan-
_ gelicorum nicht verdammt. Daher ziemte sichs wenigstens,
über dem von einem solchen Übergriff Betroffenen die preufsi-
sche Hand zu halten.””) Auf keinen Fall wird man in diesen
"hallischen Vorfällen die eiserne Consequenz vermissen, mit der
Friederichs Regierung, der es galt, Duldung und Glaubensfrei-
heit dem Staate einzuprägen, vor keiner Folge zurückwich.
gi Wie Zedlitz, der Minister Friederichs des Zweiten
die Theologie auffalste, ist aus Bahrdts Sache zur Genüge er-
sichtlich... Wo er Theologen beruft, beruft er sie im Sinne
„vernünftiger” Theologie, aber er jücht die wissenschaftlich be-
gründenden Vertreter, wie er sich z. B. um Schröckh, Dö-
derlein, Rosenmüller bemüht. Immer stellt er die philo-
hische und allgemein wissenschaftliche Bildung als die be-
stimmenden Mächte der Cultur voran. Da er bei Döder-
lein’s Berufung nicht gleich gewähren kann, was gewünscht
wird, schreibt er an Nicolai, den Vermittler in dieser Sache *°):
„in einem Lande wo man Sulzere, Lamberts, Mendels-
sone, Eberharde, Engels hat, da muls man doch auch
106 Anhang.
nach ein bischen vernünftiger Theologie nicht so lecker thu
als wenn man in seinem Leben noch keine gespürt hätte.”
Keinen Theil der \WVissenschaften versäumte er; vielmehr
kannte er den Werth aller. So stellte er z. B. in Königsberg,
Kraus an, der für die Lehre von der Staatswirthschaft wich-
tig wurde, den Physiker Reusch, den Chemiker Hagen; nach
Halle berief er Johann Reinhold Forster, Kooks Be
gleiter auf der Weltumseglung, Friederich August Wolf
für Duisburg richtete er seine Absichten auf Heeren.”*) R
Im September 1779 sprach der König ausführlich mit dem
Freiberrn von Zedlitz über den Unterricht in den Schulen,
Der dabei gegenwärtige Geheime Cabinetsrath Stellter mulste
den Inhalt der Unterredung nachschreiben und in die Form
eines Schreibens an den Minister bringen.°’) Zedlitz führt
alsbald mehreres aus, was der König angedeutet hat; und es ist
schön zu sehen, wie der Minister sich auch in den Gegenständen
der Gymnasien mit eigener Lust bewegt. So lernt er z. BE.
noch Griechisch. Mit seinem Secretair, dem spätern Bibliothe-
kar Biester, liest er die Klassiker und begleitet die gemein-
same Lectüre mit feinen Bemerkungen und treffenden Sacher-
klärungen; er nimmt Studien der Mathematik und Mechanik auf
und urtheilt z. B. über eine herausgekommene „Vorbereitung
zur Geometrie für Kinder” richtiger als der Philolog Christian
Gottfried Schütz, damals Inspector am theologischen Se-
minar in Halle.’°) Allenthalben bat er sein Augenmerk auf
die anregende Methode gerichtet; allenthalben sucht er sich die
rechten Männer, Schütz, Meierotto, Niemeyer, Gedike,
und sieht ihr Werk wie das seine an. So schliefst er z. B.
einen Brief an Schütz unter dem 7. Mai 1776 mit den Wor-
ten”’): „Leben Sie wohl und bedenken Sie, dals man sich
durch nichts dem grofsen Geist, dem Schöpfer der Welt, mehr
nahet, als wenn man Menschen besser und zum allgemeinen End-
zweck brauchbarer macht. Lassen Sie uns stolz sein, dals wir
zu so einem Amt berufen sind, und wir wollen nicht mülsige
Hände in den Schools legen.” i
So suchte der Minister vom Mittelpunkte aus die Kräfte zu
beleben, aber nicht in falscher Centralisirung zu beschränken.
Anhang. 107
\Die Lehrer empfanden es. „So vortreffliche Gesinnungen,”
schreibt Schütz, „würden auch den kältesten und unthätigsten
Arbeiter haben zur lebhaftesten Betriebsamkeit entflammen müs-
sen.” Überhaupt suchte Zedlitz die rechten Männer und mit
ihnen in das Eigenthümliche ihrer Aufgabe und in den Werth
ihres Berufs tief eingehend, steigerte er ihre Kraft und liels sie
freudig empfinden, dals ihre Thätigkeit nicht versäumt und nicht
vergessen sei. So setzte sich des Königs scharf abgerissener
Befehl, dessen Ton auch wol des Ministers Verfügungen an-
\schlagen, den Einzelnen gegenüber in eine warm und mild be-
lebende Kraft um.
= Wenn der König die Einkünfte für die grölsten Zwecke des
Staats haushälterisch zusammenbielt, so war der Minister des Un-
terrichts durch knappe Mittel in seinen besten Entwürfen allent-
halben beengt. In Halle griff er dazu, den neuen Bau der Bi-
bliothek selbst den Gehalten der Professoren abzusparen.”*) In
solcher Lage waren Übelstände unvermeidlich. Milsgriffe der
Einzelnen glich der Minister würdig und schonend aus, trotz der
begangenen Fehler die Verdienste der Männer anerkennend, ihre
bessere Seite anregend und ihre Thätigkeit aufmunternd. Es
iebt davon ein in der Autographensammlung der hiesigen Bi-
"bliothek aufbewahrter Briefwechsel des Ministers mit einem sei-
ner Zeit nicht unberühmten Professor der Rechte in Halle ein
‚schönes Zeugnils.
BE Zedlitz wulste, dafs auch Höheres als Geld die Gelehrten
\ an Preußsen fesselte. So schreibt er an Frdr. Aug. Wolf,
‚den Philologen, als er ihn nach Halle beruft, ihm aber äufserlich
ur eine schmale Lage bieten kann ’’): „Sie legen es mir da-
‚durch zur doppelten Pflicht auf für ihr besseres Fortkommen in
| Balle zu sorgen, wo doch Freiheit im Denken, Zusammenflufs
Be Männer und Zulauf von Zuhörern Sie auch einiger-
malsen entschädigen wird.”
|
EL, In jenem aus der mündlichen Anweisung entstandenen
\ „Schreiben des Königs an den Etatsminister Freiberrn von Zed-
litz” bilden die auctores classic den Kern der Schule und zwar
‚die griechischen so gut als die lateinischen. Die in unsern Ta-
\ gen oft verhandelte Frage, ob Latein oder kein Latein in den
108 Anhang.
höhern Bürgerschulen, durchschneidet der König mit den Wor-
ten: „Lateinisch müssen die jungen Leute auch absolut lernen,
davon gehe Ich nicht ab; es muls nur darauf raffinirt werden
auf die leichteste und beste Methode, wie es den jungen Leuten
am leichtesten beizubringen; wenn sie auch Kaufleute werden,
oder sich zu was anderm widmen, wie es auf das Genie immer
ankommt, so ist ihnen das doch allezeit nützlich und kommt
schon eine Zeit, wo sie es anwenden mögen.” Der König ver-
gilst indessen nicht hinzuzusetzen: „Eine gute deutsche Gramma-
tik, die die beste ist, mufs auch bei den Schulen gebraucht wer-
den, es sei nun die Gottsched’sche oder eine andere, die zum
besten ist” Dies kurze Wort des Königs, das einen Zweifel
an der noch im Jahre 1776 wieder aufgelegten Grundlegung
einer deutschen Sprachkunst von Gottsched zu enthalten schien,
blieb nicht müfsig. Der Minister wandte sich an Adelung,
der seit 1774 sein grolses Wörterbuch der hochdeutschen Mund-
art herauszugeben begonnen hatte; und es erschien schon im
Jahre 1781 „Johann Christoph Adelungs deutsche Sprachlehre.
Zum Gebrauche der Schulen in den Königl. preulsischen Lan-
den.” Die Widmung spricht den Dank dem Minister aus, der
durch die Ausführung des würdigen Gedankens, die deutsche
Sprache auf deutschen Schulen grammatisch zu lehren und zu
lernen auch der Sprachkenntnifs neue und fruchtbare Aussichten
verschafft habe. Das Buch blieb bis in das zweite Jahrzehend
unsres Jahrhunderts in den Schulen.
In jenem Schreiben liegt dem König besonders der Unter-
richt in der Rhetorik und Logik am Herzen, auf welchen er
wiederholt zurückkommt. Für die Rhetorik empfielt er den
Quintilian und dessen Methode. ,‚Zum Unterricht in der Lo-
gik,” setzt er hinzu, „ist die beste im Deutschen von Wolf;
solche ist wohl ein bischen weitläuftig, aber man kann sie abre-
giren.” „Im Joachimsthal und in den andern grolsen Schulen
muls die Logik durchgehends gründlich gelehret werden, auch
in den Schulen der kleinen Städte, damit ein jeder lernt einen
vernünftigen Schluls machen in seinen Sachen; das muls sein.”
Ferner sagt der König im Widerspruch mit dem, was neuerlich
in Frankreich und auch wol sonst ins Werk gesetzt wird: „und
Anhang. 109
was die Philosophie betrifft, die mufs von keinem Geistlichen
‚gelehret werden, sondern von Weltlichen, sonsten ist es ebenso,
I s. w. In demselben Sinne hatte Friederich der Grolse
im Jahre 1765 in seiner „Anweisung für die Leitung der Ritter-
akademie in Berlin” die philosophischen Cursen genau bestimmt.
\Für die Gymnasien blieb der Wille des Königs nicht ohne
Frucht. Engel, der Verfasser des Philosophen für die Welt,
\gab im Jahre 1780 seinen „Versuch einer Methode die Vernunft-
‚lehre aus platonischen Dialogen zu entwickeln” heraus, in wel-
‚chem er den Menon des Plato zum Grunde legt, damit die Schü-
‚ler selbst die Begriffe abstrahiren und sich selbst die Wissen-
"schaft unter Anleitung des Lehrers gleichsam erfinden. Das
Buch ist dem Freiherrn von Zedlitz zugeschrieben, auf dessen
Frage, wie Philologie und wissenschaftlicher Unterricht zu ver-
einigen, es entstanden ist. Es war übrigens nichts Neues, was
der König wollte. Luther hatte mitMelanchthon in demEnt-
wurf der lateinischen Schule den Unterricht in der Dialektik
und Rhetorik angeordnet. Melanchthon hatte dafür ein Lehr-
buch verfalst. Philologen, wie Facciolati und Gelsner,
" Ernesti und Wyttenbach, hatten andere geschrieben. Der
| alt überlieferte Gegenstand erhielt nur durch des Königs Ansehn
| und durch Engels Arbeit einen neuen Antrieb und setzte sich
auf den preulsischen Gymnasien in der philosophischen Propä-
' deutik fort, welche nur erst seit etlichen Jahren äufserst be-
schränkt und jetzt fast im Verschwinden begriffen ist. Für die
| philosophische Bildung gehen dadurch eingeschulte Elemente
verloren und für die Universitätsvorträge die Anknüpfung an
‚sichere Vorbegriffe. Ja, der König behauptet in jenem Schrei-
| ben: „Die jungen Leute lernen in den Schulen alles desto leich-
ter; denn wenn sie nachher auf Universitäten sind, so lernen
| sie davon nichts, wenn sie es nicht aus der Schule schon mit
\ dahin bringen.”
Aus Meierotto’s Leben ’°) ist ersichtlich, wie eifrig und
| | genau Zedlitz alle Anordnungen des Königs in dem ihm unter-
U gebenen Joachimsthalschen Gymnasium auszuführen bemüht war,
und wie einsichtig der König selbst in einer Unterredung mit
110 Anhang.
Meierotto, dem Rector des Joachimsthalschen Gymnasiums,
den Erfolgen, namentlich im Unterricht der Rhetorik, nach-
forschte. Fi
Es war ein richtiger Griff des Ministers, die neuen Schul, 1
bücher nicht von methodisch geübten Fachlehrern, sondern viel-
mehr von Forschern und Meistern, wie Adelung und Engel,
schreiben zu lassen. f
Obwohl der Akademie nicht vorgeordnet, denn damals stand
sie unmittelbar unter dem König, hatte der Minister von Zed-
litz für ihre Arbeiten Theilnahme bewiesen. Sie wählte im
Jahre 1776 den wissenschaftlichen, um den öffentlichen Unter-
richt verdienten Mann zum Ehrenmitgliede. Der König bestä-
tigte die Wahl mit besonderer Befriedigung und Zedlitz hielt
beim Eintritt einen französischen Vortrag „über den Patriotis-
mus als Gegenstand der Erziehung in den monarchischen Staa
ten.” Es geht durch den Vortrag, der die Vaterlandsliebe des
Volkes in die Hand der Geistlichen und Lehrer legt, eine Wärme
durch, welche den Verfasser doppelt ehrt, da er Staatsmann ist,
Vieles, z. B. eine besondere Liebe für das Nützliche, verleugnet
darin den Geist des Tages nicht. Es fehlt eine tiefere Auffas-
sung der Geschichte, welche doch mit dem Thema verwandt ist,
und am Schluls wird in dieser Beziehung nur das Beispiel und
die Geschichte des grolsen Königs als ein Hebel der Vaterlands-
liebe hervorgehoben. Wo der Verfasser die Triebfeder der
Monarchie bespricht, weist er mit Recht Montesquieu’s halben
Gedanken zurück, der sie nur in der Ehre sieht, und verlangt
statt ihrer Tugend, Gehorsam und Dankbarkeit, indem er die
Gesinnung in der gerechten Monarchie des Selbstregenten von
der Sklavenfurcht des Despotismus unterscheidet.
In die Zeit, da Zedlitz an der Spitze des preulsischen Un-
terrichtswesens stand, fällt die pädagogische Bewegung, welche
von Basedow ausging. Es war der Grundgedanke, dals aut
unserm ganzen Unterricht der Schulstaub früherer Jahrhunderte
liege und der Unterricht noch die Farbe des Mönchthums trage.
Alles arbeite darin der Natur entgegen. Es müsse diejenige
Erziehungsmethode in Schwang kommen, die weislich aus der
Natur selbst gezogen sei. Die Verstandesbildung sei die Haup
Anhang. 111
ache, denn auch der Weg zum Herzen gehe durch den Kopf. .
ie Gedächtnißsbildung mache leicht dumm; das Sprachstudium
ei nur für die Sache da. Des Wissenswürdigen sei so viel ge-
orden, dals alles Überflüssige weggeschafft werden müsse, um
atz für das Nothwendige zu gewinnen. Zu dem Überflüssi-
gen gehören die todten Sprachen, die im Leben so wenig An-
wendung finden. Man solle das Latein lernen, wie eine neue
Sprache. Auf Realien komme es an. Alles Lernen müsse vom
Anschaulichen ausgehen; es müsse so leicht als möglich gemacht
werden, damit die Kinder nach Lust und spielend lernen. Ge-
gen die Weichlichkeit der Zeit bedürfe es der Abhärtung und
der Gymnastik. Bis ins 1öte Jahr solle der Knabe nur als
Weltbürger behandelt werden. Der Mensch sei von Natur gut;
Gott liebe Alle als Allvater; die Kinder lieben auch von Natur
die Menschen; sie sollen daher zu Menschenfreunden und Welt-
bürgern erzogen werden. Daran schlielst sich Basedow’s allge-
meine Gottesverehrung, seine natürliche Religion, seine deisti-
sche Poesie an. Für diese Gedanken errichtet er das Philan-
thropinum in Dessau im Jahre 1774 und verfalst er sein Ele-
mentarwerk mit 100 Kupfertafeln. Für diese Gedanken ruft
caow in stürmischem Eifer die Theilnahme Deutschlands
wach und fordert zur Beisteuer auf. Die bedeutendsten Män-
ner horchen mit Vertrauen dieser Stimme. Kant RAPEPR das
Unternehmen; Lessing lobt das Philanthropinum; * *) Euler
unterschreibt das günstige Zeugnils der Petersburger Akademie.” °)
Ein neuer Tag sollte der Jugend und durch die Jugend der
Welt anbrechen.
Es waren die Gedanken der Zeit und sie stimmten mit dem,
was Zedlitz suchte. Er förderte sie seines Theils. In sei-
nem Vortrag bei der Aufnahme in die Akademie pries er Base-
dow’s Elementarwerk.
© Mit Wahrem war Falsches gemischt, und das Wahre, das
gegen den Mechanismus des alten Unterrichts ging, war so blen-
' dend ausgeführt, dals man vor dem Schein, den es warf, das
Falsche im Grunde des Wesens nicht sah. Aber es konnte
micht fehlen, dafs das Flache und Falsche eine taube Saat er-
zeugte. Es war unmöglich, dafs eine gute Erziehung, welche
112 Anhang.
immer die Stille sucht, vor den Augen Europa’s konnte getrie-
ben werden. Es war verkannt, dafs weder Verstandesbildung
anders erworben wird, als durch Arbeit am gediegenen Stoff, i
noch Wille und Gesinnung je aus blofser Verstandesbildung
herstammen. Es war undenkbar, dals es ohne Mathematik und
ohne Klassiker eine echte Bildung solle geben können. Es war
unsinnig zu glauben, dafs die natürliche Religion, ein Abhub des
Verstandes, das Gemüth des Kindes solle ergreifen oder gar
die tiefen Anschauungen des geschichtlichen Christenthums solle
ersetzen können,
Die schärfste Kritik erfuhr der gegen die Theologie gerich-
tete Satz, dals der Mensch von Natur gut sei, durch Friederich
den Grofsen, der, ohne es zu wissen und zu wollen, gegen
diesen Gedanken französischen Ursprungs dem Dogma zu Hülfe
kam. Der König fragte einmal den von ihm hochgeschätzten
Sultzer, dem er die Leitung der Schulanstalten in Schlesien
aufgetragen hatte, wie es damit gehe. Sultzer antwortete:
seitdem man auf dem Grundsatz, dals der Mensch von Natur gut
sei, fortgebaut habe, fange es an besser zu gehen. „Ach,” er-
wiederte der König, im Widerspruch mit dieser gutmüthigen,
schwachherzigen Pädagogik, „Ihr kennt nicht genug diese ver-
. . ER 4
wünschte Race, welcher wir angehören.” °*)
Männer, welche tiefer blickten und schärfer sahen, wie
Schlözer und Plank,-durchschauten das Luftige und Grols-
sprecherische des Plans. Auch der Philolog Schütz, von dem
Minister zur Untersuchung der Sache nach Dessau gesandt, hatte
gleich Anfangs ungünstig berichtet. Das Philanthropinum zer-
fel bald und Basedow verkam. Aber die Anregungen, die es
gegeben hatte, dauerten fort; wir messen sie an Namen von
Männern wie Salzmann, Campe, Rudolf Zacharias
Becker, und selbst Dohm, welche alle durch das Philanthro-
pin durchgegangen waren, und sich auf ihre Weise praktisch
eine Bahn brachen. Es war indessen schwerlich der richtige
Gedanke, eine solche Pädagogik, in ihrer Richtung eudämoni-
stisch, in ihren Mitteln Aaach, als Theorie an die Universität Halle
zu verpflanzen. Der Minister berief Trapp aus dem Philan-
thropinum als Professor der Pädagogik. Milsstände zeigten sich
RE RLEET
Anhang. 113
bald. Ihm fehlte, was ihm auf einer Universität Halt geben
konnte, gründliche Wissenschaft. Wo die Methode als die
Form nicht zugleich aus dem tiefer erfalsten Inhalt herauswächst,
wird sie leer; und auf eine blofse Methode läfst sich so wenig
eine Professur gründen, als auf ein Schema. Der Minister stellte
Trapp an die Spitze des Erziehungsinstitutes, das er zur Pflanz-
schule geschickter, methodisch gebildeter Lehrer errichtet hatte.
Der Plan desselben war von basedowschen Gedanken durchzo-
gen, aber die Ausführung war gründlicher und wissenschaftlicher,
da der Minister für die Leitung Männer, wie Karsten, Eber-
hard, Sprengel gewonnen hatte. Vergebens suchte Trapp
durch eine Ansprache „über das Hallische Erziehungsinstitut”
‚eine gröfsere Theilnahme der Eltern zu erregen.’’) Das In-
stitut hatte keinen längern Bestand. Als Trapp im December
1782 seine Entlassung begehrt, um nach Holstein, in seine Hei-
mat, zurückzukehren, berichtet der Minister an den König: „ich
halte dafür, dafs sein Verlust nicht unersetzlich ist,” und fügt
hinzu, dals er wegen der Stelle mit einem geschickten Mann im
Hannoverschen fast schon richtig sei. Dieser Mann war Frdr.
Aug. Wolf, dessen Berufung für die Entwicklung der philo-
logischen Studien in Deutschland solche Bedeutung gewann. °°)
Seit alter Zeit war die Sorge für die Volksschule eine in
Preufsens Regierung überkommene Angelegenheit. Durch die
‚Reformation war der Gedanke der allgemeinen Schulpflicht
‚durchgedrungen. In dem Bereich der katholischen Kirche war
bis ins vorige Jahrhundert nur stolsweise etwas für den Volks-
unterricht geschehen. Im protestantischen Deutschland hatten
insbesondere die von dem edeln und frommen A. H. Franke
ausgehenden pietistischen Bewegungen die Bestrebungen für den
"Volksunterricht neu beseelt. In Berlin war mit der von dieser
‘Seite gegründeten Realschule ein Lehrerseminar verbunden. Un-
‚ter König Friederich Wilhelm I. hatten die sogenannten prin-
eipia regulativa die Schulen eng an die Kirchen angeschlossen
und die Schullehrer den Predigern zur Aufsicht und Unterwei-
sung untergeben. Noch im August 1763 nach eben beendigtem
‚siebenjährigen Kriege erliels der rs das wichtige General-
[1859.] 8
114 Anhang.
Landschul-Reglement, das indessen aus Mangel an Mitteln nicht z
durchgeführt wurde. &
Im katholischen Schlesien wurden um diese Zeit die ersten
katholischen Volksschulen geschaffen. Es war das Verdienst des
Abts und Prälaten von Felbiger, der im Jahre 1762 im
Stillen, aber mit höherer Erlaubnils, einige katholische junge
Männer zum Besuche des lutherischen Seminars nach Berlin
sandte. Der damals in Schlesien dirigirende Minister vonSchla-
brendorf unterstützte diese Bestrebungen und es kamen schon
bereits am Ende des Jahres 1765 katholische Schullehrerseminare
in Schlesien zu Stande und Friederich der Grofse unter-
zeichnete am 3. November 1765 das von Felbiger ausgear-
beitete Landschulreglement für die Römisch-Katholischen in
Städten und Dörfern des souveränen Herzogihums Schlesien
und der Grafschaft Glatz. So blühte in Friederichs Schle-
sien der katholische Volksunterricht auf und das schöne Beispiel
leuchtete weithin. Denn die Kaiserin Maria Theresia berief
1774 denselben Abt von Felbiger, um die Reform des öster-
reichischen Schulwesens in seine Hände zu legen.’ ’)
Inzwischen bildete sich in der Mark zu einer neuen Gestal-
tung der Volksschule ein anderer Mittelpunkt; es war eine Er-
scheinung von hervorragender Eigenthümlichkeit. Auf Rekahn
bei Brandenburg sals seit Jahrhunderten die Familie von Ro-
chow. Ein Sprols derselben, Friederich Eberhard von
Rochow, der die Schlachten von Lowositz und Prag mitge-
fochten und verwundet den Abschied genommen hatte, Domherr
am Dome zu Halberstadt, empfand mit dem verwahrlosten Volk
Erbarmen und legte muthig Hand ans Werk, indem er die Schu-
len zu Rekahn und Gethin freigebig erneuerte und geistig pflegte,
1772 seinen „Versuch eines Schulbuchs für die Kinder der
Landleute” und ein Lesebuch „der Bauernfreund” schrieb, spä-
ter unter dem Namen des von Rochowschen Kinderfreundes oft
herausgegeben, und in seinem Lehrer Bruhns den rechten Ar-
beiter in dem Weinberge seiner Schulen suchte und fand. Ihn
trieb christlicher Sinn. Er wünschte zu Schullehrern Candi-
daten der 'Theologie und verlangte von ihnen die Gesinnung
eines Missionars, ohne welche die Lehrer Miethlinge bleiben
!
Anhang. 115
würden. Dabei traute er der Aufklärung des Verstandes unbe-
schränkt und dachte sie in keinem Gegensatz gegen die eigent-
liche Bestimmung des Landvolks. °°) Tiefer gegründet und
sich weiser beschränkend, nachhaltiger und ruhiger als Basedow
war er doch von Basedow’s Richtung mitergriffen und sandte
Lehrer zur Ausbildung nach Dessau. Seine Schulen wurden
Muster. Man unternahm Reisen nach Rekahn, wie z. B. der
Geograph Büsching that, der die seine beschrieb. Aus vielen
Gegenden Deutschlands wurden Lehrer hingesandt und selbst
über Deutschland hinaus weckte Rochow’s Beispiel Nacheife-
zung. Der katholische Abt von Felbiger setzte sich mit ihm
wie mit einem Genossen gleichen Strebens in Verbindung und
‚seine Briefe an Herrn von Rochow sind ein schönes Zeugnils,
wie man damals für das gemeinsame Ziel der Volkserziehung
über die Kluft der Kirchen hinüber einander die Hand reichte.’ ?)
Der Freiherr von Zedlitz sah in ihm den Mann, der ihm,
wie er sich ausdrückte, zur Beförderung der grolsen Absichten
des besten Königs in der Verbesserung des Unterrichts der Land-
jugend kräftige Beihülfe gewähren könne. „Dals ein Domberr,”
so schreibt er ihm unter dem 17. Januar 1773, „für Bauerkinder
Lelirbücher schreibt, ist selbst in unserm aufgeklärten Jahrhun-
‚dert eine Seltenheit, die dadurch noch einen höhern Werth er-
hält, dals Kühnheit und guter Erfolg bei diesem Unternehmen
gleich grols sind. Heil, Lob und Ehre also dem vortrefflichen
Manne, den nur die Rücksicht auf die Allgemeinheit des Nutzens,
welcher gestiftet werden kann, zu solchen Unternehmungen an-
treiben konnte.” *°)
= Wir sehen nun beide Männer Hand in Hand gehen. Ihr
‚an Einzelheiten reicher, von gleichem Streben getragener Brief-
‚wechsel giebt dazu sprechende Belege. Zu zwei verschiedenen
“Malen im Jahre 1774 und 1779 kommt der Minister nach Re-
kahn, um die Schulen selbst zu sehen und selbst zu prüfen. Im
‚Briefwechsel mit Herrn von Rochow kommen die Hindernisse
zur Sprache, die ihm bei der Ausführung, namentlich auch bei
‚dem Könige, aufstolsen. Wie Friederich gern seine Akade-
miker aus Frankreich oder der Schweiz berief, so war es ein bei
ihm wiederkehrender Gedanke, Schulmeister aus Sachsen zu ho-
s®
116 Anhang. f
%
len. Es war merkwürdig wie Friederich noch im sieben-
jährigen Kriege, drei Tage vor dem Hubertsburger Friedenschlufs,
von Leipzig aus plötzlich die Nachricht geschickt hatte, dafs er
acht Schulbalter in Sachsen angenommen habe, mit dem Befehl,
vier in Hinterpommern und vier in der Kurmark anzustellen,
Von Neuem war davon die Rede. Der Minister wünscht es
nicht und auch Rochow widerräth es. Der Dialekt mache
die Sachsen den Landleuten unverständlich und am Ende hätten
sie doch immer keine patriotische Wärme für unsern Staat.
Dies Mal unterblieb die Sache.‘ ')
Im Jahr 1779 kreuzte eine andere Gefahr alle Hoffnung.
zur Verbesserung der Landschulen. Der König befahl dem
Minister, die Invaliden, welche sich zu Schulmeistern schick-
ten, anzustellen, ‚‚denn,” schrieb er, „die Leute meritiren
untergebracht zu werden, indem sie ihr Leben und Gesund-
heit für das Vaterland gewaget haben.” Freiherr von Zed-
litz schreibt darüber an von Rochow im Jahr 1781:*?)
„Fast muls ich auf die Aufnahme der Landschulen ganz Ver-
zicht thun; der König bleibt bei der Idee, dafs die Invaliden zu
Schulmeistern genommen werden sollen. Er vermengt die Bil
ligkeit, verdiente Leute zu belohnen, mit der Pflicht, brauchbare
Menschen zu bilden. Ich habe selbst in einzelnen Fällen mit
meinen Vorstellungen nichts ausrichten können.” Büsching
nennt das Jahrhundert Friederichs des Grolsen nach dieser Sei
das Jahrhundert der Invaliden.
Mit Herrn von Rochow bespricht der Minister die Ein-
richtung von Musterschulen, Seminarien und Armenschulen.
Das Armenwesen lag sehr darnieder; das Betieln war eine
Landplage geworden. Auf des Königs Befehl nahm der Mi-
nister von Zedlitz im Jahr 1775 die Sache für alle Provinzen
in die Hand und führte insbesondere den Grundsatz durch, dafs
sich jede Gemeine ihrer Armen annehme.‘’) Um selbst mit
dem Beispiel einer Armenschule voranzugehen, falst er den Plan
eine der Berliner Armenschulen in eigene Aufsicht zu nehmen.
Er lälst einen Lehrer in Rekahn bilden, und errichtet vor dem
Königsthor in der Nachbarschaft seines Hauses eine Schule, wo-
hin die um ihn herum wohnenden Handwerker und Ackerbürger,
Anhang. 117
"und zwar die Armen unentgeltlich, ihre Kinder schicken. Er
' lälst seinen eigenen Sohn diese Schule besuchen.‘ *)
So sehen wir den rastlos strebenden Minister mitten in den
Wissenschaften und wieder bei den Schulbüchern und bei der
' Bildung von Lehrern; mitten in den Universitäten und Gymna-
sien und selbst persönlich in der eigenen Armenschule. Nichts
ist ihm zu klein, Alles beseelt er; Kleines und Grolses begreift
er in den Einen Gesichtspunkt des allgemein Nützlichen.
DesNützlichen,desBrauchbaren. Dalser diesen Begriff
' nicht platt, sondern höher falste, dafür bürgt seine philosophische
| Liebe, seine edlere staatsmännische Weise. Aber dennoch lag
darin die Grenze seines Geistes, wie überhaupt der Zeit, welche
' Friederich ausgeprägt halte.
Wir erwähnen dabei nur Eine Mafsregel, welche den Unter-
\ richt, unser eigentliches Thema, nur berührt.
Zedlitz hatte als Chef des geistlichen Departements und
als Präsident des Ober-Consistoriums wesentlichen Antheil an
‚ der Einführung eines neuen Gesangbuches.'”) Es war in sei-
nem Sinne, dafs Männer wie Ditrich und Teller, neue Lie-
der auswählten und alte verbesserten. Klopstock hatte an
den alten einst Ähnliches versucht. Allein wie es überhaupt
| eine milsliche Sache ist, eine ursprüngliche Poesie mit nachge-
| kommenen Empfindungen zu verändern, so ist es am schwie-
rigsten Lieder umzumodeln, in welchen einst die Kirche ihre
Gefühle wiederfand und an welchen von Geschlecht zu Ge-
schlecht die lieb gewordene Erweckung frommer Empfindungen
hängt. Am wenigsten war aber die nüchterne Ansicht der
Zeit, die verständige Ansicht der Theologie zu solchen vorgeb-
lichen Verbesserungen der Lieder berufen. Es konnte nicht
fehlen, dals das Ursprüngliche verwischt und das Eigenthümliche
ins farblose Allgemeine gezogen wurde, wodurch sich ebenso
‚sehr die Kirche als die Poesie für beschädigt halten konnte. Im
Vertrauen dafs der König ein solches vernünftigeres Gesangbuch
billigen werde, war es nicht für nöthig erachtet, seine Geneh-
migung vorher einzuholen. Ohne eine solche wurde im Jahr
1780 das „Gesangbuch zum gottesdienstlichen Gebrauch in den
"Königlich preufsischen Landen” bekannt gemacht und die Ein-
118 Anhang. 7
führung in alle lutherischen Kirchen des Landes befohlen. Viele
Gemeinden widerseizten sich, und der König, von mehreren
Seiten angerufen, erliels im Januar 1781 im Sinne der von ihm
vertretenen Toleranz den Bescheid: „obwol das neue Gesang-
buch verständlicher, vernünftiger und dem wahren Gottesdienst
angemessener sei, so solle kein Zwang geschehen, sondern jeder
Glaube hierunter ganz freie Hände haben und behalten” Wenn
er eigenhändig hinzusetzte: „Ein jeder kann bei mir glauben, |
was er will, wenn er nur ehrlich ist. Was die Gesangbücher
angeht, so stehet einem jeden frei zu singen: „Nun ruhen alle
Wälder” und dergleichen dummes und thörichtes Zeug mehr:”
so ihut dieser Seitenblick dem schönen Liede Paul Gerhardts
so wenig Eintrag, als den alten deutschen Gedichten das Urtheil,
das der König im Jahre 1782 an den Herausgeber Myller als
Dank für die Einsendung schrieb: „die Gedichte seien keinen
Schufls Pulver werth.” Aber wichtiger ist es zu bemerken, wie
die consequente Durchführung eines grolsen Grundsatzes, des
Königs Anerkennung der Glaubensfreiheit, das wieder gut
machte, was die eigene einseitige Richtung, welche in des Mi-
nisters Verfahren zu Tage kam, gefehlt hatte.
Dem Minister von Zedlitz war aufser dem geistlichen De-
partement die Criminaljustiz anvertraut. Es war darin das Ziel
seiner unablässigen Arbeit, die Sorgfalt in Verhütung der Ver-
brechen, die Menschlichkeit in Behandlung der Gefangenen, die
weise Milde in Zuerkennung der Strafen immer weiter zu ver-
breiten.‘ °)
Aus diesem Gebiet seiner Thätigkeit heben wir nur Eins
heraus, weil es den Mann bezeiehnet. In dem merkwürdigen
Ereignils des Müller- Arnoldschen Prozesses hatte der König,
schlecht berichtet, den falschen Verdacht geschöpft, dals die Ge-
richte, vor welchen nach seinem Willen der Bauer dem Prinzen
gleich sein sollte, einen Edelmann gegen den klagenden Müller
begünstigt und das Recht gekränkt hätten, und ward aus Eifer
für die Gerechtigkeit ungerecht. Schon hatte er den Grols-
kanzler von Fürst unwillig entlassen und drei Kammergerichts-
räthe verhaftet; und gab nun dem Minister von Zedlitz den
Befehl, gegen die drei schuldigen Kammergerichtsräthe auf Kas-
4
Anhang. 119
sation und Festungsstrafe und gegen den Präsidenten der neu-
märkischen Regierung auf Amtsentsetzung zu erkennen. In der
Ördre fügte der König die Drohung hinzu: wenn dies nicht mit
aller Strenge geschehe, werde der Freiherr von Zedlitz sowol
als auch das Criminal- Collegium es mit Sr. Majestät zu thun
kriegen. Indessen ergab die Untersuchung, dafs in der Sache
kein Richter parteilich verfahren war. Vergebens suchte der
"Minister den König durch einen Bericht des Criminalsenats zu
überzeugen. Der König sah darin nur den Eigensinn der Rich-
ter, welche unter einander gegen ihn durchstechen wollten.
Keine Wegenvorstellung fruchtete. Da hatte Zedlitz den
Muth, dem Könige zu antworten, dals er nicht wider sein Ge-
"wissen und seine Überzeugung handeln könne. Er schrieb: '”)
„Ich habe Ew. Königl. Majestät Gnade jederzeit als das gröfste
Glück meines Lebens vor Augen gehabt und mich eifrigst be-
müht, solche zu verdienen; ich würde mich aber derselben für
‚unwürdig erkennen, wenn ich eine Handlung gegen meine Über-
zeugung vornehmen könnte. Aus den von mir und auch vom
Criminalsenat angezeigten Gründen werden Ew. Königl. Ma-
jestät zu erwägen geruhen, dafs ich aulser Stande bin, ein con-
‚demnatorisches Urtbeil wider die in der Arnoldschen Sache ar-
retirten Justizbeamten abzufassen.” Darauf erliels der König
‚die verurtheilende Kabinetsordre. ,„WVenn sie also nicht spre-
chen wollen, so thue ich es und spreche das Urtheil” — „Übri-
‚gens,” so schlols der Bescheid, „will Ich Euch noch sagen,
wie es Mir lieb ist, dals Ich Euch bei dieser Gelegenheit so ken-
‚nen lernen, und werde nun schon sehen, was Ich weiter mit
"Euch mache. Wornach Ihr Euch also richten könnt.” Durch
des Ministers Standhaftigkeit blieb die ungerechte Verurtheilung
ein Befehl, aber wurde kein preufsisches Rechtserkenntnifs.
_ Trotz der Drohung blieb Zedlitz bei dem König in Achtung
— ein seltenes Zeugnils für beide.
9 Es ist eine Freude zu sehen, dafs Friederichs Zeit nicht
blos auf dem Schlachtfelde Männer hervorbrachte.
A Dieser Zug sittlicher Kraft und sittlichen Grundes vollendet
das Bild des für Menschen und Menschenbildung unermüdlich
thätigen, alle Lebensbeziehungen menschlich und edel auflassen-
120 Anhang. 3
den Mannes. Selbst in Friederich des Grofsen Lichte
verbleicht ein solcher Stern nicht.
Begleiten wir Zedlitz noch einige Augenblicke in die fol-
gende Regierung hinüber.
Es lag in dem Gang der Dinge, dafs ein kirchlicher Rück-
schlag erfolgte und bald auch den Minister traf. Veranlassungen
zu einer solchen Gegenbewegung sind uns auch in dieser Skizze
des Unterrichtswesens begegnet. Das Historische in den Con-
fessionen war gekränkt, das Positive zurückgestellt, und was
darauf gebauet war, fühlte sich unsicher. Friederich hatte
auch die Religion, wie davon das an Zedlitz erlassene Schrei-
ben einen Beweis enthält, in’s blofs Nützliche gezogen; und in-
dem seine Staatskunst den Staat als Ganzes, den Staat als Person
hoch hob, wie kaum je vor ihm geschehen, falste sie die Men-
schen eigentlich nur als Kräfte an diesem Ganzen und an dieser
Person des Staats, als Kräfte, welche benutzt und abgenutzt wer-
den, und nicht als Menschen, die in sich selbst Werth haben.
Es bleibt die schöne Wirkung der Kirche, in welcher, so lange
sie ihrem Beruf treu ist, der einzelne Mensch nimmer einen
blofsen Marktpreis hat, einer solchen Staatsansicht, welche am
Ende die Menschen nur als Stoff des Staats betrachtet, die Wage
zu halten, indem sie als geistige Macht den Werth wahrt, wel-
cher dem allgemeinen Staat entgegengesetzt ist, den Werth des
Menschen als Einzelnen, in welchem sie das Unvergängliche
sucht, des Menschen als Person in sich. Von dieser Seite
konnte eine Gegenströmung sogar heilsam wirken. Aber,
schlimm genug; sie erfolgte nicht mit geistigen Mitteln, son-
dern mit den Künsten der Finsternifs. Zedlitz wich im Jahre
1788 einem Wöllner.
Ehe er es that, binterliels er noch Eine Einrichtung, welche
für Preufsens Entwickelung wichtig wurde. Im Unterrichts-
wesen war die wissenschaftliche und bürgerliche Seite längst so
gewachsen, dafs sie über den Kreis der Theologie und über die
Bildung und Vorbildung der Theologen hinausging. Die Con-
sistorien konnten von ihrem Standpunkt das Ganze nicht mehr
übersehn. Darin lag die innere Nothwendigkeit, das Schul-
wesen vom geistlichen Stande mehr zu trennen. Zedlitz hatte
Pr
|
Anhang. 121
den selbstständigen Fortschritt des Unterrichtswesens im Auge,
da er den Plan erdachte, ein Oberschulcollegium als unabhängige
oberste Behörde neben das Consistorium zu stellen. König
Friederich Wilhelm Il. vollzog diesen Entwurf, bald nach-
dem er den Thron bestiegen.“ *)
Es konnte nicht fehlen, dafs die 18jährige Wirksamkeit eines
solchen Ministers auf Preufsen einen Eindruck machte, zwar
‚einen einseitigen, aber bedeutenden.
Es wäre ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte, Zed-
litzens zerstreute Briefe zu sammeln, ungedruckten nachzu-
spüren, die Acten zu durchforschen, und aus diesen Quellen ein
vollständiges Bild seines Wesens und Wirkens darzustellen. Wir
wünschen dieser Aufgabe eine würdige Lösung.
Inzwischen hat Kant ihm ein Denkmal gestiftet, das mit
-der „‚Kritik der reinen Vernunft” von Jahrhundert zu Jahrhun-
dert dauern wir. Kant widmete sie ihm und in der Zueig-
mung schreibt er unter Anderm, auf Zedlitz, den philosophi-
‚schen Staatsmann hinblickend, mit philosophischem Bewulstsein,
leise, aber deutlich: „Wen das speculative Leben vergnügt, dem
ist, unter mälsigen Wünschen, der Beifall eines aufgeklärten,
‚gültigen Richters eine kräftige Aufmunterung zu Bemühungen,
‚deren Nutzen grols, ob zwar entfernt ist, und daher von ge-
meinen Augen gänzlich verkannt wird.”
Als hierauf nach den Statuten eine Übersicht der Personal-
veränderungen in der Akademie der Wissenschaften seit der
öffentlichen Sitzung am 28. Januar 1858 gegeben wurde, ver-
weilte der Vortrag bei dem Verlust des Herrn Johannes
Müller mit folgenden Worten:
Sein wissenschaftliches Gedächtnis ist anderweitig von be-
‚rufenen Männern, und in dieser Akademie am Leibniztage durch
einen ausführlichen Vortrag des Hrn. du Bois-Reymond, be-
gangen worden. Nur wenige Worte mögen dem entfernter
‚Stehenden von seinem Standort erlaubt sein; denn niemand geht
gern an einer Erscheinung von solcher Bedeutung stumm vorüber.
Je riesenhafter die Erfahrungswissenschaften in sich wach-
‘sen und je mehr sie sich aus diesem Grunde in einzelne neben
122 Anhang.
AN
einander liegende Gebiete theilen, je mehr indessen dadurch
auch das allgemeine Studium in Besonderheiten zu zerfallen droht:
desto höher steht ein umfassender Geist da, wie Joh. Müller
war. Der Logik der Thatsachen zugethan führt er die Theorie
bis zu den Anknüpfungspunkten der philosophischen Betrachtung.
Sein beobachtendes Auge fesselt ihn an die Erscheinung und
sein sinnender Geist zieht ihn in die Tiefe. Seine Physiologie,
reich an Thatsachen und Zergliederungen, führt das Leben bis
in die Regionen, in welchen es auf metaphysischen Voraussetzun-
gen ruht, und dann wieder bis dahin, wo es, wie in der Seelen-
lehre, in die Vorhalle des Eihischen eintritt, oder, wie in den
Sinnen, das Ästhetische bedingt. In Johannes Müller war
das philosophische Studium ein wesentliches Bildungselement sei-
nes Geistes. Was er als Naturforscher war, war er nicht trotz
der Philosophie, sondern von ihr milgetragen, wie z. B. in sei-
nem bleibenden Werke, der Physiologie des Gesichtssinnes.
Den platonischen Constructionen der modernen Naturphilosophie |
hing er nur vorübergehend an, aber er war und blieb ein aristo-
telischer Geist, aristotelisch in der Strenge der Methode, in der
analytischen Schärfe, aristotelisch in der die Welt der Tbat-
sachen durchsuchenden, sichtenden Beobachtung und in der
Weite seines wissenschaftlichen Horizontes, aristotelisch endlich
in der Auffassung der Principien. Umsonst hatte er nicht sein
Lebelang den Aristoteles lieb. So erschien er dem, der die
Weise seines Geistes wahrnahm und sich klar machte, so er-
schien er, wem es auch sonst nicht gegeben war, ihm in die
Fülle und den Reichthum seiner speciellen Anschauungen und
Forschungen zu folgen, in seine Untersuchungen über Sinne
und Reflexbewegungen, über Blut und Chondrin, über Genita-
lien und Drüsen, Knochenstruktur und Geschwürbildungen,
über Fische und fossile Thiere, über Pentacrinus und Asteroide,
über Polyeystinen und Echinodermen , in Untersuchungen,
welche sich so weit erstreckten, als das grolse Gebiet des
thierischen Lebens. Wo er untersuchte, entdeckte er. Wer
ihm bis an den äulsersten Rand seiner Untersuchungen nach-
ging, bewunderte oft, wie sicher er sich auf einem ihm schein-
bar fremden Gebiete bewegte, sei es in den philosophischen
Anhang. 123
Begriffen seiner Physiologie, sei es bei litterarischen oder philolo-
gischen Fragen, wie z. B.in der Abhandlung von dem glatten Hai des
Aristoteles, den er durchArn. Peters Hülfe wieder entdeckte, oder
in dem Vortrag über die Fische, welche Töne von sich geben, in
Aristoteles Thiergeschichte. Seine geistige Grölse ruhte auf männ-
licher Kraft. Kein scheu zurückgezogener Gelehrter stand er
in der Stunde der Gefahr seinen Mann. So begegnete er als
Rector, da die unruhigen Wogen des Jahres 1848 hoch durch
die Universität schlugen, vielfach dem Andrang mit entschlosse-
nem Muth. So rettete er in grausem Schilfbruch sein Leben
schwimmend aus den Wellen. In beider Beziehung gilt von
ihm das Wort des Dichters: „sacois tranguillus in undis.” Noch
in den Jahren der Kraft brach plötzlich der starke Mann. Er
starb früh, aber er hatte ein ganzes Leben gelebt, ein volles Le-
ben der Erfahrung und des Gedankens, ein schaffendes Leben
der Wissenschaft, ein erprobtes Leben männlicher Krafi. In
Joh. Müller schied uns ein klassischer Mann.
i ‘) Karl Abraham Freiherr von Zedlitz, geboren am 4. Ja-
nuar 1731 zu Schwarzwalde bei Landshut in Schlesien, gestorben 18. März
4793 zu Kapsdorf bei Schweidnitz auf seinem Landsitze. Vgl. über ihn
Berlinische Monatsschrift. Junius 1793. 8.537 ff. Schlich-
tegroll Nekrolog. 1793. 2ter Band. S. 301 ff. Lowe Bildnisse jetzt
lebender Berliner Gelehrten 1806 unter Biester, $S.16ff. Karl Wil-
helm Cosmar der Königl. Preulsische und Churfürstliche wirklich Ge-
heime Staatsrath. Berlin 1805, in dem vom Klaprotlı beigegebenen Ver-
zeichnils der wirklichen Geheimen Staatsräthe. $. 452 f. Für die fol-
gende Skizze hat der Verfasser Mittheilungen aus der Autographensamm-
Jung der hiesigen K. Bibliothek, aus den Universitätsakten und dem Wai-
senhausarchiv in Halle, aus dem Briefwechsei Nicolai’s und die ihm wohl-
wollend gestattete Einsicht einiger betreffenden Akten im hiesigen Königl.
Staatsarchiv dankbar zu erwähnen.
N Lettre sur education. Werke. 1848. 1X. S. 113 ff.
°) Instruetion au Major Borche. IX. 8.35 ff.
*) Instruclion pour la direelion de l’academie des nobles ü Berlin. 1X.
5.75 ft.
°) De la literature Allemande. WU. S. 100,
6) Werke. IX. S.39.
7) Werke. XXVIl.3. S. 256 vgl. S. 253.
124 Anhang. 5
s
*) Nach einem Briefe vom 24. Oct. 1783, mit mehreren andern im
Waisenhausarchiv zu Halle. 3
°) Kants Werke. Herausgegeben von Karl Rosenkranz und Friedr.
Wilh. Schubert. 1838. VIl.a. 8.145. S. 147. .
°) Reskript vom 23. Mai 1772. Im Königl. Staatsarchiv.
**) Reskript vom 10. Nov. 1785. Akten der Universität Halle.
2) Werke. IX. S. 119.
"°) Friedr. Wilh. Schubert. Immanuel Kants Biographie zum
grolsen Theil nach handschriftlichen Nachrichten 1842 in Kants Werken.
XI. S.58ff. Es mag hier beiläufig bemerkt werden, dafs Friederich
der Grolse schon im Jahre 1750 den allgemeinen Zustand der deutschen
Universitäten ins Auge falste und auf einen Beschluls des Reichstags hin-
wirken wollte, um die Sitten der Studirenden zu heben. Der Eılals an
den Minister von Podewils, eine Instruction am Reichstage auszuarbeiten,
ist vom 13. März 1750. ImK. Staatsarchiv.
1%) Aus den Akten des Archivs der Universität Halle.
"°) Vgl. Christian Gottfried Schütz. Geschichte des Erzie-
hungsinstituts bei dem theologischen Seminarium zu Halle an Herrn Kir-
chenrat Stroth zu Gotha zur Apologie des Herrn D. Semler. Jena 1781.
S. 100 ff. Semlers Lebensbeschreibung von ihm selbst abgefalst. Er-
ster Theil. Halle 1781. Vorrede.
6) Briefe angesehener Gelehrten, Staatsmänner und anderer an den
berühmten Märtyrer, D. Karl Friederich Bahrdt. 2ter Theil. Leip-
zig 1798. S. 67.
17) In einem Briefe an den Domherrn von Rochow, s. dessen Litte-
rarische Correspondenz mit verstorbenen Gelehrten. Berlin 1799. S. 203.
1°) Aus den Akten des K. Staatsarchivs.
1°) Briefe an Bahrdt. 2. Thl. 1798. S. 67.
2°) A.H. Niemeyer. Leben Nösselts. 1809. S. 36.
?1) Aus den Akten des Universitätsarchivs zu Halle. Reskript vom
16. Sept. 1787.
22) Schloezer Briefwechsel. 1779. V. No. XXIX. S. 332 ff. VI.
No. XXXIL S.82. Dieser politische Grund geht namentlich auch aus
dem Bericht des Ministers von Zedlitz an den König vom 24. Decbr. 1779
hervor, welcher sich in Dr. Bahrdt’s Angelegenheit im Königl. Staatsarchiv
befindet. Darin heilst es unter Anderm: „Da es meine Pflicht ist, alle
Art von Gelehrten in Ew. K. Majestät Lande zu ziehen, so muls ich be-
kennen, dals ich den Bahrdt nach Halle habe kommen lassen, weil ich
eines Theils überzeugt bin, dals der Kais. Reichshofrath in protestantischen
Religionssachen nıcht juge competent ist, und weil der Bahrdt ein beson-
ders in der Litteratur und Rhetorie geschickter Mann ist. Ich lasse ihn
aber dort Rhetoric nach dem Quintilian und über die Orientalische Spra-
|
Anhang. 425
chen lesen, und keine Theologie, damit nicht etwa orthodoxe Eltern abge-
halten werden, ihre Söhne nach Halle zu schicken.” Der Bericht schlielst:
„Bahrdt hat von Ew. Majestät keinen Gehalt, sondern ich nebst einigen
meiner Bekannten haben ihm auf zwei Jahre eine jährliche Einnahme von
400 Rihlr. aus unsern Mitteln ausgesetzt.” Der König erklärt sich einver-
standen. Die Rhetorik nach Quintilian ist sein alter Lieblingsgedanke.
Wenn Bahrdt später den Tacitus übersetzt, so entspricht auch dies der
Absicht des Königs, dafs die griechischen und lateinischen Klassiker sol-
len ins Deutsche übertragen werden. Seine Antwort auf die Einsendung
des Tacitus vom 19. Jan. 1781 s. Briefe an Bahrdt. 2. Thl. 1798. S. 252,
vgl. S. 247.
23) In einem ungedruckten Briefe vom 24. Juni 1777 im Besitz des
Hrn. Parthey.
?%) Letzteres nach den Akten des K. Staatsarchivs. Der Minister
präsentirt unter dem 20. April 1786 Mag. Heeren für eine philosophische
Professur in Duisburg und schreibt „ist ein guter Schüler Heyne’s und ein
denkender Kopf, hat aber noch nichts geschrieben. Sein erstes Werk
wird eine kleine Abhandlung sein, die im nächsten Stück der Berliner Mo-
natsschrift gedruckt wird und die dies Urtheil von ihm bestätigen wird.”
_ Die Beziehungen des Ministers von Zedlitz zu Kraus s. in dessen Leben
von Johannes Voigt in Chr. Jac. Kraus vermischten Schriften. 8. Th.
74819. z. B. S. 76. S. 117.
= 25) Werke. XXV.3, S. 251 ff.
?°) Christian Gottfried Schütz Geschichte des Erziehungsin-
- stituts bei dem theologischen Seminar zu Halle. Jena 1781. S. 65. S. 70.
27) Ebendaselbst S. 26.
2°) Johann Christian Förster Übersicht der Geschichte der
Universität zu Halle in ihrem ersten Jahrhundert. Halle 1794. S. 206.
°?°) In einem Briefe der Autographensammlung der hiesigen K. Bi-
bliothek vom 19. Juli 1783.
?°) Brunn Versuch einer Lebensbeschreibung Meierotto’s. Berlin
4802. S.189 ff. S. 265 ff.
?') Sur le patriolisme considere comme objel d’education dans les etats
_ monarchiques. Discours de reception prononce dans l’academie des sciences
et belles lettres. Berlin 1777.
??) Lessings Werke. X. S. 259.
°°) K. von Raumer Geschichte der Pädagogik ff. I. 1843. S.
269 it. 5. 278.
j **) Kant in der Anthropologie. Werke von Rosenkranz. VII. b.
8.275. Sultzer hatte im Jahr 1768 herausgegeben: Vorübungen zur Er-
? weckung der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens. 1768. Thl. 3 u. 4.
4781. Der dritte Theil ist noch 1825 in einer neuen Auflage erschienen.
126 Anhang.
35) Chr, Gottfried Schütz a.a.0. $. 21 ff. über das Philan-
thropin. Ebendaselbst S. 137 ff. S. 145 ff. über Trapp. Der Minister
schrieb im Jahre 1777 plan d’une pepiniere de pedagogues et de gouver-
neurs etablie a Halle. Die Schrift, insbesondere für den König bestimmt,
wurde nur in wenigen Exemplaren abgedruckt (Schütz $. 53), und es ist
trotz mannigfaltiger Nachfragen nicht gelungen, sie in Berlin, Halle oder s
Königsberg aufzutreiben, Indessen findet sich im K. Staatsarchiv „Plan
des auf Befehl und unter höherer Aufsicht Sr. Excellenz des Hrn. Gehei-
men Staatsministers und Ober- Curators der K. Universität Freiherrn von
Zedlitz in Halle errichteten K. Erziehungsinstituts. Halle am 15. April
1780,” unterzeichnet Wenceslaus Jo. Gust. Karsten. Joh. Aug. Eberhard.
Matthias Chr. Sprengel. 3
36) Aus einem Aktenstück im K. Staatsarchiv. Den Brief an Wolf
vom 419. Juli 1783 schlielst der Minister mit einem Wunsch, den Wolf
wahr machte. „Leben Sie nun ganz Ihrer Wissenschaft, — —, und helfen f
Sie den einen Vorwurf, der noch immer Halle traf, abwälzen, dafs man
dort keine Philologen bildet.” In der Autographensammlung der hiesigen
K. Bibliothek. ®
?7) Dr. H. Heppe Geschichte des deutschen Volksschulwesens. I, j%
1858! 48.77 £f.-S. 105 fE.
38) Friederich Eberhard von Rochow litterarische Corre-
spondenz mit verstorbenen Gelehrten. Berlin 1799. S. 178 ff.
39) Ebendaselbst S. 241 ff. ;
40) Ebendaselbst $. 115 ff. Der Briefwechsel zwischen beiden Män-
nern geht vom 17. Januar 1773 bis 2. November 1787.
*'1) Ebendaselbst S. 218.
4?) Ebendaselbst S. 213.
43) Fbendaselbst S. 168 ff. j
#44) Ebendaselbst $. 198 ff. S. 208 f. vgl. Berliner Monatsschrift A
1787. Aug. S. 113 £. j
#5) Christian Wilhelm von Dohm Denkwürdigkeiten meiner
Zeit. S. 258 ff. J. D. E. Preuls Friederich der Grolse. 1833, II.
S. 221 ff.
#°) Berliner Monatsschrift. 1793. XXI S. 540.
#7) 31, December 1779. J. D. E. Preu[s Friederich der Grolse.
1833. II. S. 405.
4°) Das Gesetz unter dem 22. Febr. 1787 bei Mylius S$. 618 vgl.
der dem Könige vorgelegte Plan von Zedlitz: Vorschläge zur Verbesse-
zung des Schulwesens in den Königl. Landen, in der Berlinischen Monats-
schrift 1787. Aug. S. 96 ff.
Y
“
%
—IENS—
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
‚der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat Februar 1859.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg.
HV
3. Februar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Peters las eine Abhandlung über die Chiropte-
Tengattung Nyctophilus, von der hier ein kuzer Auszug
‚mitgetheilt wird.
Nach einer von Nyezophilus Geoffroyi Leach durch ihre
beträchtlichere Gröfse und auch durch die Färbung verschiedenen
‚Art, N. australis P., wurde eine genauere Darstellung des Äufse-
ren dieser Tbiergattung gegeben und die Resultate der Unter-
‚suchungen über die bisher unbekannten inneren Theile, das
‚Skelet und die Eingeweide, mitgetheilt. Es wurde hiernach die
Angabe von Leach, nach welcher die Zahl der unteren Schneide-
zähne sechs ist, bestätigt, währendTemminck an dem Leach’schen
‚Originalexemplar nur 4 hatte finden können. Die Zahl der un-
‚teren Backzähne ist dagegen nicht vier, wie bisher von allen
‚Autoren angegeben worden, sondern fünf, so dafs die Gebils-
3.11.4—1 1.1.3
Korn bei dieser Gattung folgende ist: 321 6 123° 30.
‚Im Bau des Schädels, des Skelets und der Eingeweide zeigt diese
Gattung die grölste Übereinstimmung mit den eigentlichen
Vespertilionen und steht daher diesen viel näher als den Nyete-
ris oder Rhinolophus, mit denen man sie bisher für nahe ver-
wandt hielt.
- [1859.] 9
128 Gesamnitsitzung
Hr. Barth, Correspondent der philosophisch- historischen
Klasse, las hierauf: Versuch einer eingehenden Erklä-
rung der Felssculpturen von Boghaskoei im alten
Kappadocien.
Ich will hier eine eingehende Erklärung einer der merk-
würdigsten bildlichen Darstellungen des Alterthums versuchen,
die bis jetzt, als aus ihrem natürlichen Zusammenhange heraus-
gerissen, unverstanden und bedeutungslos geblieben ist, während
sie dazu dient, grofse geschichtliche Verhältnisse einer Zeit zu
beleben und uns anschaulich vor die Augen zu führen, über die
wir sonst nur sehr sparsame historische Urkunden besitzen. Ich
meine die Felssculpturen von Boghäskoei, „dem Dorfe des Eng-
passes”, einer Ortschaft im nordwestlichen gebirgigen Theile
von Kappadocien, östlich vom Halys „unter dem (richtiger
„etwas westlich vom) Meridian von Sinope”, zar« Iıwwzyv, wie
Herodot sich ausdrückt,') demjenigen Theile dieser einst ausge-
dehnten, ursprünglich syrischen, Landschaft, der dem Berichte
desselben lebensvollen Geschichtsschreibers zufolge, bei den Grie-
chen Pteria hiefs. Ich habe anderswo gezeigt, dafs Pteria nicht
der Name einer Stadt, sondern einer Landschaft war und es ist
meine Ansicht, die erst durch die Entdeckung von einheimisch
kappadoeischen oder assyrischen Inschriften ihre weitere Bestä-
tigung finden kann, dals die Landschaft diesen Namen von dem
Umstande hatte, weil ein Doppeladler ihr Symbol war, der Dop-
peladler, der eine hervorragende Stelle an dem Portale des Tem-
pels oder vielmehr des Palastes des benachbarten Ueyük ein-
nimmt und der auch in der hier zu erklärenden Sculptur an sei-
ner Stelle höchst bezeichnungsvoll auftritt.
In dieser Hauptstadt von Pteria — denn als solche erweist
sich die gewaltige Ruinenstätte von Boghaskoei — haben wir
auf das Bestimmteste die Gränzfeste des medisch - assyrischen
Reiches auf der grolsen Stralse von Phrygien über eine leicht
furtbare Stelle des Halys auf das mit dem Siegesdenkmal über
die Skythen geschmückte Zela und Amasia zu erkennen, die lange Zeit
hindurch die Grenze des grolsen mesopotamischen Reiches gegen die
vorder-asiatischen Reiche, zuerst Phrygien, dann Lydien, schirmte.
!) ll. c. 76.
vom 3. Februar 1859. 129
Aber ich will hier nicht von den grofsartigen Befestigungen
reden, welche schon allein diese Stadt zu einer der interessan-
| testen Ruinenstätten Klein-Asiens machen, auch nieht von dem
' Tempel oder vielmehr Palast, dessen ganzer merkwürdiger Grund-
dem Grundplane des Nord- West-Palastes von Nineve ?) zeigt,
' sondern ich wil! diese Verhältnisse nur andeuten, um die grolse
' Bedeutung dieser Stadt zu zeigen, die nach den unzweidentig-
sten, ihren mit der grölsten Sorgfalt ausgeführten eyclopischen
Bauten aufgeprägten Merkmalen mit Einem Schlage der Zerstö-
rung anheimfiel und dies ist mach der klaren von Herodot uns
| gegebenen Beschreibung des Feldzuges des Kroisos eben der
\ Zeitpunkt, als dieser letzte Iydische Herrscher auf die siegsge-
' wohnte Tüchtigkeit seiner Heerschaaren bauend das auf den
Trümmern des medisch-assyrischen Reiches mit neuer Ju-
gendkraft aufwachsende persische Reich auf eigenem Terrain
angriff.
E Wir lassen nun diese, die nach Osten und Süd-Osten, nach
\ Armenien und nach Cilieien führenden Engpässe beherrschende,
hohen, zackigen Felsmassen ringsum geschützte und von
lich zur Seite hinter uns und wie wir am Abhange der Felsen
nach N. uns hiowinden, viele steile, von der Hand des Men-
‚ sehen bearbeitete Felsmassen umgehend kommen wir nach etwas
| weniger als einer halben deutschen Meile zu jenen von Hrn.
| Texier aufgefundenen Felssculpturen, deren Erklärung ich hier
versuchen will.
Sehon die angegebene Lage, weit aulserhalb der Stadt,
| zeigt wol zur Genüge, dals wir hier keine Darstellung eines
Gegenstandes des täglichen Lebens der Bewohner haben, weder
‚ aus dem religiösen, noch aus dem bürgerlichen Ideen -Kreise.
| War es ein religiöser Gegenstand, so war dazu der einzig
' geeignete Platz die Tempel der Stadt, war es sonst ein ge-
' wöhnlicher Umstand, der anschaulich dargestellt werden sollte,
so hätte man sicherlich eine andere passendere Stätte des
*) Layard Monuments first series pl. 100 plan II; Nineveh and its
remains.
9°
st gleichwie von Natur wunderbar befestigte Gränzstadt öst- >
kn
130 Gesammtsitzung j
d
Stadtweichbildes selbst gewählt und nicht diese rauben, nur mit
Mühe leidlich regelmäßig abzuglättenden Wände einer zackigen, |
dem Wetter ausgesetzten Felsmasse. In der That ist dieser
Abhang der Felshöhen keineswegs ein geeigneter Tanzplatz, um
auch nur einen religiösen Tanz, wie die Sakäen, dort aufzufüh-
ren. Das nämlich war Texier’s spätere Idee, nachdem er seine
Vermuthung, dafs die Amazonen hier dargestellt seien, als völlig
unhaltbar bei Seite hatte werfen müssen.
Alles zusammengenommen ist es ganz augenscheinlich, dafs
in diesem Relief, dem Feinde so wie Wind und Wetter ausge-
setzt, ein Ereignils verewigt werden sollte, das ungewöhnlich war, |
das etwas Aulserordentliches betraf und das mächtig in das Le-
ben dieser Gränzstädter eingriff. Schon diese Rücksicht also.
bestimmt uns, auch wenn wir in diesen merkwürdigen Sculptu-
ren eine Menge göttlicher Symbole dargestellt finden, sie nicht
als den Inbegriff der Göttlichkeit selbst zu fassen, sondern sie
zur Verherrlichung menschlicher, d. h. fürstlicher Wesen ange-
wandt zu erklären. Nichts ist gewöhnlicher, als solche Ver-
herrlichungen in assyrischen wie ägyptischen Darstellungen, ja
wir finden in den ersteren nach den von Layard so schön
illustrirtten Denkmälern von Nineve die schlagendsten Analogien
für fast alle einzelnen Verhältnisse unserer Darstellung; so um
das gleich hier vorweg zu nehmen, da es den allgemeinen Cha-
rakter und die Bedeutung derselben betrifft, sehen wir 2 Flügel-
figuren, ganz wie sie bei uns als Beschützungsgenien des Ver-
trages erscheinen, auf einer Darstellung hinter zwei Fürsten, die
sich für eine religiöse Ceremonie vorbereiten ?). /
Wir wollen nun den Gesammtcharakter dieser Sculptur ins
Auge fassen. Ich will nur noch bemerken, dals die Hauptgruppe
die ungleichen, nur wenig behauenen und abgeglätteten Wände
einer nach S. S. W. sich öffnenden Felseinbucht schmückt.
Gleich beim ersten Anblick der Darstellung wird einem Jeden
klar, dafs er hier ein Zusammentreffen zweier Parteien vor.
sich hat, deren Charakter als ganz verschieden auf’s deutlich-
ste bezeichnet ist, sowohl in Tracht, als auch allem Anscheine
?) Layard, Monuments of Nineveh, first series pl. 25. Vgl. pl. 39 A
und pl. 20.
vom 3. Februar 1859. 131
nach in Geschlecht. Das war selbst Texier’s erster Eindruck.
Die Verschiedenheit der Rasse verkannte auch gleich beim ersten
Besuch der vortreffliche Hamilton nicht, aber ihm blieb die
nähere Beziehung unklar*), eben so drängte sich Herrn Carl
Ritter’) die historische Bedeutung des Gegenstandes auf das
Anschauligste auf, aber da ihm in Texier’s Zeichnung manches
Bedeutungsvolle in falscher Darstellung vorlag, konnte er die
rechte Beziebung nicht erfassen.
Von beiden Seiten rücken die Figuren nach dem Mittel-
punkt zu auf, die der linken Prozession von SW. und W. her-
anziehend in reichem, zahlreich gegliederten und stark charakte-
risirten Aufzuge von 33 Personen, wenn wir in dem Aufzuge
selbst zwei Figuren einschlielsen wollen, die vom Künstler auf
die deutlichste und handgreiflichste Art als nicht eigentlich zum
Zuge gehörig bezeichnet sind; auf der Rechten von Osten her-
ankommend, die Hauptfiguren eingerechnet, ein anderer kürzerer
Zug von 17 Personen, alle, mit Ausnahme einer einzigen Ge-
lt, von anscheinend weiblichem Charakter.
Dies ist der Gegenstand der Hauptsculptur, hoch vom Fels-
N hang hinabschauend über die schöne reiche Thalebene eines
em Halys von Osten zuflielsenden Bergwassers; aufser ihr aber ha-
n wir theils auf anderen abgesonderten Flächen derselben gro-
Ben Felsnische, theils in einem dahinter künstlich ausgesprengten
oder wenigstens erweiterten Felsspalt andere einzelne Figuren,
die zum Theil nur grölsere Darstellungen einiger schon in der
ion erscheinender Persönlichkeiten zu sein scheinen, an-
dererseits aber auch wol verschieden sind. In diesen Figuren der
hinteren Felskluft zumal, die zum Theil noch halb verschüttet
waren, hat Texier in seiner Zeichnung grolse Versehen gemacht,
die ich durch weitere Ausgrabung so glücklich war, berichtigen zu
1
*) Hamilton sagt hierüber, Theil I. S. 394 der engl. Ausgabe seiner
N esearches in Asia Minor — it is possible, that in the figure with the flo-
Be rubes we may recognise the king of Persia and in the other the king
Lydia with his attendants, Lyeiöne and Phrygians, for their headdress
esembles the wellknown Phrygian bonnet und p. 395 sagt er — the allu-
n to the battle between Croesus and Cyrus is a remarkable fact in con-
Bikion with the basrelief which J have just described.
2
®) Erdkunde von Klein-Asien I. S. 363. —
Deep
132 Gesammtsitzung
können, so dafs auch diese Darstellungen ungleich gröfseres
und zwar entschieden historisches Interesse erhalten.
Es ist nicht unmöglich — um bier der Erklärung vor-
zugreifen — dafs wir in der Figur des Streiters dieser hin-
teren Felskluft, der die weibliche Figur unter seinem linken
Arm hält, eine Wiederholung der eigentlichen Hauptperson vor
uns haben, wenn wir als solche den der Tochter des Alyattes
vermählten Astyages ansehn wollen; denn dieser hat auf der Haupt-
sculptur eine etwas untergeordnete Stellung erhalten. Es ist nämlich
wol zu beachten, dals von allen männlichen Hauptfiguren der grolsen
Seulptur nur die jünger erscheinende männliche Figur hinter der
weiblichen als unbärtig erscheint. Dagegen ist unbärtig in der
hintern Nische auch jene eigenthümliche, grotesk componirte Fi-
gur no. 5. unter meinen Skizzen, die sich durch 6—7 Zoll hohes
Relief und äufserst scharf markirte Züge auszeichnet, die bei Texier
aber durchausunrichtig dargestellt ist. Wir wollen dabei nicht aus
dem Auge verlieren, dafs auch der Krieger in Karabel unbärtig ist.
Aulserdem aber haben wir in dieser Hinternische auch eine, eine
Schlachtordnung von 12 mit Sichelschwertern bewaffneten Strei-
tern darstellende Felsplatte, von der Texier nur die hervor-
ragenden Mützen oder Helme sah, die aber nun, ausgegraben, in
ihrem ganz frischen, von Wind und Wetter noch nicht ange-
griffenen Gepräge, wovon in no. 7. meiner Skizzen eine Probe
gegeben ist, die wichtigste Urkunde zur nationalen Beziehung
dieser höchst merkwürdigen Darstellungen geben. Überhaupt
mufs man von weiteren Ausgrabungen oder vielmehr von einer
gänzlichen Bloslegung dieser hinteren Felskluft noch interes-
sante Resultate erwarten.
Wenn wir nun nachforschen, welch’ eine historische Bege-
benheit hier wol dargestellt sein möge — denn dals wir etwas
Historisches hier vor uns haben, deutet Lage und der in nationaler
Verschiedenheit ausgeprägte bestimmte Charakter auf das Deutlich-
ste an, so haben wir nach den auf uns gekommenen Bruchstücken der
Geschichte besonders zwei Ereignisse hier zu berücksichtigen, die
als auf diese Gegend auf das Entschiedenste sich beziehend vor
uns treten. Wirhaben nämlich einmal den Feldzug des Krösos und
an ihn dachte Hamilton. Der letzte lydische Herrscher aber griff
nur zerstörend und verwüstend in diese Gegend ein — eure ev
vom 3. Februar 1859. 133
av Hregiuw TnV wor zu vdonmodisuro, Eile Ö2 zul rag meozidas
auris maras, Zvgtous TE ouÖEV Ecvras airious avasrarousämoinee,
wie Herodot sich ausdrückt — so dals er die ganze kappado-
eische, von Assyrern und Medern bisher geschonte Nationalität
vernichtete; er weilte kurze Zeit und mulste bald sein Heil im
Rückzug suchen. An diesen Feldzug können wir zur Erklärung
unserer Darstellung nicht denken. Wenn wir nun weiter zu-
rückgehn, so haben wir den mächtigen, siegreichen Vater
des Kroisos, den Erbauer jenes grolsartigen Grabmales im Thale
des Hermos, den Alyattes, der in der ersten Hälfte seiner Re-
gierung 6 Jahre mit dem medischen Cyaxares Krieg führte und
zuletzt Friede mit ihm schlofs auf eine Weise, die höchst bedeut-
sam in das damalige Völker- und Staatenleben Vorder: Asiens eingriff.
Beide Mächte waren sich einander gewachsen und die Vortbeile,
die eine von ihnen errang, wurden bald durch die der anderen
aufgewogen und Schauplatz dieses langen Kampfes war natürlich
in’s Besondere Pteria, die feste Gränzlandschaft von Kappado-
cien, der westlichsten medischen Provinz, mit ihrer Gränzfeste,
dem Felsenneste von Boghaskoei.
Während die Völker so im sechsten Jahre mit einander kämpf-
ten, ereignete es sich, dafs mitten in der Schlacht eine Sonnen-
finsternils eintrat, dals die Kämpfenden vor Schreck Einhalt thaten
und besonders auf Zureden des kilikischen Fürsten (Syennesis) und
des babylonischen Fürsten Labynetos oder vielmehr Nabopalassar,
‚Friede schlossen. Ja, der. Friede ward durch eine Heirath be-
‚siegelt und des Alyattes Tochter ward dem Sohne des medischen
Herrschers zur Frau gegeben. Aber ich will die ganze Stelle
des Herodot°) hier wörtlich anführen, weil sie Umstände und
Einzelheiten enthält, die ich für die Erklärung unsrer Darstel-
lung von der grölsten Bedeutung halte, weil dadurch alles Ein-
zelne derselben ein wunderbares Licht gewinnt.
> Merd de ralre — morsuos reis Audaisı zaı roirı Mydaoı Eye-
yersz em Ersm Meute, Ev Hoisı mordazıs ev oi Midoı FoUs Avdous
eulansav, morAazıs de 0oi Audor roüg Mydous' Ev de zul vuRrFoMe
Yılnı Tıve Emomrerro. Arebegousı de ad Em Ioys Tov mOr.SIAOh FW
Earu Ersi sumßorns yavopızvng Funyvsıze WITE TÜS maxıns Fuvs-
®) 1.1. ce. 74.
134 + Gesammtsitzung
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CTEWINS TYV NAEONV EEamiuns VUATEO yEvestat. — 0: Auda
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Asruayei TW Kuafagew mad — Oozıa de moereı TaÜTE Ta
0] ’ Yy \ \ 7 H
EQvew ranep re EAAyves, zur moos rovrose — das Folgende ist,
nun von der grölsten Wichtigkeit — Zrsav roüs Boayiovas.
emıramwvra Es Tyv Smox,goriyv TO aina dvarsiyouss
array ıw v. h
Hier haben wir eine Begebenheit, die fast in allen Bezie--
hungen sich auf die bildliche Darstellung, die wunderbarer Weise
bei dem Untergang so vieler Literaturschätze auf den Felsen
dieser Wildnils auf uns gekommen ist, auf das Innigste beziehn.
läfst und sie im Ganzen und Einzelnen vollständig erklärt, und
so wird denn dieser Fels zu einem wirklichen Schrift- oder Ur-
kundenstein, einer Yäsili-kaya, wie die Osmanli mit vollem Recht
diese Felsurkunde kappadocischer Geschichte benennen, so gut
wie das Grab des Midas als Schriftstein von Alt-Phrygien. Nun
nämlich erklärt sich vollständig die eigenthümliche Steliung. die-
ser Sculptur; nun sehen wir ein, warum dieses Kunstwerk nicht
im Schutze der Stadtmauern geborgen, sondern hier draulsen
frei auf der Felswand stehen mufste, zum grolsen Nachtheil des
späten Forschers. Aber, denken wir uns die beiden Kriegsheere,
verschiedene Völkerschaften der beiden mächtigen Reiche um-
fassend, die den langen Kampf geführt hatten und endlich auf
so wunderbare Weise in Frieden auseinander gegangen waren.
Wie konnte man das fremde Streitheer und den ehrgeizigen
kriegslustigen Lyder in die so wichtige Gränzfeste einlassen?
Aber hier in der Thalebene war Platz für beide Heere; in ihrem
Angesichte konnten die Friedens- und Heiraths-Ceremonien voll-
zogen werden und hier oben am Felsabhang, wo die Herrscher
den Frieden geschlossen, hier ward auch das denselben verewi-
gende Denkmal in den Fels gehauen und so erklärt sich denn
vollends die Grausamkeit, mit der Kroisos, der seine Schwester
und Astyages an der neuen persischen Dynastie rächen wollte,
vom 3. Februar 1859. 135
gegen Pteria und seine Bewohner verfuhr, besonders gegen diese
Hauptfeste selbst. Aber ganz ebenso, wie die Gesammtbezie-
hung dieser feierlichen Handlung nun ihre Erklärung erhält, er-
klärt sich auch das Einzelne. So erklärt sich die Mannichfaltig-
keit hervorragender Figuren, so erklärt sich die Prozession allem
Anscheine nach weiblicher Figuren, deren die Hauptanzahl die
Zither zu schlagen scheinen ’), so erklärt sich die in kleinerem
Maalsstabe als Königsprinz der weiblichen Figur zur Seite und
auf gleichem Symbol — Leopard oder Tiger, nicht Löwe —
wie sie stehende Streiter, so erklärt sich der Aufzug der Krie-
ger meist ohne Waffen, während selbst solche Figuren, welche
in ihrer Rechten die Waffe führen, in der Linken beständig das
als Lebens- und Friedenzeichen allgemein anerkannte Henkel-
‚kreuz tragen, nur in verschiedener Mannichfaltigkeit der Darstel-
Jung; so aber auch die beiden, von Priestern getragenen, Schaa-
len — Texier’s Zeichnung gibt ungenau die eine Schaale
als Sichelmesser; die Henkelschaale auch in der Hand dieser Fi-
gur ist vollkommen deutlich — so die am Ellbogen der männ-
lichen Hauptfigur, ihrer ganzen mittleren Stellung im Hauptbilde
mach entschieden die Hauptperson der ganzen Darstellung, und
am Ellbogen des der weiblichen Figur und durch das Symbol,
anf er steht, mit ihr in enger geistiger Beziehung darge-
stellten jungen männlichen Streiters und zwar nur an diesen
beiden Figuren angebrachten, eigenthümlichen Vorrichtung,
meiner Ansicht nach einer Bandage oder eines rückgebogenen
Instrumentes zum Aderlals für den heiligen von Herodot er-
"wähnten Bluttrunk zur Befestigung des Vertrages — Ereav roÜs
Beuyxiovas erıranwvran.
So aber erhält nun auch seine grofsartige Bedeutung
ganz besonders die eine wunderbare Gruppe, die bisher völ-
lig unverstanden als höchst störend und abgeschmaäckt er-
scheinen mulste, ich meine jene beiden, die gesammte Prozession
‚unterbrechenden, thierisch aussehenden Figuren, die in Texier’s
Zeichnung scheinen, als ob sie eine Art Boot trügen und wirk-
lich von ibm selbst sonderbarer Weise als die Marine vertre-
u
b ?) Diese Figuren haben am meisten gelitten und somit ist nicht Alles
deutlich. Darüber Näheres in der Beschreibung der einzelnen Figuren,
136 Gesammtsitzung
tend, von anderen Erklärern als Spafsmacher angesehen werden. 4
Keine dieser beiden Erklärungen kann dem aufmerksamen Be- R
obachter, der sich in dieses reiche Bild ganz hineinlebt, irgend- F
wie genügen. Der Künstler hat mit Allem, was ihm auf der
ihm angewiesenen, schmalen Felsbande mit seinen geringen
Hilfsmitteln zu Gebote stand, sich auf das Eifrigste bemüht, dem
Beschauer einen Wink zu geben, dals er hier einen nicht direkt
zur Prozession gehörigen Gegenstand vor sich habe. Nicht allein
hat er diese Figuren ganz allein von allen hier erscheinenden
mit vollem ®), eigenthümlich breiten Antlitz dem Beschauer zu-
gewandt, nicht allein bat. er ihnen besonders durch die Ohren
ein unmenschliches, dämonisches Aussehn gegeben, sondern er
hat sie auf eine besondere Grundlage gestellt, einen nach der
Linken, d. h. nach West, wo die Sonne untergeht, hinabglei-
tenden Waagbalken, der aus der Grundlinie, worauf die ande-
ren Figuren dieser Felsbande stehen, auf das Absichtlichste voll-
kommen herausgeschnitten ist. Nun aber tragen diese beiden
Figuren nicht ein Boot, noch irgend ein derartiges Gefäls, son-
dern zwei mondviertelartige Scheiben über einander und
ich babe nicht den geringsten Zweifel, dafs der Künstler hier
die Sonnenfinsternils vorstellen wollte, und was man immer über
das Unbeholfene einer solchen Darstellung sagen mag, jedenfalls
ist sie nicht unbeholfener als die Darstellung der Wand und des
Mondes in Shakespeare’s Pyramus und Thisbe und sie findet
ihre Analogie in den assyrischen und ägyptischen Darstellungen,
wo Flüsse, Berge und andere Naturerscheinungen auf ähnliche
®) Es ist in dieser Beziehung von der allergröfsten Bedeutung
und schon allein ein schlagender Beweis, dals hier ein Gegenstand aus der
Natur dargestellt ist, dafs unter allen Sculpturen in Nineveh eine „full-
face figure” nur in solchen Fällen vorkummt, während alles Andere im
Profil erscheint. S. die fullface figure bei Layard, Monuments, first series
pl. 50,7. Diese Figur mit Ziege auf dem rechten Arm, einer Blume in der
linken Hand ist nach meiner Ansıcht entschieden der Frühlingsgott. Die
Darstellung bildet einen Theil des Gewandschmuckes einer Flügelfigur.
Ganz übereinstimmend dann mit unserer Darstellung ist die Gestalt des
Typhon mit der Flügelkugel auf einem Cylinder bei Layard, Nineveh
and Babylon p- 607. — Auch die fullface figure von Arban, ebenda p. 279,
ist entschieden keine menschliche Figur, sondern stellt wahrscheinlich den
Kriegsgott dar. Ganz dieselbe Erscheinung finden wir in Botta’s Darstellungen.
vom 3. Februar 1859. 137
Weise mitten inne erscheinen; nur müssen wir bedenken, wie
ungleich schwieriger hier der darzustellende Gegenstand und wie
beschränkt der Raum war. Gleich beim ersten Anblick dieser
Gruppe drang sich mir unwillkürlich der Eindruck auf, dals bier
eine dämonische Naturgewalt oder ein Naturphänomen darge-
stellt sei, aber den Augenblick waren mir die Verhältnisse der
Alyattesgeschichte und der Sonnenfinsternils, nicht gegenwärtig,
aber so wie ich die Stelle des Herodot aäufınerksam wieder
durchlas, blieb mir nicht der geringste Zweifel, und ich hoffe,
dals meine Erklärung auch anderen aufmerksamen Beobachtern
sich bewähren wird.
Diese berühmte, angeblich von Thales vorhergesagte Son-
nenfinsternils wärd von den meisten Gelehrten neuerer Zeit auf
den 10. Sept. 610 a. Chr. gesetzt; ganz neuerdings aber haben
die Astronomen Hind, Airey und besonders Herr Zech sich
in Übereinstimmung mit Plinius für den 28. Mai 584 erklärt.?)
In Beziehung auf die zu erklärende Sculptur kann es ganz gleich-
gültig sein, ob das Ereignils ein Paar Jahre früher oder später
eintrat. Denn auch nach Hrn. Zech’s Berechnung würde die
Curve der centralen Sonnenverfinsterung mit einem Gürtel von
etwa 40 D. G. Meilen das ganze mittlere Halysthal umfalst ha-
ben und wenn auch dieses denkwürdige Naturereignils sich nicht
gerade in der nächsten Umgebung der Hauptgränzfeste kund
that, war es natürlich, dals der Gegenstand zugleich mit der
Feier seiner Ceremonie hier seine Darstellung fand.
Ehe ich nun zu einer besonderen Beschreibung der einzelnen
Figuren unsrer Darstellung übergehe, willich noch ein Paar allge-
meine Bemerkungen machen. Ich erwarte und weils bestimmt, dafs
einigen jener Zeit kund'gen Gelehrten der ganze Stil jener Sculptu-
ren älter erscheint, als das Ende des 7ten oder der Anfang des 6sten
vorchristlichen Jahrhunderts und dafs sie demzufolge diese Sculptu-
ren eher auf die Zeit der assyrischen als der medischen Her-
schaft zurückführen möchten. In Hinsicht des Stiles aber haben
wir für diese Zeiten, besonders in einer Provinziallandschaft, wie
das halb barbarische Kappadocien, kein bestimmtes Kriterium,
um zwischen einem oder zwei Jahrhunderten zu entscheiden;
°) S. Bosanquet, fall of Nineveh p. 14. Dr. J. Zech’s Astrono-
mische Untersuchungen über Sonnen- und Mondfinsternisse 1853.
‚138 Gesammtsitzung
in dieser von den Hauptkulturplätzen der damaligen vorherr-
schenden Staaten, wie vom Meere gleichweit entfernt abgelege-
nen Provinz, deren Künstler doch wol diese Gelegenheitssculp- R
turen ausführten, mufste der ältere Stil sich länger erhalten, als
in den Hauptstädten Nineve, dann Egbatana, und deshalb dürfen
wir uns keineswegs wundern, hier nicht den glänzenden Pomp
königlicher Figuren zu sehen, wie sie besonders in Nineve er-
scheinen. Vielleicht oder wahrscheinlich brachten es die Meder,
die im Allgemeinen freilich den Pomp der Assyrer annahmen,
darin nie so weit'°). Allerdings ist nicht zu läugnen, dafs die
vereinzelte Felssculptur von-Karab&@l bei Niniphi, so weit die dort
vom Wetter sehr mitgenommene Sculptur einen besondren Cha-
rakter des Stiles erkennen läfst, manche Analogien mit eini-
gen, besonders den Hauptfiguren unserer Darstellung zeigt; die
Kopfbedeckung hat sehr viel Ähnliches, das Wams ist nicht
sehr verschieden, aber erstlich ist der Streiter von Karabel
unbärtig und könnte also mit einiger Wahrscheinlichkeit nur
mit einer der Figuren in der hinteren Felskluft identificirt
werden und dann findet sich ein sehr grolser Unterschied
in der Bewaflnung, der wol allein schon genügen kann, einen
Zwischenraum von Jahrhunderten zwischen beiden Darstellungen
anzuzeigen, obgleich die genaue Zeit der schon von Herodot
di. II. c. 106) erwähnten, aber fälschlich dem ägyptischen Se-
sostris beigelegten Sculptur bei Nimphi durchaus nicht feststeht.
Denn, während die letztere Figur neben der charakteristerischen,
auch in unserer Darstellung stets wiederkehrenden, Klein- Asien
und den Saken eigenthümlichen, Gürtelstreitaxt, der sägaris,
einen Bogen trägt, sehen wir uns hier bei Boghaskoei umsonst
nach einer einzigen Darstellung einer solchen Waffe um und
finden dafür nur Sichelschwerter, gerade Schwerter und ganz
besonders Keulen. Die Keule ist bei der Frage der Identifica-
tion der Hauptfigur allerdings nicht ohne Bedeutung; denn
Manche möchten in Zweifel ziehen, ob die Lyder sich dieser
10) Wegen besonderen königlichen Schmuckes will ich nur erwähnen,
dafs auf der Hauptsculptur keine derHauptpersonen Ohrringe trägt, dagegen
die beiden Figuren in der hinteren Felskluft solchen Schmuck haben.
Übrigens haben selbst auf den Sculpturen von Nineve die Könige derglei-
chen nicht immer. So z. B. Layard, first series pl. 13.
vom 3. Februar 1859. 139
Waffe je bedient hätten, aber mit Sicherheit in Abrede zu
‚stellen ist es gewils nicht. Man muls eben berücksichtigen,
welch grofse Veränderung in Kleidung und Bewaffnung Jahr-
hunderte hervorbringen, sehen wir doch schon in den Sculptu-
ren von Nineve, auch abgesehen von verschiedenen Waffengat-
tungen grolse Verschiedenheit, abhängig vom Fortgange der Zeit.
Ja wir finden in eben jenen Sculpturen im Fortschritte der Zeit
eine ganz evidente und unläugbare Annäherung an unsere Sculptu-
ren, nicht allein, wenn wir die hohen, schlankeren Figuren und
die stets höher werdenden Spitzmützen auf den Sculpturen von
‚Kuyundjik mit den kurzen stammigen Figuren und den niedrigen
Hauben auf den ältern Sculpturen von Nimrod vergleichen, son-
dern ganz besonders gerade mit Bezug auf die Keulen. Denn
hier finden wir als Umstand von der allerhöchsten Bedeutung
zur annähernden chronologischen Bestimmung unserer Felsspdpl
turen, dals die Keule so wie die Streitaxt auf den assyrischen
ne: zum ersten Mal in den Kriegsdarstellungen
es Enkel’s Sennacherib’s erscheinen, der vielleicht eben
r letzte König von Nineve war, also ein Zeitgenosse des Cya-
res, jedenfalls aber nur um wenige Jahre früher war.'') Die
üngsten Sculpturen von Kuyundjik steigen eben ganz bis in die
it des Cyaxares herab. Eben solche Keulen tragen die Assy-
rer in dem ein Jahrhundert später unternommenen Heereszuge
des Xerzes.'”) Wenn dagegen in jenem Feldzuge Perser und
_ Meder eine sehr verschiedene Kleidung tragen und auch wieder
als besondere Waffe Bogen und Pfeil führen, so hindert dieser
Umstand gar nicht, dals die Meder nicht um 600 a. €. die
ehr assyrische Bewaffnung der Keulen und kurzen Schwerter
gehabt haben sollten. Ja wir lernen ausdrücklich aus Hero-
tl. I. c. 73, dals die Meder eben zur Zeit des Cyaxares des
genschiefsens ziemlich unkundig waren. Mit den assyrischen
ulpturen, so weit sie mir sowohl aus Anschauung der in Lon-
naufgestellten Schätze, als aus Layard’s und Bott a’s Pracht-
ken bekannt sind, stimmen auch nicht die hier dargestellten fast
rchweg geschnäbelten Schuhe überein; solche Fufsbekleidung
u ——
SE ‘) S.Layard, Nineveh and Babylon p. 451.
'?) Herodot |. VII ce. 61, 62.
&
&
3
®
140 Gesammtsitzung
erscheint im Gegentheil auf jenen Sculpturen nie bei Assy-
rern, sondern nur in ähnlicher Weise bei unterworfenen Völ-
kerschaften, wie auf Tafel 40 der ersten Folge von La-
yard’s Monumenten und auf dem Obelisken, Tafel 53. Da-
gegen wissen wir ausdrücklich, dals die Lyder solche Schuhe
trugen und es ist nun von hoher Bedeutung, dals auch die
Figur von Karabel ganz genau solche Schuhe trägt. Auf der
anderen Seite scheinen die Waffenröcke Ärmel gehabt zu haben,
also ganz und gar den zıIwves Yeızıdwroi bei Herodot zu ent-
sprechen. Dagegen würden wir hier in der rüstigen kräftigen
Zeit des medischen Reiches bei den eigentlichen Streitern von
selbst noch nicht die weiten Pumphosen oder dve£vgiöss erwar- |
ten, die wir in der späteren verweichlichten Zeit im persischen
Heere finden; wir finden sie daher in unserer Darstellung nur
bei priesterlichen Figuren. Ich habe schon oben bemerkt, dals
auf der Hauptdarstellung alle männlichen Hauptfiguren mit Aus-
nahme der kleineren Figur zur Rechten bärtig sind; dagegen sind
aber alle gewöhnlichen Streiter unbärtig und das ist ein gewaltiger
Unterschied im Vergleich mit den älteren assyrischen Sculpturen,
wo nur Eunuchen unbärtig erscheinen; nur in den jüngsten Sculp-
turen ist das auch bei Kriegern der Fall. Die drei bärtigen Fi-
guren unserer Darstellung, die Texier Stratagen nennt, werde
ich als einem höheren Range angehörig darthun.
Gewils erscheint bei meiner Erklärung der Iydische Fürst
mit seinem Hause als besonders hervorragend, wenn wir näm-
lich die die Mitte des Bildes einnehmende männliche Figur für
Alyattes und die ihm gegenüberstehende weibliche für seine Toch-
ter nehmen. Darauf aber bestehe ich keineswegs, obgleich es mir
wahrscheinlich scheint; diese Identification wäre noch sicherer, wenn
die beiden Figuren, auf denen dieser Streiter steht, wirklich in
solcher Klarheit erhalten wären, wie Texier sie gezeichnet hat;
denn dann könnte man sie füglich nur als die Repräsentanten
des unterworfenen Phrygiens und demgemäls den auf sie treten-
den Eroberer nur für den Lyder erklären, aber, wie ich das näher
weiter unten ausführen werde, haben diese Figuren sehr gelit-
ten. Man könnte sonst meinetwegen diese Figur auch für
Kyaxares nehmen, aber wenn wir daran festhalten, dafs die klei-
nere männliche Figur hinter der weiblichen aller Wabhrschein-
u LLDLLLLUULLLLUULUU LUD ee EEE EEE
vom 3. Feöruar 1859. 141
lichkeit nach dessen Sohn ist, ist es keineswegs wahrschein-
lich, dafs der Vater auch in so hervorragender Stellung erschei-
nen sollte. Jedenfalls ist so viel wol sicher, dals in dem ganzen
von Herodot beschriebenen Kampfe der Lyder mit seinen da-
mals durch Tapferkeit und Waffenkunst vor allen asiatischen Völ-
kern ausgezeichneten Heerschaaren nicht im Nachtheile war und
es war neben dem Rachegefühl gegen Pieria, wo seine Schwe-
ster dem vom persischen Emporkömmling entthronten Meder
vermählt worden war, wol besonders auf eine solche Erinnerung,
dals sein Sohn Kroisos sich stützte, als er gegen Cyrus kübn
die Offensive ergriff und ohne Schonung verheerend und vernich-
tend in Kappadocien eindrang.
Zwei der zur Linken folgenden Figuren erkläre ich für den
kilikischen und babylonischen Fürsten. Nun stehen allerdings
‚gerade zwei sehr hervorragende Figuren hart hinter der männ-
lichen Hauptfigur, nur geschieden von ihr durch einen Platz,
wo der Fels besonders rauh ist und eine dieser beiden Figuren
ist meiner Ansicht nach entschieden der Syennesis von Kilikien, wol
die erste besonders kriegerisch aussehende, die auf den Berg-
höhen steht. Die nächst folgende, gleichfalls auf zwei Berg-
‚böben stehende, Figur ist aber wol nicht mit dem Babylonier
zu identifieiren, sondern mit einem anderen Fürsten, der sich
in jenem Kriege besonders hervorthat. Dagegen ist mit einer
‚der beiden, von Herodot so hervorragend erwähnten, Persön-
lichkeiten meines Erachtens die letzte Figur auf dem zweiten Felde
zur Linken, die durch eine besondere Abbildung in vergröfser-
tem Maalsstabe verewigte Figur, n. I unter meinen Skizzen, zu
identificiren. Diese Figur habe ich besonders gezeichnet, da sie
als ausnahmsweise trefflich erhalten grolses Interesse verdient
and weil Texier’s Zeichnung mangelhaft ist. So, um das
gleich hier voraus zu nehmen, erscheint der Charakter dieser
Figur allerdings durch die geflügelte Kugel oder das geflügelte
Rad, das sie in der Prozession auf dem Haupte, auf der Einzel-
vorstellung mit der phallischen Ausschmückung in der rechten
Hand trägt, als durch göttliche Weihe besonders geheiligt, zu-
‚mal wenn wir bedenken, dafs dies Symbol auf der Hauptvor-
stellung nur bei ihr erscheint und stellt der bidens in ihrer
142 Gesammtsitzung
Rechten sie als einen Friedensstifter dar '?), aufserdem aber führt
sie, was Texier ganz und gar übersehn, in der Einzeldarstel-
lung eine Gürtelaxt und erscheint damit entschieden als Mann
und Fürst und scheint mir demnach in diesem dreifachen Cha-
rakter als unter dem besondren Schutz der Gottheit stehend,
als Friedensstifter und endlich als Fürst, mit dem Friedensstifter, |
dem klugen Priesterfürsten von Babylon identificirt werden zu
müssen.
Nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen gehe ich zu einer
besonderen Beschreibung der einzelnen Figuren über. Hier
mufs ich mit Jedem beklagen, dals Texier in der Beschreibung
seiner bildlichen Darstellung gar nichts über die gröfsere oder
geringere Deutlichkeit des im Einzelnen Erhaltenen sagt, so dafs
man in einigen Fällen nicht weils, ob vor 20 Jahren, wo er
diese Zeichnungen machte, Einiges was jetzt verlöscht, wirklich
noch deutlich zu erkennen war, oder ob er es aus seiner Phan-
tasie ergänzt hat. Ich berücksichtige die Anordnung in Hrn. Rit-
ter’s reducirtem Maalsstabe (Erdkunde Klein-Asiens 1. TafelI.u.II.),
daTexier’sPrachtwerk(Deseription de !’AsieMineure)wolWenigen
zu Gebote steht. Ich wiederhole zuerst, dals das ganze Bild nach $,
20° W. schauet. Die Gröfse der Hauptfigur ist kolossal, die hintere
zur Rechten ziemlich von natürlicher Gröfse, die auf der nächstfol-
genden Tafel nach W. etwa 3 Fuls hoch. Die dann folgenden
und die auf der gegenüberstehenden Wand etwa 2 Fufs.
1. Ich fange mit der Hauptfigur der ganzen Darstellung
an. Dies ist seiner Stellung, gerade in der Mitte der Haupt-
wand der Nische, zufolge, die Kolossalfıgur des nach Ost ge-
wandten Streiters. Seiner ganzen Erscheinung nach tritt er
auf als ein Eroberer der westlichen Länder. Dies würde noch
viel klarer sein, wenn das Piedestal, worauf er steht, noch deut-
lich zu erkennen wäre. Das ist aber wenigstens jetzt durchaus
nicht mehr der Fall und ich sowohl wie mein Begleiter,
Hr. Mordtmann, waren zuerst der Ansicht, dals auch diese
Unterlage einen Fels vorstelle, der nur in diesem Falle durch
einen Sperberkopf besonders ausgezeichnet sei, aber ich machte
1?) Zu diesem bidens vergl. Layard Monuments, first series
pl. 39A.
vom 3. Februar 1859. 143
dann meinen Begleiter, der auf dem Sperberkopf bestand, darauf
aufmerksam, dafs der Umrifs der Arme an beiden Figuren, ge-
nau so, wie Texier sie giebt, nicht zu verkennen sei und sie
doch entschieden als wirkliche Menschen in vorgebeugter Stel-
lung mit vorgebogener phrygischer Mütze bezeichne. Leider
war die Beleuchtung nicht klar und ich halte es daher für
möglich, dafs Texier vom Bart und den Besonderheiten der
Gewandung wirklich mehr erkannt hat, als jetzt zu erkennen ist.
Jedenfalls würden künftige Reisende wohl thun, diesen Figuren
ganz besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, da, wie ich oben
bemerkt, ihre Darstellung von der grölsten Bedeutung für die
Identification der von ihnen getragenen Figur ist.
Die kolossale, auf diesem Untersatz stehende, männliche Ge-
stalt nun mit nicht sehr adlerförmiger Nase und ziemlich langem
Bart, trägt eine sehr hohe, geschmückte Spitzmütze, wie sie über-
haupt bei allen männlichen Figuren auf diesem Bilde am häufig-
en ist. Sie hat vorne, wo sie das Antlitz berührt, die basi-
skenähnliche, jedoch nicht immer auf dieselbe Weise darge-
tellte Krümmung. Ich habe jedoch, um das gleich hier zu be-
erken, weder an dieser Hauptfigur, noch an den anderen Fi-
guren, welche diese Mütze tragen, den in Texier’s Zeichnung
‚erscheinenden unteren Besatz mit auf den Nacken fallender Kappe
ennen können; dagegen ist ein solcher Untertheil völlig klar
i der in meiner Skizze no. 2. vorgestellten Figur.
Die Figur 1. trägt ferner eine eng an den Leib schlielsende,
ürtete, die Zeichnung der Brust stark anzeigende Tunika,
em Anscheine nach, wie das bei anderen Figuren vollkommen
aulser allem Zweifel steht, mit langen Ärmeln. Die Beine schei-
nen unbedeckt, aber die Fülse haben die höchst bedeutsame,
in diesem Falle gerade überaus stark geschnäbelte, Schuhbeklei-
dung, bei der man jedoch in keinem Falle sieht, wie hoch
sie am Bein hinaufreichte. An dem rechten Ellbogen ist eine
hakenförmige Vorkehrung, von der ich schon oben gespro-
chen habe.
7 Als Waffen trägt diese Figur ein Doppelbeil, die in Klein-
Asien recht heimische sagaris, an der linken Seite, in der rech-
‚ten Hand eine Keule an die Schulter angelehnt und in der Lin-
Iken, wie es scheint, die crux ansata in einer Lotosblume.
\ [1859.] 10
£
;
144 - Gesammtsitzung
Was Texier als Einhorn zur Seite dieser männlichen, wie
zur Seite der gegenüberstehenden weiblichen Figur a
hat, war mir unmöglich genau zu erkennen.
2. Hinter dieser Figur nach W. folgt nun nach einem an-
sehnlichen Zwischenraum, der wahrscheinlich, wenn der Fels
hier nicht stark gelitten hatte, noch einen anderen Gegenstand
zeigte, in um ein Drittheil kleinerem Maalsstab, ein bärtiger Krie-
ger, auf zwei bergähnlichen hohen Aufsprüngen stehend mit nach
oben etwas verschieden geformter Spitzmütze, ähnlichem Wams-
und Schuhen. Er trägt keine Streitaxt im Gurt, führt aber in
der Rechten gleichfalls eine Keule und in der Linken ein Attribut,
das ich nicht mit Texier als gerades zweischneidiges Schwert
erkennen konnte. Jedenfalls ist auch bei ihm der friedliche Cha-
rakter durch die vor seiner Mütze sichtbare Lotosblume deut-
lich angezeigt.
3. Hinter dieser Figur folgt nun eine andere, gleichfalls bär-
tige, männliche Figur von gleicher Gröfse und gleichfalls auf
Bergen stehend, aber sonst sehr verschieden angethan. Sie trägt
nämlich über dem kurzen Wams ein nur hinten bis auf die
halbe Seite vorschlagendes Gewand, das vielleicht mit einem vom
linken Ellbogen herabhangenden Stoff zusammenhangt. Nun
habe ich bei einer genauen Durchmusterung der von Layard
gegebenen reichen assyrischen Bildwerke mich überzeugt, dals
diese Art Gewandung, wie wir sie hier vor uns sehen, nur von
Figuren übermenschlichen Ranges getragen wird. Sie erscheint
nie bei gewöhnlichen menschlichen Figuren, sondern fast nur
immer bei Flügelfiguren, z. B. first series pl. 25, 35, 36, 37,
38, 44 n. 1,47 n. 4,50 n. 2,4 und 5; second series pl. 3 n. 5.
Eben so gekleidet erscheint der Fischgott I. series pl. 50 n.7
und die Figur pl. 49 n. 4 halb Greif, halb Mensch. Die Figur
pl. 47 n. 2 ist allerdings ungeflügelt, aber doch überirdisch.
Ganz dieselbe Erscheinung läfst sich in Botta’s Darstellungen
verfolgen. Wir können hieraus wol mit Recht den Schlufßs
ziehen, dals wir auch bier in der so bekleideten Figur keinen
gewöhnlichen weltlichen Fürsten zu sehen haben. Die Figu
trägt im Übrigen eine Spitzmütze und die Schnabelschuhe, schein
aber in den beiden halbvorgestreckten Händen nichts zu halten.
Ich will nun zuerst die auf der Haupttafel der Darstel
vom 3. Februar 1859. 145
lung den so eben beschriebenen gegenüberstehenden Figuren be-
' schreiben, damit wir diese Gruppe vollständig vor uns haben.
4. Der königlichen Mittelfigur gegenüber also steht eine ganz
und gar verschieden aussehende Gestalt, von durchaus friedlichem,
‚allem Anscheine nach weiblichen Charakter, im Übrigen aber in
‚ verhältnifsmälsiger Grölse. Wir wollen sie nicht von vornherein
als weiblich bezeichnen, aber ihre Züge haben allem Anscheine
‚nach etwas Weibliches. Anstalt der Spitzmütze trägt sie eine Mütze
‘in Form einer Mauerkrone mit einem gabelförmigen Schmuck —
‘ wahrscheinlich dem oben erwähnten bidens, also eine Diminutiv-
‚darstellung des von ihr in der Hand geführten Stabes — in den
‚abgetheilten Feldern. Anstatt des Bartes hat sie lang auf die Schul-
tern herabwallendes Haar — wenn man dies nicht für einen
zurückgeschlagenen Schleier halten will. Wenigstens würde
die letztere Annahme leichter erklären, wie diese breiten Streifen,
wie das bei einigen der nachfolgenden Figuren ganz deutlich der Fall
ist, hinten im Gürtel befestigt sein können, was doch bei Haar-
Jöcken unnatürlich ist. Die Figur trägt ein mit langen Ärmeln
wersehenes und um den Leib gegürtetes volles Gewand, das bis
auf die Fülse herabreicht, weniger stark geschnäbelte Schuhe,
in den Ohren mälsig grofse Ohrringe, in der rechten Hand
einen langen krückenähnlichen Stab, das heifst, den schon mehr-
fach erwähnten bidens, in der Linken die Lebensblume oder
-erux ansata in der Lotosblume. Das von Texier angegebene EKin-
"horn: zu ihrer Rechten konnte ich nicht erkennen, ebensowenig
wie das gegenüberstehende. Es kann etwas ganz Anderes sein.
"Sie steht auf einem Thier, das Texier wol fälschlich für einen
Löwen gehalten hat, da es nichts mit einem solchen gemein
‚hat; gewils Wenige, die dies hochbeinige Thier mit der kurzen
‚stämmigen Löwenfigur an dem von Texier selbst in den Rui-
von Boghaskoei aufgefundenen Löwenthron vergleichen, werden
‚dies Thier für einen Löwen halten. Es ist wol sicher ein
'Leoparde, der im Orient, besonders in Persien, in Sculpturen
‚eine keineswegs seltene Erscheinung ist. Eben so wenig sind
die beiden 'Thiere, worauf zwei Figuren auf der Felssculptur zu
"Bavian stehen, Löwen (Layard M. second series 51), aber aller-
dings haben sie eben so wenig Ähnlichkeit mit unseren Thieren.
Dals, wie Texier meint, durch die höheren Berghöhen unter
101°
146 Gesammtsitzung
den Hinterfülsen dieses Thieres angezeigt werden soll, dafs
vom Gebirge herabkommt, ist möglich. 2
5. Hinter dieser Figur im oberen Felde, getrennt von ihr
durch ein in menschliches Untertheil auslaufendes Lebenssymbo
folgt eine männliche Figur, die ungeachtet ihrer kleineren Ver.
hältnisse durch das ganz ähnliche Thier, worauf sie mit der vor.
hergehenden steht, augenscheinlich in jeder Weise aufs Engs
mit ihr zusammengeordnet gedacht werden soll. Der einzig
Unterschied besteht darin, dafs dieser Leopard auf zwei, ansta
auf vier Felshöhen steht, und ist wol ganz ohne Bedeutung.
Diese Figur trägt eine sehr hohe Spitzmütze. Ich rathe je
doch späteren Reisenden, die Mützen aller dieser Figuren noc
einmal genau zu untersuchen, ob einige nicht vorgebogen sin
und somit den phrygischen sich mehr annähern.
Sie trägt die einfache gegürtete Tunika und hoch umg
krämpte Schuhe. Als Waffen führt sie eine eigenthümliche drei
schneidige, sehr lange Streitaxt in ihrer Linken, einen auf de
Kopf des Leoparden gestützten umgekehrten Krummstab in ih
rer Rechten und kurze sagaris im Gürtel, aber auf der rechte
Seite. An dem linken Ellbogen dieses männlichen Streiters fin-
det man nun, wie oben bemerkt, einen ähnlichen Haken, wie a
der Hauptfigur links.
Dann folgen, dieses Hauptbild rechts abschlielsend:
6. u. 7. zwei Figuren, die wir nothwendig zusammen ne
men müssen, weil sie fast ganz gleich angethan sind und a
einem und demselben Untersatz stehen.
Dieser Untersatz ist von aulserordentlicher Bedeutung fü
das Verständnils des Bildes. Es ist der Pterische Doppeladler i
ganz genau derselben Darstellung, wie wir ihn im inneren Por
tal des alt-assyrischen Gebäudes im benachbarten Ueyük finde
und auch offenbar mit jeder Klaue auf einer Maus ruhend
das Thier in Ueyük ist entschieden nicht ein Haase, was ma
sonst voraussetzen sollte — wovon wir hier nur den ÖOberthei
gewahren, während das interessante Attribut zu Ueyük gan
deutlich ist.
Beide Figuren 6. u. 7. haben noch kleinere Verhältnisse, al
die vorhergehende männliche, haben sonst aber ganz dieselbe Tracht,
wie die der ihnen voranschreitenden Hauptfigur; ein langes, um de
vom 3. Februar 1859. 147
Leib gegürtetes und unten gefaltetes Gewand mit langen Är-
meln, eine Thurmkrone, lange Haarlocke oder Schleier, dieselbe
Art Schuhe und auch Ohrringe; nur in Hinsicht dessen, was sie
in der Hand halten, scheinen sie etwas verschieden; die erste die-
ser beiden Figuren nämlich hat in der Rechten, wie es scheint,
einen etwas gekrümmten Stab, während, was sie in der Linken
hält, ganz undeutlich ist; die hintere scheint den geraden Stab
mit noch einem Blatt oder sonst etwas in der Linken, in der
Rechten eine Blume zu halten.
Ich will nun erst die rechte oder östliche Seite der Fels-
nische beschreiben, da sie weniger Figuren enthält und also leicht
abzumachen ist.
8-10. (bei Ritter Tafel II. no. 6). In einer kleinen Ein-
biegung der Felswand folgt eine sehr schöne Gruppe von drei
‚weiblichen Figuren, d. h. Figuren in ähnlicher Tracht wie die
drei zur Rechten in der Hauptgruppe; sie haben aber leider
‚sehr gelitten, zumal die Attribute, die sie in ihrer Hand tragen.
Nur das sieht man klar, dafs es oben in eine crux ansata en-
nde, aber mannichfaltig gegliederte Stäbe waren. Die Thurm-
ützen scheinen verschiedenen Zierrath zu haben.
4 11—20. Zehn äbnliche Figuren, aber in Gestalt, Haltung,
Ausführung und Attributen als jenen drei vorhergehenden unter-
ordnet vom Künstler angezeigt. Auch sind sie dadurch ausge-
E: dals ihr rechter Arm auf einer breiten, bis an den Boden
reichenden und vorn concav ausgeschnittenen Unterlage ruht,
ie ich für ein musikalisches, harfenähnliches Instrument halte,
wenigstens ist es gewils kein Stab; allerdings könnte es auffal-
lend scheinen, dals sie das Instrument in der rechten Hand
halten, aber das möchte durch seine Schwere bedingt sein und
"auch auf den Sculpturen von Nineve sehen wir etwas Ähnliches.
Vgl. Layard, Monuments second series pl. 48,2, auch 49.
Wollten wir diese Frauen oder Mädchen als Lydierinnen ansehen,
en ihrerinnen ihrer Prinzessin, die bei dieser Gelegenheit
vielleicht den entsprechenden Jünglingen auf der andern Seite
vermählt wurden, so könnten wir diese Darstellung auf das Ver-
enst der Lyder im Cytherspiel beziehen. Der Faltenwurf am
unteren Theile des Gewandes scheint bei einigen dieser Figu-
148 Gesammtsitzung
ren etwas verschieden zu sein, aber diese Figuren haben sehr
gelitten. }
Hiermit schliefst diese Seite der Prozession ab. Denn die
grolse von Texier Padischah genannte Figur an einer wieder
nach N. gekehrten Seite dieser Felswand steht allein und bildet
ein Bild für sich. ;
Ich gehe daher nun zur Beschreibung der Prozession auf
der gegenüberstehenden Felswand über.
21—26. Hier haben wir auf der zunächst folgenden, nord &
nordöstlich gewendeten Felstafel einie sehr bedeutsame Gruppe (bei ?
Ritter Tafel I. n. 4) von sechs Figuren, alle in entschieden
ausgeprägter, würdiger Haltung einer feierlichen Prozession und
von sehr schöner Ausführung.
Voran schreitet eine würdige bärtige Mannesgestalt in lan-
gem, ganz einfach gehaltenen Gewand, wenn dee. untere Theil
nicht vielleicht Pumphosen darstellt; der Oberkörper ist doch
wol bekleidet. Vom Ellbogen des linken Armes scheint ein of- {
fener Mantel herunterzuhangen. Gegenwärtig kann man nicht
erkennen, ob die Gestalt in den vorgestreckten Händen etwas hält. ;
Sie hat keine Ohrringe. a
23. Ihr folgt eine ganz deutlich ausgeprägte Flügelfigur.
In der Zeichnung Texier’s können die von jeder der beiden
Schultern emporreichenden Flügel mehr gewaltige Köcher vorzu-
stellen scheinen, aber so viel ich sah — s. Skizze n. I — haben
sie davon nichts, sondern sind viel weniger steif und sind durch-
aus flügelartig gehalten. Auch ist der Obertheil des rechten
Flügels abgebrochen. Dabei sind die eigenthümlichen, abwärts
gehenden Falten des Hintergewandes sehr deutlich. Diese höchst
bedeutsame Figur, die den inneren Bezug unserer Darstellung
auf Friedensvertrag am anschaulichsten personificirt, trägt eben-
falls die Spitzmütze, dann ein allem Anschein nach am vorge-
streckten linken Bein ganz eng anschliefsendes, stark horizontal
gestreiftes, Untergewand und darüber ein vorn bis über die
Taille reichendes und über dem Leib in einer Spitze ausge-
hendes Wams, das sich hinten in einem Ausschnitt bis auf die
Fersen hinabzieht und mit dem Untergewand in einer steifen
Spitze nach hinten ausläuft. Dabei aber scheint auch diese Figur
‚noch überdies eine Art Mantel zu tragen, dessen linke Seite vom
vom 3. Februar 1859. 149
linken Ellbogen herabhängt. Die Figur ist unbärtig, und ist
wol als weiblich zu fassen, entsprechend dem weiter zurück
nachfolgenden männlichen Flügelgenius; denn so erscheinen
diese Figuren auf den Monumenten von Nineve beiderlei Ge-
schlechts, first series pl. 5, 7 u. 7a. Sonst könnte man die Figur 23.
ihrer hohen Gestalt nach als männlich fassen, da die dem Anschein
nach als Frauen angedeuteten Personen hier im Durchschnitt
kleineren, gedrungeneren Wuchses sind. Von dem Ohrringe
konnte ich nichts erkennen.
24 u. 25. Folgen zwei, zur Erklärung der Sculptur gleich-
falls sehr wichtige, Figuren in sehr verschiedenem Aufzug und
mit Attributen, die sie vor allen übrigen auszeichnen. Es sind
kurze unbärtige Figuren, auf dem Kopfe eine einem einfachen Helm
ähnliche Bedeckung mit einem an der Brust eng anliegenden,
am Halse ausgeschnittenen und unter dem Gurt in starken, re-
gelmäfsigen Falten herabhangenden Gewande, die linke Hand
halb erhoben, aber ohne dem Anschein nach etwas zu fassen,
die Rechte mit kleiner Einbiegung berabgesenkt, mit einem Arm-
ring geschmückt — wenn dies nicht der stark markirte Saum
des Ärmels ist, und ein mit einer Handhabe versehenes, rundes
Instrument haltend, das nach der dem Beschauer zugekehrten
Wölbung wol sicher eine Schaale ist. Jedenfalls ist bei beiden
Figuren dies Instrument ganz dasselbe und Texier’s Sichel bei
der einen ist vollkommen falsch. Ich halte diese beiden Schaalen
zum Auffangen des Blutes bei dem heiligen Aderlafs und zum Blut-
trank, zur Befestigung des Friedensschwures bestimmt und halte die
‚beiden Figuren für babylonische Priester. Die Fülse sind bei
‚diesen beiden Figuren nicht erkennbar. Kein Obrschmuck..
. 26. Folgt nun das männliche Widerspiel der ersten Flügel-
figur, ausgezeichnet durch Bart und eine im oberen Theil mit eigen-
Ahümlichen Vorsprüngen verzierte Spitzmütze, die aber noch ganz
‚genaue Untersuchung erfordert. Als Gewand hat sie nichts als
eine um den Leib gegürtete Tunika; denn bei ihr scheint der unter
‚dem linken Arm bis auf den Boden herabreichende Streifen ein
‚Stab zu sein. Schuhe stark geschnäbelt, keine Ohrringe.
h 27. Folgt eine noch interessantere Figur, die uns bestimmt
zu zeigen scheint, dals wir es hier mit ganz historischen Per-
sonen zu ihun haben. Es ist eine sehr kurze, unbärtige Figur
450 Gesammisitzung
mit runder, haubenartiger Kopfbedeckung, vielleicht mit Nacken-
bedeckung, wenn diese scheinbare Verlängerung nicht das Haar ist,
einem, dem Anscheine nach, den rechten Arm mit Ärmel be-
deckenden, sehr groben Gewand, das über der linken Schulter
offen ist, den linken Arm frei läfst und auch auf der ganzen
linken Seite aufgeschlitzt ist. Auf der Kopfhaube trägt sie die ge-
flügelte Kugel in sehr scharfer Abzeichnung, in der linken Hand
trägt sie ein mit drei Querstäben versehenes Lebenszeichen und
in der Rechten einen nach unten herabhängenden stark gewun-
denen lituus oder vielmehr bidens. Diese Figur nun ist, wie
schon jeder der beiden früheren Betrachter erkannte, in der
Hauptcharakteristik genau dieselbe, wie die grolse allein ste-
hende, auf einem nach N. gekehrten Felde der gegenüber lie-
genden Felswand dargestellte, die mit ihrer Glasur vortrefflich
erhalten ist und von der ich eine besondere Zeichnung machte,
n. 2, weil Texier, wie schon oben angegeben, Verschiedenes
weniger richtig dargestellt hat, sowohl im Stile des Ganzen, als
auch in einzelnen Attributen, wie er denn die sagaris ganz über-
sah. Hier auf dieser grolsen Darstellung steht die Figur auf
zwei Berghöhen, die ganz wie die Berge auf den assyrischen
Sculpturen gearbeitet sind. (Vgl. Layard Monuments second
series 29, 31 und oft.) Ihr Gewand und ihre Kopfbekieidung ist
ganz dieselbe, wie auf der grölseren Gruppe, nur dafs der rechte
Arm hier unbekleidet, der linke dagegen bekleidet ist. Hier
trägt sie in der Linken den gewundenen bidens und in der Rech-
ten die mit wohl phallischen Symbolen und einem Idol der Na-
turgöttin geschmückte Flügelkugel. Nur die Schuhe sind auf
der grolsen Darstellung nicht so stark geschnäbelt, wie in der
Gesammtdarstellung.
28—37. Folgt nun eine andere Tafel '*), wenn recht ver-
standen, kaum minder interessant und wichtig, mit neun Figuren,
wovon sieben allerdings eine geringere Bedeutung haben, zwei aber
vielleicht das allergrölste Interesse in der ganzen Sculptur in
'*) Bei Ritter ist diese Tafel verstellt, denn die Gruppe 3b auf
Tafel II. sollte der mit 3a bezeichneten vorhergehen; so sind die beiden
Kobolde ganz aus ihrer richtigen Stellung hinausgeschoben.
vom 3. Februar 1859. 151
Anspruch nehmen. Die Tafel nämlich wird durch eine höchst
‚merkwürdige Darstellung in zwei Gruppen getheilt, indem nach
den ersten vier Figuren die schon oben besprochene, ganz und
gar abgesonderte Gruppe (32. 33.) folgt, die auf den ersten Anblick
einen wunderbaren Eindruck macht, die aber, sobald wir das
‚ganze Bild in seiner rechten historischen Bedeutung fassen, seine
volle, lebendige Erklärung erhält. Ganz so sehen wir auf den
assyrischen Sculpturen mitten zwischen den historischen Dar-
stellungen Naturgegenstände dargestellt, Flüsse mit ihren Fischen,
Gebirge mit ihren Thieren oder Waldungen. Was haben wir
bier? Wahrlich nicht eine Gruppe Schauspieler, die eine Tanz-
gesellschaft belustigen sollen. Alles hat einen höchst ernsten,
feierlichen Charakter; auch hat der Künstler auf dem kleinen
lde, das ihm gegeben war und mit den rohen Kunstmitteln,
lie ihm zu Gebote standen, sehr sinnreich angedeutet, dals die
ppe gar nicht innig mit der Reihenfolge der Darstellung ver-
Bochten und dals das hier Dargestellte keineswegs sich auf Er-
den bewegt, kurz dals es ein Naturphänomen ist, das hier dar-
gestellt werden soll. Es sind zwei Kobolde, halb Mensch halb
lämon mit einem dem Beschauer zugekehrten, wahrhaft mas-
ken- und mondartigen breiten Gesicht — mit kurzen spitzen Ohren
berhalb der Schläfen — stehend auf einem nach links abge-
en, an der Seite gespaltenen, in der Mitte aber geeinigten,
dicken Wagbalken, und zwei über einander stehende Scheiben-
usschnitte tragend. Denn das ist vollkommen deutlich, dals es
cht ein breites, einem Boote ähnliches Gefäls ist, wie Texier
aeint, sondern es sind vollkommen deutlich zwei Scheiben über-
einander. Kurz, es ist eine kindische Darstellungsweise der sehon
dem Alterthum klaren, von Ennius mit der anschaulichen Phrase
li luna obstitit” dargestellten Erklärungsweise der Sonnenfin-.
ils. Dafür, dals auch diese so ganz überirdischen, un-
chlichen Gestalten das gewöhnliche kurze Wams der übrigen
guren tragen, haben wir unzählige Analogien aus Nineve und
f es dazu keiner besonderen Erklärung. Den zopfartigen
abang, der bei Texier von dem Rücken unter dem rechten
hervorhangt, konnte ich nicht deutlich erkennen und habe
‚ihn deshalb auf meiner Skizze n. 4. fortgelassen.
152 Gesammtsitzung
Ich gehe nun zur speziellen Beschreibung der vier ersten Fi-
guren auf dieser Tafel über. Auch hier kehrt dasselbe Prinzip,
wie überall in dieser Darstellung wieder, dafs die Figuren einen
kriegerischen mit einem friedlichen Charakter vereinigen. /
28. 29. Zunächst kommen zwei Krieger, unbärtig, mit Spitz-
mütze, kurzem Wams, Schnabelschuhen, krummem Schwert nach
Texier, oder wahrscheinlicher einer gekrümmten leichten Keule,
in der Rechten, und die Linke ohne Attribut vorgestreckt. f
30. Folgt dann eine durch ihren Kopfschmuck — eine ein- |
fache Helmhaube — sich den Figuren 27. und 2. unter meinen
Skizzen anschlielsende Figur, mit kurzem Wams und in der vor-
gestreckten linken Hand das zweifach gejochte Lebenssymbol tra-
gend, in der Rechten nichts.
31. Ein Streiter wie 28 und 29, aber in der halb erhobe-
nen Linken das einfach gejochte Lebenssymbol tragend.
Hinter der, die Sonnenfinsternils personificirenden, Gruppe
nun kommen folgende drei Figuren:
34. Eine durch ihre hohe Gestalt hervorragende Figur.
Vielleicht war das blos die Folge der hier sich erweiternden
Felstafel; unbärtig, mit Spitzmütze, Schnabelschuhen, in der Lin-
ken mit sehr lang gestrecktem Lebenszeichen oder vielleicht Feldzei-
chen— denn es hat allerdings etwas Ähnlichkeit mit den auf den
assyrischen Sculpturen auf den Streitwagen aufgesteckten Feld-
zeichen — in der Rechten eine Keule.
35. Ähnliche Figur, mit noch länger gestrecktem Symbol
in der Linken, in der Rechten ein Sichelschwert, das wir sonst
in dieser Hauptdarstellung gar nicht finden, wovon wir dagegen nun
in der in der hintern Felskluft zu Tage getretenen, so schön er-
haltenen Schlachtlinie ein vollkommenes Schaubild haben.
36. Besonders kleine und jugendlich aussehende Gestalt, un-
bärtig, mit Spitzmütze, Tunika und Schnabelschuhen; sie hält in
keiner der halb vorgestreckten Hände etwas.
37—45. Nun folgt eine andere Tafel mit 9 auch sehr
verschiedenen Figuren:
37. u. 38. Zwei Streiter, unbärtig, mit Spitzmütze, kurzem
Wams, Keule in der Rechten, in der Linken kurzem Lebens-
symbol.
vom 3. Februar 1859. 153
39. Recht interessante Figur, die bei Texier nicht genau
dargestellt ist und wovon ich deshalb eine Skizze gebe n. 3,
da sie zur wahren Erklärung dieser Darstellung Bedeutendes ent-
hält. Vor Allem zeichnet diese Figur aus seine ganz eigen-
thümliche, nach vorwärts gebogene Spitzmütze mit weit vor-
reichender Zunge daran; sonst trägt auch sie die Tunika. Aber
ihre Haltung wird durch die beiden halb vorgestreckten Arme
sehr verändert und dadurch tritt die Schulter sehr stark hervor.
Sie hält in den so vereinigten Händen ganz augenscheinlich
einen Stab und scheint mit der rechten Hand auf ein Blatt zu
zeigen und zwar zu schreiben, ganz ähnlich wie wir das auf
den assyrischen Sculpturen sehen. Dies wäre von der gröfsten
Bedeutung, da man nur zu viel Werth darauf gelegt hat, dals hier
gar keine Schrift dargestellt sei. Das ist, glaube ich, mehr zufällig,
als grundsätzlich; ja die Spuren einer cartouchenähnlichen Schrift-
tafel mit dem Reste einer Inschrift ist noch ganz deutlich an
der gegenüberstehenden Felswand und ich habe keinen Zweifel,
dafs man bei weiterer Nachforschung und etwa einer Ausgra-
bung noch Inschriften finden wird. — Die Stellung der Hände
bei Texier und was die Figur darin hält, ist ganz falsch.
40. Folgt eine jünger aussehende Figur mit gewöhnlicher
Spitzmütze, Tunika, Keule in der Rechten, dagegen in der halb
vorgestreckten Linken nichts.
41. 42. Zwei Erwachsene aber unbärtig, beide mit vor-
gebogener Spitzmütze, Tunika und vielleicht einem Mantel,
obgleich das vom linken Ellbogen herabhangende mehr einem
Stabe ähnlich sieht. Texier’s Darstellung ist ungenau.
43. Gewöhnliche Spitzmütze, Tunika, Keule in der Rech-
ten, in der Linken nichts.
44. 45. Zwei sehr stattlich und feierlich aussehende bärtige
Figuren mit gebogener Spitzmütze, einem unterhalb des Gürtels
stark schräglinig nach hinten gestreiften nicht sehr langem Gewand,
das jedoch die Beine durchsehen läfst, wenn der untere Theil
nicht die weiten Pumphosen darstellt, beide Arme halb vorge-
streckt und ein einmal gejochtes Lebenssymbol tragend. Wahr-
seheinlich sind diese beiden bedeutsamen Figuren phrygische
Priester von Pessinus.
154 Gesammtsitzung
46—49. Eine nach $. gekehrte Ecktafel der Felswand mit
vier Figuren.
46. Ein bartloser Mann in Spitzmütze und Wams — ich
glaube, dals Texier’s kurzes Wams nicht genau ist; in den
Händen trägt er nichts.
47.48. u. 49. Drei einander ziemlich ähnliche Figuren, obai
gleich an Gröfse, wol nur des Steins wegen, etwas nach hinten ab- ö
nehmend, (bei Ritter II, 2); bärtig, gerade Spitzmütze, sehr starke
Schnabelschuhe und über dem kurzen Wams nach hinten vor-
liegendes und halb an den Seiten bedeckendes Obergewand, über
dessen religiöse Bedeutung ich schon oben gesprochen habe.
a
Jedenfalls dürfen wir diese Personen in diesem ganz unkriegeri-
schen Gewand auf das Entschiedenste nicht für Strategen hal-
ten, wie Texier gethan. Ohne Zweifel vertreten sie hier ein ü
anderes, religiöses, Prinzip. %
49—60. Eine weniger interessante Tafel, die den Abschlafs | 5
der ganzen Darstellung bildet, in dem Gesammitbilde völlig un-
tergeordneten Ranges, deren Gegenstand aber, weil er dem die ;
Felsnische betretenden Besucher zuerst in die Augen fällt, durch
die Tänzern ähnliche Stellung der Figuren wol hauptsächlich
»
%
bei Texier die Meinung begründet hat, dals hier ein Tanz,
die Sakäen, dargestellt werden solle. Alle Figuren sind unbär-
tig und in derselben Stellung, indem sie den linken Fuls stark nic
dersetzen und sich darauf stützen, den rechten dagegen in die
Höhe ziehen und nur mit der Zehe aufsetzen, zum Lauf oder
Angriff. Diese Stellung ist vollkommen dieselbe, wie in dem,
Relief in der hinteren Felsspalte, von dem ich gleich spre-
chen werde und wo die Krieger kurze Schwerter tragen in der
Rechten, in der Linken aber dem Anscheine nach nichts fassen,
aber doch wol denSchild halten sollen. Auf unserem Relief habe
ich nur 12 Figuren erkennen können und ich glaube, dafs es
nur stets so viel waren, wiewohl eine Rücksicht auf gleiche An-
zahl dieser männlichen Figuren mit den entsprechenden weibli-
chen auf der gegenüberstehenden Felswand nicht unpassend,
scheint. Auch auf dem anderen Relief der hinteren Felsspalte
erscheinen 12 Figuren. Übrigens sind auf unserer Tafel die
beiden ersten Personen von den übrigen durch einen Zwischen-
zu
vom 3. Februar 1859. 155
raum geschieden. Ihre Tracht übrigens ist ganz dieselbe, ge-
rade Spitzmütze, kurzes Wams und Schnabelschuhe.
3 Ehe ich nun nach Beschreibung der Hauptdarstellung der
"Yasili-kaya von Boghäskoei die Sculpturen der hinteren, ziemlich
‚parallel mit der grolsen Nische laufenden Felsspalte beschreibe,
'muls ich noch einer Figur Erwähnung thun, die ziemlich am
Eingange jener Kluft steht. Von dieser habe ich auch eine
"Skizze gemacht, die bedeutend von Texier’s abweicht und die
Figur keineswegs als einen Kobold, sondern als einen gewöhn-
lichen Krieger erscheinen läfst, der nur eine eigenthümliche
eopfbödeckung trägt; da ich bei im Kagetiblick Texier’s
"Zeichnung nicht vor mir hatte und nicht Alles genau control-
lirte, will ich meine Skizze nicht mittheilen. Es kommt auch auf
diese Figur wenig an. Um so mehr Gewicht aber hat eine,
leider fast völlig ausgelöschte, Kartousche an dieser selben Fels-
"wand, deren Inneres nur so viel erkennen läfst, dafs sie keine
"BHieroglyphen enthielt, sondern den Buchstaben der kurzen In-
‚schrift von Ueyük ähnliche Charaktere.
Ich gehe nun zur schmalen hinteren Felsspalte über, in die
an jetzt über Felsblöcke von S. hineinsteigt. Diese Felsspalte
ist jetzt im untern Theile verschüttet, und, wie erst in diesem
Jahre ein anderer, mir unbekannter, ich glaube, deutscher Rei-
sender das höchst interessante Relief mit den 12 Kriegern auf-
gedeckt hat und ich selbst den untern Theil der von Texier
f Mylitta gehaltenen und der anderen eigenthümlichen Fi-
r aufgegraben habe, so verspricht diese Nische noch ande-
ren Fund, zumal in Bezug auf die beiden, im unteren Theile
Br sich entsprechenden Felswände angebrachten, halbrunden Ni-
schen, um zu untersuchen, ob sie in irgend einem Zusammen-
E. mit den Darstellungen stehen.
e des Hereintretenden auf sich zieht, ist die in 6—7 Zoll hohem
ief gearbeitete und im oberen Theile vortrefllich erhaltene, son-
derbare Gestalt n. 5. meiner Skizzen, deren überaus scharfes
Gepräge Texier in seiner Zeichnung ganz entstellt bat (bei Rit-
ter Il, 9). Auch hat er den absonderlichen Charakter der Fi-
gur dadurch noch bedeutend erhöht, dals er auch an der lin-
ken Schulter einen Löwenkopf angebracht hat, wovon das Re-
» Die hervorragendste Figur in dieser Nische, die gleich die
156 Gesammitsitzung ; |
lief nichts zeigt, obgleich die äufsere, abschliefsende Linie d
Schulter und der Arm, ‘nicht mehr deutlich zu erkennen sind;
er hat wol etwas in der Hand gehalten. Sonderbar bleibt die
Figur immer, aber die beiden, zwischen den Beinen herabhani
genden, Fetzen erklären wol den Löwenkopf auf der Schulter
für ein als Wams verarbeitetes Löwenfell. Die Beine sind
aber ganz unnatürlich mit dem Leib verbunden; dagegen sind.
die Fülse ganz menschlich, wie ich nach der Ausgrabung mich |
überzeugte. Da ich die ganze Figur mals, kann kein Zweifel
über das Verhältnils der einzelnen Theile sein. Im Ganzen
macht diese Figur scheinbar den Eindruck höheren Alters, als
das Relief in der grolsen Nische, auch kann die Figur nicht
füglich mit irgend einer der in jenen erscheinenden identifcirt
werden. Die scharfe Adlernase weist sie wol entschieden
dem Osten, wol Assyrien zu und das bartlose Kinn unter-
scheidet sie merklich von der andern Darstellung, die Spitz-
mütze ist hoch, nicht mit dem gewöhnlichen basiliskenartigen
Ansatz an der Vorderseite, sondern mit einer nach unten ein-
wärts gebogenen Krümmung; sie hat keine Nackenkappe. In
dem Ohre sieht man einen grolsen Ohrring. Über den Lö-
wenkopf habe ich gesprochen.
Auch die andere, in kleineren, der Natur sich anschlieflsen-
den Verhältnissen gezeichnete Figur, die Texier nach dem von
ihm allein gesehenen oberen Theile für eine Mylitta hielt (Rit-
ter II. n. 10), zeichnet sich aus durch ihr bartloses Kinn und
könnte also allein wol mit dem jungen, hinter der weiblichen
Figur auf dem Hauptbilde stehenden Streiter identifhcirt werden
Diese Figur, deren Profil weniger deutlich ist, aber entschiede
nicht sehr scharfe Züge hat, trägt eine überaus hohe, eigen
thümlich geschmückte, eher breite als spitze Mütze, ein unte
dem Gurt faltenreich herabhangendes Gewand, hat keine Waffı
aufser der sonderbar vom Gurt abstehenden Doppelaxt un
schliefst mit seinem linken Arm eine jugendlich aussehend
weibliche Figur an sich, ihre rechte Hand mit seiner linken hal
tend, worin er aulserdem einen langen Stab zu haben scheint
während er auf seiner vorgestreckten Rechten eine kleine, an.
scheinend männliche, Figur mit kurzem Wams trägt; dies Attri
vom 3. Februar 1859. 157
"ibut aber ist nicht deutlich genug erhalten, um bestimmt seine
‚edeutung auszusprechen. Die weibliche Figur nun trägt ein
\nges im untern Theile faltenreiches Gewand, in das sie, ähn-
ch der Figur des Babyloniers, ihren linken Arm aufgewickelt
at; in ihrer Linken hält sie einen krummen Stab, vielleicht
inen bidens; ihr Haar hängt lang herab und wird von einer
inde gehalten; die Fülse beider Figuren sind noch mit Stei-
n verschüttet. Hinter der Mütze der männlichen Figur nun
hlielst sich eine mit den Flügeln weit sich ausspannende
ellügelte Kugel an mit ähnlichen herabhangenden oder stützen-
en Symbolen, wie bei Figur 2. meiner Skizzen. Die Säulen
it ihren breiten phrygischen oder assyrischen Voluten — denn
ch auf assyrischen Denkmälern kommen sie schon vor — sind
ich hier ganz deutlich. Seine Skizze n. 6.
Ich will nun noch zum Schlulse ein Paar Worte sagen, über
is vortrefflich erhaltene Relief mit den zwölf Streitern, das erst
or Kurzem blosgelegt, mit jugendlicher Frische dem Beschauer
ntgegen lacht. Ich habe in der Skizzenprebe n. 7. auch die Maalse
egeben. Besonders bemerkenswerth ist hier das scharf mit fast
ageienartig gebogener Adlernase vorspringende Profil, die
jersetzte Gestalt und vor Allem das dem ägyptischen sich
nschlielsende Sichelschwert, das sie entschieden in der Rechten
lien — ich sage das ausdrücklich, weil man auf den ersten
ick meinen könnte, sie hielten es in der Linken. — Sie tra-
er ein mit Ärmeln versehenes kurzes Wams, breite, in ihrer na-
ü lichen Weiche sich umbiegende, aber nicht, wie es scheint,
ünstlich geschnäbelte Schuhe und eine spitze Mütze mit Rand
nd stark ausgedrückter Hakenspitze.
E Hiermit beschlielse ich die Beschreibung dieser so höchst
erkwürdigen Sculpturen, auf die ich hoffe die Aufmerksamkeit
ftiger Forscher noch mehr gelenkt zu haben. Unzweifelhaft
ben wir in dieser Umgegend noch reiche geschichtliche und
‚chäologische Ausbeute zu erwarten.
158 Gesammtsitzung - H
a
Hr. Weber las über ein indisches Würfel- Orakel,
im Anschlufs an die zunächst folgenden Mittheilungen des cor-
respondirenden Mitgliedes der Akademie, Hrn. A. 5 chi e FAR
in Petersburg vom 10. und vom 21. Januar.
„Als ich kürzlich für meinen Collegen Stephani, der sich
mit einer archäologischen Arbeit über den Strahlenkranz be-
schäftigt, in demselben Bande des Tandjur (123ster Band der
sitra), dem ich Pimalapragnottaramälä entlehnt habe und in
welchem auch verschiedene Schriften über Anfertigung von
Buddhabildern sich befinden, nach dem Strahlenkranze suchte,
stiels ich auf einige Dinge, die Ihnen recht interessant sein
dürften. Aus den „Monaisberichten” ersehe ich, dafs Sie vedi-
sche Texte über Omina und Portenta besprochen haben. Hieran
anknüpfend nenne ich zuerst das dem Nägärjuna zugeschriebene
Werk Pratityasamutpädanädmacakra. Es zerfällt in zwölf Ab-
schnitte. Um den mittleren Wintermonat angelangen werden
die zwölf ersten Tage des Monats mit den Namen der zwölf
nidäna bezeichnet, und zwar wird dabei mit avidyä angefangen:
der 13te Tag ist — 3, der 14te — 4, der löte—=5. Die
weilse Hälfte des Monats hat für ihre 15 Tage dieselbe Bezeich-
nung als die schwarze. Für jeden Tag wird angegeben, was er
für die Geburt u. s. w. bedeute. Die zwölf Capitel behandelns
4) Geburt. 2) Unternehmung. 3) Ausgang. 4) Diebstahl,
5) Krankheit. 6) Augenzucken. 7) Töne. 8) Schlucken. 9)
Hunger. 40) Fulszucken. 11) Fulsknacken. 12) Gedanken.
Diese Schrift umfaflst etwa nur zehn Blätter. — Siebenfach stär-
ker ist dagegen eine andere Schrift mit dem corrumpirten Titel
yudhajasarnavaitantraräjasvarodayanädma „das Hervorgehen der
Buchstaben, genannt der den Kampf besiegende Tanzra- König”
nach der tibetischen Übersetzung: es zerfällt in zehn Abschnitte,
— Eine dritte Schrift hat keinen Sanskrittitel: der tibetische
lautet in seiner Übersetzung also: die von dem mahämuni und
rishi Vasudeva (!) gelehrte Weisheit (oder gewiesene Gelehr-
samkeit) in 24 Abschnitten. Es werden darin Vorbedeutungen
behandelt 1) der Sonne und des Mondes, 2) der Sterne, 3) der
Sternschnuppen, 4) Regenbogen, 5) Donner und Blitz, 6) Zei-
chen in der Luft, 7) aulserhalb entstehende Zeichen u. s. w.
vom 3. Februar 1859. 159
Das 23ste Capitel hehandelt die Bedeutung des Erdbebens, und
ist durch die Aufzählung der einzelnen Gegenden und Länder
sehr interessant. Dieses Werk umfalst etwa 36 Blätter. — Nur
zwei Blätter stark ist eine kleine Schrift, welche den corrupten
Titel Aäkajariti führt, was wohl nichts anders als käkarutam sein
wird: der tibetische Titel besagt „Bedeutung des Rabenge-
schreis” (genauer, „der Rabensprache”). Es werden die Raben
in vier Kasten getheilt. Die rothaugigen sind die Xarriya, die
Flügelreibenden die Yaigya, die Fischgestalt-habenden(?) die
Cüdra: die Bezeichnung der Brähmana ist mir nicht klar: es
kann heilsen „die mit karsha’s wohnenden.” Ich vermuthe hier-
bei ein Mifsverständnils mit Aärshnya, Schwärze, so dafs die
schwärzesten Raben die Brähmana wären: ebenso glaube ich
die „Fischgestalthabenden” durch Verwechslung von maisya mit
maisara entstanden. Dgl. Übersetzungsfehler bietet die tibeti-
‚sche Übersetzung z. B. des Amarakosha in Masse dar, wie ich
‚solches in dem kleinen Aufsatz über die logischen und gramma-
tischen Werke im Tandjur p. 17 durch mehrere Beispiele er-
härtet habe. Doch könnte freilich auch etwas Sachliches, das
‚wir nicht kennen, noch auf andere Dinge führen. Darauf kommt
die Bedeutung des Geschreis nach den vier yäma’s und den
Weltgegenden wie es von dem Hausherrn wahrgenommen wird.
Dann folgen die Bedeutungen des Rabengeschrei’s, die man auf
dem Wege wahrnimmt. Am interessantesten ist jedoch die
Vorbedeutung nach dem Orte, wo sie ihr Nest bauen. Bauen
sie es an einem Zweige auf der Ostseite des Baumes, so kommt
ein gutes Jahr und Regen; bauen sie es auf der Südseite, so
verdirbt das Getreide. Dies stimmt zu dem Glauben der Land-
leute anderer Gegenden. Auch die einzelnen Töne haben ihre
Bedeutung: kaka, ghaga, tata, dada. Sieht man ein schlechtes
Zeichen, so muls man dem Raben ein Streuopfer bringen, ihn
namentlich durch Froschfleisch erfreuen. Einzelnes aus dem
Schriftchen dürfte Kuhn besonders interessiren: z. B. setzt sich
auf dem Wege ein Rabe auf das Haupt oder die Hauptbedeckung
und giebt er einen Ton von sich, so deutet dies auf den Tod.
Ergreift der Rabe einen rothen Faden, setzt er sich auf das
[155).] 11
®
160 Gesammtsitzung
Dach des Hauses, und giebt einen Ton von sich, so wird das
Haus abbrennen. — An pägäkevali (Verz. ‘der Berl. Handsch.
No. 901) schliefst sich eine Schrift an mit dem Titel kevals,
was im Tibetischen durch „Loos-Rechnung” wiedergegeben wird.
Es werden in der 14ten Nacht des ersten Frühlingsmonats, in
der zweiten Nachtwoche, nördlich oder östlich von den Wur-
zeln des Gändilya-Baumes (Aegle Marmelos) drei vierseitige
Würfel geschnitten und mit den Buchstaben a ya va da be-
zeichnet. Es giebt dies 64 Fälle. Wie der einleitende Gloka
besagt, ist diese Schrift hervorgegangen aus der Schule des im
endlosen Norden, im Pärgika-Lande nördlich von Nepäl gebo-
renen Mahämuni Cri Raudhe (sic). — Ihnen sind diese Dinge
wohl alle schon in den von Ihnen beschriebenen Handschriften
vorgekommen. Möglicher Weise weichen aber die bei den
Buddhisten in Geltung befindlichen Werke von denen der brah-
manischen Literatur mehr oder weniger ab. — Als ich den
Lama Gambojew neulich fragte, ob er solche Werke, die es
mit Vorbedeutungen zu ihun hätten, aus eigener Anschauung
kenne, antwortete er mir lächelnd „Ob ich sie kenne! Habe ich
doch so manche Einnahme durch dieselben gehabt.” Natürlich -
giebt der Lama dem fragenden Laien auf Grund solcher Werke
die nöthigen Antworten und wagt es nicht, auf eigene Faust
etwas vorzulügen. Die zum Handgebrauch nöthigen Werke be-
finden sich in einer tibetischen Sammlung, die den Titel: der
weilse Yaidürya führt. — Endlich habe ich noch einige Werke
zu erwähnen, welche die Zeichen des Menschen behandeln, so-
wohl der Männer als der Frauen. Sie werden einem Samudra
zugeschrieben. Es ist mir heute jedoch nicht möglich, Ihnen
dieselben genauer zu charakterisiren.”
Im Anschlufs hieran erinnere ich zunächst für die zuletzt
genannten Werke an den von mir in der Z. der D.M. G.X,
500 besprochenen, in meinem Besitz befindlichen Calcuttaer Druck
eines chiromantischen Lehrbuchs sämudrikam (über dieses Wort
s. Wilson s. v.) und für das käkarutam an Cap. 94 der Yäräht
Samhitä und an Cap. XII.') von des Yasantaräja Cäkunam ; speciell
') Dieses letztere Stück (181 vv.) stimmt in Inhalt und
Reihenfolge ziemlich genau zu dem tibetischen Texte, enthält
vom 3. Februar 1859. 161
dagegen wende ich mich zu den höchst dankenswerthen Angaben
über das keval? genannte Werk, durch welche ich zu einer
näheren Untersuchung der betreffenden Handschrift unsrer hie-
sigen Sammlung (Chambers 286) veranlafst ward und nunmehr
die in meinem Verzeichnils der letziern davon gegebene unzurei-
ehende und zum Theil irrthümliche Nachricht berichtigen kann.
Das Werkchen führt den Titel pägaka-kevali, d. i.
„Würfel-Orakel”.') Es besteht angeblich, nach der Zäh-
lung in der Handschrift selbst, aus 184 vv.: doch sind es in
der That deren nur 183, da die Zahl 113 bei der Zählung der
2. B. auch die bei Yaräha Mihira noch fehlende Eintheilung der
käka nach den vier Kasten, nur dafs hier auch noch eine fünfte
hinzutritt, die der antyaja, Paria. Die betreffenden Verse lau-
ten, wie folgt:
\ ye brähmanäh xatriyavaisyagüdräh
, käkäd bhavanty antyajapancamäs te \
( varnäkritibhyäm rishibhäshitäbhyäm
e sadä ’bhiyuktair abhilaxaniydh U2U
[7 dbrihatpramäno gurudirghatundo
hi dridhasvarah krishnavapuh sa viprah |
” pingäxaniläsyavimicravarnah
& syät zatriyo rüxaravo ’ticdrah U3U
a äpändunilah sitanilacancur
ndtyantarüxärafitar ca vaigyah |
bhasmachavir bhürikakäragabdah
r cüdrah kricängag capalo ’tirüxah W4U
virixasixmäsyatanur vicanko
yah kamdharäm dirghataräm bibharti \
sthiräravah sthairyasametabuddhih
käko ’ntyajätih khalu pancamo ’tra N5U
Schiefner’s Vermuthung in Bezug auf kärshnya wird hiedurch
bestätigt: in Bezug auf matsya oder matsara dagegen findet sich
‚hier keine Lösung.
| u! ') So übersetze ich das Wort kevalt, welches eigentlich
wohl „ausschliefsliche Kenntnifs” bedeutet, und wozu vidyä zu
ergänzen sein wird, vgl. v. 4. kevalajnäna.
1°
162 Gesammtsitzung.
Verse übersprungen ist. Den Inhalt bildet die Antwort auf die
Fragen, die man an die Würfel gerichtet denkt. Diese müssen
wie oben als drei an der Zahl und als vierseitig (pyramidenför-
mig) resp. gleichseitig und je mit 1. 2. 3. 4. (statt mit a ya va
da) bezeichnet gedacht werden: denn es werden hier ebenfalls
64 Fälle unterschieden: und zwar indem die Zahl der Augen
eines jeden Wurfs stets sowohl in Ziffern ') voran gestellt, als
auch noch aufserdem in dem ersten Hemistich der dazu gehö-
rigen, durchschnittlich je drei, Verse in Worten ausgedrückt
wird. An Stelle der obigen Angaben über die Zeit und die
Weise des Orakels giebt hier der sehr verderbte dritte Vers lei-
der nur höchst unvollkommene Auskunft. Danach findet zunächst
an einem Sonnabend eine Weihung der Würfel”) statt: am Sonn-
tage dann schüttet der Fragende selbst die Würfel auf ein reines
Tuch, und eine Jungfrau, kumäri,’) verkündet ihm die Bedeu-
tung des Wurfes. Oder sollte kumär? etwa hier nicht diese
Bedeutung haben, sondern Name der Durgä sein? Dafür spricht
allerdings zunächst der zweite Vers, in welchem diese Göttin in
der That unter verschiedenen Namen direkt aufgefordert wird,
eilig herbeizukommen und die Wahrheit zu verkünden. Dann
mülste inde[s v. 3. ganz anders restituirt werden, als mir mög-
lich gewesen ist, da bei dem jetzigen Texte die kumär? entschie-
den als die Leiterin der ganzen CGeremonie erscheint, was von
der Göttin undenkbar ist. Es ist daher die Jungfrau einfach
wohl nur als die Repräsentantin der Göttin zu fassen; und in
der That ist auch nur unter einer solchen Voraussetznng die für
Indien ganz ungebräuchliche Verwendung eines Mädchens für
einen dgl. Zweck erklärlic. Weshalb gerade Durgäö als die
Orakelspenderin gilt, erhellt leicht, wenn man sich an die bei
') Dies sind die Zahlen 111 —444, die ich in meinem Ver-
zeichnils ganz falsch verstanden habe.
?) pägaka, a dice, particularly the long sort used in playing
Chaupai. Wilson.
?) Kumäri a young girl, one from 10 to 12 years old, a
virgin or in the Zanzras any virgin to the age of 16, or as long
as menstruation has not commenced. Wilson.
vom 3. Februar 1859. 163
_ Bhartrihari (11I, 43), in den Puräna etc. mehrfach erwähnte
Vorstellung erinnert, wonach das Geschick der Einzelnen von
einem Würfelspiel zwischen ihr und ihrem Gemahle Civa her-
geleitet wird. So werden denn auch im Innern des Werkchens diese
Beiden vielfach genannt (so mahädeva 4. devadeva 7. 39. bhavänt
97. candikä 98. devi 62, und zwar als kuladevi 55. 87. 98. 123.
gotradevi 82): aufserdem erscheinen nur noch die mätaras 153.
und kuladevän 74. 157, so wie devakuläni 62. — Aulser durch
vw. 3. wird uns nur noch durch die der Bedeutung jedes Wur-
fes vorhergehende kurze Bezeichnung desselben einige Aufklä-
rung über den Vorgang selbst. Den Beginn macht stets die
Angabe der drei Würfelseiten, welche aufgefallen sind, in der
betreffenden Reihenfolge. Also z. B. „eins zuerst, drei in der
Mitte, vier am Ende”. Die Würfel werden nämlich nach ein-
‚ander geworfen, nicht gleichzeitig, und zwar ist diejenige Seite,
‚mit welcher der Würfel auf dem Boden liegt, die entscheidende.
Eins wird durchweg durch padam, „a mark, a spot” Wil-
son, gegeben (nur einmal mascul., in v. 140. padau): Zwei
"durch doikam, fünfmal (von den 48 Malen) als Mascul. (90. 92.
94. 116. 154): Drei durch zrikam, siebenmal Mascul. (10. 68.
4116. 133.138. 169.177): Vier durch catuskkam, welches 13 Mal
= Mascul. (40. 48. 60. 84. 92. 94. 133. 138. 143. 171. 173.
475. 177) und sechs Mal als femin. (71. 129. 148. 151. 158.
| 466) erscheint. Einmal, in v. 179., wird die Vierzahl durch
wvrishabha ausgedrückt. Auf die Zahlen folgt in der Regel noch
‚eine weitere auf den Wurf bezügliche Angabe, die in vielfacher
Weise differirt. Am häufigsten, achtmal (23. 29. 42. 53. 56.
75. 97. 122) erscheinen die Worte „dundubhih patitä tava,
ist deine d. gefallen,” wo dundubhi, als mascul. „a sort of large
keitle drum” Wilson, offenbar eine von dem Rasseln der Würfel
‚entlehnte Metonymie ist und zwar für den Wurf selbst, nicht den
"einzelnen Würfel (fem. „a die or dice” Wilson): ähnlich wie v.
138 gakat? (gakate Cod.) „a cart” vom Wagengerassel, (anders
4163). Viermal (17. 50. 102. 125) findet sich „pägake patitam
(patitas v. 17.) taca”, wo ich pägakaih lesen möchte, da ich für
pägaka (masc.) bei Amara und Hemacandra nur die Bedeutung
‚ Würfel” selbst, nicht die von „Würfelbrett”, die für pägake
164 Gesammtsitzung g
allein passen würde, finde. Aus „patitä tava karnikä” v. 13.
scheint sich die Kreide als das Material der Würfel zu ergeben?
DieWörter kartar?,Scheere” v.7., vishakartari,„Giltscheere”
v. 109., märjan? „a brush, a broom” v. 169. bedeuten einen un-
glücklichen, alles Glück abschneidenden, wegkehrenden Wurf.
Die Angabe „cincineh grinu tat phalam” „der Klirrenden hör
diese Frucht” v. 10. bezieht sich auf das Klirren (vgl. kinkint)
und „mathaneh g. t. ph.” v. 34. auf das Schütteln des Wurtesl
Zu beiden Wörtern, wie zu den übrigen Femininis, die sich auf
die Bedeutung des Wurfes beziehen, wie bahulä 84. 113. tripadi
416 (die Bedeutung unklar), saphalä 119. 171. mälin? 129. vämd
177 (? däyä Cod.)., ist wohl dundudhi zu ergänzen? oder etwa
patr! (v. 63.) „a letter, a written document or address” Wil-
son, welches den Wurf als einen an das Schicksal geschriebe-
nen Brief bezeichnet? In letzterem Sinne ist auch „praeno ’yam
patitas taca” v. 71. (vgl. v. 127.) zu verstehen, als „Frage an das
Schicksal”, und entweder dieses Wort, oder preshyah „Bote”
v. 154.), besser indels wohl einfach ayah „Wurf” (s. v. 36, dya
463.) zu den verschiedenen Masculinen, die sich sämmtlich auf
die Bedeutung des Wurfes beziehen, zu suppliren: also zu
vämah (? väsah Cod.) v.20., gobhanah 5., bhadrah 26. 60.,
kütah 68. 78. 148. 173. Das Wort vrishah, Stier, wird vier-
mal v. 48. 88. 94. 175 zur Bezeichnung eines Wurfes verwen-
det, das letzte Mal bei einem Unglückverheifsenden. Als die
besten aller Würfe erscheinen 1.3.4. mit dem ausdrücklichen
Beinamen viyaja, Sieg v. 36., und der umgekehrte Wurf 4. 3.1.,
mit dem Beinamen gakatam „Wagen” v.163, wohl davon ge-
nannt, dals er mit Glück beladen ist. — Übrigens hat sich das
Schrifichen die Popularität sehr leicht gemacht, indem es Glück
und Unglück nicht, wie von Rechtswegen der Fall sein sollte,
gleichmäfsig vertheilt, sondern dem Unglück nur ein Viertel der
Würfe zuweist, und auch bei diesen sucht es noch häufig guten
Rath zu geben, wie man dem Unglück entgehen, und schliefslie
doch noch glücklich werden könne. Die schlimmen Würfe sind
der Reihe nach die folgenden 1.1.2. — 1.3.3. — 2.2.2. —
2.2.3. — 2.3.2. — 2.3.3. — 3.2.1. — 3.3.2. — 3.4.3. —
4.1.1. — 4.1.2. — 4.2.2. — 4.3.3. — 4.4.1. — 4.4.2. —
vom 3. Februar 1859. 165
4.4.3.; :— gemischt, resp. tröstend mit Hülfe aus Noth, sind
1.1.3. — 2.2.1. — 2.2.4. — 2.3.4 — 3.1.3. — 3.2.2. —
3.2.4. — 4.1.1. — 4.1.2. — 4.2.2. — 4.3.3. Der Inhalt
der Verheilsungen oder Drohungen selbst ist sehr allgemeiner
Art, bezieht sich auf Glück in allerlei Unternehmungen, Erlan-
gung von Reichthum und Würden, Gewinnung einer Jungfrau,
Hochzeit, Geburt eines Sohnes, Wiedersehen von Freunden und
‚Verwandten, glücklicher Heimkehr von einer Reise, Genesung
von Krankheit, Wiedererlangung verlorner Gegenstände u, dgl.
mehr. Im Ganzen herrscht grolse Einförmigkeit, und finden
"sich viele Wiederholungen, bisweilen sogar (besonders gegen das
Ende hin) ganze Verse (so 146b. 147. und 151b. 152., ebenso
4605. 167b., 164b. 166b. u. A. m.). Einen eigenthümlichen
‚Charakter tragen die Wahrzeichen (adhijnänam), welche durch-
weg für die Richtigkeit der Prophezeihung angeführt werden,
und sich theils auf geheime Schäden am Körper des Fragenden
dr 12. 16. 96. 121. 139), theils auf die Richtung seiner Ge-
danken in diesem Augenblicke, theils auf Träume, die er haben
% ird, oder sonstige Ereignisse, die bereits stattgefunden haben
ale noch stattfinden werden, z. B. Streit mit der Mutter, der
rau u. dgl. beziehen. Mehrfach wird auch ein bestimmter
Termin für das Eintreffen der Vorhersagung gesetzt (15. 41.
"87. 149.).
Als Verfasser wird am Schlufs ein Weiser Namens Par
Er
von der Sekte der Jaina angegeben, und überhaupt die ganze
- Kenntnils auf die Jainarishi zurückgeführt. Im Innern des
Werkes ist nichts, was auf einen dgl. Ursprung hinwiese, wenn
Dicht etwa der mehrfache Gebrauch von nirväna v. 38. 56. 95,
freilich nur in seiner abgeblafstesten Bedeutung: Gemüthsruhe,
so wie der Umstand, dafs der einleitende erste Vers die W ahr-
heit verherrlicht, und erst der zweite Vers an die Durgä sich
wendet. Dagegen findet sich, wie bereits bemerkt, Vieles darin,
was den Verfasser entschieden als einen Givaiten kennzeichnet.
Nun bei einem Jaina läfst sich ja Beides vereinigt denken: fin-
den ; ja doch auch zwischen den buddhistischen und den giaiti-
schen Sekten so viele Berührungen statt. Da wir, Schief-
‚ner’s Mittheilungen nach, entschieden eine Schrift ziemlich
166 Gesammtsitzung
desselben Inhaltes in tibetischer Übersetzung bei den Buddhisten
finden, so halte ich es im Verein mit der eignen Angabe unsers _
Textes für wahrscheinlich, dafs das Werkchen eben ursprünglich
von einem Buddhisten herrührte, wie wir ja die Buddhisten
jetzt immer mehr als sehr wesentliche Träger des indischen
Aberglaubens, in Bezug auf Zauberei und all dgl. kennen ler-
nen. Der Name Garga ist in der astrologischen und abergläu-
bischen Literatur bekannt genug, ohne indels für die Abfassungs- Fi
zeit etwas Bestimmtes zu ergeben. — Ganz von dem Bemerk-
ten abgesehen, sprechen übrigens für eine gewisse Alterthüm-
lichkeit unsers vorliegenden Textes noch einige andere, innere
wie äulsere Gründe. Zunächst nämlich datirt die Handschrift
einer bhäshä-Übersetzung davon, die sich in unsrer Chambers-
schen Sammlung (nro. 723) findet, bereits aus dem Jahre samvat
1761 d. i. 4D. 1705 her. Eigentlich ist es indels weniger eine
direkte Übersetzung, als vielmehr eine abgekürzte Bearbeitung
unseres Textes, dem sie sich in den wesentlichen Punkten durch-
aus anschliefst, wie sie auch zu 1.1.2. sich ausdrücklich als Gar-
gäcäryakrita angiebt (die Unterschrift am Schlufs hat irrthüm- #
lich Gangäcärya). Der Schreiber hat dem Texte eine Schach-
brettförmige Vertbeilung aller 64 Würfe vorausgeschickt, die ich
nicht unterlassen will zur bessern Anschaulichkeit hiermit mit-
zutheilen.
1.1.1. |1.1.2. | 1.1.3. 1.1.4. |1.2.1. |1.2.2. |1.2.3. 11.2.4.
1.3.1. |1.3.2. |1.3.3. |1.3.4. 1.4.1: |1.4.2. 11.4.3. 1.4.4.
2.1.1. 2.1.2. |2.1.3. 72.1.4. 2.2.1. |2.2.2. |2.2.3. 12228
2.3.1. |2.3.2. | 2.3.3. j2.3.4. |2.4.1.|2.4.2. 2.4.3. |2.4.4.
8.4.4. |3.1.2.|3.1.3. 13.1.4. |3.2.1.]3.2.2. 13.2.3.) 32,2
3.3.1. |3.3.2. | 3.3.3. | 3.3.4. |3.4.1. | 3.4.2. |3.4.3. | 3.4.4.
"4.1.1. |4.1.2. |4.1.3. |4.1.4.|4.2.1.|4.2.2.|4:2.3. |4.2.4
4.3.1. |4.3.2. |4.3.3. |4.3.4. |4.4.1. |4.4.2. |4.4.3. |4.4.4.
Sodann aber hat auch die Sprache unseres Werkchens man-
ches Eigene und zum Theil wenigstens für ein gewisses Alter
Sprechende. Dahin gehört der Ausdruck horäjnäna v. 6.,
vom 3. Februar 1859. 167
welcher — horä ist bekanntlich aus dem griechischen oa ent-
standen — an die ältere (jätaka-)Periode der Astrologie, ge-
genüber der späteren (täjaka-)Epoche, anschlielst. Eigenthüm-
lich sind die Masculina mitrah 169. und devatän 65., so wie die
Neutra sarnägamam 21., yogaxemam 159. und draoyaläbham
132., falls diese letztern drei nicht etwa einfach Fehler des Schrei-
bers sind. Irregulär ist gävam 52. für gäm, girodaram 121. für
gira-udaram, kärayya 3(wenn ich richtig so restituirt habe). Ein
seltenes Wort ist ägraha 112., ebenso sind präcya 100. in der
Bedeutung von präcina, griyäm Gen. Plur. 44. 69., niräpa 62.
"bemerkenswerth: auch sanmäna 17. 20. 113. 115. ist sonst
nicht gerade häufig. Statt kufumba findet sich durchweg
(wie in den Atharvaparigishta) kutamba 24. 43. 85. 100. 122.:
ebenso (freilich nur einmal) u2saka 145. statt uisuka. Ganz
eigenthümlich ist das neugebildete zriziyatam 155. für tritiyam.
Durch das Metrum (resp. die euphonischen Regeln) geschützt ist
dya 163. statt aya. Ebenso fordert das Metrum, dals wir svu-
‚janaih 24. (und 18.?), nagaram 77., und catushkam 88. zweisil-
‚big, so wie gocitavyam 128. dreisilbig lesen. — Endlich ist auch
die leider nicht datirte Handschrift des Werkchens für ein gewis-
‚ses Alter zeugend, insofern sie theils vielfach noch selbst die ältere
Bezeichnungsweise von e und o, durch den Strich nämlich vor
dem Consonanten, statt des Striches darüber, beibehalten hat,
theils aber auch an andern Stellen durch irrthümliche Heranziehung
dieses Striches (als #) zu dem vorhergehenden Consonanten (so
36.), oder im Gegentheil durch irrthümliche Verbindung von
4 (als e) mit folgendem Consonauten (so 5.) bekundet, dafs
ihr eignes Original noch völlig die alte Bezeichnungsweise hatte,
und zu ihrer Zeit eben durch das Schwanken zwischen dieser und
‚der neuen Methode Unsicherheit herrschte. Sie muls also jeden-
falls wohl mindestens noch aus dem 16ten Jahrhundert stammen,
also circa 300 Jahr alt sein. Von Eigenheiten der Schrift darin ist
sonst noch die vielfache Vertauschung von zh mit gh zu erwähnen,
insbesondere aber die höchst sonderbare Form, welche das kA
in dem Wort duhkha hat, wo es nämlich überall (ausgenommen
v. 117. in dukha und v. 164. in duhkha, wo, ebenso wie durch-
weg in sukha, richtiges k% steht) unter Auslassung des vorher-
168 Gesammtsitzung
gehenden visarga als rk erscheint, daher z. B. in v.170. auch
geradezu durakena mit lingualem n geschrieben wird. Im Übri-
gen ist die Schrift gut und kräftig, jedoch im Ganzen nicht sehr ,
sorgfältig, insofern nämlich aulser vielen andern Fehlern, die |
ich stets in der Note angemerkt habe, vielfach auch ganze Sil-
ben ausgelassen sind, ohne dals der Schreiber es gemerkt hat:
hie und da hat er jedoch selbst dafür die entsprechende Lücke
gelassen. Wo ich es vermochte, habe ich dgl. conjecturell (in
Parenthese) ergänzt. Doch ist mir dies nicht immer geglückt:
auch finden sich sonst noch einige Stellen, wo ich mir keinen
rechten Rath gewufst babe, siehe die vv. 3. 86. 87.131. 132. 165.
Ich hoffe, dafs die folgende Mittheilung des Textes nicht
unwillkommen sein wird.
satyena dhäryate prithvi satyena tapate ravih |
salyena väyavo vänti sarvam satye pratishzhitam UA
om') namo bhagavate küshmämdini sarvakäryaprasä- 1
dhini ?) I
sarvanimittaprakägini ehi 2°) tvara 2 varade 2 hali') 2 d
mätangini’) satyam brühi 2 svähä 121
ganau grihabalim °) datvä päcakädhiväsanäm kritvä”) ravi-
väre®) kumäri’) I
pageäs '9) gueipaftake päcakafälanam kärayya'') te' ?) gu-
bhäcubhara vaktı 31
mahädevam namaskritya kevalajnänabhäskaram |
vaxye ’ham gurunädishfarn jneyarn yatnäd gubhägubham 14
1.1.1. padarn padam (padam) caiva patitah'”) gobhanas tava I |
gubham ca drigyate tatra sarvära(m)bheshu' *) cintitam N5N
') Für v. 2. u. 3. vermag ich kein Metrum herzustellen.
?) bhagavate kü'ni sar°dhinia I °) Die 2 nach diesen Wörtern
bedeutet, dafs dieselben zu wiederholen sind. *) hali als
ein Beiname der Durgä ist mir unbekannt; ist es etwa Feminin
zu hara? etwa um an den Würfelnamen hali anzuknüpfen?
°) gini °) gümhalimkä 7) krivä °) yära °) märi
ohne |! '9) pägcät "') ? käräpya: für kärayitvä?
Is yıte 1 '?) patite '°) sarvarebhe, e in der alten Weise.
vom 3. Februar 1859. 169
samgräme cärthaläbhe ca vyavahäre samägame |
gobhanarn caiva vaktavyarı horäjnänasya cintakair ') 16H
4.1.2. padarn padam dvikam caiva patilä ta(va) kartari ’) I
devadevam prapadyasva ) kä(r)yam anyad vicintaya 7
tvarn käkolükagridhräng ca maxikämagakäns tathä I
tailäbhyaktarn tathä svapne krishnasarpam ca pagyası 81
xudrabhävag ca te citte päpam kritvä na gämyatı |
tatah päpakriyäyogän nä ’rthasiddhis*) taväpyate 119
1.1.3. padamm padam trikag cä’nte cineineh’) erinu tat phalam |
sthäne tathärthaläbhe ca cintä svajanasarngame ULON
elat sa(r)vam avighnena tvam lapsyasi na samgayah 1
vyäti(ta)s te’) ’gubhah kälah klegavattä °) ca te gatä N11
kathayämi bhavaccitte cihnam pratyayakäranam I
vibhävaya vapuh samyak yat kuxau vranam asti te 1121
1.1 4. padam ’) padam catushkarz ca patitä tava karnikä I
kulavriddhikari hy eshä kalyänarı samupastbitam 134
bhümiläbho ’rthaläbhac ca sa(m)ba(n)dhakaranäni ca |
priyasya'°) darcanam caiva putraläbhag ca drisyate 1A
mäsatrayena te läbhar sarvo ’py esha bhavishyati I
kuru bhakti(m) pareshäm ca kuladeväng ca püjaya 151
idam ca te hy abhijnänam vämahaste ’sti te vranam |
daxinena pradegena mandalarn tilakänkitam 116
1.2.1. padarn dvikam padam cä’nte pägake patitas tava I
äsit te bhütapürvarz tu sanmänam pürvajeshv api 1471
sthänaläbhaz svajanair '') sa(m)yogag eintitas tvayä I
dhyätä sampattir arthasya'*)bandhupushfig ca pusbkaläl18U
etat sarvam avighnena bhavishyati sukhävaham I
idarz ca te hy abhijnänam svapne draxyasi kunjarän MI
1.2.2. padam dvikam dvikam caiva vämo'°) ’yam patitas tava |
vittasyärthayase läbharn sthänam sanmäna(m) eva ca 112011
samägamarm taveshzänäm bhavishyati na samgayah |
') eintake *) kattarı °) pupa. *) rghasadvis
®) nih °) lipsasi nam gagayah ?) sti °) ? klesasitä
?) pade '9%) vriyasya '') ein axara fehlt, ob svajanaik
saha? und zwar svajanaiı zweisilbig wie 24. 1£) arghasya
13) ? yäso
170 Gesammtsitzung
mäsena nästi päpam (te), kalyäna(m) samupasthitam 211
sa(m)siddhir sarvakäryänäm drigyate tava samprati |
aträö’rthe cihnam etat te’) mäträ yat kalaho ’jani 11221
1.2.3. padarn dvikam trikam cä’(n)te dundubhiz patitä tava |
käryäntarasya cä’rthasya sarvasiddhir na sammgayak 112311
kufambavriddhir striläbhar svajanair saha bhavishyati”) |
na samdehag ciräd ish/adravyasyä ’rtha(sya)cägamar’) 1241
idam ca te hy abhijnänam kalahas te ’bhavad gribe I
strinimittä taväsic ca*) cintä "ta pa(n)came dine 112511
1.2.4. padam dvikam catushkam ca bhadro’yam patitas”) tava |
bandhünärm samgamo’tag ca xipram eva bhavishyati 12611
sukritam cästi te sädhu naxatram ca gubhä grahä I
sarve kämä bhavishyanti te bhaväniprasädatar°) 1271
idamn ca te hy abhijnänarn bändhavair parimucyase |
tathedam api jäniyä? svapne draxyasi pärthiva(zr) 1281
1.3.1. padarn trikam padam cä’nte drigyate tava dundubhip I
sarvabhadräni jäyante läbhag ca vijayo mahän I12911
putradäreshu te vriddhi(r) drigyate nätra sarıgaya |
sthänarn ca dravyaläbhag ca hridayasya ca nirvritih I3ON
yac ca nash/am vinashfam vä tad api präpsyasi dhruvam |
idam ca'te hy abhijnänamn svapne pagyasi parvatän I3111
1.3.2. padam trikam dvikam cäpi du(n)dubhiz patitä tava |
yat tvayä cintlitazı käryazn tat te xipram bhavishyati 113211
svapne ca svastriyä särdham pritis te’) sarvacobhanä |
mä vishädaparo bhüyä manovänchäm ca lapsyase 113311
1.3.3. padam trikam trikam caiva mathaneh°) grinu tat phalam |
arthanägag”) ca te hy äsid vyädhig cäpi garirajah 113411
taväsid bandhanarz cä’pi, präptavän pränasamgayam |
idam gurutaram käryam kashzenaiva bhavishyati 1351
1.3.4.padam pürvarn trikam madhye catushkarz cä’vasänikam' °) |
ayo’yam'') vijayo näma, tasya vaxyämi cintitam 13611
') etatre 2) shyatim a) Orädish/asyacägamah erste
Hand. Dies ist das einzige Mal wo von zweiter Hand dgl.
Lücken ergänzt sind. *) siccä °) yamyä palitas °) dat-
tah 7) tisne °) maghaneh ?) argha Hy: edel
vasäninyun '') Ayäyam
vom 3. Februar 1859. 171
räjänam mantrinam cäpi desam uddicya kamcana')
decäntaragatä cintä (ta)va cetasi vartate’) 11371
paräjayamn’) ca gatrünäm läbham nirvänam eva ca |
präpsyasi tvazı kramät sarvam manasä yad vicintitam I13811
nägag ca tava nästy eva xinam päpam atah param |
devadevam prapadyasva tata% siddhir bhavishyati 11391
4.4.1. padam ädau catushkag ca padazn caivävasänikam*) I
abhiyogas tvayä dhyäto vyavasäye na samgayah 114011
sarvapidävinirmuktai präps(y)ase mangalarz dhruvam |
saptame divase tubhyam itaf: greyo bhavishyati 11441
1.4.2. padam ädau catushkarn ca dvikamn caivä ’vasänıkam |
dundubhiz patitä tena tava dhänyam dhanam griham 11421
bändhavänärn tathä’rthäya tava cintä ca vartate |
kuzambavriddhip kalyänamı samgamah svajanair saha 114311
bhavishyati na sarmdeho nashzamm ca lapsyase”) dhruvam |
räjagriyäm ca te vriddhir kalyänam sarvasiddhayar 144
idazn ca te hy abhijnänarn kalahas te ’bhavad grihe I
strinimittä ca te cintä svanimittä’pi vartate 114511
4.4.3. padam pürvam catushkam ca trika(m) caivä ’vasänikam |
gaktyä nimittasujnänam°) cintitärthasamägamah 114611
upasthitamm ca kalyänarı kanyälabhag ca dricyate |
abhijnänam idam yatra svapne grämäntaram gatar 114711
' 4.4.4. pada(m) pürvam catushkau’) dvau vrisho ’ya(m pa)tito
’dhunä I
sa(m)pattir sarvakäryänäm dhanadhänyasamägamar 114811
yas tvayä°) cintitag cä’rthak sa ca sarvo bhavishyati I
svapne drax(y)asi devam ca nigäyäm nätra samgayah 114911
2.1.1. dvikam pada(m) dvayam caiva pägake patitam (ta)va I
mahäkäryam idaz citte dharmärtharr cintitam tvayä 1501
bhavishyati sukham nityam priyabandhusamägamaa |
idam ca te hy abhijnänarn yat pacyasi nirantaram 15111
parvatärohanarz svapne varapushpaphaläni ca |
') kimcana *) cintä väcatasimrvattate io) parajayarn
#) catushvacca adam caivanäsıkam °)Jabhyase °)su”nna
gca p 24 m,
"mit Lücke für ein axara. 7) shko °) yaltvaya
172 Gesammitsitzung
ava(t)sä(m)vä savatsämm vä gävam draxyasi')hrisbfabhäk 115211
2.1.2. dvikam padarn dvikam cä’nte patitä tava dundubhia I
grihe vriddhir prajäläbho mitrair saha samägamah 15311
kulavriddhir vivähena hiranyazn sarvasampadan I
bhavishyati tavä ’trä’rthe cihnam gosvapnadarganam 115411
praväsagamanar» citte yat käryamn cintitam tvayä |
kuladevim prapadyasva tatah siddhir bhavishyati?) 115511
2.1.3. dvikam pada(m) trikazn cä’nte dundubhir patitä (ta)va |
dvipade vartate cintä hridi nirvänakäranam l156ll
tasya läbho’sti mäsena bandhuvargasamägaman |
mätaram pitaram caiva bhrätaramm ca sutam tathä 15711
garirena tathärogyam manasä cintitarn tvayä |
pürvajän püjaya xipraz’) püjyasthäneshu samsthitän 1581
etena vihitenä’rtha% sampürnas te bhavishyati I
idam ca te hy abhijnänan rätrau (sva)strisamägamah 11591
2.1.4. dvikam padam catushkag ca‘) bhadro’yam patitas tava |
nimittarn drigyate hy atra yädrigam tädrigam grina 116011
yat te nashfam vä (’pa)hritam — —?) tad aparena tu |
tathä düragatasyä’pı läbho ’pi tava dricyate NN64111
adya svapne°) tvayä drishzä’) devi devakuläni ca |
nadyo jätä niräpäg ca svajanaiı saha samgamah 16211
2.21. dvika(m) dvayamı padam cä’'nte patri ’"yam patitä tava |
idam tritiyakazn varsharn klieyase nä’sti te sukham 116311
tvam cintayase kalyänarı hridaye cärthasamgamam |
vigishzasthänacintäbhyäm tava cittam caläcalam 116411
xinäni tava dupkhäni°) kalyänarn samupasthitam I
idam ca te hy abhijnänam svapne draxyasi devatän 116511
2.2.2. dvikatraye ’tra patite virodhah svajanaik saha I
* amitraih saha sambandho mitraih saha viparyayah l166I1
yä ca te manasac cintä hridaye parivartate |
idam gurntaram käryam äyäso yatra drieyate 116711
2,2.3. dvikadvayazz trikag cä’nte küzo ’yam patitas tava |
idänim agubhe kärye tava cintä ca vartate I16811
') dvaxyasi *) {in °) ? kripra *) kamcca
53 2 axara fehlen noch, ohne Lücke dafür. ‘) svapnarn
7) drishtvä. °) durakäni
vom 3. Februar 1859. 173
parärthe vyavahäras te nästi punyarn tavä') ’dhunä I
drieyate na griyäm läbho vyavasäyena te’'dhunä 116911
tat tyaja prakrityam anya — — °) sarvam vicintaya |
idarn ca te hy abhijnänarn svapne pacyasi durdinam 170
2.24. dvikam dvikam catushkä’nte pragno’)’yam patitas’) tava |
paradärakalaträrthe”) cintä te hridi vartäte 171
bhavato 'trä’cirenaiva nirvedag cägamishyati |
paritäpag ca te bhävi präyacah”) kalahas tathä 117211
atikrä(n)lä ca te pidä kalyinam samupasthitam’) |
E pragäntäni ca päpäni durkhadäni°) sadaiva te 17311
gurubhaktir ato nityarn kuladeväng ca püjaya |
einlitam manasä sarvam yena te saphalam bhavet 117411
2.31.dvikam trikam padam cä’nte patitä dundubhis tava |
apatyadhanasampattir”) xipram eva bhavishyati'°) 17511
2) nägo nä’sti tadaträ’rthe käryam etan mahäphalam I
idam ca te hy abhijnänarn strinimitte kathä kritä 117611
H draxyase cushkavrixam ca svapne günyagrihäni ca |
nagaram janapadarı BAn yet gushkäni'") ca saränsi ca 77
2.32. dvikam trikam dvayam cä ’nte küzo’ yam patilas tava |
i därunamn eintitam karma na ca greyo vilokyate 117811
1% käryasiddhig ca te nästi sukharn cätra na drieyate |
tava'”) cihnam ihä’rthe tu svapne mahishadarganam 117911
>>: dvikam trikadvayarn cä’nte dundubhir patitä tava |
acintyam käranam kimcid ekam utpadyate tava I18011
parakäryagatä() cintä(m) karoshi tvam na samgayah |
tathä te därunam citlam anarthag cintitas tvayä' ’) 811
kura käryäntararr kimeit pürvacıntäm parityaja |
gotradevim prapadyasva tatah greyo bhavishyati 18211
aträ’rthe cihnam etat te vidhäya kalaham grihe I
0 #ato bahir vinirgatya tvam ekah gayitä nigi' ') 831
23.4. dvikam trikam catushkag ca bahulä patitä tava |
a 2:
u") tab ?) ? zwei axara fehlen, ohne Lücke dafür.
Le B praclo *) patibhas °) kalaarthe °) präyasak
7) sthitä °) durakadani. Ob durkhini ca zu lesen? °) dha-
n: '°) shyamti '') gushkäni '?) taba '?) anar-
thamc cintita svayazr '*) gayitonicih
174 Gesammtsitzung L
bahünän siddhir arthänän siddhir xipram bhavishyati 118411
see muhyase tvam muhur muhu ') |
mä bhaishir”) nä’sti te päpamn xipram moxo bhavishyati 118511
Begpee °) draxyasi sim tvarn ca mahisham*) caiva pacyasi \
jale?) prataramänam“) ca svapne ”) Jabdhvä prabudhyası 118611
utlirno durkliakäntäram”) mahä(m)budhis tavä’dhunä |
ärädhaya gucibhaktir pramodät kuladevatäm 118711
2.4.1. dvikam catushkam padam caiva”) vrisho’yam patitas tava |
ä'°) gamane tathä I18811
cintitam präpsyasi e) xiprazn sthänavriddhirm ca lapsyase' y l
pänigrähena Ba te kanyäyä
idarn ca te hy abhijnänam maithunärthe kathä kritä 1891
2.4.2. dvikar pürvam catushkam ca dvikam caivä ’vasänikam |
cirapraväsitänäm' ’) tu sarngamag cintita(s) tvayä 1190
ya(t)ivam cintayase sthänarz gobhanam tan na sarngayah |
cintitas tu tvayä — — In) vinägah kim tu kasya eit I911l
2.4.3. dvikag catushkas tritayam'°) patitär kramaco yadi I
vyädhidurkhavimoxag' °)catadäte sa(m)mukbarz sukhamI1921l
präpya pracintitärtharn ca'”) vinivzittim upadravät |
adhvano gamanäd eva tava läbhas tu dricyate 119311
2.4.4. dvikah pürvamn catushkau' °) dvau vrisho’yam patitas tava |
yat te hridi gatazn kizncid udvegas tatra drieyate 119411
upasthitar» ca kalyünarn hbridi nirvänakärana(m) |
yävat siddhir idänimte tatah greyo bhavisbyati 19511
idarn ca te hy abhijnänamı guhyarn te tilakänkitam |
tatah sarvamı idarn satyarı yan mayä gaditarz tava 19611
3.1.1. trikam padam padarı cä’nte dundubbhiä patitä tava |
sthänaläbhe ’sti te cintä tathä ’dhvagamanam prati 11971
atikräntäni vighnäni sukhara te samupasthitam |
') ttam mukuh *) bheshir °) svapna
par: °) jala °) nämlich mahisham? 7) svapna n
®) duraka. — ? „eine grofse Fluth überschwemmt deinen Schmer.
zenswald.”— Oder ob: °tärän mahäbuddhis tvam adhunä? °) ein
Silbe zuviel! 9) kanyäpyä '') eintatam präpyas
?) yriddhicca lipsyase ‘?) sicitänäm '?) zwei axar
fehlen, ohne Lücke dafür. '°) trinayam '°) dura
ech
) pratimtitärthärz 2) shko
|
3
3.1.2.
3.1.3.
3.1.4.
H
3.2.1.
vom 3. Februar 1859. 175
candikä kuladevi te täm ca püjaya nigcalar 119811
trikam padarn dvikam caiva dundubhiz patitä tava |
manorathäs tathä pürnä arthaläbhag ca drigyate 1199
kufambavriddhir ärogyam bhavishyati tava kramät |
präcyavyädhyupagamärtham' ) daivatärädhanarn kuru 1110011
ya(t) tvam ärabhase karma tasya siddhir bhavishyati |
svapne drax(y)asi gäm tvam ca hayän mattäng ca kunja-
rän’) 1401
trikam padarn trikamn cä’nte pägake patitarm tava |
arthacintä ’sti te citte svabhävamärdave’) 111021
vaira(m) kartuz2 na gaknoshi mitrair api na sevyase |
tvamn sädhug ca mahärthag ca*)tato nacyati te dhanam 110311
pagcät’) bhadräni drieyante dukkhacäntir‘) bhavishyati |
aträ ’rthe tava cihnarn tu kalaho yad abhüd grihe 1110411
trikam pürvam padam madhye catushkam cä’vasänikam |
kalyänagunasampannä gaktir nipatitä tava’) I11O5NN
nirvritim sarvasiddhira ca dhruvam eye hridi |
tat te sarvam kramenaiva dharmabhäjo® ) bhavishyati 1110611
manasä’pi na bhetavyazı gokam ca hridi mä kuru |
kalyäragunasampannar2 mahäkäryam bhavishyati 11107
tathä ca jnänam etat te suvrishtisasyasampadah”) I
tagägini ca ramyäni swapne matsyäng ca pacyasi 11140811
trikam Mika padam cä’nte patitä vishakartari |
etasyäg‘ °)ca phalarz vacmi sävadhänarz tathä erinu' "JNLO9U
svapne'”) pacyasi rätrau ca bahupräkäratoranam |
gandharvanagaräkägyarn te ca tathävidhär' ?) 111101
etan manovirägäya käryarn tava nirarthakam' *) I
mäsam ekam mahäpäpam, anyam artharr vicintaya 1111111
mahäduzkhäni'?) bhavato bhavishya(n)ti nripägrahät I
atah sthänäntararn gacha gighrara yena hi jivasi 1111211
räcya hier wohl = präcina former, ancient. ?) jarät
pracy P f) J
®) zwei axara fehlen ohne Lücke dafür. *) härthazcagca,
‚doch ist des erste ca ausgestrichen. °) pagcäta °) duraka
7) bhava °) dharmabhäjau. s. 52. °) sampadam 19) eta-
'syac
axara fehlen, ohne Lücke dafür. '*) tirarth®. ‘?) durakäni
'') sätadhämna tayä 1?) syapnam 13) zwei
e y pnaz
[1859.] 12
176 Gesammtsitzung
3.2 2.trikam dvikadvayam caiva bahulä patitä tava')
dravyasanmänanägena ”) tavodvega — — — tar’) NAA13yU
atah pararn tu te bandhusamgamärogyavriddhayak I
bhavisbyanti tathä dravyaläbhar kagcana sambhavi 1114411
eintitä räjasanmänasiddhis tasyä’pi sat phalam I
idamn ca te hy abhijnänam maithunärthe kathä kritä 111511
3.2.3. triko dvikas trikag caiva tripadi patitä tava |
saubhägyam kimeid astiha durkham”’)na tu kadäcana 1111611
vairanäco’rthaläbhag ca priyair saha samägaman I
sarvadurkhavimoxag°) ca dricyate tava mänava 1111711
na cedam anyathä’) cintyazn vämä vahati cet°) tava I
idam ca te hy abhijnänarn rätrau priyasamägamaa 1111811
3.2.4. trikam dvikam catushkam ca saphalä patitä tava |
grihe xetre ca vriddhig ca vyavahärena sa(m)padar 111911
yat tvayä manasä dhyätan tat te sarvam bhavishyati I
kimtu ko’pi tavodvegag cintägokag ca bhävy atha 11142011
idam ca te hy abhijnänam sayranam ca girodaram”) |
rätrau ca kalaharn kritvä tvam ekah cayitä'°) nigi 12
3.3.1. trikamn trikam padam cä’nte dundubhin patitä tava |
tena tvazn cintase' ') hyartharı kuzambagrihasampadar 1112211
dhanavriddhir prajäläbho vastraläbhag ca gobhanan I
kuladevim prapadyasva'”) tata% siddhir bhavishyatill12311
avatsärn vä (savatsärn vä) sitä(m) yad vä sitetaräm |
aträrthe cihnam etat te yad gäm svapne ca pagyası 112411
3.3.2. trikadvayarz dvikam cänte pägake patitarn tava |
durkhagilam'°”) ca te cittam tena sarpanti bändhavä 1112511
ya(t) tvam cintayase käryam tasya nästi tavägamah |
anyarn janapadarn gacha tatah präpsyasi vänchitam 1112611
3.3.3. trikänämm tritayam yatra pragne patati nigcitam |
manasa} prärthitär kämäR präpyante tatra sarvadä 1142711
!) taca *) satmäna °) drei axara fehlen, ohne Lücke
dafür. *) 114 Cod. — 113 fehlt in der Zählung, daher auch
im Folgenden bis zum Schlufs die Zahlen des Cod. stets um eins
zu hoch. °) durakam °) sarvadukha ”) caidama-
nyavä °) ? cahati. Ob calati? WVer ist die vämä? °)ciras-udaram
'9) gayito '') für cintayase. '?) dyastra '?) duraka
vom 3. Februar 1859. 177
na cocitavyarn') tvayä bhadra, syät tava pritir uttamä |
; yat tvayä mänasarn dhyätam tat te sarvam bhavishyati 1112811
3.3.4. trikau dvau ca catushkä te mälini patitä tava |
vyavahäragatä cintä mitrabandhusamägamar 111291
sarvadurkhavimoxag”) ca drieyate tava samprati |
bhavishyati na samdehar saphalam tava cintitam 1113011
3.4.1.trikam ädau catushkamı ca padarz caivä’vasänikam |
u tatah süraparä’) cintä hridaye parivartate 1341
bhavishyaty eva bhadrarz te mä vishädarn karishyasi I
saukhyam ca dravyaläbhamn*) ca svajanaik pritir uttamä 1113211
3.4.2. trikah pürvam catushkag ca dvikam caivä 'vasänikam |
tat te parijanapritig cintä ca hridi vartate 1113311
5 sthänavriddhih prajäläbho hridayasyä’pi nirvritir |
yac ca nashfarn vinash/am vä tat te sarvam bhavishyati 134
kalyänagunasampannä prajä läbhag ca drigyate |
idam ca te hy abhijnänam svapne draxyasi pädapän 1113511
3.4.3. trikarn caiva catushkarn ca trikarz caivä ’vasänikam |
® kapafam caiva sambandham prati cintä ’sti te ’dbunä 1113611
suciram tava kälo’yarn klicyamänasya yäsyati I
gatasyägamanazn nä’sti bhadrarz kimein na drigyate 1113711
3.4.4. trikah pürva(zr) catushkau dvau cakafi”) patitä tava |
samastam gobhanam käryazn dhruvam ish/asamägamar 111381
sarvadurkhavimoxag”) ca drieyate tava mänava |
idam ca te hy abhijnänarn savranam yac ca te girah 1113911
4.4.4. catushkam dvau padau prä(n)te patitä yatra dricyate |
arthahänir vapuhpidä vibhramag ca punak-punaA 1114011
äsid, 47) saptamanı varsham jäto ’py artho°) vinagyati |
atikräntä ca te pidä mä vishädarn karishyasi 1114411
atah param ca te bhadram dhanadhänyasamägaman |
upastbitam ca kalyänam bandhubhig ca samägamar 1114211
4.1.2. catusbkag ca padam madhye dvikam caivä ’vasänikam |
strinimittä ca te cintä purushag cä’pi cintitar”) 1114311
—*) dreisilbig zu lesen. *) duraka °) ? ob etwa su-
raparä? *) neutr. ! °) gakate °) duraka 7) äsi-
d °) argho ?) cintatah
12°
178 Gesammtsitzung
artharn pararate') kimceid yäcase na tu?) budhyase I
viväde cä’rthaläbhe (ca) taväyäsag ca drigyate I1144Al
na drieyate phaları ki(n)cid utsakatve’) krite tava |
kimeit kälam pratixasva tata greyo bhavishyati 1114511
4.1.3.catushkarn ca padam madhye dvikarn caivä ’vasänikam |
artharn ci(n)tayase nünam pratishzhä drigyate tava 1114611
praväsagamanam) te syäd ishjair saha samägamah I
artharn ca präpsyasi dhyätam strinimitte kathä’)kritä 144710
4.1.4. catushkädau®) padam madhye catushkarn cä’vasänıkam |
daivänukülyata» sädhu küfo’) ’yam patitas tava 1114811
dvipade vartate”) cintä tasya mäsena sambhava% |
arthägamas tathä bandhusarıyogo mäsamätratap 1114911
garire caivam ärogyam manasä cintitam punah |
tatah sarvam idarn xipram saphaları te bhavishyati 1115011
4.2.1. catushkädau dvikam madhye padam caivä ’vasänikam |
artharn cintayase nünam pratishthä tava drigyate 45111
praväsagamanam — (wie 147) 1115211
etenäpy anumänena gubharz sarvarı bhavishyati I
mätrinäm garanam gacha yena vighnam na jäyate 1115311
4.2.2. catushkam ca dvikau’) dvau tu preshyo’yam patitas tava |
cintä ca te prabhutvärthe däridram vartate grihe 1115411
parakärye niyukto’si mrilyuzn mrigayase hridi |
adya tritiyatarn varshara klieyase' °) nästi te sukham 1115511
anyam'') cet kurushe käryam tac ca te (a)phalam bhavet B
svapnazn pagyasi ghoram ca tasyä'rthenä’vabudhyase 115611
goträcärarato ' *) nityarm kuladeväng ca ptijaya I
gurüräm sevayä sarvä siddhi% sampatsyate tava 157 7
4.2.3. catushkädau dvikam'”) madhye trikam'*) caivä ’vasänikam |
tena te vijayo, läbhak, gatrünäm ca xayas'”) tathä 1115811
dhanaläbho ’rthasampattih svajanaiı saha samgamah |
yogaxemam'°) ca gäntig ca bhaishajyakaranäni ca 11591
‘) argham pararäta °) nanu °) für utsukatve °) pra
väsäg., doch ist das zweite ä getilgt. °) kaptä (kadhä in 152
6) catushvädau ”)ktaro °) vartatte °) dviko '°) kligäs
11) statt anyac! '”) gotrakcära '?) dvaika '*) traikan
'?) ca ridayas '°) neutr.!
vom 3. Februar 1859. 179
gubharn samprati pacyämi päpam pratihatarz tava |
yat tvarn cintayase käryam tat te sarvam bhavishyati 1116011
4.2.4. catushkam ca dvikam madhye catushka(m) cä’vasänikam |
udvegar sumahän') citte sa ca te vidyate ’dhunä 1116111
käryarn gurutaram (kim)eid*) yat tvayä cintitamm’) hridi |
tat sarvarn saphaları viddhi hridayäna(n)dakärana(m) 11621
4.3.1. catushkädau trikam madhye pada(m) caivä ’vasänikam I
esha äyapradhänas*) tu gakazam näma nämatah 1116311
sthänäntaragatänäm tu bandhünä(m) ca samägamanh |
xinäni tava duhkhäni kalyinam samupasthitam 1116411
digyäträyäm dhanam präpya kugalenä’gamishyasi |
parvatärohanazı svapne nagarı präsädam eva ca’) 1116511
4.3.2. catushkädau trikarn madhye dvikam caivä ’vasänikam I
zinäni tava (durkhäni) kalyänam samupasthitam I11661l
sthänäntaramm gatä cintä, bhavitä tatsamägaman |
yat tvam cintayase käryam tat te sarvam bhavishyati 116711
yadartharn ca ivayä dhyätam praväsagamanam prati |
tadartham api sampräpya kugalenägamishyasi 1116811
. catushkarn ca trikau dvau ca märjani patitä tava |
dhanam äsit prabhütam te°) miträ%’) puträg ca bändha-
var 1116911
tato duhkarma durkhena°) xinam etat tu sämpratam |
ata eva manastushfir käryä creyo bhavishyati 1170
rege
ES
[d°)
A3A. catus trikam catushkag ca”) saphalä patitä tava |
4 yac cintayasi maranam tac ca te n#sti sämpratam 1147411
yat tvayä manasä dhyätam amukam me bhavishyati'°) I
tad bhavishyati kälena yat te manası samsthitam 1117211
4.4.1. catushkau dvau padarz cä’nte küfo’yam patitas tava |
E bandhunäcas tathä klegar pidä ca mahati hridi 1117311
£: yasyedarn käryam etasya naxatrarn grahapiditam |
°
Pancaräträni paxam'') ca klicyase nästi te sukbam 1117411
44.2. dvau catushkau dvikam cä’nte vrisho’yarn patitas tava |
r samahän °) gurutaram ” 7 cid, Lücke für zwei (!) axara.
) eitetam *) sollte esho 'yapr. heilsen! °)scil. ägamishyasi?
‚oder lapsyase zu ergänzen? °) 7) mascul. ! °) du-
rakena *) shkamgca '°) nämlich otiti '') parim
180 Gesammtsilzung
käryam ärabhase yatra yatnenä’pi na sidhyati 1117511
äyäso nishphalo jätah sarvo ’pi prakritas tava |
tasmät parityajan pürvam anyam arthamı vicintaya 1117611
4.4.3. dvau catushkau trikag cä’nte väme’yam') patitä tava |
käryam ärabhase yac ca kritayatnarz na sidhyati 11177
pränän parärthe tyajasi sarvathaiva nirarthakam |
anyam artharn vidhehy ägu tatra siddhir bhavishyati 17a
4.4.4.vrishabhäg ca trayo yatra patitäh suvicaxanäh |
yat tvarn cintayase nityam käryam ekarn punah punar 1117911
yat tvam prärthayase xiprarm siddhis te samupasthitä |
proshitägamanarn xipram putraläbhas tathaiva ca 1118011
nashfasyä’rthasya sarvasya gighramm läbho bhavishyati |
ekenaiva”) tu yämena tathaikadivasena ca’) 118111
Jaina äsij jagadvandyo Garganämä mahämunin |
tena svayarn') nigirne’yam satyä pägakakevali 1148211
etaj jnänaza mahäjnänam Jainarshibhir’) udähritam |
prakägyarn guddhagiläya kulinäya jitätmane 1118311
iti gripägäkevali(!) samäptar (!) Il
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur-
den vorgelegt:
Annales de lobservatoire physique central de Russie. Annee 1855. Pe-
tersbourg 1857. 4.
Neue Denkschriften der allgemeinen Schweizerischen Gesellschaft für die
gesammten Naturwissenschaften. Bd. 15. 16. Zürich 1857—58. 4,
Atti dell’ Accademia de’ nuovi Lincei. Anno XI, Sessione 7. Roma
1858. 4.
Atti del! I. R. Istituto lombardo di scienze. Vol. I, Fasc. 11. Milano
1858, 4.
35. Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur,
Breslau 1858. 4.
Jahrbuch der geologischen Reichsanstalt. 9. Jahrgang, n. 3. Wien
1858. 4.
') ? bäyeyam *) ekainaiva °) ? divasetanu
*) staya °) jainashimbhir
hi
vom 3. Februar 1859. 181
3 Würtembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. 15. Jahrgang,
' Heft 1. 2. Stuttgart 1859. 8.
Abhandlungen der naturwissenschaftlich - technischen Commission in Mün-
Ni chen. München 1858. 8.
b Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern. Bern 1856,
} 1857. 8.
Verhandlungen der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. Ver-
sammlung 41. 42. 1856. 1857. 8.
Mnemosyne. Vol. VIII. Pars 1. Lugd. 1859. 8.
Revue archeologique. 15 me annee, Livr. 10. Paris 1859. 8.
Bi Annales de chimie et de physique. Tome 45,no.1. Paris 1859. 8.
Murchison, Siluria. Third edition. London 1859. 8.
de Rouge, Etude sur une stele egyptienne. Paris 1858. 8.
u Lee, Engravings of the ganglia and nerves of the Uterus and heart.
b London 1858. 4.
Cornalia e Panceri, Osservazioni zoologico-anatomiche. Torino
1858. 4.
Reslhuber, Untersuchungen über den Druck der Luft. Linz 1858. 8.
Ephemeris archaeologica. no. 49, Athen 1858. 4. Mit Ministerial-
> rescript vom 29. Jan. 1859.
Oeuvres inedites de Maine de Biran, publiees par Ernest Naville. Tome
4—3. Paris 1859. 8. Überreicht von Hrn. Trendelenburg.
Diario di Francesco Capecelatro, contenente la storia delle cose auvenute
Er ereewen
nel reame di Napoli negli anni 1647 — 1650, messo a stampa dal
Marchese Angelo Granito. Vol. 1—3. Napoli 1850— 1854. 8.
Überreicht von Hrn. Gerhard. ,
Hr. Pertz bemerkte dazu: Dieses bedeutende Buch von einem
d urch mehrere geschichtliche Werke bekannten Gelehrten des 17ten Jahr-
"unter dem Namen des Masaniello bekannt ist. Dals ein solches Werk
urch den Marchese Angelo Granito, Fürst von Belmonte, aus den
andschriften zum Druck befördert worden, müsse als eine sehr er-
nschte Bereicherung unserer geschichtlichen Quellen mit Dank aner-
kannt werden.
ums, d. d. 20. Jan. c., vorgetragen, welches die von der Aka-
demie zur Anschaffung einer Glättpresse für die Druckerei be-
lligten 470 Rthir. genehmigt.
182 Gesammtsitzung
Ferner wurde eine an die Akademie ergangene Einladung
der K. Bayerischen Akademie der Wissenschaften, sich durch eine
Deputation am 28. März an der Feier ihres 100 jährigen Stif-
tungsfestes zu betheiligen, heut dadurch erledigt, dafs die, nach
Beschlufs der Akademie, in jeder der beiden Klassen vorzuneh-
menden Wahlen eines Deputirten erfolgt waren und somit die
Hrn. Ehrenberg und Lepsius, jener für die physik.-mathem.
dieser für die philos.-histor. Klasse, zu Deputirten erwählt wor-
den waren.
Die Academia pontifica zu Rom und die Schweizerische
Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften melden den
E
N
d
Empfang der Abhandlungen von 1855 und 1856, so wie der 4
Monatsberichte von 1856 bis Aug. 1857. Die Naturforschende ö
Gesellschaft zu Bern die der letzteren allein.
10. Febr. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Lepsius theilte einige Abschnitte mit aus einer Ab-
handlung, welche folgende Punkte behandelt:
1. Über die Einführung des Alexandrinischen Kalenders unter
Augustus. i
2. Wiederherstellung des zur Zeit der Ptolemäer aufgestellten
Dionysischen Kalenders.
3. Wiederherstellung des Eudoxischen Kalenders und Bemer-
kungen über die Lage des Schaltjahrs in diesem und andern
Parapagmen.
4. Wiederherstellung der Parapegmen der Ägypter, des De-
mokrit, Euktemon, Kallippus, Hipparch, Ptolemaeus, Caesar,
Varro, Hygin, Columella, Plinius.
5.Über die Jahres - und Tagesbestimmung der Eroberung
Troias und das Verhältnifs des Kallippischen Cyklus zu .der-
selben.
Es kamen hiervon nur der zweite und dritte Punkt zum Vor-
trag. Die Wiederherstellung des Dionysischen Kalenders wurde
nach den Andeutungen, die schon in einer früheren Abhandlung
gegeben worden waren, ausgeführt. Nach einer Übersicht der
vom 40. Februar 1859. 183
Beurtheilungen, welche frühere Gelehrte dem Dionysischen Ka-
lender gewidmet hatten, wurden die vier Fragen näher erörtert,
welche früher nicht beachtet worden waren, deren Beantwor-
tung aber zum richtigen Verständnifs der alten Nachrichten über
den Dionysischen Kalender unerläfslich ist, 1) mit welcher Ta-
gesstunde Ptolemaeus den aegyptischen Tag beginnen liels,
2) mit welcher Stunde der Dionysische Tag begann, 3) wie
sich die überlieferten Dionysischen Daten zu den Juliani-
schen Schaltjahren und 4) wie sie sich zu den Dionysi-
schen Schaltjahren verhalten.
Die erste Frage wurde dahin beantwortet, dals zwar die
Aegypter im gewöhnlichen Leben den Tag mit dem Morgen be-
_ gannen, ein astronomischer Gebrauch aber vorhanden war, nach
welchem der Tag von Mitternacht an gezählt wurde, sich also
gegen die Julianische Zählung nicht verschob. Diesen Gebrauch
führt Plinius an und Ptolemaeus folgt ihm in seinen Datirungen,
wenn diese sich auf die Hipparchische oder nachhipparchische
Zeit bezogen.
In Bezug auf den Dionysischen Tag wurde nachgewie-
‘sen, dals dieser wie bei allen Griechen mit dem Abend be-
_gann, sich also gegen den Aegyptischen Tag um 6 Stunden ver-
schob. Die zu den Dionysischen Beobachtungsdaten gehörigen
Lichttage, auf deren Ermittelung die Vergleichung der verschie-
‚denen Kalender gerichtet sein muls, fallen daher im Alexandri-
nischen und im Julianischen Kalender einen Tag später als die
Tage der Beobachtungen, wenn diese am Abend vor Mitter-
nacht angestellt wurden, bleiben aber dieselben, wenn sie Mor-
gens nach Mitternacht angestellt wurden.
Um das Verhältnifs der Julianischen und der Dionysischen
Schaltjahre zu ermitteln, wurden die 7 Dionysischen Daten aus
sehr verschiedenen Jahren auf die entsprechenden Jahre der er-
sten Dionysischen Tetraeteride reducirt, welche vom Juni 285
vor Chr. bis zum Juni 281 vor Chr. reichte.
Die Einreihung der ägyptischen Daten in die einzelnen Jahre
dieser Tetraeteride setzt es aulser Zweifel, dals die entspre-
chenden Dionysischen Daten, wie sie jetzt gelesen werden, nur
‚zwei Berichtigungen verlangen, indem der 25. Aigon in den 26.,
der 29. Hydron in den 21. zu verbessern ist; ferner, dals die
184 Gesammtsitzung
Monate 30tägig waren und ihnen 5, in den Schaltjahren 6 Epa-
gomenen zugefügt wurden, endlich dals der Schalttag an das
Ende des dritten Jahres der Dionysischen Tetraeteriden fiel.
Der erste Lichttag des Dionysischen Kalenders fiel auf den
27. Juni 285 vor Chr. Auf diesen Tag setzte Dionysius die
Sommersonnenwende und den ersten Tag seines Krebsmonats.
In jedem ersten Jahre der Dionysischen Tetraeteride fiel dann,
nach Lichttagen gerechnet, der 10. Parthenon auf den 4. Sep-
tember, der 22. Skorpion auf den 15. November, der 26. Aigon
auf den 18. Januar. Im dritten Jahre fiel der 21. Hydron auf
den 12. Februar, der 4. Tauron auf den 26. April. Dieses Jahr
war das Dionysische Schaltjahr und der Schalttag fiel auf den
27. Juni. Im vierten Jahre fiel daher der 1. Krebs auf den
28. Juni, der 28. Leonton auf den 24. August. In dieses Jahr
traf der Römische Schalttag, daher der 7. Didymon dem 29. Mai
entsprach, und der nächste 1. Karkinon wieder auf den 27. Juni
fiel. Mit dieser Wiederherstellung des Dionysischen Kalenders
vereinigt sich Alles, was uns über denselben entweder direkt
berichtet wird, oder von ihm aus andern Gründen als nothwen-
dig vorausgesetzt werden muls.
In Bezug auf den Eudoxischen Kalender ging der Vortra-
gende von der Bemerkung des Hipparch aus, dals die Anfänge
der Tbierzeichen nach seiner eigenen Eintheilung des Himmels
den Mitten der Zeichen nach der Eintheilung des Eudoxus ent-
sprachen. Es wird uns von Plinius berichtet, dals Eudoxus sein
Jahr mit dem Aufgange des Sirius begann. Es wurde gezeigt,
dals die Sommerwende zur Zeit des Eudoxus auf den 28. Juni
fiel und daraus gefolgert, dals das Eudoxische Neujahr weder auf
den 4. Alexandrinischen Mesori fallen konnte, auf welchen — weil
auf diesen Tag der Siriusaufgang unter dem Parallel von Khodus
und Knidus, des Eudoxus Heimath, traf, und Eudoxus auf densel-
ben Tag nach Ptolemaeus den Anfang der Opora ansetzte — ldeler
das Neujahr legen zu müssen geglaubt hatte, noch auf den 27.Krebs
—= 23. Juli, auf welchen Eudoxus nach Geminus den Aufgang des Si-
rius (nämlich wie zu vermuthen in Heliopolis) gesetzt hatte. Es
wurde vielmehr nachgewiesen, dals Eudoxus sein Neujahr auf den
ägyptischen Siriusaufgangstag, den 20,19. Juli gesetzt habe. An
diesem Tage begann daher nach Eudoxus der Löwenmonat, wel-
vom 40. Februar 1859. 185
- cher ihm wie den alten Ägyptern der erste des Jahres war. Es
ging daraus zugleich mit Nothwendigkeit hervor, dals Eudoxus am
Ende seines Jahres, wie noch der später lebende Dionysius und
ohne Zweifel vor ihm die Ägypter thaten, 5, in den Schaltjah-
ren 6 Epagomenen zufügte und seine Monate 30 tägig waren.
wohl die Ansätze des Eudoxischen Kalenders bei Hipparch als
j
; Es wurde hierauf gezeigt, wie nach dieser Konstruktion so-
die übrigen Nachrichten der Alten über denselben zu erklären
%
sind, wie sich namentlich aufser den 15ten Graden für spätere
Zeit auch die von Andern erwähnten 12ten Grade, so wie, durch
_ die Anwendung des Hipparchischen Sonnenlaufs auf den Eu-
- doxischen Kalender, auch die 8ten Grade, auf welche die Eu-
doxischen Kardinalpunkte nach Columella gefallen sein sollten,
_ erklären. Endlich wurde auch die Angabe im Geminischen Ka-
lender, dals die Eudoxische Winterwende auf den 4. Steinbock,
die Frühlingsgleiche auf den 6. Widder, also 91 Tage später,
gefallen sei, mit Berücksichtigung einer Verschiebung zweier
Geminischen Monatslängen gegen Hipparch, ganz im Einklange
damit gefunden, dafs Eudoxus die Sommersonnenwende auf den
28. Juni, Geminus aber, welcher mit dem Eudoxischen Jahresan-
fang nichts zu thun hat, auf seinen oder des Kallippus 1. Krebs
= 27. Juni ansetzte.
Eine Vergleichung der Eudoxischen Episemasien im Gemi-
nischen und Ptolemäischen Kalender hatte ferner gelehrt, dafs
auch diese im Wesentlichen unter sich und mit der aufgestell-
5
men. Eine auf diese Erörterungen begründete Vergleichungs-
_ ten Wiederherstellung des Eudoxischen Kalenders übereinstim-
tafel des ursprünglichen und des übertragenen Eudoxischen Ka-
lenders mit denen des Hipparch, des Ptolemäus, der Alexandri-
ner, des Columella u. a. wurde vorgelegt.
© Endlich wurde die Wahrscheinlichkeit zu begründen ge-
sucht, dafs nicht nur der altägyptische, der Dionysische, der
Alexandrinische und der ursprüngliche Julianische Kalender, son-
dern auch der Eudoxische und alle übrigen bedeutenderen Ka-
lender jener Zeit, mit Ausnahme des Augustischen jetzt vorzugs-
weise Julianisch genannten Kalenders, den Schalttag der vier-
: jährigen Periode sämmtlich in den Jahren zufügten, welche den
_ Julianischen Schaltjahren vorausgehen, ohne Rücksicht auf die
186 Gesammtsitzung
verschiedenen Epochenjahre, auf welche die meisten dieser Ka-
lender zurückgegangen zu sein scheinen. In dieser Voraus-
setzung wurde zugleich eine Vermuthung über das Epochenjahr
des Eudoxischen Kalenders aufgestellt und mit der Stelle des
Plinius über den Anfang des Eudoxischen Lustrum in Verbin-
dung gesetzt.
Hr. Böckh bemerkte nach diesem Vortrage, dafs er sich
in letzter Zeit gleichfalls eingehend mit den Kalendern des Dio-
nysius und des Eudoxus beschäftigt habe und in Bezug auf die
vorgelegte Wiederherstellung des Dionysischen Kalenders völlig mit
Hrn. Lepsius übereinstimme, in Bezug auf die des Eudoxischen
aber abweichender Ansicht sei, indem er in demselben weder
das Vorhandensein von Epagomenen, noch den Beginn mit
dem Ägyptischen Siriusaufgange am 20/19. Juli zugeben könne,
vielmehr, gestützt auf eine dem Vorredner nicht zugänglich ge-
wesene Quelle dem Eudoxus Zodiakalmonate von verschiedener,
auch von Hipparch abweichender Länge zuschreiben und den
Eudoxischen Jahresanfang auf den 21. Juli (vom Abend ab) le-
gen müsse.
Hierauf erwiderte Hr. Lepsius, dafs ihm namentlich die
Hipparchischen Angaben jede andere Anordnung des ursprüng-
lichen Eudoxischen Kalenders auszuschliefsen scheinen, dafs aber
der Eudoxische Kalender, welcher, wie gezeigt worden, aus
den Angaben des Geminischen Kalenders (4. Steinbock und
6. Widder) hervorgehe, von ihm für einen abgeleiteten gehal-
ten werde. r
Hr. du Bois-Reymond legte eine vorläufige Mit-
theilung über die chemische Reizung der Muskeln
und Nerven von W. Kühne, d. d. Paris den 5. Februar
1859, vor.
Ein Muskel verfällt in Zuckungen, wenn sein Nerv der
Einwirkung eines chemischen Körpers ausgesetzt wird, welcher
in bestimmter Weise zerstörend auf die im normalen Zustande
befindliche Substanz desselben wirkt. Nach der Untersuchung
des Hrn. Eckhard sind dazu besonders geeignet: die Lösungen
vom 10. Februar 1859. 187
‚der Alkalien, die unorganischen Säuren, eine Anzahl neutraler
Salze und gewisse organische Körper. Was sich ereignet, wenn
dieselben Körper den Muskel direct treffen, ist unbekannt, und
die nachfolgenden Versuche dürften daher geeignet sein, in die-
ser Beziehung eine Lücke auszufüllen. Eine grofse Zahl chemi-
scher Körper ergreift den Muskel der Art, dafs es unmöglich
ist zu entscheiden, ob dem eingetretenen Zustande der Starre
eine Zuckung vorausging, weshalb es in diesem Falle geboten
ist, die Reizung nur an einem Theile der Muskelfaser vorzu-
nehmen, während der von dem angewendeten Erreger unbe-
rührt gebliebene Abschnitt beobachtet wird. Um dieser An-
forderung zu genügen, bedienten wir uns des Muse. sartorius
Cuv. des Frosches und zwar in der Art, dals wir den oberen
Querschnitt dieses aus einer Vereinigung fast parallel neben ein-
ander verlaufender Primitivbündel bestehenden Muskels, also
Einen Theil sämmtlicher Fasern gleichzeitig, mit der zu unter-
suchenden Flüssigkeit benetzten. Hat die letztere die Eigen-
schaften eines Erregers, so antwortet der Muskel darauf mit
einer einmaligen über seine ganze Länge verlaufenden Zuckung.
2
x
’
ar
Die so erhaltenen Resultate sind folgende:
4. Während die Mineralsäuren z. B. die Salzsäure oder die
Salpetersäure nur bei einem Gehalte von 20 bis mindestens
41 Theilen der wasserfreien Säure in 100 Theilen Wasser
in dem Nerven den Zuckung erregenden Vorgang auslösen,
bewirken dieselben bei directer Application auf den fri-
schen Querschnitt der Muskelfaser noch eine einmalige kräf-
tige Zuckung, wenn ein Theil der Säure mit 1000 Thbeilen
Wasser verdünnt angewendet wird. Destillirtes Wasser da-
gegen erzeugt niemals Zuckung bei momentaner Berührung
mit dem Muskelquerschnitt.
2. Die Alkalien verhalten sich nahezu gleich gegen den Mus-
kel wie gegen den Nerven, mit dem einzigen Unterschiede,
dals durch eine wässrige Lösung derselben von 0,1° . leich-
ter Zuckungen erhalten werden können, wenn man den
Nerven als wenn man den Muskelquerschnitt damit benetzt.
Lösungen von 0,2° , erzeugen aber jederzeit auch bei di-
recter Reizung Muskelcontractionen.
188
3.
Gesammitsitzung
Das Ammoniak ist in keinem Concentrationszustande ein
Erregungsmittel für den Nerven, während ‘der Muskel selbst
noch die geringsten Spuren von Ammoniakdämpfen in der
Atmosphäre mit erstaunlicher Sicherheit durch heftige Zuckun-
gen anzeigt. Es kann nachgewiesen werden, dals alle
Zuckungen, welche bisher nach Benutzung des Nerven mit
Ammoniak beobachtet wurden, von der directen Einwirkung
des flüchtigen Körpers auf den ungeschützten Muskel her-
rührten.
. Die Salze Chlornatrium, Chlorkalium und Chlorcalcium wir-
ken in concentrirter Lösung zwar sowohl auf den Muskel
als auf den Nerven, bei einer gewissen Grenze der Ver-
dünnung aber zeigen sie sich nur noch bei der directen
Muskelreizung wirksam.
Die Metall-Salze wirken meist nur zerstörend auf den Ner-
ven, ohne Zuckungen in den davon versorgten Muskeln zu
erzeugen. So erregen Lösungen von neutralem und ba-
sisch-essigsaurem Bleioxyd, so wie von Eisenchlorid oder
schwefelsaurem Kupferoxyd, einerlei, welches auch ihre Con-
centration sei, niemals vom Nerven aus Zuckung. Umge-
kehrt verhalten sie sich bei directer Application auf den
Muskel. Eine Lösung von CuO0S0? zeigt sich in diesem
Falle selbst noch bei einem Gehalte von nur 4° „ wirk-
sam.
Aulserordentlich verschieden gegen beide Organe verhalten
sich die organischen Säuren. Die Essigsäure wirkt nur sehr
concentrirt angewandt auf den Nerven, ist aber als directer
Reiz noch in grolser Verdünnung ein Erreger für den Mus-
kel. Andere Säuren, wie z. B. die Oxalsäure, erzeugen nie-
mals Zuckungen, bei keiner Art der Reizung. Säuren,
welche, wie die Milchsäure in concentrirtem Zustande we-
gen ihrer dickflüssigen Beschaffenheit verschiedene thierische
Membranen mit merklich veränderter Geschwindigkeit durch-
dringen, verhalten sich auch demgemäls verschieden zu dem
mit zäher Flüssigkeit gefülltem Nervenrohre und zu dem der
Imbibition äulserst fähigen Muskel. So erzeugt die con-
centrirte Milchsäure niemals von dem Muskelquerschnitt aus
Zuckung, die dagegen augenblicklich eintritt, wenn sie sei-
vom 10. Feöruar 1859. 189
men Nerven ergreift. Wird die Säure nur mit ihrem hal-
ben Volum Wasser verdünnt, so verliert sie alle erregende
Wirkung für den Nerven, beginnt aber nunmehr dieselbe
auf den Muskel zu entfalten, so dals sie selbst noch in
20facher Verdünnung als directer Muskelreiz betrachtet wer-
den kann.
7. Körper, welche einen nachweisbaren Einfluls auf die im
E} Nerven enthaltenen Fette ausüben, wie das Glycerin, er-
Be zeugen durch die Bahn des letzteren den heftigsten Teta-
| nus. Nur das ganz concentrirte Glycerin, das für den Mus-
kel ohne erregende Wirkung ist, zeigt diesen Erfolg; bei
der Verdünnung desselben mit Wasser wiederholt sich die-
r selbe Erscheinung, wie bei der Milchsäure, indem nur die
verdünnteren Lösungen allein bei directer Reizung den
er Muskel erregen.
8. Einige Bestandtheile des Thierkörpers selbst, wie die Galle,
4 oder das daraus dargestellte Alkalisalz der Glycocholsäure
erregen Zuckungen bei der directen wie bei der indirecten
H Muskelreizung. Der Nerv bedarf einer Lösung des gallen-
4 sauren Natrons von mindestens 6 °/,, um dadurch in den
i erregten Zustand zu verfallen, während Lösungen von 1°/,
7 noch vom Muskelquerschnitt Zuckungen bewirken.
5 9. Flüchtige organische Körper, wie der Alkohol, der Äther
E und das Chloroform nähern sich bereits den völlig indifie-
- renten Substanzen. Obgleich der Muskel sowohl, wie der
Nerv sehr rasch ihre normalen Eigenschaften darin ein-
F bülsen, gelingt es doch nur unter besonders günstigen Ver-
= hältnissen Contractionen damit hervorzurufen.
40. Kine grolse Zahl von Körpern, welche für das lebensvolle
> Bestehen der beiden Organe keineswegs günstig sind, be-
wirkt niemals Contractionen der Muskeln, einerlei ob sie
direct oder indirect angewendet wurden.
Bei den mitgetheilten Versuchen geschah die Wahl der che-
u uskeln und Nerven kein Mittel an die Hand giebt, vorher auf
gekehrt darf man aber jetzt wohl annehmen, dals die Muskeln
und Nerven grade in ihrem physiologisch wesentlichsten Theile
190 Gesammtsitzung vom 10. Februar 1859.
auch eine sehr grofse chemische Verschiedenheit darbieten, welche
eben in der grolsen Abweichung der Erfolge nach directer oder
indirecter Erregung mittelst qualitativ verschiedener Reize ihren
besten Ausdruck findet. Dieselbe Anschauung führt gleichzeitig
zur Annahme einer selbständigen Reizbarkeit der Muskelfaser,
welche vielleicht dadurch noch wahrscheinlicher gemacht werden
kann, dafs die Erregbarkeit der mit Nerven untermischten con-
tractilen Substanz gegenüber chemischen Reizen dieselbe bleibt,
wenn der grölsere Theil aller motorischen Nerven durch Wu-
rali leistungsunfähig gemacht wird. Alle für die directe che-
mische Reizung aufgeführten Thatsachen gelten ebenfalls für die
Muskeln solcher Frösche, welche mit Pfeilgift vollständig ver-
giftet waren und bei denen jede Art der chemischen Einwirkung
auf den Nerven für den Muskel gleichgültig blieb. Auch hier
verliefen die Zuckungen, trotz der localen, auf den Querschnitt
beschränkten Reizung, über die ganze Länge der Fasern.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Gelehrte Anzeigen. Band 47. München 1858. 4.
Abhandlungen der historischen und malh.-physikalischen Klasse der Bay-
rischen Akademie der Wissenschaften. München 1858. 4.
Bischoff, Johannes Müller und sein Verhältnis zum jetzigen Stand-
punkt der Physiologie. München 1858. 4.
Neumann, Reisen des Johannes Schiltberger aus München in Europa,
Asia und Africa. Nach der Heidelberger Handschrift. München
1859.
Die Ereignisse in Ostasien. (Augsburg 1859.) 8.
Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge.
Band 1. 2. 3,1.2. Kronstadt 1853—1858. 8.
Chronicon Fuchsio-Lupino- Oltardinum; ed. Trausch. Pars 1. 2, Co-
ronae 1847—1848. 4.
Hintz, Geschichte des Bisthums der griechisch-unirten Glaubensgenossen
in Siebenbürgen. Hermannstadt 1850. 8.
Bielz, Fauna der Wirbelthiere Siebenbürgens. Hermannstadt 1857. 8.
Programme der Gymnasien zu Hermannstadt und Mühlbach. 1854—58,
4. (Acht Stück.)
American Journal of science. Vol. XXVI, no. 78. New Haven 185 8. 8
Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 14. Februar 1859. 191
Bulletin de scances de la socield vaudoise des sciences naturelles. Tome
» &
m V. Lausanne 1858. 8,
Br Catalogue de la Bibliotheque de la societe des sciences naturelles. Lau-
SM sanne 1858. 8.
Bulletin de la societe geologique de France. Dez. 1858. Paris 1858. 8.
d’Avezac, Les voyages d’Americ Vespuce. Paris 1858. 8.
wi
% = hu
N
Pictet, Essai sur quelques inseriptions en langue gauloise. Geneve
E 1359. 8.
R Angelini, Degli studi archeologici del P. Giampetro Secchi. Roma
Pr 1858. 8.
" Drach, On the Statistics of marriages in England. (London 1859.) 8,
Bulletino archeologico napolitano. Anno VI, no. 1—16. Napoli 1857—
1858. 8.
Plantamour, Observations astronomiques faites d lobservatoire de
Geneve dans les annedes 1851—1852. Geneve 1853. 4.
Itesume meteorologique de l’annee 1857. Geneve 1858. 8,
Note sur la comete de Donati. (Geneve 1858.) 8.
44. Februar. Sitzung der philosophisch-hi-
storischen Klasse.
Hr. Kiepert hielt einen Vortrag über die geographi-
sche Stellung der nördlichen Länder in der phöni-
kisch-hebräischen Erdkunde.
4 Das durch die genealogisirende Form seiner Anordnung in
der ganzen alten Schriftwelt einzige Verzeichnils von Länder-
ind Völkernamen, welches, wie es scheint erst des letzten Be-
arbeiters ordnende Hand an der Spitze der hebräischen Urge-
_ *) Abgesehen von dem für seine Zeit bewunderswürdigen Bochart
eigentlich nur Tuch (1838), wogegen Rückschritt zu früher mit Recht
13
192 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
für die geographische Seite der Untersuchung befriedigenden
Ergebnisse gelangen. Für die Geschichte der Erdkunde aber h
erhält, abgesehen von allen ethnographischen Speculationen, jenes
Verzeichnils, welches uns den Umfang altsemitischer Länder-
kenntnils für eine, dem Beginn griechischer Aufzeichnung weit
vorausliegende Zeit vergegenwärtigt eine erhöhte Bedeutung durch
die naheliegende und von den meisten neueren Exegeten ausge- |
sprochene Vermuthung eines wenigstens theilweise phöniki-
schen Ursprungs, wo nicht einer gänzlichen Entlehnung
aus phönikischer Quelle?), so dals wir in diesem Documente
und der Weise seiner Anordnung eines der wenigen bis auf uns
gekommenen Fragmente der durch die Ungunst der Zeiten fast
völlig untergegangenen Wissenschaft jenes merkwürdigen Cul-
turvolkes, der Vorgänger und Lehrer der Griechen auf dem Felde
praktischer Länderkunde zu erkennen hätten. Vielleicht gelingt
es diese Vermuthung der Gewilsheit um ein grolses näher zu
bringen durch den in den bisherigen Untersuchungen vermilsten
Erweis einer streng geographischen Anordnung. Ist von vorn-
herein zuzugeben dafs eine solche kaum denkbar wäre ohne das
Hülfsmittel einer wenn auch noch so rohen, doch die ein-
fachsten durch Erfahrung festgestellten geographischen Thatsachen
im Bilde verauschaulichenden Kartenzeichnung, so berechtigt uns
der zufällige Mangel bestimmter Zeugnifse durchaus nicht, einem
schon in so früher Zeit ausgedehnte Seeschiffahrt betreibenden,
durchaus praktisch erscheinenden Volke den frühen Gebrauch
jenes nothwendigen Hülfsmittels abzusprechen, vielleicht, wie
wir in folgendem darzuthun gedenken, nur wenige Jahrhunderte
freilich weit überboten durch die unglaublichsten Verirrungen bei Sören-
sen(1851)auf der hyperkritischen, wie bei Görres (1845) auf der aucto-
ritätsgläubigen Seite.
?) Auf ägyptische Weisheit zurückzugehen müssen natürlich
aulser den älteren (Bochart, Michaelis u. A.) diejenigen vorziehen, die
auch heut zu Tage von mosaischer Autorschaft träumen. Der das andere
Extrem vertretende Anachronismus Sörensen’s der die vollständige
Entlehnung aus fremder Quelle zugebend, eine solche in dem (um
250 v. Chr. griechisch geschriebenen) Werke des Babyloniers Be-
rosos zu finden glaubt, wird schwerlich einen Vertheidiger finden.
vom 14. Februar 1859. 193
_ früher, als wir bei den Griechen, auf diesem Felde sicher nicht
‚den ersten Erfindern, den Gebrauch von Erdkarten finden.?)
Vorzüglich wichtig jedoch bisher noch am wenigsten be-
nutzt erscheint für beide Fragen: Ursprung wie Alter der
_ Urkunde, die Ausmittelung der unter dem Namen Japhet als
“nördlicher Erdgürtel zusammengefalsten, ungeachtet ihrer wieder-
_ holten Erwähnung in Beziehung zu historischen Thatsachen bei
den späteren Propheten schon früh aus der lebendigen Kennt-
_ nils entschwundenen und daher milsverstandenen Ländernamen.
Die Hauptgebiete des südwestlichen Asiens und nordöstlichen
Africas (die Erdtheile Sem und Ham) nennt die alte Urkunde
_ mit ihren uralten allgemein semitischen, im ganzen Orient wohl-
Wie
_ verstandenen, zum Theil auch zu den ersten arischen Eroberern,
den Persern übergangenen und selbst den Griechen nicht ganz
unbekannt gebliebenen Namen.*) Die diesen Hauptgebieten als
zweite und sogar dritte Glieder untergeordneten kleineren Land-
schaften oder Volksstäimme aber, in andren AT. Schriften kaum
shi, entziehen sich bis auf wenige in griechischen oder ara-
"bischen Quellen sicher erkennbare vielleicht auf immer jeder
‚sichern Deutung und gewähren auch bei dem Mangel an Be-
richten über die Völkergeschichte jener Gebiete keine histori-
*) Zu dem auf beiliegender Karte enthaltenen Versuch einer unge-
fähren Herstellung der alten phönikischen oder, wenn man lieber will, alt-
semitischen Erdansicht bieten für den Westen und Norden allerdings die
in folgendem zu besprechenden Stellen der Propheten aulser der Reihen-
folge der sog. Völkertafel selbst die einzige Richtschnur; für den Osten
und Süden ist nach dem Vorgange Bertheaus (die der Beschreibung des
Paradieses zu Grunde liegenden geographischen Anschauungen, in den Göt-
tinger Studien 1847), dessen Annahme allein unter allen einen befriedigenden
Zusammenhang auch mit späteren orientalischen Erdansichten herstellt, eine
Combination mit den vielleicht erst einer späteren Zeit angehörıgen An-
gaben von Gen. c. II. versucht worden.
*) Kusija, Mudraja, Pautija der Inschriften des Dareios =
füs, Misraim, Püt des A. T. gegenüber Aiftonia, Alyumros (Meoronia
us oriental. Quellen nur bei den Chronographen) Aıßyn; für A’nasan
& = Powian bei Steph, Ardm ’Apauaioı = Bupoi bei Strabon; aber Lüd,
Assür, ?Elam = Avdia, ’Acoupia, "Erunaks, letzteres wenigstens als Theil
eben Kıociz und Zovssay.
132
194 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
schen Anhaltspunkte; nur der Mangel eines schon bei Jesaja
vorkommenden allgemeinen Volksnamens wie ;4rab statt der
ismaelitischen und jogtanitischen Stammnamen, so wie die Nicht-
erwähnung von Paras(Persien, schon bei Ezechiel) und Bade,
sind mit Recht schon von andern Erklärern als Beweise für ein
höheres, der blühenden Zeit des Assyrerreiches näher stehendes
Alter der Tafel geltend gemacht worden.
Anderer Art sind die Schwierigkeiten welche uns bei Be-
trachtung der nördlichen Reihe von 14 Namen (in der ge-
nealogischen Form der Tafel 7 Söhnen und 3+ 4 Enkeln Ja-
phets) entgegentreten; indem selbst unter den 7 Hauptnamen \
nur zwei — Madai und Javan — in ihrer historischen Be-
deutung völlig unbestritten, zwei der Unterabtheilungen (die Ja- $
vansgeschlechter Tarsis' und Kiti/m) ihrem Sinne nach in
andern Stellen des A. T. gesichert sind, nicht ohne dafs für -
unser Capitel von manchen Erklärern eine Ausnahmsbedeutung
hineininterpretirt wäre; von den übrigen zehn Namen sind aller-
dings nur drei ame sion eva (Riphath, Rodanim, Tiras):
wenn aber die übrigen auch in einzelnen prophetischen Stellen
besonders bei Ezechiel wiederkehren, so werden sie nur allge-
mein als nördliche Länder bezeichnet und bei dem Mangel ge-
nau entsprechender Namen in der griechischen Länderkunde der
specielleren Erklärung ein weiter Spielraum gelassen, der bereits
seit alter Zeit möglichst benutzt worden ist, um mit den alt-
überlieferten Namen den fortwährend erweiterten Kreis positi-
ver Länderkunde möglichst auszufüllen. Finden wir dies Bestre-
ben bei Josephus schon auf südasiatischem Boden, in der
dann von allen folgenden jüdischen und christlichen Erklirern.
angenommenen Verpflanzung der jogtanitischen Stämme aus
Südarabien nach Indien,’) so bot der Norden und besonders das
°) Veranlafst offenbar durch die Aufzählung von Ophir und H’avilah
unter den jogtanischen Gebieten, nicht weniger aber auch durch das Streben,
jenes äulserste östlicheWunderland, die Nachbarschaft des damals schon (ab-
weichend von der Anschauung der Propheten) am Ostrande derErde gedach-
ten Ausgangspunktes der Menschheit, des verlornen Eden, dem bevorzug-
ten Geschlechte S’em’s zu sichern: daher in jüdischen Kosmographien,
wie im Jubiläenbuche ganz Indien als östlicher Theil ZZlams im Ge-
biete Sem’s untergebracht.
vom 14. Februar 1859. 195
| dem hebräischen Alterthum kaum in seinen südlichsten Umrissen
zur unsichern Kunde gekommene Europa einen fast überflüssigen
Raum um die dem lebendigen Volksgebrauch verloren gegange-
nen unverstandenen Namen, als angebliche Urstämme der später
in den Kreis der Culturwelt eingetretenen Nationen unterzu-
bringen — ein unkritisches Verfahren, das von den Kirchenvä-
tern und gelehrten Rabbinern weiter ausgebildet, leider auch
jetzt noch nicht aufgegeben ist, wie u. a. der neueste ausschliefs-
lich die Völkertafel behandelnde Commentar von Knobel (Gie-
(sen 1850) beweist. Das zu diesem Zwecke mitunter schon von
den Alten, weit umfangreicher aber von neueren Bearbeitern
ausgebeutete Mittel, die Vergleichung oft nur scheinbar ähnli-
‚cher Namen °), ist natürlich nicht allein das leichteste, sondern
auch unzuverlässigste, und der Mifsbrauch desselben hat ebenso
natürlich die verschiedenen Erklärer zu unglaublich weit ausein-
‚anderliegenden, meist sich untereinander widersprechenden, dabei
gleichwohl in einzelnen Fällen (Gomer, Riphath, Elisah)
sich in der am wenigsten wahrscheinlichen Deutung vereinigen-
den Ergebnissen geführt — die inneren Widersprüche solcher
Erklärungen, die weitentlegene Länder (z. B. Gallien, ja Britan-
nien) als bekannt voraussetzen, während sie weit näherliegende,
"viel eher als gekannt vorauszusetzende (z. B. Italien und Sici-
lien) in Verlegenheit um passende Namen ganz übergehen, sprin-
gen am deutlichsten in die Augen wenn man sich die kleine von
den Autoren selbst mit Unrecht vernachlässigte Mühe nimmt,
‚sie der Karte einzuordnen. Zur Innehaltung einer geogra-
phischen Reihenfolge aber hätte schon die Einsicht führen
sollen, dals dasselbe Princip in der Tafel auch für die Aufzäh-
zählung der semitischen und der hHamitischen Länder mals-
‚gebend gewesen ist: dals die 5 Söhne Sems von ?Elam bis
Aram im Grolsen und Ganzen eine Reihe von Osten nach
F'
% ©) Rein aus dem Gleichklang errathen und ohne alle Auctorität sind
‚bei Josephus offenbar ’EXıc# = Aioreis, Mo06x = Malaxa, Oupceis = Tap-
05, Pour — Bourns morauös ns Maupay Yuoas, T'’adepos = Baxrpıavoi, Mycds—
= vielleicht auch ©ößrAos —="Ißnpes, Osias = Opärss, Zaußabk; =
Aoraßapar, Anbafiöns=Xardaic, ebenso bei Synkellos OußaA=O®ersunrci, bei
Hieronymus Caphthor=Cappadocia, im Jubiläenbuch Tiras=tyrsen. Meer.
196 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Westen bilden®), hat schon Bochart richtig gesehen, — aber
dieselbe Ordnung scheint auch für die vier hamitisch en Haupt-
namen zu gelten, von denen K’na}an als Standpunkt des Verf.
die Reihe schliefst, ohne dals, wie die geographische Nachbar-
schaft erwarten liefse, Ägypten sich ihm unmittelbar anschlöfse,
vielmehr bezeichnet die Stellung des äulsersten Westlandes Püz
zwischen jenen beiden und die deutliche Beziehung des ersten
Namens KXüs auf den äufsersten Südosten des Erdkreises (wo
alle Söhne des Küs’, theils in Südarabien, theils in Indien zu
suchen sind) wenigstens die Folge der ersten drei Namen als eine
der semitischen Reihe parallele. Liefse sich eine analoge Folge
der Aufzählung auch für die japhetischen Namen wahrschein-
lich machen, so würde die Unbhaltbarkeit vieler bisherigen An-
nahmen sofort einleuchten und die Erklärung in gewisse nicht
zu überschreitende Grenzen eingeschlossen sein. Indels über-
zeugt uns ein Blick auf die uns überlieferte Namenreihe: in ihrer
genealogischen Form
JS ArPEHFR:T
a Tester _ \_______ „noeeuepiiiiiREEBNBEEBBEERBeT
1 Gomer 2 Magög 3 Madai 4 Javan 5 Tubal 6 Mesehkh 7 Tiras
a As’kenaz b.ltiphath c.Togarmah a.Elis’ah b.Tars“is‘ e.Kıttim d.D(R)odanim
in deren 3 und 4 Hauptgliede wir die Ost- und Westgrenzen des
den Bewohnern Kanaan’s bekannten Nordens: Medien und die
griechischen Küstenländer (denen sich das äufserste WVestland
Tarsis‘ —= Spanien unterordnet) unmittelbar nebeneinandergestellt
finden, dafs hier keine so einfache Reihe, wie bei den Gebieten
des mittleren und südlichen Erdgürtels vorliege’): eine solche
°) Dals das in der That westlichste Land, Lüd, (Lydien) nicht am
Schlufs der Reihe, sondern vor Aram (Syrien) steht, hat man mit der Ab-
sicht eines geographischen Anschlusses an den Standpunkt des Verfassers,
K’na3an, motivirt; es mag aber auch für die alte Erdanschauung weniger
die westliche Ausdehnung Kleinasiens bestimmend gewesen sein, als
dessen für die Schiffahrt wie für den Landverkehr von Phönikien aus in
der That nördliche Lage, so dals der scheinbare Sprung von dem nord-
östlichen LandeArphaks“ad nachdem nordwestlichen Züd sich verringert,
wie dies in dem beigegebenen Kärtchen zu verdeutlichen versucht ist.
”) Den einzigen Versuch, jenem scheinbaren Sprunge zum Trotz eine
einfache, der semitischen Reihe parallele Folge von O. nach W. den ja-
vom 14. Februar 4859. 197
würde die den Bewohnern Kanaans durch alten Verkehr be-
kannten Völker der näheren nördlichen Nachbarschaft, der arme-
nischen und pontischen Gebirgsländer, die in der Tafel auf keine
Weise übergangen sein konnten und in der That nach den
wahrscheinlichsten bisherigen Erklärungen in den Gliedern 1c,
5 und 6 enthalten sind, vielmehr ihrer wirklichen Lage ent-
sprechend, zwischen 3 und 4 geordnet haben. In der That
läfst sich jener scheinbare Sprung vom medischen Osten bis zum
griechischen Westen nur durch die Annahme erklären, dals hier
eine neue, von den ersten 3 Gliedern unabhängige Reihe der
Aufzählung beginne, und dafs dies sich wirklich so verhalte, soll
“durch Prüfung der einzelnen Ländernamen in geographischem
Zusammenhange nachgewiesen werden.)
_ phetischen Namen unterzuschieben, freilich durch das gewaltsame Mittel
einer Verpflanzung der Meder in eine angeblich ältere europäische Hei-
‚math zwischen Skythen und Griechen, also in Thrakien (möglicherweise
bestimmt durch trügerische Namenanklänge wie die Maedi am Strymon
_ oder Nakedonien) verdanken wir der systematisirenden Klügelei eines
_ alexandrinischen Juden des 1. oder 2. Jahrh. v. Chr., des V£ der sog. klei-
Genesis d. i. Ergänzungen zur Genesis aus jüdischen Traditionen ‚unter
en: Namen des Jubiläenbuches in aethiopischer Übersetzuug mitgetheilt
von Dillmann in Ewald’s Jahrb. f. bibl. Wiss. B. II, wo in Cap. VIII.
a IX. (p. 251 fl) bei Gelegenheit der Vertheilung der Erde unter die No-
_ achiden dıe olfenbare Beschreibung einer jüdischen Erdkarte mitgetheilt
ist: merkwürdig anch dadurch dafs sie, abweichend von Josephus und als
_ Vorgängerin der bei den spätern Kirchenvätern herrschenden Ansicht, die
altsemitische Dreitheilung der Noachiden gleichsetzt mit den aus der grie-
‚ehischen Erdkunde geläufig gewordenen drei Erdtheilen und demzufolge
ausschlielslich Europa mit den Geschlechtern Japhets anfüllt.
- *) Nur eine zufällige Begegnung mit dieser Annahme bietet die An-
3 ‚ordnung Knubel’s, des einzigen unter den bisherigen Erklärern der diese
_ Frage der geographischen Reihenfolge berührt und auf die von ihm her-
"ausgefundene „Oekonomie der Völkertafel” als auf den vorzüglichsten
Leitfaden seiner Ansetzungen grolses Gewicht legt — diese soll nämlich
darin bestehen, dafs immer an erster Stelle die entferntesten Länder ge-
mannt und die Reihen nach dem Standpunkte des Vf. selbst im Mittel-
_ punkte der semitischen Welt hin verfolgt werden — gleichwohl ist er bei
‚den Japhetiten genöthigt diese seine Regel zu verlassen und seinem eignen
Postulat, wonach dieselben von Nordwesten nach Osten hin aufgezählt
198 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Die Scheidelinie des semitischen und japhetischen Gebietes nach
der Auffassung des Aufzeichners der Tafel wird im Allgemeinen
durch die natürliche Grenze bezeichnet, welche die südlichsten
Taurusketten durch ihre Erhebung aus den Tiefländern des Eu-
phrat-Tigris-Gebietes, denen Aram, As’sür, ?Elam fast aus-
schliefslich angehören, gegen die nördlichen Hochländer Klein-
asiens, Armeniens und Mediens bilden. Überschritten wird jene,
nach Westen durch das südliche Kleinasien sich fortsetzende Ge-
birgsscheide eigentlich nur im äulsersten Westen durch die Auf-
nahme Lydiens?), dessen Nennung an dieser Stelle, vielleicht
seiner bis auf die Erhebung der Mermnaden-Dynastie nie ganz
unterbrochenen politischen Verbindung mit dem assyrischen
Reiche zuzuschreiben, jedenfalls dahin führt auch das ganze Süd-
Küstenland der Halbinsel in seinem natürlichen Zusammenhange
als Südabdachung des Taurus dem semitischen Gebiete zuzuwei-
sen. Wenigstens findet sich unter den japhetischen Namen kei-
ner, der sich mit irgend einiger Wahrscheinlichkeit auf einen
der historischen Namen dieses Küstengebietes: Karien Lykien
sein sollen, durch seine speciellen Erklärungen zu widersprechen, nach
diesen ergeben sich vielmehr zwei im Grolsen und Ganzen parallele von
West nach Ost gestreckte Reihen, eine nördliche (1—3) Mitteleuropa
und das nördliche Vorderasien einnehmend, und eine südliche (4—7) für
Südeuropa und wiederum einen (und zwar nördlichen) Theil Klein-
asiens nebst dem Kaukasus, wobei aber gerade das 4. und 7. Glied in der
Mitte der südlichen Reihe zu stehen kommen, 5 und 6 sich jedes dop-
pelt, sowohl östlich als westlich anreihen! Solcher Mangel an Ordnung
im ganzen wie im einzelnen, entstanden aus unkritischer Anwendung sei-
nes falschen ethnographischen Princips in einer rein geographischen
Frage darf auf die Bezeichnung „Oekonomie” schwerlich Anspruch ma-
chen.
°) Knobel, dem hierin Bunsen folgt, hält sich zwar durch die
ganz unzuverlässigen Genealogien derspäteren Araber über die Abstammung’
der 3Amäliga von Laud und das zufällige Vorkommen des Namens Züd
unter den ägyptischen Stämmen für berechtigt, das semitische Züd an die
Südgrenze Palästina’s zu versetzen: dadurch aber würde die Stellung die-
ses Namens vor Aram vollends ebenso unbegreiflich, wie das völlige Still-
schweigen der historischen Zeugnisse, sowohl des A. T. als der Griechen,
über diese angeblichen südlichen Lyder.
vom 14. Februar 1859. 199
'amphylien oder Kilikien beziehen lielse. Ebensowenig freilich
_ vier „Söhne Arams”, mit Ausnahme des durch andere Stellen im
Süden Syriens gesicherten ?U's sämmtlich «r«£ eigmiuzve, in Frage
kommen können; dals einige dieser verschollenen Namen schon
Alterthum im Norden gesucht wurden, zeigt die Erklärung
von Geiher durch Karien bei Hieronymus, von 4‘ül durch
u. den Namen der Semitenländer, von denen hier nur die
Armenien bei Josephus; näher noch läge es an Kilikien zu
denken, das man mit seiner schon in ältester Zeit von phöniki-
‚schen Niederlassungen besetzten Küste'°) schwerlich als ganz
übergangen voraussetzen möchte und das durch seine geographi-
che Lage, mit seinen nur durch mälsige Gebirgshöhen mit viel-
fachen Pässen vom obern Syrien geschiedenen reichen Ebenen
so völlig dem Zugange aramäischer Bevölkerung offen lag'').
6 ebiet Arams die nördliche Grenze des uns historisch bekann-
ten Syriens überschritt, und die südlicheren Thallandschaften in-
merhalb des Tauros begriff, welche wir später zu Armenien
gerechnet (d. h. in den Grenzen des armenischen Reiches ein-
geschlossen) finden, mögen wir um so leichter zugeben, als
wir diese Gebiete— die melitenische und sophenische Landschaft,
Jahrh. n. Chr. nach den Zeugnissen armenischer und syrischer
Schriftsteller" ?) von aramäisch redender Bevölkerung eingenom-
men finden.
Indessen haben wir noch ein bestimmteres Zeugnils für das
Hinaufreichen des semitischen Gebietes auf die inneren Hoch-
1°) Vgl. die gründlichen Nachweisungen von Movers im 2. Bande
einer Geschichte der Phönizier.
‘*) Für den nach sprachlichem Begriff semitischen Charakter des
südlichen Kleinasiens bis nach Karien hin dient wenigstens das aramäische
Wort für Gebirge in seiner Anwendung als Gebirgsname (Taöps = 10)
ls vollgültiges Zeugnils.
12) Mos. Choren.I, 22. II,7. III,5.6. Derselbe, oder wie es scheint
elmehr sein syrischer Gewährsmann aus dem 2ten Jahrh. v. Chr., Mar
Abas, bezieht den damals noch gebräuchlichen Namen des östlichen arme-
nischen Tauros Sim, deutlich auf den Namen des Patriarchen S’em.
200 ‚Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
länder, welche sogar den höchsten Theilen des Tauros nörd-
lich im Rücken liegen und nur durch den Lauf ihrer Flüsse dem
Tigrisgebiete angehören, in dem Namen Arphaks’ad, welchen
die Tafel als mittelstes semitisches Gehiet unmittelbar an As’-
sur anfügt. Während die Identität jenes Namens mit der von
Ptolemäos innerhalb der Nordgrenze Assyriens angesetzten Land-
schaft "Aggarayirıs bereits seit Bochart allgemein anerkannt ist,
hat niemand bis jetzt'?) bemerkt, dals in der vor dem Eindrin-
gen neuer Bevölkerungen und Benennungen so geschützten Al-
penwelt Kurdistans jener uralte Name sich bis heut wenig ent-
stellt erhalten hat: das Hochthal, welches der grofse Zäb in
seinem obersten Laufe durchfliefst, bevor er die wilden Tief-
schluchten des durch seine nestorianischen Bewohner und die
ihnen gewidmeten Besuche englischer und amerikanischer Rei-
senden neuerdings bekannter gewordenen Gebirges von Hakki-
jariı nach Süden hindurchbricht, heilst bei den Armeniern seit
alter Zeit'?) Aghbak (['qewlj), bei den heutigen kurdisch spre-
chenden Bewohnern in mehr erweichter Form A/bäk (uh" 9ıys
Die Lage dieser Gebirgslandschaft in 5—6000 Fuls Meereshöhe,
zwischen mächtigen, mit ewigem Schnee bedeckten Alpenketten
(also im Verhältnifs zum assyrischen Tieflande am Tigris etwa
ähnlich der Lage des Engadin zum Pothale) schlielst doch wohl
völlig die Möglichkeit aus, dafs sie in der Vorzeit den Sitz
eines mächtigen Reiches gebildet habe, wie Ewald, geleitet
durch die richtige Erwägung der politischen Bedeutung der vier
übrigen Semitenstaaten, als malsgebend für ihre Nennung in er-
ster Reihe in der Tafel, anzunehmen geneigt ist.'°) Vielmehr
13) Auch nicht der gelehrte bahnbrechende Forscher auf dem Gebiete
armenischer Alterthumskunde, Saint Martin, der irrig den griechischen
Namen mit dem von den Armeniern Arruöstan genannten Theile Assy-
riens identificirt. Mem. sur ’Armenie, Paris 1822, 1. p. 174.
’*) Vgl.dieCitate aus Moses Chor. Johannes Katholikos und Thomas
Ardzruni bei Ingiig’ean, Storagruthiun hin Haiastaneaits, (Beschreibung des
alten Armeniens) Ven. 1822 p. 148. 206.
15) Vgl. bei Ritter Erdk. IX, 641 ff. Jie Berichte englischer Rei-
senden, die aulser dem Orientalisten Eli Smith allerdings den Namen
sehr entstellen (Ali Baugh bei Monteith).
1°) Gesch. d. V. Isr. I. p. 378. (2te Ausg.)
vom 14. Februar 1859. 201
tritt hinter jenen vieren das Land Arphaks’ad als ein vom Völ-
kerverkehr abgelegenes engbegrenztes historisch bedeutungsloses
so weit zurück (wie es denn auch ohne die zufällige Erwäh-
nung bei dem einzigen Ptolemäos der vergleichenden Geogra-
phie gänzlich entschwunden wäre), dals die Vermuthung nahe
liegt, es sei der ursprünglichen Recension der Tafel, soweit diese
etwa auf phönikischer oder aramäischer Quelle beruhte, über-
haupt fremd und erst vom hebräischen Bearbeiter, den an diesen
"Namen geknüpften Überlieferungen über die Urbeimath des eige-
nen Stammes zu liebe an der passenden Stelle eingeschaltet worden.
'y Jedenfalls ist für unsern Zweck die häge dieses Ge-
"bietes als des nördlichsten unter den semitischen, tief in die
den höchsten Taurusketten nördlich angelagerten Hochländer
eingreifend, dadurch wichtig, dals dessen Kenntnils auch die Be-
en mit dem unmittelbar angrenzenden Armenien vor-
ssetzt, welches demnach unter den japhetischen Ländern nicht
übergangen sein kann. Freilich weder unter seinem einheimi-
schen Namen Haikh, noch unter demjenigen, welcher erst durch
sein muls, — sondern unter einer alterthümlicheren, ihrer Com-
position nach noch unerklärten Form: Togarmah.'’) Die
sit Michaelis allgemein angenommene Gleichstellung dieses
"Namens mit Armenien, vorzüglich begründet auf die in alter und
neuer Zeit berühmte Pferde- und Maulthierzucht dieses Landes
_ (und zwar vorzugsweise des westlichen zum Euphratgebiete ge-
7) Dafs der Stamm tögin diesem Namen und in Kappadokia, altpers.
Katpa-tuha (Kalpa=nn> in der Bed. Seite) identisch sein könne, mögen wir
. Böttcher (Delagarde) z. Urgesch. d. Arm. Berlin 1854. p. 36 leicht zu-
geben; ob aber auch mit ihm als voller Stamm fogor anzunehmen und
nur ma als Ableitungssulfix nach armenischem Sprachgebrauch anzuer-
‚kennen sei, erscheint um so fraglicher, als der Name schwerlich als einhei-
‚mischer gelten darf, und es andererseits nahe liegt vielmehr in arma als
weitem Theil des Compositums die Wurzel der syrischen, auch zu den
Persern (Dareios Inschriften) übergegangenen Benennung Armina zu ver-
muthen, zumal da selbst die von Mos. Chor. angeführte syrische Quelle
Aa:
liesen Namen mit Aram in ec; nur durch mythische Genea-
P
202 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
hörenden Theiles) verglichen mit Ezechiels Angabe der Ausfuhr 3
dieser Thiere aus Togarmah nach Tyrus, scheint mir auch durch e
die Volksgenealogie bei Moses Chor. mehr als man neuerdings |
zuzugeben geneigt ist, gesichert. Die bei dem christlichen Au-
tor des Äten Jahrh. natürlich der nationalen, auf die LXX be-
gründeten Bibelübersetzung entlehnten Namensformen be-
rechtigen noch keineswegs zu dem voreiligen Schlusse einer
ebenso späten Entstehung des Stoffes der Erzählung, der
Volksgenealogie, durch welche der Stammvater und Eponym der
Nation, Haik, durch ZTRorgom auf Japhet zurückgeführt wird, '?) g
vielmehr führt die von der biblischen durch Einschiebung eines
Namens abweichende genealogische Reihenfolge (1,5: Japeth,
— Gamer — Thiras — Thorgom) auf die Annahme einer frem-
den Quelle, wohl keiner andern als des von dem ehrlichen aber
unkritischen Armenier als Hauptquelle seiner Behandlung der
Urgeschichte öfters angeführten dem ?ten Jahrh. v. C. angehö-
rigen Syrers Mar Abas, so dals uns in dieser Version die äl-
tere syrische Ansicht über die Ursprünge des armenischen
Nachbarvolkes vorliegen dürfte.
Hiermit wäre jedoch nur die südliche Grenze des Gebiete
Togarmah als eines Nachbarlandes des obern Syriens am Eu- #
phrat bestimmt, keineswegs dessen Ausdehnung nach Norden und
Osten, welche wir keinen Grund haben derjenigen des ganzen
Armeniens, wie wir es durch die geographischen und histori-
schen Berichte der Griechen und der Armenier selbst kennen,
gleichzustellen. Auch abgesehen von den späteren durch Erobe-
rungen vorgerückten Grenzen des armenischen Reiches, bildete”
das Land von vornherein ebensowenig ein historisches und eth-
nisches Ganzes, als es eine natürliche geographische Einheit ist;
vielmehr spricht sich die engere natürliche Verbindung zwischen
den Hochebenen des östlichen Armeniens am Araxes und denen
des nördlichen Mediens (4Azerdaig’an’s) gegenüber den enge-
ren tieferen wärmeren Thallandschaften Westarmeniens am Euphrat
auch in der Geschichte und dem Charakter der Bevölkerung aus,
Herrschte auch dieselbe armenische Sprache, wie aus den zahl-
15) „Aus dem Oopyaus der LXX in die armenische Stammsage ein-
geschmuggelt” P. Böttcher a. a. O.
”
vom 14. Februar 1859. 203
reich angeführten geographischen Namen hervorgeht, soweit die
armenische Literatur hinaufreicht, im Westen und im Osten, am
' Euphrat und am Araxes, so läfst doch für ältere Zeiten selbst
die zu Gunsten der eignen Nationalität entstellte Tradition bei
Moses Chor. (I. 30) in der Sage von der Ansiedelung angeblich
unterworfener medischer Bevölkerung in der Araxeslandschaft
Airarat die ursprüngliche ethnische Verschiedenheit noch deut-
lich durchblicken und verleiht dadurch der Vermuthung eines
Zusammenhanges jener Benennung mit dem Ariernamen '?)
eine bisher unbeachtet gebliebene Stütze. Die Bedeutung A4i-
rarat’s in der historisch beglaubigten Zeit des armenischen Rei-
ches (mit der kurzen Unterbrechung der südlichen Ausdehnung
des Reiches über Nord-Mesopotamien durch Tigranes) als beständi-
ger politischer Mittelpunkt und Sitz der Könige hat den Sammler
der nationalen Überlieferungen verführt, jener Hauptprovinz für die
Urzeit des Volkes denselben Rang beizulegen und die alten Für-
sten dieses Landes die er in seinen syrischen Quellen erwähnt
fand als Könige des gesammten Armeniens darzustellen, doch
"nicht ohne in dem Umstande, dals die besondere Niederlassung
aik’s, des Urvaters der ganzen Nation, auf das südlichere Thal-
ebiet des Ost-Euphrat-Armes beschränkt (I. 6), erst seinem Sohne
rmenak die Besitznahme der Airarat-Landschaft zugeschrieben
wird, die den nationalen Unterschied beider Gebiete festhaliewde
| ältere Form der Sage noch durchleuchten zu lassen. Vollständig er-
cheint denn auch die Trennung derselben in dem einzigen wirklich
istorischen, weil gleichzeitigen Zeugnisse: in der durch Herodot
aufbewahrten politischen Organisation des persischen Reiches
Mnter Dareios, welche wie in so vielen Fällen nur alte histo-
Fische Verhältnisse beibehielt, sind neben dem eigentlichen
Armenien in der dreizehnten Satrapie, die Hauptvölker des spä-
u Nord- und Ost-Armeniens, Saspiren und Alarodier
-(d. i. Ararat) mit dem des späteren nordwestlichen Mediens
(Azerbaig’än), den Matianern, zu einer besonderen Pro-
yinz, der achtzehnten, vereinigt. Wenn daher das Land Ara-
pen
*°) Zuerst ausgesprochen von Benfey, in der freilich nicht durch-
aus haltbaren Zurückführung auf skr. Ärjavarta (Monatsnamen alter
Völker p- 197).
204 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse y
rat als ein besonderes, von Assyrien damals unabhängiges Reich
(n>bnn Jerem. 51.27 ya neben Jes. 37.38, II. Reg. 19. 37) beon
reits zur Zeit des Todes Sancherib’s (676 v. Chr.) genannt wird,
so ist durch jenen keineswegs mit Togarmah gleich bedeutenden
Namen, ebenso wie in der dem letzten Bearbeiter der Kosmogonie
angehörigen Darstellung der Fluthsage, (Gen. VIII.) ein Fortschritt
der Kenntnis des Nordlandes gegen die offenbar ältere Abfas-
sung von Gen. X., in welcher das entferntere Ararat noch un-
bekannt oder unter einem anderen Namen mitbegriffen ist, zu |
erkennen. Für die geographische Bestimmung von Togarmah
werden wir uns auf das westliche oder ursprüngliche Arme- |
nien am Euphrat zu beschränken haben.
Togarmah tritt in der Tafel nur als Sohn (Unterabthei-
lung) des direkten Japhetiden Gomer auf, mit welchem „mäch- j
tigen Volke des Nordens” es auch bei Ezech. 38. 6. unmittelbar
verbunden erscheint: der naheliegende Schlufs auf geographische
Nachbarschaft beider Gebiete hätte nun für das unbekannte Go-
mer ein der bekannten Lage von Togarmah nicht zu fernes
Land zu suchen geboten: statt dessen hat eine allzuwörtliche
Auffassung des hyperbolischen (weil gerade zu dem, gegen Me-
Xekh, Tubal u. a. südlicher gelegenen Togarmah gestellten) Aus- |
drucks des Propheten „von den Enden des Nordens” (ysx ran),
verbunden mit dem scheinbaren Gleichklange des Kimmerier- und
Kymren-Namens die Erklärer seit Calmets Zeit?°) bis auf die
neuesten in die entferntesten Regionen Nordeuropa’s verlockt,
um damit der hebräischen Länderkunde ein unermelsliches freilich
sehr unsicheres Feld zu gewinnen. Denn ist schon die Gleich-
heit der Namen Kınuzgıos und Gomer (nach der masoretischen
Punctation, Touegns bei Jos.) oder wie die LXX schreiben Ta,tg, \
keine vollkommene, so liegt eine völlige Homonymie weit näher
in dem bei den älteren Armeniern, doch wohl in Foige alter
*°) Josephus Taudp = Tararaı meint sicher nur die kleinasiatischen
deren späte Einwanderung dem in der Geschichte wenig bewanderten jü-
dischen Autor nicht erinnerlich war, kann also nicht als alte Ansicht für
den europäischen Norden in Anspruch genommen werden; die, erste Be-
ziehung auf ein Land nördlich vom Kaukasus finde ich in dem oben ange-
führten jüdischen Jubiläenbuche, dann bei Sa’adia, der dafür Türken setzt.
vom 14. Februar 1859. 205
Bekanntschaft mit der einheimischen Benennung, gebräuchlichen
Namen ihres westlichen Nachbarlandes Gamir, der erst bei den spä-
‚teren durch das griechische (von den Persern entlehnte) Xappado-
kia verdrängt wird?'); auf dieselbe Quelle müssen die von den
Erklärern bisher ganz übersehenen Glossen beim Synkellos
(p- 49 Par.) Tauig 2£ 00 Karmadezes, und des Kephalion beim
armenischen Easchisns Gimmeros = Kappadokia, zurückgehen.
In der That erwartet man in der Nähe Armeniens Kappado-
kien in der Tafel bezeichnet, ein durch Kilikien in leichter und
‚naher Verbindung mit Syrien und Phönikien stehendes Gebiet,
welches durch seine weiten Hochebenen am obern Halys mit
den gesegneten Thallandschaften am Fulse des Argaeos und der
alten Hauptstadt Mazaka’?) weit mehr als selbst das rauhe ge-
birgige enge Westarmenien von der Natur zum Sitze eines
‚selbständigen Reichsgebietes bestimmt ist; dafs esin der That auch
f vor den achaemenidischen Fürsten als ein solches, wenn auch seit
Alters unter assyrischer Oberhoheit stehend, unter das medische
and später von diesem an das persische Reich gekommen ist,
dafür scheint seine selbständige Stellung in den officiellen Listen
Reichsländer in Dareios Inschriften zu zeugen, wo es von
allen kleinasiatischen Ländern allein auflser Jauna und Sparda
(lonien und Lydien) namentlich aufgeführt wird. Es mag also
älteres politisches Übergewicht über die Nachbarländer in Osten
und Westen und dadurch bedingtes früheres Bekanntwerden im
semitischen Süden, weit mehr als eine nur vorauszusetzende dem
hebräischen oder phönikischen Autor aber sicher nicht bekannte
Stammverwandtschaft die Aufführung Gomer’s in der ersten
?!) So wird regelmäfsig bei Faustus Byz. (III, 12, 16, 17, IV, 3,4, 7)
aria Hauptstadt des Landes der Gamirkh genannt. Diese Identität von
‚Gomer und dem armenischen Gamir hatte ich ohne zu wissen, dals sie be-
j its vorlängst in einem freilich seiner abenteuerlichen Hypothesen wegen
jetzt mit Recht so gut als vergessenen Buche von G. Wahl (Altes und neues
Vorderasien I, 27/1) ausgesprochen ist, vorlängst erkannt (vgl. m. Bibelatlas,
Berlin 1845) was ich bemerke, weil neuerdings P. Böttcher a. a. ©. auf
dieselbe Bemerkung gekommen ist.
- ?*) Ihre Bedeutung in der einheimischen oder syrischen Überlieferung
ei die ältere Zeit ist durch die Zurückführung ihres Namens auf einen dem
testen armenischen Königshause angehörigen Fürsten Mz’a A bei Mos. Chor.
angedeutet, den Josephus irrig mit dem Mes’ ekh der Genesis gleichsetzt.
206 - Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Reihe der Japhetiden-Stämme und die Unterordnung der mög-
licherweise erst später mit dem Südland in Verbindung getrete-
nen Länder Togarmah und Askenaz veranlalst haben. Ja
es wäre immerhin als in den Grenzen der Möglichkeit liegend zu-
zugeben, dafs jenes anscheinende einstmalige politische Überge-
wicht Kappadokiens eben der Periode der durch griechische
Zeugnisse aus dem ®ten und 7ten Jahrh. bekannten Einfälle der
Kimmerier im nördlichen Kleinasien angehörte, die eben so gut |
wie ein halbes Jahrtausend später die Gallier und in der medi-
schen Zeit die Saken und Matianer hier einen dauernden Wohn-
sitz erworben und auch nach dem Erlöschen ihrer nationalen
Existenz dem Lande ihren Namen in einer von der griechishen
etwas abweichenden Form hinterlassen haben könnten.
Den andern ‚Sohn Gomers”, As’kenaz nun gleichfalls im ®
benachbarten Kleinasien zu suchen, darf die historische Erwäh-
nung desselben (bei Jerem. 51. 27) als mit den Reichen Minni
und Ararat am Kriege der Meder gegen Babel theilnebmend,
wohl um so weniger hindern, als in jener Prophetie offenbar auf
die Eroberung Babylons durch Kyros hingedeutet ist, die Theil-
nahme kleinasiatischer Hülfstruppen nach dem Falle Lydiens also
gar nichts befremdliches hat“ ?) und für die geographische Stel-
lung aus jener Stelle, wegen der gänzlichen Ungewilsheit
über das &reE eigyuzvov Minni nichts weiter zu gewinnen
ist. Die schon von Bochart gemachte Gleichung mit dem
Namen der Askanier?*), als des in älterer Zeit bekanntesten
Stammes im nördlichen Phrygien empfiehlt sich jedenfalls durch
geographische Wahrscheinlichkeit, da ein aus uralter bis in die
historische Zeit der Mermnaden-Könige selbständig erhaltenes
durch kunstvolle Industrie berühmtes Reich wie Phrygien in un-
mittelbarer Nachbarschaft und steter Verkehrsberührung mit dem
2°) Unter diesen Umständen mag die in der Kyropädie geradezu
berichtete Führung phrygischer Truppen gegen Babylon immerhin zu
dem mitbenutzten wirklich historischen Stoffe gehören.
24) Der u.a. von Tuch gemachte Einwurf des Mangels der Endung
von n:sox in der griechischen Form ist von P. Böttcher a. a. O. durch Hin-
weisung auf das im Armenischen bekannte adjectivbildende Ableitungs-
sufix —az beseitigt.
vom 14. Februar 1859. 207
Iydischen Küstenlande zu Tyrus kaum unbekannt sein konnte.
Für den Ausdruck des Gegensatzes zu den semitischen Nach-
barn, den Lydern, ist bei diesen Bewohnern des innern Hoch-
'landes Kleinasiens auch auf die von den Alten übereinstimmend
berichtete und durch Wörter und Mythen bestätigte enge Sprach-
verwandtschaft zwischen Phrygien und Armenien mehr Gewicht
zu legen, als ihr an sich betrachtet für die vorliegende Frage
zukommen würde.
Erkennen wir nun, die letzte Deutung als nicht unwahrschein-
lich vorausgesetzt, in den vier bekannten Gliedern der ersten
a
japhetischen Reihe 1, 3 und a, c:
* 1 Gomer 2 Magog 3 Madai
N
m — _ ————
a. As'kenaz b. Riphath c. Togarmah
ein zweimaliges Fortschreiten von W.nach O., so liegt es nahe
die noch nicht bekannten Mittelglieder 2 und 1b auch als geo-
8 raphische Mittelglieder zu fassen und ihnen danach ihren Platz
auf der Karte anzuweisen. Unter dieser Voraussetzung würde
die dem Namen A’phath in der Tafel angewiesene Stelle neben
den bereits besetzten inneren Gebieten Kleinasiens so natürlich
auf das nördliche Küstenland Paphlagonien passen, dals man
fast versucht ist, der durch keinerlei Analogie der Namen oder
sonst bekannte historische Thatsachen veranlalsten, also wie man
hliefsen muls auf irgend einer bestimmten Meldung eines uns
verlornen Autors beruhenden Aussage des Josephus: "Pıpa Sys
Fels Maprayovas wzrrev einige wenn auch schwache Autorität
h eizulegen; sonst blieben in Kleinasien höchstens als anderwei-
tig nicht bezeichnet die Gebiete am Nordfufse und innerhalb des
Tauros (Pisidien, Lykaonien u. s. w.), die aber schwerlich als
politisch hinreichend bedeutend und den Phönikern mehr als das
nördliche Küstenland mit seinem alten Handelsmittelpunkte Si-
nope®°) bekannt gelten dürfen.
Sicherer möglich ist die Bestimmung des noch übrigen Na-
| mens Magög, für den die in Ezechiels Schilderung begründete
eihnographisch e Bedeutung als skythisches Reitervolk seit Jose-
phus fast nicht angezweifelt worden ist, welcher aber auch eben-
?°) Vgl. die Nachweisungen über dieses von Movers, Phönizier I, 375.
[1859.] 14
208 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
sogut wie die übrigen Namen einen geographischen Platz
beanspruchen darf und denselben nach jener einfachen Reihen-
folge zwischen Armenien, als östlichstem Theile der gomeriti-
schen Familie, ‘und Medien verlangt. Hier würde sich in der
That ohne einen solchen ausfüllenden Namen ein plötzlicher
Sprung finden, insofern das Hochgebirgsland der Kurden und
die östlich daran grenzenden Hochebenen um den östlichen der
beiden grofsen Seen (das heutige Azerbaig’än) zwar unter den
den spätern Perserkönigen und in der Folgezeit als Theil Me-
diens angesehen und als älteste medische Eroberung schon frü-
her mitunter politisch dazu gerechnet (in Herodotos im Pontos
eingezogenen Berichten, IV, 44) doch nicht als ursprünglich oder
ununterbrochen medischesLand gelten darf, da es in der persi-
schen Staatspraxis von Medien gesondert, als besondere Satrapie
unter dem Namen Maiiane mit Ararat verbunden war (oben
p-203). Diese Matianer habe ich in einer früheren Untersuchung?°)
als skythische zwischen die arischen oder arisirten Meder Kurden
und Armenier eingedrängte Nomadenstämme nachgewiesen; ihr
Name lautete, wie die Vergleichung der herodolischen Satra-
pienliste mit dem kürzeren Verzeichnisse in der Grabinschrift des
Dareios lehrt, altpersisch Ma<ija, welches selbst nur eine eth-
nische Ableitung von dem aus Gedrosien und dem gegenüber-
liegenden Arabien durch griechische Zeugnisse und die Inschrif-
ten bekannten Volksnamen Maka zu sein scheint. Ich weils
nicht ob man in dieser einfacheren Form auch die Wurzel des
semitischen vielleicht erst mit dem nur aus Ezechiel bekannten
Namen Gög?”) combinirten Magög vermuthen darf; aber auch
ohne diese vielleicht täuschende Analogie in den Namen bei
Übereinstimmung in dem nomadischen Volkscharakter bleibt der
Platz wohl unbestritten, welchen wir Magog seiner Stellung in
der Reihe nach, in einem durch seine Nachbarschaft mit Assüur
und Arphaksad wohl noch früher als das entfernte Medien den
Westsemiten bekannten Lande angewiesen haben.
?6) Monatsber. 1857 p. 139.
?7) Wenn nämlich wirklich Gog, worauf die Gogari (Plin. VI, 7.
Twyapnın Strab. XI, 528. armen Gugarkh Mos. Chor. II, 8.) zwischen.
Armenien und Iberien vielleicht führen dürften, mit Bunsen u.a. alsVolks-
name anzuerkennen sein sollte.
vom 14. Februar 1859. 209
Die öfters angeführte Prophetie des Ezechiel über die zum
Einbruch gegen das Land Isra@ls hin aus dem entfernten Nor-
den herbeigerufenen Völker, als deren historische Veranlassung
man wohl mit Recht den grolsen Skythenzug nach Palästina um
620 v. C. angesehen hat, zeigt uns, gegenüber der Völkertafel,
nicht allein eine räumlich erweiterte, sondern auch in Bezug
auf die Lage genauere Kenntnils der nördlichen Völker. Jene
in der Nennung des in der Tafel übergangenen unbekannten
Namens Aos?®), diese in der Zusammenstellung mit zwei an-
dern, in der Tafel an anderer Stelle stehendenVölkernamen: Tu-
bal und Meseekh (Moroy, der LXX.) an deren Identität mit
den Tibarenern (Ti@ago: nach Hekat.) und Moschern der Grie-
‚chen??) wohl kein Zweifel mehr besteht; entscheidend scheint
aulser der Analogie der Namen besonders die Angabe des Pro-
'pheten über den Verkauf von Kupferwaaren und Sklaven an die
Tyrier, noch heut zwei Hauptausfuhrartikeln der pontischen und
kaukasischen Bergvölker. Dieser Lage entspricht nun auch die
llung in der Mesekh und Tübdal bei Ezechiel (38.2.3. und
1.) als Unterthanen des Königs von Magög erscheinen ?°):
@s wird eine Zeit bezeichnet, in der aulser Ararat, welches noch
ter den Persern mit den Matianern (Magog) verbunden er-
scheint, auch die noch nördlicheren Gegenden bis zum Kauka-
sus, der äulsersten Nordgrenze südsemitischer Erdkenntnils, dem-
selben Barbarenreiche angehörig gelten; ebenso schlielst sich
Ezech. 27. 13, an Zudal und Mes’ekh unmittelbar Togarmah
an. Dals nun diese geographische Nähe, wie wir sie um
600 v. Chr. bei dem Propheten angedeutet finden, dem Verfas-
ser von Gen. X. noch nicht bekannt war, beweist klar die Rei-
28) Den eben aus dieser Stelle die Araber als achten Sohn Jafet’s
Omy i in die alte Genealogie eingeschmuggelt haben.
#9) Meskhethi als einheimischer Landesname am obern Kur, Va-
khouscht Descr. de la Georgie p.53. 71. 75. — Ob auch identisch mit dem
Maskuth- Volke der armenischen Quellen ist aus sprachlichen Gründen
noch zweifelhaft.
— *°) Auf die Verbindung mit Gomer und Tögarmah (38. 6.) ist
jn dieser Stelle wohl deshalb kein Gewicht zu legen, weil im vorangehen-
den Verse auch Völker vom äufsersten damals bekannten Südrand der
Erde: Päras, Küs, Püt genannt werden.
14°
210 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
henfolge der Namen in der Tafel, worin jene bei den Propheten
wiederholt zusammengestellten Nachbarländer die ?te, te und
6te Stelle einnehmen und durch ganz entfernte Erdstriche wie
Madai und Javan von einander getrennt werden. — Der geo-
graphische Grund dieser abweichenden Reihenfolge liegt offen-
bar darin, dafs die 6 ersten Namen von Gomer bis Madai durch
die von uns als wahrscheinlichste angenommene Deutung sich
sämmtlich als Binnenländern angehörig erwiesen haben, wäh-
rend Mesekh und Tubal ebenso gut wie Javan Küstenländer
sind. Auch wenn man die weniger sicher durch Phrygien und
Paphlagonien gedeuteten Länder As’kenaz und Riphath bis
zur Nordküste der Halbinsel reichen läfst?”'), so mufste doch,
selbst abgesehen von möglicher alter politischer Zusammengehö-
rigkeit mit dem Lande Gomer, der Umstand dals jene Länder
dem Handel und Verkehre des Südens früher auf dem Landwege
durch Kleinasien bekannt geworden waren, für ihre Stellung in
der Erdkarte entscheidend sein, während die rauhen schwer zu-
gänglichen gegen das Binnenland hin noch heutiges Tages so
scharf abgeschlossenen Gebirgsländer der Tibarener und Moscher
in ältester Zeit kaum anders als von der Seeseite her und auch
hier nur wegen der Kostbarkeit ihrer Produkte, des reichen Ku-
pferertrages und der schönen Sklavinnen, aufgesucht und in Ty-
rus bekannt wurden. Mit dieser oberflächlichen Kunde konnte
aber nicht sofort eine Kenntnils ihrer wirklichen Lage verbun-
den sein; bis genauer verzeichnete Periplen oder Verkehr zu
Lande über Armenien die Gewilsbeit der im Verhältnils zu Ja-
van östlicheren Lage jener Länder verschafite ??), lag es nahe
sie nur als jenseit Javan’s, an dessen Küsten der Seeweg zu
ihnen vorbeiführte, also im fernen Nordwesten gelegen zu
®') Namentlich würde diese Annahme gefordert, wenn man nach
Bocharts scharfsinniger Vermuthung den wegen der Umwandlung in Eu-
Eeivos sicher nicht ursprünglich griechischen Namen des Iloyros "Afevos als
eine Umdeutung einer vorauszusetzenden phönikischen Benennung „Meer
von Askenaz”, nach dem Volke welches in alter Zeit die Zugänge zu
demselben inne hatte, gelten lälst.
?2) Hätte dieser Verkehr einer älteren Zeit angehört, so würden
wir in Gen. X. Tubal uud Mes“ekh wohl nicht als Hauptabtheilungen Ja-
phet’s, sondern etwa als Söhne Gomer’s oder Togarmah’s finden.
vom 14. Februar 1859. 211
denken. Dafs die Schiffahrt von Phönikien aus zu den Küsten
Griechenlands westlich, durch das Inselmeer aufwärts aber im
allgemeinen nördlich führte, konnte in Tyrus leicht bekannt
sein; über die Richtung der Fahrt durch die weiter folgenden
Meeresiheile mochte es an genaueren Nachweisen fehlen, dafs
aber im Alterthum selbst griechische Kunde auch noch bis in
späte sonst besser unterrichtete Zeit im allgemeinen mehr die
nördliche, als die wirklich nordöstlich gehende Richtung
der Linie durch Hellespontos Propontis und Bosporos ins Auge
falste, lehrt ein Blick auf die Ptolemäische Karte. So konnte
dann leicht das unvollkommen erkundete grolse nördliche Mee-
resbecken, an dessen fernsten Küsten die Völker Tudal und
Mesekh wohnten, in Tyrus als ein in nördlicher oder gar nord-
westlicher Richtung jenseit Javans sich fortseizendes angesehen und
in diesem Sinne der Erdkarte eingefügt werden: derselben An-
schauung fügen sich nicht nur Erwähnungen, wie bei Ezech. 27. 13
Javan, Tübal und Mesekh, und bei Pseudo Jes. 66. 19. Tarss,
Pül, Lüd und die Bogenschützen, Tübal, Javan und die enifern-
‚ten Inseln, unter lauter Gegenden des fernen Westens, — sondern
diese Vorstellung hat auch offenbar bei den späteren Juden und
‚Christen nachgewirkt in den Erklärungen der in der Folge unver-
tändlich gewordenen Namen der pontischen Völker durch die
er in weiterem Umfange erkundeten Länder des Westens:
so bei Synkellos durch Thessalien und Illyrien, im Jubiläenbuche
‚durch Italien und Spanien, während Hieronymus Tubal für das
estliche Iberien nimmt, — lauter Nothbehelfe der Unwissen-
eit, durch die Knobel’s auf dieselben Westländer hinausge-
hende Hypothese um nichts wahrscheinlicher gemacht wird,
Den wirklichen Umkreis der beginnenden phönikischen
Kunde von den fernen Westländern bezeichnen, wie längst an-
rkannt worden ist, die vier „Söhne Javan’s”. Noch keineswegs
anerkannt aber ist, was uns doch in diesem besonderen Falle das
ugnils des in Rede kommenden Volkes selbst, der Griechen,
sehr erleichtert, die Unhalibarkeit der unserem Document
untergelegten ethnographischen Tendenz. Sollten die Ja-
ansöhne Elisah, Tarsis, Kitt/im, R(D)odanim wirklich,
wie selbst Knobel und Bunsen noch annehmen, den Griechen
verwandte Völker oder gar direkte hellenische Colonien bezeich-
212 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
nen, dann freilich dürfte man Josephus nur auf scheinbarer Laut-
ähnlichkeit beruhende Identificationen gelten lassen, wie ’Erıra
= Aiorels und Ougreis = Tapros. Dals letztere Conjectur, nur
unsicher bezeugten alten griechischen Niederlassungen zu liebe
von Bunsen wieder aufgenommen, sogar etymologisch gar keinen
Grund habe, hat bereits vor zwanzig Jahren Tuch aus der ab-
weichenden Schreibung des Namens in den phönikischen Münz-
legenden (An gegen wrwn) nachgewiesen.
In der That kann Tars7s' an dieser Stelle nichts anderes
bedeuten als in allen übrigen ziemlich derselben Zeit angehöri-
gen historischen Erwähnungen des A. T.: das bereits seit dem
11ten Jahrh., der Zeit der Gründung von Gadir, mit Tyrus in
lebhaftem Handelsverkehr stehende, seiner reichen Silbergruben
wegen aufgesuchte und im fernen Orient bald berühmt gewor-
a
dene äulserste Westland, dessen einheimischer Name Zurde-
tania der auch durch das griechische Tagryssos bezeugten phö-
nikischen Form Zarizis so ähnlich ist, dafs diese wohl mit
Recht als blofse Semitisirung, nicht selbständig semitische Na-
menbildung angesehen worden ist; eine Bemerkung, wodurch die
Vermuthung einer ursprünglichen Beziehung des Namens auf
näher gelegene östlichere Länder (z. B. Sicilien oder Nord-
Africa, woran schon unter den Alten Hieronymus und Theodo-
retus gedacht haben) und einer späteren Verrückung nach dem
Westen abgeschnitten wird.
Kittim = Kypros ist die zweite in ihrer Bedeutung durch
andere Stellen des A. T., so wie durch Zeugnils griechischer
Auctoren (unter denen das des gebornen Kypriers Epiphanios an |
der Spitze) und der phönikischen Inschriften und Münzen ge-
sicherte Identität; dals nun jener Name, obwohl der vordersten,
den Küsten Syriens zunächstgelegenen, also auch früher oder
doch eben so früh wie das eigentliche Hellas besuchten Insel
des Westmeeres nicht als besonderes Hauptglied, sondern als
Theil des ferneren Javan erscheint: statt dals man nach allen
Analogien eine Übertragung des Kittier-Namens selbst auf die
westlicheren Inseln und Küsten erwarten dürfte’?), diels kann
®°) Doch konnte immer speciell aramäischer Sprachgebrauch eine
solche Übertragung gekannt haben, nach der klaren Beziehung von Kittim
auf ganz Griechenland im Daniel und Makkabäerbuche zu schlielsen.
“.
vom 14. Februar 1859. 213
wohl nur durch eine frühere, der Schiffahrtsverbindung voran-
gehende, also wohl auf dem Landwege, durch semitische Klein-
asiaten (Karer und Lyder) vermittelte Kenntnils des bekanntlich
im Gebrauche aller Asiaten die ganze Nation umfassenden Io-
niernamens erklärt werden.
Wenn die den Propheten geläufige Nennung von Inseln
der Kittim in der Mehrzahl (oın> "n Jerem. 2. 10., Ezech.
27.6) nicht blols poetische Redeweise ist, so kann damit nur
dasselbe gemeint sein, was Epiphanios durch die Erklärung von
XeSıcım als Kunsıo: zcı Podicı andeutet, während damit überein-
stimmend die LXX Poöic: für das vierte Javangebiet Roda-
nim°*) setzen: Rhodos als der Name der für phönikische
Schiffahrt zunächstgelegenen Hauptinsel steht hier offenbar zur
Bezeichnung der Inseln des aegäischen Meeres im allgemeinen,
wie in derselben Bedeutung Kittim bei den Propheten und in
der von Josephus benutzten, den 4ten Javanssohn ganz auslas-
senden Redaction der Genesis. Damit wird der Name Javan
in seiner besonderen Bedeutung auf das Festland beschränkt,
en
aber nicht, oder doch nicht allein, wie der nationale Gebrauch mit
in that, auf das asiatische ’?), welches dem Phöniker wegen
seiner geographischen Isolirung weit natürlicher blofs als Küste von
Lüd erschienen wäre, sondern vielmehr auf das vor der homeri-
“schen Zeit den Phönikern bereits se wohl bekannte europäi-
‚sche. Es ist diels nöthig zu bemerken, da man letzteres, oder
wem es auf schärfere geograpbische Unterscheidung ankam, we-
stimmung, entweder an den Namen ’H%:s oder viel ungeschickter
"an 'Erras oder Aiorıs sich anlehnend, in dem allein noch ‘übri-
gen ersten Lande Javan’s E/is’ah, und eine Stütze dafür in dem
?*) Die masoretische Lesart Dodanim muls diesem natürlichen Zu-
sammenhange gegenüber zurückstehen; die Erklärungen dafür sind alle
gleich schlecht, von le CGlerc’s Dodona bis auf die Dardaner, welche
?°) Wie diejenigen meinen, welche wie Bunsen E. Curtius’ un-
glückliche Hypothese von ursprünglicher ionischer Heimath in Kleinasien
als erwiesen annehmen.
214 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Ezech. 27.7. hat finden wollen. Dem gegenüber ist bereits von
Michaelis erinnert worden, dafs in dieser Stelle gar nicht
von dem Färbematerial, sondern von purpurgefärbten Stoffen
die Rede ist, welche von den /nseln Elis’ah nach Tyros einge-
führt werden, deren Fabrication also bei der Leichtigkeit des
Transports der Farbe sehr wohl auch in andern Küstenländern
des Mittelmeeres angenommen werden darf’°). Da nun die
drei übrigen Javanssöhne im Gegensatze zu der ethnographi-
schen Aufiassung der Neueren sich als phönikische Colonieländer
ausgewiesen haben — Tartessus dauernd, Kypros Rhodos und
die Nachbarinseln wenigstens vor und neben der griechischen
Besitznahme — so liegt es nahe in Elisa gleichfalls ein Ge-
biet phönikischer Ansiedelung zu suchen, und wenn die Ver-
bindung der vier Namen durch die Copula zu zwei Gruppen im
Texte der Genesis (a4 ars ww, mundn) überhaupt einen
Sinn hat?’), so darf man dem zweiten Paare der benachbarten
östlichen Gebiete Kypros und Rhodos, ein anderes geographisch
verbundenes Paar gegenübergestellt, also neben dem westlichsten
Tarsis ein näheres Küstenland westlich von Javan als Eii-
sah genannt erwarten. Nun mulste es allerdings befremden, neben
weniger bedeutenden Punkten phönikischer Ansiedelung die von
diesem Volk von alter Zeit her besuchten und besiedelten beiden
grolsen Inseln Kreta und Sicilien gänzlich übergangen zu
finden; in den nur allgemein ohne Namensbezeichnung angefüg-
ten „Inseln der Heiden” ?°) für die überdiefs noch manche an-
”°) Auf den Ausdruck des Propheten mb "x lege ich darum kein
Gewicht, weil die Beschränkung der Bedeutung von x auf den Begriff In-
sel wenigstens durch die zwei jesajanischen Stellen (die übrigen angeführ-
ten scheinen nicht entscheidend) aufgehoben wird; dann weil auch die
Peloponnesos, wie schon im griechischen Namen, wohl als Insel bezeich-
net werden durfte.
°7) Diefs hat von allen Erklärern m. W. nur Knobel behauptet,
aber der Sinn welchen er unterschiebt: die Bezeichnung zweier grolsen
ethnographischen Gruppen (Aeoler und Tyrsener als angeblich pelasgi-
scher, Karer und Dardaner als sogenannter lelegischer Stämme!) muthet
dem hebräischen Aufzeichner künstliche Theorien zu, die weder ihm noch
irgend einem Alten auch nur im Traume eingefallen wären.
®®) y.5.0sumes, wo das mon» natürlich nicht, wie noch Knobel
vom 14. Februar 1859. 215
dere Inseln und bei erster Bekanntschaft ihnen gleich gerech-
nete Halbinseln oder Küstenstrecken der italischen Meere zur
Verfügung stehen, kann aber wenigstens eine derselben nicht
einbegriffen sein. Denn Kreta, dessen Bekanntschaft freilich
neben Rhodos selbstverständlich vorausgesetzt werden muls, fin-
den wir in der That in der Tafel als Kaphtor’?) — aller-
dings nicht als javanitisches oder überhaupt japhetisches, sondern
als hamitisches, speziell zu Aegypten (Misraim) gerechnetes
Land. Darf diese abweichende Stellung in der Reihenfolge der
Länder um so mehr befremden, als sich für eine Verbindung mit
Aegypten für jene Zeit keine historischen Gründe nachweisen
lassen, so erklärt sie sich doch befriedigend durch eine geogra-
phische Betrachtung. Verfolgen wir nämlich nach Anleitung der
historisch überlieferten oder durch ihre Namen klar erwiesenen
Küstenorte phönikischen Ursprungs die wahrscheinlichen Rich-
tungen der Seefahrten jenes merkwürdigen Volkes, so zeigen sie
uns keinerlei Berührung mit dem östlichen Theile des nordafri-
eanischen Gestades: nicht nur die öde Syrtenküste war in älte-
rer Zeit eine wegen ihrer Gefahren geflohene, auch im kyrenäi-
schen Hochlande läfst manches auf frühere Verbindung mit
Aegypten, nichts auf phönikische Gründungen schlielsen und in
der That bot die Sterilität der ganzen Küste bis zum Nil hin
nichts für ein Handelsvolk anziebendes. Dagegen mulste von
Kypros als der ersten Station inmitten des Meeresbeckens die
gewöhnliche Fahrt gen Westen sich an die auf Rhodos, Thera,
Melos, Kythera und anderen Inseln, ja selbst auf einzelnen Kü-
stenpunkten des Festlandes (Tyros in Lakonika, Megara) wohl-
bezeugten Niederlassungen anknüpfen. Die diesem vielbesuch-
ten Meerestheile südlich vorliegende grolse Insel Kreta selbst
bietet mit ihrer reicher entwickelten städtevollen Nordseite weit
meint, wegen der Analogie mit v.20. und 31.auf alle Japhetiten, sondern
_ nur auf die 71 “2 bezogen werden darf, da es auch bei gering angeschla-
— gener Erdkenntnils dem Verf. kaum einfallen konnte, Insel- oder Küsten-
_ bewohner z. B. von Medien oder Armenien herzuleilen.
’°) Was nach früheren Andeutungen am vollständigsten wohl durch
Ewald (Gesch. Isr. I. 330) erwiesen ist. Cappadocia bei Hieron. ist eine
schlechte Etymologie, mit Unrecht von P. Böttcher wieder aufgenommen.
216 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
mehr Beziehungen für Schiffahrtsverkehr als an der überwiegend
steilen felsigen, weniger fruchtbaren und angebauten Südseite;
vollends von dieser Südküste zur gegenüberliegenden Nordküste
Africa’s hin das Meer zu durchschneiden war für die Phönikier
gar keine Veranlassung. Blieb also dieser Meerestheil ganz un-
erforscht und seine wirkliche Breitenerstreckung unbekannt, so
lag es für die phönikische Erdkunde nahe, die bei den regel-
mälsigen Westfahrten zur Linken oder südlich bleibende grolse
Insel, welche sie Kaphtor benannten, im Gegensatz zu den
nördlichen griechischen Inseln und Küsten dem südlichen Erd-
gürtel, dem Antheile Z’am’s und speciell demjenigen Theile
desselben, in dessen Nähe es der erste rohe Versuch einer Erd-
karte bringen mulste, zuzurechnen *°).
Von den Küsten von Hellas an können aber die kanaani-
tischen Schiffer unmöglich das ganze mittlere und westliche
Becken des Mittelmeeres bis nach Spanien hin durchschnitten
haben, ohne die zwischen denselben so bestimmt trennenden
Küstenvorsprünge in Norden und Süden zu treffen: der Verkehr
in Tartessus setzt noibwendig die Kenntnils Siciliens und
der Nordwestküste von Africa voraus. Letztere konnte in der
phönikischen Erdkunde nur zur südlichen Zone, zu Ham ge-
reehnet werden, sie wird durch den Namen von H’am’s Sohn
Püt mit bezeichnet: wenn auch der Ursprung dieses Landes-
oder zunächst Volksnamens in unmittelbarer Nähe Aegyptens zu
suchen ist*'), mufs er doch beim Fortgange der Entdeckung,
ebensogut wie Javan und Küs, um nur das nächstliegende zu |
erwähnen, auf das Westland ausgedehnt worden sein. Dals aber
ungeachtet dieser Ausdehnung dem Hamiten Pütz keine weitere Ge-
nealogie gegeben wird, ist wohl als ein Beweis für die damals erst
#0) Die bei dem Autor von Gen. X. vorauszusetzende ungefähre An-
schauung dieser Ortsverhältnisse, einschlielslich der Auflösung des ganzen
übermeerischen Westens in vereinzelte oder in Gruppen zusammenliegende
Inseln habe ich gewagt in der beigefügten Kartenskizze zu verdeutlichen.
41) Insofern der Name PT von den Aegyptern selbst zur Bezeich-
nung ihrer westlichen libyschen Nachbarn gebraucht, als Pautija zu den
Persern überging und das damit bezeichnete dem Dareios unterworfenen
Lande doch schwerlich weiter westlich als das Kyrenäische Gebiet ge-
reicht haben kann.
vom 14. Februar 1859. 217
beginnende, noch nicht durch zahlreiche Niederlassungen begrün-
dete Bekanntschaft mit diesem Westlande anzusehen.
Darf demnach Elisah nicht, wie Schulthels wollte (wohl
nur wegen des Vorkommens des Namens in der Gründungssage
der tyrischen Colonie) von Karthago verstanden werden, so
bleibt geographisch betrachtet als natürlichste Deutung das sonst
ganz vergessene Sicilien übrig, so dals die ganz vereinzelt
stehende von Synkellos aufbewahrte Nachricht: ’Erıss« ci Xıze-
2.0 wohl ebensogut wie seine bewährt gefundenen Meldungen über
Gomer und Thorgoma auf eine zufällig benutzte gute alte Quelle
zurückgehen mag.
So bleibt uns nach Unterbringung der Geschlechter Javans
in den sparsam erst vom Lichte des Orienis erhellten Gestade-
ländern des europäischen Westens nur ein japhetisches Gebiet
übrig: das an den Schlufs der ganzen Reihe, binter Tubal und
Mes“ekh gestellte «r«E Asyousvor Tiras. Der in der alten Erd-
anschauung vorausgesetzten Reihenfolge nach mülste man ein
Küstenland und zwar ein fernes nordwestliches, besser wohl
noch nördliches Land erwarten; denn ein Küstenland im We-
sten würde, nicht anders wie Tarsis‘, Javan untergeordnet wor-
den sein. Von den durch die bisher wahrscheinlich gemachten Schif-
fahrtslinien der Phönikier nothwendig berührten Ländern finden
wir nur die Nordküsten des aegaeischen Meeres bis zum Zu-
gange zu Tubal und Mes’ekh, dem Bosporos, noch nicht be-
stimmt bezeichnet, also Thrakien, welches kaum ganz unter dem
Namen Javan mitbegriffen gedacht werden kann nnd das sämmt-
liche alten Interpreten aulser dem Jubiläenbuche unter Tiras
verstehen. Gegen diese vielleicht auch nur auf dem Namen be-
ruhbende Gleichung ist der Mangel eines dem 7 des hebr. Na-
mens entsprechenden Vocals in der griechischen Form von Tuch
geltend gemacht, der Name aber den er selbst, übrigens für die-
selbe geographische Beziehung, in Vorschlag bringt: Tugsrvoi
bietet, selbst wenn man seine historische Bedeutung für das
aegaeische Meer gelten lassen will*?), in seinem kurzen in den
*?) An dieitalischen Tyrsener hat von den Alten nur der Verf. des
_ Jubiläenbuches gedacht, während von den Neueren Knobel sie mit dem
Javaniten Tars’is‘ zusammenbringen will.
218 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
italischen Sprachen meist durch # ersetzten Stammvocal *?) die-
selbe Schwierigkeit, welche auch die von Schulthefs und Häver-
nick angegebene Vergleichung mit Tva«s nicht ganz beseitigt.
Könnte die Übertragung des letztgenannten Flulsnamens etwa wegen
eines daran gelegenen Emporions auf die angrenzenden pontischen
Küstenländer im Munde der Phönikier wahrscheinlich gemacht wer-
den, so wäre geographisch gegen diese Vermuthung am wenig-
sten zu erinnern, da wir nach der Ordnung der Aufzählung hin-
ter Tubal und Mes’ekh am Schlulse der ganzen Reihe eher ein
noch entfernteres Küstenland des Pontos erwarten würden,
als die thrakische Küste welche natürlicher zwischen Javan und
Tubal ibren Platz gefunden haben würde. Auf die Einreihung
von Tiras in die genealogische Reihe zwischen Gormer und Tor-
gom (Togarmah) in der oben (p. 202.) angeführten Version der
syrisch - armenischen Überlieferung bei Moses Chor. möchte ich
weniger Gewicht legen, da sie der Anordnung der Genesis gänz-
lich widersprechend Tiras zu einem Binnenlande machen würde,
und sehr den Anschein hat, nur wegen der Nachbarschaft des
Moscher-Namens, dessen geographische Bedeutung den armeni-
schen Nachbarn sehr wohl bekannt war, eingeschwärzt zu sein.
Ich mufs mich demnach bescheiden mit den kritischeren unter
meinen Vorgängern die bestimmte Lage des Landes Tiras
so lange für zweifelhaft anzusehen, bis etwa aus assyrischen Denk-.
mälern oder sonst noch unbekannten Quellen ein eine passen-
dere Vergleichung gestattender Landesnamen aufgefunden wird.
Das gewonnene Resultat scheint aber auch so schon voll-
kommen zu genügen zu dem Erweise
1) dals die Abfassung der Tafel jedenfalls in die Zeit vor
Ezechiel, wahrscheinlich vor die Gründung zahlreicher phöniki-
scher Colonien in Nordafrica gehöre;
2) dals für die Aufzählung der Tafel sowohl in den Haupt-
als in den Unterabtheilungen wesentlich die geographische
Reihefolge, aller Wahrscheinlichkeit nach im Anschlulse an eine
rohe bildliche Darstellung des Erdkreises malsgebend gewesen ist;
43) Turske (umbr.) Etrusci, Tusci; vielleicht auch durch @, wenn
Tepxev, Tarquinii, Tarraco, Tarracina wirklich auf dieselbeWurzel zurück-
zuführen sind.
vom 14. Februar 1859. 219
3) dafs insbesondere die Aufzählung der japhetischen Län-
der dieser vorauszusetzenden geographischen Quelle entsprechend
deutlich eine doppelte Reihe, zunächst eine binnenländische (öst-
liche), dann eine küstenländische (westliche und zugleich nörd-
lichere) erkennen lälst;
4) dals mit dieser Erkenntnils alle ausschweifenden Ver-
muthungen früherer Erklärer*) über Beziehungen der vorder-
sten Namen (Gomer, As’kenaz, Riphath, Magog) auf die Völker
des fernen Nordlandes namentlich Europa’s abgeschnitten, so-
mit auch die Grenzen phönikischen Wissens in der älteren Zeit
von dem Norden der Erde, selbst bei Zulassung des vielleicht
in dem letzten Namen angedeuteten sehr unsicheren Blickes
auf die Nordküste des Pontos, auf ein bescheideneres Mals
zurückgeführt werden. Bleibt auch den Phönikiern der Ruhm,
in den westlichen Küstenländern Europas und Africas den Grie-
chen als Entdecker und Erforscher weit vorgeleuchtet zu haben,
ja an den atlantischen Küsten von den begünstigteren Nachfol-.
gern nicht entfernt erreicht worden zu sein, so darf anderseits
den Griechen die zuerst die Nordküsten des Pontos erforscht
und besiedelt haben, das Verdienst von dort aus die Kunde der
osteuropäischen und nordasiatischen Völkerwelt der Wissenschaft
erschlossen zu haben, auf keine Weise geschmälert werden.
Welche Wahrscheinlichkeit endlich dem von besonnerer
Kritik von jeher geforderten, hier wie ich glaube bestimmter
durchgeführten geographischen Principe der Anordnung ge-
_ genüber, die von den neuesten Erklärern Knobel und Bun-
sen (in seinem Bibelwerke) wieder dem alten Verfasser unter-
gelegte ethnographische Kenntnils für sich habe: welches
Zutrauen namentlich eine Interpretation verdiene, wonach die
noch keineswegs so sicher begründete neueste Ansicht einiger
Sprachforscher über die ursprüngliche wurzelhafte Einheit ag-
glutinirender turanischer und flectirender indogermanischer Spra-
chen in der den Angaben der Genesis imputirten Stammver-
#*) Nur der alte Bochart ist mit seinen Deutungen, freilich aus
einem andern aber sehr vernünftigen Grunde: der auf dem Glauben an Mo-
ses als Verfasser beruhenden Voraussetzung einer sehr eingeschränkten
Erdkunde, auf dem von mir umschriebenen engeren Gebiete geblieben.
220 Gesammtsitzung vom 17. Februar 1859.
wandtschaft der Japhetiten wiedergefunden und die Reihefolge der-
selben durch Rücksichtnahme auf jene beiden Sprachfamilien erklärt
wird —(Gomer und Javan sollen nach B. die europäischen nördlichen
und südlichen Indogermanen, das sonst allgemein für skythisch
genommene Magog nebst Madai die asiatischen Arier, die drei
letzten Namen aber, von denen Tiras kühn genug auf die Taur-
vasa der indischen Quellen, angeblich die Türken, bezogen wird,
die Turanier bezeichnen) — diels zu ermessen mag füglich dem
Urtheil des Lesers überlassen bleiben,
17. Februar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Bufchmann las über feine [yftematifche Wort-
tafel des athapaskilchen Sprachltamms und legte die
W orttafel vor.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Notice of the Proceedings of the Royal Institution of Great Britain
Part VII. London 1858. 8.
Gelehrte Denkschriften der Universität Kasan. Jahrgang 1858. Kasan
1858. 8.
Sammlung gelehrter Aufsätze der Universität Kasan. Band 1. Kasan
1850. 8
Journal für Mathematik. Band 56, Heft 2. Berlin 1859. 4.
Lamont, Untersuchungen über Richtung und Stärke des Erdmagnelis-
mus. München 1858. 4.
Voigtländer, Akademiker Prof. Petzval in Wien. Braunschweig
1859. 8.
Comptes rendus de !Academie des sciences, Tome 47, no. 23—26.
Tome 48, no. 1—4. Paris 1859. 4.
Überdiefs waren Empfangs-Anzeigen über die beiden neue-
sten und letzten Sternkarten hora O0 und IX von Hrn. d’Ar-
rest zu Copenhagen, d. d. 9. Febr., und von Hrn. Lichten-
Gesammtsitzung vom 24. Februar 1859. 221
berg zu Neunkirchen bei Saarbrücken, d. d. 10. Febr., einge-
gangen. Ferner über die Monatsberichte von 1858 von der K.
Societät der Wissenschaften zu Göttingen, d. d. 12. Febr.,
und über die zugesandten Abhandlungen und Monatsberichte
von der Kaiserlicb Russischen Universität zu Kasan, d. d.
12. Aug. 1858.
Folgende von der Akademie beschlossene gröfsere Unter-
stützungen für wissenschaftliche Zwecke waren durch Rescripte
des vorgeordneten K. Ministeriums genehmigt worden:
1. 150 Rthlr. zum öten Bande von Leibnizens mathematischen
Schriften für Hrn. Prof. Gerhardt in Eisleben.
2. Erhöhung der zum ?2ten Bande von Hrn. Dr. Förste-
manns altdeutschen Namenbuche früher bewilligten Summe
auf 200 Rthlr.
3. 600 Rthlr. für die neuen Schriften der akademischen Drucke-
rei zum Drucke des Corpus inscriptionum latinarum.
24. Februar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Riedel las über die Bestrebungen der Bran-
denburgischen Kurfürsten zur Erlangung der Kö-
nigswürde.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Transactions of the Cambridge Philosophical Society. Vol. X, Part 1.
Cambridge 1858. A.
Memoires de la sociele de physique de Geneve. Tome XIV, 2. Geneve
1858. 4.
Acta Academiae Naturae Curiosorum. Vol. XXVI, Pars IL, Bonnae
1858. 4.
Historia diplomatica Friderici Il. Preface et introduction. Paris 1859. 4.
Hall, Palaeontology of New-Fork. Vol.I. Albany 1847. 4.
Studer, Zröffnungsrede der 43. Versammlung schweizerischer Natur-
forscher. Bern 1858. 8.
Astronomische Nachrichten. Band 49. Altona 1859. 4.
222 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Überdiefs waren eingegangen:
4. Ein Dankschreiben der Societ@ de physique et d’histoire na-
turelle de Geneve, d. d. Genf 20. Nov. 1858, für den Em-
pfang der Abhandlungen der Akademie von 1856 und 1857,
so wie für die Monatsberichte von Januar bis August 1857
und vom Sept. 1857 bis Juni 1858.
2. Ein gleiches des Hrn. Prof. Heis in Münster für die Stern-
karten hora O und IX, d. d. 18. Febr. c. \
28. Febr. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Peters las eine Abhandlung: „Neue Beiträge zur
Kenntnifs der Chiropteren”, aus welcher hier ein kurzer
Auszug folgt.
1. Rurnoroma Geoffroy.
Es wurde von dieser Gattung bemerkt, dafs ihr die Spornen
nicht fehlen, wie man angegeben hat, sondern dals dieselben nur
knorpelig sind, und dals sie durch die Entwicklung ihrer Extre-
mitäten, namentlich durch die Gestalt ihrer Fülse und durch das
Vorhandensein von zwei knöchernen Fingergliedern am zweiten
Vorderfinger, so wie durch die Bildung ihrer Zwischenkiefer sich
unter allen Flederthieren mit spitzhöckerigen Backzähnen am
nächsten den Pteropina anschlielst.
Rhinopoma Lepsianum n. Sp., Supra dilute cinnamo-
meum, subtus Aavidum; cranium regione interorbitali cordiformi,
concava, intumescentiis anteorbitalibus nullis.
Long. a rostri apice ad caudae basin 0,076; caudae 0,066;
cap. 0,026; antibr. 0,070; crur. 0,026; exp. alar. 0,360.
Diese Art, welche von Hrn. Lepsius am blauen Nil ent-
deckt wurde, ist nicht allein durch viel beträchtlichere Grölse
und andere Färbung, sondern auch durch eine andere Gestalt °
des Schädels von Ah. microphyllum verschieden. Bei letzterer
ist der Schädel jederseits vor und über den Augenhöhlen durch
eine bereits von Geoffroy beschriebene blasige Auftreibung aus-
vom 28. Februar 1859. 2283
gezeichnet, welche bei dieser neuen Art ganz fehlt. Auch ist
das Foramem infraorbitale bei dieser letzteren viel gröfser und
von länglicher Gestalt.
2. Mecıverma Geoffroy.
Die von Gray vorgeschlagene generische Trennung der
afrikanischen Meg. Frons wird auch durch das Gebißs gerecht-
fertigt, indem die asiatischen Arten, Meg. Lyra und Meg.
Spasma (trifolium), noch einen kleinen bisher übersehenen
oberen falschen Backzahn besitzen, so dals die Gebilsformel für
dieselben folgende ist _ = : en Die Zwischenkiefer sind
bisher verkannt worden; sie bestehen jederseits aus einer sehr schma-
len aufsteigenden Knochenleiste, welche wie bei Nyeticejus u. a.
mit dem vorderen Öberkieferrande sehr früh verwachsen ist.
3. OTONYCTERIS nov. gen.
ZweiExemplare dieser neuen Gattung befinden sich im zoologi-
schen Museum, welche aus derSammlung derHrn.Hemprich und
Ehrenberg stammen sollen. Sie hat durch den Bau der Oh-
ren und des Obrdeckels die gröfste Ähnlichkeit mit der Gattung
Plecotus und war unter diesem Namen auch aufgestellt; je-
doch sind die Nasenlöcher nicht nach hinten erweitert, noch auf
der oberen Seite gelegen, sondern sie sind einfach sichelför-
mig und nach vorn gerichtet wie bei der Gattung Fespertilio.
_ In der Gestalt des Schädels nähert sich diese Gattung am mei-
sten den Nyczicejus und ebenso stimmt sie auch hinsichtlich der
Gestalt und Zahl der Zähne ganz mit. Nycticejus: (planirostris
a De Er: Vi VE Da u Te
Pet.) überein: Er Rh We rräe 30.
Otonycteris Hemprichii n. sp.; supra albescenti-brun-
neus, subtus albus, alis dilute brunneis.
Long. tota 0,110; cap. 0,025; aur. 0,030; tragi 0,015;
caudae 0,045; antibr.. 0,058; exp. alar. 0,320.
Ist diese Art übereinstimmend mit Gray’s Plecotus Christi?
4. NrericzJvs.
Hr. Graf Wilhelm von Schlieffen-Schlieffenberg
hat unter anderen sehr werthvollen ägyptischen Naturalien auch
eine kleine Fledermaus dem zoologischen Museum geschenkt,
2 [1859.] 15
ne De te
=
ee
224 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
die ich der Grölse und Färbung nach für den von Cretzsch-
mar in Rüppell’s Atlas Taf. 29. Fig. A. abgebildeten und
pag. 94 beschriebenen Fespertilio marginatus gehalten ha-
ben würde, wenn nicht ein genauer Kenner der Flederthiere,
Hr. Professor Blasius in seiner vortreflichen „Naturge-
schichte der Säugethiere Deutschlands” pag- 65 aus-
drücklich bemerkt hätte, dals die Originalexemplare von Rüp-
pell’s YFesp. marginatus durchaus mit Fesperus Kuhliü
übereinstimmten.
Das von dem Hrn. Grafen von Schlieffen in Cairo gefan-
gene Thier zeigt in der Form der Schnauze, der Ohren und des Ohr-
deckels eine sehr grofse Übereinstimmung mit Yesperus Kuh-
lii Bl. Die Gebilsformel ist aber die von Nycticejus, nämlich
Se 2 Bet en Es ist hier aber nicht etwa anzunehmen, dafs
ein erster kleiner oberer Backzahn übersehen oder ein äulserer
oberer Schneidezahn ausgefallen sei; es ist auch die Gestalt des
einzigen ganz dicht an den oberen Eckzahn angedrängten obe-
ren Schneidezahns eine andere als bei Fesperus, der Zwischen-
kiefer zugleich, wie bei Nyeticejus, schmäler als bei den ..Ves-
pertilionen mit 4 oberen Schneidezähnen. Auch der erste falsche
untere Backzahn ist verhältnilsmäfsig sehr klein, so wie er sich
bei den Nycz£icejus findet.
Nycticejus Schlieffenii n. sp.; supra rufescens, subtus
ex albo rufescens; alis fuscis.
Long.- tota 0,075; cap. 0,015; aur. 0,013; tragi 0,005;
caudae 0,032; antibr. 0,031; exp. alar. 0,200.
5. Speerrkeiium Gervais.
Hr. Gervais hat (Documents zoologiques pour servir A
la monographie des Cheiropteres Sud-Americains, Paris 1856.
Ato. pag. 51. Taf. 15. Fig. 3.) diese neue Gattung von Fleder-
thieren aufgestellt und wegen der Zahl der Schneidezähne den
Phyllostomen angereiht, obgleich sie weder ein Nasenblatt be-
sitzt noch die Zwischenkiefer einen vorn geschlossenen Bogen
bilden.
Das zoologische Museum hat ein Exemplar einer Fleder-
maus von Appun aus Puerto Cabello erhalten, welches, mit Aus-
nahme der Unterkieferzähne in jeder Beziehung, in der Gestalt,
vom 28. Februar 1859. 225.
_ Gröfse, Färbung, Bildung der Ohren, der Nase, der Unterlippe,
‚der Gliedmalsen, Flughäute, des Schädels, der Zahl und Bildung
‚der einzelnen Zähne eine so vollkommene Übereinstimmung mit
_ dem von Gervais beschriebenen Spectrellum macrourum
zeigt, dafs ich glaube, die Annahme wagen zu dürfen, dafs das
‚einzige von Hrn. Gervais untersuchte Exemplar in Beziehung
auf die unteren Schneidezähne nicht ganz vollständig gewesen sei,
um so mehr, da die Angaben, welche Hr. Gervais grade über
diesen Punkt gegeben, etwas unbestimmt sind: „Les incisives sont
petites; celles de la mächoire inferieure sont rudimentaires, l’interne
etant ä peine visible (Notre figure 3 a ne reproduit pas cette
disposition avec assez d’exactitude. La m&me dent est caduque).”
— — „La paire externe des incisives inferieures parait ir-
regulierement trilobee.” — An unserm Exemplar befinden
sich in dem Unterkiefer 6 deutlich dreilappige, quer zum Kie-
errande gestellte Schneidezähne. Die Gebilsformel würde daher
“7 Dahn &
3.3 e ns m. = 38 sein und diese Gattung nicht den
n
Phyllostomen sondern den ächten Vespertilionen, zunächst dem
yetiellus lepidus anzureiben sind.
6. Arrızevs (Leach) Gervais.
Artibeus vittatus n. sp.; supra fuscus, subtus pallidior,
striis facialibus mediaque dorsali albis.
| Long. ab occipite ad marg. pat. interf. 0,075; capit. 0,034;
aur. 0,023; prosth. 0,0135; antibr. 0,060; crur. 0,022; pat. in-
terf. 0,003.
0 Puerto Cabello. Coll. Appun.
Diese Art reiht sich in der Zeichnung dem A. lineatus
und 4. personatus an, ist jedoch viel gröfser und auch durch
das Nasenblatt verschieden, indem der untere Rand des Huf-
eifens nicht frei hervorragt, sondern mit der Schnauze ohne Ab-
satz verwachsen ist.
15°
226 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Hr. du Bois-Reymond legte eine Mittheilung des Hrn.
Dr. W. Kühne über die selbständige Reizbarkeit der
Muskelfaser, d. d. Paris 20. Febr. 1859, vor.
Es darf angenommen werden, dals die grofse Zahl chemi-
scher Körper, welche auf den Querschnitt eines lebenden Mus-
kels applicirt Zuckungen erregt, und welche niemals bei Berüh-
rung mit der motorischen Nervenfaser den gleichen Erfolg be-
stimmt, erregend auf die Substanz des Muskels selbst wirkt. Die
Annahme des Gegentheils bedingt zugleich die Vorstellung einer
gänzlichen Verschiedenheit der einzelnen Theile eines Nerven,
d. h. eines physikalischen und chemischen Unterschiedes der Ner-
venstäimme und ihrer intramuscularen Endigungen. Um die
Richtigkeit der einen oder der anderen dieser Voraussetzungen
annähernd zu ermitteln, wurde schon in einer früheren Mitthei-
lung gezeigt,') dafs die Vergiftung eines Thieres mit dem Pfeil-
gifte ganz ohne Einfluls ist auf die Erregbarkeit der Muskeln
gegenüber chemischen Einwirkungen, wodurch wir unserer Frage
bereits um einen Schritt näher getreten zu sein glaubten. Bis
heute ist allerdings erwiesen, dals das Curara zweifelsohne einen
grolsen Theil der motorischen Nerven im Muskel selbst unwirk-
sam macht; da wir aber nicht wissen, ob nicht grade die aller-
äulsersten Spitzen derselben, also die für uns wesentlichsten
Theile von dem Gifte verschont bleiben, so müssen wir uns
nach einer anderen Methode umsehen, durch welche es mit grö-
fserer Wahrscheinlichkeit gelingt, den ganzen intramuscularen
Nerven bis an den Punkt, wo er aufhört Nerv zu sein, d.h.
wo die der Contraction fähige Substanz beginnt, leistungsun-
fähig, unerregbar für die bei der directen Muskelreizung ange-
wendeten Reize zu machen. Als ein solches Mittel kennen wir
den constanten Strom, welcher an irgend einer Stelle den mo-
torischen Nerven durchflielsend, die Erregbarkeit desselben für
alle zur Seite der positiven Elektrode gelegenen Punkte herab-
setzt, sowohl für den Reiz von Stromesschwankungen, die eine
gewisse Gröfse nicht übersteigen, als für den Einfluls erregend
wirkender chemischer Agentien. Der Erfolg directer elektri-
scher Reizung des Muskels unter diesen Umständen ist bekannt:
°) Diese Berichte, 10. Febr. d. J. Vergl. oben S. 186.
vom 28. Februar 1859. 227
der Muskel bedarf eines stärkeren Stromes um in Zuckung zu
verfallen nach Applicirung des constanten Stromes auf seinen
_ Nerven, als vorher.
Selbstverständlich kann der Versuch in dieser Form die
_ Frage von der Muskelirritabilität nicht beantworten. Wir kön-
nen wohl mit Sicherheit schlielsen, dafs der Nerv dem Einflusse
des lähmenden Stromes in seiner ganzen Ausdehnung unterliegt,
was allein schon den beobachteten Vorgang erklärt, wir wissen
aber zur Zeit noch nicht, inwieweit die Erregbarkeit des Mus-
kels selbst dabei verändert wird. Die chemische Reizung ist
hier der geeignete Weg, den wir in folgender Weise ein-
schlugen.
Der Musculus sartorius Guy. des Frosches wurde isolirt,
_ sein Nerv bis zu seinem Abgange vom Stamme des Ischiadicus
herauspräparirt, dort abgeschnitten und das so erhaltene Präparat
mit grölster Schonung aller Theile in einen passenden Apparat
eingehängt, welcher so eingerichtet war, dafs der Nerv dicht vor
seinem Eintritt in den Muskel die beiden Zinkelektroden einer
kleinen viergliedrigen Grove’schen Kette überbrückte, während
der Muskel selbst an seinem unteren sehnigen Zipfel durch eine
Klemme gehalten mit dem entgegengesetzten Ende, seinem Ur-
sprunge vom Os ilium, senkrecht herabbing. Schlufs der Kette
in aufsteigender Richtung bedingt beim ganz frischen Muskel
keine Zuckung, die Wirkung derselben zeigt sich aber sofort in
seiner herabgesetzten Erregbarkeit, welche wir durch Schlielsung
und Öffnung eines einfachen Daniell’schen Elements, das nach
Einschaltung eines Rheochords als directer Muskelerreger ver-
wendet wurde, constatirien. Nach Öffnung der Kette, deren
Strom den Nerven durchflols, tritt eine Zuckung ein und damit
ist der Vorversuch beendet. Jetzt wurde dicht über dem äu-
- Ssersten herabhängenden Ende des Muskels ein Schnitt senkrecht
auf die Richtung sämmtlicher Primitivbündel geführt und damit
der Querschnitt aller Fasern gleichzeitig dem chemischen Reize
zugänglich gemacht, Als erregende Körper wählen wir hier
vorzugsweise diejenigen, von welchen schon früher gezeigt wurde,
dals sie ausschlielslich bei directer Reizung, niemals vom Ner-
venstamme aus Zuckungen erregen.
228 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Bei gut erhaltenen, in allen Stücken erregbaren
Muskeln haben wir nun ohne Ausnahme beobachtet,
dafs Salzsäure in jeder Goncentration, bis zu einer
tausendfachen Verdünnung mit Wasser hinab, die
Lösungen der Alkalien, Lösungen vieler Metallsalze,
des schwefelsauren Kupferoxyds bis zu einem Ge-
halte von nur 4°',, die Lösungen der Chloralkalien,
verdünntes Glycerin, so wie verdünnte Milchsäure
und vieleandere unter jeden anderen Umständen eben-
falls auf den Muskelquerschnitt erregend wirkende
Körper, eine über die ganze Länge des Muskels ver-
laufende Zuckung hervorrufen, selbst wenn der Nerv
desselben der Wirkung des aufsteigenden constan-
ten Stromes unterliegt.
Vor und nach der Ausführung des chemischen Reizversu-
ches zeigte der mit der elektrischen Reizung angestellte Con-
trolversuch, dafs die Erregbarkeit des Muskels laut der Aussage
unseres Rheochords dennoch gesunken war. Der constante
Strom ist aulserdem ganz ohne Einfluls auf die durch die Dämpfe
des Ammoniaks entstehenden Zuckungen und den darauf folgen-
den Tetanus, ebenso wie auf die, durch längeres Verweilen in
destillirttem Wasser, oder durch mechanische Mifshandlungen des
Muskels erzeugten Contractionen. Die Erscheinungen bleiben
ferner ganz dieselben, wenn man den Reiz an irgend einem an-
deren unterhalb der Eintrittsstelle des Nerven gelegenen Orte des
Muskels anbringt, und das Resultat bleibt unbeeinträchtigt, wenn
das ober- oder unterhalb des Nerveneintritts gelegene Stück als
unmittelbar betroffene Stelle beansprucht wird. Flüssigkeiten,
welche sonst überhaupt niemals bei momentaner Berührung mit
dem Muskelquerschnitt Zuckungen erregen, sind ebenfalls ohne
Wirkung, wenn der Nerv des Präparats von dem constanten
Strome durchflossen wird, einerlei welche Richtung man dem-
selben gegeben.
Da wir nun voraussetzen dürfen, dafs die Abnahme der Er-
regbarkeit in den zur Seite der positiven Elektrode gelegenen
Theilen des Nerven, sich überall, selbst auf die äufsersten Enden
desselben innerhalb der Primitivbündel, erstreckte, so ziehen wir
aus unseren Beobachtungen den Schluls, dafs der Muskel
vom. 28. Februar 1859. 229
ganz unabhängig von seinem motorischen Nerven,
durch die angeführten chemischen Agentien erregt
werden kann, und dals sich diese Erregung ganz so,
wie in den Nervenfasern von Querschnitt zu Quer-
7 schnitt fortzupflanzen vermag, selbst wenn der ur-
sprüngliche Reiz von rein localer Natur war.
Hr. Magnus theilte folgende Untersuchung des Hrn. Dr.
R. Weber, Hülfslehrer am Königl. Gewerbe-Institut, mit:
Der fünffach Chlorphosphor, welcher durch die Untersu-
chungen der Hrn. Cahours und Gerhardt ein wichtiges
Mittel geworden ist viele Chlorverbindungen organischer Radi-
kale darzustellen, ist auch im Stande eine grolse Zahl anorgani-
scher Verbindungen zu zersetzen und in Chlorverbindungen über-
zuführen.
| Sehr viele von den in der Natur vorkommenden und künst-
lich erzeugten Oxyden oder deren Verbindungen, welche sehr
energisch wirkenden Reagentien oft hartnäckig widerstehen,
- lassen sich unter bestimmten Umständen durch den fünffach
Chlorphosphor leicht so zersetzen, dals sie in Chlorverbindungen
verwandelt werden.
Diese Zersetzung wird dadurch erreicht, dafs man die Dämpfe
des Chlorphosphors über das glühende Oxyd leitet. Die ein-
fache Vorrichtung, welche hierfür angewandt wurde, besteht in
einer 7—8 Zoll langen Röhre aus schwer schmelzbarem Glase,
die an einem Ende zugeschmolzen und knieförmig gebogen ist. Der
offene Schenkel des Rohrs wird von einer passenden Drathklemme
horizontal gehalten und kann an der Stelle, wo das Oxyd sich
‚befindet, durch eine Gaslampe beliebig stark erhitzt werden. Der
Chlorphosphor wird zuvor in den kürzeren zugeschmolzenenSchenkel
gebracht; durch Erwärmen desselben erzeugt man, sobald das Oxyd
bis zum Glühen erhitzt worden ist, einen mälsig starken Dampf-
strom. Die durch die Wechselwirkung erzeugten flüchtigen
Produkte werden zum grofsen Theile in einem vorgelegten Rea-
genzgläschen aufgefangen.
230 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Kieselsäure im Zustande wie sie bei der Bereitung der Kie-
selflulssäure erhalten, oder wie dieselbe bei Analysen von Si-
licaten ausgeschieden wird, wurde, nachdem sie heftig geglühet
worden, noch warm in das Rohr gebracht und bis zum Glühen er-
hitzt. Alsdann wurden die Dämpfe des Chlorphosphors darüber
geleitet. Es entstanden sofort weilse Nebel, welche zu einer
farblosen Flüssigkeit in dem vorgelegten Glase sich verdichteten.
In kurzer Zeit erhält man eine hinreichende Menge des Destil-
lats, während die Kieselsäure sichtlich abnimmt. Die überge-
gangene Flüssigkeit ist gewöhnlich durch etwas unveränderten
fünffach Chlorpbosphor getrübt. Mit wenig Wasser gemischt
erhitzt sich dieselbe nach wenigen Augenblicken sehr stark, es
entweichen saure Dämpfe und es bildet sich die für die Kiesel-
säure so charakteristische Gallerte, welche mit mehr Wasser in
Berührung gebracht, sich nicht wieder auflöst. Mit der Isoli-
rung des so gebildeten Chlorsiliciums ist der Verfasser noch be-
schäftigt.
Wird statt der höchst fein zertheilten Kieselsäure Quarz-
pulver angewendet, so ist der Vorgang derselbe, nur erfolgt die
Zersetzung wegen der kleineren Oberfläche langsamer.
Die Glasröhren widerstehen selbst in starker Glühhitze der
Einwirkung des Chlorids sehr gut, bei längerer Dauer des Ver-
suchs wird indessen der Angriff merkbar. Es finden sich dann
geringe Mengen von Chlorsilicium unter den Destillationspro-
dukten, selbst wenn Körper in die Röhre gebracht worden wa-
ren, welche keine Kieselsäure enthielten.
Unter gleichen Umständen wurden mit der Titansäure Alüch-
tige Chlorverbindungen erhalten, welche, wenn sie mit Vor-
sicht in eine grölsere Menge von Wasser gebracht wurden,
eine Lösung von Titantäure bildeten, in der durch Kochen ein
starker Niederschlag entstand.
Stark geglühete Zinnasche wird in der Glühhitze schnell
zersetzt; das flüchtige Chlorid giebt sich sogleich durch den
starken Dampf, der aus der Röhre strömt, zu erkennen.
Interessant ist die Zersetzung der Thonerde. Möglichst
sorgfältig bereitete, scharf geglühete Thonerde von schnee-
weilser Farbe, wurden wie oben behandelt. Zunächst der glü-
henden Stelle condensirte eine schwer flüchtige Verbindung von
vom 28. Februar 1859. 231
Chloralumium mit Chlorphosphor. Aufser dieser Verbindung
sublimirte der unveränderte Chlorphosphor mit den durch die
Oxydation desselben entstandenen flüssigen Produkten.
Die Verbindung von fünffach Chlorphosphor mit dem Chlor-
alumium ist von Hrn. Dr. Weber auch durch directe Verei-
nigung beider Chloride erhalten worden. Dieselbe ist fast weils,
leicht schmelzbar, und viel schwerer flüchtig als jedes der
Chloride für sich. Hierauf gründet sich das Verfahren dieselbe
vom Überschuls des Chlorphosphors zu befreien, der bei der
Bereitung im Überschusse zugesetzt worden ist. Die geschmol-
zene Masse erstarrt beim Erkalten krystallinisch. Ihre Zusam-
_ mensetzung wurde durch zwei Versuche bestimmt, welche mit
einander sehr gut übereinstimmen und zu der Formel:
All; + PCI,
führen.
Diese Verbindung hat viel Ähnlichkeit mit den Verbindun-
gen des Chloraluminiums mit Chlorselen und Chlortellur.
Auch der Corund, späthiger von Miasc, liels sich zersetzen.
> Das abgeschreckte Mineral wurde in einem Stahlmörser fein ge-
pulvert. Die Zersetzung desselben erfolgte erst bei starker Glüh-
hitze; im Übrigen aber waren die Erscheinungen dieselben wie
bei der Thonerde.
A Auch auf natürlich vorkommende Verbindungen von Oxyden
ist dies Verfahren mit Erfolg angewendet worden. Viele der
hierher gehörigen Mineralien werden nur durch andere, selbst
die stärksten Reagentien schwer angegriffen.
Titaneisen von Egersund wird als feines Pulver durch Phos-
‚phorchlorid leicht aufgeschlossen. Bringt man den Theil der
Glasröhre in welchem sich die Chloride von Eisen, Titan
etc. abgesetzt haben, in eine hinreichende Menge Wasser, so
erhält man eine fast klare Lösung in der durch Kochen ein star-
ker Niederschlag entsteht.
Hierauf möchte sich vielleicht ein Verfahren gründen las-
sen, die Titansäure in andern Mineralien und Niederschlägen
leicht aufzufinden.
Die Mineralien der Spinellgruppe werden mehr oder weni-
- ger leicht von Phosphorchlorid afficirt. Chromeisenstein von Unst
[1859.] 16
232 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
wird als feines Pulver leicht angegriffen, es entweicht dabei das
flüchtige Chlorid des Eisens in Verbindung mit dem fünffach
Chlorphosphor.
Franklinit von Sparta in Amerika verhält sich ebenso.
Das im Stahlmörser bereitete feine Pulver klarer, röthlicher
Octaeder von Spinell von Ceylon ist ebenfalls bei Glühhitze
durch den Dampf des Chlorphosphors zersetzt worden; die Zer-
setzung erfolgt zwar nicht leicht, aber doch bildet sich bald
eine hinreichende Menge des schwer Hüchtigen, Chloralumium
enthaltenden, Destillats, das sich in Wasser vollständig löst und
durch Ammoniak stark gefällt wird.
Bis jetzt läfst sich noch nicht entscheiden ob die Zersetzung
des Chromeisensteins eine vollständige ist; die fremden Ein-
schlüsse des Minerals, die geringe Flüchtigkeit des Chromchlo-
rids erschweren die Entscheidung dieser Frage, mit deren sorg-
fältiger Prüfung der Verfasser noch beschäftigt ist.
Leichter als jene Verbindungen werden einfache Oxyde auf-
geschlossen, viele derselben zeigen sogar beim gelinden Er-
hitzen im Dampfe des Chlorphosphors eine lebhafte Glüher-
scheinung.
Ein gerades 5—6 Zoll langes unten zugeschlossenes Glas-
röhrchen genügt für diese Versuche. In das Rohr wird zu-
nächst etwas Chlorphosphor gebracht, darauf das geglühete Oxyd.
Mit einer kleinen Flamme erhitzt man zuerst dies und erzeugt
dann Dämpfe des Chlorids. Sehr leicht und schön zeigt das
Erglühen das Cadmiumoxyd, und fast ebenso die calcinirten Man-
gan- und Kobaltoxyde.
Ein besonders schönes Licht aber entwickelt die Magnesia.
Selbst das verglimmte, unlösliche Chromoxyd erglühet stark, da-
bei sublimirt violettes Chlorid. Beim Eisenoxyde, das gleich-
falls erglüht, tritt das gebildete Eisenchlorid in Verbindung mit
fünffach Chlorphosphor.
Auch diese Verbindung ist direct durch Vereinigung beider
Chloride erhalten worden; dieselbe ist braun gefärbt, leicht
schmelzbar, und schwerer flüchtig als die Chloride für sich, ein
Verhalten worauf sich, wie in der analogen Aluminiumverbin-
dung, die Abscheidung des überschüssigen fünfach Chlorphos-
phors gründet.
vom 28. Feöruar 1859. 233
Zwei übereinstimmende Analysen der Verbindung führen zu
‚der Formel:
ihr De,
Bei minder stabilen Sauerstoffverbindungen erfolgt schon bei
gewöhnlicher Temperatur die Zersetzung.
Hierher gehört die Jodsäure. Ein Gemenge von arseniger
Säure mit dem Chloride verwandelt sich nach kurzer Zeit, ohne
äufsere Erwärmung, unter starker Erhitzung in eine farblose
‚Flüssigkeit. Arsensäure entwickelt mit dem Chloride gelinde
erwärmt Chlor. Molybdänsäure wird bei gewöhnlicher Tempe-
ratur gebräunt etc.
Der Einfluls des fünffach Chlorphosphors erstreckt sich auch
auf viele Salze. Salpetersaures Silberosyd wird davon zerlegt;
desgleichen chlorsaures Kali.
Ferner wirkt dasselbe bei der Glühhitze zersetzend auf den
Wolfram, auf Schwerspath, phosphorsaures Natron etc.
Mit den hierher gehörigen Versuchen, sowohl die näheren
Umstände der Zersetzung als auch die Zersetzungsprodukte be-
treffend, ist Hr. Dr. Weber noch nicht zum Abschluls ge-
kommen.
Das Verhalten der Borsäure, womit derselbe gleichfalls be-
schäftigt ist, hat noch zu keinem ganz sicheren Resultate ge-
führt, da die Schmelzbarkeit der Borsäure die Untersuchung sehr
erschwert.
Die Ursache der erwähnten energischen Wirkungen des
fünffach Chlorphosphors möchte wohl eine mehrfache sein. Zu-
nächst kommt die überwiegende Verwandtschaft des Phosphors
zum Sauerstoff in Betracht, ebenso die grolse Affinität des Chlors
zu vielen Radicalen.
Durch diese entsteht Phosphoroxychlorid, das sich, wenig-
stens so weit es hat bis jetzt ermittelt werden können, stets
‚unter den überdestillirenden Zersetzungsprodukten findet. Die-
ser Körper entsteht nämlich auch auf directem Wege. Bloch
fand schon, dafs die Dämpfe des Chlorids über wasserfreie Phos-
phorsäure geleitet, von dieser aufgenommen wurden. Er hielt
die entstandene Flüssigkeit für eine Verbindung aus gleichen
Äquivalenten von Chlorid und Säure.
16*
234 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 28. Februar 1859.
Der Verfasser hat gefunden, dafs wenn wasserfrei Phos-
phorsäure und Phosphorsuperchlorid im festen Zustande mit ein-
ander gemengt, und gelinde erwärmt werden, eine farblose Flüs-
sigkeit erhalten wird, deren Zusammensetzung nach zwei über-
einstimmenden Analysen sehr genau mit der von Wurtz auf-
gestellten Formel P€l,; O, des Oxychlorids übereinstimmt, wel-
ches dieser bekanntlich nach einer ganz anderen, freilich weniger
directen Weise erhalten hat, wie es überhaupt auf verschiedene
Weisen dargestellt werden kann. Mit Rücksicht bierauf läfst
sich wohl annehmen, dafs bei der Bereitung des Oxychlorids
durch Destillation des Chlorphosphors mit Oxalsäure, krystalli-
sirter Borsäure etc., zunächst aus einem Theile des Chlorphos-
phors durch den Einfluls des mit der Säure verbundenen Was-
sers Phosphorsäure gebildet wird, die sich dann mit dem übrigen
Chlorid verbindet, in ähnlicher Weise wie dies auf directem
Wege bei Anwendung von wasserfreier Phosphorsäure geschieht.
Um mit dieser das Oxychlorid zu erhalten, thut man gut einen
Überschufs derselben anzuwenden, da das überschüssige Chlorid
sich leicht dem Oxychlorid beimengt.
IND
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat März 1859.
» Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg.
3. März. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Braun gab Nachträge zu seiner früheren Abhandlung
über die Parthenogenesis bei Pflanzen, indem er insbe-
sondere die Keimung von Caelebogyne, und die dieser Gat-
tung häufig zukommende Polyembryonie beschrieb.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur-
‚den vorgelegt:
Memorie dell I. R. Istituto veneto di scienze. Vol. VII, Parte 2. Vene-
zia 1858. 4.
Atti dell’ I. R. Istituto veneto di scienze. Tomo IV, Dispensa 1. 2. 3.
Venezia 1858—59. 8.
Annales des mines, Tome XIII, no. 3. Paris 1858. 8. Mit Rescript
vom 23. Febr. 1859.
Maury, Erplanations of sailing directions. Vol.I. Ed. VII. enlarged
and improved. Washington 1858. 4. Mit Rescript vom 26. Fe-
bruar 1859.
Memoires de la societe des sciences naturelles de Strasbourg. Tome V,
Livr. 1. Strasbourg 1858. 4.
Revue archeologique. 15me annee, Livr. 14. Paris 1859. 8.
Annuaire des cing departements de l’ancienne Normandie. Annee 25.
Paris 1858. 8.
Bulletin monumental, par M. de Caumont. Vol. XXIV. Paris 1858. 8.
[1859.] 17
236 Gesammtsitzung
Catalogue of the collection of splendid manuscripts, formed by Guglielmo
Libri. (London 1859.) 8.
Flora batava. Aflevering 184. Amsterdam 1859. 4.
Stanislas Julien, Aeponse mesurde 4 un libelle injurieuxr de Mr. Reinaud.
Ed. II. (Paris 1859.) 8.
Chr. Fr. Walther, Carmina latina duo. Petropoli 1858. 4. Mit
Schreiben des Hrn. Verfassers, d. d. Petersburg 3. Febr. 1859.
Hiernächst wurde ein Dankschreiben der Societe des sciences
naturelles de Strasbourg, d. d. 24. Febr. 1859 für Empfang der
Abhandlungen der physik.-mathem. Klasse vom Jahre 1856 und
der Monatsberichte von 1856 bis Aug. 1857 vorgetragen.
10. März. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Klotzsch las über Linn&’s natürliche Pflan-
zenklasse Tricoccae des Berliner Herbarium’s im
Allgemeinen und die natürliche Ordnung Euphor-
biaceae insbesondere. (Auszug.)
Carl von Linne, in seiner Philosophia botanica vom
Jahre 1751,') versuchte nach einer natürlichen Methode, die er
als fragmentarisch bezeichnet und welche der fernern Forschung
empfohlen wird die Gattungen, welche ihm damals bekannt wa-
ren, zu gruppiren. Eine dieser Gruppen nennt er Tricoccae,
und obgleich sie, wie die Übrigen jeder Charakteristik entbehrt,
so sieht man doch mit Bestimmtheit aus der Zusammenstellung
der dahingezogenen Gattungen, was er meinte und. wollte und
es kann darüber kein Zweifel sein, dals er sie in demselben
Sinne, wie ich auffalste.
Anton Lorenz von Jussieu substituirte für diese Gruppe
im Jahre 1774?) den Namen Euphorbiae.
t) Stockholmiae apud Godofr. Kiesewetter, p. 32, n. 47.
*) Antonii Laurentii de Jussieu, Gen. plantarum secundum Ordines
naturales disposita. Turici Helvetorum 1791, p. 423.
vom 10. März 1859. 237
Adrian von Jussieu schrieb im Jahre 1824 eine Mono-
g aphie der Euphorbiaceen ’), eine sehr fleilsige und für die da-
_ malige Zeit ausgezeichnete Arbeit, in welcher derselbe alles, was
Linn€ unter Trieoccae und Anton Lorenz von Jussieu
unter Euphorbiae zusammenfalsten in sechs Sectionen vertheilt.
Erste Seetion: Fruchtfächer 2-samig. Staubgefälse in be-
stimmter Zahl, unterhalb des centralen Pistillrudiment’s einge-
fügt. Zweite Section: Fruchtfächer 2-samig. Staubgefälse
in bestimmter Zahl das Centrum der Blüthe einnehmend. Dritte
Section: Fruchtfächer einsamig. Blüthen gewöhnlich mit Blü-
thenblättern versehen, in Bündel, Ähren, Trauben oder Rispen
mit einer bestimmten oder unbestimmten Zahl Staubgefälse.
Vierte Section: Fruchtfächer einsamig. Blätter blumenblatt-
4.
los, in zusammengehäuften Ähren, selten fast traubenartig.
Fünfte Section: Fruchtfächer einsamig. Blüthen blumen-
A BE 1 a TE
blattlos mit einer bestimmten Zahl Staubgefälse, von grolsen
Bracteen gestützt, welche in Ähren oder Kätzchen stehen,
SechsteSection: Fruchtfächer einsamig. Blüthen blumenblatt-
05, einhäusig, eingeschlossen, von einer allgemeinen Hülle umgrenzt.
Bartling in Göttingen*), dem das grolse Verdienst ge-
bührt, der erste gewesen zu sein, der auf die Wichtigkeit und
die Unterschiede von Klassen und Ordnungen in der botanischen
Systemkunde hinwies, erhob zwar die von Linn& aufgestellte
Klasse, brachte aber sehr entfernt stehende Ordnungen, wie die
Stackhauseae, Empetreae, Bruniaceae, Rhamneae, Aquifoliaceae,
Pittosporeae, Celastrineae und andere hinzu. Er lieferte dadurch
den Beweis, dals er den Sinn, den Linn& in seine Gruppe ge-
gt, milsverstanden hatte. Eigentlich gehören nur die Euphor-
biaceae, welche seine 217te Ordnung bilden, hierher. Die Ein-
teilung folgt genau der von Adrian von Jussieu im Jahre
24 vorgeschlagenen, indem seine Section A. Buxea, der er-
sten Section von Jussieu, B. Phyliantha, der zweiten Section
desselben Verfassers. C. Aicinea, der dritten Section. D. Aca-
*) Adriano de Jussieu, de Euphorbiacearum generibus medieisque ea-
zumdem viribus Tentamen. Paris, 1824.
*) Fr. Th. Bartling, Ordines naturales plantarum. Gottingae, 1830.
1%
238 Gesammtsitzung
Iyphea, der vierten Section. E. Hippomanea, der fünften Sec-
tion und F. Euphorbiae, der sechsten Section des Adrian von
Jussieu entspricht. f
John Lindley, im Jahre 1832°), umfalst in seiner 88sten
Ordnung Euphorbiaceae die ganze Klasse der Linn&’schen Zri-
coccae. Vier Jahre später°) nimmt derselbe Verfasser eine Klas-
seneintheilung an, die er mit dem Namen Verbindungen be-
zeichnet, in welcher als vierte Allians seine Euphorbiales aufge-
stellt und diagnosirt werden. Allein auch bier entspricht nur
die Ordnung Euphorbdiaceae den Trricoceis und die übrigen hier-
her gezogenen Ordnungen, wie Ernpetraceae, Stackhousiaceae,
Foauquieraceae, Celastraceae, Hippocrateae, Trigonieae, Staphy-
leaceae, Malpighiaceae und Erythroxylese müssen anderweitig
untergebracht werden.
Von Martius in München, einer der verdienstvollsten Bo-
taniker und zugleich eines der ältesten correspondirenden Mit-
glieder der hiesigen Akademie der Wissenschaften substituirt im
Jahre 1835”) statt Klasse Cohors und statt der Tricoccae Coc-
eiferae. Allein auch er bringt die Stockhausieae, welche zur
Klasse der Rhamnanthen und die Ernpetreae, die zur Klasse der
Diospyranthen gehören mit Unrecht hierher.
Der zu früh für die Wissenschaft verstorbene Endlicher
in Wien?) folgte Hrn. von Martius in Bezug auf den Um-
fang der Klasse, und Adrian von Jussieu und Bartling in
der Eintheilung der Euphorbiaceen, im Jahre 1839.
Adolph Brongniart, der Stolz der französischen Bota-
niker, der im Jahre 1843 ein kleines aber höchst gediegenes
Werk?) über die systematische Eintheilung der Pflanzen publi-
eirte, das seit jener Zeit mehrere Auflagen erlebte, falst die
Klasse der Tricoecae im Sinne Linn&@’s, bezeichnet sie aber
als Crozoninae und bringt, was allgemeine Billigung finden wird
die Antidesmeen als Ordnung hinzu.
°) Introduction to the natural System of Botany. London, 1832.
°) Natural System of Botany. London, 1836.
- ”) Conspectus Regni vegetabilis. Nürnberg, 1835.
°) Endlicher, Genera plantarum secundum Ordines naturales dispo-
sita. Vindobonae 1836— 1840,
°) Ad. Brongniart, Enumeration des genres de plants. Paris, 1843.
| N vom 10. März 1859. 239
0. Grisebach'?) in Göttingen nennt das was Bartling
und Endlicher Klasse und von Martius als Cohors bezeich-
nen Nixus. In einer rühmlichen Weise hat er es versucht die
" Unterschiede des Endosperms und Perisperms für die botanische
Systemkunde in Anwendung zu bringen.
Dagegen ist ihm mit Unrecht von mehreren Seiten das
_ Verdienst vindicirt worden, der erste gewesen zu sein, der die
Gruppe der dicotylen apetalen Angiospermen unter den pleio-
etalen Gewächsen dieser Pflanzenabtheilung vertheilt habe. Al-
| "] ein dies war vor ihm von A. Brongniart bereits geschehen.
uch er begeht den Fehler seinen Nixus, den er nach von
Martius als Coceiferae bezeichnet mit sehr entfernt stehenden
Ordnungen bereichert zu haben, indem er die Polygaleen, Tre-
mandreen und die Trigoniaceen hinzubringt.
Im Jahre 1841 '') brachte ich die Mutis’sche Gattung Pera,
zu der sich noch einige andere Gattungen gesellten, hinzu. Ich
bezeichnete diese Gruppe als Prosopidoclineae, die eine Annähe-
zung zu den Myristicaceen zeigt und in der That von dem ver-
storbenen Professor Kunth als dahin gehörig betrachtet wurde,
in dem er ein Gewächs als Myristica orinocensis (Humb. Bonpl.
et Kunth. Nova genera et species vol. VII), beschrieb, das mei-
|
|
ser Gattung Schismatopera nicht unäbnlich sieht.
Diese eigenthümliche Pflanzengruppe wurde sowohl von
Endlicher (Gen. plant. Suppl. II. p. 78) als auch von Bent-
am (Hooker’s Journal of Botany and Kew Garden Miscellany,
vol. V, p. 1) anerkannt. Von ihr ist nicht bekannt, ob sie einen
Milchsaft enthält. Sie gehört zu der Abtheilung mit einem Ei
jedem Fache, ist dioecisch, enthält in ihren fruchtbaren Blü-
then meist die Rudimente des zweiten Geschlechts und mehrere
ihrer Blüthen, gewöhnlich in bestimmter Zahl, werden von einer
kap zenförmigen Hülle eingeschlossen, die entweder an der einen
Seite sich öffnet oder in zwei Klappen aufschlitzt. Aufserdem
ist hier statt der Strophiola eine mantelförmige Samendecke, die
h einahe die Hälfte des Samens einschliefst, vorhanden, und das
— *°) Grisebach, Grundrils der systematischen Botanik. Göttingen,
ost
} **) Erichson, Archiv, v. VII, p. 178.
240 Gesammtsitzung
Endosperm kömmt in geringerer Menge vor als bei den übrigen
Ordnungen, welche zur Klasse Trieoccae gehören.
ZusEnde des vorigen Jahres, erschien eine gröfsere Arbeit
über diesen Gegenstand von einem Franzosen Baillon'?),
welche die ganze Lina@’sche Klasse Tricoccae umfalst und in
der sich der Herr Verfasser über 1) Organographie, 2) Organo-
genie, 3) geographische Verbreitung, 4) Verwandtschaften und
5) über die Eintheilung in Tribus ausläfst; auch die Beschrei-
bungen der Gattungen liefert; sogar in den meisten Fällen die
dahin gehörenden ihm bekannten Arten citirt. Was die fran-
zösische Literatur betrifft, die in diesem Werke niedergelegt
ist, so habe ich sehr viel daraus gelernt. Es sind eine Anzahl
Arbeiten darin aufgeführt, in denen man über die Systematik
der Tricoccae kaum etwas vermuthen sollte. Die hierauf be-
zügliche Literatur der Italiener, Engländer und Deutschen da-
gegen ist nicht ohne Lücken. In Bezug auf Organographie,
Organogenie und geographische Verbreitung, enthält die Arbeit
viel Gutes. Zieht man jedoch in Betracht, dafs er das schöne
und reichhaltige Material, welches das Mus&um d’Histoire natu-
relle von Paris besitzt, mit dem das hiesige Herbarium in Tausch-
verbindung steht und in welchem die meisten der von mir auf-
gestellten neuen Gattungen sich in Originalexemplaren befinden,
so begreift man kaum, wie es möglich war, dafs er was die
Eintheilung der Tricoccae und die Feststellung der Gattungen
betrifft, sich zu einem solchen Verkennen des wesentlichen vom
unwesentlichen verleiten lassen konnte. Wir haben gesehen,
wie bei Adrian von Jussieu die Klasse Tricoccae in 6 Ab-
theilungen zerfällt. Hr. Baillon theilt sie in 14 gleichwer-
thige Gruppen. Seine erste Serie entspricht der sechsten Ab-
theilung von Adr. von Jussieu oder den Euphorbieen von
Endlicher, nur dals er die Gattungen Dalechampia und An-
thostema daraus entfernt. In Bezug auf erstere Gattung hat er
recht, in Bezug auf Anthostema nicht. Er hat verkannt, was
hier von und ohne Werth ist, er hat hier die richtige Deutung
der Blüthenorgane milsgedeutet. Das Involucrum ist bei ihm
‘?) M.H. Baillon, Etude generale du groupe des Euphorbiacees. Pa-
ris, 1858.
vom AO. März 1859. 241
ein Kelch, der einhäusige Blüthenstand, der vom Involucrum ein-
eschlossen wird eine Zwitterblüthe. Nur aus der unrichtigen
eutung der Biüthenorgane von den Euphorbieen und Pedilan-
theen wird es erklärlich, wie er Anthostema von den wahren
| uphorbiaceen trennen konnte. Er vereinigt nämlich Antho-
stema, Dalenbertia, Algernonia, Ophthalmoblapton, Commia, Te-
fraplandra ınd Pachystemon als dielinisch-monöcische Gewächse
in seiner nunten oder letzten Gruppe der Uniovulaten mit der
_ Bezeichnung Anthostemideae, nur weil die männlichen Blüthen
‘ blols ein Staubgefäls besitzen, während der eigentliche Un-
erschied der echten Euphorbiaceen darin besteht, dals der Pe-
dicellus nittelst einer geschlossenen Gliederung mit dem auf-
sitzenden Staubgefäls verbunden ist. Dalechampia, die nicht in
3 Untergattungen, wie Hr.:Baillon annimmt, sondern in zwei
wirkliche Gattungen zerfällt, bringt er zwar zu seiner sechsten
r btheilurg, die der vierten Section von Adrian von Jussieu
und der Tribus Acalypheae von Endlicher entspricht, allein
zieht auch Gattungen in diese Abtheilung, die nicht dahin
gehören ınd von ihm nur dazu gerechnet werden, weil sie blu-
menblattlo; sind, wie z. B. Cephalocroton (eine Crotonee). Seine
zweite, drite und vierte Serie fällt mit Endlicher’s Tribus
Crotoneae, die der dritten Abtheilung Adrian von Jussieu’s
entspricht ınd nur eine Tribus der Acalyphaceen ist, über-
- Die finfte Serie, die er aufstellt, ist nicht gleichwerthig
den Trius verschiedener zur Klasse der Tricoecae gehören-
der Familien, sondern bildet eine eigene Ordnung Peraceae.
Seine sechste Gruppe, die er mit dem Buchstaben F. be-
eichnet, gehirt mit einigen Ausnahmen den Acalypheen von
dlicher oler der vierten Abtheilung von Adrian von
Jussieu an, üe wie schon gesagt nur eine Tribus der Ord-
nung Acalyphaceın ausmacht. Seine mit G. bezeichnete Gruppe
mfalst Endlich:r’s Hippomaneen oder die fünfte Abtheilung
von Adrian vonJussieu, die ebenfalls zur natürlichen Ord-
hung der Acalypha@en gehört. Die Serie H. oder seine achte
Gruppe gehört eberalls zu einer Tribus der Acalyphaceen (Cro-
Die Serie '. mit Ausnahme von Anthostema zu den
‚Hippomaneen. Mit de Serie J. beginnen die Biovulaten. Von
ler SerieL. bis zur Seie M. sind die Buxeen und Pbyllantheen,
242 Gesammtsitzung
die zwei sehr unterscheidbare natürliche Familien bilden, bunt
durcheinander geworfen. Die Serie N., die durch Callitriche L.
vertreten werden soll, hat von Lindley I. c. einen angemesse-
nern und passendern Platz erhalten. Nur in einer Beziehung,
meine ich, hat er recht, dals er A. Brongniart folgt und die
Antidesmeen mit einfächrigen, ein- und zweieiigen Truchtknoten
der Klasse Tricoccae einverleibt.
Mit der Eintheilung der Gruppen im Pflanzenreche hat es
eben so gut seine Schwierigkeiten, wie mit der Feststellung von
Gattungen und Arten. Jede neue Deutung der Organe, jede
neue Entdeckung eröffnet eine neue Fernsicht. Schon die Ge-
schichte der Systematik lehrt uns, wie so viele vergebliche Ver-
suche gemacht wurden durchgreifende Kennzeichen aufindig zu
machen, die als Leitfaden für das Auffinden der Gruppen dienen
sollten. Bald wurde die Insertion der Staubgefälse benutzt,
bald das Verwachsen des Kelches mit dem Fruchtknoten ein an-
dermal die Zahl der Fruchtblätter, welche den Stempel bilden,
hinwiederum die An- oder Abwesenheit des Endosptrms und
Perisperms, auch wohl die Consistenz desselben oder die Form
und Lage des Embryo’s. Wenngleich die eiweilslosn Samen
im Gegensatz zu den eiweilshaltigen und die Beschaf£nheit des
letztern bei den monocotylen Angiospermen sehr dur:hgreifende
Kennzeichen liefern, so ist dies doch bei den dicotylen Angio-
spermen keineswegs der Fall. In dieser Gruppe, die den gröfs-
ten Theil aller phanerogamischen Gewächse enthält unterschei-
det der Scharfblick zwar Gruppen, allein er milslätet zuweilen
doch, namentlich wenn er das Studium der Ertwicklungsge- |
schichte auf den Stand der Placenten, die Verkimmerung der
Blüthenhülltheile und die Richtung des Würzelciens unberück-
sichtigt läfst.
Die Aufgabe des Systematikers ist nun de, dafs er die
Gruppen so umfalst und feststellt, dals sie wider etwas fremd-
artiges enthalten, noch etwas dazu gehöriges auslassen. Ferner
ist es seine Aufgabe die festgestellten Gruppm nach dem Grade
der Verwandtschaften zu ordnen. Einige Bispiele werden viel-
leicht geeignet sein dies zu erläutern. Jie Klasse der Aran-
then enthält in ihrem Samen einen EmIryo, der von einem
mehligen Perisperm eingeschlossen wird. / Diesen Charakter fin-
2 vom 10. März 1859. 243
Er
IE man nicht nur in den hierher gehörigen Ordnungen der
Aroideae, Typhaceae und den Pistiaceen wieder, sondern er wie-
_ derholt sich auch bei den Gramineen und Cyperaceen, die der
Klasse der Glumaceen und bei den Ordnungen der Restiaceen,
_ Eriocauleen, Xyrideen, Commelynaceen und Juncaceen, die der
Klasse Junciflorae angehören. Allein welchen Unterschied bie-
4 et hier der Habitus und der Blüthen- und Fruchtbau. Eben so
| ist es mit den Orchanthen, einer Pflanzenklasse, die es nur mit
der Klasse der Fluvialen, gleichsam ausnahmsweise gemein hat
es Eiweilses zu entbehren, das in der Mehrzahl der Monoco-.
tyledonen vorhanden ist. Vergleicht man die zu den Orchanthen
8 hörenden Ordnungen Orchideae, Cypripediaceae, Apostasiaceae
und Burmanniaceae, so findet man nicht nur in den einfächri-
gen Früchten mit drei Wandplacenten ein gemeinschaftliches
Kennzeichen, welches die Klasse charakterisirt, sondern auch eine
allende Übereinstimmung im Habitus, während bei den Flu-
wie en ganz andere Verhältnisse malsgebend sind.
Nicht anders ist es bei den Bicornes, welche zu den ga-
mopetalen Dicotylen gehören und die Ericaceen, Siphonandra-
eeen, Menziesiaceen, Rhodoraceen, Clethraceen und die Hypo-
h yaceen umfalst. Hier war ich gezwungen die Epacrideen,
welche von den Systematikern dazu gezählt worden waren, we-
gen der Centralplacenten, der abweichenden Pollenentwicklung
j und den einfächrigen Staubbeuteln in die Nähe der Diospyraceen
zu bringen, die Andromedeen und Arbuteen, welche sonst zu
den Ericaceen zählten, mit den Vaccinieen zu verbinden. Die
Clethraceen und Rhodoraceen als besondere Ordaungen aufzu-
stellen, die Familie der Menziesiaceen zu begründen und die
früher bestandenen Ordnungen Pyrolaceen und Monotropaceen
zu vereinigen. Jetzt ist man sicher, in der Klasse der Bicornes
e en Tisch zu besitzen. Ein analoges Beispiel liefern ferner
. ie Leguminosen als Klasse, die den pleiopetalen Dieotylen ange-
hören, von den meisten Systematikern als eine Ordnung be-
£ achtet werden, während die wirklichen Ordnungen, die diese
Klasse umfalst, nämlich die Papilionaceen, Caesalpiniaceen und
en esiceen nur als 3 Tribus gelten.
F Genau so steht es mit den Tricoccen. Nicht die Uniovu-
laten und Bioyulaten begründen Familien, sondern dieselben sind
244 Gesammtsitzung
innerhalb dieser Abtheilungen enthalten. Wenn man auch als
Charakter der Tricoccen der Frucht, die vorherrschend dreiknö-
pfig und kapselartig ist, ihren Werth nicht versagen kann,
denn beerenartige Früchte kommen zwar vor, gehören aber zu
den Ausnahmen, so scheint mir doch die sehr entwickelte und
bleibende Centralsäule der Frucht nicht nur eine wichtigere Rolle
zu spielen, sondern sie hat auch den Vorzug die wirklichen Ver-
. wandtschaften anzudeuten, die sie mit der Klasse Columniferae
gemein hat.
Vergleicht man die Tribus der Euphorbiaceen oder Tricoc-
cen, welche Adr. von Jussieu darin feststellte und die bis
auf Hrn. Baillon allgemeine Geltung hatten, so sieht man
gleich, dafs dieselben in ihren Charakteren von ungleichem Werthe
sind, denn die Tribus, welche den Euphorbiaceen Endlicher’s
entspricht und wie schon gesagt nur eine nicht dazu gehörige
Gattung (Dalechampia) enthält, welche zur Tribus Acalypheae
der natürlichen Ordnung Acalyphaceae gehört, hat weder habi-
tuell noch essentiell mit den übrigen Abtheilungen, die von
Ad. von Jussieu aufgestellt wurden, etwas gemein, aufser den
Charakter, den die Klasse bietet und dieselbe zusammenbält;
demungeachtet bildet sie in ihrem eigentlichen Unterschiede
ein Kennzeichen, das für die Begründung von Familien als ein
normaler hingestellt zu werden verdient und nicht darin be-
steht, dafs die männlichen Blüthen nur 1 Staubgefäls be-
sitzen, sondern dafs viele männliche Blüthen und eine weib-
liche von einer Hülle (Involucrem) eingeschlossen werden und
insbesondere, dafs diese männlichen Blüthen, dre einen klei- -
nen Blüthenstiel besitzen, mittelst einer geschlossenen Gliede-
rung mit dem Staubgefäls verbunden sind. Eine nächste natür-
liche Ordnung Peraceae von der eine Gattun$ schon von Mutis
unter dem Namen Pera aufgestellt war und zu der in späterer
Zeit noch drei Gattungen hinzukamen, zeigt auf der einen Seite
den Übergang zur Tribus Crotoneae der Ordnung Acalyphaceen
durch wesentliche und habituelle Kennzeichen, auf der anderen
Seite eine Übereinstimmung mittelst des Involucrums zu der
Ordnung der Euphorbiaceae, ferner durch das Auftreten der
zweiten Geschlechter im verkümmerten Zustande in der norma-
len männlichen und weiblichen Blüthe von Schismatopera und
7
vom A0. März 1859. 245
# Spiria zu der natürlichen Ordnung Buxaceen, und zugleich eine
habituelle Annäherung zu den Myristicaceen, wozu der verstor-
_ storbene Professor Kunth, der sonst in der Begrenzung von
natürlichen Ordnungen eine bewunderungswürdige Meisterschaft
"bekundete, sie brachte.
Die Sectionen 3, 4 und 5 der Uniovulaten Jussieu’s bil-
ceen bezeichne und welche in drei Unterabtheiluugen zerfällt.
ies sind die Hippomaneen, die Acalypheen und Crotoneen,
welche zum Theil durch den Blüthenstand, theils durch die
Knospenlage und zum Theil durch den Entwicklungsgrad der
Blüthenhülltheile charakterisirt werden.
Die biovulaten Jussieuschen Sectionen 1 und 2 sind wirk-
liche Ordnungen und von diesem berühmten Manne in einer
eise definirt, die Respect für dessen Scharfblick einflöfst, den
er besals. Nur der Conformität wegen, welche in den Endun-
‚gen der Namenbezeichnung den Unterschied angiebt, ob etwas
| Klasse, Ordnung oder Familie, und Tribus ist, möchte ich für
Endlicher’s Buxreae Buxaceae und für dessen Pryllantheae
Phylianthaceae substituiren.
Ferner gehören zur Klasse Tricoccae als natürliche Ordnung
die Antidesmaceen, welche nur einen einfächrigen Fruchtknoten
mit ein oder zwei hangenden Eichen besitzen.
Die Klasse der T’rreoccar, welche durch hangende Eierchen,
die entweder einzeln oder nebeneinander zu zweien in jedem
Fach vorkommen, durch die Trennung der Geschlechter in den
Blüthen und durch den geraden Embryo mit blattartigen Samen-
lappen, der im Centrum eines ölig-Nleischigen Endosperms liegt,
‚charakterisirt sind, umfalst demnach 6 Ordnungen.
A. Eineiige.
1) Euphorbiaceae. Eine zwei- bis siebentheilige Hülle
schlielst eine weibliche und eine unbestimmte Zahl männlicher
Blüthen ein. Die Hülle (Involuerum) ist regel- oder unregel-
mälsig. Die männlichen Blüthen besitzen nur einen 2fächrigen
‚Staubbeutel, der mit einem abfallenden Staubfaden versehen ist,
und mittelst einer geschlossenen Gliederung dem bleibenden Blü-
‚thenstielchen aufsitzt. Monoecische selten dioeeische Gewächse.
246 Gesammtsitzung
2) Peraceae. Eine kapuzenförmige Hülle (Involucrum),
die entweder seitlich, oder über den ganzen Scheitel in zwei
Klappen, oder auch so aufschlitzt, dafs sie einen zurückgeschla-
genen Lappen bildet, schlielst eine bestimmte Anzahl einge-
schlechtiger Blüthen ein. Nicht selten finden sich zwischen den
männlichen die Rudimente der weiblichen Blüthen. Diöcische
Bäume, deren Zweige, Blätter und Hüllen mit glänzenden Schül-
fern bekleidet sind.
3) Acalyphaceae. Blüthen ein- selten zweihäusig, ohne
Hülle (Involucrum), mit oder ohne Blumenblätter. Kelch in den
weiblichen Blüthen stets vorhanden. Staubgefälse meist in unbe-
stimmter Zahl. Rudimente des zweiten Geschlechtes in den normal
entwickelten Geschlechtsblüthen fehlend. Kräuter, Halbsträucher,
Sträucher oder Bäume.
Zwei- selten Eineiige.
4) Buxaceae. Blüthen zwei- selten einhäusig ohne Hülle
(Involucrum), stets mit den Rudimenten des zweiten Geschlechts.
Blumenblätter vorhanden oder fehlend. Bäume oder Sträucher.
5) Phyllanthaceae. Blüthen ein- selten zweihäusig ohne
Hülle (Involucrum), stets ohne Rudimente des zweiten Geschlechts.
Kelch vorhanden. Blumenblätter häufig fehlend. Kräuter und
Sträucher oder Halbsträucher, selten Bäume.
6) Antidesmaceae. Fruchtknoten einfächrig, ein- oder
zweieiig. Bäume oder Sträucher, wozu auch die Gattung Ere-
mocarpus Bentham gehört.
Was nun die eigentlichen Euphorbiaceen betrifft, nicht die
im Sinne der früheren Autoren, welche mit dieser Bezeichnung
die ganze Klasse Trieoccae umfalsten, sondern die sonst als
Tribus betrachtete Gruppe Euphorbieae, so habe ich die Bear-
beitung derselben in Gemeinschaft mit meinem Freunde und Col-
legen Hrn. Dr. Garcke ausgeführt. Unsere Untersuchungen ha-
ben ergeben, dals der Familiencharakter in einem 2— 7spaltigen
Involucrum besteht, welches eine weibliche Blüthe, umgeben von
einer unbestimmten Zahl männlicher einschliefst. Die Stiele der
männlichen Blüthen sind bleibend, durch eine Gliederung mit
dem aufsitzenden einzelnen Staubgefäls verbunden. Sie zerfallen
in drei Unterabtheilungen, die Euphorbieen mit regelmälsigem
vom 10. März 1859. 247
‚geradem Involuerum, deren Lappen an der Spitze oder dicht
unter derselben mit drüsenartigen Organen versehen sind. Sie
_ ermangeln des kelchartigen Bechers an der Gliederung der männ-
lichen Blüthe, deren Stiel von einer Bracteole gestützt wird, wäh-
rend die weibliche Blüthe häufig einen Kelch besitzt; ferner in die
‚Unterabtheilung Peailantheae mit unregelmälsigem schuhähnlichem
_ lippigem schiefem Involucrum, das an der Basis aufgeblasen ist
_ und im Grunde desselben 2—6 Drüsen neben männlichen Blü-
then in unbestimmter Zahl eine einzelne centrale weibliche
_ Blüthe enthält. Die männlichen Blüthen sind ganz von der Be-
_ schaffenheit derjenigen der vorigen Tribus, nur werden sie nicht,
x ie dort von Bracteolen gestützt, sondern dieselben befinden
‚sich in der Peripherie des Blüthenstandes und die weiblichen
Blüthen kommen mit und ohne Kelch vor. Bei der dritten Tri-
bus Anthostemeae findet sich innerhalb des zweilappigen Invo-
lucrums, deren Abschnitte nach innen, im Grunde mit einer
Drüse versehen sind eine verkürzte Ramification. Die männli-
chen Blüthen sind an ihrer Gliederung mit einem becherförmi-
gen gezahnten Kelche versehen, die Bracteolen, welche in den
beiden vorhergehenden Tribus spreuartig waren, treten hier
blattartig auf und finden sich zerstreut, während der Kelch der
weiblichen Blüthe krugartig, gezahnt den ganzen Fruchtknoten
einschlielst.
Die Euphorbieen zerfallen wiederum in zwei Subtribus,
das heilst in solche, welche mit einem bäutigen Limbus des In-
volucrums versehen sind, an dessen innerer Basis der Saumlappen
‚sich ein drüsenartiges Organ in mannigfaltiger Form vorfindet,
A.Anisophyliae und in solche, deren Saumlappen des Involucrums
unmittelbar von dem drüsenartigen Organ begrenzt werden.
B. Titrymalae.
A. Die Anisophyllae enthalten acht habituelliund essentiell
h egründete Gattungen.
1) Anisophyllum Haw. charakterisirt durch monöcische
sehr selten diöcische Involucra, welche mit vier oder fünf äu-
Äseren Lappen versehen sind, die an ihrer inneren Basis flache
drüsenartige Organe tragen und mit den dreieckigen getrennten
sehr kleinen, nach innen gebogenen gefranzten Einschnitten ab-
wechseln; äulserlich sind sie kenntlich, an den gegenständigen
248 Gesammtsitzung
schiefen Blättern mit zwischenständigen Nebenblättern. Von
dieser Gattung besitzt das hiesige Herbarium 51 Arten, die aus
America, Ostindien und Nordafrica stammen und in Südeuropa,
den Südseeinseln und auf Timor nur wenige Vertreter haben.
2) Alectoroctonum von Schlechtendal charakterisirt
durch schüsselförmige Drüsen der äulsern Hülllappen, getrennte
keilförmige zwischenständige Einschnitte, einen mit geschlossenen
Gliedern versehenen Stengel und Zweige, gegenständigen zu zweien
oder zu vier in einem WVirtel gestellten Blättern mit hinfäl-
ligen zwischenständigen sehr kleinen Nebenblättern und ent-
ständigen wiederholt zwei- bis dreigabeligen Trugdolden. Ame-
ricanische Kräuter oder Sträucher. Von dieser Gattung sind
bis jetzt 17 Arten bekannt, zu denen Euphorbia WVrightü Torr.
et Gray, E. dilatata Torr. et Gray, E. sanguinea Hort. Ber.,
E. scandens H. B. Kth., E viridis Herb. Ruiz, E. petiolaris
Sims, E. nudiflora Willd., E. cotinoides Miqg., A. Scotanum
Schlechtdl., 4. ovatum Schlechtdl., 4. Yuvalyquahkuit! Schlechtdl.
und A. cotinifolium Schlechtdl. gehören.
3) Trichosterigma Kl. u. Gke. charakterisirt durch be-
cherhüllenförmige Drüsen der äulseren, gewöhnlich ausgerande-
ten oder gekerbten und gefärbten Hülllappen, welche in einem
keilförmigen Polster bis zur Basis der Innenwandung des Invo-
lucrums herablaufen, sitzende ausgerandete gezähnte getrennte
zwischenständige innere Einschnitte und linienförmige Bracteolen,
die oberwärts mit langen Wimperhaaren, unterwärts aber kahl
sind. Äufserlich erkennt man diese Gattung an dem strauchar-
tigen Wuchs, an den ungegliederten Stengeln und der Zweige,
den abwechselnden Blättern, den fehlenden Nebenblättern, den
hinfälligen beiden Bracteen des Involucrums und den winkel-
ständigen abgekürzten Trugdolden. Es gehören hierher folgende
vier mexicanische und californische Arten. Euphorbia fulgens
Karwinski, Kl. (E. jaqguiniflora Hooker sen), E. californica Benth,,
E. misera Benth. und E. Hındsiana Benth.
4) Eumecanthus Kl. et Gke. charakterisirt durch die
zwischenständigen Einschnitte des Involucrums, welche unter-
wärts verwachsen und am Rande gefranzt sind, durch pfriemen-
förmige kahle Bracteolen durch krautartige ungegliederte Stengel
mit gabelförmigen Verästelungen und gegenständige nebenblatt-
vom 10. März 1859. 249
lose oberwärts in Wirtel gestellte Blätter. Zu dieser Gattung
gehört Euphorbia ariensis U. B. Kth., Eumecanthus Benthamia-
nus Kl. et Gke. (Euphorbia ariensis Benth. in pl. Hartw. nec
MH. B. Kth.), Euph. arenaria H. B. Kth. nec Nuttall und Eupn.
triphylia Hb. Willd. n. 9316.
5) Tithymalopsis Kl. et Gke. charakterisirt durch die
äulseren Lappen des Involucrums, welche verkehrteiförmig fast
kreisrund, verhältnifsmälsig grols, weils gefärbt und an der in-
durch die sehr kleinen zwischenständigen getrennten eiförmigen
"gefranzten Einschnitte, durch krautartige oder verholzte unge-
gliederte Stengel und Zweige, die an den Spitzen quirlförmig
zertheilt sind, nebenblattlose abwechselnde Blätter und gipfel-
Ständige zuweilen achselständige vielstrahlige Schirme, die von
quirlförmigen Blättern gestützt sind. Hierher gehören Euphor-
Dia corollata L. und eine vom Dr. Cabannis in Florida ge-
sammelte Art Zirhymalopsis angustifolia Kl. et Gke.
6) Dichrophyllum Kl. et Gke. charakterisirt durch sehr
grolse Invelucra mit ebenfails sehr grolsen kreisrunden gefärbten
eren Lappen und sehr kleinen zwischenständigen keilförmigen
n der Spitze abgestutzten und gefranzten Einschnitten. Sten-
gel und Zweige sind stielrund, oberwärts gabelig-verästeit. Die
Blätter sind abwechselnd oder fast gegenständig, oberwärts sehr
rängt und weils gerandet und haben pfriemliche abfällige
Nebenblätter. Die Involucra sind entweder winkelständig und
einzeln oder gipfelständig und gedrängt. Hierher gehören nur
3 Arten. Euph. marginata H. B. Kth., Euph. bicolor Engelm.
nd Gray und Euph. variegata Coll. Herb. Berlandier n. 1779.
7) Leptopus Kl. et Gke. eine südamericanische Pflanzen-
ttung mit äulserst dünnen stielrunden ungegliederten etwas
tehenden abwechselnden langgestielten nebenblattlosen zarten Blät-
ern, die nach oben gedrängt stehen und dann quirlfömig er-
eheinen, sehr kleinen glockenförmigen Hüllen, die gewöhnlich
n gipfelständige Trugdolden geordnet sind, tiefgespaltene äufsere
Lappen und sehr kurze eingebogene zwischenständige Einschnitte
ven. Es gehören hierher Euph. adiantoides Lam., Euph. ocy-
oides L., und 4 neue Arten, Leptopus brasiliensis Kl. et Gke.
250 Gesammtsitzung
aus Brasilien, Zeptopus Poeppigii Kl. et Gke. aus Peru, Lepto-
pus orinocensis Kl. et Gke. vom ÖOrinoco und Leptopus sego-
viensis Kl. et Gke. aus Centralamerica.
8) Adenopetalum Kl. et Gke. ist charakterisirt durch
krautartige Arten mit ungegliederten stielrunden Stengeln und
Zweigen, welche an den Verästelungen gestieite becherförmige
Drüsen tragen, langgestielte zarte nebenblattlose-unterwärts ab-
wechselnde-oberwärts gegenständige Blätter haben und sehr
kleine Hüllen besitzen, die achsel- oder endständig geordnet sind,
deren äulsere Hülllappen verkehrteiförmig an der inneren Basis
mit schwärzlichen becherförmigen Drüsen und zwischenständigen
und geschlitzten scharfgezahnten zarten Einschnitten versehen
sind. Hierher gehören Euph. picta Jacquin (E. Humboldtü
Willd.), Euph. sphaerorhiza Benth., E. graminea L. und 8 neue
centralamericanische Arten, Adenopetalum pubescens, A. Hoff-
manni, A. boerhaaviifolium, A. subsinualum, A. bracteatum, A.
pubescens, A. Oerstedi, A. discolor und A. irasuense Kl. et Gke.
B. Die Tizhymalae, deren äulsere Lappen des Involu-
crums von dem drüsenartigen Organ begrenzt werden, enthalten
7 Gattungen.
1) Euphorbia L. Involucrum glockig, an der Spitze
5—7spaltig, häutige zwischenständige Einschnitte eingebogen,
tief gefranzt, äulsere Lappen in eine halbkreisrunde oder fast
viereckige meist flache Drüse endigend. Bracteolen der männ-
Blüthe unten breit, an der Spitze tief gefranzt. Cactusartige
meist blattlose Gewächse mit eckigen Stämmen und Zweigen,
deren Höcker gewöhnlich Stacheln tragen und auf den canari-
schen Inseln, Ostindien, besonders aber in Südafrica zu Hause
sind.
Hierher gehören 1) E. offieinarum L., 2) E. erosa Willd.,
3) E. canariensis L., 4) E. grandidens Haw., 5) E. grandifolia
Haw., 6) E. heptagona Willd., 7) E. polygona Haw., 8) E.
Hystrix Willd. (Treissia Hystrix Haw.), 9) E. triacantha G.
Ehrenb, 10) E. triaculeata Forsk., 11) E. nerüfolia L., 12) E.
Nivulia Hamlt., 13) E. Caitimando W. EIl., 14) E. trigona
Roxbg., 15) E. tortilis Rottl., 16) E. antiyquorum L., 17) E.
mammillaris Willd., 18) E. coerulescens Haw., 19) E. angularis
Kl. (Mossambique) und 20) E. adyssinica Räusch.
h vom 10. März 1859. 251
2 2) Medusea Kl. et Gke. (Medusea et Dactylanthes Haw.),
_ Involucrum glockig oder kreiselförmig, an der Spitze 4— 5spal-
tig, an der Basis von 2 gegenständigen Bracteen gestützt, äu-
Ssere Lappen drüsenartig, auf den Innenflächen fein porös, an
der Spitze kammförmig - eingeschnitten; zwischenständige Ein-
schnitte aufrecht oder abstehend, an der Spitze fast abgestutzt
a nd gewimpert. Bracteolen der männlichen Blüthen linearisch,
bis zur Basis gefranzt. Fleischige cactusartige einfache oder ver-
gelte unbewehrte capische Gewächse, die entweder blattlos oder
unterwärts mit Schuppen und oberwärts beblättert sind. Hierzu
zählen 1) M. tridentata Kl. et Gke. (E. tridentata Lam., E. ana-
cantha Ait., M. anacanıha Haw.), 2) M. mojor Haw. (E. caput
Z.
Medusae « Ait.), 3) M. zuberculata Kl. et Gke., 4) M. globosa
4 l. et Gke., 5) M. patula Kl. et Gke. (Dactylanthes patula
Haw.), 6) M. hamata Kl. et Gke. (Dactylanthes hamata Haw.),
M. procumbens Haw., 8) M. fructus pini Haw. und 9) M.
tessellata Haw.
3) ArthrothamnusKl.et Garcke, Involucra klein, von
2 Bracteen gestützt, glockig, 5spaltig und diöcisch, äufsere Lap-
pen drüsenartig, kreis- oder halbkreisrund, abstehend; zwischen-
tändige Einschnitte eiförmig gespitzt, gewimpert, häutig und
aufrecht. Capseln sitzend. Capische gabelförmig verästelte Sträu-
cher, deren Hauptstamm ungegliedert, die Zweige aber gegen-
ständig und gegliedert sind. Die Blätter schuppenförmig, gegen-
ständig, sitzend, zu beiden Seiten mit einer Drüse versehen.
Hierher zählen 8 Arten, 1) A. Tirucalli Kl. et Gke. (Eu-
phorbia Tirucallı L.), 2) A. brachiatus Kl. et Gke. (E. brachiata
B. Meyer), 3) 4. Burmanni Kl. et Gke. (E. Burmanni E.
Ecklon, n. 23, 24 et 25), 6) A. scopiformis Kl. et Gke., 7) A.
Bergü Kl. et Gke. und 8) A. cymosus Kl. et Gke.
4) Tithymalus Scop. Involucra glocken -kreiselförmig,
an der Spitze 4—5spaltig, Lappen drüsenartig, kreisrund oder
jalbmondförmig- gehörnt; zwischenständige Einschnitte häutig,
€ förmig, eingebogen. Bracteolen der männlichen Blüthen lan-
zeitförmig, gewimpert. Kräuter, Sträucher oder Bäume, wehr-
los, fast über den ganzen Erdball verbreitet, besonders aber in
[1859.] 18
252 Gesammtsitzung
den gemälsigten und warmen Gegenden der alten Welt zahl-
reich vertreten. Blätter wechselnd, sehr selten gegenständig,
gleichbreit, nebenblattlos, die den doldenartigen Blüthenstand ein-
schlielfsenden in Quirlen.
Diese Gattung zerfällt in zwei Sectionen: a
a. Galorrheus Kl. et Gke. (Galorrheus Haw., Euphorb.
sect. Tithymalus Koch). Drüsenlappen des Involucrums kreis-
rund oder länglich mit 106 Arten.
b. Esula Roeper (Esula Haw.), Drüsenlappen des Invo-
lucrums halbmondförmig oder zweihörnig mit 115 Arten.
5) Sterigmanthe Kl. et Gke. Cactusartige verästelte
ungegliederte Gewächse mit afterblattständigen Stacheln und ab-
wechselden häutigen Blättern. Involucra glockenförmig, von 2
grolsen hochrothen bleibenden, an der Basis verwachsenen Brac-
teen gestützt, an der Spitze öspaltig, äufsere Lappen dick, drü-
senartig, verkehrt-eiförmig, an der Spitze abgestutzt und nieren-
förmig ausgebogen, an der Basis verdünnt; zwischenständige Ein-
schnitie gefärbt, fächerförmig, aufrecht, an der Spitze ungleich
gezähnt. Die gegabelten Trugdolden sind gestielt und achsel-
ständig. Hierher gehören 2 Arten, die auf den ost-africanischen
Inseln einheimisch sind, nämlich Euphorbia Bojeri Hooker und
E. splendens bojer ex Hooker.
6) Euphorbiastrum Kl. et Gke. Ein verästeltes Kraut
mit stielrundem ungegliedertem Stengel und Zweigen und ab-
wechselnden langgestielten nebenblattlosen Blättern. Die Invo-
lucra sind kreisellörmig, mit 5 äufseren Lappen, welche aufrecht,
drüsenartig, verkehrt- eiförmig, auf der Innenseite mit sehr klei-
nen sechsseitigen Poren versehen, an der Spitze abgestutzt und
an der Basis verdünnt sind; die enischäisöindigbn Einschnitte
sind häutig, keilförmig, an der Spitze abgestutzt und sechszühnig.
Blüthenbüllen von rauschenden gegenständigen spatelförmigen
stachelspitzigen gekielten Bracteen eingeschlossen, einzeln an den
Enden der Zweige in den Winkeln der Blätter. Nur eine Spe-
cies ist von dieser Gattung bekannt, Euphorbiastrum Hoffınan-
nianum Kl. et Garcke, welche der Dr. Carl Hoffmann in
Costarica entdeckte und an das hiesige Herbarium sandte.
7) Poincettia Graham, Involucra glockenförmig, an der
Spitze fünfspaltig, zwischenständige Einschnitte halbkreisrund,
h vom 10. März 1859. 253
Be äufserlich mit 1—Skraterförmigen Drüsen verse-
. Minnliche Blüthen von franzenartig eingeschnittenen Brac-
teolen gestützt. Nord- und südamericanische Kräuter oder Sträu-
cher mit ungegliedertem Stengel und Zweigen, abwechselnden
nebenblattlosen Blättern, gewöhnlich schöngefärbten Floralblät-
tern und endständigen gedrängten Trugdolden. Hierzu zählen
folgende Arten. 1) P. puicherrina Graliam, 2) P. geniculata
Kl. et Gke. (E. geniculata Ortega), 3) P. pedunculata Kl. in
Seemann’s Voy., 4) P. punicea Kl. et Gke. (E. punicea Sw.),
3) P. frangularfolia Kl. et Gke. (E. frangulaefolia H. B. Kth.),
6) P. Schiedeana Kl et Gke., 7) P. dentata Kl. et Gke. (E
dentata Michx.), 8) P. Ruiziana Kl. et Gke., 9) P. zalapensis
Kl. et Gke (E. xalapensis H. B. K.), 10) P. insulana Kl. et
‚Gke. (Brasilia), 11) 2. Zancifolia Kl. et Gke. (E. lancifolia
Schlechull), 12) P. Oerstediana Kl. et Gke. (Ins. St. Thomas),
Morisoniana Kl. et Gke. (E. Morisoniana Kl. in Seemann’s Voy.),
5) P. cyathophora Kl. et Gke. (E. cyathophora Murr.), 16) P.
Pprunifolia Kl. et Gke. (E. prunifolia Jacq ), 17) P. Edwardsü
Kl. et Gke. (E. cyathophora Edw. nec Murr.), 18) P. radians
Kl. et Gke. (E. radians Benth.).
Von der zweiten Tribus Pedilantheae, die sämmtlich ame-
jeanischen Ursprungs sind, konnten nur 3 Gattungen unler-
1) Pedilanthus Necker, charakterisirt durch die 4 Drü-
a im Grunde des schuhförmigen Involuerums hat 8 Arten:
1) P. tithymaloides Poit. (E. tithyrnaloides L., E. myrtifolia Lam.,
Crepidaria myrtifolia Lam., E. carinata Donn, E. canaliculata
Lodd.), 2) P. padifolius Poit., 3) P. angustifulius Poit., 4) P.
Parasiticus Boiss. (Hb. Pavon), 5) P. anacampseroides Kl. et Gke.
E. anacampseroides Descourt.), 6) P. Oerstedii Kl. et Gke. (Cen-
tralamerica), 7) P. aphylius Boiss. (Hb. Pavon) und 8) P. rezu-
sus Benth.
> 2) Hexadenia Kl. et Gke. Diese Gattung, welche an
den 6 Drüsen kenntlich ist, welche sich im Grunde des Invo-
ums befinden, wird nur durch eine von Bentham unter dem
Namen Pedilanthus macrocarpus beschriebene, aus Californien
stammende Art repräsentirt.
18°
254 Gesammtsitzung
3) Diadenaria Kl. et Gke., die aus Neuspanien stammt,
und sich durch grolse gegenständige hüllenartige Bracteen, die sich
oft wiederholen, durch einen gabeligen Blüthenstand und 2 Drü-
sen im Grunde des Involucrums unterscheidet, enthält 1) D. in-
volucrata Kl. et Gke. (Hort. bot. Berol.), 2) D. psilocarpa Kl.
et Gke. (Hb. Berol. et Hb. Boiss. sub Pedilantho tithymaloide
Dill.) und 3) D. Pavonis Kl. et Gke. (Herb. Boiss.).
Von den Anthostemeen, welche die dritte Tribus der Eu-
phorbiaceen bilden und die nur die Gattung Anthostema ent-
hält, von der 2 Arten bekannt sind, haben wir nur die vom Se-
negal, aus dem Herbarium des Hrn. A. de Candolle zu unter-
suchen Gelegenheit gehabt.
Hierauf las Hr. J. Grimm über die göttin Tanfana.
Neulich ist durch überraschenden fund zu Wien ein kleines,
wahrscheinlich erst im zehnten jh. niedergeschriebenes, aber sei-
nem inhalt nach offenbar unserm heidenthum angehöriges denk-
mal zu tage gekommen und so eben im 29 band der sitzungsberichte
der kaiserlichen akalemie von Zappert herausgegeben worden.
an umfang zwar geringer als die zu Merseburg entdeckten heid-
nischen sprüche darf es einen noch höheren werth in anspruch
nehmen und wird die altdeutsche mythologie vielfach bereichern.
es ist ein gesang zum einschläfern der kinder, gleichsam das vor-
bild bis auf heute unter dem volk fortlebender, nur abgeschwäch-
ter wiegenlieder, in einfacher, fast zu glatter darstellung. statt das
ganze gedicht schon hier zu wiederholen und erläuterungen bei-
zufügen, deren eine menge versucht werden könnte, hebe ich
eine einzige, unter allen die wichtigste zeile aus, die uns einen
seit Tacitus verschollenen götternamen plötzlich wieder vor au-
gen führt.
Der römische geschichtschreiber schildert im ersten buche
seiner annalen cap. 50 den barbarischen, grausamen heerzug,
welchen vom Niederrhein aus, im jahr 14 unsrer zeitrechnung,
Germanicus mit Caecina gegen die Germanen dieses landstrichs
unternahm, es müssen Bructeri und deren verbündete, etwa
Tencteri, Usipetes und Marsi gewesen sein. die feinde drangen
vom 10. März 1859. 255
durch den Heisiwald '), die silva Caesia, vor, überfielen nachts
die nach einem eben gefeierten fest, dessen kunde den Römer
verrathen worden war, sorglos schlummernden Deutschen, mach-
ten ohne schonung alles nieder und verheerten planmäszig die
ganze gegend: non sexus, non aetas miserationem attulit, pro-
fana simul et sacra et celeberrimum illis gentibus templum, quod
Tanfanae vocabant, solo aequantur, sine’ vulnere milites, qui semi-
somnos, inermos aut palantes ceciderant. Hier, nur dies einemal
ist die göttin, deren tempel dem boden gleich gemacht wurde,
genannt, in der allgemeinen schilderung der Germanen bleibt
‚sie unerwähnt.
Doch auch eine oft abgedruckte interamnatische inschrift ”
enthält die worte “Tamfanae sacrum’, allein sie gilt für erlogen
und von Ligorius, einem verrufenen fälscher ausgedacht, der den
namen bei Tacitus gelesen und für seinen zweck verwendet ha-
‚ben müste. ich überlasse andern zu entscheiden, ob der sonslige
"inhalt der inschrift gebieterisch ihre unechtheit dargibt, wo dies
nicht der fall ist, kann sie aus dem namen Tamfana nicht her-
vorgehen. es hält schwer in solchen fällen einmal erhobnen ver-
dacht zu tilgen und jeder ist gewohnt ihn dem andern nachzu-
sprechen. mir scheint, inschriftenschmiede werden in ihrem ma-
‚terial wahres und falsches untereinander vor sich gehabt haben,
sonst wäre ihr unseliges handwerk gar nicht ergangen, und viele
‚alte steine sind im verlauf der zeit abhanden gekommen, so dasz
"nicht nachverglichen werden kann. übrigens weicht Tamfana
von Tanfana bei Tacitus ab, aus der inschrift wäre immer zu
lernen, dasz der name bestimmt auf eine götlin geht, nicht auf
‚den tempel, von dem ihn einige ausleger verstehen wollten, und
dasz der göttin cultus verbreiteter gewesen sein musz. Marcus
Appulejus Paetulus decurio interamnensis konnte in Deutschland
‚gewesen sein und irgend eine ursache haben der Tamfana noch
in seiner heimat zu gedenken. denn genug beispiele begegnen, dasz
die Römer gallischen und germanischen göttern tafeln weihten.
Aber hiermit ist es für die entwerthung des alten namens
noch nicht abgethan, Müllenhoff hat ihn auch unter die verderb-
*) vgl. Bekkers jahrb. des deutschen rechts 1, 261.
?) z. b. in de Wal monum. epigr. p. 188 no. 261.
256 Gesammtsitzung
ten namen bei Tacitus gestellt, erklärt also die an ihm versuchten
etymologien im voraus für unmöglich. andere werden jetzt schon ge-
neigt sein, das nunmehr auftauchende altdeutsche lied blosz dieses na-
mens wegen anzuzweifeln, auch an weitern zweifelsgründen wird
es nicht gebrechen.
Ich meinestheils, mehr gestimmt an wahrheit als an trug zu glau-
ben, halte den namen Tanfana für vollkommen echt und für ein
wunderbares glück, dasz, während er bei allen deutschen volksstäm-
men untergegangen war, ihm so unerwarlete bestätigung angedeiht.
Das denkmal ist nicht in der mundart abgefaszt, welche ich
die strenghochdeutsche nenne, sondern in einer weicheren west-
lichen, die neben hochdeutscher aspiration auch noch die alte
aspirata th in themo, wurgianthemo für strengahd. media und
tenuis festhält. über das z in Zanfana werde ich mich gleich
erklären. der dialect erscheint mir als ein solcher, wie er zur
zeit des neunten, zehnten jahrhunderts im rheinischen Franken,
also unfern von jenem uralten heiligihum der 'Tanfana könnte
gesprochen worden sein.
Vor allem sei nun eine neue deutung des namens vorgelegt.
es kommt dabei auf das anlautende T und das inlautende NF
an. überall wo die Römer im anlaut deutscher wörter T schrei-
ben, liegt deutsches TH unter, so in Teutones, Teutoburgium,
Tencteri, Tungri, folglich auch in Tanfana und dem entstellt
aussehenden Tuisto, wo Lachmanns Tvisco = bimus gar nicht
gebilligt werden kann, so wenig als Tivisco = caelestis. liesze
sich die lesart zweier handschrilten Tristo zur gewisheit erhe-
ben, so läge die erklärung Thristo, der kühne, starke in aller nähe,
alts. entspricht thristi, ags. priste unserm heutigen dreist, das
ahd. nicht verzeichnet wird, ältere abweichende bedeutungen blie-
ben unausgeschlossen, wie sie sich für einen erdgebohrnen gott
schicken. ja selbst das lat. tristis fiele hinzu, das nicht nur maestus,
sondern aus severus, saevus aussagt. auch an goth. prafstjan
trösten und die namen Thrafstila, mhd. volkes tröst liesze sich
denken. dies alles hier nur beiläufig, ich habe es mit Tanfana zu thun.
Deutsches NF oder MF ist doppelter art. entweder steht
es zur seite gothischem NF, MF, z. b. in hanfs mancus, fimf
quinque, die ahd, ebenso lauten müssen banf, finf; oder gothi-
schem MP = ahd. MF, MPH. diese goth. MP haften auch alts.
vom 10. März 1859. 257
und ags., während in beiden letzteren mundarten vom goth. NF
das N ausgestoszen und mit verlängertem vocal häf, fif gespro-
chen wird. ein gothisch erfasztes Thanfana hätte ahd. zu lauten
Danfana, alts. Thäfana (Thäbhana), ags. Thäfene.
Nun fällt unmöglich Thanfana aus den gothischen, Danfana
aus den hochdeutschen, Thäfana aus den altsächsischen quellen,
die uns alle sparsam flieszen, gegenwärtig zu deuten. nur der
reichere angelsächsische sprachvorrat geht uns willkommen zur
hand. er allein überliefert ein auch im späteren englisch erloschenes
verbum päfian, gepäflan, welches goth. panfjan, gapanfjan, ahd.
denfan, gidenfan lauten würde, und consentire, juvare, favere
aussagt. das substantivum päfa oder gehäfa bedeutet fautor, ad-
jutor, ein entsprechendes femininum päfene würde aussagen fau-
trix, adjutrix und wir sind unmittelbar zu Tanfana, dem namen
einer holden, günstigen, gnädigen göttin gelangt, der in ahd,
Danfana zu übersetzen wäre. auf bructerisch oder marsisch würde
er nicht anders als Thanfana gelautet haben, das die Römer voll-
kommen richtig durch 'Tanfana wiedergaben. MF wäre wol
befugt, wie in fimf= finf, auch in Tamfana, Thamfana, Dam-
fana einzutreten.
Wie aber zu fassen ist die uns nunmehr überlieferte gestalt
Zanfana? Z musz überall und nothwendig als fortgeschobne te-
nuis betrachtet werden, alle unsere heutigen Z sind aus den T
‚der frübern lautstufe herzuleiten, ihnen aber läszt sich die aspi-
rata von Zanfana nicht gleichstellen, da sie nicht auf gelehrtem
wege auf das lateinische Tanfana zurückzuführen sein wird, viel-
‚mehr volksmäszig aus deutschem Thanfana selbst geworden sein
musz, wahrscheinlich schon in sehr früher zeit. man erinnere
sich aus Gregorius turonensis 5, 44, dasz bereits im sechsten
jb. könig Chilperich Z für TH einführen wollte, und die lis-
pelnde aussprache des griechischen ©, des altnordischen, angel-
sächsischen und noch englischen TH nähert sich unmittelbar der
des hochdeutschen Z. man erwäge, wie ich in meiner geschichte
der deutschen sprache p. 395 anführe, dasz der nordische name
Thorgils in alemannischen klöstern Zurgils geschrieben wurde,
‚50 ein Z steht auch in Zanfana für Thanfana und die übrigen Z
des wiegenliedes in läzan, feiziu, suoziu, unza sind anderer art,
nemlich die gewöhnlichen aus T lautverschobnen. alle diese z
258 Gesammtsitzung vom 40. März 1859.
der handschrift haben eine ungewöhnliche auffallende gestalt. Z in
Zanfana ist nicht verschoben, nur eine andere schreibung für Th,
das in themo daneben auftritt. mir fiele wol unser bisher dunkles
mhd. zäfen, ornare, comere ein, ob es für zanfen, gleich dem ags.
päfjan stehn könnte? aber ein zanfen, zenfen und die bedeutung
von consentire, favere wäre erst auf zu weisen. wie wenn der
malbergische name des mittelfingers thaphano, taphano comis, fa-
vens das gerade gegentheil vom späteren indecens, impudicus
bei den alten Franken besagt hätte?
Der vers im liede lautet:
Zanfana sentit morgane feiziu scäf cleiniu,
Zanfana sendet morgen fette kleine lämmer (den einschlafenden
kindern), in dem hain um ihren sitz hatte die götlin schafe wei-
den, sie ist, wie das wort selbst ausdrückt, hold und hilfreich
(comis, favens, benigna), ihr name gemahnt an die gleiche bil-
dung von Huldana, wenn so das Hludana einer andern berühm-
ten steinschrift geändert werden mag, und von Berhtana, nach
altfränkischer namensform; im verlauf der zeit kürzten sie sich
in Holda und Berhta, nicht unmöglich, dasz Zanfana in Stempfe
entstellt wurde, falls die späte überlieferung?) wirklich so lau-
tete und nicht geradezu Zenfe darbietet.
Fällt nun mit dieser auslegung der uralten, beglaubigten
Tanfana eine früherhin versuchte nieder, nach welcher sie zu
Vesta oder Hestia gehalten wurde? das könnte gerade noch
neuen schein gewinnen, und auch einen altnordischen namen in
den kreis der uutersuchung ziehen. ich will aber den günstigen
eindruck, wie ihn das augenscheinliche und sichere macht, jetzt
nicht verwischen dadurch dasz ich weiter greifende, anklingende,
ihrer natur nach unentschiedne mythische und sprachliche ver-
hältnisse beifüge.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Memorie dell’ I. R. Istituto lombardo di scienze. Vol. VII. Fasc. 8. Mi-
lano 1859. 4.
Maurokordato, Asoxiniov ieropiaev men Tüs pocainäs vonoberias. Athen
186570. 10:
Congres seientifique de France. 26me Session. Limoges 1859. 4.
*) deutsche mythologie s. 256.
Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 14. März 1859. 259
Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preu/sischen Rheinlande.
Jahrgang 14. 15. Bonn 1857. 8.
Societe philomathique de Paris Proces verbaux de 1858. Paris 1858. 8.
Proceedings of the Royal Geographical Society of London. London
1859. 8.
Journal of the Asiatic Society of Bengal. no. 268. Calcutta 1858. 4.
Nachdem verschiedene minder erhebliche Geschäfts - Angele-
genheiten erledigt waren, trat die hierzu einberufene Wahlver-
sammlung in Thätigkeit und ernannte Hrn. Wurtz in Paris
zum correspondirenden Mitgliede der Akademie im Fache der
Chemie.
B4 März. Sitzung der philosophisch-hi-
iy storischen Klasse.
Hr. Parthey las über die Erdansicht des Geogra-
phen von Ravenna.
|
#
Hr. Bekker trug zahlenverhältnisse vor, die er an
dem Homerischen versbau beobachtet hat.
gi 1%
a In der ersten stelle des hexameters ist der daktylus häufiger
als der spondeus. A hat (in den ausgaben vor meiner letzten)
389 daktylische versanfänge gegen 222 spondeische, B 501 gegen
376, T 316 gegen 145, A 324 gegen 220. woher dies über-
gewicht des dreisylbigen fufses? allein daher dafs die Griechische
sprache überhaupt mehr daktylische als spondeische elemente bie-
‚tet. vorliebe zeigt sich eher für den spondeus. um den in die
erste stelle zu bringen wird vorlieb genommen mit der schwäch-
‚sten thesis, längen blos durch angehängtes v oder durch position
einer muta mit g gebildet (Erriv Fo, EiTıv jaev, Ösigev ö2, upsev
.ö8, mar AEv ÖeEıreor, m&sıw KumAuressı, Tolsıv Ö8, Towsw dt, @r-
x m - Sy ' x m x
Au Xen, FÜ ve on, arı de meöc9” immuv, NÖE Aolsen, moü ÖdE
260 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
m 2 . . . 2 ’
vyös Ertyze), wird keine zusammenziehung gescheut (dasgwv, Seot-
’ wo ’ ’
cv, AeEWuEroG, Fuzear, Yarzeor, Ödevögewv, #eodewv, STr,IEwv, UMEwv,
AAN Euinev, ovz arovsı) und kein hiatus, weder in dem fulse selbst
DW] a 6) 3 > BN, Ei P.\ EN N >» n ” m
(n vö% 1 0,9 00,9% @AAov, 9 AUTOS, 9 VIOs, TU Ev, TW OU, Zeü
u
arrcı re Seor) noch gegen den folgenden fuls (dauvg &Iavarous,
1% ” m - 69 m \ v.
Yadı aAAorTıV, vu evSe, mEIoE WS, HEITIaı AAN , MrvasTar oUds, EAzEL
3 ‚ > ’ m aa ıE 3 ’ Ey SER 325; m
OU, guygsi Argos, ragßei ouods, TevGe aoayTas, ZuwTeu el, W Yonu
u u: [73 Fu. ’ 67 E} 5 > \ 6 \
oUrw, Asvzor Ev, Immo auros, auroU Eis, QwoU auTap, anpol Ebe-
gurau, üNoü ws). hat ein wort zwei formen, eine daktylische
und eine spondeische, so kehrt es die spondeische hervor für
. - . . ’ , 2
die erste stelle. darin lesen wir nicht ayyeSı ro vbosı
sondern, mit höchst wenigen ausnahmen, «yxou rnr00 vünbov,
. N 7 . 7 . m ı
nicht Yvıas sondern yvıc, nicht Yowı sondern How, nicht i4,Ivas
sondern ix. Süs, nicht xsisssıw auporssns oder yersesıw dIavarycı
IX,Zvs, nicht Aeizssıv arıborepn Aergeriv N
sondern Weloese” aboreens und Weloess aIavarnrıw. ebenso
D 3.3 ’ ’ a 4 . ’ ’ >
Yepriv T ambapowvro und Xeasıv T 4rraegovro, nicht AEgETI 7
> ’ ’ 7 > > 4 . 3 4
ampacowvro oder xeıgert 7 Yomagovro. desgleichen &v ozersı,
. > ’ EN - x . en
nicht aber Zv omzesı, Züv zewfrw vyurı, nicht zevegrw. fer-
. . . . y 7 . 7
ner vom verbum im indicativ yszew size und nicht y72sev,
BES u v ’ . m u ” ’ A $ J
nö noet yreı MOLEL und nicht n [273 noeE Nree TOIEE. ©: tdevov,
. er ” ’ ’ ’ 7 ’ ’
nicht zgevov. EI@ vWUR TIA® (bar und YMuv FToAawv ı(borrwv
nirgend mit aufgelöstem & oder w. Öyouv, nicht aber, was dem
. * \.« .. Vf .. . [3
particip Öricwv entspräche, Örcov; für das particip selber steht
EIN T HE
- Nm . . ’ v e)7 ’ ’ on!
P 65 Öysv. und im imperativ aygeı aureı Sure Quyoeı Tapseı
Se e wm > BER fü u 2 er & 4 an g
GIWELT wWYBEr RIQEıTW ur wrypee ALTEE NFEe TÜAQTEE AIVEET u=
acer aigserw. infinitive auf sur, wie Qaarsıv Qwew, hat in der
ersten stelle die Ilias 46, die Odyssee 44, auf enev, wie Öwss-
zu veupenev, jene 4, diese 15. Ösıöw steht 11 mal in der ersten
\ ( , ..
stelle, deiöıe 1 mal (P 536), Öaivuvr 9 mal, eisvar 2 mal. über-
all z6v S Zusler Ersıra, nirgend r0v Ö arausıler Ersıra, trotz
{ 5 M
. - N ’ ’
dem vielmaligen röv ö° dransıBensvos wgosedy und amapeıßero
’ ’ 1 > > ’ x 3 ’ .
Dwvyrev re. Bosz Ev Ileozwrn und oras &v mersosw, nicht
. \ n
aber vi Meozwrn und Eve uersorsw. endlich &v vyurı yAapvofrı, wo
B LS, , sh
vyuaiw Evi yAaıpugfse von dem sonstigen vjas Em yYAapvgas oder
vias dv yAcıbvges gefordert schien. ähnlich &v v7 6° &Qdondrn
u. „N 3 4
für &v de 79 &ßdomern.
solcher neigung zum spondeus bequemen sich denn auch,
so leicht wie billig, manche an sich zweifelhafte formen, die
vom 14. März 1859. 2361
Ei. z. b. der dritten declination im Bann die meist drei-
sylbig sind in handschriften und ausgaben, "Agsı arte yrgaı )
Ayyaı Azeı Eee waer = zarreı Aare advrsı mevSeı mr4 Ze
o:Se oryIer vier?) grau ygureov müssen wir zweisylbig spre-
"shen in Aavssov cu und xgursov Auyvov: warum sollen
wir es anders sprechen in Ygurson ovd” und Rt Kt
‚oder warum soll «pgsov öde or Ser und weeov Ö” Zv (A 282, Z
116) nicht iosalagpheod sein für dwwsov we und dweonev (1 384
388), für Smipsov evS@ (e 73), verzeor öv (M 268), moicov dog
a 147), wzveov dhorsgon (1 155)?
2 anhangsweise ein paar worte über die kürzen womit einige
ster anzufangen scheinen.
® d:« mit bald langem bald kurzem « (dız new drmidos 7rIe
— za dia Swgrzos) steht in einer reihe mit dysv mgosSev
{313 neben aygtou cv A106, ’Aszrymioö öVo B 731 neben
"Aszıymıoo viov A194, avebroü neben avaVicv, Öirpıros neben dgyt-
dur.os, Öroryevts neben Örorgebes, 7va erovraı N 103 neben Fra vavre
8363, ravSy ws 9 595 neben Suuos iadv&y W600, Diov 7g0-
S Trrou EEaramafcı, ieoet zer neben ieonv
Eraroulyv, mEmIuyoV 7 imarıv ® 363 neben dvrosSev indrıv
1262, frası B 283 neben Yrası B 211, zammesev &v zovim ne-
” ben MavSyrav de zovin, aurag Ö wyvıe A 488 neben ’Ayuıdsüc ur-
neben Eoya riov W705, For yzorl A696 neben rgi’nzcst #19. so wan-
elbare quantität, auch an den übrigen vokalen unschwer nach-
zuweisen, mag uns verwundern, muss aber unangetastet bleiben.
fr E
er hat neulich sußcrsıw geschrieben für sußorıe: mit glei-
chem recht u man Ösı« schreiben, d. h. mit gleich täppi-
17
*) ia (und dira x£on o&ra), wie noch immer geschrieben wird, ist,
bei der unbestrittenen kürze des , nicht verständiger als Teige oder dudd,
yıpa ümo Ara wie teige uno Tpsw.
*) für viea wird überall viöy eintreten können, wie es steht E 154, M
8, 5 490.
262 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
fast noch mehr als in dı« fällt das lang gebrauchte : in |
pire auf (Bire zacsıyvyre), einmal weil es gar leicht zu umgehn
war, durch aurozesıyvyre etwa oder & Pir aderpsıe oder 79a
zedaAy oder dirrart nor yvwrWv, und also zeigt wie wenig be-
denklich dergleichen abweichung von der gewöhnlichen aussprache
dem sänger schien, sodann weil der darum nöthig gewordene
circumflex das auge um so mehr befremdet je üblicher und noth-
wendiger der acut ist, nothwendig schon darum weil sich diros
zu DirroMeı verhält wie veuriros zu vevriAAone, ZuriAog moIziAog
zu zWrAw ToiAw, aioros zu low, Yyoyyuras ErgoyıyVAog
FrunVAos zu yoyyUurdm oreoyyuriw orwuvAronau?) ir schrei-
ben und is sprechen heilst sich widersprechen ohne noth und
ohne nutzen.
ebenso steht es mit Adro (Aüro 8° «ywv) und Avro (Avro
youvare, Auvro de yvie).
imsıdy (X 379, X 2, 513, 3452, $ 25, w 482) kan ©r-
msıdy werden, weil es einigermafsen ähnlich ist mit ommy Ömmore
Ormws. aber Erirovos (u 423) hat auf langen anfangsvokal so
viel anspruch wie aSavaros dFiayos axaparos dvicperos oder wie
AmaSceıs und Yveuces, und yzirovos kan nicht gewagt scheinen
neben Yriaros = Zmiwrrys.
2.
In der zweiten stelle tritt nach der arsis gewöhnlich eine
cäsur ein, die trithemimeres, in A auf 611 verse 374 mal, in N
auf 837 498 mal, in $ auf 586 385 mal; begleitet von der cä-
sur des vierten fulses, der hephthemimeres, in A 178 mal, in N
200 mal, in $ 223 mal. alle cäsuren aber fallen oft in die
fuge von zusammensetzungen (die beiden genanten allein in N
gegen 50 mal), wie denn zusammensetzungen dem verse überall
nicht für festverwachsene einheiten gelten, am wenigsten verba
mit angesetzten präpositionen; vielmehr wird da die präposition
-—
?) Ayyeros und daidaAa, ursprünglich &yy@Xos und duıdzAa, haben ihren
accent verrückt wie sie substantive geworden, &yAdos (4y&Aas) wie es durch
verschiebung der liquida gleiche endung bekommen mit dAuos xepwss xpa-
vacs TRAAOS TAYaDS.
vom 14. März 1859. 263
wie ein für sich stehendes adverbium behandelt. darum dıarry-
Tyv ägiravre ohne spur von augment.
das syllabische augment geräth auch sonst häufig in colli-
sion mit der cäsur. soll man schreiben Aao: de rziövavro oder
8° Zrziövavso? Toü de #Aus Borßos ArorAuv oder 8° Exrve? sicher-
lich geht die cäsur vor. wessen kein vers entrathen kan, und
was sich in einem und demselben verse vier- bis fünfmal wie-
derholt, ist wesentlicher als was für den sinn in den meisten
fällen völlig gleichgültig bleibt, dem verse aber nur höchst sel-
ten und gleichsam zufällig förderlich wird. verse wie A 596
are dE made Be Euro yaızı zUreArcv oder # 58 aurag
Ersı ira F Emarsame$ 7de moröros würden freilich ohne aug-
ment übel fahren. auch y220 und » 27 (drpw Ev Toww, 0Sı
Masyolszv arye "Ayaıo) dürfte man versucht sein 09° Eraryo=
ev zu schreiben, und ö 243 und 330 03 Erasyere (0: wird
apostrophirt B 572, A 217, 7 320, € 210, $ 512, #11 und 336,
Fr 58), und y118 (eivasres yaz od zara barrousv) 20% Egdr-
Toner.
w. 3.
In der dritten stelle scheiden sich die zwei reihen woraus
E: hexameter besteht, eine daktylische und eine anapästische.
e: grenze zwischen beiden zieht eine cäsur, die natürlichste
nothwendigste eigenthümlichste von allen, hinreichend auch einen
ma ern vers zum hexameter zu stempeln. der En-
nianische z.
” Ei pervortentes omnia circumcursant
ist unleidlich, weil er, cäsurlos, in monotone und unverbundene
"bälften, wenn man will, in zwei verse, auseinander bricht. die
ähnlichen im Homer, wie
3 9 Fenıs AvSgumuv merci | dvögwv He yuvaızav
k' 1 134
f vv de mer "AAzununv Idov | "Aupırguwvos aroırw
f r 266,
geben geringen anstols, weil sie durch die cäsur des dritten
fulses, die deutliche bezeichnung des wechsels der rhythmen,
in ungleich grolse und nach verschiedenen richtungen bewegte
theile zerlegt werden. ein anderer vers des Ennius
264 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
disperge hostes, distrahe, diduc, divide, differ
hat recht viele verwandte unter den Homerischen, von A2 an
oURopevyv n | muge ’Aymois | aaye EIyzev
bis 2 801
AEvavres de: 70 | rue mar ziov | aurap Emsıra,
von «1
avdsce 401 Evvere | koüce moAUTgoMoV | ds [ai TOor.E
bis w 535
navra 0’ &mı y,Iovı | winre Seas oma | Pwuysrasys
BE EN I TE WE Kalrenn
(wer suchen will, wird in E allein, auf 909 verse, 102 derartige
finden, in O, auf 746, 82): aber während der Lateinische dichter
seine drei paare von fülsen chne alles band neben einander schiebt,
gliedert sie der Grieche auf das gefälligste mit hülfe der cäsur.
ein so bedeutendes moment kan nicht oft entbehrt werden.
auch zählen wir unter den 15694 versen der Ilias nur 185,
unter den 12101 der Odysee nur 71 ohne cäsur im dritten
fulse.*) wo aber die cäsur fehlt, fehlt sie in einem drei- oder
mehrsylbigen wort, das eniweder zusammengesetzt ist oder name,
eigener oder patronymischer, und wird ersetzt durch trithemi-
meres oder hepbthemimeres, meist durch beide zusammen:
4) A145 218 307 400 466 584, B 25 62 173 204 249 354 365 367 382°
426 429 463 494 558 572 653 T14 852, T 71 80 92 148 200 250 271
361, A 87 124 328 329 332 358 371 451, E 46 76 109 127 207 240 263
313 323 584 628, Z 3 107 197, H 123 168 317 318 389 457, © 65 93°
128 268 346 348 429, 173 78 145 2837 308 472 518 531 532 623 624,
% 80 87 94 144 429 502 555, A 221 229 249 426 432 Ay4 511 660 662
810, M 21 53, N 92 342 351 479 500 563 610 709 715, &42 47 273 307°
390 425, O 18 339, II 27 155 219 224 251 282 291 343-416 535 608
760, P 132 137 267 270 369 400 552 706 717 754, 3 41 44 46 312 407°
447 567, T 38 4S 53 185 201 252 254 361, TV 160 237 457, ® 283, X 63
415 258, F 118 159 225 231 237 250 261 295 316 362 395 423 525
723 838 867 870 393, 2 256 449 623 624 665 718 782 791, y 79 202
247 475, 8 224 280 343, « 341 418 423 440, T 200, n 66 120, 6 175 194
369, ı 19 395 506 535, x 32 130 504, ? 60 92 97 383 405 473 520 595°
617, u 223, v 166 375, £ 431, 0 37 323, ® 108 110 167 334 374 421, p 35
55 134, « 46 65 83 135, r5 321 432, v 241 303 318 319, $ 75 224,
x 164 242 267 270 277 284 294 400 499, w 155 214 270 542.
vom 14. März 1859. 265
bu FuegÖwAEov ds Mey unwEen,
dtoyevss Ansgrı@ön,
& Nesrog Nyrarıaöy.
die cäsur ist übrigens penthemimeres oder im dritten tro-
chäus, je nachdem sie die arsis abschneidet oder die thesis durch-
schneidet. penthemimeres zählen wir in A, auf 611 verse, 298,
in B auf 877 450, in T auf 461 231, in A auf 544 262, in E
auf 909 454. beide, wie auch, nur in geringerem maasse, die tri-
themimeres und die hephthemimeres, genielsen der freiheit von vers-
enden, so dafs sie kürzen lang gebrauchen (egeos &:, Suyaregss E&)
und den hiatus zulassen in allen seinen gestalten, langen vokal lang
zer langem und vor kurzem vokal (mpodosuw eig, zguSar y0°,
Ameiou Ayencı, zon KZADE kurzen vokal vor langer und vor
Burzem (Ovris ? BreH y ovolse Odrw, Kıoar | Ernıca ws, iy,Suosvre arap,
Eipavro Umorgonen). dem ee widersteht der apastnophr
also nicht z&zv’ pays sondern rizv« Pays, nicht Ang nem son-
dern ung “00H nicht «ur Exagn sondern «vure Kon, nicht
Greisav 7 Emiov sondern oreisav re miov.
Pi, 4.
In der vierten stelle finden wir die cäsur nach der arsis,
die hephthemimeres, in A auf 544 verse 305 mal, darunter 193
mal im gefolge einer trithemimeres, in N auf 837 verse 443 mal,
darunter 67 mal in der fuge von zusammensetzungen. höchst selten
‚steht die Bephihemimeres als alleinige cäsur, wie Y 362
a cd” au mavres ed’ Immo METTIYaS aeıgav.
- bukolische cäsur haben in E von Y09 versen 561, in A von
575, inN von 837 436, in X von 515 316, in « von 444
a7, i in d von 847 512, in $ von 586 352, in = von 481 300.
vor der bukolischen cäsur stehn daktylen in E 470 gegen 61
Be: in A 478 gegen 97, in N 446 gegen 60, in X 258
gegen 58, in @ 213 gegen 34, in 6 437 gegen 75, in S 238
gegen 64, in = 230 gegen 70. all diese daktylen zu beschaffen
haben die sänger mitunter zu wörtern und formen greifen müs-
sen die in andern stellen selten oder nie vorkommen. so steht
ür meorum und meoswmaıs re 19 TOOTWMUTE, H 212 nr dauageca
so 0386 oesıw und 0 557 avderesw für olsss und duazrssc',
135 und an 4 andern stellen &varzıd« für das doch auch übliche
Avanzıv, 112 sgeor zovrov neben orgarov eupuv und oUsavov zü-
266 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
’ ’ “ .. ’ 20 ’
evv, 7 208 zapyız für mageıci, anderwärts Evvyıe für Euve und
er . . /
auf ähnliche weise gedehnt iegyıov NrAyıov "Odvoyıov ormumıov
morelyLov moesnrov yarzrıov, Airwäros ferner für Airwrds, deI-
.. Im ‘ io. 7. ” .. RL
ra (I 108) für aeSAous, Awgre für EAwER, Werwriov für Werwrrov, me-
Awgız für meAng«, yeroıos und öworos für yeAotos und öluotos, mroAı-
mogQıos für mroXF0590s, Frorouyvios für smorouyvos, dıdumaoves für dı-
/ ” nA ’
Öumor,aovraros und veouraros neben aouros,daoweov neben Önporwev,
und selbst gegen die gewöhnliche analogie sursrysov für evreiyea,
se: 8 & % EINES
’ .. ’ .. I A 3, ” ’
Öusmy£os für Suryy0v, evaaıIaos für EvasıI14os, ravöriıos für ravdy-
N% 7% B g 1 i
.. [4 1. ’ [2 ”
105, @vostımov für avorrov, Paavraros für desworeros. der ziegenhirt
heilst Melantheus im ausgang des verses, Melanthios in der vierten
stelle, Deiphobos im ausgang Seosıöys (M 94), hier Seosizeros (8276),
und geradeso Alkinoos (r 281, $ 256), während zu TyAsuay,ov
beide epithete passen, Ssosıdex und Seosizerov (m 20, y 416), je
nachdem ein vokal oder ein konsonant folgt. «Asiar« arsıparos
3, . . /
Haoyara Ösıidymoves EnArmovss övsiar® nur in dieser stelle. d«rrvog
. \ . /
X496, aber kein anderer casus von d«rrvs. auch nicht von Zryrvos öu-
’ ! EAN 7
orurruos Favusruos, noch von zöyrvos, das selber an 30 mal steht,
. [4 ’ - . . [ .
wie yyrroges 25 mal in dieser stelle, 2 mal in einer andern,
r£oos 6 mal in dieser, sonst wrroos. era yYarzcov für A-
layregos a Ianroos. © WartEov Ya
’ ‚ r 7 Fe
zeyv. Esoov € 402 neben Erscum p 347. von den beständigen
beiwörtern scheinen viele wie festgebannt an diese stelle: «ya-
’ E) ur as ’ > u > u 38 l 7 > ’
myVooa, AYaAAUTE, aynoxov, aeizia, emnvmove (38 mal), agyupe,@orimos,
AFETTaAc, Yaır,0%,05; yuvaruaves, deipgover (mit Öalpgovos und dai-
SR \ \ Pr ’
pgovran 50 mal), ÖLarrog0s, Öurasos, ÖUF@IANAOROS, Eugen, SUÖELEAoV,ZUFHO-
mos,zerawvecee, zruros(11 mal), HaurUs, mertchgova, VRUFTIAAUTOL, VEHÄU-
Öes, öAo0ıba0vos, WemvunsvoG, megınahAte, megunzEroV, MoÖyVEINoS, moAU-
Bevdzos, morRUudgoVos, FaAaTidgovoS, unbiguyos (neben digvyes), Apvro-
’ > . .
mregov, Ypyroppanıs. an den verben wird alle contraction unterlassen:
7 v .
EmAss yocs Nges Ares, ameroosov Emyvsov #udoilmsov, mevoiweov (neben
’ er 4 EEH a In . .
Mevorve), 04oRAcov (neben OMOAA), Öse, Jeov, TEROLTER. Im passıyum
avaiveaı veizecı ÖyAyseaı Emırerdsaı immalscı Außgeveaı Anden,
ölecı, oder «ıdeo am ygo adeirso youvagso Araıso PIE) ööUDeo
ed ’ > ’ I „ E ’ E) ‚ ’ .
Ömigeo yweo, und Zyeivao Esirao INlao EAusao Euagvao (Deo. gewöhn-
lich sind auch iterative: yeveszero Surarzero Ösıdiszero Ösgreszero Om
OÄSHETO HNÖECHETO HIHÄYOHETO Min yEonero maveozeTo mw)Eszero. dritt
personen auf araı oder «ro: Beßrnaro Beßoryaro Bıwaro yevorwro de
’ m
Omiaraı Öeduyaro eipuaro EAoiaro lÖor@To IxoIaTo KRrTELRTO MAY OLRTO [LE
N [7 MAX, [
vom 14. März 1859. 267
Ö Joiaro veoiaro mecboßyaro muSciero. aoriste im medium: 2@4rero und
2övrsro mit ihren SERmapesikıs, Bırcaro doassaro Edyraro emraunsaro
Een mejanvaro Ey we«ro yynzaro zarubaro miynraro OyKoero seldrsaro,
maliges ueryseı. Öaiero heilst überall brante, aber (o 140) #920
iero zerlegte. umgekehrt (u 297) Luwgers für BragerSe.
nicht weniger lieben diese stelle infinitive auf yusvaı: annevar arme
vi 1 dsyuevan Bruevar yoruevaı dar ever Öamn ever zanjpeven HaAr Even
flasverı mewmjeven meu Sy ever moSyuevar Tagmyueven Ti Sy pevaı pı-
rusvau bognevar. infinitive auf Zev hat hier die Ilias 116 gegen 52
a ıf ei, die Odyssee 51 gegen 9. arausıßsro, nicht Ausißero. £xeV-
Savov Eguzavov za IıSavov zarsdgaIov zaryAuSov MersziaTov viel-
als, aüyagormcı aumvve döwronev 1 mal. 1 mal auch z&xreve
ür zreivov (Z 164). noch mehr: A 243 (züne wsgsraÖy) wäre
rermuthlich megisey passender, und @ 468 (0 ou esraoy Yurs nE-
4) &srn oder &sryzsı. \b 413 erwartet man heens Tor, nicht
jusQe, K.547 Eoizao’, nicht Zozores, 8 544 Öysıs, nicht Öyo-
458 azoveıs, nicht &@zovere. A 478 könte dauassyr stehn
ür Öanessera, X 419 aideseyr für eidersere, 8412 reunar-
für zeunessere, 8 672 veuriAyr für vev BinNeras, x 328
wen, für auslere, K70 roveunerS für vovewueSa: aber
er daktylus ist vorgezogen trotz incorrectheit und biatus. der
us bleibt auch unbeachtet $ 153 EgwasSa ei und w 466 Emı
Ye Ersevovro, so wie, nach der alten und richtigen lesart,
51 Ömger« apuporsonow.
5.
In der fünften stelle hat A 33 spondeen gegen 578 dakty-
en, B 54 gegen 823, T' 20 gegen 441, A 32 gegen 512, E 38
gen 871, Z 18 gegen 5il, H 17 gegen 465, © 30 gegen
985, I 42 gegen 671, K 22 gegen 557, A 44 gegen 804, M
7 gegen 454, N 33 gegen 804, 3 25 gegen 497, O 30 gegen
- [1859.] 19
268 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 14. März 1859.
716, 11 47 gegen 820, P 40 gegen 721, = 40 gegen 570, T
20 gegen 404, 7 36 gegen 471, ® 25 gegen 586, X 22 gegen
493, X 45 gegen 852, @ 41 gegen 763, « 24 gegen 420, ß
16 gegen 418, y 21 gegen 475, ö 46 gegen 801, = 25 gegen
468, 2 11 gegen 320, y 16 gegen 331, $ 25 gegen 562, ı 27
gegen 539, x 25 gegen 549, ? 40 gegen 600, u 26 gegen 427,
v 15 gegen 425, E 20 gegen 513, o 15 gegen 542, = 28 gegen
481, 2 23 gegen 583, » 16 gegen 412, r 27 gegen 577, u 24
gegen 370, $ 22 gegen 412, x, 25 gegen 476, L 18 gegen
372, » 30 gegen 518. der spondeen sind aber ungefähr 50 noch
weniger geworden seitdem iövie geschrieben wird für eiövi« und
der diphthong aufgelöst in ev, in reis, in den patronymicis, in
dgysupovrys und avögsıpovrys. der grund zu dieser letzten auf-
lösung dürfte sein dafs, wenn für avdgopovrzs nicht dvögnpovrns
(wie 2rabnBoros) sondern avögeupovrys beliebt wurde, dies nur ge-
schah um vermittelst des aufgelösten diphthonges den spondeischen
ausgang zu umgeln.
6.
Betrachten wir endlich in der sechsten und letzten stelle
die versausgänge, so sehn wir z. b. in A auf ein einsylbiges
wort 11 verse ausgehn, auf ein zweisylbiges 160, auf ein drei-
sylbiges 270, auf ein viersylbiges 97; in I auf ein einsylbiges
18, auf ein zweisylbiges 195, auf ein dreisylbiges 323, auf ein
viersylbiges 132, auf ein fünfsylbiges 44, auf ein sechssylbiges
4; in Y auf ein einsylbiges 12, auf ein zweisylbiges 175, auf N
ein dreisylbiges 261, auf ein viersylbiges 91, auf ein fünfsylbi-
ges 63, auf ein sechssylbiges 3, auf ein siebensylbiges 5°); in
ı auf ein einsylbiges 6, auf ein zweisylbiges 216, auf ein drei-
sylbiges 231, auf ein viersylbiges 84, auf ein fünfsylbiges 28,
auf ein sechssylbiges 2; in ö auf ein dreisylbiges 320 von 847;
in e 225 von 493. demnach machen die dreisylbigen ausgänge .
überall nah an die hälfte der gesamten ausgänge, und die ge-
wöhnlichsten wortfülse der zwei letzten stellen sind trochäus
- 7 E77
und bacchius, &Aye 2Iyzev, vorrov Eraipwr.
5) duoazıcroroxsia, aararsıßousvoo, Terauuviddao, xaraönmoßopicai, &rro-
4
deiporoungn.
“
Gesammtsitzung vom 17. März 1859. 269
17. März. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Haupt las die zweite Hälfte seiner Abhandlung über
den Apollonius von Tyrus.
Hr. Peters gab Nachrichten von Hrn. Fedor Jagor,
der auf eigne Kosten nach Östindien und den Philippinen ge-
reist ist und von der Akademie mit Instructionen für das Sam-
meln naturwissenschaftlicher Gegenstände versehen wurde. Der
Reisende ist, nachdem er die Halbinsel Malacca, Borneo und
Java besucht hat, nach Manila abgereist und hat -bereits sieben
Kisten mit Naturalien an das K. zoologische Museum eingesandt,*
worunter sich namentlich sehr schöne Korallen und viele wäh-
rend der Seereise selbst gefischte pelagische Thiere befinden.
Es wurde eine von demselben entdeckte neue Schlangengat-
tung vorgelegt und zugleich eine Übersicht der von ihm
gesammelten Schlangen gegeben.
AGLYPHODONTA.
. Python reticulatus Schneider. Sp. — Malacca.
2. Xenopeltis unicolor Reinw. — Singapore (Princels Hill);
diese Art ist, so viel ich weils, bisher nicht an diesem Fund-
bei
orte beobachtet worden.
3. Dendrophis pictus Gm. Spec. — Saräwak.
4. Simotes octolineatus Schneider Sp. — Singapore.
9. Gonyosoma oxycephalum Reinw. Spec. — Malacca.
6. Coluber hexahonotws Cantor. — Singapore.
7. Amphiesma chrysargum Boie Sp. — Saräwak.
8. Ophites subeinctus Boie Spec. — Singapore.
GLYPHODONTA.
9. Chrysopelia ornata Shaw. Spec. — Malacca; Saräwak.
10. Triglyphodon dendrophilus Reinw. Sp. — Krebrong.
11. Dryiophis prasinus Reinw. — Singapore; Labüan.
12. Eurostus plumbeus Boie Sp. — Malacca.
Weibchen mit entwickelten Embryonen. An einem Exem-
plare ist an beiden Seiten das Frenalschild mit dem Nasale
verschmolzen.
13. Cerberus boaeformis Schneider Sp. — Pongoor.
14. Hemiodontus leucobalia Schleg. Spec. — Pongoor.
195
270 Gesammisitzung
Hropropıpsas nov. gen.
Körper sehr lang, spindelförmig, in der Mitte zusammenge-
drückt, mit kantigen Bauchrändern. Körperschuppen (19 Längs-
reiben) rhombisch, glatt. Bauchschilder schmal. Analschild und
Schwanzschilder doppelt. Kopf länglich abgerundet, von dem
schmalen Halse deutlich abgesetzt. Augen sehr klein mit runder
Pupille, nach oben gerichtet, von vier Schildern, 1 anteorbitale,
1 postorbitale, 1 supraorbitale und 1 infraorbitale umgeben. Na-
senlöcher sichelförmig, im hintern Drittheil der einfachen gro-
[sen Nasenschilder gelegen. Internasalschild einfach. Zwei Prae-
frontalschilder, 1 Frontale medium und dahinter zwei Scheitel-
schilder. Ein Frenalschild. Vordere Oberkieferzähne mit Aus-
nahme des vordersten kleinen gleich lang, hinter ihnen, durch
einen Abstand getrennt, zwei längere Furchenzähne.
Diese Gattung gehört zu der Familie der P/a2tyrhini in dem
System von Dum&£rilund Bibron, steht in ihrer Kopfform dem
HemiodontusleucobaliaSchleg. Sp.am nächsten, unterschei-
det sich aber von ihm durch die vollständige Bewaffnung des Ober-
kiefers, durch die Anwesenheit eines Frenalschildes und von ihm,
so wie von allen verwandten Sülswasserschlangen leicht durch
den sehr gestreckten Körper und den vollständigen Kreis von
Orbitalschildern.
15. Hydrodipsas elapiformis Pet. nov. sp. (s. Taf. Fig. 1.)
Die Oberseite des Kopfes und des Rückens olivenbraun,
oder vielmehr von breiten, mehr oder weniger zusammenllielsen-
den Querflecken bedeckt, welche durch schmale unregelmälsige
Querbinden getrennt werden; die ganze Unterseite gelblich.
Die Form der Kopfschilder ist aus der beigefügten Tafel Fig. 1,a.
b. zu ersehen. ÖOberkieferzähne 9 + 2, Unterkieferzähne 14,
Gaumenzähne 8, Pterygoidalzähne 11 jederseits. Die Gestalt des
Oberkiefergaumenapparats ist durch Fig. 1c. dargestellt. Die
Körperschuppen liegen in 19, die des Schwanzes in 10 bis 12
Längsreihen. Bauchschilder 270 + = Schwanzschilderpaare 62.
Ganze Länge 1,140; Schwanz 0,165; Kopf 0,018; Höhe
der Körpermitte 0,014; Breite ebenda 0,008.
Fundort: Saräwak auf Borneo.
vom 24. März 1859. 271
| ELAPINA.
16. Elaps furcatus Schneider. var. Cantoris. — Singapore. .
17. Bungarus fasciatus Schneider. — Singapore.
18. Naja tripudians Laur. var. nigra. — Saräwak.
CROT ALINA.
419. Tropidolaemus maculatus Gray. — Labuan.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Keller, Notices sur la navigation transatlantique des paquebots inter-
oceaniques. Paris 1859. 8. (10 Exemplare.)
Annales de chimie et de physique. Tome 45, nv. 2. Paris 1859. 8.
Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. 1857—1858.
Frankfurt a. M. 1859. 8.
Journal für die reine und angewandte Mathematik. Band 56, Heft 3.
Berlin 1859. 8.
24. März.
Hr. Kiepert las über die Handelsstrafse der Alten
durch Central-Asien insbesondere nach Serica, als
Schlufs seiner im März v. J. gelesenen Abhandlung.
Pin
ur
Gesammtsitzung der Akademie.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
2 „Bulletin de la societe de geographie. Tome 16. Paris 1858. 8.
I The quarterly Journal of the chemical Society, no. 4. London 1859. 8.
F Bulletin de la societe geologique de France. Tome XVI, no. 1—6. Pa-
' ris 1859. 8.
272 Gesammtsitzung
Comptes rendus de l’Academie des sciences de France. "Tome 48, no, 5—
8. Paris 1859. 4. :
Joseph Balogh, De quadratura eirculi. Pestini 1858. 8.
Il nuovo Cimento. Tomo IX. Gennajo e Febbrajo. Torino 1859. 8.
Hierauf wurde die in früheren Sitzungen beschlossene und
demgemäls Hrn. Lepsius zur Abfassung übertragene Glückwün-
schungs-Schrift an die K. Bayerische Akademie in München für
die hundertjährige Stiftungsfeier derselben am 28. März zur schliels-
lichen Genehmigung vorgelegt und durch Unterschrift des Sekre-
tariats vollzogen, deren Wortlaut folgender ist:
„Die Akademie der Wissenschaften zu Berlin entspricht mit
Dank und Freude der ehrenvollen Einladung der Deutschen
Schwester-Akademie zu München, an dem bevorstehenden Ehren-
tage ihrer Säkularfeier einen festlichen Antheil zu nehmen. Sie
hat zwei ihrer Mitglieder abgeordnet, um sie in diesen der Er-
innerung an die Gründung und das hundertjährige Gedeihen der
Bayerischen Akademie geweihten Tagen zu vertreten und ihr
den Ausdruck ihrer theilnehmenden Wünsche für ihre fernere
frucht- und ruhmreiche Wirksamkeit zu überbringen.
Es geht ein Zug nach geistiger Gemeinschaft durch das
Reich der Wissenschaft, welcher im Wesen derselben begrün-
det, von jeher die Männer, die ihr angehörten, über die Schran-
ken der Länder und der Zeiten hinweggehoben und auf einem
höheren Felde der Ehre zusammengeführt hat, eine Gemeinschaft,
in welcher noch immer der Einzelne seine beste Kraft wie seine
weise Beschränkung, und die Wissenschaft im Ganzen die Be-
dingung ihrer höchsten Entwickelung findet. Es war dieser Zug,
welcher im verflossenen Jahrhundert, dem Gründungsjahrhundert
fast sämmtlicher Europäischer Akademieen, diese Festungen der
Wissenschaft sich erbaute. Wenn diese neuen Schöpfungen an-
fangs noch mit manchem Ungehörigen belastet waren, wenn sie
noch längere Zeit hindurch in einer ihrer Bedeutung nicht wür-
digen, ihre wahren Zwecke zuweilen geradezu aufhebenden Ab-
hängigkeit gehalten wurden, so ist das jetzt, zum Ruhme der
Zeiten, der Fürsten und Völker, besser geworden. Es ist den
unermüdeten Anstrengungen der einsichtigsten und edelsten Män-
ner, zumeist aber in Folge der eigenen inneren Erstarkung des
‘vom 24. März 1859. 273
wissenschaftlichen Lebens und des bewunderungswürdigen Auf-
schwungs vieler einzelner Zweige derselben, gelungen, der Wis-
senschaft und ihren wichtigsten Organen eine grölsere Selbstän-
digkeit, eine freiere Bewegung und eine allgemeine Achtung,
vornehmlich in unserm Deutschen Vaterlande, zu gewinnen.
Auch die Geschichte der Bayerischen Akademie bietet ein
Bild dieser Kämpfe und endlichen Siege innerhalb ihres ersten
Säculums dar, auf welches sie, an der Grenzscheide des neuen
angelangt, mit Befriedigung und gerechter Zuversicht in ihr fer-
neres (sedeihen, zurückblicken wird. Es ist nicht eins der ge-
ringsten Verdienste ihres jetzigen hochgefeierten Präsidenten, in
diesem Sinne sowohl für die innere Kräftigung und gesteigerte
Thätigkeit als für die öffentliche Anerkennung und eine der
inneren Würde entsprechende äulsere Stellung der unter seinem
Vorsitz blühenden Akademie unablässig mit edler Begeisterung,
mit Mannesmuth, und mit entsprechendem reichen Erfolge ge-
wirkt zu haben. Dem den höchsten geistigen Gütern ihres Vol-
kes zugewandten, Kunst und Wissenschaft mit befreiender Kraft
umfassenden Sinne der beiden jetzt lebenden erleuchteten Kö-
nige Bayerns aber gebührt der Ruhm, diese Anstrengungen ge-
würdigt und ihnen zum Siege verholfen zu haben.
Mit der erweiterten Wirksamkeit und der freieren Selbst-
bestimmung der Wissenschaft gewann auch ihr eingeborner Zug
nach wetteifernder Gemeinsamkeit in der Arbeit, nach gegen-
seitiger neidloser Förderung und einem darauf begründeten freu-
digen Gemeingefühl eine neue Gestalt. Welcherlei erd- und
weltumspannende Aufgaben heutzutage die Wissenschaft in Folge
des allgemeinsten Zusammenwirkens und eines Alle wie Einen
erfüllenden wissenschaftlichen Gemeinsinns sich gestellt hat, und
zu stellen berechtigt war, bedarf nur der Andeutung. Es mag
uns aber erlaubt sein, in dieser Beziehung und gerade an die-
sem Orte, Eines Mannes Erwähnung zu thun, der seit einem
halben Jahrhundert das würdigste Bindeglied zwischen den Aka-
demieen von Berlin und München bildet, und von allen Zeit-
genossen als der mächtigste Beförderer und edelste Träger die-
ser universellen Richtung wissenschaftlicher Gemeinthätigkeit an-
erkannt ist. Alexander von Humboldt, seit dem ersten
Jahre dieses Jahrhunderts Mitglied der Berliner Akademie, hat
“
274 Gesammtsitzung vom 24. März 1859.
vor kurzem sein funfzigstes Jahr der Münchener Mitgliedschaft
vollendet, zu der er bereits im Jahre 1808 berufen wurde.
Gleichzeitig begann damals, erst in Benediktbeurn später in Mün-
chen, die epochemachende Thätigkeit Fraunhofers, jenes
hervorragenden Bayerischen Akademikers, welcher das mensch-
liche Auge für die Erforschung des Kosmos geschärft und da-
durch den Horizont seines Blickes wesentlich erweitert hat.
Es ist nicht nöthig hier noch auf andere von den zahl-
reichen Verbindungen und innigen Beziehungen zwischen den
beiden Akademieen hinzuweisen, auf den öfteren Austausch be-
deutender Männer, auf die, beiden Körperschaften gemieinsam an-
gehörenden Mitglieder, auf die gegenseitige hohe Anerkennung
ihrer wissenschaftlichen Leistungen, um den warmen Antheil zu
erklären, welchen die Berliner Akademie an dem bevorstehenden
Säcularfeste ihrer Münchener Genossin auszusprechen wünscht.
Die allgemeinste Theilnahme, welche für diese Feier in Deutsch-
land und über seine Grenzen hinaus zu erwarten ist, wird nur
ein andrer Ausdruck desselben erfreulichen Gemeingeistes sein,
welcher die wissenschaftliche Welt jetzt mehr als je erfüllt.
Es ist für jedes höhere Streben heilsam, im Laufe seiner
Entwickelung von Zeit zu Zeit auf den Ausgangspunkt zurück
zu blicken, um sich des Zieles schärfer bewulst zu werden, und
es ist würdig, an solchen Wendepunkten durch eine festliche
Feier zur Erinnerung für spätere Geschlechter gleichsam nach
altrömischer Sitte einen Säcularnagel einzuschlagen. Möge die-
ser Clavus annaliıs, in die Wand des Münchener Minerventem-
pels eingeschlagen, noch für lange Zeiten und viele folgende
Saecula ein Wahrzeichen froher Rückerinnerung sein an die Ein-
‚heit Deutscher Wissenschaft und Deutschen Geistes, deren sich
unsre Zeit erfreut. Möge, was der Dichter einst am Römischen
Säcularfeste von Phoebus, dem Gott des Lichtes und der Wahr-
heit, erflehte, auch auf unsre Zeit angewendet, gelten:
Remque Germanam Monacumque felix
Alterum in lustrum meliusque semper
Proroget aevum.”
Ferner war ein Dankschreiben des Hrn. Fötterle, d. d.
Wien 4. März c., für Empfang der Abhandlungen der philos.-
Sitzung der phys.-math. Klasse vom 28. März 1859. 275
‚hist. Klasse von Seiten der Geographischen Gesellschaft zu Wien
eingegangen.
Schliefslich zeigte Hr. Pertz an, dafs Hr. Benjamin
Woodcroft im Namen des Patent Office in London für das
von der Akademie überwiesene Gegengeschenk der akademischen
Abhandlungen seinen Dank ausgesprochen habe.
28. März. Sitzung der physikalisch-mathe-
| matischen Klasse.
Hr. Braun las: Beiträge zur Kenntnils zweier
Sülswasser-Algen Pleurocladia und Pleurocarpus.
u
E Hr. Peters berichtete über die von Hrn. Dr. Hoffmann
in Costa Rica gesammelten und an das Königl. zoologische Mu-
seum gesandten Schlangen.
nr AGLYPHODONTA.
4. Streptophorus Sebae D. B.')
P' CoLOBOGNATHUS n. gen.
$ Gestalt und Beschuppung ganz wie bei Geophis”), aber
die Oberkiefer und Gaumbeine sind sehr kurz, so dafs das vor-
#) Ich mufs bemerken, dafs die in dem Catalog der Reptilien des
zoologischen Museums von 1856 pag. 23 als Elapoides striolatus Tro-
schel und Haldea striatula Lin. Sp. bezeichneten und unter diesen Namen
vertauschten Schlangen nichts als Streptophorus Lansbergü Schleg. Sp.
gen. eine Art, die, wie aus der Vergleichung einer grolsen Anzahl von
emplaren hervorgeht,in der Beschuppung, namentlich auch in einigen Fäl-
? Er, durch das Vorkommen von kleinen Präorbitalschildern, sehr variirt.
5 ?) Geophis Wagler (Syst. der Amphibien pag. 194 u. 342) ist über-
einstimmend mit Ahabdosoma D.B. Sein Geophis chalybeus aus Mexico
befindet sich in mehreren Exemplaren, von Deppe in Mexico gesammelt,
in dem zoologischen Museum unter dem Namen Zlaps chalybeus. Ich habe
‚seiner Beschreibung nur hinzuzufügen, dals 6 Oberlippenschilder vorhan-
den sind, von denen das 3. und 4. ans Auge stolsen, dals das 5. sich, wie
276 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
dere Drittheil des Mundes oben ganz glatt und zahnlos erscheint.
Die Zähne sind sämmtlich fein und ungefurcht. Diese Gattung
würde daher in dem System von Dume&ril und Bibron nicht
zu den Calamarien, sondern zu den Leptognathen gehören.
2. Colobognathus Hoffmanni n.sp. Oben schwarz, un-
ten hellbraun, gelblich oder weils; bei den ganz jungen Thieren
zieht sich die helle Färbung der Bauchseite in Form eines Hals- "
bandes hinter den Scheitelschildern herum, welches bei den er-
wachsenen Thieren verschwindet. Die Form der Kopfschilder
und des Kiefergaumenbeinapparats ist aus der beifolgenden Zeich-
nung (pag. 270 Tafel Fig. 2.) zu ersehen. 5 Ober-, 6 Unter-
lippenschilder, 1 Temporalschild, 2 Kinnschilder; 1 sehr kleines
oberes, und 1 oder 2 sehr kleine hintere Augenschilder. Die Kör-
perschuppen bilden 15 Längsreihen. Es sind 127 Bauchschilder,
ein einfaches Analschild und 33 Paar Schwanzschilder vorhanden.
Ganze Länge 0,245; Kopf 0,010; Schwanz 0,042.
3. HerpetodryasBoddaertiiSchlegel.—Einh. Name /uri.
4. Herpetodryas Rappii Günther. |
5. Spilotes melanurus Schleg. Sp. — Einh. Name sa-
vanera,
. SpilotesvariabilisMerremSp.—In CostaRica sehr selten.
. Leptophis ahaetulla Linn& Sp.
. Leptophis margaritifer Schleg. Sp.
SCTIN
. Liophis cobella Linn& Sp.
HYpromorruvs nov. gen.
Diese neue Gattung schliefst sich durch die Körperform zu-
nächst an die Hormalopsidae mit ungefurchten hinteren Zähnen,
Calopisma, Hypsirhina und Hydrops an, ist aber durch eigen-
thümlichen Kieferbau, Bezahnung und Kopfschilder leicht zu un-
terscheiden. Die Kiefer sind noch viel-schwächer als bei Zy-
drops und von ganz anderer Gestalt (Taf. Fig. 3c); der Ober-
kiefer ist gerade, nicht nach dem Lippenrande gebogen, mit un-
gefurchten Zähnen bewaffnet; das Os transversum ist durch seine
Länge ausgezeichnet; das Os palatinum ist nur vorn bezahnt und
bei G.semidoliatus D.B. Spec. das 4.,mit dem Parietalschilde vereinigt, da-
her nur 4 Temporalschild vorhanden ist und dafs die Körperschuppen 17
Längsreihen bilden. Von den 8 Paar Unterlippenschildern stölst das erste
Paar zusammen; hinter ihm folgen zwei Paar Kinnschilder.
vom 28. März 1859. 277
‚das Os pterygoideum ist zwar ganz bezahnt, bildet aber eine
‚dünne spatelförmige Platte, welche hinten nahe ihrem Zahn-
rande von einem Loch durchbohrt ist. Das einfache Nasen-
schild erscheint eingedrückt und die ziemlich grofsen Nasenlöcher
sind von ovaler Gestalt. Es sind zwei Internasalschilder, dage-
gen nur ein einziges Präfrontalschild vorhanden.
10.-Hydromorphus concolor n. sp. Das einzige Exemplar,
ein Weibchen, ist oben dunkelgraubraun, die Körperseiten und die
Unterseite sind heller, indem die Schuppen und Schilder hier zum
Theil schmutzig gelb sind. Kopf wenig abgesetzt von dem Körper,
der in der Mitte merklich dicker ist. Ein längliches an die Au-
‚gen stolsendes Frenalschild, darüber ein kleines Praeorbitalschild.
Zwei Postorbitalschilder. Sechs Oberlippenschilder, von denen
das. dritte unten ans Auge stölst. Ein langes Temporalschild
über dem vierten und fünften Oberlippenschild; zwei kürzere über-
einander liegende hinter demselben. Neun Unterlippenschilder.
Zwei Paar Kinnschilder. Die glatten Körperschuppen in 17,
‘vor dem Schwanze in 15 Längsreihen. Bauchschilder 176, dar-
unter 2 Paar doppelte Analschilder; 31 Schwanzschilderpaare.
Oberkieferzähne 14, Unterkieferzähne 14, Gaumenzähne 3, Pte-
rygoidalzähne 14.
» Totallänge 0,850; Kopf 0,025; Schwanz 0,086.
GLYPHODONTA.
41. Homalocranium melanocephalum D. B. — Diese Art
ist nicht auf Südamerika beschränkt, sondern kommt auch
in Nordamerika vor, indem das Museum ein Exemplar be-
sitzt, welches von Lieber in Südcarolina gesammelt ist.
12. Oxybelis Catisbyi Schleg. Sp.
3. Oxybelis aeneus Wagler. — Aus dem Candalarioge-
birge und von Punta de arenas.
} 414. Erythrolamprus venustissimus Wied. Sp.
Dipsas annulata Linn Sp. — Einh. Name zoboba.
% Himantodes cenchoa Linn& Sp.
EN HYDROPHIDAE.
17. Hydrophis bicolor Daud. — Aus dem Golfo dulce.
gi ELAPINA.
48. Elaps semipartitus D. B.
19. Elaps eircinalis D. B.
Er
278 Sitzung der physikalisch-maihematischen Klasse
CROTALINA.
20. Bothrops bilineatus Wied. Sp. — Vom Vulkan von {
Barbo.
BOTHRIECHIS nov. gen.
Eine Gattung, die zwischen Botkraps und Atropos steht,
mit jener durch das grolse Supraorbitalschild, mit dieser durch h
die Gröfse, Lage und Begrenzung der Thränengruben, durch den
Mangel der Kiele an den Schuppen des Vorderkopfes übereinstimmt.
(Taf. Fig.4.) Die übrigen Schuppen des Kopfes und des Körpers |
sind mit Ausnahme der untersten oder der beiden untersten
Reihen schwach gekielt. Die Schwanzschilder sind an drei mir
vorliegenden Exemplaren sämmtlich einfach.
21. Bothriechis nigroviridis n.sp. Oben grün und schwarz
gesprenkelt, indem auf dem Rücken die meisten Schuppen am
Rande schwarz, in der Mitte grün sind, so dals sich längs der
Mitte des Rückens einige unterbrochene grüne Linien hinziehen,
die Schuppen der Körperseiten dagegen so mit Schwarz ge-
sprenkelt sind, dafs die Ränder und der Kiel grün erscheinen.
Die Bauchschilder und Schwanzschilder sind grün mit schwarzen
Rändern, letztere so wie die Schilder des Halses aufserdem mehr
oder weniger schwarz gesprenkelt. Obere und untere Lippen-
schilder jederseits zehn bis elf. Ein Paar grölsere Kinnschilder.
Körperschuppen in neunzehn Längsreihen. Analschild ungetheilt.
Bauchschilder 142 +1, Schwanzschilder 52.
Totallänge 0,360; Kopf 0,030; Schwanz 0,102.
m 0,344; „ 0,020; PR 0,080
Von Hrn. Dr. Hoffmann am Vulcan von Barbo entdeckt.
Hr. Dove las über die stereoskopische Darstel-
lung eines durch einen Doppelspath binocular be-
trachteten Typendrucks.
In dem Berichte der Akademie 1858 S. 315 und Pogg.
Ann. Bd. 104, S. 329 habe ich nachgewiesen, dals nur bei bino-
cularer Betrachtung durch ein Kalkspathrhombo&der das eine Bild
einer ebenen Zeichnung stark über das andere gehoben erscheint,
bei monocularer hingegen beide in einer Ebene liegen. Da der
vom 28. März 1859. 279
‚Grund dieser Hebung in der verschiedenen Brechung des or-
dentlichen und aulfserordentlichen Strahles zu suchen ist, so kam
ich darauf, dafs sich die Erscheinung im Kalkspath stereoskopisch
müsse wiedergeben lassen, wenn man die Doppelbrechung durch
einen doppelten Typendruck darstellte, die verschiedene Bre-
‚chung beider Strahlen durch eine Verschiebung der Doppelzeile
gegen die erste Zeile. Die sechs obern Zeilen der diesem Hefte
beigelegten Drucktafel 1 zeigen im Stereoskop betrachtet in einer
‚auffallenden Weise diese Erscheinung, die letzte Zeile bezieht
sich auf die nachfolgende Notiz.
Wenn man in einem Stereoskop die für das rechte Auge
entworfene Zeichnung mit der für das linke Auge entworfenen
und umgekehrt diese mit jener vertauscht, so wird das convexe
‚Relief ein concaves. Es ist klar, dals wenn man die Verwand-
lung des einen in das andere, d. h. bei einer abgekürzten Pyra-
mide das Durchgehen der Schnittfläche durch die Grundfläche
‚anschaulich machen will, das Vertauschen in der Weise statt-
finden mufs, dafs während der ganzen Zeit dieses Vertauschens
beide Projectionen im Gesichtsfeld bleiben müssen. Man erhält
diels am einfachsten, wenn man eine Zeichnung, welche man
mit dem einen blolsen Auge und zugleich mit dem andern durch
ein Spiegelprisma betrachtet, um 180° in ihrer Ebene dreht.
Ich habe dıiels im Berichte 1851 S. 249 und Pogg. Ann. 83,
28.185 beschrieben. Will man dieses Prineip auf ein gewöhn-
liches Linsen- oder Prismenstereoskop anwenden, so braucht man
nur die beiden Zeichnungen auf drehbare gleiche Kreise zu be-
festigen, und diese vermittelst eines sich kreuzenden Schnurlau-
des in Drehung zu versetzen. Da die von mir angegebene Er-
‚scheinung von vielen Physikern später dargestellt worden ist, so
ist es möglich, dals diels auch auf diese Weise geschehen. Die
letzte Modification ist, so viel ich weils, von Hrn. Halske
(Pogg. Ann. Bd. 100, S. 657) veröffentlicht worden, welcher
gezeigt hat, dals man vermittelst einer complicirten Ziehvorrich-
‚tunn beider Bilder in einer der Verbindungslinie beider Augen
parallelen Richtung diese Bewegung der Schnittfläche senkrecht
auf die Ebene der Zeichnung erhält. Es ist aber leicht dasselbe
vermittelst des Ziehens eines einzigen Bildes zu erhalten. Um
davon eine Anschauung zu geben, habe ich auf der zweiten
280 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Drucktafel die ersten Zeilen so abdrucken lassen, dafs nun die
ungeraden Zeilen statt der geraden eingerückt sind. Die vorher
im Stereoskop vertieften Zeilen erscheinen nun als die erhobenen. h
Es ist klar, dals wenn man nun die Doppelzeilen auf einem |
Schlitten beweglich macht, man die Bewegung senkrecht auf die
Ebene des Druckes unmittelbar sichtbar macht.
Da mit zunehmender Wärme die doppeltbrechende Kraft des |
Kalkspathes abnimmt, indem die rhomboä@drische Form sich der
Würfelform immer mehr nähert, so würde, wenn man diese
Veränderung sehr weit fortsetzen könnte, der negativ doppelt-
brechende Kalkspath nach dem Durchgang durch einfache Bre-
chung sich in einer positiv doppeltbrechenden verwandeln, in-
dem der auflserordentliche Strahl, welcher bei gewöhnlicher Tem-
peratur eine geringere Brechung zeigt, dann den aufserordent-
lichen in der Brechung übertreffen würde. Der eben beschrie- |
bene letzte Versuch erläutert das, was sich in einem Kalkspath
bei steigender Erwärmung in Beziehung auf die scheinbare Be-
wegung des einen Bildes zeigen würde.
Darauf las derselbe über Anwendung des Stereo-
skops um einen Druck von seinem Nachdruck, über-
haupt ein Original von seiner Gopie zu unterschei-
den.
Die erhebliche Erhöhung, in welcher in der gedruckten Bei-
lage die Zeilen im Stereoskop über einander treten bei einer
verhältnilsmälsig geringen Verschiebung der Zeilen gegen ein-
ander in horizontaler Richtung, zeigt, dals hierdurch ein Mittel
gegeben ist, die Verschiedenheit nicht identischer Drucke auf
eine auffallende Weise sichtbar zu machen, denn es ist klar, dafs
wenn die Zwischenräume der einzelnen Worte nicht absolut
gleich sind, die bei Betrachtung mit blolsem Auge in einer
Ebene liegenden Worte treppenartig über einander treten müs-
sen. Die unterste Zeile beider Blätter ist aus derselben Schrift
geseizt worden, ohne dals dem Setzer gesagt wurde, dals eine
Verschiedenheit beabsichtigt werde und dennoch treten, obgleich
die Verschiedenheit der Entfernung des zweiten und dritten
vom 28. März 1859. 281
Wortes mit blofsem Auge fast unmerklich, im Stereoskop alle drei
Worte treppenartig übereinander, indem auf der ersten Tafel
das erste Wort am tiefsten, das zweite höher, das dritte das
höchste wird. Während der wiederholte Abdruck desselben
Satzes daher alles in einer Ebene darstellt, wird jeder neue Satz
ähnliche Verschiedenheiten zeigen, auch wenn er aus derselben
Druckerei hervorgegangen ist und die grölste Sorgfalt eine Gleich-
heit zu erhalten, angewendet worden ist. Ob also bei einer
neuen Auflage nur der Titel neu, läfst sich leicht beurtheilen.
Was vom Druck gesagt ist, gilt natürlich von jeder Copie über-
haupt. Bei der Nachbildung von Papiergeld ist bisher das Cri-
terium der Vergleichung, Abweichung in der Form gewesen,
das hier gegebene Verfahren giebt eine viel schärfere Prüfung.
Legt man nämlich ein Werthpapier und seine Copie neben ein-
ander in das Stereoskop, so wird eine für das blolse Auge nicht
‚sichtbare Differenz in dem Abstande der Worte sich sogleich
auf die angegebene Weise durch ein Hervortreten aus der Ebene
des Papiers merklich machen. Durch dieses Verfahren ist also
ein einfaches und scharfes Mittel gegeben, eine Copie eines
Druckes oder einer Zeichnung als solche zu erkennen. Die
Veröffentlichung des Verfahrens hat allerdings den Nachtheil,
‚dals denen, welche solche Copien anzufertigen beabsichtigen, zu-
gleich die Mittel an die Hand gegeben werden, durch das Ste-
E.. selbst zu prüfen, in wie fern sich die Copie dem Ori-
ginal anschlielst, aber die Schwierigkeit diesem Hülfsmittel ge-
‚genüber eine bis an Identität streifende Übereinstimmung zu
erhalten ist so grols, dafs es eher als Abschreckungsmittel dienen
kann, da die Hoffnung eine Täuschung zu erreichen, so sehr in
die Ferne gerückt wird.
D Wie gering nämlich der Unterschied des Abstandes zweier
Worte oder Buchstaben zu sein brauche, um das Heraustreten
‚derselben aus der Ebene der übrigen hervorzubringen, kann ge-
messen werden, wenn man den in der vorigen Notiz ange-
führten Schieber mit einer mikrometrischen Vorrichtung versieht.
h Die Banknoten können entweder vermittelst einer Druck-
‚platte angefertigt sein, oder wie es besonders bei verschiedenem
Farbedruck der Fall ist, mit mehreren. Möglicher Weise kann,
‚wenn die bereits mit der ersten Platte bedruckten Papiere, dem
282 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
zweiten Druck unterworfen werden, in einzelnen Fällen die Lage
des Papiers gegen die zweite Druckplatte eine etwas veränderte.
sein. Es werden sich dann alle Buchstaben und Zeichen der
einen Platte, über die Buchstaben oder Zeichen der andern er-
heben. Diefs kann aber nicht stattfinden in Beziehung auf die
Buchstaben und Zeichen derselben Platte, und dadurch giebt sich
eben eine Fälschung zu erkennen, dals bei dieser innerhalb der-
selben Platte solche Ausweichungen sich zeigen. Man wird in
den beigegebenen Druckplatten viele solcher Ungleichheiten in
den einzelnen Zeilen, eben so ein ungleiches Hervortreten der
ganzen Zeilen wahrnehmen, welche dann vermieden worden wä-
ren, wenn das auf der einen Seite stehende zuerst allein auf
der einen Seite abgedruckt worden wäre, und dann auf der an-
dern Seite dieselben Zeilen nur etwas gegen einander eingerückt
angewendet worden wären. Nur in diesem Faile würde die im
Kalkspath hervortretende Erscheinung treu wiedergegeben wor-
den sein.
Der Identität echter Werthpapiere, auch wenn bei der An-
fertigung derselben nur eine Platte oder ein Druck mit Typen
angewendet wurde, treten noch andere Hindernisse entgegen.
Wir wollen dabei davon absehen, dals wenn bei Abnutzung einer
Platte dafür eine neue substituirt wird, diese der ersten nicht
mathematisch gleich sei, weil sich diese Schwierigkeit ja leicht
dadurch beseitigen läfst, dals das mit einer zweiten Platte ge-
druckte irgend wie als eine andre Serie bezeichnet wird und
man dann eine Copie eben mit einem Original derselben Serie
zu vergleichen hat.
Eswas anders sind die Veränderungen, welche möglicher
Weise bei Anwendung derselben Platte hervortreten können,
Sie sind doppelter Art und können entstehen entweder durch
Veränderungen des zu bedruckenden Materials oder durch Ver-
änderungen der druckenden Platte.
Da das zu bedruckende Material Papier ist, so sind die hier
zu betrachtenden Einflüsse Feuchtigkeit und mechanische Deh-
nung.
Um den Einfluls der Feuchtigkeit zu erhalten, wurde fol-
gender Versuch angestellt. Zwei ganz gleiche durch denselben
Satz erhaltene Drucke wurden im Stereoskop neben einander
vom 28. März 1859. 283
gelegt, so dafs nur ein ebenes Bild gesehen wurde. Es wurde
nun einer derselben befeuchtet und nun das trockne und be-
feuchtete Blatt so betrachtet, dafs die Mitte fixirt wurde. Das
Ganze erschien nun als eine continuirlich gekrümmte Fläche,
‚die sich von der vertieften Mitte allmählich nach den erhöhten
Rändern hin erhob. Sollte daher bei demselben Satz zwischen
verschiedenen Exemplaren desselben eine Differenz entstanden
sein, so läfst sich durch Befeuchten beider diese abgleichen.
Der Einfluls einer ungleichen mechanischen Dehnung läfst
sich auf ähnliche Weise untersuchen. Die zu vergleichenden
Papiere werden an der Stelle, wo sie einander berühren, be-
festigt und auf der andern Seite über eine Rolie gehend durch
Gewichte gespannt. Am geeignetsten, um diese Wirkung an-
schaulich zu machen, sind die bei Reduction durch photographi-
‚sche Mittel erhaltener meteorologischer Aufzeichnungen in An-
wendung kommenden mit einer aufgetragenen Längentheilung
versehenen Streifen von Kautschuk. Ermittelt man für bestimmte
"Spannungsgewichte die Grölse der eintretenden Veränderung, so
übernimmt das Stereoskop wie im vorhergehenden Falle die Rolle
‚eines Hygrometers, hier die einer Federwage.
Was die Veränderungen der Druckplatten oder Stempel be-
trifft, so können diese möglicher Weise nicht allein in einer
Abnutzung bestehen, sondern auch in einer Ausdehnung der
ganzen Masse. Da mir diese Prüfung anzustellen das dazu er-
forderliche Material fehlte, so habe ich auf eine indirecte Weise
‚die daraus folgenden Erscheinungen zu bestimmen gesucht.')
Bekanntlich hat Baudrimont (Ann. de Ch. et de Phys. 60
p-78) gefunden, dafs die durch denselben Drathzug gezogenen
Dräthe, wenn sie von verschiedenen Metallen sind, verschiedene
" Dicke haben, indem nämlich die Metalle verschieden elastisch
sind, und sich vermöge dieser Elasticität, wenn sie aus demsel-
ben Loch heraustreten, um ungleiche Gröfsen ausdehnen. Diese
) Ausdehnung geht daraus hervor, dals kein Drath, aufser Gold-
drath, durch dasselbe Loch, aus welchem er unmittelbar hervor-
gegangen ist, ohne Kraftanwendung wieder durchgezogen werden
Zr. ...
*) Die hierher gehörigen Versuche wurden erst in der Sitzung vom
44. April vorgezeigt.
[1859.] 20
284 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
kann. Silber erfordert die geringste Kraft, die durch die Ela-
sticität bewirkte Ausdehnung dauert aber noch mehrere Wo-
chen fort. $
Es war mir nun wahrscheinlich, dafs bei dem Prägen von
Medaillen etwas ähnliches stattfinden werde, und dafs daher Me-
daillen, welche in verschiedenen Metallen durch denselben Präg- N
stempel erhalten sind, nicht gleich sein können, sondern, um
mich so auszudrücken, in einem etwas verschiedenen Maalsstab
ausgeführt sein werden. Am geeignetsten dazu sind Medaillen,
in welchen das darauf geprägte in Beziehung auf den Rand sym-
metrisch geordnet ist, wie z. B. bei der Pariser Ausstellungs-
medaille, die Seite, in welcher um den französischen Adler in
der Mitte, die Wappenschilder kreisförmig herumliegen. Ich
legte ein in Silber und ein in Bronce ausgeführtes Exemplar in
das Stereoskop. Man sieht nach einiger Zeit diese stereoskopisch
combinirte Medaille, wenn man den Adler in der Mitte fixirt,
in Form eines hohlen Schildes in der eigenthümlichen Farbe
einer gleichsam dadurch entstehenden Legirung. Welchen Ein-
fluls die bei dem Erstarren einer geschmolzenen Substanz ein- #
tretende Ausdehnung oder Zusammenziehung auf einen Abguls,
und die Temperatur des Schmelzpunktes auf den Stempel selbst @
habe, konnte ich noch nicht untersuchen, da die zu dieser Un-
tersuchung erforderlichen Abgüsse mir noch nicht zur Hand sind,
Ich werde in einer spätern Notiz die Ergebnisse derselben mit-
theilen.
Den Einfluls der Temperatur allein erhält man, wenn man
zwei Medaillen von demselben Metall combinirt, zwischen denen
ein constanter Temperatur-Unterschied stattfindet. Das Bezeich-
nende aller dieser Veränderung ist die Continuität des Über-
ganges, welche, wenn man die Mitte fixirt, eine Krümmung her-
vorruft, hingegen ein continuirliches Erheben oder Zurücktreten,
wenn man den Rand fixirt. Der Grund dieser Verschiedenheit
leuchtet sogleich ein, wenn man im Stereoskop zwei Maalsstäbe
mit einander ceombinirt, bei welchen der Abstand der Theil-
striche des einen zwar nahe gleich aber nicht identisch mit den
Abständen der Theilstriche des andern. Bringt man nämlich
durch Fixiren eines bestimmten Striches beider Theilungen die-
sen Strich der beiden Maalsstäbe zur Deckung, so. verhalten sich
Stereoskopische Darstellung eines
Stereoskopische Darstellung eines
durch einen Doppelspath binocular
durch einen Doppelspath binocular
betrachteten Druckes.
betrachteten Druckes.
Stereoskopische Darstellung eines
Stereoskopische Darstellung eines
Stereoskopische Darstellung eines
durch einen Doppelspath binocular
durch einen Doppelspath binocular
betrachteten Druckes.
betrachteten Druckes.
Stereoskopische Darstellung eines
REN I Si
- ne
Stereoskopische Darstellung eines Stereoskopische Darstellung eines
Stereoskopische Darstellung eines Stereoskopische Darstellung eines
durch einen Doppelspath binocular durch einen Doppelspath binocular
durch einen Doppelspath binocular durch einen Doppelspath binocular
betrachteten Druckes. betrachteten Druckes.
betrachteten Druckes. betrachteten Druckes.
Stereoskopische Darstellung eines Stereoskopische Darstellung eines
PRÜFUNG PRÜFUNG
EINER EINER
LÄNGEN-
THEILUNG.
LÄNGEN-
THEILUNG.
een
a
Er nn
a N ue z
oe
PRÜFUNG
LÄNGEN-
EINER
THEILUNG.
|
s vom 28. März 1859. 285
die Theilstriche beider Maafsstäbe wie ein Nöoniüs, bei welchem
die Coincidenz an jenen Striche stattfindet. Liegt nut dieser
‘Strich in der Mitte, so ist der Sinti der Abweichüng auf beiden
Seiten desselben entgegengesetzt, liegt hingegen der Strich am
Ende, so sind alle Abweichungen in demiselben Sinn. Im ersten
Falle wird daher im Stereosköp eine Krümmüng sich zeigen, im
zweiten ein contintüirliches Aufsteigen oder Heräbsteigen. Um
davon eine Anschauung zu geben, habe ich atif der Drucktäfel
3 und 4 die Worte „Prüfung einer Längentheilung” einmal
ohne Zwischenräume zwischen den Buchstäben setzen lassen,
dann mit Zwischenräumen. Fixirt män äuf dem ersten Blätte,
\ 6 die weiter entfernten Buchstäben in dem rechten Felde ste-
ben, längere Zeit den ersten Buchstaben P, so sieht man nach
1 iger Zeit siämmtliche Buchstaben jeder Zeile in Einer fast auf
Ebetie des Papiers senkrechten Richtung hinter einander tre-
ten, während auf der vierten Tafel, wo die weiter von eins
ähder abstehenden Buchstaben auf der linken Seite stehen, das
Unmgekehirte eintritt, indem der erste Bachstabe jeder Zeile dann
in der Reihe der hinterste wird. Falst man hingegen die mit-
4 Isten Büchstaben ins Auge, s6 erscheinen diese am tiefsten und
lie Erhebung zu beiden Seiten. Je geringer nun der Unter-
ehied des Abstandes der einzelneh Zeichen in beiden Bildern
f, desto mehr nimmt das er die Gestalt einer con-
q ih uirlichen Krümmung an.
z In den Berichten der Akaderhie 1841 p- 252 habe ich ges
\ ken Relief äuch stattfindet, wenh man diese im Dünkelt
aufgestellten Zeichnungen dürch den elektrischen Funken einer
sich entlädenden Kleistischen Flasche beleuchtet, dessen Dauer
Inöch Bet: Ei ee. Theil = Secunde An en Es ist
idem Versuch hervor. Ich spannte zwei Saiten derselben
Nammer so neben einander, dafs sie sich im Stereöskop genau
Zu einem Bilde deckten. Es wurde nun von den beiden uni-
ono tönenden Saiten, einmal die eine, dann die andere in hori-
;ontaler Richtung in Schwingung versetzt,‘ während die zweite
20°
286 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Saite in Ruhe blieb. Hätte hier eine stereoskopische Combina-
tion stattgefunden, so hätte eine Ossillation von scheinbar sehr
vergrölserter Schwingungsweite in einer mehr oder minder loth-
rechten Ebene sichtbar werden müssen. Diels war aber nicht
der Fall, da die Augen diese schnell aufeinander folgenden Com-
binationen nicht auszuführen vermochten. Man sieht nämlich
die Schwingung so, als wenn man mit einem Auge die schwin-
gende Saite allein betrachtet, indem das auf die ruhende fixirte
Auge die Combination versagt. Da möglicher Weise bei die-
sem Versuch die Schwingung der Saite nicht in einer horizon-
talen Ebene erfolgte, so wurde der Versuch auf folgende Weise
modificirt. Es wurden zwei gleiche Stimmgabeln so neben ein-
ander eingeschraubt, dafs im Stereoskop die obern vierseitigen
Endflächen derselben einander zu den Endflächen einer einzigen
Stimmgabel deckten. Es wurde nun eine derselben zum Tönen
gebracht, während die andre nicht tönte. Es wurde darauf eine
grolse Stimmgabel so aufgestellt, dals die Endflächen beider Zin-
ken sich zu einer deckten, und diese Stimmgabel durch Strei-
chen ins Tönen versetzt. In beiden Fällen erschien kein Her-
auf- und Herunterbewegen, die ÖOssillation erfolgte horizontal
und in derselben unvergrölserten Weise, als wenn sie mit einem
Auge beobachtet wurde, ein Beweis, dafs die stereoskopische
Combination nicht erfolgt. Ich halte diesen Versuch für eine
neuen Beleg gegen die, von mir durch den frübern Versuch wie ic
glaube bereits widerlegten, physiologischen Theorie, dals wir au
das Vorhandensein eines Körpers schlielsen, aus der Veränderun
der Convergenzpunkte der Augenachsen, indem wir abwechselnd
die nähern und entferntern Theile desselben ins Auge fassen.
Wenn das vorher angegebene Verfahren auf diese Weis
ein Mittel an die Hand giebt, Längentheilungen mit einande
zu vergleichen, so findet bei Kreistheilungen natürlich immer nu
der zweite Fall statt, denn es ist klar, dafs da der Umfang de
Kreises ein gegebener, die Fehler der Theilung sich auf die Ar
vertheilen müssen, dals die an einer Stelle zu grolsen Abständ
durch zu kleine an einer andern Stelle compensirt werden müs
sen. Die Theilstriche erheben sich dann an einer bestimmte
Stelle über die Ebene der ganzen Theilung, und gehen dan
unter dieselbe herab. Ist aber an einer bestimmten Stelle ei
\ vom 28. März 1859. 287
falscher Strich, so tritt dieser unabhängig weit heraus. Diefs
ergab eine mit der gröfsten Sorgfalt angefertigte Copie einer
durch eine genaue Kreistheilmaschine angefertigte Kreistheilung.
Hier also, wie bei falschem Papiergeld, sind es bestimmte
Fehler, das plötzliche Heraustreten bestimmter Buchstaben oder
Worte, welche sogleich darauf aufmerksam machen, dals man es
mit einer Nachbildung zu thun hat. Solche Unterschiede traten
in einer sehr gut nachgemachten Banknote, welche ich zu prü-
fen Gelegenheit uk auf den ersten Blick hervor. Es wird
für den Staat dann zweckmälsig sein, wenn eine solche Note
einmal als falsch erkannt ist, die Ergebnisse der stereoskopischen
Analyse als untrüglichen Steckbrief zu veröffentlichen. Aller-
dings kann man sagen, dafs die im Abstande der Zeichen be-
gangenen Fehler sich auch durch feine mikrometrische Messun-
gen müssen feststellen lassen, wer hat aber Zeit den Abstand
aller einzelnen Buchstaben mikrometrisch zu messen, während das
von mir angegebene Verfahren auf einen Blick die fehlerhafte
Stelle erkennen läfst.
Für den hier erläuterten Zweck giebt man dem Stereoskop
‚entweder keinen Boden, um es unmittelbar auf die vergleichende
‚Papiere zu stellen, oder man macht an der Stelle der vier loth-
rechten dunklen Ränder der Tafel in den Boden Einschnitte, um
längere Streifen der zu vergleichenden Schriften hindurchzuzie-
hen und auf diese Weise verschiedene Stellen derselben nach
E.. zu vergleichen.
% Legt man die beiden ersten Drucktafeln gleichzeitig in ein ge-
wöhnliches W heatstone’sches Spiegelstereoskop, die eine auf die
linke Seite desselben, die andere auf die rechte, so sieht man
Bis das alternirende Hervortreten der Doppelzeilen und
zwar in der Weise, dals in dem einen der neben einander ste-
henden Bilder die Zeilen die hervortretenden sind, welche in
de andern zurücktreten, doch erscheinen hier die Buchstaben
ao Wem diese zu lesen Schwierigkeit macht, kann in
as Wheatstone’sche Spiegelstereoskop hineinsehen, mit dem
mir angegebenen Prismenstereoskop (mit zwei Prismen (Pogg.
Kan. Bd. 83, S. 186 No.4), für welches Moigno den Namen
Stereoskop a reflexion totale, Wheatstone den Namen Pseu-
doskop vorgeschlagen hat. Um bei grolsen Platten zunächst un-
288 Gesammisitzung
gleiche Stellen aufzufinden, muls man den Wheatstone’schen
Spiegelstereoskop die Einrichtung geben, dals man darin Platten
von beliebiger Grölse aufstellen kann, welches man dadurch
leicht erhält, dafs die Spiegel nicht zwischen zwei Bretter be-
festigt, sondern nur auf einem aufgestellt werden und für die
einzulegenden Blätter nur die untere Rinne bleibt, während die
obere wegläallt. Man kann zur Inversion der als Typen erschei-
nenden Buchstaben mit einem solchen Stereoskop das Prismen-
stereoskop dann ein für allemal verbinden. Handelt es sich da-
rum, die Identität zweier Sätze derselben Worte in Typen, oder
zweier Kupferplatten vor dem Abdruck zu prüfen, so wendet
man dieses Stereoskop unmittelbar auf die neben einander ge-
legten Platten an. Bei Anwendung des Spiegelstereoskops ist
es zweckmälsig, vorn zwei Vergrölserungsgläser anzubringen.
Nachdem die Wissenschaft in der Daguerotypie, Photogra-
phie und Galvanoplastik so mächtige Mittel treuer Nachbildung
geliefert bat, ist es wohl an der Zeit, dals sie einmal die ent-
gegengesetzte Richtung verfolge, und auf die Auffindung von
Methoden bedacht sei, das Narkgehilleie von seinem Original
zu unterscheiden.
31. März. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. du Bois-Reymond theilte die Ergebnisse einer Un-
tersuchung über die angeblich saure Reaction des Mus-
kelfleisches mit.
Bekanntlich hat zuerst Berzelius selber im Jahr 1807
beobachtet dals das Muskellleisch eine saure Reaction besitze,
Für die Ursache derselben erklärte er den Gehalt des Fleisches
an einer freien, nicht flüchtigen, organischen Säure, die er nach
allen ıhm damals bekannten Merkmalen für einerlei mit der von
Scheele aus der sauren Milch dargestellten Säure erkannte. Es
ist noch in Aller Gedächtnils und braucht deshalb hier nicht
weiter: ausgeführt zu werden, zu wie heftigen, Kämpfen zwischen
ihm und Hrn. v. Liebig volle vierzig Jahre später die von die-
sem wieder aufgenommene Erörterung über die Natur der Fleisch-
säure führte. Hr. v. Liebig, der zuerst das Vorkommen der
vom 31. März 1859. 289
Milchsäure im thierischen Körper läugnete, ward bald darauf, bei
Gelegenheit seiner so berühmt gewordenen Untersuchungen über
das Fleisch, gleichsam der zweite Entdecker derselben in den
Muskeln, deren saure Reaction er von saurem milchsaurem und
saurem phosphorsaurem Alkali herleitet. Im Verfolg seiner Un-
tersuchungen haben dann einerseits die Hrn. Engelhardt,
Heintz und Strecker die Natur der Fleischmilchsäure genauer
studirt und ihre Abweichungen von der gewöhnlichen Milchsäure
festgestellt; andererseits die Hrn. Scherer und Wydler auch
noch eine Anzahl flüchtiger Säuren aus dem Fleische gewonnen,
endlich die Hrn. Lehmann und Siegmund die saure Reac-
tion der von Hrn. v. Liebig nicht berücksichtigten glatten Muskeln
beobachtet. In Frankreich vertheidigen neuerdings die Hrn.
Valenciennes und Fr&emy die Meinung, die saure Reaction
' des Muskelfleisches werde nur in einzelnen Fällen durch Milch-
‚säure, gewöhnlich aber durch saures phosphorsaures Kali (KO,
2HO, PO,) bedingt.
Während so über die Natur der Säure, denen die Muskeln
ihre Reaction verdanken, viel und lebhaft gestritten worden ist,
B
hat man stets stillschweigend angenommen, dals die ganze Menge
‚derselben, die sich aus den Muskeln gewinnen läfst, äuch bereits
im lebenden Körper darin vorhanden sei. So sehr verstand sich
“dies, nach der Meinung der Chemiker, von selbst, dals sie es,
wie es scheint, nicht für nothwendig hielten, sich durch den
"Versuch am frisch getödteten Thiere davon zu überzeugen, und
dafs einzelne dem entgegen lautende Stimmen, wie die der Hrn. En-
‚derlin undv.Bibra, ganz unbeachtet blieben. Hr.v.Liebiggrün-
_dete auf die Gegenwart der freien Milchsäure in den Muskeln,
‚deren Menge er so hoch anschlägt, dals sie unter Umständen
alles im Blut enthaltene Alkali zu sätligen vermöge, eine Reihe
der kühnsten und weitaussehendsten Folgerungen. Unter anderen
suchte er aus der elektrochemischen Wechselwirkung. der in den
Muskelbündeln enthaltenen sauren und der in den Blut- und
Lympbgefälsen' enthaltenen alkalischen Flüssigkeit durch das Sar-:
‚kolenım und durch die Haargefälswände hindurch die Entstehung
‚des Muskelstromes zu erklären.
Unter diesen Umständen glaube ich, dafs’ es für die Che-
miker sowohl als für die Physiologen von einigem Interesse sein
290 Gesammtsitzung
wird, wenn ich zeige, dafs die ein halbes Jahrhundert lang von
den Chemikern unangefochten behauptete Gegenwart freier
Säure in den lebenden Muskeln für gewöhnlich nicht zu erwei-
sen ist; dals zweifellos der bei weitem gröfste Theil der Säure,
welche die Chemiker im angeblich frischen Fleisch erkannt ha-
ben, erst zur Zeit der beginnenden Fäulnifs darin frei wird;
endlich dafs nur in dem Falle, wo dauernde heftige Muskelan-
strengung vorhergegangen ist, der noch leistungsfähige Muskel
eine saure Reaction besitzt.
Der Weg auf dem ich zu dieser Kenntnils gelangt bin, ist
folgender. Nachdem ich im Sommer 1842 das Gesetz des Mus-
kelstromes entdeckt hatte, bestand natürlich einer der ersten
Versuche, die ich anstellte, darin, dafs ich untersuchte, ob
nicht vielleicht der Längsschnitt und der künstliche Quer-
schnitt des Muskels eine verschiedene Reaction darböten. Die
Angaben der Chemiker über die saure Beschaffenheit des Fleisch-
saftes waren mir wohl bekannt; ja ich hatte selber Gelegenheit
gehabt, mich davon zu überzeugen bei einem von Hrn. Brücke
im Laboratorium des Hrn. Mitscherlich angestellten Versuch,
der zum Zweck hatte, zum Erweis der von Hrn. Brücke er-
sonunenen Theorie der Todtenstarre eine freiwillig gerinnbare
Flüssigkeit aus den Muskeln auszupressen. Einem Kaninchen
wurde blutwarmes destillirtes Wasser so lange in die Bauchaorta
gespritzt, bis es farblos aus der unteren Hohlvene wieder abflofs,
und die blutleeren Beinmuskeln so warm und zuckend als mög-
lich unter die Presse gebracht. Die stark röthlich gefärbte Flüs-
sigkeit, welche dergestalt erhalten wurde, setzte freiwillig kein
Gerinnsel ab, enthielt aber eine grolse Menge Eiweils und rea-
girte stark sauer. Jetzt erwartete ich also, den künstlichen
Querschnitt des Muskels sauer reagirend zu finden, woraus, im
Verein mit der bekannten alkalischen Reaction der den natür-
lichen Längsschnitt benetzenden Lymphe oder allgemeinen thie-
rischen Feuchtigkeit, eine elektromotorische Wirkung nach dem
Gesetze des Muskelstromes sich allenfalls würde haben ableiten
lassen. Allein zu meinem nicht geringen Erstaunen zeigte der
künstliche Querschnitt bei wiederholter Prüfung mittels Lak-
muspapiers keine deutliche saure Reaction; und da ich damals an-
dere Fragen in Fülle zu beantworten hatte, und andere Gründe
vom 31. März 1859. 291
genug mir zur Hand waren, aus denen hervorging, dafs ein blo-
fser elektrochemischer Gegensatz von Längs- und Querschnitt
nicht der Ursprung des Muskelstromes sein könne, so liels ich
die Sache auf sich beruhen, indem ich mich bei der Vorstellung
beruhigte, die aus den querdurchschnittenen Blut- und Lymph-
gefälsen flielsende alkalische Flüssigkeit habe die Säure des
Muskelquerschnitts gesättigt.
Ich wurde erst wieder auf diesen Punkt zurückgeführt, als
ich, acht Jahre später, mich mit dem von mir sogenannten par-
elektronomischen Zustande der Muskeln beschäftigte. Ich habe
damals dargethan, dafs am Querschnitt der Muskeln eine Schicht
vorhanden ist, deren elektromotorische Kräfte denen des übrigen
_Muskels entgegenwirken. Diese Schicht heilst die parelektronomi-
‚sche Schicht. Je nach der verschiedenen Stufe ihrer Ausbildung
ist der Muskel mit natürlichem Querschnitt schwach positiv wirk-
sam, d. h. der Strom geht im Multiplicatorkreise vom Längs-
schnitt zum Querschnitt, oder der Muskel ist unwirksam, oder
“endlich gar er ist negativ wirksam. Sobald aber die elektromo-
torischen Kräfte der parelektronomischen Schicht auf irgend eine
Art aufser Spiel gebracht werden, sei’s dals man die Schicht
“mechanisch entfernt, d. h. den künstlichen Querschnitt herstellt,
'sei’s dafs man sie nur ihrer elektromotorischen Wirksamkeit auf
_ ehemischem oder kaustischem Wege beraubt: wird der Muskel
Yin gehörigen Maals positiv wirksam, der Muskelstrom tritt in der
‚gewohnten Art hervor. Um eine Veränderung des Stromes zwischen
Längsschnitt und natürlichem Querschnitt, gleichviel wie er gerade
schäffen sei, in positivem Sinne hervorzurufen, genügt es also,
den natürlichen Querschnitt des Muskels mit einer Flüssigkeit zu
benetzen, welche die Muskelsubstanz chemisch angreift, gleich viel
ob die Flüssigkeit leitend sei oder nicht, und gleichviel welche
‚sonst ihre chemische Beschaffenheit sei. Die Veränderung des
Stromes i im positiven Sinne, wie sie sich im ersten Augenblick
"kund giebt, ist um so gröfser, je stärker die Flüssigkeit die Mus-
‚kelsubstanz angreift, und je rascher sie dieselbe durchdringt.
Aber auch die scheinbar am wenigsten differenten und der Dif-
fusion fähigen Flüssigkeiten sind einer solchen Wirkung fähig.
Man kann sich also der positiven Veränderung des Stromes beim
Benetzen des Querschnittes mit einer Beten Flüssigkeit
292 Gesammtsitzung
gleichsam als eines neuen Reagens bedienen, um zu erfahren,
ob die Muskelsubstanz davon angegriffen werde oder nicht. Ja
ich bezweifle, dals es für die Angreifbarkeit der Muskelsubstanz
durch eine gegebene Flüssigkeit ein empfindlicheres Merkmal
gebe als das hier bezeichnete. Überflüssig ist es wohl zu er-
wähnen, dals die positive Veränderung dann am leichtesten
wahrnehmbar ist, wenn der Muskel, wegen der parelektro- |
nomischen Schicht, nahe stromlos verharrt. Diese Bedingung
findet sich meist an den Muskeln solcher Frösche erfüllt, die
mindestens 24 Stunden auf 0° erkältet worden sind.
Mit Hülfe dieses Prüfungsmittels fand ich bei einer Gele-
genbheit, die hier nichts zur Sache thut, dals der künstliche
Querschnitt eines Froschmuskels bei fortgesetzter Berührung die
Substanz eines anderen Froschmuskels chemisch angreife. Die
natürlichen Flächen des Muskels wie auch der durch Zerreilsen
des Muskels in der Richtung seiner Fasern dargestellte künst-
liche Längsschnitt thaten es nicht. Ich sah mich also zu dem
Schlusse getrieben, dals entweder in den Muskelbündeln eine
Flüssigkeit enthalten sei, die den Inhalt der Muskelbündel an-
greife, was widersinnig ist, oder, dafs sich am künst!ichen Quer-
schnitt im Laufe der Zeit eine solche Flüssigkeit bilde. Es ge-
lang sofort, die letztere Ansicht dureh den Versuch zu. bestäti-
gen. Dazu war nur nöthig, die ätzende Wirksamkeit eines fri-
schen und eines schon seit einiger Zeit hergestellten Quer-
schnittes miteinander zu vergleichen. Der ältere Querschnitt
zeigte sich viel stärker ätzend als der frische. Die Bildung einer
ätzenden Flüssigkeit am künstlichen Querschnitt war somit er-
wiesen, und von hier aus ward es mir nicht schwer, den wah-
ren Zusammenhang der Dinge und den Grund des Widerspruchs
zu durchschauen, der so lange für mich zwischen jenen früheren
Versuchen, in denen frische Froschmuskelquerschnitte mir neu-
trale Reaction gaben, und der Lehre der Chemiker von der sau-
ren Natur der Fleischflüssigkeit, geherrscht hatte.
Ich überlegte mir, dals die Chemiker unter frischem Fleische
insgemein wohl nur solches verstehen, welches noch gut zu
essen ist. Dies ist aber nicht frisches Fleisch im Sinne der
Physiologen. Die Physiologen nennen frisches Fleisch solches,
welches; nach dem Tode, oder nach der Trennung vom lebenden
vom 31. März 1859. 293
Thiere ne im Besitze seiner Lebenseigenschaften verharrt, d.
.h. welches noch zuckungsfähig ist, und elektromotorisch wirkt
nach dem von mir aufgestelllen Gesetze. Man könnte diesen
Zustand der Muskeln nach dem Vorbilde eines von Hrn. Flou-
rens gebrauchten Ausdrucks der französischen Rechtspraxis den
des Überlebens (l’etat de survie) nennen. Nur Fische und
Frösche, und in einigen Gegenden Deutschlands die Hühner
tragen ihre Muskeln im Zustande des Überlebens in den Koch-
topf, Krebse bekanntlich sogar im Zustande des Lebens selbst.
Das Fleisch anderer Thiere muls, um für uns genielsbar zu sein,
erst eine Reihe von Veränderungen durchlaufen haben, die sich
nach dem Tode freiwillig daran einstellen. Es muls aus dem
Zustande des Überlebens in den der Todtienstarre übergegangen
sein, wo es nicht mehr zuckungsfähig ist und seine elektromo-
torische Wirksamkeit eingebülst bat. Aus dem Zustande der
| Todtenstarre muls es sodann, durch Lösung derselben, in den
er beginnenden Fäulnils übergetreten sein. Wir essen für ge-
_ wöhnlich Fleisch im Zustande der gelösten Todtenstarre, der be-
ginnenden Fäulnils. In der Küche heilst dies Fleisch noch fri-
sches Fleisch. Beim Wilde lassen wir die Fäulnils sogar merk-
lich werden. Nur Völkerschaften im Urzustande, wie die Hellenen
Homer’s oder die Nordamerikanischen Hinterwäldler essen Fleisch
im Zustande des Überlebens, frisches Fleisch im Sinne der Phy-
siologen, in welchem ich fortan dies Beiwort ausschlielslich brau-
chen werde. Der Grund unserer Sitte ist leicht einzusehen.
Er liegt wohl weniger darin dafs Fleisch im Zustande des Über-
lebens bei der Zubereitung doppelt todtenstarr wird, erstlich
durch Gerinnung des flüssigen Muskelfaserstoffs, denn durch Ge-
Annung des Eiweilses, als darin dals die Zähigkeit des Binde-
gewebes, welches bei vielen Arten der Zubereitung nicht Zeit
hat sich in Leim zu verwandeln, durch die He Fäulnils
vermindert wird.
Durch meine thierisch-elektrischen Versuche wulste ich, was
sich ohnehin vom physiologischen Standpunkt aus leicht erklärt,
fs eine dünne Schicht des Muskels am künstlichen Querschnitt
2: kurzer Zeit abstirbt. So kam ich unvermeidlich auf den
Gedanken, dals erst beim Absterben des Muskels, gleichviel ob
es schnell oder langsam geschehe, die Säure in ihm frei werde.
294 Gesammtsitzung
.
Diese Muthmalsung war offenbar geeignet, den oben bezeichne-
ten Widerspruch zu versöhnen. Denn Hrn. v. Liebig’s feinge-
hacktes Fleisch frischgetödteter Thiere war eben kein frisches
Fleisch mehr in dem oben bestimmten Sinne. Gehacktes Fleisch
sogar von Fröschen ist stets bereits todtenstarr. Auch die stärk-
sten elektrischen Schläge bringen in dem Häcksel keine Spur
von Bewegung mehr hervor. Bei jenem Versuch des Hrn.
Brücke kamen die Kaninchenmuskeln zwar noch warm und
zuckend unter die Presse. Allein sie wurden nach dem Aus-
pressen todtenstarr vorgefunden, und aus demselben Grunde, aus
dem die Abwesenheit eines freiwillig entstandenen Gerinnsels in
der ausgeprelsten Flüssigkeit nichts gegen Hrn. Brücke’s Theo-
rie der Todtenstarre bewies, aus demselben Grunde bewies auch
die saure Reaction dieser Flüssigkeit nichts für die Gegenwart
der Säure in den noch lebenden Muskeln.
Um meine Muthmalsung zur Gewilsheit zu erheben, war
nur nöthig, einen älteren, bereits ätzend gewordenen Querschnitt ;
auf seine Reaction zu prüfen. Dieselbe ergab sich als lebhaft
sauer; und so ward ich dazu geführt, der Aufklärung dieses Ge-
genstandes weitere Bemühungen zu widmen.
Die folgenden Versuche sind sämmtlich mit auf gewöhn-
liche Art bereitetem, im Dunkeln über Kalihydrat aufbewahrtem
Lakmuspapier angestellt, und zwar mit verschiedenen Proben,
die ich theils der Güte befreundeter Chemiker verdankte, theils
selbst dargestellt, theils gekauft hatte. Als die beste Vorkehrung, um
die Reaction der Muskeln zu untersuchen, ist mir folgende erschienen.
Auf einem gefirnilsten Brettchen aus Lindenholz wird eine Anzahl
rother und blauer Lakmuspapierstreifen der Länge nach nebenein-
ander in bunter Reihe mit Hülfe von Stechknöpfen so ausgespannt,
dals je ein Streifen den folgenden mit dem Rande dachziegel-
förmig deckt. Die Fläche, deren Reaction geprüft werden soll,
prelst man gegen die Grenze zweier Streifen, so dals sie zur
Hälfte einem rothen, zur Hälfte einem blauen Streifen anliegt.
So hat man nicht allein den Vortheil, dafs man in einem Ver-
such zwei Erfolge sogleich beobachtet; es wird auch das Urtheil
über die Natur und den Grad einer z. B. auf blauem Gruude
erzeugten Verfärbung durch den gegenwärtigen Eindruck des
benachbarten Roth wesentlich unterstützt.
F
1
&
r
BE
2477 200 DE
vom 31. März 1859. 295
Es ist zweckmäfsig, sich bei der Untersuchung zunächst auf
die Froschmuskeln zu beschränken, weil der langsame und durch
die Temperatur leicht zu beherrschende Verlauf der Erscheinun-
gen an denselben mancherlei zu beobachten gestattet, was an
den Muskeln warmblütiger Thiere sich der Wahrnehmung ent-
zieht.
| Zuerst prüfte ich von Neuem mit aller Sorgfalt die Reac-
tion der natürlichen, die Muskeln begrenzenden Flächen. Dabei
kommt der Unterschied zwischen natürlichem Längs- und Quer-
‘schnitt, der in der Lehre vom Muskelstrom eine Rolle spielt,
natürlich nicht in Betracht. Dagegen kann ein Unterschied ge-
macht werden zwischen der Fläche des Muskels, die in den
_Lymphräumen frei zu Tage liegt, und selbstverständlich mit dem
Lymphe und der inneren Hautfläche einerlei Reaction besitzt,
und den Flächen, mit denen die Muskeln einander berühren, und
die man durch künstliche Trennung der Muskeln entblöfsen muls.
Letzteres geschieht am besten indem man den grolsen Unterschen-
kelstrecker vom Knie her aufbebt. Die Reaction beider Arten
von Flächen ist ganz dieselbe, und, wie gesagt, einerlei mit der
der Lymphe und der inneren Hautfläche, nämlich eine leicht
“alkalische, der Art dals rothes Lakmuspapier erst nach längerem
Verweilen in Berührung damit deutlich gebläut wird.
i Ganz ebenso verhält sich der künstliche Längsschnitt der
Muskeln, den ich auf die in meinen Untersuchungen beschrie-
bene Art herstellte.
— Trocknet man die Muskeln, ehe man sie mit dem Lakmus-
papier in Berührung bringt, ab, indem man sie zwischen Fliefs-
papier knetet, so erhält man, wegen der Trockenheit der Ober-
Bäche, gar keine Einwirkung mehr auf das Pigment.
+ Schneidet man einen dergestalt abgetrockneten Muskel mit-
telst einer gleichfalls sorgfältig abgewischten Scheere quer durch
und prelst die frischen Querschnitte der beiden Hälften auf
blaues und auf rothes Lakmuspapier, so ereignet sich folgendes.
Auf dem rothen Papier entsteht sofort ein bläulicher Fleck, der
sich bei längerem Verweilen des Querschnittes auf dem Papier
entschieden blau ausnimmt. Auf dem blauen Papier entsteht
meist erst etwas später ein ebenso entschiedener rother Fleck.
Vergleicht man aber den scheinbar blauen Fleck auf rothem
296 Gesammtsitzung
Grunde mit dem scheinbar rothem auf blauem Gründe, so dafs
Fleck an Fleck stölst, was eben am leichtesten so geschieht,
dafs man den Muskelquerschnitt in der oben angegebenen Art
halb auf einen rothen und halb auf einen blauen Streifen auf
setzt, so zeigt sich, dals beide Flecke genau genommen von
einerlei Farbe, nämlich violett sind, und dals der Anschein ihrer
verschiedenen Farbe auf nichts beruhte, als auf dem Gegensatze
des Grundes, auf dem man sie erblickt. Der Umstand, dafs der
frische Muskelquerschnitt auf blauem Papier scheinbar eine deut=
liche rothe Spur hinterlälst, mag manchen getäuscht haben, der,
um sich von der angeblich sauren Reaction der frischen Muskeln
zu überzeugen, die Prüfung nur auf diese Art vorgenommen hat,
ohne zu ahnen, dafs er auf rothem Papier einen scheinbar eben
so entschiedenen blauen Fleck erhalten haben würde.
Um diese Art der Einwirkung des Müuskelquerschnittes auf
das Pigment zu erklären, könnte man sich denselben zuerst vor-
stellen gleichsam als eine Mosaik aus dem sauren Inhalt der Pri=
mitivbündel einerseits, andererseits dem alkalischen Sarkolemma,
Bindegewebe, Perimysium, den Blut- und Lymphgefälsen. ‚Auf
rothem Grunde mülsten die zuletzt aufgezählten Gewebe blaue,
auf blauem Grunde der saure Inhalt der Primitivbündel rothe
Spuren hinterlassen, und so in beiden Fällen der Anschein eines
violetten Fleckes entstehen.
Abgesehen davon, dafs alsdann doch wohl der scheinbar
rothe Fleck auf blauem Grunde deutlicher ausgeprägt sein
mülste, während eher das Gegentheil zutrifft, zeigt die Lupe
nichts von einer solchen Buntscheckigkeit des Muskelabdrucks;
und es bedarf auch überhaupt dieser künstlichen Annahme nicht.
Es ist in neuerer Zeit mehrmals beobachtet worden, dafs (phy-
sikalisch) in sich gleichartige Flüssigkeiten, wie z. B. Harn, der-
gestalt auf das blaue und auf das rothe Lakmuspigment wirken,
dals sie jenes röthen, dieses bläuen. Man muls wohl in diesen
Fällen die Reaction als neutral auffassen, obschon sie sich frei-
lich anders darstellt als die neutrale Reaction z. B. destillirtem
Wassers oder einer Lösung eines nach Aussage des Lakmus-
papieres neutralen Salzes, welche keines von beiden Pigmenten
verändern sollen. In wie weit hier wirklich etwas Besonderes
vorliege, oder nur ein gradweiser Unterschied stattfinde von jenen
vom 31. März 1859. 297
leichten Verfärbungen, welche man auch mit Wasser, Alkohol,
Neutralsalzlösungen zu beobachten Gelegenheit hat; ferner wie
diese Art neutraler Reaction in Einklang zu bringen sei mit der
gangbaren Theorie der Reaction auf das Lakmuspigment: dies zu
"beurtheilen überlassen wir den Chemikern. Da sich aber, wie die
Folge lehren wird, aus den frischen Muskeln auf verschiedenem
Wege eine mit jener Art neutraler Reaction behaftete Flüssig-
keit gewinnen lälst, ja da es mir einigemal begegnet ist, dals
eine solche Flüssigkeit ohne weitere Bemühung in geringer
Menge aus dem frischen Querschnitt sickerte, so braucht man
wohl für die gleiche Reaction des Querschnittes nach einem an-
‘deren Grunde, als nach der Gegenwart einer solchen Flüssigkeit
in den Primitivbündeln, nicht mehr zu suchen, und wir dürfen
demgemäls den Inhalt der frischen Primitivbündel fortan wohl
als von neutraler Beschaffenheit hezeichnen.
- Violettes Lakmuspapier wird denn auch in geeigneter Nu-
ance durch den frischen Muskelquerschnitt gar nicht verändert.
Übrigens ist nicht zu verkennen, dals, wenigstens an den Win-
terfröschen, mit denen ich zuletzt diese Prüfungen angestellt
habe, die Reaction des frischen Muskelquerschnittes sich mehr
"zum Alkalischen hinneigt, so dafs die röthliche Färbung auf
blauem Grunde nicht nur zu erscheinen zögert, sondern ganz
"ausbleibt, oder doch nicht von Dauer ist.
€ Wie dem auch sei, läfst man einen querdurchschnittenen
Muskel vor dem Austrocknen geschützt bei mittlerer Temperatur
liegen, und untersucht nach einiger Zeit die Reaction des Quer-
schnittes von Neuem, so findet man, wie schon gesagt, dieselbe
lebhaft sauer. Ein in einiger Entfernung von dem ersten ange-
legter Querschnitt verhält sich aber noch neutral, wie der erste
unmittelbar nach seiner Herstellung. Nach Ablauf einer neuen
Frist erscheint auch dieser sauer; es kann aber gelingen, noch
einen dritten Querschnitt neutral zu finden, u. s. £.
» Wenn endlich der Muskel seine Leistungsfähigkeit einge-
büfst hat und todtenstarr geworden ist, dann erst reagirt er auf
jedem Querschnitt sofort sauer. Noch aber verhält sich der
künstliche Längsschnitt alkalisch. Aber mit der Zeit’ wird das
Alkali der übrigen Gewebe im Muskel durch die im Inne-
ren der Bündel gebildete Säure übersättigt, und der Muskel
298 Gesammtsitzung
reagirt durch und durch sauer: er überfliefst von Säure, denn
die Flüssigkeit, welche jetzt aus dem Querschnitt sickert, färbt das
blaue Lakmuspapier fast zwiebelroth. Nun geht der Muskel
rasch den weiteren Stadien der Fäulnils entgegen, welche es
schlielslich mit sich bringt, dals der Querschnitt wieder von
kohlensaurem Ammoniak alkalisch reagirt, ganz wie man ursprüng- j
lich normal sauren Harn durch die Fäulnils alkalisch werden sieht.
Die rothen Flecke, welche die todtenstarren Muskeln auf
blauem Lakmuspapier machen, bleiben auch nach dem Trocknen
sichtbar. Daraus dürfte zu schlielsen sein, dafs dieselben nicht
allein, wie die Hrn. Valenciennes und Fr&emy wollen, von
saurem phosphorsaurem Kali herrühren. Denn, wie Hr. Mit-
scherlich bereits vor vielen Jahren gezeigt hat, die vom sau-
ren phosphor- und arsensauren Kali auf blauem Lakmuspapier
gemachten rothen Flecke verschwinden beim Trocknen, weil das
Salz beim Krystallisiren die Säure wieder aufnimmt, welche das
Lakmuspapier röthete.
Über die Zeit, welche verfliefsen muls, damit diese ver-
schiedenen Zustände des absterbenden Muskels sich bemerklich
machen, läfst sich nichts bestimmtes sagen, weil der Verlauf
der Erscheinungen von allen den zahlreichen Umständen abhängt,
welche die Dauer der Muskelerregbarkeit nach dem Tode über-
haupt bedingen. Einzelne ausgeschnittene Froschmuskeln bei
einer Temperatur von etwa 0° aufbewahrt können sich noch
am zehnten Tage lebhaft zusammenziehen, und demgemäls eine
völlig neutrale Reaction besitzen. Bei mittlerer Temperatur da-
gegen versagen sie meist schon am dritten Tage jede Spur von
Zuckung, und werden bald darauf starr und sauer angetroffen.
Verletzte Muskeln werden viel früher durch und durch sauer als
nnversehrte, u. s. f.
Aus diesen Versuchen folgt also bereits mit Bestimmtheit
zweierlei. Erstens, dals in den Muskeln um die Zeit des Er-
starrens Säure in ansehnlicher Menge frei wird, und zweitens,
da wir den künstlichen Längsschnitt noch alkalisch fanden als
schon der künstliche Querschnitt sauer reagirte, dals das Innere
der Primitivbündel der Sitz dieser Säurebildung ist.
Hingegen könnte man noch bezweifeln, ob wirklich im In-
neren der frischen Muskelbündel noch gar keine freie Säure vor-
vom 31. März 1859. 299
handen sei, indem die Möglichkeit da sei, dafs dieselbe durch die
alkalischen aus den Blut- und Lymphgefälsen stammenden Flüs-
sigkeiten hätte verdeckt werden können. Um hierüber in’s Klare
zu kommen, war es nöthig, die obigen Versuche mit Muskeln
zu wiederholen, aus deren Gefälsen das Blut durch eine neu-
trale Flüssigkeit war vertrieben worden. Ich wählte als solche
eine verdünnte Rohrzuckerlösung (5 dem Gewichte nach)
destillirttem Wasser, und entleerte, je nach der Grölse des
Frosches, eine damit gefüllte Spritze von 47 CC. Inhalt zwei
bis dreimal durch dessen Gefälssystem. Die Muskeln zuckten
nicht beim Ausspritzen mit dieser Flüssigkeit, wie sie es bei An-
wendung von destillirtem Wasser zu thun pflegen, und sie blie-
ben fast eben so lange erregbar als Muskeln mit ihrem normalen
Blutgehalt. Einen klar ausgesprochenen Unterschied zwischen der
Reaction des Querschnittes mit Blut und mit Zuckerwasser er-
füllter Muskeln konnte ich nicht wahrnehmen, obschon die Spur
eines solchen, welche allenfalls vorhanden war, allerdings für
eine etwas geringere Alkalescenz des Querschnittes sprach. Die-
ses Ergebnils entspricht somit vollständig dem, zu welchem
‚Hr. Kühne im vorigen Sommer in meinem Laboratorium ge-
langte, als er Hrn. Brücke’s oben S. 290 beschriebenen Ver-
such mit Frosch- statt mit Kaninchenmuskeln und mit Zucker-
wasser statt mit destillirttem Wasser wiederholte. Er erhielt
durch Auspressen des blutleeren Froschfleisches eine Flüssigkeit,
welche, wie die Querschnitte der Muskein selbst, wahrscheinlich
neutral reagirte, da sie rothes Lakmuspapier schwach blau, und
das blaue Papier röthlich färbte.')
En Aulser mit der Zuckerlösung habe ich ähnliche Versuche
‚auch noch mit destillirtem Wasser angestellt. Die Erscheinungen
im Einspritzen von destillirttem Wasser in die Muskeln sind
lurch Job. Müller’s, Ed. Weber’s, G. v. Liebig’s und
« Wittich’s Beobachtungen bekannt. Die Muskeln schwellen
inter Zuckungen auf, werden ganz weils, ihre Leistungsfähig-
‚keit ist sehr vermindert, und hat, wenn die eingespritzte Was-
‚sermasse grols war, bald ein Ende. Indessen auch der Quer-
0
RR ') Allgemeine medicinische Central-Zeitung. Berlin, den 1. Sep-
'tember 1858.
[1859.] 21
x
D
Dr:
«
300 Gesammıtsitzung
schnitt solcher Muskeln reagirt neutral; höchstens kann mar
sagen, dals nach sehr. reichlicher Wassereinspritzung die Reac-
tion sich etwas mehr zum Säuerlichen neigt. a
Allein dergleichen Muskeln zeigen noch eine andere au
fallende Erscheinung, deren jene Beobachter nicht gedacht haben.
Bewahrt man nämlich nach Hindurchspritzen von etwa 200—
300 CE. destillirten Wassers die hintere Hälfte eines Frosches in
der Kälte auf, so lassen die Beinmuskeln allmälig einen ansehnlichen,
K
4
*
%
wenn nicht den grölsten Theil des aufgenommenen Wassers in
Gestalt einer trüben Flüssigkeit wieder fahren, von der man |
leicht innerhalb der ersten 24 Stunden 2.5, innerhalb der fol-
genden entsprechenden Zeitabschnitte über 1 CC., im Ganzen
bis 6 CC. auffangen kann. Anfangs reagirt diese Flüssigkeit,
ganz wie der frische Muskelquerschnitt, auf beide Lakmuspapiere.
Sterben die Muskeln ab, so findet man die fortan ausgestolsene
Flüssigkeit sauer; geben sie in Fäulnils über, so ändert sich die
Reaction in die alkalische um. Zu jeder Zeit enthält die Flüs-
sigkeit eine grolse Menge Muskeleiweils. Freiwillige Bildung
eines Gerinnsels habe ich in derselben nicht beobachtet. Die
aus den faulenden Muskeln stammende alkalische Flüssigkeit sieht
gelblich aus und wimmelt von Vibrionen. Ob die Muskeln die
Flüssigkeit auch durch ihre unversehrte Oberfläche, oder nur
durch die durchschnittenen Gefälse ausstolsen, habe ich noch
nicht durch den Versuch entschieden.
So haben wir nunmehr drei Arten kennen gelernt, wie aus
den Muskeln eine mit der Reaction des frischen Muskelquer-
schnittes behaftete Flüssigkeit zu gewinnen sei. Eine solche Flüs-
sigkeit sickert gelegentlich von selbst aus dem frischen Quer-
schnitt, man kann dieselbe durch Auspressen mit Zuckerwasser
ausgespritzter Muskeln darstellen, wie Hr. Kühne that, endlich
die mit destillirtem Wasser strotzend angefüllten Muskeln geben
sie in reichlichem Malse freiwillig von sich.
Jetzt wird dem Schlusse, dals nicht nur, wie schon vor-
her bewiesen wurde, der bei weitem gröfste Theil der in den
abgestorbenen Muskeln enthaltenen Säure erst beim Erstarren
in den Muskeln frei geworden ist, sondern dafs überhaupt
in den frischen Muskeln gar keine durch die Reaction auf Lak-
mus nachweisbare freie Säure vorhanden ist, — diesem Schlusse
vom 31. März 1859. 301
wird wohl nichts Erhebliches mehr entgegenstehen. Da auch
Muskeln, welche statt Blut Zuckerwasser oder destillirtes Was-
ser in ihren Gefälsen enthalten, auf dem Querschnitt neutral
reagiren, so kann nicht mehr gesagt werden, dals das Alkali des
Blutes die freie Säure des Muskelbündel-Inhaltes sättige; und da
auf mehrfachem Wege das Dasein einer auf beide Lakmuspa-
piere reagirenden Flüssigkeit im Muskel dargethan ist, so kann
auch nicht mehr füglich daran gedacht werden, zur Erklärung
der gleichen Reaction des Querschnittes des ausgespritzten Mus-
kels an der an sich schon so bedenklichen Hypothese festhalten
zu wollen, wonach der violette Fleck auf beiden Papieren aus
blauen und rothen Flecken nach Art einer Mosaik sollte zusam-
mengesetzt sein. Es kann vielmehr keine Frage mehr sein,
dals die ganze in den abgestorbenen Muskeln von
den Chemikern erkannte Säuremenge erst zur Zeit
des Erstarrens innerhalb der Primitivmuskelbündel
frei wird.
Daraus, dals man die Schnittfläche eines querdurchschnitte-
nen Muskels schon sauer findet zu einer Zeit, wo der übrige
Muskel sich noch neutral verhält, könnte man zu schlielsen ge-
neigt sein, die Säurebildung beruhe auf einer Oxydation, zu der
‚sich an der Schnittlläche wegen der freigegebenen Berührung
mit dem Sauerstoff der Luft vorzugsweise Gelegenheit finde.
Der Versuch spricht aber gegen diese Auffassung, denn in der
That beobachtet man ganz den nämlichen Verlauf der Erschei-
nungen, wenn man die Muskeln unter Quecksilber durchschnei-
det, so dals der Querschnitt derselben erst im Augenblick der
Untersuchung in Berührung mit der Luft kommt, oder dieselben
in der Guericke’schen Leere mit hinreichend viel Wasser auf-
hebt, um sie vor dem Austrocknen zu schützen. Unverletzte
Muskeln werden unter Quecksilber, unter Olivenöl, im luftleeren
Raume ganz ebenso, nur vermuthlich, nämlich der beeinträchtigten
Athmung halber, etwas früher sauer als an der freien Luft.
Handelt es sich also bei der Säurung der Muskeln zur Zeit des
Erstarrens um einen Oxydations- und nicht blols um einen Spal-
tungsprocels oder sonstigen Wandel der Materie, so geschieht
jedenfalls die Oxydation nicht auf Kosten des Sauerstoffes der
atmosphärischen Luft. Die frühzeitige Säurung des in einem
21°
302 Gesammtsitzung
Querschnitt blofsgelegten Muskelinneren ist auf Rechnung d “1
durch die Verletzung, wir wissen freilich noch nicht wie, be--
dingten raschen Absterbens der von derselben zunächst betrof-
fenen Theile des Muskels zu schieben.
Es stellt sich nun begreiflicherweise der Wunsch ein, zwi-
schen den beiden Erscheinungen der Erstarrung und der Säu-
rung des absterbenden Muskels einen ferneren Zusammenhang
aufzufinden. Nach den von Hrn. Kühne im vorigen Sommer
in meinem Laboratorium angestellten Versuchen kann man die
Richtigkeit der Brücke’schen Hypothese über die Entstehung
der Todtenstarre nunmehr als ausgemacht ansehen. In der oben
erwähnten Flüssigkeit nämlich, welche Hr. Kühne aus den mit
Zuckerwasser ausgespritzten Muskeln prelste, und welche mit dem
frischen Muskelquerschnitt gleiche Reaction besals, bildete sich
zur Zeit, wo ausgespritzte und abgeschnittene Muskelstücke bei
der zur Zeit der Versuche herrschenden Temperatur zu erstar-
ren pflegtön, nämlich nach etwa vier Stunden, ein flockiges Ge-
rinnsel. Zusatz von Wasser beschleunigte die Gerinnung, ge-
rade wie ein in Wasser befindlicher Muskel nach kurzer Zeit
erstarrt. Nach Bildung des Gerinnsels fing die Masse an, gleich
einem todtenstarren Muskel, sauer zu reagiren. Die ausgeprels-
ten Muskeln hingegen wurden nicht mehr ordentlich todtenstarr.
Wenn auch diese Versuche erst als vorläufige zu betrachten sind,
wird man sich fortan doch schwerlich weigern können, zuzuge-
ben, dals die Todtenstarre durch die nach dem Tode eintretende
freiwillige Gerinnung einer in den Muskeln aulserhalb der Ge-
fälse enthaltenen eiweilsartigen Substanz zu erklären sei, die
einstweilen Muskelfaserstoff heilsen mag, ohne dals damit ihre
Einerleiheit mit dem Muskelfibrin Liebig’s, dem Syntonin
Lehmann’s behauptet werden soll; und zwischen diesem Vor-
gange und der, wie man so eben gesehen hat, auch noch au-
[serhalb der Muskeln gleichzeitig damit eintretenden Säurung des
Muskelsaftes, würde es also nunmehr unsere Aufgabe sein, eine
ursächliche Verknüpfung aufzufassen.
Dazu wird es zunächst dienlich sein, die Reihefolge in’s
Auge zu fassen, in der die Erscheinungen auftreten. Es ist be-
reits oben festgestellt worden, dals der Muskel, so lange er
zuckungsfähig ist, und noch eine geraume Zeit darüber hinaus,
vom 31. März 1859. 303
‚neutral reagirt. Da der Anfang der Todtenstarre durch kein
entscheidendes Merkmal bezeichnet ist, so lälst sich nicht mit
gleicher Bestimmtheit behaupten, dafs die Säurung sich immer
erst nach vollendeter Erstarrung bemerklich macht. Nichtsdesto-
weniger halte ich dies für den ‘wahren Sachverhalt, wodurch also
bereits gewissermalsen die Gerinnung des Muskelfaserstoffes als
das ursprüngliche, die Säurung des Muskels als das secundäre
Phänomen würde gekennzeichnet sein.
Demnächst schien mir das Wichtigste, was hier zu thun
war, die Entscheidung der Frage, ob die Säurung des Muskels
stets und unter allen Umständen die Folge der Gerinnung des
Muskelfaserstoffes sei, oder ob beide Vorgänge auch von einander
getrennt vorkommen können. Zu diesem Zweck untersuchte ich
also jetzt Muskeln, die unter verschiedenen Umständen ihre Lei-
Stungsfähigkeit eingebüfst hatten und todtenstarr geworden wa-
ren, nach der oben beschriebenen Methode auf die Reaction ihres
künstlichen Querschnittes.
In Wasser ') von mittlerer Tenipeiiseit (15°) werden die
Muskeln bekanntlich sehr bald (binnen einer Stunde) todtenstarr,
und dabei, wie ich gefunden habe, sauer.
Ein über Schwefelsäure getrockneter und in Wasser wie-
der aufgeweichter Muskel wird todtenstarr und sauer vorge-
funden.
Ein in Olivenöl bei einer Temperatur unter — 6°C. er-
frorner Muskel wird nach dem Aufthauen todtenstarr und sauer
vorgefunden.
Ein fünf Minuten lang in Wasser von 45° eingetauchter
Muskel wird todtenstarr und sauer vorgelunden. Man könnte mei-
nen, dafs dies vielleicht weniger die Wirkung der Wärme, als des
Wassers sei, welches wegen der durch die Wärme begünstigten
Diffusion rascher in den Muskel eindringe, so dafs dieser Ver-
such mit dem zusammenfalle, wo der Muskel längere Zeit in
"Wasser von mittlerer Temperatur verweilt. Allein der Erfolg
ist ganz derselbe, wenn statt des Wassers Quecksilber oder Oli-
genöl von gleicher Temperatur angewendet werden.
») Mit
Wasser ist stets destillirtes Wasser gemeint. Das hiesige
Brunnenwasser reagirt schwach alkalisch von doppelt kohlensaurem Kalk.
Die angewandten Froschmuskeln waren stets die Wadenmuskeln.
304 Gesammtsitzung
In allen diesen Fällen also sehen wir, wie im Verlauf des
natürlichen Absterbens des Muskels, die Erstarrung des Muskels
von Säurung begleitet. Doch würde es voreilig sein, daraus den
Schlufs zu ziehen, dafs diese Verknüpfung eine nothwendige sei.
Sogleich die weitere Verfolgung der Einwirkung der Wärme auf
die Muskeln wird uns ein Beispiel vom Gegentheil liefern.
Sechs Muskeln, 4, B, C, D, E, F werden beziehlich fünf
Minuten lang in Wasser von 45, 50, 55, 60, 75, 100° ge-
taucht. Alle verlieren natürlich ihre Leistungsfähigkeit und wer-
den todtenstarr, die den höheren Temperaturgraden ausgesetzten
sogar doppelt todtenstarr, wegen der Gerinnung nicht nur des
Muskelfaserstoffes, sondern auch des Muskeleiweilses.. Unter-
sucht man die Reaction des Querschnittes dieser sechs Muskeln,
so stölst man auf ein sehr unerwartetes Ergebnils. Muskel
A reagirt, wie schon gesagt, entschieden sauer. Die Reaction
von Muskel 3 und C ist zweifelhaft, die von 2 mehr säuerlich,
die von C mehr neutral. Muskel D ist durchaus neutral, Mus-
kel E neigt zum Alkalischen, und endlich Muskel F, der fünf
Minuten in siedendem Wasser verweilt hat, reagirt ganz deut-
lich alkalisch.
Froschmuskeln, die einzeln der Siedhitze ausgesetzt waren,
habe ich nie sauer werden sehen, wenn ich dieselben bei mitt-
lerer Temperatur der Fäulnils überliels.
Ganz dieselben Versuche habe ich, nur mit Auslassung ein-
zelner Temperaturen, mit Öl und Quecksilber statt mit Wasser
angestellt und im Wesentlichen ganz denselben Erfolg beob-
achtet.
Was mich dabei vornehmlich in Erstaunen setzte, war der
Widerspruch, in dem diese Versuche zu stehen scheinen mit der
bekannten Erfahrung Hrn. v. Liebig’s, wonach die Fleischflüssig-_
keiten der verschiedensten Thiere, obschon sie der Siedhitze aus-
gesetzt waren, sauer reagiren. Als ich aber beim Schlächter ge-
kauftes Rindfleisch, welches eine sehr starke saure Reaction be-
sals, sodann freiwillig erstarrte und sauer gewordene Froschmus- |
keln, endlich sogar Froschmuskeln, die durch fünf Minuten Auf-
enthalt in 45° sauer gemacht worden waren, eine Viertelstunde
lang kochte, blieben dieselben nach wie vor sauer. Es war also
klar, dafs, wenn einmal die Muskeln sauer geworden sind, sie
vom 31. März 1859. 305
durch die Siedhitze nicht mehr ihre saure Reaction einbülsen,
und daraus schien unmittelbar zu folgen, dafs die Muskeln € bis
F in der obigen Versuchsreihe niemals sauer gewesen seien.
Andere Versuche indels verbinderten mich zunächst auf diese
Schlufsfolge einzugehen. Taucht man nämlich einen Muskel in
siedendes Wasser, so ist es deutlich, dals alle seine Theile folg-
weise simmtliche Grade von der ursprünglichen Temperatur bis
zur Siedhitze durchlaufen werden. Zieht man den Muskel zu
einer Zeit heraus, wo noch nicht alle seine Theite die Siedhitze
erreicht haben, und untersucht man dann die Reaction seines
Querschnittes, so wird, falls verschiedenen Temperaturen ver-
schiedene Reactionen des Muskels entsprechen, der Abdruck des
Muskels auf dem Lakmuspapier sich aus concentrischen Ringen
von verschiedener Färbung zusammensetzen müssen, deren jeder,
von aulsen nach innen fortschreitend, einer isothermen Schicht
_ von geringerer Temperatur entspricht. Der Versuch bestätigte
diese Voraussicht vollkommen. Tauchte ich nämlich einen Mus-
kel vom Frosch nur wenige (4—6) Secunden hindurch in sie-
_ dendes Wasser oder gleich warmes Quecksilber, so zeigte sich
im Abdruck des Muskelquerschnittes auf Lakmuspapier ein ro-
_ther Ring, der einen Hof von neutraler Reaction, wie sie dem
frischen Muskel zukommt, umschlofs. Hielt ich den Muskel etwas
länger, 6—9 Secunden, in der 100° warmen Flüssigkeit, so ent-
stand nachher auf dem Papier ein fast gleichmälsig roth gefärb-
ter Fleck, umgeben mit einem Saum von zweifelhafter, auf der
Grenze von neutraler und alkalischer Reaction stehenden Fär-
bung. Liefs ich den Muskel noch länger in der Siedhitze, so
_ erschien der Saum immer breiter und deutlicher alkalisch, bis
zuletzt, wozu gewöhnlich schon eine Minute Aufenthalt im sie-
denden Wasser ausreichte, der ganze Fleck, wie schon oben ge-
sagt wurde, auf alkalische Beschaffenheit bindeutete. Genaue
Zeitbestimmungen lassen sich hier nicht füglich geben, da die
Zeit, innerhalb welcher ein gegebener Punkt im Inneren des
Muskels eine gegebene Temperatur erreicht, von mehreren zum
Theil schwer zu bestimmenden Umständen abhängt, die es sich
_ nicht verlohnen würde, methodisch durchzuprüfen; als da sind
_ die ursprüngliche Temperatur des Muskels, seine Grölse, die
306 Gesammtsitzung
Natur des siedheifsen Mittels, seine Menge, die Wärmemenge die
demselben in der Zeiteinheit zugeführt wird, u. d. m.
Aus diesen Versuchen scheint sich, im Widerspruch mit dem
Schluls, zu dem wir so eben gelangt waren, unwiderleglich zu
ergeben, dafs allerdings die einzelnen Theile eines in siedendes
Wasser getauchten Muskels verschiedene Reactionsarten durch-
laufen, indem sie zuerst durch eine gewisse Reihe niedrigerer
Temperaturen, etwa denen von 40—50°, sauer, durch eine Reihe
darüber liegender aber wiederum neutral werden, um zuletzt aus
der Siedhitze alkalisch hervorzutreten. Die höheren Tempera-
turen, so scheint es nunmehr, müssen das Vermögen besitzen,
die durch die niederen Temperaturen im Muskel entwickelte
Säure auf irgend eine Art wieder zu vernichten. Dabei ist aber
ganz unverständlich, wie es komme, dafs, während sie dies Ver-
mögen in Bezug auf die Säure besitzen, die im Muskel durch
ein paar Secunden langes Eintauchen in siedheilse Flüssigkeit ent-
wickelt wird, sie dasselbe entbehren in Bezug auf die Säure, die
entweder durch freiwilliges Absterben oder durch einen längeren
Aufenthalt in einer Temperatur von 40—50° entsteht.
Eine Möglichkeit, wie dies zu erklären gewesen wäre, war
die, dafs die durch kurzes Eintauchen entwickelte Säure anderer
Art als die durch langes Verweilen in der Wärme gebildete,
nämlich flüchtiger Natur sei. Allein ich gab diesen Gedanken
auf, nachdem ich beobachtet hatte, dafs Muskeln auch aus Öl
und Quecksilber von 60—95° neutral bis alkalisch hervorgingen,
ohne dals ich das Entweichen auch nur der kleinsten Blase hätte
wahrnehmen können.
Eine andere Art, jene Schwierigkeit zu heben, bestand da-
rin, anzunehmen, dals die Menge der durch die säuernden Tem-
peraturen, um mich so auszudrücken, entwickelten Säure bis zu.
einer gewissen Grenze wachse mit der Zeit, während welcher
der Muskel diesen Temperaturen ausgesetzt ist, so dals in dem
nur wenige Secunden in siedheilse Flüssigkeit getauchten Mus-
kel nur eine kleine, in dem längere Zeit auf 45° erwärmten
Muskel eine verhältnilsmälsig bedeutende Säuremenge frei werde;
dals sodann bei den höheren Temperaturen eine Entwickelung
von Alkali, vielleicht von Ammoniak, stattfinde; endlich dafs die
Menge dieses Alkali’s zwar zur Übersättigung der durch kurzes
vom 31. März 1859. 307
Eintauchen, nicht aber zur Sättigung der durch längeren Auf-
enthalt in den säuernden Temperaturen entwickelten Säure hbin-
reiche.
Mit dieser Vorstellungsweise war es jedenfalls leicht in Ein-
klang zu bringen, dals ein Muskel, der mit kaltem Wasser bei-
gesetzt und mit demselben bis zur Siedhitze erwärmt wird, nicht
alkalisch, sondern sauer gefunden wird; ebenso dals man eine
grölsere Muskelmasse, wie z. B. die beiden noch im Becken ver-
bundenen Oberschenkel eines Frosches wenigstens im Inneren
sauer findet, auch wenn man sie plötzlich in siedheilse Flüssig-
keit taucht und beliebig lange Zeit darin verweilen lälst, be-
sonders aber, wenn die Menge der Flüssigkeit verhältnilsmälsig
klein ist. Denn in beiden Fällen werden die einzelnen Theile
des Muskelinneren länger auf den säuernden Temperaturen ver-
‚weilen, als wenn eine kleinere Muskelmasse mit verhältnilsmälsig
grölserer Oberfläche, wie ein einzelner Gastroknemius vom Frosche
sie darbietet, plötzlich in die siedheilse Flüssigkeit getaucht wird,
In jenen Fällen wird (stellte ich mir vor) zu viel Säure entwickelt,
als dafs dieselbe durch das nachmals entwickelte Alkali übersät-
tigt werden könnte.
Was nun aber diese Entwicklung eines Alkali’s im Muskel
durch die Siedhitze betrifft, so bemühte ich mich vergeblich eine
_fernere Thatsache zur Stütze dieser Muthmalsung auszumitteln.
Ammoniak konnte jenes Alkali keinenfalls sein, denn die blauen
Flecke, die ein dergestalt alkalisch gemachter Muskel auf dem
rothen Papier hinterlälst, sind bleibender Beschaffenheit, und als
ich einen mit passend verdünnter Chlorwasserstoffsäure benetzten
Glasstab über gekochtes und zerhacktes Froschlleisch bielt, ent-
stand keine Spur von Salmiaknebeln. Da die Grenze der säuern-
den Temperaturen und derjenigen, aus denen der Muskel neutral
‚hervorgeht, auffallend genau zusammenfällt mit den Temperatu-
ren, bei denen nach Berzelius das Albumin des Rindfleisches,
nach Hrn. Groh& das der Froschmuskeln gerinnt, so versuchte
ich, ob beim Kochen der oben beschriebenen eiweilshaltigen neu-
„tral reagirenden Flüssigkeit, welche strotzend mit Wasser ange-
füllte Froschmuskeln entleeren, oder beim Kochen von Rinder-
blutserum, welches ich mit Chlorwasserstoffsäure neutralisirt
308 Gesammtsitzung
batte, Alkali frei werden würde; aber es gab sich keine Spur
davon zu erkennen.
Ferneres Nachdenken über die Sachlage deckte mir denn
auch eine Lücke in meinen Versuchen auf, deren Ausfüllung als-
bald zu einer anderen Auffassung derselben führte. Ich hatte
nämlich versäumt mich davon zu überzeugen, ob ein durch we-
nige Secunden langes Eintauchen in siedheilse Flüssigkeit gro-
(sentheils sauer gewordener und als solcher erkannter Muskel,
wenn er wieder in die Flüssigkeit gebracht und längere Zeit
darin gelassen wird, auch wirklich wieder neutral oder gar al-
kalisch wird. Freilich scheint sich dies von selbst zu verstehen;
nichtsdestoweniger trifft es in Wirklichkeit nicht zu. Läfst man |
einen Muskel dauernd in der siedheilsen Flüssigkeit, und unter-
sucht nach einiger Zeit seine Reaction, so findet man dieselbe,
wie gesagt, alkalisch. Zieht man ihn aber nach 4—6 Secunden
heraus, untersucht seine Reaction, die man für einen ausgedehn-
ten ring- oder kreisförmigen Theil des Querschnittes sauer fin-
det, oder läfst man den Muskel auch blofs erkalten ohne diese
Prüfung vorzunehmen, und taucht ihn dann wieder auf unbe-
stimmte Zeit in die siedheilse Flüssigkeit, so wird er nie wieder
neutral, geschweige alkalisch, sondern bleibt immerdar sauer.
Hieraus geht hervor, dals es eine Täuschung war, wenn
wir annahmen, der der Siedhitze ausgesetzte Muskel durchlaufe
mit steigender Temperatur seines Inneren verschiedene Reac-
tionsarten. In der That wird ein solcher Muskel zu keiner Zeit
sauer. Damit ein Muskel sauer werde, ist es nöthig, dals seine
einzelnen Theile eine gewisse nicht zu kurze Zeit auf den säu-
ernden Temperaturen verweilen. Wird der Muskel in eine hin-
längliche Masse siedheilser Flüssigkeit getaucht, so durchlaufen seine
einzelnen Theile die säuernden Temperaturen zu schnell, als dals er
sauer werden könnte. Zieht man aber den Muskel nach einer
gewissen kurzen Frist heraus, so behält er, indem er an der
Luft erkaltet, die säuernde Temperatur von 50—40° noch lange
genug bei, um ausgesprochen sauer zu werden.
Diese Ansicht von der Sache also versöhnt alle obigen Wi-
dersprüche. Es würde nur übrig bleiben den Unterschied zu
erklären, der, wie mir wenigstens hat scheinen wollen, obwaltet
zwischen der Reaction einerseits von frischen rohen Muskeln
vom 31. März 1859. . 309
und solchen, die einige Zeit einer Temperatur von 50—70° aus-
geselzt waren, andererseits gesottener Muskeln. Die letzteren muls
ich für alkalischer ansprechen. Im Vergleich zu den bei 50—70°
erstarrten Muskeln ist dies nicht so schwer zu verstehen, da bei
diesen Temperaturen immer noch eine gewisse Säuremenge frei
werden mag. Sollte sich aber die grölsere Alkalescenz des ge-
kochten Muskels im Vergleich zur Reaction des rohen frischen
Muskels bestimmt herausstellen, so würde dies freilich weitere
Aufklärung erheischen. Vielleicht rührt der wahrgenommene
Unterschied nur von der auffallend grölseren Flüssigkeitsmenge
her, welche der gekochte Muskel von sich giebt.
Da uns dieser Punkt indessen minder nah betrifft, so
überlasse ich die weitere Erörterung desselben Hrn. Kühne,
den selbständig geführte Untersuchungen, wie ich aus brief-
licher Mittheilung weils, zu der mit dem obigen Ergebnils
übereinstimmenden Vorstellung geführt haben, dals die‘ rasch
einwirkende Siedhbitze den Muskel in seinem natürlichen Zu-
stande, auch was seine Reaction betreffe, gleichsam con-
servire, während gewisse niedere Temperaturen, wenn sie län-
ger einwirken, dem Muskel die saure Reaction ertheilen.
hf Wie dem auch sei, die Einwirkung der Siedhitze auf den
Muskel bietet uns, wie man sieht, das erste Beispiel dar einer
ohne Säurung des Muskels vor sich gehenden Gerinnung des
Muskelfaserstoffes. Ein andere Art des Temperatureinflusses lie-
fert aber sofort noch ein zweites. Bewahrt man nämlich ein-
zelne Muskeln vom Frosch bei einer Temperatur von etwa 0°
auf, so werden dieselben zu keiner Zeit deutlich sauer, sondern
‚gehen unmittelbar aus der neutralen Reaction über in die alka-
lische, welche der ausgesprochenen Fäulnils angehört. Allerdings
kommt es vor, dals der Abdruck des Querschnittes. auf blauem
"Grunde roth gesprenkelt erscheint; anderemale ereignet: sich
das Sonderbare, dafs anfangs auf dem rothen Papier ein blauer,
auf dem blauen Papier kein Fleck erscheint, dals aber beim
Trocknen der erstere Fleck verschwindet, während auf dem
blauen Papier ein rother Fleck hervortritt. Nie jedoch sieht
man die dergestalt in der Kälte aufbewahrten Muskeln auch nur
entfernterweise so von Säure überflielsen, wie solche, welche
bei mittlerer Temperatur die Fäulnils durchmachen.
310 * Gesammtsitzung
Ebensowenig habe ich Muskeln sauer werden sehen, die ich
in gesättigte Lösungen von Chlornatrium, salpetersaurem Kali,
schwefelsaurem Natron und schwefelsaurer Magnesia gelegt hatte,
während wenigstens das Syntonin aus seiner Lösung in ver-
dünnter Chlorwasserstoffsäure durch Zusatz von Salzlösungen
gefällt wird. Auch in absoluten Alkohol gelegte, nachher in
Wasser aufgeweichte Muskeln habe ich nicht deutlich sauer ge-
funden.
Aus diesen Versuchen folgt somit wohl mit hinlänglicher
Bestimmtheit, dafs das Freiwerden von Säure im Muskel keine
nothwendige und unmittelbare Folge der Gerinnung des Mus-
kelfaserstoffes sei, sondern dafs unter Umständen letztere aller-
dings stattfinden könne, ohne erstere nach sich ziehen. Ehe
wir aber über die Natur des Vorganges der Säurebildung im ab-
sterbenden Muskel weitere Muthmafsungen äufsern, wird es
zweckmälsig sein, zuerst noch durch die Untersuchung der Mus-
keln anderer, insbesondere warmblütiger Thiere uns zu unter-
richten, inwiefern das am Frosch beobachtete denn auch wirk-
lich von allgemeiner Geltung sei.
Unter den Fischen prüfte ich die Karausche (Cyprinus ca-
rassius), den Schlei (Chrysitis tinea), den Hecht (Esox Zueius)
und den Barsch (Perca fluviatilis) auf die Reaction des Quer-
schnittes des von den lebenden Fischen abgeschnittenen Schwan-
zes. Ich fand dieselbe alkalisch und erst später, der gewöhn-
lichen Angabe entsprechend, sauer; wobei jedoch das Barsch-
fleisch eine Ausnahme machte, welches ich in zwei Versuchen
nicht deutlich sauer, sondern nur in der oben bezeichneten Art
neutral werden sah, auch wenn ich dasselbe fünf Minuten lang
in 45° warmes Wasser tauchte oder es unbestimmte Zeit lang
in Wasser von mittlerer Temperatur liegen liels.
Stücke aus dem grolsen Brustmuskel einer den Augenblick
vorher geköpften Taube, eines mit Curara vergifteten Huhnes ge-
schnitten, reagirten, die ersteren mehr alkalisch, die letzteren
mehr neutral. Von Säure war auch hier an den frischen Mus-
keln keine Spur bemerkbar, obschon dieselben nach eingetrete-
ner Starre auf das deutlichste sauer gefunden wurden. In Be-
zug auf die Wirkung der Wärme verdient bemerkt zu werden,
dafs bei den Vogelmuskeln die Temperatur von 45°, die ja nur
vom 31. März 1859. 311
‚wenige Grade über der Blutwärme des Vogels liegt, zur Säu-
rung des Muskels nicht ausreicht, sondern dals 50—55° C. dazu
'erforderlich sind. Siedendes Wasser ertheilt dem Vogelfleisch
die neutrale Reaction in der oben beschriebenen Art; wobei ich
Sorge trug, nicht grölsere Stücke Muskelfleisch zu den Versu-
chen anzuwenden, als solche welche etwa einem einzelnen Ga-
'stroknemius des Frosches entsprachen, um sicher zu sein, dals
‚das Verhältnils der Oberfläche zur Masse für das Eindringen der
Wärme kein minder günstiges gewesen sei.
Was die Säuger betrifft, so experimentirte ich im Schlacht-
hause an Rind und Schwein, im Laboratorium an Hund, Kanin-
‚chen und Meerschweinchen (Caviza Cobaya). Das Fleisch aller
fand ich anfangs mehr oder weniger deutlich alkalisch, und oft
erst nach Stunden trat die saure Reaclion hervor. Die Abwe-
senheit der sauren Reaction an den frischen menschlichen Mus-
_keln hat, wie ich aus brieflicher Mittheilung weils, mein Freund
Hr. H. Bence Jones in London bei Gelegenheit einer Am-
_ putalion beobachtet.
In allen diesen Versuchen enthielten die Muskeln noch
Blut. Ich unterliels aber nicht auch hier wie bei den Frosch-
muskeln noch den Beweis zu führen, dals die neutrale oder al-
kalische Reaction des Muskelquerschnittes nicht etwa von einer
Sättigung, beziehlich Übersättigung der in den Muskeln fertig
gebildet enthaltenen Säure durch das Alkali des Blutes herrührte.
In die Bauchaorta eines lebend geöffneten Kaninchens spritzte
ich blutwarmes Zuckerwasser von den oben angegebenen Pro-
eentgehalt, bis das Wasser farblos aus der unteren Hohlvene
Nols; die Reaction der blutleeren Muskeln war aber von derje-
@igen mit Blut erfüllter Muskeln desselben Thieres kaum zu unter-
‘scheiden. Mit solchem blutleeren Kaninchenfleisch wiederholte
ich die an den Vogelmuskeln angestellten Versuche über den
Einfluls der Wärme auf die Reaction der Muskeln. Fünf Mi-
‚nulen lang in Wasser von 50° getauchtes Muskellleisch hatte
eine saure Reaction angenommen; kleine Stücke in siedendes
Wasser gehalten wurden dagegen nicht sauer, sondern nur neu-
tral gefunden.
Einen gleichbedeutenden Versuch mit dem am Kaninchen
stellte ich am Hunde an, indem ich an dem durch Curara ge-
312 Gesammtsitzung
lähmten Thiere von der Arteria iliaca communis aus das eine Bein
mit Zuckerwasser von mittlerer Temperatur ausspritzte. Beim Ent-
leeren der zweiten und dritten Spritze(von 47 CC.Inbalt)entstanden
leichte Zuckungen. Die Muskeln, obwohl blutleer, blieben noch
deutlich roth gefärbt. Ihre Reaction war neutral in der ange-
gebenen Art; auf violettem Papier machten sie gar keinen Ein-
druck. Die mit Blut erfüllten Muskeln der anderen Seite reagirten
ziemlich ausgesprochen alkalisch.
Wie man sieht, haben uns unsere Beobachtungen an
den Froschmuskeln nicht irre geführt. Man wird wohl jetzt
den Schluls für gerechtfertigt halten, dals es in der Wirbel- |
thierreihe keine quergestreiften Muskeln gebe, die im frischen
Zustande saure Reaction besitzen. Auf die Muskeln wirbelloser
Thiere habe ich meine Untersuchungen noch nicht ausgedehnt.
Dagegen bin ich bemüht gewesen, mich über die Reaction
der glatten Muskelfasern in’s Klare zu setzen. Die früheren An-
gaben darüber widersprechen einander. Hr. Lehmann will den
wässrigen Auszug aus der Muskelhaut des Schweinemagens und
aus der mittleren Arterienhaut des Rindes schwach sauer, den
aus der Zunica dartos ohne alle Reaction auf Pflanzenfarben ge-
funden haben. Hr. Gustav Siegmund hat aus dem Uterus
einer nach der künstlichen Frühgeburt im achten Monat der
Schwangerschaft verstorbenen Frau Ameisensäure, Essigsäure und
später noch, wie ich aus mündlicher Mittheilung weils, Milch-
säure dargestellt. Hingegen Hr. M.S. Schultze giebt an, den
wässrigen Auszug aus der mittleren Haut einer frischen Ochsen-
aorta alkalisch gefunden zu haben. f
Die unstreitig beste Gelegenheit, eine grofse und möglichst
reine Ansammlung glatter Muskelfasern im völlig frischen Zu-
stande zu beobachten, bietet der Muskelmagen der Vögel dar.
Hr. Leydig betrachtet zwar die Faserzellen desselben als bereits
einen Übergang bildend zu den quergestreiften Muskelbündeln.
Um so auffallender wird es erscheinen, dafs ich vom frisch getöd-
teten Thiere entnommene Stücke des Muskelmagens des Huhnes
und der Taube mehrmals bei mittlerer Temperatur bis zur stinken-
den Fäulnils verfolgt habe, ohne je eine Spur saurer Reaction
wahrzunehmen. Die Reaction war anfangs schwach alkalisch,
und blieb so bis zur Ammoniakentwicklung durch die Fäulnifs,
vom 31. März 1859. 313
wo sie deutlicher ward. Auch in Wasser von mittlerer Tem-
peratur unbestimmte Zeit hindurch verweilend wurden Stücke
vom Muskelmagen nicht sauer; ebensowenig in Wasser von den
verschiedensten Temperaturen bis zur Siedhitze. Nicht minder
habe ich die Muskelhaut des Dickdarms und die Aorta eines vor
meinen Augen geschlachteten Ochsen alkalisch- reagirend gefun-
den, und dieselbe Reaction fort und fort bis zur ausgesproche-
nen Fäulnifs beobachtet. Auch der Darm des Schleies und das
eontractile Gaumenorgan der Cyprinoiden haben mir keine saure
Reaction geben wollen, obwohl eine solche wegen der darin
enthaltenen quergestreiften Bündel zu erwarten war. Viel-
leicht wurde dieselbe durch die alkalische Reaction der umge-
‚benden Gewebe verdeckt. Ein zu dieser Untersuchung passen-
‚der Uterus ist leider seit der Zeit, wo ich Veranlassung fand
danach zu trachten, bis auf den heutigen Tag meinen Freunden
den Hrn. Reichert und Virchow nicht vorgekommen.
“ Für die Erklärung der von Hrn. Siegmund am Uterus
‚gemachten Beobachtung wird sich uns weiter unten eine Aus-
kunft bieten. Wie die Sachen stehen, mufs ich urtheilen,
dals wenn die frühere Ansicht von der sauren Beschaffenheit
‚der quergestreiften Fleischfaser in so fern unrichtig war, als
diese Beschaffenheit sich erst in Folge einer Leichenverände-
rung einstellt, die Lehre von der sauren Natur der glatten Mus-
kelfaser nicht einmal so weit zutrifft, da diese Faser nach meinen
Erfahrungen vielmehr zu keiner Zeit ihres Absterbens aufhört,
alkalisch zu reagiren.
- Bis hieher reichen meine Ermittelungen über die Reaction
der ausgeruhten absterbenden Muskeln. Über die Entstehungs-
weise der Säure in Folge des Erstarrens habe ich nichts beizu-
‚bringen. Die Hrn. Lehmann und Schlofsberger halten es
‚nicht für unmöglich, dals die Fleischmilchsäure ein Zersetzungs-
product eiweilsartiger Körper sei. Hr. Schlofsberger be-
‚merkt, dals, obschon der Scherer’sche Muskelzucker in Berüh-
zung mit faulenden Eiweilskörpern, Fibrin und Casein, der Milch-
säure-Gährung fähig scheine, dies doch kaum der Ursprung der
Fleischmilchsäure sein könne, weil dazu die Menge des Inosits
sogar im Herzen, wo er noch am reichlichsten vorkommt, eine
viel zu kleine sei. Erwägt man, dafs die Säurung des Muskels
314 Gesammtsitzung
mend beschleunigt, durch Temperaturerniedrigung hingegen ge-
hemmt, dafs sie durch Siedhitze, Alkohol, Salze gänzlich verhin-
dert wird, so ist es freilich nicht leicht, sich der Vorstellung zu
erwehren, dafs man es hier mit einem wahren Gährungsvorgange
zu thun habe. Es ist aber jetzt an der Zeit, Kenntnils zu neh-
men von einem weiteren Umstande, wodurch einestheils die bis-
her aufgedeckten Thatsachen ganz ungemein an Bedeutung ge-
winnen, anderentheils die Erklärungsweise derselben auf alle
Fälle wesentlich bedingt werden dürfte. Dies ist die Eingangs
schon erwähnte Säurung der noch leistungsfähigen
Muskeln in Folge heftiger Anstrengungen.
Ein Frosch werde so zugerichtet, dals nur noch die Wir-
belsäule mit dem darin enthaltenen Rückenmarke, der Ischiadnerv
und der zugehörige Gastroknemius übrig bleiben. Dieser werde
mittelst des Schlittenmagnetelektromotors bis zur Erschöpfung te-
tanisirt, indem man zuerst das Rückenmark, dann am Ischiad-
nerven herabsteigend dessen einzelne Strecken, endlich den Mus-
kel selber den Strömen ausseizt. Bei jeder neuen Strecke, die
man in den Kreis einführt, beginnt man mit den schwächsten
Strömen, welche noch Zuckung geben, und geht nicht eher zu
einer neuen, tiefer gelegenen Strecke über, als bis auch die stärk-
sten Schläge, die man vernünfligerweise anwenden kann, keine
Zuckung mehr erzeugen. Untersucht man darauf die Reaction des
Querschnittes eines dergestalt tetanisirten Muskels, so findet man die-
selbe oft, wenigstens stellenweise, entschieden sauer; im schlimm-
sten Falle wenigstens stets mehr zur sauren Reaction sich bin-
neigend, als die des in Ruhe gebliebenen Gastroknemius der an-
deren Seite, und zwar in viel zu auffallendem Grade, als dafs
man den Unterschied auf die durch die Zusammenziehung etwa
bedingte grölsere Blutleere des tetanisirten Muskels schieben
könnte. Nach wenigen Minuten Ruhe übrigens ziehen sich die
Bruchstücke des dergestalt bei seinen Lebzeiten gesäuerten Mus-
kels wieder kräftig auf mälsig starke Reizung zusammen.
Man kann gegen diesen Versuch denselben Einwand machen,
dem Hr. Helmholtz bei seinen berühmten Versuchen über den
chemischen Stoffverbrauch bei der Muskelaction dadurch zuvor-
x
iR
|
|
durch Temperaturerhöhung innerhalb gewisser Grenzen ausneh-
{
vom 31. März 1859. 315
kam, dafs er sich zum Tetanisiren reibungselektrischer Entladun-
‚gen bediente, welche im Verhältnils zu ihrer elektrolytischen
eine sehr bedeutende physiologische Wirkung besitzen; nämlich
dals, da der Muskel selber zuletzt den Strömen ausgesetzt
wurde, die Säurung desselben möglicherweise eine elektrolyti-
sche Wirkung dieser Ströme, statt eine Folge der Zusammen-
ziehungen sei. Indessen gelingt es, den Versuch mit wesent-
‚ lich demselben Erfolg anzustellen, auch ohne die Schläge zuletzt
den Muskel unmittelbar treffen zu lassen; nur dals alsdann
die Säurung, wegen der geringeren Summe von Zusammen-
ziehungen, die man vom Nerven aus zu erlangen vermag, auf
‚einer niedrigeren Stufe stehen bleibt.
Besser gelingt die Säurung des Muskels durch mittelbare Rei-
‚zung am lebenden Frosch, und zwar in folgender Weise. Der Frosch
"wird auf der von mir in meinen Untersuchungen beschriebenen
„Vorrichtung zur Befestigung des lebenden Frosches” gefesselt,
‚die Bauchaorta unterbunden, und der eine Ischiadnerv in der
‚Kniekehle durchschnitten. Am Rücken bringt man in Schulter-
und Lendengegend entweder die ebendaselbst beschriebenen Frosch-
‚hautklemmen an, oder man verfährt in der gleichfalls dort bereits
bezeichneten Art, nämlich indem man Streifen dünnen Zinkble-
ches durch zwei Hautschlitze führt, die man in jenen beiden
Gegenden, der Längsmittellinie gleichlaufend, in passendem Ab-
‚stand von derselben angebracht hat. Die Zinkstreifen, an deren
‚eines Ende ein Draht gelöthet ist, oder die Froschhautklemmen
dienen als Elektroden der secundären Rolle des Schlittenmagnet-
elektromotors. Das eine Ende der primären Rolle ist mit dem
Pendel eines Mälzel’schen Metronoms verknüpft, das andere
durch zwei Drähte mit dem Platin und mit dem Zink zweier
‚kleinen Grove’schen Ketten. Das Zink und Platin dieser ste-
‚hen in Verbindung mit zwei Quecksilbernäpfchen, und’ eine
jederseits an dem Pendel angebrachte verquickte Spitze taucht
jedesmal etwa eine Secunde lang in das eine oder das an-
dere dieser Näpfchen, wenn das Pendel seine gröfste Ablen-
kung erreicht hat. Man übersieht leicht, wie dadurch erreicht
wird, dafs abwechselnd die eine und die andere der beiden
entgegengesetzt angeordneten Ketten eine Secunde lang in
den Kreis der primären Rolle eingeschaltet wird. So lange dies
[1859.] 22
316 Gesammtsitzung
der Fall ist, spielt die Feder des Magnetelektromotors, und
wird also das Rückenmark des Frosches in Zwischenräumen, wel.
che der Schwingungsdauer des Pendels weniger einer Sccunde
gleich sind, eine Secunde lang abwechselnd in der einen und in
der anderen Richtung von den Öffnungsschlägen getroffen. Es
geben sich, bei diesem Verfahren, mancherlei eigenthümliche
Erscheinungen kund, auf die ich hier nicht näher eingehen
will. Es genüge die Angabe, dafs, da die aufsteigenden Ströme
bald unwirksam werden, die absteigenden aber leicht zwei Stun-
den lang wirksam bleiben, bei 38.5 Schwingungen des Pendels
in der Minute der Muskel mindestens 120 x 19.25 = 2310 mal eine
Secunde, oder im Ganzen 38.5 Minuten lang, mit Erfolg mittel-
bar tetanisirt wurde, was eine bei weitem grölsere Summe von
Zusammenziehungen vorstellt, als sie bei einer anderen mir be
kannten Art mittelbar zu tetanisiren erzielt wird.
Versagt endlich der Muskel vom Rückenmark aus weitere
Zuckungen, so wird er mit dem der anderen Seite, der gar nicht
gezuckt hat, ausgeschnitten, wobei er die Durchschneidung des
N. tibialis leicht noch mit Zuckung beantwortet, und die Re
action seines Querschnittes geprüft. Man findet dieselbe meist
deutlich sauer, während ich kaum zu sagen brauche, dafs de
Querschnitt des anderen Muskels noch die übliche neutrale
zum Alkalischen sich hinneigende Reaction zeigt. Dies Ergeb
nils ist um so auffallender, als sich merkwürdigerweise stets de
tetanisirte Muskel als der bei weitem blutreichere zeigt. Man
kann den Frosch am Leben erhalten, um sich davon zu übe
zeugen, wie er nach kurzer Zeit und, trotz der unterbundenen
Bauchaorta, auch noch am folgenden Tage die Muskeln des
gleichfalls tetanisirten Oberschenkels ganz gut beherrscht.
Die Bauchaorta unterband ich bei diesen Versuchen in de
Absicht zu verhindern, dals nicht das stets erneute alkalische
Blut die in dem Muskel entwickelte Säure sättige, und etwa in
Gestalt fleischmilchsauren Natron’s fortführe. Ich habe einige
Versuche angestellt, welche zu beweisen scheinen, dafs diese
Vorsicht nicht ganz überflüssig war. Als ich nämlich denselben
Versuch ohne Unterbindung wiederholte, gab sich ein weit klei
nerer Unterschied zwischen der Reaction des ruhigen und der des
tetanisirten Muskels zu erkennen. Als ich sodann beide Nervei
2
iv vom 31. März 1859. 317
unversehrt liefs, und statt der Aorta die eine A. iliaca communis
unterband, zuckten die Muskeln der Seite, wo nicht unterbunden
er, länger und stärker als die der anderen, und erschienen
verhältnilsmäfsig blutleer. Nichtsdestoweniger gaben sie keine
deutliche Zeichen der Säurung, während die Muskeln der ande-
ren Seite , wo unterbunden war, obschon von Blute strotzend
und folglich viel reicher an Alkali, entschieden sauer gefunden
wurden.
- Zerschneidet man einem Frosch, dessen Aorta unterbunden
ward, den einen Ischiadnerven, vergiftet dann den Frosch mit
Strychnin, und vergleicht die Reaction der beiden Gastrokne-
mien, so findet man dieselbe auf beiden Seiten neutral, obschon
lie des tetanisirten allerdings etwas mehr zum Sauren neigt.
Der mangelhafte Erfolg dieses Versuches rührt wohl davon her,
dals dabei die Summe der Zusammenziehungen eine zu kleine
bleibt, als dals eine bemerkbare Spur von Säure im Muskel
ifeehäuft werden könnte.
780 bleibt also die Säurung des Muskels durch Tetanus beim
Prosche stets eine ziemlich zarte Erscheinung, deren Nachweis mit
eht geringen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Anders ist es
eim Kaninchen. Hier gelingt auf das leichteste und sicherste
er zuletzt beschriebene Versuch, dessen Ergebnifs am Frosch
| 0 gut wie verneinend ist. Zerschneidet man einem Kaninchen
jen Ischiadnerven der einen Seite, vergiftet dasselbe mit Strych-
in, und schneidet unmittelbar nach oder besser noch wäh-
rend dem letzten Krampfanfalle die Wadenmuskeln beider Sei-
ten aus, so findet man die ruhigen neutral, die tetanisirten
auf’s entschiedenste sauer, so dals blaues Lakmuspapier bei län-
gerer Berührung mit deren Querschnitt zwiebelroth gefärbt wird.
Ebenso verhalten sich alle anderen am Strychninkrampf bethei-
ligten Skeletmuskeln.
Ich weils nicht recht, warum derselbe Versuch am Hunde
nen ebenso günstigen Erfolg liefert. Ich fand in mehreren Fäl-
en die ruhigen Muskeln alkalisch, die tetanisirten neutral. Al-
erdings also neigt die Reaction der letzteren mehr zum Sauren
als die der ersteren, und vielleicht erscheint sie nur deshalb nicht
auer, weil die Reaction der ruhigen Muskeln hier eine mehr ausge-
22°
*
u
«
318 Gesammtsitzung
sprochen alkalische ist, so dafs der Punkt, von dem aus die Mus-
keln sich bei der Zusammenziehung der sauren Reaction nähern,
im Hunde ein weiter davon entfernter ist, als im Kaninchen.
Man kann diesem Versuch am Kaninchen noch eine an-
dere Gestalt geben. Das Tbier wird auf dem Bauche lie
gend festgebunden, in Schulter- und Lendengegend eine
Hautfalte in die Höhe gehoben, mit dem Scalpell durch-
stolsen, und auf dem zur Führung dienenden Scalpellstiel ein
Streifen Zinkblech von etwa 15”" Breite hindurchgeführt, an
dessen eines Ende ein Draht gelöthet ist. Damit bei Bewe-
gungen des Thieres die Blechstreifen nicht wieder herausgleiten,
knickt man das freie Ende derselben hakenförmig über die Haut-
brücke um, unter der der Streifen fortgeht. Diese Art, der
Wirbelsäule eines Kaninchens Elektroden anzulegen, möchte der
von Hrn. Pflüger in seinem Buche über das Hemmungsnerven-
system der Gedärme empfoblenen vorzuziehen sein. Die beiden
Zinkstreifen werden mit den Enden der secundären Rolle des
Magnetelektromotors verknüpft. Öffnet man, bei passendem Ab-
stande beider Rollen, den Schlüssel, so verfällt das Thier in Te-
tanus. Der Kopf wird zurückgebogen, die Pupille erweitert
wegen Erregung der Ciliospinal- Gegend des Rückenmarkes,
nicht selten schreit das Thier kläglich, endlich der ganze Körper
geräth, wegen der Unterbrochenheit auch der scheinbar stetig-
sten Muskelzusammenziehung, in ein so heftiges und rasches Zit-.
tern, dals dadurch ein tiefer musikalischer Ton entsteht. Ich
habe dies zuerst in den eben erwähnten Versuchen des Hrn.
Pflüger zu beobachten Gelegenheit gehabt, als derselbe, um
das von ihm im Rückenmark vorausgesetzte CGentralorgan der
Nn. splanchnici zu reizen, Kaninchen in ähnlicher Art vom Rücken-
mark aus tetanisirte. Musikalisch bestimmt habe ich jenen Ton
nicht, es ist aber nicht zu bezweifeln, und gewils bemerkens-
werth, dafs derselbe dem Ton des Magnetelektromotors bedeu-
tend an Höhe nachsteht. Bei fortgesetztem Tetanisiren wird,
unstreitig wegen des Krampfes der Athemmuskeln, das Blut des
Kaninchens schwarz, und es kann leicht geschehen, dafs Einem
das Thier unter der Hand stirbt.
Ein Stück Muskel aus einem solchen Kaninchen ausgeschnit-
| vom 31. März 1859. 319
ten findet man sauer. Hat man auf der einen Seite den Ischiad-
| nerven zerschnitten, so kann die neutrale Reaction der davon ver-
‚ sorgten und in Ruhe gebliebenen Muskeln wie in-den vorigen Ver-
suchen zur Controle dienen. Dies ist nun nichts weiter als eine
‚ Bestätigung des mit Strychninvergiftung erhaltenen Ergebnisses.
' Allein die neue Versuchsweise hat vor jener das voraus, dals
man dabei das Thier am Leben erhalten kann, und so Gelegen-
heit hat, eine Frage vom höchsten Interesse zu beantworten,
nämlich die, was aus der in Folge des Tetanus im Muskel ent-
wickelten Säure werde. Ich habe hierüber erst einen Versuch,
aber mit recht günstigem Erfolge, angestellt. Nachdem ich näm-
lich ein Kaninchen so lange und so stark tetanisirt hatte, als es
möglich war ohne dasselbe zu tödten, schnitt ich ein Stück
Muskelfleisch aus dem einen Oberschenkel aus, und fand
dasselbe angegebenermalsen lebhaft sauer. Darauf wurde die
Wunde zugenäht, und dem Kaninchen Ruhe gegönnt. Die er-
sten zwei Stunden lag es in tiefster Ermattung auf der Seite,
und war ganz kalt anzufühlen; dann erholte es sich allmälig,
setzte sich auf und fing wieder an zu fressen. Nach etwa fünf
‚Stunden wurde die Wunde wieder geöffnet, und ein neues
‚Stück Muskelfleisch ausgeschnitten, welches sich nicht mehr
F sauer verhielt. Abermals wurde die Wunde zugenäht, und das
Thier zu weiteren Versuchen aufgehoben. Ein paar Tage dar-
auf prüfte ich an demselben vergiftete Pfeile der Jakuns (Min-
_ tras) von Malacca, die mir Hr. Fedor Jagor von dort zuzu-
senden die Güte gehabt hatte. Es erfolgte Tetanus und Tod,
wie nach Strychninvergiftung. Ein drittes ausgeschnittenes Mus-
kelstück erwies sich jetzt wieder deutlich sauer. Aus diesem
Versuche ergiebt sich mit Gewilsheit, dafs wenige Stunden hin-
reichen, um die auch im ungewöhnlichsten Malse in den Mus-
‚keln durch Anstrengung erzeugte Säure unmerklich zu machen.
Ich habe aber Grund anzunehmen, dals bei unversehrtem Kreis-
auf ein sehr viel kleinerer Zeitraum, vielleicht schon von we-
nigen Minuten, dazu ausreicht.
Da das Herz während des Lebens unablässig eine gewaltige
mechanische Arbeit leistet; da bereits anderweitige Spuren eines
besonders regen Stoffwechsels darin gefunden wurden, als da
sind Kreatin in ungewöhnlicher Menge, Inosit, Hypoxanthin; da,
320 Gesammtsitzung h
wie ich bemerkt habe, Braconnot’s Analyse des Ochsenher-
zens von Berzelius’ Analyse anderer Muskeln desselben Thie-
res hinsichtlich des Verhältnisses des alkoholischen und wässri-
gen Auszuges in dem Sinne abweicht, wie es nach den Beob-
achtungen des Hrn. Helmholtz zu erwarten stand; endlich da
schon 1828 Hr. C. Aug. Sigm. Schultze das Herz unter
allen Muskeln am stärksten sauer gefunden zu haben glaubte:
so versuchte ich, ob vielleicht das noch leistungsfähige Herz
eine saure Reaction geben würde. Beim Frosch, der Taube,
dem Ochsen, Kaninchen und Meerschweinchen traf dies indels
nicht zu. Nur dafs das Herz, trotz seiner grolsen Blutfülle,
die ihm stets eine deutliche alkalische Reaction verlieh, frü-
her als andere Muskeln sauer zu werden schien. Hr. Kühne
schrieb mir aus Paris, er habe frische Herzen von Hunden und
Katzen sauer gefunden, die Hr. Claude Bernard zu seinen
Versuchen verwandt hatte. Ich dachte mir, dafs diese Herzen
vielleicht deshalb sauer gewesen seien, weil sie während der
Vivisection vor Angst und Wuth heftiger als sonst geklopft hat-
ten. Ich zerschnitt also einem starken männlichen Kaninchen
beide Vagi, um sein Herz in ungewöhnlich heftige Bewegung
zu versetzen. Das Thier starb unter den gewöhnlichen Zufäl-
len bereits nach 22 Stunden, als ich gerade anders heschäftigt
war. Doch traf ich, als ich sehr kurze Zeit darauf die Brust-
höhle öffnete, das Herz noch für mechanischen Reiz empfäng-
lich an. Die Reaction desselben war aber die gewöhnliche ziem-
lich ausgesprochen alkalische.
Die rothen Flecken, welche durch Tetanus gesäuerte Mus-
keln auf blauem Lakmuspapier machen, sind von dauernder Be-
schaffenheit, und die Siedhitze vermag über die dergestalt in
den Muskeln entwickelte Säure eben so wenig wie über die
auf anderem Wege freigewordene (S. oben S. 308). Die saure
Reaction der angestrengten Muskeln rührt folglich weder her
von der nach Angabe der Hrn. Matteucci und Valentin
reichlicher darin entwickelten Kohlensäure, noch von saurem phos-
pborsaurem Kali. Dals Fleischmilchsäure die Ursache derselben
sei, wird noch dadurch wahrscheinlich gemacht, dals Berzelius,
wie er im Jahr 1841 Hrn. Lehmann in Schweden erzählt hat,
aus den Muskeln geheizten Wildes eine auffallend grolse Menge
vom 31. März 1859. 321
ilchsäure erhielt, während die Muskeln partiell gelähmter Ex-
| tremitäten ihm weniger als sonst davon zu enthalten schienen.')
a Über die Entstehungsart der Fleischmilchsäure bei der Zu-
sammenziehung wird es weise sein, sich zunächst jeder Muth-
malsung zu enthalten. Nur die Widerlegung einer Ansicht dar-
| über, welche vielleicht auftauchen könnte, halte ich für zweckmälsig.
Wir haben oben den Beweis geführt, dals die Gerinnung
des Muskelfaserstoffes unabhängig von der Säurung des Muskels
stattfinden könne. Die gegenwärtigen Versuche scheinen nun
könnte aber der Zweifel ausgesprochen werden, ob wirklich die
äurung des Muskels durch Tetanus von der durch das Absterben,
umgekehrt zu zeigen, dals die Säurung des Muskels ohne
Gerinnung des Muskelfaserstoffes stattfinden könne. Es
oder durch die Gerinnung des Muskelfaserstoffes, herbeigeführten
ssentlich verschieden sei. Man könnte sagen, dals in Folge der
heftigen Muskelanstrengung vielleicht ein Theil der Muskelbündel
wirklich absterbe, todtenstarr und sauer werde, während ein an-
lerer allerdings noch leistungsfähig sei. So komme der An-
in der Säurung des noch lebenden Muskels zu Stande. Wenn
an den Muskeln Ruhe gegönnt werde, löse das arterielle Blut
ie Starre jener abgestorbenen Bündel und wiederbelebe sie, wie
in den bekannten Versuchen der Hrn. Brown-Sequard und
annius.
" Diese Meinung ist unhaltbar. Erstens würde es irrig sein,
ich die tetanisirten Muskeln, an denen wir saure Reaction nach-
wiesen haben, in dem Mals erschöpft vorzustellen, dals einzelne
mitiv- oder secundäre Bündel derselben mit sofortigem Absterben
droht wären. Ich will nicht läugnen, dals sich dies im An-
ang meiner Versuche ein- oder das anderemal zugetragen habe,
7 !) Dies ist, wie mir Hr. Lehmann brieflich mitzutheilen die Güte
jatte, der Ursprung der in sein Lehrbuch der physiologischen Chemie
Bd. I. Leipzig 1850. S. 103 aufgenommenen Angabe, („Berzelius glaubt
‚überzeugt zu haben, dafs ein Muskel desto mehr Milchsäure enthält,
iehr er vorher angestrengt worden ist”) welche von dort vermuthlich
m Hrn. Ludwig’s und Hrn. Schlolsberger’s Werke übergegangen
St. Berzelius selber scheint jene Beobachtung nirgends veröffentlicht
322 Gesammitsitzung
besonders als ich dieselben noch allein am Frosch anstellte und
zuletzt, um schlagendere Wirkungen zu erhalten, die Muskeln un-
mittelbar reizte. Obschon auch hier, wie gesagt, sogar die
zerschnittenen Muskeln nach kurzer Ruhe wieder leistungsfähig
erschienen (S. oben $. 314). Allein bei mittelbarer Reizung‘
vom Rückenmark aus, sei’s durch den elektrischen Strom, sei’s
durch Strychnin, ist wirklich von einer so gefahrdrohenden Er-
schöpfung des Muskels selber die Rede nicht. Die sauer reagi-
renden Muskeln z. B. eines durch Strychnin getödteten Kanin-
chens zucken noch beim Durchschneiden des Nerven, vollends
antworten sie noch leicht, kräftig, und, soweit sich dies beur-
theilen lälst, in ganzer Ausdehnung auf jeden unmittelbar ange-
brachten elektrischen, ja mechanischen Reiz. Solche Muskeln
erschöpft zu nennen, würde in der That keinen Sinn haben,
Übrigens ist der rothe Fleck, den der Querschnitt eines tetani-
sirten Kaninchenmuskels auf blauem oder violettem Grunde macht,
ganz einfarbig und frei von jeder Einmischung des Grundes, wie
sie unstreitig stattfinden würde, wenn die saure Reaction nur
einzelnen besonders angestrengten Muskelbündeln zukäme.
Sollte hienach noch ein Zweifel sein daran, dafs die Säu-
rung der tetanisirten Muskeln nicht auf diese Art erklärt wer-
den könne, so würde derselbe vor einer neuerdings von Hrn.
Kühne ermittelten wichtigen Thatsache weichen müssen. Hr.
Kühne schreibt mir aus Paris vom 5. Februar d. J., es sei ihm
gelungen sich auf das bestimmteste zu überzeugen, dals die Lö-
sung der Todtenstarre durch das arterielle Blut in dem Versuch
von Stannius und Brown-S&quard nur dann eintrete, wenn
die Muskeln nicht bereits in Folge der Erstarrung sauer gewor-
den seien. Damit verliert der hier bekämpfte Einwand gegen
unsere Versuche vollends den Boden, da er gerade auf der Mög-
lichkeit fulst, dals die in Folge übermäfsiger Anstrengung abge-
storbenen, erstarrten und gesäuerten Bündel durch das arterielle
Blut wiederbelebt würden.
Die Beobachtung des Hrn. Kühne dürfte übrigens eine
andere Muthmalsung ähnlicher Art in nicht minder bedenkli-
chem Licht erscheinen lassen, zu der man jetzt hier leicht ge-
führt wird. Sie besteht in der Umkehr der bekannten Ansicht,
wonach die Todtenstarre eine letzte dauernde Zusammenziehung
vom 31. März 1859. 323
sein sollte. Es würde nämlich danach vielmehr jede Zusammen-
ziehung mit einer Gerinnung einer gewissen Menge flüssigen
Muskelfaserstoffes verknüpft sein, welche ihrerseits nicht ohne
Säurebildung einherschreiten würde, wobei man noch der die Zu-
sammenziehung begleitenden Temperaturerhöhung einen begünsti-
genden Einfluls zuschreiben könnte, welche in den eigentlichen
Heerden des Molecularvorganges ja eine viel beträchtlichere sein
mag, als sie sich für die Gesammtheit der Muskelmasse darstellt.
Auch diese Hypothese würde zuletzt nothwendig der Auflösbar-
keit des bereits gesäuerten Gerinnsels durch das arterielle Blut
bedürfen, und also, wenn man nicht noch weitere Vermuthun-
gen hinzufügen will, gleichfalls durch jene Beobachtung besei-
tigt sein.
Leichter als von der Entstehung der Säure bei der Zusam-
menziehung, wird man wohl dazu gelangen sich einen Begriff
zu machen von den Schicksalen, denen die einmal gebildete
Säure unterliegt. Wir haben gesehen, dals die Säure sehr bald
wieder unmerklich wird. Das natürlichste ist wohl, sich zu den-
ken, dafs das alkalische Blut dieselbe aus den Primitivbündeln in
Gestalt fleischmilchsauren Natrons auswasche, während Kohlen-
säure frei werde. Ob das fleischmilchsaure Natron im Blute zu
kohlensaurem Natron und anderen Producten verbrannt werde,
oder ob dasselbe als solches im Harn erscheinen könne, ist eine
Frage, die zu weiteren Untersuchungen auffordert. Obschon von
den Chemikern die Gegenwart milchsaurer Salze und freier Milch-
säure im Harne heutzutage im Allgemeinen bezweifelt wird,
ist es doch schwer, sich jetzt hier nicht zu erinnern, dafs
einst Hr. Lehmann die Menge der von ihm als Milchsäure
angesprochenen Substanz im Harn nach körperlichen Anstren-
gungen vermehrt gefunden hatte.
Der Säurung der Muskeln bei heftigen Krämpfen wegen ist
es rathsam, wenn man bei warmblütigen Thieren sich von der
neutralen, beziehlich alkalischen Reaction der ruhigen Muskeln
überzeugen will, die T'hiere mit Curara zu vergiften. In der
That gelang es mir nur durch diesen Kunstgriff, beim Huhne,
welches geköpft erst nach unendlichem Gelflatter stirbt, die Mus-
keln neutral zu finden, da sie sonst eine mehr oder weniger
324 Gesammtsitzung
entschieden säuerliche Reaction anzunehmen pflegen. Hierin liegt.
ein neuer Erklärungsgrund dafür dals die Chemiker ‚über die
Reaction der frischen Muskeln so lange haben können in Täu-
schung befangen sein. Es ist denkbar dals dieser oder jener
in der That Versuche am frischgetödteten Thier angestellt und
die Muskeln, wegen der meist den Todeskampf begleitenden
Krämpfe, sauer angetroffen habe. So ist es jetzt auch denkbar,
dafs die von Hrn. Siegmund beobachtete saure Beschaffenheit.
des Uterus-Auszuges von den Wehen herrührte, die vor dem
Tode stattgefunden hatten. a
Schliefslich würde uns übrig bleiben, einen Blick zu wer-
fen auf Hrn. v. Liebig’s Hypothese über den Ursprung des
Muskelstromes. Da die Muskeln, so lange sie einen elektri-
schen Strom entwickeln, keine Säure in ihrem Inneren enthal-
ten, so versteht es sich von selbst, dals in dem Sinne, wie Hr.
v. Liebig es wollte, von seiner Hypothese die Rede nicht mehr.
sein kann; um so mehr, als ich mich überzeugt habe, dafs’
Nerven und Muskeln eines mit Zuckerwasser ausgespritzten.
Froschbeines alle gewohnten elektrischen Wirkungen zeigen.
Nichtsdestoweniger knüpfen sich an eine genauere Erwägung
dieses Gegenstandes mancherlei nicht unwichtige Fragen, die
ich bei einer späteren Gelegenheit und in einer besonderen
Abhandlung zu erörtern gedenke.') i
L
!) Die Literatur zur gegenwärtigen Abhandlung findet sich möglichst
vollständig in meiner Habilitationsschrift: De Fibrae muscularis Reactione,
ut Chemicis visa est, acida. Berolini. Prostat apud Georgium Rei-
mer.1859, 4°. zusammengestellt. Einen Punkt daraus kann ich nicht umhin,
auch an dieser Stelle noch zu besprechen. In der dritten Auflage seiner
chemischen Briefe, Heidelberg 1851, $. 551, sagt Hr. v. Liebig: „Die
„freie Säure der Fleischbrühe scheint erst in Folge einer Veränderung zw
„entstehen, welche ausnehmend rasch nach dem Tode eintritt, oder durch”
„das Kochen bewirkt wird; die Muskeln frisch getödteter 'Thiere, vor
„dem Eintreten der Toodtenstarre, färben blaues Lakmuspapier nicht roth.”
(Vergl. Chemische Briefe, vierte Auflage, Leipzig und Heidelberg 1859.
Bd. II. S. 134; — Lehmann, Zoochemie u. s. w. 1858. $. 488.) Die-
ser Ausspruch, welcher in so vollkommenem Widerspruch mit der Ansicht
steht, die Hr. v. Liebig wenige Jahre zuvor fester als je begründet zw
vom 31. März 1859. 325
- Ferner hielt Hr. Klotzsch einen Vortrag über zwei
Arne die Hr. Feodor Jagor eingesandt hat.
B;,
4
8 Hr. Magnus machte die folgende Mittheilung, betreffend
eine Untersuchung des Hrn. Dr. Rudolph Weber über: die
... der Schwefelmetalle durch Chlorphos-
hor.
In einer früheren Mittheilung hat Hr. Dr. Weber die Ein-
kung des fünffach Chlorphosphors auf die Sauerstoflverbin-
ngen beschrieben, und gezeigt, dals sowohl eine grolse An-
haben glaubte, und welcher deshalb in seinem Munde für diejenigen, die
t Geschichte dieser Angelegenheit gefolgt waren, etwas sehr Überra-
schendes haben mulste, wird durch Anführung keines Beobachters und keiner
genen Erfahrung unterstützt. Hr. v. Liebig hat es somit mir über-
sen, zu erzählen, wie er zu jener neuen Einsicht gelangt ist. Als
in Freund, Hr. Georg v. Liebig, sich im Jahr 1850 in Berlin auf-
It, theilte ich Ahyn, meine N über die neutrale Reasign der fri-
® ebig, Vater 2 Sohn, in Gemeinschaft mit Hrn. T h. 1. Bischoff, ver
iche an, durch die sie von der Richtigkeit meiner Behauptung überzeugt
Ein Bericht darüber von Hın. Georg v. Liebig, vom 1. Mai
851 gezeichnet, liegt mir vor. Ich hatte indessen schon am 20. Decem-
ber 1850 der physikalischen Gesellschaft hieselbst eine Mittheilung ge-
macht, in der ich zeigte, dals leistungsfähige Muskeln, sowohl im natür-
| ch en Zustande, als nachdem sie mit Zuckerwasser ausgespritzt wurden,
neutrale Reaction besitzen, und dals sie zur Zeit des Erstarrens, durch
“ } itauchen in Jauwarmes Wasser, endlich durch anhaltende heftige Zu-
S mmenziehungen sauer werden. Diese Mittheilung ist nicht gedruckt
schienen, sondern gemäls den Statuten der Gesellschaft von den Hrn,
Krönig und Wiedemann als Beamten derselben unterschrieben und
un ersiegelt zu den Acten gelegt worden (Vergl. die Fortschritte der Phy-
sik in den Jahren 1850 und 1851. Dargestellt von der physikalischen
sellschaft zu Berlin. VI. und VII. Jahrgang. Redigirt von Dr. A
(rönig und Prof. Dr. W. Beetz, Berlin 1855. S. VII). Dals Hr. y.
I iebig nicht richtig vermuthet hat, die Säurung der Muskeln trete aus-
mehmend rasch nach dem Tode ein, oder werde durch das Kochen
irkt, ergiebt sich aus dem oben S. 298. 304 Gesagten.
326 Gesammtsitzung
zahl von einfachen Oxyden, selbst Kieselsäure, geglühete Thon-
erde, Chromoxyd, als auch die verschiedensten Salze z. B.
Schwerspath, phosphorsaure Baryterde, Wolfram bei Rothglüh- —
hitze durch die Dämpfe des Chlorphosphors zerlegt werden.
Bei diesen Einwirkungen wird ein Theil des Chlors vom Chlor-
phosphor an das Radical des Oxydes übertragen, während der
entsprechende Sauerstoff an die Stelle des Chlors tritt. Als
Zersetzungsprodukte werden die den Oxyden entsprechenden
Chlorverbindungen der Metalle und Phosphoroxychlorid ge-
bildet. \
Der Verfasser hat sich seitdem mit der Einwirkung des
Chlorphosphors auf die Schwefelmetalle beschäftigt, und sich bei
diesen Versuchen wieder des in der früheren Mittheilung be- y
schriebenen Apparates bedient. Es wurde das Verhalten einer
Anzahl von natürlich vorkommenden und künstlich erhaltenen
Schwefelverbindungen untersucht und gefunden, dafs die Zer-
setzung derselben im Allgemeinen leichter als die der Oxyde 5
und auch hier zuweilen unter Feuererscheinung erfolgt.
Schwefelkies, Zinkblende, Schwefelwismuth, Realgar, Grau-
spielsglanzerz, Bleiglanz werden sehr leicht und vollständig
zerlegt. Letzterer zeigt das Glühphänomen sehr schön. Bei
der Einwirkung des Chlorphosphors auf den Bleiglanz bildet sich
zunächst ein braunroth gefärbtes Produkt, wohl eine Verbindung
von Chlorblei mit Schwefelblei, welches durch längere Einwir-
kung in reines Chlorblei übergeführt wird. Der Schwelfelkies
liefert bei der Zersetzung nur flüchtige Produkte, so dals als
Rückstand nur eine Spur von Gangart bleibt. Desgleichen wer-
den Arsenikkies, Speilskobalt, Kobaltspeise, Rothgültigerz leicht
zersetzt; letzteres hinterläfst reines Chlorsilber. Bournonit,
Fahlerz etc. verhalten sich wie die übrigen Schwefelverbindun-
gen. Die Arsenikmetalle wie Arsenikeisen, Kupfernickel wer-
den schwieriger angegriffen.
Bei diesen Zersetzungen werden wieder Chlormetalle und
aulserdem ein flüssiges Produkt gebildet, welches Schwefel, Chlor.
und Phosphor enthält. Letzteres läfst sich bei der Zerlegung
des Bleiglanzes leicht isoliren; es ist eine gelbe ölige Flüssig-
keit von stechendem Geruche, schwerer als Wasser, von dem
vom 31. März 1859. 327
sie sehr langsam unter Abscheidung von Schwefel zersetzt wird.
Die Lösung enthält Salzsäure, Phosphorsäure und unterschwef-
lichte Säure. Salpetersäure zersetzt die Verbindung und schei-
det Schwefel aus, welcher aber noch etwas Chlor enthält, ein
Umstand der die Analyse sehr erschwert.
Der Verfasser zieht aus seinen Versuchen den Schlufs, dafs
diese Flüssigkeit zum grölsten Theile aus einer Verbindung be-
steht, welche dem Phosphoroxychlorid analog zusammengesetzt
ist. Ein solches hat zuerst Serullas durch Einwirkung von
Schwefelwasserstoff auf fünfach Chlorphosphor erhalten. Die
Abscheidung des überschüssigen Chlorphosphors ist noch nicht
vollständig geglückt.
Der bei der Zersetzung der Schwefelverbindungen stattfin-
dende Vorgang hat daher mit dem bei der Zersetzung der Oxyde gro-
fse Ähnlichkeit. Der mit den Metallen verbundene Schwefel tritt
nämlich wie der Sauerstoff der Oxyde an den Phosphor, während
das Metall mit einem Theile des Chlors vom Chlorphosphor sich
vereinigt. Aus der grolsen Verwandtschaft des Schwefels zum
Phosphor und des Chlors zu den Metallen ist der hier stattfin-
dende Prozels leicht erklärlich.
Der Verfasser hat ferner durch directe Vereinigung von
Chlorphosphor mit Schwefelphosphor eine Verbindung erhal-
ten, welche nach der damit vorgenommenen Untersuchung aus
PCI,S, besteht; also gleiche Zusammensetzung mit der von
Serullas hat, und durch welche die angeführte Zersetzung der
Schwefelmetalle ihre vollständige Bestätigung erhält. Wird näm-
lich eine entsprechende Menge von fünffach Schwefelphosphor,
| durch Zusammenschmelzen von Schwefel mit rothem Phosphor
erhalten, mit fünffach Chlorphosphor in einem Glasröhrchen ge-
‚linde erhitzt, die gebildete Flüssigkeit nach dem Erkalten- von
em nicht gelösten Schwefelphosphor und den ausgeschiedenen Kry-
stallen abgegossen und der Rückstand wieder erwärmt, so wird
derselbe fast vollständig in eine ölige Flüssigkeit verwandelt,
welche alle Eigenschaften der von Serullas beschriebenen Ver-
Bindung zeigt. Reines Chloraluminium wird von derselben
nicht geröthet, was die Abwesenheit von halb Chlorschwefel
erweist.
328 Gesammtsitzung
Leitet man die Dämpfe von fünffach Chlorphosphor über
erhitzten Schwefel, so wird eine Flüssigkeit erhalten „welche
Chloraluminium stark röthet und wahrscheinlich ein Gemenge
von halb Chlorschwefel mit der oben erwähnten Verbindung ist,
Durch Einwirkung von fünffach Chlorphosphor auf Selen-
blei hat der Verfasser neben Chlorblei eine röthliche Selen hal-
tige Flüssigkeit erhalten, welche mit Wasser unter Abscheidung
von Selen sich zersetzt. Die Lösung enthält neben andern Ver-
bindungen auch Selenwasserstoff. ;
Hr. Weber las über die Päli-Legende von der
Entstehung des Säkya- und Koliya-Geschlechtes.
Hr. V. Fausböll, der sich jetzt behufs Collationen für
seine so höchst wünschenswerthe Ausgabe der Jätaka in Lon-
don aufhält, sandte mir kürzlich das nachfolgende Stück aus
Buddhaghosa’s Commentar zum Suttanipäta (dem fünften Ab-
schnitt des Khuddanikäya), welches seines historisch-chronologi-
schen Inbaltes wegen von Interesse ist. Die Abschrift ist aus
einem Kopenhagener Codex (C), der mit ceylonesischer Schrift
geschrieben ist (nro. XIX des Catal.), gemacht, und dann mit
einem Londoner Codex (B) in der Bibliothek der asiatischen
Gesellschaft, der in birmanischer Schrift den Suttanipäta eben-'
falls nebst Commentar enthält, collationirt worden. Der erste
Theil der Legende, der von der Entstehung des Säkya-Ge-
schlechts handelt, ist bereits mehrfach bekannt, und zwar sowohl
nach den Berichten der südlichen, wie der nördlichen Buddhi-
sten: aus den Paö-Quellen nämlich durch Turnour, in seiner
Einleitung zum Mahävansa pag. XXXV. XXXVL, und in seiner
Abhandlung über den Dipavansa in J. As. Soc. Beng. Novem-
ber 1838 VII, 925, so wie durch Hardy im Manual of Buddhism
p- 126—133: und aus den tibetischen Quellen durch Csoma
Körösi im Journal of the As. Soc. of Bengal August 1833 I,
385 ff. (danach im Foe Koue Ki pag.214)und durch Schiefner tibet.
ki, vom 31. März 1859. 329
| Lebensbeschreibung des Buddha Gäkyamuni pag.2. Den zwei-
ten Theil, der von der Entstehung der Koliya handelt, kennen
‘wir aus Hardy Manual pag. 154—7: und den Schlufls, nämlich
den Streit zwischen den Sükya und Koliya aus ibid. pag. 307
und aus Fausböll’s Drammapadam pag. 351. Die Vergleichung
dieser zum Theil sehr schwülstigen Berichte mit dem so ein-
fachen, schlichten Originaltext, dem ich eine möglichst wörtliche
"Übersetzung anschlielse, ist höchst instruktiv.— Aus Fausböll’s
Briefe erlaube ich mir noch Folgendes mitzutheilen. Er schreibt
u. A.: „Ich habe leider hier nicht so viele Paäi-Bücher gefun-
‚den, wie ich gehofft hatte, und beklage namentlich, dals ich von '
dem Commentar zu denJätaka nurMahänäradakassapajätaka(56,7)
im British Museum und 2!" 5!" nipäta im East India House
funden habe. Meine Hoffnung steht nun nach Paris, wo sich
leicht ein vollständiges Exemplar davon findet, oder wenig-
s Stücke davon, da Burnouf’s Nachlassenschaft mehrere
Jätaka enthält. Sollte ich ihn auch da nicht vollständig. erhal-
ten, so mülste ich noch nach Ceylon und Siam gehen, da dieses
Werk mir von der ganzen Päli-Literatur das interessanteste er-
heint, wie es auch das umfangreichste ist. Es ist das Haupt-
erk der Seelenwanderungslehre, enthält Vielerlei von historisch-
Chronologischer Wichtigkeit, und ist von besonderer Bedeutung
die mittelalterliche und neuere Volksliteratur; auch
giebt es darin manche Stücke von hoher poetischer Schönheit. —
Suttanipäta, welches Werk in mehreren Hinsichten über dem
) Dhammapadam steht, hoffe ich nach den beiden Handschriften
" Teidlich genug herausgeben zu können. — Ich habe hier zuerst
" Turnour’s und Gogerly’s Abhandlungen gesehen, die in
openhagen nicht zu haben sind, Gogerly’s vielleicht über-
haupt nicht, aufser in London. Es wäre höchst wünschens-
U werth, sie separat herausgegeben zu sehen. Möchte doch Go-
rly (der noch in Ceylon lebt) sich zu einer Sammlung sei-
er verschiedenen Abhandlungen über Buddhismus entschlielsen,
nd zugleich die von Turnour damit verbinden. Diese bei-
en Männer sind durch ihre Kenmntnils des Päli in der That
höchst ausgezeichnet. — Mein Freund Trenckner in Kopen-
hagen ist jetzt mit einer Bearbeitung des Milindapanha beschäf-
r
330 Gesammtsitzung
tigt. Ich sende ihm in diesen Tagen eine Handschrift davon,
die Dr. Rost in Canterbury gehört, der die Güte hatte sie ihm
zur Collation zu überlassen. Die Sprachformen in diesem Werke
sind korrekter als in den meisten Päüi-Büchern; ich hoffe daher,
dafs die Ausgabe desselben dazu dienen wird, einige noch schwe-
bende Päli-Formen festzustellen.”
Aus der paramatthajotikä zum sammäparibbäjaniyasutta im suttani-
päta (II, 13).
Pa’hamakappikänarn kira ranio Mahäsammatassa Rojo näma
putto ahosi, Rojassa Fararojo näma, Vararojassa Kalyäno'), Ka-
lyänassa Yarakalyäno, Varakalyinassa Mandhätä, Mandhätussa
Varamandhätd, Varamandhätussa Upiake, Uposathassa Caro”),
Carassa Upacaro, Upacarassa Maghädevo’ ), Maghädevaparam-
parä*) caturäsitikhatliyasahassäni ahesum, tesam parato Zayo Ok-
käkavamsd’ ) ahesum. Tatiya-Okkäkassa parica mahesiyo ahesum:
Hattihä, Cittä, Jantu, Jälini®), Visäakhä ti, ekekissä parica panca
itthisatäni pariväräni; sabbajezhäya cattäro puttä: Okkämukho'),
Karakandu"), Hatthiniko”), Nipuro'°) ti, parica dhitaro: Piyä,
Suppiya''), Änandä, Yijua'”), Fiitasenä‘°) Ui; evam sä nava
putte labhitvä kälam akäsi. Atha räjä annam daharam abhirüpam
en änetvä döyrocheslfkäne Aapesh säpi ekam'*) put-
tam vijäyi, jätakumäram ' °) pancamadivase' °) alamkaritvä ranno
1) Codex C schreibt stets kallyäno mit zwei |. a:
Varo Varassa Upavaro Upavarassa. N B Magghädevo
*) B Magghädevassa paramparä. °) B hat auch im Folgen-
den Ukkäka. °) B Jälini, C Jälini, Turnour: Pälini. ”)B
Ukkämukho, Hardy: Ulkämukha. Turnour hat Okkäkamukho,
aber das Metrum zeigt, dafs man im Mahävamsa p. 9 Linie 3 zu
lesen hat: Okkämukbo. °) B und Turnour: Karakando, Hardy:
Kalanduka. °) C Hatthinukho, Turnour: Hatthineka, Hardy:
Hastanika. ‘°) C Sinipüro, Hardy: Purasunika oder Sirini-
Pers ‘") Sapiyä, Turnour. '?) Sanandä, Turnour.
'3) B Vijivitasenä. '%) B säpi Jantunäma ekam.
15) B jätam kumäram. '°) B panrcame divase.
vom 31. März 1859. 331
er räjä tuzzho mahesiyä') varam adäsi; sä nätakehi sad-
| dhim mantetvä puttassa rajjamn yäci, räjä nassavasali mama puttä-
| nam antaräyam icchasiti”) nädäsi; sä punappunam’) raho räjänam
paritosetvä na mahäräja musävädo vayzatiti ') Adini’) vatvä yäcatı
eva. Atha räjä putte ämantesi: aha tätä tumhäkarz kanizzham
' Jantukumäram disvä tassa mätu sahasä varam adäsi, sä puttassa”)
rajjam parinämetum’) icchati, tumhe mam’ accayena ägantyä
naja käreyyäthä ti afhahi amaccehi saddhizz uyyojesi. Te bha-
| ‚giniyo ädäya caturariginiyä senäya nagarä°) nikkhamizzsu. Ku-
| ‚märä pitu accayena ägantvä’) rajjarn käressanti, gacchäma ne'°)
| upazthahämä ti cintetvä bahü' '") manussä anubandhimsu' a). Pa-
dhamadivase yojanamattä senä ahosi, dutiye'?) dviyojanamattä
tatiye'‘) tiyojanamattä. Kumärä cintesum: mahä ayam bala-
käyo'?), sa ce'°) mayarn kanci sämantaräjänam akkamitvä'”) ja-
j napadam ganbissäma so’ ®) pi no na-ppahessati'”), kim paresam
Pifarm katvä laddharajjena, mahä Jambudipo, aranie nagaram”°)
mäpessämä’') ti Himavantäbhimukhä agamamsu””) tattha naga-
ramäpanokäsam” °) pariyesamänä. Himavati Kapilo näma gho-
atapo täpaso pafivasati” °) pokkharanzitire mahäsäkavanasande”°),
assa vasanokäram”°) gatä. So te disvä pucchitvä sabbam pa-
") B tassä mahesiyä *) B icchasiti, C icchäsiti ),B
punapunarz, C punappuna *) C vaddhatiti °) B ädini,
€ äditi °) B putta 7) B parinämetum °) C narigarä
)C accayenägantvä '%) Cno *') B bahu Ad
inubandhisu, C anubandhinsu '°) B dutiyadivase AB
tatiyadivase '?) B janakäyo, C balakäye '"°) sace (s.
set) schreibe ich wie no ce in zwei Worten: sa ist Affırmativ-
artikel, wohl wie in sakubbato Dhpd. v. 52. — (Dies sa ist das-
selbe, das wir in den Brähmana so oft finden: vgl. mein Väjas.
. spec. II, 90 und praef. p. 17. AW.) '7) B atikkamitvä
"®) B sabbam '?) B nappahemäti *°) C narigaram
") B mäpissämä ”?) B ägamamsu *°) C narigara
#9) € pativasati *°) C mahäsäkasande, B mahäsäkavanasondo
26) © vasanokäsa 7) anukammar °°) B bhümivajaya
[is59.] 23
332 Gesammtsitzung
näma vijjam jänäti yäya') asitihatthe äkäse ca hezrhä bhümiyan
ca”) gunadose passati. Ath’ ekasmim padese sükaramigä siha- |
vyagghädayo täsetvä’) paripätenti *), mandukamüsikä sap-
pehi samnä senti). So te disvä: ayam bhümippadeso pu-
thuviaggan°) ti tasmim padese assamam mäpesi. Tato so rä-
jakumäre äha: sa ce mama nämena nagaram') karotha demi
vo idam okäsan ti. Te tatbä pafijänimsu‘). Täpaso: imas-
min okäse zhatvä candälaputto pi cakkavaltirz balena atise-
titi”) vatvä assame ranio gharam mäpetvä nagaram'°) mäpethä
ti tam okäsam datvä sayam avidüre pabbatapäde assamam katvä
vasi. Tato kumärä tattha nagaram'°) mäpetvä Kapilassa vuttho-
käse'') katattä'”) Kupilavatthun ti nämam äropetvä'’) tattha
niväsarn kappesum. Atha amaccä: ime kumärä vayappattä yadi
nesam pitä'*) santike bhaveyya so ävähaviväharz käreyya'?) idäni
pana amhäkarn bhäro ti cintetvä kumärehi pi saddhiza mante-
sum'°). Kumärä: amhäkam sadisä khattiyadhitaro na passäma tä-
sam'’) pi bhagininarn tam'*) sadise khattiyakumäre jätisambhedar
ca na karomä ti te jätisambhedabhayena jerthabbaginim' ?) mä-
tutthäne zhapetvä avasesähi samväsamn kappesum. Tesam?°) pitä
tarn pavattimn sutvä Sakyä”') ti udänamn udänesi” "). Ayam täva
Sakyänazı uppatti.
Vuttam pi’) c’etam Bhagavatä: Atha kho Ambatthardjä
Okkäko amacce pärisajje” ) ämantesi: kahan?’) nu kho bho eta-
‘) B fügt nach yäya hinzu uddham *) B herhä ca
bhümiyari ca °) C näsetvä? *) B paripäzenti °)B
säpenti. Sollte man nicht lesen: sappe samtäsenti? °)B
pathavi, C puthuvi ?) C narigaram °) B pazijänisum
°) B cakkavattibalena atiseyyo ti '?) C narigaram 2)
vuttokäse '?) B kazaltä '?) C ärepetvä, B ursprüng-
lich ebenso, aber korrigirt in äropetvä. '?) So beide Mss.
'?) B kareyya '°) C sammannesum '7) B täsam
'%) So beide Mss. Ob: na? '?) C seizharn bhagini, B jeffhabhagini
°0) B tesam *') B Sakyä vata bho kumärä °”?) B fügt
hinzu: taduppäya te sabbe pi yäva Suddhodano Sakyä näma jätä
>) C vuttam cetam °*) C parisajje °°) B kaham
s
vr
h
s vom 31. März 1859. 333
rali kumärä sammantiti'). Atthi deva Himavantapasse’) pok-
kharaniyä tire mahäsäkasando ° ), tatth’ etarahi kumärä sam-
manti * ), te jätisambhedabhayä ° ) sakähi ° ) bhaginihi saddhim
sarıväsarn kappentiti. Atha kho Ambazrharäjä Okkäko ’ ) udä-
nam udänesi: Sakyä ° ) vata bho räjakumärä ° ), paramasakyä ° )
vata bho kumärä ti, tadaggena ca pana Ambatthasakyä ”) pan-
Aäyanti'°), so ca Sakyinam'') pubbapuriso ti.
- Tato nesarn jezthabhaginiyä kuz/harogo udapädi, kovizärapup-
phasadisäni gattäni ahesum. Räjakumärä: imäya saddhimm ekato
nisajjaf/hänabhojanädini karontänam'”) pi upari esa rogo' °) sam-
kamatiti cintetvä uyyänakizakam'*) gacchantä viya tam yäne äro-
petvä arannam pavisitvä'”) pokkharanim khanäpetvä tattha' °)
kbädaniyabhojaniyena'”) saddhim pakkhipitvä'°) upari paficchä-
detvä pamsum '”) datvä pakkamimsu”’). Tena ca samayena
Rämo näma räjä kuztharogi orodhehi ca näfakehi ca jiguechiya-
mäno tena sarnvegena jefthaputtassa rajjarm datvä arannam pavi-
sitvä tattha pannasäları katvä”') mülaphaläni paribhuijanto na
E. eva arogo’’) suvannavanno hutvä ito c’ ito ca vicaranto
mahantarz susirarukkharz disvä tass’ abbhantare apzabahatthap nnd.
En tam kofäpam(?)”*) sodhetvä dväran ca vätapänan””) ca
itvä nissenime”°) bandhitvä tattha väsarm kappesi. So arigära-
bb
o
I ') B sampantiti *) B Himavantapadesa °) B ma-
häsäkasendo *) B sampanti °) B jätisam® “JR
sakähi sakäbi 7) B ukkäko °) B Säkyä ?) B bho
kumäri '°) C pamnäyanti '') B Säkyinam AB
karontinam '?) päparogo ‘%) B uyyänakizam '’),B
avisetvä 1a Ken tattha 2 B °bhojanehi
“) B pakkhipetvä '?) B pamsu *°) B pakkamisum
) C hat an Statt von pannasälam katvä nur patta (panna?)
“) C ärogo: so oft in den Mss., und vielleicht ist es unrichtig,
esin arogo zu ändern, da es möglicher Weise Adjectiv zu dem
Substantiv arogo, — s. ärogya sein könnte. Oder ist das ä
etwa Folge des Accentes \ Be in änubhävo? ?3) Beide Mss.
n °ppamänam FR B kozhäsarm. S. unten ko/arukkha
“R) vätäyanan? (AW.) *°) B niseni, C nissenim
23*
334 Gesammtsitzung “
kafähe aggim katvä rattim vissaran ca!) sunanto sayati. So
asukasmirn padese siho saddam akäsi asukasmimm ca ” ) vyaggho '))
ti sallakkhetvä * ) pabhäte tatiha gantvä vighäsamamsarn ädäya
pacitvä khädati. Ath’ ekadivasam so paccüsasamaye aggim jä-
letvä ° ) nisidi, tena ca samayena tassä räjadhitäya gandham ghä-
yitvä vyaggho ° ) tam padesarn khanitvä padarattare ”) vivaramı
akäsi, tena vivarena vyaggharn disvä bhitä vissaram akäsi, so tar
saddamn sutvä itthisaddo ° ) eso ti ca sallakkhetvä päto va tattha
gantvä ko etthä °) ti äha, mätugämo sämiti, nikkhamähiti, na
nikkhamämiti, kirnkäranan ti, khattiyakaninä ahan ti, evam sobbhe
nikhätäpı mänam eva karoti, so sabbam pucchitvä: aham pi khat-
tiyo ti'°) jätirm äcikkhitvä'")ehi'*) däni khire pakkhittasappi viya
jäto ' 2) tı äha, sä: kutrharogini- mhi' +) sämi na'°) sakkä nikkha-
mitun ti äha, so katakammo däni aham sakkä tikiechitun ti nisse-
nim'°)datvä taz uddharitvä attano vasanazthänam' ”)netvä sayam-
paribhuttabhesajjäni eva'°) datvä na cirass’ eva arogam'?) su-
vannavannam akäsi, täya ca’°) saddhim samväsam kappesi, sä
pathamasamväsen’”') eva gabbham ganhitvä dve putte vijäyi,
puna pi dve ti””), evam soZasakkhattum vijäyi, evan”’) te dvat-
timsa”*) bhätaro ahesum, te anupubbena vuddhippatte”°) pitä
sabbasippäni sikkhäpesi. Ath’ ekadivasam eko Rämarannio naga-
raväsi” °) pabbate” ’) ratanäni gavesanto tam”®) padesam ägato
räjänam disvä annäsı, Jänäm’ aham deva tumhe ti cäha, kuto
tvam ägato sili etena puftho nagarato” °) deyä ti äha, tato nam
') B visaran ca *) C läßst ca aus. °) B byaggho
®) B sallakkhitvä °) B aggi jalitvä °) B byaggho
”) € padaratthare. Ich vermuthe, dafs wir lesen müssen: pa-
darantare. ®) € icchisaddo °) B eso "2, C lälst
ti aus. '') € äcikkhi '?) Beti "9, C jätan
‘?) B kuttharogimhi '?) B na sämi '°) B niseni, C
nisseni 17) C vasanazthäna, B vasanokäsam '°) C evam
'?) Beide Mss. ärogam *°) B läfst ca aus. *') B pa-
thama°, G pazama° °?) B pi °’) B evam EL
dvattisa, C dvattizn °°) B yuddhipatte *°) C narigara
7) B pappate, C sabbate °°) B tam pi 29) C mar
garalo
E
*
vom 31. März 1859. 335
‚räjä sabbam pavattim pucchi. Evam tesu samullapiyamänesu ' )
te därakä ägamimsu °). So te disvä ime ke devä ti pucchi,
puttä me bhane ti, imehi däni deva dvattimzsakumärehi parivuto
vane kim karissasi ehi rajjam samanusäsä ti, alam bhane idh’ eva
'sukban ti. So: laddham däni me kathäpäbhatan ° ) ti naga-
ram ‘ ) gantvä rannio puttassa ärocesi ° ), ranno putto pitararn
"änessämiti ° ) caturariginiyä senäya tatiha gantvä nänappakärebi
‚pitaram yäci. So pi: alan ”) täta kumära idh’ eva sukhan ti
ma°) iechi. Tato räjaputto: na däni räjä ägantum iechati
hand’ assa idh’ eva nagararn ” ) mäpessämiti'?) cintetvä tam ko-
Zarukkharı uddharitvä sararı katvä'') nagaram °) mäpetvä ko7a-
-rukkharr apanetvä katattä' ?) Kotlanagaran ve) ti ca vyaggha-
‚pathe' °) katattä Fyagghapajjan'’) ti cä ti dve nämäni äropetvä
agamäsi. Tato vayappatte knmäre mätä änäpesi'*): tätä tum-
(häkazı Kapilavatthuväsino Sakyä mätnlä'”) honti dhitaro nesam
'garhathä ti. Te yam divasam khattiyakannäyo er, ga-
-echanti tam divasam gantvä naditittham PATER °) nämäni
‚sävetvä pauhira! ”) räjadhitaro gahetvä agamamsu'°). Sakyarä-
jäno' ?) tam”°) sutvä: hotu bhane amhäkam nätakä evä”') ti
Aunhi??) ahesurz. Ayam Koziyänarn uppatti.
Evam tesam Säkiya-Koliyänam annamannam ävähaviväham
' karontänam ägato vamso yäva Sihahanuräjä””) täva vitihärato
ra Sihahanurarino pana panca puttä ahesum: Suddho-
‚dano Amitodano”*) Dhotodano Sukkodano”°) Sukkhodano” °) ti.
s
=") € samulläpanesu *) C agamimsu °) B kathä-
‚pätatan *) C nangaram °) C ärocetvä °) B äney-
iti ”) B alam ®) B neva °) € narigaram
°) C mäpemiti '') B läßst saram katvä aus. '?) B
tattä ME byaggha° '*) C änäpesi 1°y"B
kyamätuyä "°) B uparuddhityä 7) B wiederholt pat-
thitä "°) B ägamamsu '?) B Säkyao *°) € läfst
tan aus. *') B ete *?) B tunbi *?) So beide
Mss. ?*) B amittodano ?°) C Sukko *°) B Suk-
kodano: Sp. Hardy Manual p. 134 hat Ghatitodano, vergl. Tur-
mour im Mahävansa Cap. 2. p. 9. (Der Text daselbst sagt,
es seien 5 Söhne, nennt aber nur vier.)
336 Gesammtsitzung
Tesu Suddhodane rajjarn kärayamänesu tassa pajäpatiyä ' ) Mahä-
mäyädeviyä kucchimhi püritapärami * ) mahäpuriso. Jätakanidäne
vuitanayena Tusitapurä cavitvä pafisandhim gahetvä anupubbena.
katamahäbhinikkhamano °) sammäsambodhirr *) abhisambujjhitvä
pavattavaradhammacakko ’) yathänukkamam °) Kapilavatthum.
gantvä Suddhodanamahäräjädayo ariyaphale patif/häpetvä’) jana-
padacärikarn pakkamitvä puna pi aparena samayena paccägantvä
pannarasahi bhikkhusatehi saddhim Kapilavatthusmim°) viharati
Nigrodhäräme. Tattha viharante ca Bhagavati Säkiya-Kofiyänam
udakan paficca kalaho ahosi, katham: tesam”) kira ubhinnam'°)
pi Kapilapura-Ko/iyapuränam antare'') Rohini' *) näma nadi pa-
vattati, sä kadäcı appodakä'°) hoti kadäci mahodakä'*), appoda-
kakäle'’) seturn katvä Säkiyäpi Koziyäpi attano attano sassapäya-
nattharı udakam änenti, tesarı manussä ekadivasam setum ka-
rontä'°) annamannam bhandantä'’): are tumhäkam räjakulam |
bhaginihi saddhim samväsarı kappesi kukkuzasonasigäläditiracchänä
viya, tumhäkarz räjakulanz susirarukkhe väsam kappesi pisäcil-,
likä'°) viyä ti, evarn jätivädena khumnsetvä attano attano räjünamz
ärocesum, te kuddhä yuddhasajjä hutvä Rohininaditiram'”) sam-
pattä, evan tam sägarasadisarn balam?°) azthäsi. Atha Bhagavä:
rätakä kalaham karonti handa ne väremiti äkäsenägantvä’') dvin-
nam senänam majjhe affhäsi””), tam pi”) ävajjitvä”*) Sävat-
thito’?) ägato ti eke, fhatvä”°
tam sutvä sabbe samvegappattä ävudhäni chadgeıvä”') Bhaga-
) pana Attadandasuttam abhäsi,
‘) B fügt hinzu Anjanaranio dhitäya ?) C mi
°) B Onikkhamanena *) B sammäsambodhi °) B pa-
vattitaO TR yathänukkamena Ey patizhapetvä
®) B °vatthumhi °) B nesam '‘°%,B ubhinnam
"') B samanantare '?) B Rohini '?) C appodikä
1%) C madikä '?) C appodika® '6) B karonto, C
karontamn '7) B annamannam wudakam ganhantä are
"?) B pisäcizikä '?) B Rohininaditiram ”°) B evam
vihargasadisam balam *') B äkäsena gantvä > B
dvinnar senämajjhe äkäse azhäsi *°) GC lälst tam pi aus,
**) B ävajjetvä °°) B ävathito kira *°) B zhatvä ca
> B chatetyä
vom 31. März 1859. 337
vantarı namassamänä a//hamsu mahagghan ca äsanam panniape-
sum, Bhagavä oruyha pannaltäsane nisiditvä kuzhärihattho ' ) pu-
riso ti ädikarn Phandanajätakarı vandämı tar kunjarä ti ädıkam
Lazukikajätakarn
sammodamänä gacchanti jälam ädäya pakkhino
yadä te vivadissanti ° ) tadä ehinti me vasanı ti
imam Vaftakajätakari ca kathetvä puna tesam cirakälappavattamm
Aätibhävarı dassento imam mahävamsam kathesi. Te pubbe pi
kira mayam nätakä evä ti ativiya 3.) pasidimsu.
„Von den dem ersten kalpa angehörigen (Königen) hatte
König Mahäsammata einen Sohn Namens Aoja: dessen Sohn
war Fararoja: dessen Sohn Kalyäna: dessen Sohn Yarakalyäna:
dessen Sohn Mandhäta(r): dessen Sohn Yaramandhäta(r): des-
sen Sohn Uposatha‘): dessen Sohn Cara: dessen Sohn Upa-
cara: dessen Sohn’) Moghädeva. Des Maghädeva Nachkom-
menschaft waren 84,000 Fürsten. Darunter waren im Verlauf
drei Okkäka-°)Stämme. Der dritte Okkäka’) hatte fünf Frauen
Hatthä, Cittä, Jantu, Jälini, Vicäkhä, und jede derselben 500
Frauen als Zofen. Die älteste Gemahlin hatte vier Söhne Ok-
kämukha, Karakandu, Hatthinika, Nipura, und fünf Töchter
Piyä, Suppiyä, Änandä, Vijitä, Pijitasenä: nachdem sie diese
‘) B kudhäri® *) B vicarissanti °) C ativa
%) Uposatha fehlt im Mahävansa Cap. 2. — Die Angaben aus
dem Dipavansa bei Turnour J. As. Soc. Beng. 1838 p. 925 dif-
feriren hievon, indem auf Varakalyäna daselbst Uposatha, dann
Mandhäta, darauf Cara, Upacara folgen. Wieder anders bei
Hardy p. 126. °) Im Mahävansa 1. c. stehen zwischen
Upacara und Makhädeva (so daselbst) noch mehrere andere Na-
men. Ebenso im Dipavansa bei Turnour a. a. O. p. 926 und
bei Hardy p 128. 129. °) Aus Ixväku, mit Wechsel von
1 in u (vgl. usu für ishu, ebenso im Zend, Mithra-Yesht $ 24):
und von u in o (vgl. Okkämukha)? oder besser wohl aus Aix--
väka. — Der Mahävansa weils nichts von drei Okkäkastämmen:
‚5. indels Hardy p. 130 und Csoma Körösi a. a. O. ”) Am-
bartharäjan mit Namen, s. im Verlauf. Hardy hat blos Amba.
338 Gesammtsitzung
neun Kinder erhalten hatte, starb sie. Da führte der König,
eine andere feine‘), schöne Königstochter heim und machte sie
zu seiner ersten Gemahlin. Auch sie gebar ihm einen Sohn.
Am fünften Tage zeigte man dem Könige den neugebornen Kna-
ben geschmückt. Der König erfreut gab seiner Gemahlin eine
Wahlgabe. Nachdem sie sich mit ihren Verwandten berathen
hatte, erbat sie für ihren Sohn die Herrschaft. Der König aber
gewährte ihr dies nicht, sagend: „du böses Weib’), wün-
schest meiner Söhne Verderben ’)!” Sie aber ging wie-
derholentlich im Geheimen, den König umschmeichelnd, mit
ihren Bitten vor, indem sie sagte: „ein grolser König darf. sei-
nem Wort nicht untreu werden” u. dgl. Da rief der König
seine Söhne zusammen: „Kinder! ich habe, als ich den jüng-
sten von Euch, den Knaben Jantu, sah, seiner Mutter übereilt
eine Wahlgabe gegeben: sie wünscht das Reich ihrem Sohn
übertragen zu sehen. Ihr mögt denn nach meinem Tode zu-
rückkehrend die Herrschaft antreten.” Damit verstiels er sie,
ihnen acht seiner Räthe beigebend. Sie aber verlielsen, ihre
Schwestern mit sich nehmend, in Begleitung eines viergliedri-
gen Heeres die Stadt‘). Viele Leute schlossen sich ihnen an,
') dahara, klein, zart, fein. *) nassavasali = nagya:
vrishali. Turnour: thou outcast! Hardy: lowcast woman.
°) antaräyam könnte auch blos Ausschlielsung bedeuten. *) Un-
ser Text nennt den Namen dieser Stadt nicht. Nach Turnour
a.a. O. p. 925 (the Okkäka-family quitting Bäränasi founded
Kapilavatthu) und Hardy p. 131 ist es Benares. Der Dipavansa
selbst indels führt bei Turnour a. a. O. p. 927 Okkäka, Okkäka-
mukha, Nipura als 16ten 17ten 18ten König in einer Reihe von.
Fürsten auf, die sämmtlich bereits in Kapilavatthu residirten,
während die ihnen vorhergehende Linie in Benares herrschte. -
— Die Tibetischen Quellen nennen (s. Csoma Körösi a. a. O.)
als den Ausgangspunkt des Cäkya-Geschlechtes ,Potala (Gru
-hdsin, the harbour) the ancient Potala or the modern Tatta at
the mouth of the Indus.” Über den wahrscheinlichen Grund der
Wahl dieses Ortes s. das von mir in den Akad. Vorles. über ind.Lit.
Gesch. p. 249 not. Bemerkte. — Der Name Ambazztharäjan übri-
vom 31. März 1859. 339
indem sie sich überlegten: „nach des Vaters Tode werden die
Prinzen zurückkehrend die Herrschaft antreten: lalst uns gehen,
uns ihnen‘) anzuschliefsen.” Am ersten Tage war das Heer
ein yojanam grols’), am zweiten Tage zwei, am dritten drei.
Die Prinzen hielten Rath: „‚dieser Heereskörper ist grols.
Wenn wir irgend einen Nachbar-König überfallend sein Reich
nehmen wollen, wird er uns nicht zurückschlagen (können),
Was soll uns aber ein Reich erlangt durch Beeinträchtigung
8
Anderer? der Jambudoipa ist grols: lalst uns im Walde eine
Stadt erbauen.” So zogen sie denn nach dem Himavant zu,
“
daselbst einen Platz zur Errichtung einer Stadt suchend. Am
Himavant wohnte ein Bülser von gewaltiger Bulskraft, Namens
Kapila, am Ufer eines Seees, das von einem Walde grofser
Säka-Bäume umringt war’). Zu dessen Wohnort kamen sie.
Sie erblickend frug er wer sie seien, und nachdem er ihre ganze
Geschichte gehört, fühlte erMitleid mit ihnen. Er hatte die Kunst
ne, welche drummajäla heilst'), vermöge deren er auf 80 Hand
1 Weite oben in derLuft und unten in der Erde Vorzüge und Mängel
erschaute. So war da ein Platz gewesen, auf welchem dieSchweine
und die Rehe Löwen, Tiger u. dgl. in Schrecken zu setzen
und in die Flucht zu schlagen pflegten; ebenso machten es da-
selbst die Frösche und Mäuse mit den Schlangen. Als er diese
(dies thun) gesehn, hatte er in der Überzeugung: „dieser Land-
fleck hier ist die Spitze der Erde,” daselbst seine Einsiedelei
ingelegt. Er sprach nun zu den Prinzen: „wenn ihr die Stadt
nach mir nennen wollt, so gebe ich Euch diesen Platz.” Sie
versprachen es ihm. Der Bülser fügte darauf hinzu: „auf die-
gens führt auf die (damals vielleicht noch nördlicher sitzen-
den ?) ’Außarraı an der Tapti jenseits des Vindhya (oder
A . .
ne — enän. *) „this multitude marched
One yojana only” Turnour. „‚the retinue of the princes extended
Bi . A 7
sixteen miles” Hardy. °) sanda — sändra. >) bhomi-
em auf die Luft bezüglichen indrajäla, die die Erde wie ein Netz
fassenden Zauberkünste ?
340 Gesammtsitzung
sem Platze sich befindend würde sogar ein Candäla-Sohn einem
(Cakravartin) WVeltherrscher an Kraft überlegen sein‘). Baut
zuerst des Königs Haus in der Einsiedelei, danach die andere
Stadt”: darauf räumte er ihnen den Platz ein, und machte sich
selbst nicht weit davon am Fufse des Berges eine Einsiedelei,
wo er wohnte. Die Prinzen bauten darauf daselbst die Stadt,
gaben ihr, weil sie auf dem von Kapila ihnen genannten Platze
ihr Ziel erreicht hatten’), den Namen Kapilavatthu und schlu-
gen darin ihren Wohnsitz auf. Es überlegten nun die (mitge-
gebenen) Räthe: „diese Prinzen sind in das Jünglingsalter ein-
getreten. Wenn ihr Vater in der Nähe wäre, würde er ihr
Heimführen und ihre Hochzeit besorgen. Jetzt aber ist das
unsere Sorge”: sie sprachen darauf hievon mit den Prinzen,
Die Prinzen waren der Ansicht: „wir sehen nicht unser wür-
dige Fürstentöchter, noch für unsere Schwestern deren würdige
Fürstensöhne. Geschlechtserniedrigung’) aber gehen wir nicht
ein.” Aus Furcht somit vor Erniedrigung ihres Geschlechtes
setzten sie die älteste Schwester als ihre Mutter ein, und wohn-
ten den übrigen Schwestern bei. Als ihr Vater von diesem
ihrem Vorgehen hörte sprach er (erfreut) den Spruch: „Fähig
(sakyä) fürwahr sind meine Prinzen.” Dies ist die Entstehung
der Sakya (des Cäkya- Geschlechtes). Von da ab sind bis zu
Suddhodana Alle Sakya genannt worden*).”
Auch Folgendes erzäblte Bhagavant’):
Ambattharäjan, der Okkäka, frug einst seine beisitzenden
Räthe: „wie mögen wohl jetzt die Prinzen sich befinden °)!”
Sie antworteten: „es ist, o Herr, an der Seite des Himavant
am Ufer eines Sees ein Wald von grolsen Süka-Bäumen’); dort
!) atiseti — atigete vgl. atigaya, atigäyana etc. ?) ka-
tattä, wohl kritärthär? der Ausfall der Aspiration ist indels auf-
fällig. °) sambheda im Sinne von sarnkara. *) Soweit Turnour
Mahäv. praef. p. XXXVI. °) Es folgt ein anderer kurzer Be-
richt des Bisherigen. °) cgrämyanti eig. „zu leiden haben”,
ein Ausdruck des Mitleids von Seiten des reuigen Vaters. ’) da
auch hier wieder die Säka(Cäka)-Bäume (Tectona grandis) ge-
vom 31. März 1859. 34al
befinden sich jetzt die Prinzen: aus Furcht vor Erniedrigung
des Geschlechtes wohnen sie ihren eignen Schwestern bei.” Da
sprach Ambattharäjan, der Okkäka, den Spruch: „Fähig für-
wahr sind die Prinzen!” Seitdem sind sie als die Ambattha-
sakya (fähigen Ambattha) bekannt, und dies ist der Ursprung (?)
der Sakya.
Da traf sich’s, dafs ihre älteste Schwester am Aussatz er-
krankte: ihre Glieder glichen den Blumen des kovidära - Bau-
mes'). Die Prinzen überlegten sich: „Wenn wir mit Dieser
zusammen an einem Orte Lager, Aufenthalt, Essen u. s. w. thei-
len, so wird diese böse Krankheit auch auf uns übergehen.”
Sie hoben sie daher auf den Wagen, als ob sie zu einem Spiel
im Freien zögen, und als sie in den Wald gekommen, gruben
sie eine grofse Höhlung”), thaten sie, mit Nahrung und Speise
verseben, hinein, deckten die Grube oben zu, indem sie Erde
‚darauf häuften, und gingen davon. Zu derselben Zeit war auch
ein König’) Namens Räma vom Aussatz befallen worden, der,
da seine Frauen und Verwandten sich vor ihm scheuten, im
Kummer darüber seinem ältesten Sohn das Reich überliefs, und
in den Wald zog. Er baute sich da eine Hütte von Laub,
_ mährte sich von Wurzeln und Früchten und ward dadurch in
"Kurzem wieder gesund und von klarer Farbe‘) Im Walde
"hin und her streifend sah er einen grofsen hohlen Baum’): er
reinigte die sechszehn Hand grofse Höhlung°) im Innern des-
selben, machte eine Thür und ein Luftloch (Fenster) hinein,
nannt werden, liegt die Vermuthung nahe, dafs der Ursprung
des Namens Sakya (Gäkya) mit ihnen in Verbindung -stehe.
*) Nach Wilson ist kovidära eine Art Ebenholz, Bauhinia va-
riegata: „her whole body became white like the flower of the
_ mountain ebony” Hardy. °) eig. einen Lotusteich! °) „king
‚of Benares” Hardy, was aber nicht zu der früheren Angabe (auf
‚p-131) palst, wonach König Amba in Benares herrschte. *) suvar-
navarnah, von goldener Farbe „pure as a statue of gold” Hardy.
?) susira, sushira. °) Statt kofäpam und kofhäsam vermuthe
ich ko/aram.
342 Gesammtsitzung
band eine Leiter an, und schlug darin seine Wohnung auf. In y
einer Kohlenpfanne machte er sich Feuer und lag in der Nacht
nach den Tönen (der Tbiere) lauschend da. „An dem') Platze h
hat ein Löwe gebrüllt, an dem‘) ein Tiger” das sich merkend
ging er am Morgen dahin, nahm das (von diesen) beim Frals
übriggelassene Fleisch an sich, kochte es und nährte sich damit.
So sals er eines Tages gegen Morgen da, nachdem er sein
Feuer angezündet hatte. Da geschah es, dals ein Tiger die
Witterung der Königstochter bekam, und den Platz aufgrabend
ein Loch in ihre Höhle machte. Als sie den Tiger durch das
Loch erblickte, stiels sie erschreckt ein Geschrei aus. Der
Prinz hörte die Stimme und da er sie als die Stimme eines
Weibes erkannte, ging er am Morgen dahin. „Wer ist hier?”
sprach er. „Ich bin ein Weib”), Herr!” „So komm heraus.”
„Nein, ich komme nicht.” ,„Warum?” „Ich bin ein Fürsten-
kind.” So, obwohl in einer Höhle’) vergraben, wahrte sie doch
ihren Stolz. Da frug er sie nach Allem, sagte ihr dann: „auch
ich bin ein Fürst,” nannte ihr sein Geschlecht und sprach:
„komm nur! ich bin geworden, wie die Butter (sarpis), die auf
der Milch schwimmt‘).” Da sagte sie: „ich bin krank am Aus-
satz, Herr! ich kann nicht herauskommen.” Erfreut’) antwor-
tete er nun: „ich bin im Stande, dich zu heilen°),” reichte ihr
die Leiter, zog sie heraus, führte sie nach semer Wohnung, gab
ihr die Heilkräuter, die er selbst gegessen hatte, machte sie in
Kurzem gesund und von klarer Farbe, und wohnte ihr dann
bei. Von der ersten Beiwohnung ward sie schwanger und
gebar ihm zwei Söhne, ebenso das zweite Mal, und so sechszehn
‘) asukasmim, von asuka, einer Weiterbildung vom Nomin.
asu (asau). ) mätugäma, eig. Mutterschaar, dann entspre-
chend dem antahpura, Frauenzimmer, Yvvaırzcıov auch für ein
einzelnes Weib gebraucht. °) sobbhe, cvabhre. *)d.i.
so leicht, so leichten Muthes, so froh. „our meeting together
is like that of the waters of the rain and the river” Hardy.
°) So ist katakammo wohl zu fassen. °) sakko zu lesen?
tikicch für cikicech, eine höchst interessante Form.
4
vom 31. März 1859. 343
Male. So waren es denn zweiunddreilsig Brüder, die der Vater
der Reihe nach wie sie verständig wurden, in allen Fertigkeiten
unterrichtete. Eines Tages kam ein Bewohner der Stadt des
Königs Räma, der auf dem Berge Edelsteine suchte, nach jenem
Orte, sah den König, erkannte ihn und sprach: „ich erkenne
dich, hoher Herr')!” ,„Woher kommst du?” von ihm befragt,
antwortete er „aus der Stadt, hoher Herr!” Da frug ihn der
König, wie Alles stünde. Während sie so zusammen sprachen,
kamen die Knaben’) herzu. Sie sehend frug Jener „wer sind
diese?” „Meine Söhne, Freund ’)!” ,O hoher Herr! was
willst du, umgeben von diesen 32 Prinzen, im Walde machen!
komm doch! und verwalte dein Reich!” „Genug damit, Freund!
Hier allein ist mir wohl.” Jener aber: „jetzt habe ich ein wah-
res Geschenk’) von einer Nachricht gewonnen” also denkend,
ging in die Stadt zurück und enthüllte (berichtete) dem Sohne
‚des Königs. Dieser machte sich mit einem viergliedrigen Heere
auf dorthin, um seinen Vater zurückzuführen, und bestürmte
denselben auf alle Weise mit seinen Bitten. Der Vater aber:
„genug mein lieber Sohn! Hier allein ist mir wohl” also spre-
chend willigte nicht ein. Da dachte der Königssohn: „der Kö-
nig will nun einmal nicht zurückkehren. Wohlan’), so will
ich ihm hier eine Stadt bauen.” So liefs er denn den kola-
Baum °) herausnehmen, einen Teich graben und eine Stadt
bauen, gab derselben die beiden Namen Kofanagara und Fyag-
} ') deva, eig. „Gott!” die höfische Anrede für den König.
?) däraka Kind, und dära (däris) Frau gehen wohl auf V dar
„spalten” zurück, in dem Sinne, den dies Verbum sonst nur in
_ Verbindung mit Praeposition ä hat: „sich abarbeiten, mühen,
‚sorgen, bekümmern um etwas”: bedeuten also eigentlich wohl
as Sorge, Mühe macht, Pflege braucht”, ähnlich also wie
b äryä, bhritya. *) bhane Voc. von bhani „der Einem zu-
spricht, Freund”? oder wie? *) präbhrita a present, an of-
ferin to a deity or sovereign, Wilson. °) handa, ge-
5 5 58
‚schwächt aus hanta, eigentlich Schlachtruf, resp. plur. Imper.
„schlagt todt,” dann überhaupt Ausruf der Freude, Ermunterung.
M) the kolom tree, Nauclea cordifolia, Hardy.
344 Gesammtsitzung
ghapajja, weil sie durch Hinwegräumung des Xo?a-Baumes und
dem Pfade des Tigers folgend ihr Ziel erreicht hatten, und zog
heim. — Als darauf die Prinzen das Jünglingsalter erreicht hat-
ten, sprach zu ihnen die Mutter: „Kinder! die in Kapilavatthu
wohnenden Sakya sind eure mütterlichen Oheime! Suchet ihre
Töchter zu erhalten.” So machten sie sich denn eines Tages,
als die jungen Fürstinnen zum Spiel nach dem Flusse gingen,
auf, bemächtigten sich des Flufsufers, riefen ihre Namen aus,
traten vor, nahmen die Königstöchter und zogen mit ihnen
heim. Die Sakya-Könige, als sie es hörten, dachten: „lalst es
sein! wohlan'): es sind ja unsere Verwandten,” und waren still.
Dies ist die Entstehung der Koliya. —
Von den in dieser Weise gegenseitig Heimführung und
Hochzeit übenden Säkiya und Koliya pflanzte sich das Ge-
schlecht bis auf Sihahanu fort, wie (anderswo) ausführlich zu ler-
nen ist. König Sihahanu aber hatie fünf Söhne: Suddhodana,
Amitodana, Dhotodana, Sukkodana, Sukkhodana. Dieselben
liefsen die Herrschaft bei Suddhodana. Der Schools von des-
sen erster Gemahlin Mahämäyädeei, Tochter des Königs Anjana,
ist es, in welchen der vollendete hohe Mann”), in der im Jätaka-
nidäna beschriebenen Weise aus der Stadt der Tushita - Götter
herabkommend ’), sich eiuliefs; ordnungsgemäls ihn verlassen
habend, erreichte er die volle Erkenntnils, setzte das Rad des
guten Gesetzes in Bewegung, kam als es die Reihe war nach
Kapilavatthu zurück, setzte den grolsen König Suddhodana etc.
in die Frucht der Edlen ein, zog wieder aus um in den Ländern
umherzuwandeln, kehrte zu einer andern Zeit wieder zurück und
wohnte mit 1500 dhikkhu in Kapilavatthu im Nigrodha-Haine.
Als nun damals der Bhagavant daselbst sich aufhielt*), entstand
zwischen den Säkiya und Koliya ein Streit über Wasser. Wie
geschah das? Zwischen den beiden Städten Kapilapura uud
Koliyapura nämlich ist ein Fluls Namens Rokini”): der hat
') bhane, wörtlich: „o Freund”? ”) Buddha nämlich.
°) cavitvä, Veyu, gcu. *) s. Dhammapada p. 351.
Hardy Manual p. 307. °) Hardy I. c.: the Rohini is said
by Klaproth to come from the mountains of Nepaul, and after
uniting with the Mahänada, to fall into tbeRapty, near Goruckpur.
‘
vom 31. März 1859. 345
manchmal wenig Wasser, manchmal viel. Wenn wenig Was-
ser ist, pflegen die Säkiya wie die Koliya sich das Wasser zur
Berieselung ihrer Felder durch Anlegung von Kanal-Rinnen zu
verschaffen. Eines Tages, als ihre Leute dabei beschäftigt wa-
ren, und einander das Wasser wegnahmen'), schimpften sie sich
mit ihrer Herkunft: „Euer Königshaus hat den eigenen Schwe-
stern beigewohnt, wie Hunde, Schweine”), Schakale u. dgl. Ge-
thier”: „Euer Königshaus hat in einem hohlen Baume gewohnt,
wie die Fledermäuse’),” und meldeten es dann ihren Königen.
Erzürnt rüsteten') sie sich zum Kampfe, und zogen nach dem
Ufer der Rohini. Ihr Heer war einem Vogelschwarme gleich’).
Da kam Bhagavant: „meine Verwandten streiten sich: wohlan
ich will sie davon zurückhalten” also denkend, durch die Luft
herbei, stellte sich zwischen die beiden Heere — Einige sagen,
er kam von Süvazthi, weil man ihn holen liels°) — und recitirte
(so,inderLuft)stehend das Aztadandasutta (von denen, welche den
Stock heben, Sutzanipäta 4,15). Dieses gehört habend, warfen Alle
von Bewegung ergriffen ihre Waffen nieder’), verneigten sich
dem Bhagavant, und lielsen ihm einen kostbaren Sitz zurecht
machen. Bhagavant stieg herab, nahm auf dem dargebotenen Sitze
j Platz, recitirte das Phandanajätaka (48,2) welches beginnt „ein
- Mann, der eine Axt in der Hand hat,” sodann das Zatukikajätaka
(36, 7), welches beginnt: „ich preise den, o Elephanten!” und
das Yattakajätaka (40, 9):
„wenn einig, fliegen freudevoll mit dem Netze die Vögel fort:
wenn aber sie uneins werden, dann kommen sie in meine
Macht°).”
') oder nach C. „und sich einander aufzogen” (s. V bhag).
?) sona? „like pigs and dogs.” Hardy. ?) pigäcillikä? „like
bats” Hardy. *) sajjä, eigentlich sajyä, deren Bogensehne ge-
‚spannt ist. °) oder nach C: einem Meere. °) ävaj-
jitvä ist wohl Gerundium Passivi (des Causativs ?) von V vraj, mitä.
vw) chaddetvä, V chard vomere. °) Dieser Vers, somit das
betreffende Jätaka, basirt offenbar auf derselben Geschichte, die
wir im zweiten Buche des Pancatantra (wie im Eingange des
Hitopadega) vorfinden: vgl. ibid. v. 10 und Hitop. I. v. 37, wel-
che beiden Verse zusammen ein getreues Abbild unsers Verses
346 Gesammtsitzung vom 31. März 1859.
Darauf setzte er ihnen ihre aus alter Zeit stammende Verwandt-
schaft auseinander, und erzählte ihnen ihren hohen Stammbaum.
Sie aber: „von Alters her sind wir Verwandte” also erkennend
nun überaus friedlich wurden”. — - .
Hr. Braun legte alsdann vor: Florae Columbiae ter-
rarumque adjacentium specimina selecta, edidit Her-
mannus Karsten, fasciculus I, Berolini apud Dümmlerum 1858
mit begleitenden Bemerkungen über das Werk im Allgemeinen
und die in demselben dargestellten neuen Pflanzenarten im Ein-
zelnen.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur-
den vorgelegt: ”
Revue archeologiqgue. 15 m® annee. Livr. 12. Paris 1859. 8.
Proceedings of the Royal Geographical Society of London. London
1859. 8. .
Mulder, Scheikundige Verhandelingen. Deelll, Stuk 1. Rotterdam
1858. 8.
Nicolucci, Delle razze umane saggio etnologieo. Vol. 1.2. Napoli
1858. 8.
v. Kokscharow, Materialien zur Mineralogie Rufslands. 3. Band.
Petersburg 1858. 8.
Robert Schmidt, Theoretisch-praktischer Lehrgang der A.xonometrie.
Leipzig 1859. 8. mit Atlas in folio. Mit Schreiben des Hrn. Ver-
fassers, d. d. Berlin 24. März 1859. J
hier geben. Es erhalten hierdurch Fausböll’s Worte (s. oben
p- 329) über die Bedeutung der Jätaka für die mittelalterliche
und neuere Volksliteratur gleich einen praktischen Beleg, wobei
ich im Übrigen auf das schon im dritten Bande der Indischen
Studien p. 356—61 von mir darüber Bemerkte verweisen kann,
—NIENS—
Bericht
über die
| zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
\ im Monat April 1859.
b
E Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg.
A —
7. April. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Ewald las über die jurassischen Bildungen der
Provinz Sachsen.
u In einer früheren Mittheilung wurden die untersten
\ Lia
s-Bildungen des zwischen Magdeburg und dem Harz ge-
enen Theils der Provinz Sachsen besprochen. In Vergleich
it diesen, die ausgedehnte Gebirgsmassen zusammensetzen,
treten alle übrigen jurassischen Gesteine des genann-
ten Landstrichs, welche den Gegenstand der folgenden Erör-
/ terungen bilden, nur untergeordnet auf. Indessen sind auch sie
sorgfältig zu beachten, wenn es sich um den Bau und die
Entstehungsweise des östlichsten Theils der subhercynischen Hü-
\ gel handelt. -
7 Was von jurassischen Gesteinen, die jünger sind als der
| unterste Lias, in der Provinz Sachsen vorhanden ist, ordnet sich
umlich zu sechs Gruppen von Vorkommnissen zusammen, von
(denen jede einen durch die orographischen Verhältnisse des Lan-
f des scharf begrenzten Bezirk einnimmt. Diese sechs Gruppen
von Vorkommnissen sollen einzeln betrachtet werden, indem mit
17 T1s59,] 24
348 Gesammtsitzung
Erste Gruppe. — Dieselbe ist in der grolsen, zwischen
dem Harz einerseits und dem Fallstein, Huy und Hakel anderer-
seits sich einsenkenden , nach Westen geöffneten, nach Osten
aber durch das Plateau von Aschersleben geschlossenen Bucht
enthalten, welche man als die Halberstädter Bucht be
zeichnen kann, und welche ihren allgemeinen Umrissen nach be-
reits vorhanden war, als die jurassischen Gesteine sich absetzten.
Diese treten in einem schmalen Streifen am nördlichen Rande
der Bucht zu Tage; der südliche am Harz entlang laufende
Rand hat bekanntlich, so weit er der Provinz Sachsen angehört,
also westlich bis an die Ecker, keine Spur davon aufzuweisen.
Auch im nördlichen Rande finden sich jurassische Gesteine,
wenn man von dem Vorkommen derselben bei Hornburg, wo
die Bucht sich öffnet, absieht, nur zwischen Halberstadt und
Hoym. Es waren von hier bisher nur Gesteine des unter-
sten Lias bekannt, welche bei Halberstadt jene reiche durch
Dunker in den Paläontographica Vol. I. beschriebene fossile
Fauna geliefert haben. Von Halberstadt aus lälst sich der un-
terste Lias bis über Dittfurth hinaus auf das rechte Ufer der
Bode verfolgen. Schon in Dittfurth selbst finden sich im Han-
genden desselben Thone, welche wahrscheinlich jüngeren juras-
sischen Bildungen angehören, indels ‚zu wenig aufgeschlossen
sind, um sich mit Sicherheit bestimmen zu lassen. Geht man
aber, das in dieser Gegend herrschende Streichen der Gesteine
inne haltend, weiter nach Osten, so gelangt man südlich von
Hoym am linken Ufer der Selke auf mächtigere Thonmassen,
deren organischer Inhalt keinen Zweifel darüber läfst, dafs es die
Schichten des Ammonites opalinus sind. In der That
hat sich hier in neuester Zeit nicht allein der Ammonites opa-
linus selbst, sondern auch der dieses Niveau bezeichnende Am-
monites torulosus, so wie ein Belemnit, der dem zripartitus am
nächsten verwandt ist, vorgefunden. Auch die Erhaltung der
Schalen mit ihrer opalisirenden Oberfläche ist ganz dieselbe, die
sich an anderen Orten in diesem Niveau so häufig zeigt.
Betrachtet man die Thone des Ammonites opalinus als zum
braunen Jura gehörig, so ist das Vorkommen bei Hoym das ein-
zige bis jetzt bekannte von braunem Jura in der Provinz Sach-
sen. Verbindet man sie jedoch, wofür gewichtigere Gründe
7
vom 7. April 1859. 349
"| sprechen, mit dem Lias, so ergiebt sich, da von den Bildungen
| zwischen den Schichten des Ammonites opalinus und dem weilsen
Jura in der Provinz Sachsen noch keine Spur entdeckt worden
ist, dals der braune Jura daselbst in seiner Gesammtheit noch
\ vermilst wird, während der Lias sich in um so grölserer Mannig-
faltigkeit entwickelt zeigt.
Ebenfalls noch zur ersten Gruppe jurassischer Vorkomm-
nisse gehören die Lias-Gesteine, welche das zwischen Langen-
' stein und Badeborn mitten aus der Halberstädter Bucht sich er-
hebende Quedlinburger Gebirge darbietet. In dem auf der
linken Seite der Bode gelegenen Theile dieses Gebirges bildet der
Lias, wie sich trotz seiner spärlichen Aufschlüsse nachweisen
lälst, von dem in der Erhebungsaxe entblöfsten Keuper gegen
die Stadt Quedlinburg hin ein regelmälsig aus dem Liegenden
“ins Hangende fortschreitendes Profil; er umzieht ferner diesen
Keuper auf dessen nördlicher, zum Theil auch auf dessen süd-
licher Seite. Aufser dem untersten Lias finden sich hier die
Arieten- Gesteine mit Ammonites Bucklandi und Gryphäa ar-
euata und beide Abtheilungen des mittleren Lias, sowohl die
untere, durch zahlreiche Belemniten und Ammonites capricornus
charakterisirt, als auch die obere, letztere in Form von Thonen
| ‚mit Ammonites costatus. — In dem auf der rechten Seite der
ı, Bode liegenden Theile des Quedlinburger Gebirges sind jurassi-
| sche Bildungen, die jünger sind, als der unterste Lias, nur in
einem sehr schmalen Bande, das an der Südseite des Sewecken-
| berges entlang zieht, zu beobachten. Aus diesem Bande sind
seit längerer Zeit Arieten-Gesteine und beide Abtheilungen des
| mittleren Lias bekannt. Hierzu sind nun aber zwei Glieder des
oberen Lias hinzuzufügen, und zwar das untere Glied dessel-
ben oder das Schichtensystem der Posidonienschiefer und das
\ obere oder das Schichtensystem des Ammonites radians und ju-
rensis, von denen sich das erstere im ganzen Bereich der Pro-
Ü vinz Sachsen nur noch im Allerthale, das letztere aber über-
haupt noch an keinem anderen Punkte dieser Provinz mit Sicher-
‚ heit hat nachweisen lassen.
Der Posidonienschiefer ist hier nicht in Form von
«| bituminösen Mergelschiefern entwickelt, sondern von hel-
len Kalkschiefern, die man ihrer petrographischen Beschaf-
DRS
350 Gesammtsitzung
A
fenheit nach schwer als diesem geognostischen Niveau ange-
hörend erkennen würde, die jedoch eine Reihe charakteri=
stischer Versteinerungen desselben enthalten. Posidonien sind
darin zwar noch nicht gefunden worden, wohl aber Ammonites“
communis und serpentinus, so wie in grolser Menge Avicula
substriata und Jnoceramus dubius, damit zusammen stellenweise
zahlreiche Zähne und Schuppen von Ganoid-Fischen.
Das jüngere Glied des oberen Lias zeigt sich hier in
Form von grauen kalkigen Mergeln, welche mit Thonen in Ver-
bindung vorkommen und von organischen Resten namentlich den
Ammonites radians geliefert haben.
Es sind also überhaupt in der Halberstädter Bucht aufser
dem durch Ammonites psilonotus und Ostrea irregularis charak-
terisirten untersten Lias folgende jurassische Schichtensysteme
entwickelt:
4) der Arietenlias,
2) der untere Theil des mittleren Lias, durch zahlreichl
Belemniten und Ammonites capricornus bezeichnet,
3) der obere Theil des mittleren Lias, den Arnmonites costa-
zus und amaltheus enthaltend,
4) der untere Theil des oberen Lias (das Äquivalent der Po-
sidonienschiefer),
5) der obere Theil des oberen Lias (das Schichtensystem des
Ammonites radians und jurensis), j
6) der untere Theil des obersten Lias (die Thone des Am-
monites opalinus).
Zweite Gruppe. — Der zweiten Gruppe von jurassischen
Gesteinen, welche jünger sind als der unterste Lias, gehören
die Arietengesteine und die durch Hrn. von Strombeck be-
obachteten mittleren Liasbildungen auf dem kleinen aber ausge-
zeichneten Plateau von Pabstdorf an, das seiner Hauptmasse nach
aus unterstem Lias besteht. Es kann nicht zweifelhaft sein, dafs
diese Liasgesteine sich einst in dem inneren östlichen Winkel der
Bucht abgesetzt haben, welche sich noch jetzt zwischen Fallstein
und Huy einerseits, und Asse und Heeseberg andererseits verfol-
gen läfst, gleich der von Halberstadt nach Westen geöffnet ist und
als Bucht von Pabstdorf bezeichnet werden kann. Wenn den-
noch der Lias von Pabstdorf, statt den Boden dieser Bucht zu bilden,
u e- wit we
vom 7. April 1859. 351
‚als Plateau über seine Nachbarschaft hervorragt, so hat dies
jedenfalls nur in der Zerstörbarkeit der ihn umgebenden Keu-
permergel seinen Grund.
In derselben Bucht liegen ferner die jurassischen Vorkomm-
nisse von Rohrsheim, welche ursprünglich mit denen von Pabst-
dorf in Zusammenhang gestanden haben und gleich jenen über
unterstem Lias die Arieten-Gesteine und den mittleren Lias be-
| obachten lassen.
| Westlich von Rohrsheim tbeilen sich diese Gesteine über
| Tage in zwei Arme, von denen der eine am Nordflügel, der an-
| dere am Südflügel der Bucht bis zu ihrer Ausmündung in die
| grofse Braunschweigische Ebene entlang zieht. Zwischen bei-
den Lias- Armen dringt die Kreideformation von Westen nach
ı Osten vor. ’
Dritte Gruppe. — Zur dritten Gruppe der zu betrach-
tenden Lias-Vorkommnisse gehört auf preulsischem Gebiet die
Lias-Masse von Ohrsleben. Dieselbe hat sich ursprünglich in
einer dritten westlich geöffneten Bucht abgesetzt, welche süd-
lich von der Asse und dem Heeseberg, nördlich vom Elm be-
grenzt wird und als Bucht von Ohrsleben bezeichnet wer-
‚den möge. Gegenwärtig tritt der Lias von Obrsleben nichts
desto weniger wie der von Pabstdorf in Form eines Plateaus auf.
' Dieses Plateau hatte bisher aufser dem untersten Lias nur noch
\ Arietengesteine geliefert, enthält indels, wie sich neuerlich ge-
zeigt hat, gleich der Pabstdorfer Gegend auch den mittleren Lias.
Man überschreitet denselben, wenn man sich von dem Hötens-
lebener Vorwerk nach Norden wendet. Die daselbst allerdings
nur schwach entblöfsten Thone mit Thoneisensteingeoden bewei-
‚sen schon allein durch die vielen Belemniten, die sie enthalten,
\ dafs sie keiner älteren Abtheilung des Lias angehören können.
Weiter westlich theilt sich auch der Lias von Ohrsleben in zwei
"Arme zwischen denen die Kreideformation aus der Gegend von
\ Braunschweig her gegen ‚Osten vordringt.
ı = Während auf diese Weise die Liasmasse von ÖOhrsleben mit
der von Pabstdorf im Allgemeinen sehr grolse Ähnlichkeit dar-
bietet, unterscheidet sie sich von derselben dadurch, dafs sie
| nicht gleich jener das östliche Ende der Bucht darstellt, der sie
| angehört. Im Gegentheil setzt sie nach Osten unter dem Ter-
352 Gesammisitzung
tiärgebirge der grofsen Helmstädter Braunkohlenmulde fort, um
sogar noch jenseits derselben in einem kleinen Bezirke bei Wars-
leben zum Vorschein zu kommen. Von den daselbst auftre-
tenden Thonen war es lange zweifelhaft, welcher Abtheilung
des Lias sie angehören, bis vor Kurzem feste Gesteine darin
aufgefunden worden sind, welche nicht allein petrographisch mit
dem mittleren Lias der dortigen Gegenden vollständig überein-
stimmen, sondern auch neben zahlreichen Belemniten einen Theil
der am Rautenberge bei Schöppenstedt vorkommenden Ammo-
niten-Arten enthalten. Hier endet mit dem mittleren Lias zu-
gleich auch der Arieten-Lias der Ohrslebener Bucht, und ein nur
wenig weiter östlich, nämlich zwischen Üplingen und Becken-
dorf, liegender Punkt, wo Arieten-Gestein zu Tage tritt, gehört
entschieden schon dieser Bucht nicht mehr an.
Vierte Gruppe. — Während die drei bisher betrachte-
ten Gruppen jurassischer Vorkommnisse in der Längsausdehnung
der sie einschlielsenden Buchten eine dem nördlichen Harzrande
parallele, d. h. eine westnordwestliche Richtung hervortreten
lassen, folgen jetzt drei andere, in denen sich diese Richtung
mit der des Magdeburger paläozoischen Gebirges d. h. mit einer
nordwestlichen bis nordnordwestlichen vertauscht.
Die erste dieser drei letzteren Gruppen besteht aus den
Arieten-Gesteinen, welche sich auf dem durch untersten Lias
gebildeten Plateau zwischen der Helmstädter Braunkohlenmulde
und dem oberen Allerthale vorfinden.
Bei den mannigfachen Analogien, welche dieses Plateau mit
denen von Pabstdorf und Ohrsleben darbietet, wird man nicht
anstehen, ihm einen ähnlichen Ursprung und eine ähnliche Be-
deutung wie jenen zuzuschreiben und anzunehmen, dafs auch
seine Gesteine sich ursprünglich auf dem Grunde einer Bucht
abgesetzt haben, selbst wenn die Ränder dieser letzteren nicht
mehr genau nachzuweisen sind.
Den bedeutendsten Bestandtheil in dieser vierten Gruppe
macht der seit langer Zeit durch den Eisenreichthum seiner
Sandsteine und Oolithe bekannte Arietenlias von Sommerschen-
burg aus, nach welchem man die ganze Gruppe benennen kann.
Südöstlich von dem Vorkommen bei Sommerschenburg selbst
o
folgen nach kurzer Unterbrechung die ähnlichen bei Badeleben,
vom 7. April 1859. x 353
so wie das erst vor Kurzem aufgefundene bereits oben erwähnte
zwischen Üplingen und Beckendorf, welches das südliche Ende
der Gruppe bezeichnet. Nordwestlich von Sommerschenburg
folgen wiederum eine gröfsere und einige kleinere Massen des-
selben Gesteins, welche die Verbindung mit entsprechenden
Braunschweigischen Vorkommnissen, namentlich mit denen am
Helmstädter Gesundbrunnen und beim Kloster Marienthal ver-
mitteln. Dorthin, nach Nordwest, war die Bucht, die den Som-
merschenburger Arieten-Lias aufgenommen hat, während des Ab-
satzes dieses. letzteren jedenfalls geöffnet. An ihrem südlichen
Ende, zwischen Üplingen und Beckendorf, wo nur ein schma-
ler Sattel von unterstem Liassandstein die Sommerschenburger
Arietengesteine von den Ohrslebenern trennt, war sie zwar wäh-
rend der Bildung des untersten Lias wahrscheinlich noch mit
der Ohrslebener Bucht in Verbindung, während der Bildung des
_ Arietenlias aber gegen dieselbe geschlossen. Dem mittleren Lias
scheint sie überhaupt schon nicht mehr zugänglich gewesen zu
sein, da sich noch keine Spur desselben in Gesellschaft der zur
Sommerschenburger Gruppe gehörenden Arietengesteine gefun-
den hat.
Fünfte Gruppe. — Wenn man sich von dem seiner
Hauptmasse nach aus unterstem Liassandstein bestehenden Pla-
_ teau, welches die Sommerschenburger Arietengesteine trägt, nach
Osten wendet, so gelangt man in das obere Allerthal. Der
gröfste Theil dieses Thales ist lange für eine einfache Keuper-
niederung zwischen dem Muschelkalk der rechten und dem Lias-
plateau der linken Allerseite gehalten worden. Erst neuerlich
hat sich gezeigt, dals das obere Allerthal aulser dem Keuper eine
Mannigfaltigkeit von jüngeren Flötzgebirgsarten aufzuweisen hat
und eine Verwickelung des geognostischen Baues darbietet, wel- |
che die Annahme einer sehr zusammengesetzten Entstehungs-
weise für dasselbe nothwendig macht. Es muls in der That an-
_ genommen werden, dals die Vorgänge, welche den Muschelkalk
der rechten Allerseite stellenweise zu einer Steilbeit von 60 bis
70° aufgerichtet und die Veranlassung zu einer starken Ein-
senkung an der Stelle des jetzigen Allerthals gegeben ha-
ben, bereits in oder gleich nach der Triasperiode eingetreten
_ und später mehrfach wiedergekehrt sind, während sich zugleich
354 Gesammtsitzung
die jüngeren Flötzformationen in die vorhandene Einsenkung
einlagerten. Nur so kann die auffallende Erscheinung erklärt
werden, dafs hier die jüngeren Flötzgebirgsarten häufig mit Über-
springung von Formationen fast unterschiedslos bald auf dem
einen bald auf dem anderen älteren Gestein angetroffen werden.
Aufser verschiedenen inselartig über dem Keuper des Thal-
grundes sich erhebenden Massen von unterstem Liassandstein,
die getrennt von dem grolsen Liasplateau der linken Allerseite
sich auf beide Ufer des Flusses vertheilen, sind von jurassischen
Gesteinen folgende aus dem oberen Allerihale anzuführen.
In dem Theile des Thales, welcher zwischen Walbeck und
dem Durchbruch der Aller durch den Muschelkalk von Wefer-
lingen enthalten ist, findet sich an der Westseite einer jener
mitten aus der Keuperniederung aufsteigenden Massen von unter-
stem Liassandstein das Arietengestein und wenig weiter west-
lich der mittlere Lias entwickelt, ohne dals sich bei der Spär-
lichkeit der Aufschlüsse mit Sicherheit beurtheilen lälst, ob die
drei genannten Bildungen gleichartig gelagert sind und einer un-
gestörten Schichtenfolge angehören. Der mittlere Lias besteht
hier aus Thonen, deren Alter lange zweifelhaft war, bis der
Ammonites capricornus darin aufgefunden worden ist. — In dem-
selben Theile des Allerthals ist aulserdem der obere Lias und
zwar der Posidonienschiefer an zwei Punkten entwickelt; der
eine dieser Punkte, der an der Stralse von Weferlingen nach
Helmstädt nahe der Braunschweigischen Gränze liegt, und an
dem der Posidonienschiefer mit dem Keuper in unmittelbare
Berührung tritt, ist bereits auf der von Strombeckschen Karte
des Herzogthums Braunschweig angegeben; der andere Punkt ist
neuerlich dem Orte Walbeck gegenüber am linken Ufer der
Aller ermittelt worden, wo sich ungemein bituminöse Mergel--
schiefer mit Ammonites communis und serpentinus nahe unter
der Oberfläche gezeigt haben.
In dem zwischen Walbeck und Belsdorf liegenden Theile
des Allerthals sind vor Kurzem zwei Vorkommnisse eines juras-
sischen Gesteins entdeckt worden, welches in den bisher be-
trachteten Bezirken der Provinz Sachsen vollständig zu fehlen
scheint. Es ist der Coralrag des weilsen Jura. Dieser ist un-
mittelbar bei Bendorf und nordwestlich von Belsdorf am soge-
vom 7. April 1859. - 355
nannten Landgraben zu beobachten. An beiden Orten ist er
zum Theil als ein grauer krystallinischer Dolomit, zum Theil als
ein grauer dichter Kalk entwickelt, welcher die charakteristischen
Bestandtheile der Korallen-Facies dieses geognostischen Niveaus,
nämlich Nerineen, Sternkorallen und zahlreiche Apiocrinitenstiele
liefert. Bei Belsdorf steht in der Nähe des Coralrags der Keu-
per an, ohne dals sich zwischen beiden andere Formationen
vorfinden; es scheint sich daher auch hier die oben ausgespro-
chene Ansicht über die Unregelmäfsigkeit der Lagerungsverhält-
nisse im oberen Allerthale zu bestätigen.
In dem oberhalb Belsdorf folgenden Theile dieses Thales
ist westlich von Wefensleben wiederum der mittlere Lias mit
zahlreichen Belemniten und der Posidonienschiefer mit Posido-
nien, Avicula substriata und Ammonites communis vorhanden.
Noch weiter südlich haben sich jurassische Gesteine, welche jün-
ger sind als der unterste Lias, nicht entdecken lassen; nichts
desto weniger ist es wahrscheinlich, dafs die dem Allerthal an-
gehörende Gruppe von Vorkommnissen dieser Gesteine, so wie
die Einsenkung, welche zur Aufnahme derselben gedient hat,
erst zwischen Ummendorf und Seehausen ihren südlichen Ab-
schluls gefunden hat. Geöffnet war aber auch diese Einsen-
kung jedenfalls nach Nordwesten und zwar vermittelst des braun-
- schweigischen durch Hrn. von Strombeck aufs Genaueste er-
forschten Thals von Querenhorst, mit dessen Gesteinen die hier
betrachteten die grölste Übereinstimmung zeigen.
Beiläufig sei hier hinzugefügt, dafs die Einsenkung des oberen
Allerthals aufser den jurassischen Bildungen auch solche der Kreide-
periode in sich aufgenommen hat, wie sich daraus ergiebt, dals
sich bei Moorsleben auf dem rechten Ufer der Aller Trümmerge-
steine gefunden haben, welche den am Nordrande des Harzes vor-
kommenden, der weilsen Kreide im Alter nahestehenden, vollstän-
dig gleichen, und wie jene den Pecten quadricostatus und Belem-
nitellen geliefert haben.
Sechste Gruppe. — Die sechste Gruppe, die man auch
als eine Abzweigung oder Fortsetzung der fünften ansehen kann,
die hier aber abgesondert betrachtet werden soll, ist bis jetzt
erst durch ein ihr angehöriges Vorkommen bekannt, welches
indefs besonderes Interesse dadurch gewährt, dals es sich nicht
356 Gesammtsitzung
fern von Magdeburg in einem Bezirke gefunden hat, in welchem
man noch weniger als im oberen Allerthale jüngere Flötzfor-
mationen als die Triasbildungen vorauszusetzen geneigt war. Es
ist hier zwischen den Dörfern Wellen und Grofs- Rodensleben
wiederum der Coralrag vorhanden, mit denselben Dolomiten,
denselben Nerineen und Korallen wie im Allerthale.e Man
wird nicht anstehen, an dieses Vorkommen die Annahme zu
knüpfen, dals der Coralrag der Gegend von Magdeburg bei sei-
ner vollkommenen Übereinstimmung mit dem an der Aller sich
auch in unmittelbarem Zusammenhange mit demselben, d. h. in
einer Einsenkung, die mit dem Allerthale in Verbindung stand,
abgelagert hat. Bei der Ermittelung, wie dieser Zusammenhang
gedacht werden müsse, ist zunächst zu berücksichtigen, dafs das
grolse das Magdeburger Gebirge südlich umziehende Muschel-
kalkband, nachdem es die Aller südlich bis Aller-Ingersleben be-
gleitet hat, bei letzterem Orte den Fluls verläfst und sich nach
Erxleben hinzieht. Die Muschelkalkmassen zwischen Aller-In-
gersleben und Ovelgünne können nicht als zu diesem Bande ge-
hörig, sondern nur als in sich abgeschlossene inselartige Berge
betrachtet werden. Erst bei Seehausen und Gr. Wanzleben er-
weist sich der Muschelkalk von Neuem als ein Theil des grolsen
zusammenhangenden Bandes. Nimmt man nun an, dals dasselbe
sich von Seehausen aus um den Dreilebener bunten Sand-
stein herum nach Süden bis über Grols-Rodensleben hinaus, von
da aber nach Norden gegen Erxleben wendet, wo es wieder
über Tage beobachtbar ist, so wird dadurch eine von Mu-
schelkalk umzogene nach Süden geschlossene Bucht gegeben,
welche zwischen den oben erwähnten inselartigen Muschel-
kalkbergen mit dem oberen Allerthal in Verbindung steht.
Da es gelingt, den Keuper zwischen diesen Bergen hindurch in
die vorausgesetzte Bucht zu verfolgen, so wird man nach Auf-
findung des weilsen Jura westlich von Magdeburg kein Beden-
ken tragen, anzunehmen, dals mit dem Keuper zugleich sich,
auch die jüngeren Flötzformationen vom Allerthale aus dahin
verbreitet haben.
In den vorstehenden Betrachtungen ist angenommen worden,
dafs die jurassischen Gesteine der Provinz Sachsen sich in eine
vom 7. April 1859. 397
Anzahl nach West und Nordwest geöffneter, nach Ost und Süd-
ost geschlossener Buchten abgelagert haben, welche Theile des
grolsen zwischen Magdeburg und dem Harze enthaltenen sub-
hereynischen Goifs bildeten und schon während der Juraperiode
‚ihren allgemeinen Umrissen nach vorhanden waren, wenn sie
auch später mannigfache Veränderungen erlitten haben. Dals die
Art, wie die jurassischen Gesteine hier auftreten, nur so, und
nicht durch theilweise Zerstörung einer grolsen zusammenhängen-
den Juradecke erklärt werden kann, geht schon aus dem Um-
stande hervor, dafs mehrere der angenommenen Buchten durch
ihre ganze Erstreckung, namentlich in dem Vorhandensein und Feh-
len von Formationsgliedern, Erscheinungen darbieten, die sich in
den benachbarten Buchten nicht wiederfinden.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen. VII. Band, Heft 1.
Berlin 1859. 4.
Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft. 13. Band,
Heft 1. 2. Leipzig 1859. 8.
Abhandlungen zur Kunde des Morgenlandes. 1. Band. Leipzig 1859. 8.
The American Journal of science and arts, no. 79. New-Haven 1859. 8.
Annals of the Lyceum of natural history of New-York. Vol. VI. New-
York 1858. 8.
‚ Memoirs of the Literary and Philosophical Society of Manchester. Vol.
XV, part 1. London 1858. 8.
Bulletin de la sociele geologique de France. Fevrier. Paris 1859. 8.
Atti dell’ Istituto lombardo di scienze. Vol. I, fasc. 12, Milano 1859, 4.
6. Jahresbericht des Germanischen Nationalmuseums. Nürnberg 1859. 4.
Dalton, New System of Chemistry. Manchester 1810—1842. 8.
—_— - Meteorological Observations and Essais. Second edition.
Manchester 1834. 8,
On the phosphates and arseniates. London 1840—42, $,
Reichardt, Die Theorie der Wärme. Jena 1857. 8.
Hausmann, Über die Krystallformen des Cordierits, Göttingen
1859. 4.
Berthelot, Zecherches sur le soufre. (Paris 1859) 8,
Scheerer, Über den Traversellit. Leipzig 1858. 8.
Tonzi, Sulla eruzione solforosa avvenuta 28—30 Oct. 1858. Roma
1858. 4.
358 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 11. April 1859.
Hiernächst wurden auf Antrag der physik.-mathem. Klasse
die Hrn. Georg Gabriel Stokes in London und Moritz
Jacobi in St. Petersburg in Rulsland zu correspondirenden Mit-
gliedern der Akademie im Fache der Physik gewählt.
Ferner kamen zum Vortag:
1) Ein Rückschreiben des vorgeordneten K. Ministeriums, d.d.
31. März, welches die von der Akademie bewilligte Unter-
stützung der Herausgabe der Leibnizischen mathematischen
Schriften durch Herrn Dr. Gerhardt mit 150 Rthlr. ge-
nehmigt.
2) Ein gleichartiges zweites Ministerial-Schreiben von gleichem
Tage, welches die von der Akademie beschlossene Veraus- |
gabung von 600 Rthlr. pro 1859 zu neuen Typen der
Druckerei für das Corpus inscriptionum latinarum geneh-
migt.
3) Ein Dankschreiben des Lyceum of natural history of New-
York, d. d. 30. Januar 1858, für die Abhandlungen der
physik.-mathem. Klasse der Akademie 1854, 1 Suppl. 1855,
und die Monatsberichte von Juli bis December 1855, Ja-
nuar bis December 1856.
4) Ein gleiches Schreiben vom 21. Januar 1859 über Em-
pfang derselben Abhandlungen von 1856 und der Monats-
berichte von Januar bis August 1857.
5) Ein Schreiben des Hrn. Wilh. Weitling in New-York,
welches die von ihm verfalste Druckschrift: „Der bewe-
gende Urstoff in seinen kosmoelektromagnetischen Wirkun-
gen” betrifft und deren Inhalt anzeigt.
11. April. Sitzung der philosophisch-hi-
storischen Klasse.
Hr. Mommsen las über die griechisch-asiatischen
Münzwährungen und ihr Verhältnils zum römischen
Gelde.
Gesammtsitzung vom 14. April 1859. 359
14. April. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Rammelsberg las über die Oxyde des Cers und
die gelben und rothen Sulfate seines Oxydoxyduls.
Die gelben und rothen Salze des Cers, welche von Hisin-
ger und Berzelius für Ceroxydsalze gehalten wurden, sind bis
jetzt wenig untersucht worden. Mosander hatte zwar schon
nach seiner Entdeckung des Lanthans und Didyms ein Ceroxyd-
oxydul angenommen, Andere aber glaubten reines Geroxyd dar-
gestellt zu haben, wie denn namentlich Hermann jene gefärb-
ten Salze geradezu für Ceroxydverbindungen hielt, sie analysirte,
die Oxydationsstufe des Cers, welche ihre Basis bildet, jedoch
nicht weiter prüfte. Erst Marignac hat ihre wahre Natur als
Doppelsalze von Ceroxyd und Oxydul erkannt, ihre Zusammen-
setzung jedoch kaum untersucht. Das Atomgewicht des Cers
ist von Beringer, Hermann und neuerlich von Jegel nahe
übereinstimmend zu 575—576 bestimmt worden. Marignac
hatte 591, Kjerulf, in Folge unrichtiger Arbeit, 727 angege-
ben. Meine eigenen Versuche ergeben in naher Übereinstim-
mung mit den zuvor genannten fast 576, so dals es am pas-
sendsten scheint, die Zahl 575 (46, wenn H= ı) als Atomge-
wicht des Cers zu betrachten.
| Cer lälst sich von Lanthan und Didym vollständig befreien,
wenn man nach dem Verfahren von Hermann basisch schwe-
felsaures Ceroxydoxydul durch Wasser fällt, und aus diesem Nie-
derschlage alle übrigen Verbindungen darstellt.
i Ceroxydul, Ce, erhält man durch Erhitzen von kohlen-
saurem oder oxalsaurem Ceroxydul in einem Strom von ganz
lufifreiem Wasserstoffgas. Es ist ein graublaues Pulver, wel-
‚ches sich an der Luft sogleich unter starker Erhitzung in gelb-
lichweilses Oxydoxydul verwandelt. Sein Hydrat ist weils, färbt
sich aber an der Luft gelb, und verwandelt sich in ein Gemenge
(von kohlensaurem Ceroxydul und von Ceroxydoxyduihydrat.
“ Ceroxydoxydul, Ce Ce, wird durch Glühen von kohlen-
Saurem, oxalsaurem oder salpetersaurem Ceroxydul erhalten. .Es
ist gelblichweils mit einem Stich ins Röthliche, färbt sich in
‚der Hitze vorübergehend gelb und löst sich nur in ziemlich con-
eentrirter Schwefelsäure zu einer gelbrothen Flüssigkeit auf. In
360 Gesammtsitzung
Wasserstoffgas wird es zu Oxydul reducirt. Aber weder durch
Erhitzen in Sauerstoff, noch durch Schmelzen mit chlorsaurem
Kali oder Kalihydrat kann es höher oxydirt werden. Sein Hy-
drat, welches 3 At. Wasser enthält, entsteht durch Einleiten
von Chlor in eine Auflösung von Kalihydrat, in welcher Cer-
oxydulhydrat vertheilt ist.
Aus der gelbrothen Auflösung des Ceroxydoxyduls in Schwe-
felsäure erhält man zwei Salze:
A. Ein braunrothes oder gelbrothes, in sechs-
gliedrigen Kıystallen (a:c=0,4231:1) nach der Formel |
3Ce$+ Ce 5?) + 18 aq zusammengesetzt. Es zersetzt sich
in Wasser unter Abscheidung eines schwefelgelben basischen
Salzes, giebt mit Kalihydrat einen Püthlichgraneng Niederschlag,
3Ce-+ Ce, der sich an der Luft gelb färbt und in Ce Ce ver-
wandelt, aber auch etwas Kohlensäure anzieht.
B. Ein gelbes undeutlich krystallinisches Salz, welches
nur 5 soviel schwefelsaures Ceroxydul enthält, (CeS+LleS’ )
+ 8agq, und sich gegen Wasser wie A verhält.
Basisch schwefelsaures CGeroxydoxydul entsteht
aus den beiden oben erwähnten durch Zersetzung in Wasser,
Es ist ein hellgelber Niederschlag (von Mosander entdeckt,
von Hermann zur Darstellung der reinen Cersalze angewandt,
von ihm und von Marignac untersucht). Es besteht aus 2 At.
Ceroxydoxydul, 3 At. Schwefelsäure und 6 At. Wasser, was
man durch (2 CeS + Ce? 5) ii “ aq. oder weniger gut durch
In ER Glühhitze hinterlassen ee drei Salze reines
Ceroxydoxydul.
Wird eine Auflösung des schwefelsauren Ceroxyd-
oxyduls (A) mit einer solchen von schwefelsaurem Kali
vermischt, so entsteht ein gelber krystallinischer Niederschlag.
Allein je nach der Menge der Salze, der Temperatur und Con-
centration entstehen Fällungen, aus denen von 36 bis 27 pC.
Ceroxydoxydul, und von 17 bis 24 pC. Kali erhalten werden.
Es sind offenbar häufig Gemenge von mindestens zwei Verbin-
dungen. Ich glaube aus meinen Analysen schliefsen zu dürfen,
dafs die kaliärmste, cerreichste Fällung auf 1 At. des Cersal-
zes 3 At. schwefelsaures Kali und 6 At. Wasser enthält, und
4
dafs die kalireichsten eine solche Verbindung mit der doppelten
Menge, d. h. mit 6 At. schwefelsaurem Kali, enthalten, wiewohl
vom 14. April 1859. 361
letztere nur mit der ersten gemengt erhalten wurde. Zugleich
scheint es mir, dafs man diese Niederschläge wohl besser als
isomorphe Mischungen zweier Doppelsalze betrachtet, d. h. die
"Verbindung mit 3 At. schwefelsaurem Kali,
als
und die andere
6KS+(3CeS+LeS?) + Gag
als
2 Ki Be ae
ee Ceroxydoxydul-Ammoniak ent-
steht in gleicher Art. Aber neben dem krystallinisch-körnigen
sn dessen ps der Formel
u 088
| oder
PIFEBETT
entspricht, bilden ar sehr schöne grolse orangerothe Krystalle,
welche nach den Messungen von Schabus und von mir zwei- und
eingliedrig sind(a:b:c = 0,8144 : 1 : 0,6877; Winkel der schie-
fen Axen = 83° 29). Sie sind sehr vollkommen spaltbar und
trichromatisch. In Wasser lösen sie sich leicht auf. Ihre Zu-
sammensetzung ist R
..u 00.
I9ÄmS + (CeS + 2Ce S°) + 12 aq.,
Bi wohl besser
f EN Vorl
? 5 >
} ( 5 Ce
F Beim Glühen geben sie reines Ceroxydoxydul.
Eine Reihe von Analysen hat mir für den Cerit die For-
362 Gesammtsitzung
Ce, La, Di)?
Ca! Si + ag
Fe
gegeben. Zersetzt man ihn durch Chlorwasserstoffsäure, so ent-
hält die Kieselsäure noch eine grolse Menge jener Basen, und,
was bemerkenswerth ist, es steht in diesem Theil das Lanthan-
und Didymoxyd in einem viel grölseren Verhältnils zum Ceroxy-
dul als in der chlorwasserstoffsauren Auflösung. .
Derselbe las hierauf über den Magnoferrit vom Ve-
suv und die Bildung des Magneteisens und ähnlicher
Verbindungen durch Sublimation.
In einer am 15. Juli v. J. der Akademie vorgetragenen Ab-
handlung habe ich angeführt, dafs die bisher für Eisenglanz ge-
haltenen regulären Octaeder aus den Fumarolen der Eruption
des Vesuvs vom Jahre 1855 eine Verbindung von Magnesia und
Eisenoxyd sind, und neben Eisenglanz sich auch zu anderen Zei-
ten dort gebildet haben. Als ich Anfangs September v. J. in
Hrn. Ehrenbergs Gesellschaft den Vesuv besuchte, waren au-
(ser zahlreichen kleinen Lavaströmen auch mehrere Fumarolen
von hoher Temperatur in Thätigkeit, allein es liels sich keine
Spur von Eisenglanz, wohl aber Kochsalz an ihnen wahrnehmen,
was auch mit den Erfahrungen der Hrn. Guiscardi und Pal-
mieri übereinstimmt. -Dagegen theilte mir Hr. Scacchi eine
grölsere Quantität jener Krystalle mit, welche ich seitdem zur
Wiederholung meiner älteren Versuche benutzt habe. Eine frak-
tionirte Behandlung des Puivers unter Wasser mit dem Magnet
gab das Resultat, dals die einzelnen Portionen unter sich so-
wohl wie mit den früher untersuchten nahe dasselbe Verhältnifs
der Bestandtheile liefern, d. h. 14—16 pC. Magnesia. Das nie-
drigste spec. Gew. = 4,568 ergab die erste Portion.
Diese Constanz der Mischung macht es sehr wenig wahr-
scheinlich, dafs die Krystalle eigentlich Mg Fe seien (20 Mg und
80 Fe), und ich halte an der früher ausgesprochenen Ansicht
fest, dafs sie aus Mg? Fe* bestehen, und dafs überhaupt Verbin-
dungen R" &° isomorph seien, eine Ansicht, welche durch meine
Versuche am Franklinit eine wesentliche Stütze erhält, inso-
fern in diesem zur Spinellgruppe gehörigen Mineral, welches aus
den Oxyden von Eisen, Mangan und Zink besteht, 5 At. der
‚Metalle gegen 6 Atome Sauerstoff enthalten sind, wonach es
R’R ist').
Bekanntlich erhält man durch Zusammenschmelzen von Ei-
senvitriol und Kochsalz Eisenoxyd. Hält man den Zutritt der
Luft ab, und behandelt die Masse unter Wasser mit dem Magnet,
‚so folgt demselben ein Theil in Form eines schwarzen Pulvers,
welches grolsentheils Magneteisen ist.
Erhitzt man Eisenchlorür zum Glühen und leitet Wasser-
dämpfe und Luft darüber, so entsteht ein schwarzes Sublimat,
welches reines Fe Fe ist.
Unterwirft man ein Gemenge von Eisenchlorür und Chlor-
magnesium dieser Operation, so erhält man ein Sublimat von
gleichem Aussehen, welches immer nahe dieselbe Zusammen-
BE hat, nämlich 16—18 pC. Magnesia, 13 —14 Eisenoxy-
dul, 67—69 Eisenoxyd, und sehr wohl als eine Verbindung
R bes betrachtet werden kann.
A Hieraus folgt, dafs Magneteisen und überhaupt Verbindun-
gen R= B° auf gleiche Art wie Eisenoxyd als Sublimate ent-
"stehen können, und in dieser Weise hat sich offenbar die octae-
- drische Verbindung am Vesuy erzeugt, für welche ich den Na-
vom 14. April 1859. 363
men Magnoferrit in Vorschlag zu bringen mir erlaube.
u:
Hierauf legte Hr. Encke das zweite und dritte Heft von
rn. Argelander’s Sternkarte in Gegenwart des Hrn. Ver-
fassers als Geschenk vor, und Hr. Argelander gab selbst eine
rläuterung über denPlan und dasFortschreiten sei-
nes grolsen Sternkarten-Werkes.
*) Speciell
- [1859.] 25
364 Gesammtsitzung
Hr. Dove las über die Anwendung mit Silber be-
legter Gläser als Blendgläser.
Die Schwächung des Lichtes intensiver Lichtquellen wird
in der Regel durch farbige Gläser hervorgerufen, welche die
verschiedenen Theile des Spectrums ungleich absorbiren und da-
her das geschwächte Licht in einer bestimmten Färbung zeigen,
welche sich bei manchen der Homogeneität nähert. So wün-
schenswerth dies für bestimmte optische Versuche ist, so wird
doch bei anderen Versuchen gerade das Entgegengesetzte ver-
langt. Man hat daher vielfach polarisirende Vorrichtungen an-
gewendet, um das Sonnenlicht so zu schwächen, dals man ohne
Nachtheil hineinblicken kann, und dals es dabei weils bleibt.
Eine Mittelstufe zwischen beiden stellen die Metalle dar. Da
man es in seiner Gewalt hat, das Silber, über Platin habe ich
keine Beobachtungen gemacht, in Lagen von verschiedener Mäch-
tigkeit auf Glasplatten zu fixiren, so erhält man dadurch Blend- %
gläser von jedem beliebigen Grad der Schwächung, die zugleich
als Spiegel angewendet werden können und insofern wohl zu
empfehlen sind, da die blaue Färbung, die sie geben, für weilse
Objecte keinen störenden Eindruck macht.
Alsdann gab der Vorsitzende eine kurze Nachricht vom
glücklichen und glänzenden Verlauf der am 28. März erfolgten
einhundertjährigen Stiftungsfeier der K. Bayerischen Akademie
_ der Wissenschaften in München, gedachte der ehrenden Aufnahme
der von hier gesendeten Deputirten und überbrachte den ihnen
vom Vorstande jener Akademie ausgesprochnen Dank für die er-
wiesene Theilnahme zurück. Es wurden hierbei die durch den@
Präsidenten der Münchener Akademie, Hrn. v. Thiersch, an
die Berliner Akademie mit kurzem Begleitschreiben übersandten,
vorgelegten Monumenta saecularia, einschlielslich eines geo-#
graphischen, die allmälige Entdeckung Amerika’s betreffenden,
Pracht- Atlas dankbarst empfangen.
vom 14. April 1859. 365
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Monumenta saecularia. Herausgegeben von der Königlich Bayerischen
Akademie der Wissenschaften. München 1859. 4. und Atlas in
folio.
Rapporto generale della pubblica esposizione dei prodotti naturali e in-
dustriali della Toscana. Firenze 1858. 8. Mit Schreiben des
Hrn. Corridi, d. d. Florenz 1. Juni 1858.
Conte Conestabile, /scrizione etrusche e efrusco-laline in monumenti.
Firenze 1858. 4. con tavole.
Favre, Memoire sur les terrains liasique et Keuperien de la Savoie.
Geneve 1859. 4.
Memoires de la societe des sciences naturelles de Cherbourg. Paris
1858. 8.
Annales de chimie et de physique. Tome 45, Mars. Paris 1859. 8.
Gervais, Discours prononce aux funerailles de Mr. Gergonne. Mont-
pellier 1859. 4.
Atlas des nördlichen gestirnten Himmels, entworfen auf der Kgl. Stern-
warte zu Bonn. 3. und 4. Lieferung. Bonn 1858. folio. Über-
reicht von Hrn. Argelander.
Aufserdem kamen zum Vortrag:
41) Ein Schreiben des Dekans der Fakultät der Wissenschaften
B bei der Akademie zu Montpellier, Hrn. Paul Gervais,
d. d.-8. April c., welches den am 4. ejusd. erfolgten Tod
des Correspondenten unserer physik.-mathem. Klasse des
Hrn. Joseph Diez Gergonne anzeigt.
2) Ein Schreiben der Kaiserl. Französ. Gesellschaft der Natur-
wissenschaften zu Cherbourg, d. d. 1. Sept. 1858, welches
den Empfang der Monatsberichte von 1854 bis 1857 dan-
kend anmeldet.
ee u"
ni
25*
Bericht
über die
r Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
er Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
j zu Berlin
im Monat Mai 1859.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg.
. Mai. Sitzung der physikalisch -mathe-
matischen Klasse.
Hr. Klotzsch las über die Aristolochiaceen des
erliner Herbariums.
. Mai. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Kummer las den zweiten Theil der Abhandlung:
er die allgemeinen Reciprocitätsgesetze unter den
esten und Nichtresten der Potenzen, deren Grad
ne Primzahl ist, als Fortsetzung der in der Sitzung. vom
- Februar vorgetragenen Abhandlung.
f #
Hr. H. Rose legte eine Abhandlung des Hrn. A. W.
ofmann, Correspondenten der Akademie, „zur Theorie
er Polyammoniake” vor.
[1859.] 26
368 Gesammtsitzung
Phosphorreihe.
Bei der weiteren Ausführung einer Untersuchung über die
mehrsäurigen Stickstoffbasen, die mich seit längerer Zeit be-
schäftigt, bin ich auf höchst complicirte Reactionen gestolsen,
deren Entwirrung durch die Anzahl und Analogie der gebildeten
Produkte unerquicklich erschwert ist. Um den Faden der Theo-
rie nicht zu verlieren, habe ich für den Augenblick die Stick-
stoffreihe verlassen und mich mit den Phosphorbasen, zumal dem
Triäthylphosphin beschäftigt, dessen rasche und scharfe Reactio-W
nen zugänglichere Resultate versprachen.
Das Triäthylphosphin hat meine Erwartungen nicht ge-)
täuscht. Die Reactionen dieses bemerkenswerthen Körpers sind4
in der That so glatt, die Charaktere der Verbindungen, die sich
in ihnen bilden, so ausgebildet und scharf gezeichnet, dals ein
eingehendes Studium derselben nicht fehlen kann die Theorie
der polyatomen Basen in allgemeinerer Weise zu präcisiren.
Einwirkung des Aethylendibromürs auf das
Triäthylphosphin.
Bei gewöhnlicher Temperatur wirken die beiden. Körper nu
langsam aufeinander ein, allein schon bei gelindem Erwärmen
findet eine lebhafte Reaction statt und die durchsichtige Mi- b
schung erstarrt schnell zur blendend weilsen Krystallmasse.
In Folge secundärer Reactionen ist die Zusammensetzungff
dieser Krystallmasse nicht selten complicirt. Gleichwohl habe
ich mich durch geeignete Behandlung überzeugt, dafs sie stets
— obwohl in wechselnden Mengeverhältnissen — zwei Haupt-
produkte enthält, für welche sich — wenn man anders Sesqui.
pedalia verba vermeiden will — nur schwierig geeignete Be
nennungen finden lassen. Ich will sie vor der Hand als ein-Y
atomiges und zweiatomiges Salz unterscheiden.
Die Zusammensetzung dieser beiden Salze ist in folgenden
Formeln gegeben.
Einatomiges Salz.
Ge H,>sPBr;=(C, H,)z P+C, H, Br;
= {(C, H,); (C, H, Br) P} Br
vom 5. Mai 1859. 369
Zweiatomiges Salz.
C,; H;, P, Br, =2$(C, H,), P$+C,H,Br,
={(C, H,), (C, H,)”P;}” Br,
Aus diesen Formeln erhellt dafs das Äthylendibromür je
" nach den Umständen fähig ist ein oder zwei Triäthylphosphin-
Moleküle zu fixiren. Im ersten Falle bildet sich ein einatomiges
Bromür entsprechend einem Ägq. Chlorammonium, im zweiten
J Falle wird ein zweiatomiges Bromür erzeugt, dessen Molekül
zwei Ägq. Salmiak repräsentirt.
r Einatomiges Salz.
Es bildet sich, obwohl nie in allzugrofser Menge, wenn
man Triäthylphosphin mit einem Überschuls von Äthylendibro-
mür behandelt. Drei oder vier Krystallisationen aus absolutem
Alkohol liefern die neue Substanz im Zustand vollkommener
Reinheit. Sie krystallisirt in grolsen prachtvollen, farblosen Oc-
taedern von aulserordentlicher Löslichkeit in Wasser; in abso-
lutem Alkohol sind sie etwas weniger löslich, unlöslich in Äther.
pi Silbersalze greifen nur die Hälfte des in dem neuen Kör-
per enthaltenen Bromes an. Behandlung mit Chlorsilber z. B.
liefert ein entsprechendes Chlorür, das noch ein Äq. Brom zu-
'rückbehält.
4 C,sH,;,PBrCl={(C, H,); (C, H, Br) Pt Cl.
Zusatz von Platinchlorid zu der Lösung dieses Chlorürs schlägt
i ein ziemlich schwer lösliches Doppelsalz nieder, das aus Wasser
in langen wohlausgebildeten Prismen krystallisirt, welche
416 H,; PBr Cl, Pt Cl, =$(C, H,); (C, H, Br) p? Cl, Pt Gl,
"enthalten.
Durch die Einwirkung des Silberoxyds erleidet das einato-
ige Bromür eine bemerkenswerthe Umbildung. Der ganze
omgehalt tritt aus und es entsteht eineLösung von stark alka-
scher Reaction, welche einer Base von der Zusammensetzung
C,;H,,PO,= IC, H,), (€; H, 2» "No,
26°
370 Gesammtsitzung
Ich habe die Natur dieser Verbindung durch die Analyse
des Jodürs und des Platinsalzes fixirt.
Das Jodür ist äufserst löslich in Wasser und in Alkohel,
unlöslich in Äther; aus der Alkohollösung wird es von Äther
in mikroskopischen Prismen gefällt, welche
C,H, P0,J= $(C, H;), (C,H, O,) pr J
enthalten.
Das Platinsalz krystallisirt in grofsen dunkelrothen Octae-
dern von der Formel
Re Ho PO, Cl, Pt Cl, = IC, H;), (C, H, 0,)P C, Pt Cl,
—
Zweiatomiges Salz.
Die alkoholische Mutterlauge des einatomigen Salzes enthält
stets eine beträchtliche Menge der zweiatomigen Verbindung.
Allein das geeignetste Verfahren, diese Substanz im Zustand der
Reinheit zu erhalten, besteht in der Behandlung des einatomi-
gen Salzes mit einem Überschuls von Triäthylphosphin.
C,;„H,,PBr,+C,.H,,P=(,,;,H;,,P, Br,
Das einatomige Bromür fixirt demnach ganz einfach ein
additionelles Triäthylphospbin- Molekül, wodurch es in ein wah-
res Diphosphonium-Dibromür verwandelt wird, welches zwei
Molekülen Salmiak entspricht.
C.,H;,P,;,Br, = IC, H,), (C; H,)”P,}”Br,
Das zweiatomige Bronfür verliert unter dem Einfluls von
Silbersalzen seinen ganzen Bromgehalt, indem sich eine Reih
wohlcharakterisirter, krystallisirbarer, zweiatomiger Verbindungen
bildet. Die Einwirkung des Silberoxyds auf das neue Dibromü
liefert die freie Base. Es ist dies eine äulserst kaustische Ver.
bindung von grolser Löslichkeit und staunenswerther Stabilität.
Sie enthält:
C;;H36 Pr 0,= (C,H), (Cs de O0,
2
und entspricht mithin zwei Wassermolekülen.
vom 5. Mai 1859. | 371
Ich habe die Zusammensetzung der zweiatomigen Salzreihe
vorzugsweise durch die Analyse eines prachtvollen Dijodürs so-
wie des Platin- und Goldsalzes festgestellt.
. Das Jodür wird leicht durch Sättigung der freien Base mit
Jodwasserstoffsäure erhalten. Dies Salz ist das charakteristisch-
ste Glied der Reihe. Es krystallisirt in langen weilsen Nadeln
von vollendeter Schönheit. Mäfsig löslich in Wasser, schwer-
löslich in absolutem Alkohol, unlöslich in Äther bietet das Jo-
dür alle Bedingungen zur leichten Reindarstellung. Es enthält:
C,.H3,P,J,={f(C,H,), (C, H,)”P,}” 3,
Das Platinsalz ist ein blafsstrohgelber, krystallinischer Nie-
derschlag,; fast unlöslich in Wasser, aber löslich in siedender
concentrirter Chlorwasserstoffsäure. Aus dieser Lösung scheidet
es sich beim Erkalten in schönen Prismen ab, welche
Ca Hssp, 4.’ Pr Os
= I(C, H,), (C, H,)”P,?” Cl,, 2 Pt Cl,
enthalten.
Das entsprechende Goldsalz krystallisirt in mikroskopischen
goldglänzenden Nadeln.
C,H; , Prakt Aniet,
=!(C, H,),(C, HH)” D,?” @l,,:2yAujdl,
Die Umwandlung des einatomigen Salzes in das zweiato-
mige hat mich zu einigen Versuchen geführt, welche die Con-
struction der zweiatomigen Verbindungen noch schlagender ver-
anschaulicht.
Das einatomige Bromüf
$(C, H,), (C, H, Br) P$ Br
_ wird von dem Ammoniak und den Stickstoffbasen
lebhaft angegriffen.
Versetzt man die alkalische Lösung dieses Bromürs mit einer
_ Alkohollösung von Ammoniak, so giebt sich die chemische Ac-
tion alsbald durch lebhafte Wärmeentwicklung zu erkennen. Die
Lösung enthält nunmehr ein Dibromür, dessen Metall neben dem
zweiatomigen Ätbylen zur Hälfte aus Ammoniak und zur Hälfte
aus Triäthylphosphin besteht.
372 Gesammtsitzung
IC, H,), (C,H, Br) PBr+H,N.
=$H, (C, H,), (C, H,)’P NS” Br,
Es ist dies ein Phosphammoniumdibromür zwei Molekülen
Salmiak entsprechend; indem zwei Äq. Wasserstoff durch Äthy-
len und drei Äq. Wasserstoff durch Äthyl ersetzt sind.
Durch Behandlung mit Silberoxyd verwandelt sich das neue
Bromür in eine stark kaustische äufserst stabile Verbindung
H,(C, H,). (C, H,)” PN?”
$ 3 #445), en 27 H. Yo,
welche alle Eigenschaften der Kalilauge zeigt.
Die freie Base mit Jodwasserstoffsäure oder Chlorwasser-
stoffsäure gesättigt liefert das entsprechende Dijodür und Di-
chlorür. Letzteres giebt mit Platinchlorid einen hellgelben Nie-
derschlag, der sich aus Wasser umkrystallisiren läfst und
enthält.
Ich habe denselben Versuch mit Äthylamin und mit Tri-
methylamin wiederholt. Man beobachtet genau dieselben Er-
scheinungen.
Es bilden sich die Dibromüre:
{H, (C, H,), (C, H,)’PN}” Br, und
{(C2 H,), (C, H,), (C, H,)’PN$”Br;
und durch Behandlung derselben mit Silberoxyd die kaustischen
Verbindungen:
{H,(C, H,), (C, u! O, und
C;,H,), (C,H,), (C, H,)’ PN”
&C, H,), (C, H,), (C, H,) = or
Die Chlorüre dieser beiden letzten Basen bilden schöne
Platinsalze, die in langen feinen hochgelben Nadeln krystallisiren.
Durch ihre Analyse war es leicht die Natur der beschriebenen
"Phosphammonium-Verbindungen zu präcisiren. Sie enthalten
$H, (C, H,), (C, H,)’PN$”Cl,, 2PtCl, und
{(C, H,), (C, H,), (C, H,)”PN}” Cl,, 2PtQl,
vom 5. Mai 1859. 373
Die Bildung der beschriebenen "Verbindungen liefert den
Schlüssel zum Verständnils der Diammoniumbasen. Analoge Un-
tersuchungen in der Stickstoffreihe und namentlich Versuche
über die Diammoniake, mit denen ich beschäftigt bin, werden,
hoffe ich, das Bild vervollständigen. Übrigens treten schon jetzt
die Beziehungen der neuen Körper zu den zweiatomigen Alko-
holen in bestimmten Umrissen hervor.
n Intermediärer Bromwasserstoff-
Athylen-Alkohol. Bromwasserstoffäther. Äther.
H (C,H,)” 0, „PT
(C,H 118: Os H }B2 (C,H,) I:
Erstes einatomiges Zweiatomiges
Einatomige Base. Bromür. Bromür.
{P(C,H,), Hr o, tP(C,H,),(C.H,Br)jBr (P(C,H,),
(C,H,)” O, (C,H,)” F
j P(C,H,) Br
Zweites einatomiges Gemischtes zwei-
Zweiatomige Base. Bromür. atomiges Komtur
HPCH,),H}], {PCCH,),H} Jo, (PCC.H,),
Ho: (C.H,) (C,H,)” \Br
: P(C,H,), Eh „ |Br
Gemischte zweiatomige Gemischtes zwei-
Base. atomiges Bromür,
-{P(C,H,), H} P(C,H,),
. (C,H, )" 08 (C,H,)" 5,
IN(C;H;), H} z N(C,H,) ai
Hr. Dove theilte einen experimentellen Beweis mit, dafs
die Tartinischen Töne nicht subjectiv sondern ob-
jeetiv sind.
Im Bericht der Akademie 1857 p. 291 habe ich Versuche
beschrieben, aus welchen entschieden hervorgeht, dafs wenn ein
Ohr längere Zeit einen Ton von bestimmter Höhe gehört hat,
374 Gesammtsitzung
es für das Vernehmen desselben unempfindlicher geworden ist,
als das andere, welches diesen Ton nicht gehört hat, so dals,
wenn dann vor beiden Ohren derselbe Ton gleichzeitig erregt
wird, nur der gehört wird, welcher vor dem Öhre erregt wird,
welches ihn vorher nicht gehört hatte. In dieser Beziebung
schlielst sich also das Verhalten des Ohres ganz an das des Au-
ges an, dessen Unempfindlichwerden für einen lange gebotenen
Farbeneindruck eben die subjective complementare Färbung einer
nachher betrachteten weilsen Fläche veraulalst. Eben so wenig
wie aber diese Abstumpfung für einen bestimmten Farbenein- | |
druck sich auf die Wahrnehmbarkeit einer anderen Farbe erstreckt,
so ist dies auch bei dem Ohr der Fall. Modificirt man nämlich
den mit zwei unisono tönenden Stimmgabeln angestellten Ver-
such in der Weise, dafs die vor das rechte und linke Ohr ge-
haltenen Stimmgabeln verschiedene Töne geben, so hört man,
wenn man die eine so um ihre Achse dreht, dafs sie durch die
4 Interferenzstellen hindurchgeht, nicht wie bei unisono tönenden
Gabeln abwechselnd die eine und die andere, sondern die eine
und dann beide.
Die stereoskopischen Erscheinungen zeigen, dals Lichtein-
drücke, welche auf den Netzhäuten beider Augen verschiedene
Bilder hervorrufen, sich combiniren und durch die von mir im
Bericht 1841 p. 251 beschriebenen Versuche ist dies auch defi-
nitiv für die Combination verschiedener Farbeneindrücke ent-
schieden worden. Es schien mir nun interessant die Frage zu
beantworten, ob auch für das Ohr dies gültig sei, d. h. ob ver-
schiedene Erregungszustände beider Ohren einzeln dem Gehirn zu-
geführt sich in denselben zu einer Resultante -verbinden lassen.
Der angestellte Versuch entschied dagegen. Von zwei eine reine
Quinte gebenden Stimmgabeln wurde die eine vor das rechte
Ohr gehalten, die andere vor das linke. Der als tiefere Oktave
aus der Combination beider Schwingungssysteme "entstehende
Tartinische Ton wurde nicht gehört, aber sehr deutlich, wenn
beide Stimmgabeln vor demselben Ohr standen. Obgleich also
die gleichen oder nahe gleichen Eindrücke sich combiniren, wie
daraus hervorgeht, dals man die Schwebungen Stölse gebender
Stimmgabeln hört, wenn die eine vor dem einen, die andere
vom 5. Mai 1859. 375
_ vor dem andern Ohr steht, so findet dies doch nicht statt wenn
die grölsere Anzahl derselben sich zu einem neuen Ton combi-
| niren soll. Der Tartinische Ton ist daher objectiv nicht sub-
jectiv.
we
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
"schreiben wurden vorgelegt:
Atti dell’ I. R. Istituto veneto di scienze. Tomo IV, Dispensa 4.5. Ve-
nezia 1859. 8.
Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou. Annee 1858,
no. 4. Moscou 1858. 8.
Siebenter Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heil-
kunde. Gielsen 1859. 8.
Traite d’optique physique, par M.F. Billet. Tome 1.2. Paris 1858
—1859. 8. Mit Schreiben des Hrn, Verfassers, d. d. Dijon
41. April 1859.
Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark. Heft 8. Gratz
1858. 8.
S. W. Fallou, An english-Hindustani Law and Commercial Dictionary.
Calcutta 1853. 8.
The Atlantis, no. III. London 1859. 8.
Mnemosyne. Vol. VIII, Pars 2. Lugd. Bat. 1859. 8.
Maury, Sailing Directions. Ed. VIll, PartI. Washington 1858. 4.
Mit Rescript des vorgeordneten Kgl. Ministeriums vom 30. April
1859.
Archiv des historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg.
Band 14, Heft 3. Würzburg 1858. 8.
Sullivan, On the influence which the physical geography .... exert
uporsthe languages etc. s.l.eta. 8.
Rudolf Wolf, Mittheilungen über die Sonnenflecken. no. 7.8. (Bern
1858) 8.
- Jahrbuch der Geologischen Reichsanstalt. Jahrgang 9, no. 4, Wien
1858. 8.
Klein, /nscriptiones latinae provinciarum Hassiae transrhenanarum. Mo-
guntii 1858. 4.
Memoire sur quelgues inscriplions mediomatriciennes. (Metz
1858.) 8.
Die Bedeutung der Humanitätsstudien für den Fortschritt.
376 Gesammtsitzung
Mainz 1858. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers, d. d. Mainz
14. April 1859.
Leibniz, Mathematische Schriften, herausgegeben von Gerhardt.
Band 4. Halle 1859. 8.
Hr. H. Abich in Tiflis nimmt unter dem 2. März d. J.
die Wahl zum correspondirenden Mitgliede der physikalisch-
mathematischen Klasse dankend an.
12. Mai. Gesammtsitzung der Akademie.
Bei der Eröffnung der Sitzung gedachte der vorsitzende
Sekretar des doppelten schweren Verlustes, welchen die Aka-
demie in letzter Woche durch den Tod des Hrn. Dirichlet
in Göttingen am 5. und des Hrn. Alexander von Hum-
boldt am 6. Mai erlitten.
Hr. Borchardt las über ein die Elimination be-
treffendes Problem.
Wenn man die Resultante der Elimination zwischen zwei
algebraischen Gleichungen mit einer Unbekannten aufsucht, so
pflegt man die ganzen Funktionen, welche die linken Seiten der
Gleichungen bilden, als durch die Werthe ihrer Coefficienten
gegeben vorauszusetzen. Diese Art der Bestimmung ganzer
Funktionen ist als diejenige Specialisirung der Interpolation an-
zusehen, die dem Zusammenfallen sämmtlicher Argumente, für
welche die Funktionswerthe gegeben sind, entspricht. Aber man
weils, dafs jedes Zusammenfallen mehrerer Argumente in der
Theorie der Interpolation, anstatt die Resultate zu vereinfachen,
sie verwickelter macht, und die leicht übersichtliche Gesetzmä-
[sigkeit der Ausdrücke stört.
Es war daher ein glücklicher Gedanke, der von Hrn. Ro-
senhain herrührt, die Resultante der Elimination zwischen zwei
Gleichungen p=0 und Yz=0 nicht durch die Coefficienten
P. vom 12. Mai 1859. 317
von. dz und &z sondern durch die Werthe darzustellen, welche
‚diese Funktionen für gegebene Argumente annehmen. Das von
demselben im 30sten Bande des mathematischen Journals veröf-
_ fentlichte Ergebnils ist von um so grölserer Bedeutung, als sich
die nämliche Art der Darstellung auf eine ganze Reihe anderer
Ausdrücke ausdehnen läfst und namentlich auf diejenigen, welche
sich bei der Entwicklung des Quotienten = in einen Ketten-
bruch ergeben.
Aber die Rosenhainsche Darstellung erfordert, dafs man
die Werthe der Funktionen z, Yz für eine Reihe von Argu-
menten kenne, deren Anzahl der Summe der Ordnungen von
$z und %z gleich ist, also in dem Fall, in welchem beide Funk-
tionen 'von der nien Ordnung sind, für 2n verschiedene Argu-
ente. Diese 2n a sind also nicht von einander
unabhängig, sondern n—1 derselben durch die übrigen n-+1
bestimmt. Die Rosenhainsche Formel kann daher nicht dazu
gebraucht werden, die Resultante der Elimination darzustellen,
wenn jede der Funktionen $z, Yz interpolatorisch gegeben ist.
Auf diesen Fall bezieht sich die gegenwärtige Untersuchung, sie
beschäftigt sich mit der Lösung folgender Aufgabe:
4 Die beiden Funktionen $z und \bz, jede n!e" Grades,
r sind durch die "Werthe gegeben, die sie für z=«,,
4 en es «@, annehmen. Durch diese zweimal rn +1
Funktionswerthe soll die Resultante der Elimination zwi-
schen den Gleichungen = 0, )z = ausgedrückt werden.
"In dem hier vorliegenden Fall giebt die, sogenannte abge-
kürzte Bezoutsche Eliminationsmethode die Resultante durch
die Coefficienten ausgedrückt. Nach der übersichtlichen von
Hrn. Cayley gegebenen Darstellungsweise des anzuwendenden
Verfahrens hat man den Quotienten
pzly — or lx
y—x
F (x, y)=
zu bilden und nach Potenzen von x und y zu ordnen. Ist
a; a g-
das allgemeine Glied desselben, so ist die Determinante D der
378 Gesammtsitzung
Coeffhicienten a,; (wo sowohl ; als %k die Zahlen o bis ni
durchlaufen) die Resultante der Elimination zwischen den Glei-
chungen dz=0, Yz=0.
Vermittelst bekannter Determinantensätze läfst sich die De-
terminante D so transformiren, dafs sie, anstatt durch die Coef-
ficienten a,;; , durch besondere Werthe der Funktion F(x,y)
dargestellt wird. Bezeichnet man mit F(x;,, y;) diese besonde-
ren Werthe (wo sowohl :i als % die Zahlen 1 bis rn durchlaufen),
mit D' die Determinante derselben und mit A(x,, &3,....%,)
das Produkt aller Differenzen der Argumente &,, &3....%
(jede Differenz so genommen, dals ein Argument mit kleinerem
Index von einem mit grölserem abgezogen wird) so hat man')
Dei ee nn Se
N ER N
In dem Fall der vorliegenden Aufgabe sind die Werthe von
px und Yx für ea & ....%„ gegeben. Unter Einfüh-
rung der Funktion
1) Es lälst sich beiläufig bemerken, dafs in der Transformation (1) zu-
gleich eine unmittelbare Verification der abgekürzten Bezoutschen EIi-
minationsmethode liegt. Diese Verification ergiebt sich, indem man die bei-
den Reihen von Argumenten 7,, 22 .... Zn und YmYr=**+./n mit den
Wurzeln ß,, ß2 ....®8„ der Gleichung $r=0 zusammenfallen lälst.
Unter dieser Annahme wird |
pe=B(«—B,) (@B2)....(@—B,)
Yx u Fe vB; r 1
px z fe PR; z—ß;
in Lß, 1 1
F(a,y)=—- "uch Ach SB; er: Be
also
F(ß,,B,)=— WB; WR;
F(ß; 9 Pr =0
wenn i von k verschieden ist. Die allgemeine Transformation (1) giebt da-
her, so angewendet, für D, abgesehen vom Zeichen, den Ausdruck:
B’NBıNVB2.... VB,
was die bekannte Eulersche Form der Eliminationsresultante ist. ’
’
vom 12. Mai 1859. 379
Je =(2—0,)(2&—a,)....(2—e,)
werden also die interpolatorischen Darstellungen von dx und Yx
Rn a
m u 17 x 0; i=0 fe; x—0;
und daher
zYyy— Yx
Fay-FI IE
y—x
a — 0% fx "fr
RR \ Er PARAT
Ka fa; for (pe; Ya; da, ba; BE x—d; Y-uJ- &r
wo über alle Combinationen zweier verschiedenen Gröfsen a,,
&; zu summiren ist.
Hieraus ergiebt sich für =«,, y=«a; oder a=a,,y=a,,
wenn i von k verschieden ist:
pe; Ya, — da; Ya,
Fe; ya) Fi, a)=ı— 22,
Gr: 0;
dagegegen für =y=a;:
34
a; de; Var — dba; ba;
Fa,,,)=— st. day babe
far Rp — 0
wo sich die Summe nach k über alle von : verschiedenen Werthe
erstreckt. Es ist daher
F(a;, «;) an Fa; , 0),
I; fe; F Ss; for
Führt man für je‘ zwei von einander verschiedene Zahlen i, k
aus der Reihe 0 bis n die Bezeichnung ein:
Baar be dar.
Varta (2; —e; ) en (2)
und setzt ferner
Wi) =— GE), (3)
wo nach k wiederum über ‘alle von z verschiedenen Zahlen aus
der Reihe 0 bis n zu summiren ist, so wird demnach schliefs-
lich:
380 Gesammtsitzung
F(a;,,)= fa; fa; .(ik)
F(a,u,)=f'u fo .(i) 3
Man bilde nun das System der (n +1)” Gröfsen (ik),
nämlich
(00) (01) (02). ...... (0n)
(0), Kt), (12):E 2, (1n)
(4) 2a) (2) 2... (2n)
(no) (HR) I)
ein System, welches erstens ein symmetrisches ist, so dafs (ik)
= (ki), und welches ferner nach Gleichung (3) die Eigenschaft
besitzt, dals je n-+1 in einer Horizontal- oder Verticalreihe
stehenden Elemente die Summe Null haben, so dals:
G@) + (tl) + ....FÜ)+....+(in)=0.
Hieraus folgt zunächst, dafs die Determinante n + 1“ Ord-
nung R aus dem ganzen mit (4) bezeichneten System ver-
schwindet. Es folgt überdies, dals die sämmtlichen Unterdeter-
R
minanten erster Ordnung von ZA, die Grölsen . einander
ı
SR a BAR IR e s
gleich sind. Man betrachte z.B. 300) d. h. die Determinante
desjenigen Systems, welches aus (4) hervorgeht, wenn die erste
Horizontal- und die erste Verticalreihe fortgelassen wird, und
das mit (5) bezeichnet werden möge. In dem System (5) ist
irgend ein Element der ersten Verticalreihe (i1), wofür man die
Summe
—- Sc) HE) + (3) + .... + (in)!
setzen kann. Wegen der übrigen Verticalreihen ist es erlaubt,
in dieser Summe die Glieder (2), (3) ..... (in) fortzulassen,
ohne dals sich der Werth der Determinante ändert, n bleibt
also sich selbst gleich, wenn man für jedes Element (i1) seiner
ersten Verticalreihe — (i0) setzt, d. h. es ist
OR” ROBe
d(00) 9K01)
vom 12. Mai 1859. 381
Ähnliches gilt, wenn man für die Indices 0, 1 zwei belie-
bige Indices setzt, und es sind demnach sämmtliche Unterdeter-
oR
(ik)
einander gleich. Diesen gemeinschaftlichen Werth der Unter-
‚determinanten, welcher mit A’ bezeichnet werde, braucht man
nur mit dem Quadrat des Produkts aus allen Differenzen der
Argumente &oy &ıy +... @, zu multipliciren, um die Elimina-
tionsresultante D zu erhalten.
In der That, man setze in der 'Transformationsformel (1)
ey me, mm... m mn
ergiebt sich
3 =+F(e,, BiYPtie. 8:)= 4 Aral
$Aaı, Dias tal diese &)%°.
Ar gt Z+()(2).... (nn)
der, indem man mit (fx) =(a,;— &0)? (es — 0)? ...(&,— x)?
"oben und unten multiplicirt,
oR
D= SA(ao, BR zeibcaie @)t? 500)
=$A(a, %; altern) @.)t? re
Setzt man der Kürze ‚halber
a=(a, —a0) (a2 —00) -.-- (m —a,_4), (6)
D=uR.
Den gemeinschaftlichen Werth AR’ der Unterdeterminanten
. : Eine) 2/5) Ar 1
on RA, mit (—1)” multiplicirt und in die 77 Elemente (ik)
gedrückt, wo i,k zwei Zahlen aus der Reihe 0 bis n sind
nd ?<%, bezeichne man mit (,1,....n)=S, so dals
(— 1)" n- CN =, et.) (7)
382 Gesammtsitzung
Um die algebraische Zusammensetzung dieses Ausdrucks S
kennen zu lernen, mufs man auf das früher betrachtete System
(5) zurückgehen, welches aus (4) durch Fortlassung der ersten
Horizontal- und der ersten Verticalreihe hervorging. Nimmt
man in (5) jedes Element mit entgegengesetztem Zeichen und
drückt die Elemente — (ii) der Diagonale durch die übrigen
aus, so geht (5) in das folgende System (8) über:
(10) + (MD) + ...+ (in), — (BD)... ..0.. — (1n)
— (21), (20)+ (21)-+(23) +... + (2n),- .. — (2n)
(8) (1) ==H(32]. se Aa VE — (3n)
27 — (n?2) 22.2... (0) +... + (nn—1)
dessen Determinante $ —__ ist.
Die den Index 0 enthaltenden Elemente kommen in (8)
jedes nur einmal vor und zwar in den Diagonalgliedern. So
findet sich (01) nur im ersten Gliede der ersten Horizontalreihe.
Geht man von (8) wiederum zu einem neuen System (9)
durch Fortlassung der ersten Horizontal- und der ersten Ver-
ticalreihe über und bezeichnet mit $’ die Determinante von (9),
so ist daher (01). S’ der Complex der Terme von S, die (01) ent-
halten. In (9) kommen die Indices 0 und 1 nur in den Diago-
nalgliedern vor, folglich nur in den Verbindungen
(20) + (21), (30) + (31), ..- »- (n0) + (nt).
Es ist daher zur Bestimmung der Determinante $S’ von (9)
hinreichend, ibren Werth in dem besonderen Fall zu kennen,
wo die Elemente (20), (30)... . (n0) sämmtlich verschwinden, da
sich aus demselben der allgemeine Werth von 8’ ergiebt, wenn
man an die Stelle von (21), (31)... .. (ri) die Summen (20)-+ (21),
(30) + (@1), » + - » (R0)+ (nt), oder, kürzer symbolisch ausgedrückt,
an die Stelle des Index ı das Aggregat der beiden Indices 0+1
setzt. In jenem besonderen Fall aber, wo (20), (30) . . . . (n0) ver-
schwinden, geht (9) in ein System über, welches, um eine Ord-
nung niedriger als das System (8), sich ebenso auf die Indices
ee ee
vom 12. Mai 1859. 383
1, 2,....n bezieht, wie jenes auf die Indices 0, 1,....n, des-
sen Determinante daher = (1, ,....n) ist. Folglich wird
| _=(+, 3% 3....n)
unter welcher aa Bezeichnung der Ausdruck zu ver-
‚ehen ist, in den (1,2,....n) übergeht, wenn an die Stelle
‚von jedem Element (iR) die Summe (0%) + (1k) tritt.) Man
hat also den für die hier betrachteten Ausdrücke fundamentalen
Satz, dals in
s= (0, 1,2... 45)
B.: Coefficient von (ot) der Ausdruck
(GE 2ckın)
ist.
Durch wiederholte Anwendung hiervon findet man weiter,
dals in
al, a 2
das Produkt (01) (02).... (0), wo ?<n ist, zum Coefficienten
den Ausdruck
((+1+...: +, i+l,....n)
hat, welche symbolische Bezeichnung in analogem Sinn, wie die
frühere, zu verstehen ist. Für i=n erhält man als Coeffhicien-
ten des Produkts (01) (02) .“. ... (0n) die Einheit.
Aus vorstehendem Ergebnils lälst sich eine Entwicklung
von S nach den Produkten der Elemente (0:1), (02) .... (0r)
bilden. Dieselbe besteht, da Glieder, die von allen diesen n
Elementen unabhängig sind, nicht vorkommen, °) aus einer ersten
Klasse von Ausdrücken, deren jeder nur eins dieser Elemente
als Faktor enthält, aus einer zweiten Klasse von Ausdrücken,
deren jeder ein Produkt von zweien dieser Elemente als Faktor
enthält u. s. w. Schreibt man von jeder Klasse nur einen re-
2) Hier ist A eine der Zahlen 2, 3,....n.
?®) Denn wenn man die Elemente (o:), (02)....(or) alle zugleich
erschwinden lälst, so geht (8) in ein dem (4) ähnliches System über, des-
Determinante verschwindet.
[1859.] 27
384 Gesammtsitzung
präsentirenden Ausdruck nieder, also von der %'n Klasse den fol-
genden:
(01) (02)... . (0%) Cy,
wo C, von den Elementen (01), (02). ... (02) unabhängig ist,
so ergiebt sich als Werth von C, der von dem Index 0 freie |
Theil des Ausdrucks (+1+....+% k+1,....n), d.h.
CG,=(1+2+....+%,k-+1,....n)
wenn k<.n, und
=
so dals man für $ die Entwicklung hat:
(0, 1,.£ 3-R)
= 3(M).f1, 2,....n)
+2(0) (2) (+3, 3,....n)
+..
en. en A k-h,....n)
+....
+ (01) (02)... . (0r)
Diese Entwicklung ist ausreichend, um die Ausdrücke S für I
alle Ordnungen zu bilden. Man hat nur nöthig, von der nie- I
drigsten Ordnung anfangend stufenweise zu den höheren aufzu-
steigen und erhält
(%, 1) = (01)
(% 1,2)= (01) (12) + (01) (02)
= (01) (02) + (10) (12) + (0) (2)
Die der bisherigen Untersuchung zu Grunde liegenden und
jetzt zusammenzustellenden Eigenschaften der Ausdrücke S, wel-
che zur Herleitung der obigen Entwicklung nothwendig waren 4
und für die vollständige Bestimmung jener Ausdrücke hinrei-
chen, sind die folgenden:
1. $=(0,1,....r) ist ein Ausdruck nt“ Ordnung der
Elemente (01), (02)....(0r), (12) etc., welcher bei Vertau-
schung von je zwei Indices ungeändert bleibt.
n.ntHi1
EEE
j vom 12. Mai 1859. 385
2. Der Coeffhicient des Produkts (01) (02).... (on) in S ist
= 1.
3. Es kommt in S kein Glied vor, das von einem der Indices
z. B. von 0 frei wäre.
4. Der Coeffhicient von (01) in S ist der Ausdruck
(+1, 2,....n).
Hierauf sich stützend ist man im Stande nachzuweisen, dafs
die Ausdrücke S einem einfachen Bildungsgesetz folgen. Um
dasselbe kurz in Worte fassen zu können, ist es zweckmäfsig,
vorher eine Unterscheidung in Beziehung auf Produkte aus einer
ns = 1
beliebigen Anzahl der en Elemente (01), (02).... (0), (12)
etc. einzuführen. Wenn ein solches Produkt eine Reihe von Ele-
menten enthält, welche dergestalt im Kreise angeordnet werden
können, dals jedes Element einen Index mit dem vorhergehenden
Element und den anderen mit dem folgenden gemein hat, d. h.
eine Elementenreihe von der Art der folgenden:
(ik) (ki)
(iR) (Kl) (1)
(ik) (kl) (Im) (mi)
u. 5 w.
so soll das Produkt ein cyclisches genannt werden, wonicht,
ein nicht-cyclisches. Dies vorausgesetzt, so wird die Bil-
"dungsweise des Ausdrucks S in folgendem Satz ausgesprochen:
Der Ausdruck
(-" D
m EZ
wo D die Eliminationsresultante der beiden Gleichungen
n'e Grades 9=0, Vz=0, und » das Quadrat des Pro-
a
A e
dukts aus allen Differenzen der Argumente &o, & 5 »..- &,
> . n.n—+i
2 läfst sich durch die are Elemente
s
.
, be; Ya, — Pa; Ye;
2 1 er
| 2) (A) Var
a
386 Gesammtsitzung
darstellen, wo ;, k zwei von einander verschiedene Zahlen
aus der Reihe 0, t,....n, und fe=(z—«,)(z—& ,)....(2_@,); sO
dargestellt ist er gleich der Summe aller nicht-
. . E B . 1
eyclischen Produkte, die aus je n jener in
Elemente (ik) gebildet werden können.
Zum Beweise des Satzes bezeichne man die Summe dieser
nicht-cyclischen Produkte mit
4.(05 1,12, .darm).
Dafs dieselbe die unter 1. und 2. aufgeführten Eigenschaf-
ten besitzt, ist einleuchtend. i
Um an der Summe 4 die Eigenschaft 3. nachzuweisen, ist
zu zeigen, dals wenn man den Index 0 ausschlielst, also n Indi-
ces und Z Elemente übrig behält, aus diesen ein nicht-
cyclisches Produkt von n Elementen zu bilden unmöglich ist.
Diese Unmöglichkeit wird für n Indices 1,2....n bewiesen, in-
dem dieselbe, wenn m<.n ist, für m Indices und Produkte aus
m Elementen vorausgesetzt wird.
Angenommen, für n Indices gebe es ein nicht- cyclisches”
Produkt von n Elementen und dasselbe enthalte den Faktor (12),
so muls es jeden der Indices 1,2 noch einmal enthalten, denn
käme der Index 2 nicht noch einmal vor, so wäre das übrig
bleibende Produkt ein nicht cyclisches n— 1!" Ordnung der n—A
Indices 1,3,4....r gegen die Voraussetzung. In dem betrach-
teten Gliede kommt also der Index 2 noch einmal vor, und zwar
nicht in der Combination (21) (denn sonst wäre der Cyclus 1 2°
geschlossen), also in einer neuen Combinalion, etwa durch das
Element (23). Aus denselben Gründen kommt: jetzt der Index 3
noch einmal vor und zwar nicht in der Combination (32) oder!
(31), (denn sonst wäre der Cyclus 23 oder der Cyclus 123 ge-
schlossen), also in einer neuen Conibination, etwa durch das
Element (34). Indem man auf dieselbe Weise fortfährt, erhält
man ein Produkt von n—1 Faktoren, welches abgesehen von
der Ordnung der Indices die Form
vom 12. Mai 1859. 387
(12) (33) ....(n—1n)
hat, und wie man jetzt auch den nten hinzuzufügenden Faktor
_ wählen möge, so wird durch denselben immer ein Cyclus ge-
schlossen.
Für n=2, wo es nur das eine Element (12) giebt, ist die
- Unmöglichkeit eines nicht- cyclischen Produkts zweier Elemente
; augenscheinlich, folglich gilt dieselbe nach obigem Beweise all-
) ‚gemein, d. h. wie man auch aus den Im Elementen
(12), (13)... (in), (23) etc. ein Produkt von n Elementen
bilden möge, so ist dasselbe immer ein cyclisches.
Biermit ist die Eigenschaft 3. an der Summe 4 nachgewiesen.
.Es bleibt jetzt noch zu zeigen, dafs die Summe 4 auch die
Eigenschaft 4. besitzt. Der in (01) multiplicirte Theil von
r
Ad hr, eu)
sei
F (01) B(0,1,....n),
wo kein Glied in B das Element (01) noch einmal enthalten
darf, weil sonst der Cyclus 01 geschlossen wäre.
+ Jedes Glied von 3 wird eine Anzahl von Elementen (0)
und eine Anzahl von Elementen (1%) enthalten. Dals beide An-
zahlen gleichzeitig verschwinden, ist nach dem vorhin Bewiese-
men unmöglich. Zwei Elemente (0%) und (1i) können nicht in
demselben Gliede von B vereinigt sein, weil sonst der Cyclus
01i geschlossen wäre. Man betrachte ‚irgend ein Produkt von
n Elementen, unter welchen (01) und (%) aber nicht (1) sei.
An die Stelle von (05) werde (1:) gesetzt, und das neue Produkt
heilse dem ursprünglichen zugeordnet, so leuchtet ein, dals zwei
zugeordnete Produkte zugleich cyclisch und zugleich nieht- cy-
clisch sind. Hieraus folgt, dafs der Ausdruck B die Elemente
(0), (1) nur in der Verbindung (0) + (1) enthält, wo z eine der
Zahlen 2,3,....r bedeutet. Der von dem Index o unabhängige
Theil des Ausdrucks 2 ist aber offenbar nichts Anderes als
All, nun),
folglich ist nach dem so eben Erwiesenen
B(,1,...n)=A(0+1,23,3,....n)
388 Gesammitsitzung
d. h. die Summe A besitzt die Eigenschaft 4. Hiermit ist die
Identität der Ausdrücke S und der Summen nicht-cyclischer Pro-
dukte 4 vollständig dargethan.
Es möge noch schliefslich angedeutet werden, wie sich mit
Hülfe der oben gegebenen Entwicklung des Ausdrucks S auch
die Gliederzahl desselben bestimmen läfst. Man vermehre in S
sowie in der Entwicklung von 8 jeden Index um i und setze
alsdann an die Stelle des Index z das Aggregat 0+1+....+5
welches der Kürze halber mit i’ bezeichnet werde. Der Aus- I
druck
(@’,dö+1,....i+n)
in welchen jetzt $ übergeht, heilse 7, seine Gliederzahl r, so ist
r=(ii+H1) iH-n+1)"".
In der That, die Entwicklung von 7', d. h. diejenige, in welche #
die frühere Entwicklung von S übergegangen ist, enthält Aus- F
drücke, welche dem Z ähnlich gebildet sind, für welche aber
die Zahlen :, n durch andere ersetzt sind und zwar n überall
durch kleinere. Indem man im Fall solcher Ausdrücke, die einem
kleineren an die Stelle von n gesetzten Werthe entsprechen, die
Formel für r als gültig voraussetzt, zeigt es sich, dals sie auch
für 7 selbst gilt. Für n=1 giebt aber die Formel den richti-
gen Werth r=i-+1, also ist sie allgemein gültig.
Für /=0 geht 7T in $ über und r in die Gliederzahl &
von S, welche durch die Formel
e=(n +1)""'
bestimmt ist.
Hr. Peters legte eine neue Schlange aus der Familie der
Uropeltacea, Plectrurus ceylonicus vor und fügte einige
Notizen über die hieher gehörigen Arten des K. zoologischen
Museums hinzu.
Pleetrurus ceylonicus n. sp.; scuto rostrali ad fronto-
nasalia extenso, supraorbitalibus nullis; squamis corporis per se-
ries longitudinales 18 dispositis; abdominalibus 154, subcaudali-
vom 12. Mai 1859. 389
bus 9; umbrinus vel violaceofuscus, Aavido adspersus, taenia la-
terali flavida irregulari.
Long. tota 0,193; cap. 0,007; caud. 0,0075; crass. corp. 0,006.
— Ceylon.
Das K. zoologische Museum besitzt aufserdem noch fol-
®
y
gende Uropeltacea:
1. Rhinophis oxyrhynchus Hemprich; die beiden Ori-
ginalexemplare, nach welchen Schneider seinen Typhlops
oxyrhynchus beschrieben hat, aus der Bloch’schen Samm-
lung.
2. Rhinophis homolepis Hemprich.
Diese beiden Arten, welche mir mit den beiden von Ke-
laart (Ann. Mag. Nat. hist. 2. ser. XIII. p. 28) unter der
Gattung Dapatnaya beschriebenen Arten übereinzustimmen
scheinen, sind von Hemprich in seinem „Grundrils der
Naturgeschichte”, Berlin 1820. pag. 119 ohne weitere Be-
schreibung aufgeführt und ist es mir nicht möglich gewesen,
irgend eine andere Stelle zu finden, wo die Gassung Rhino-
phis von Hemprich aufgestellt wäre; in den „Verhandlungen
der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin I.2.”, wel-
che von Wagler, J. Müller u. A. citirt werden, findet sich
nichts darüber. — Von Graf von Borck.
3. Rhinophis punctata Müller. Diese Artist, wie Du-
me&ril und Bibron bereits richtig erkannt haben, übereinstim-
mend mit Schlegels Pseudotyphlops oxyrhynchus (Abbil-
‚dungen Taf. 12.), wovon ich mich durch Vergleichung mit den
Resten des im hiesigen anatomischen Museum befindlichen Mül-
lerschen Originalexemplars überzeugt habe. — Durch Graf von
Borck.
R 4. Rhinophis philippinus J. Müller, Dum£ril et
Bibron, Erpetologie generale Bd. 7. pag. 154. — Ein Exem-
plar durch Hrn. Nietner aus Ceylon, welches beweist, dals
diese Art eine eben so weite geographische Verbreitung hat wie
Typhlops braminus.
x 5. Rhinophis Blythii Kelaart,Ann. Mag. Nat. hist. 2. ser.
vol. XIII. pag. 26. Ein schadhaftes Exemplar aus Ceylon.
390. Gesammtsitzung vom 12. Mai 1859.
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Comptes rendus de l’Academie des sciences. Tome 48, no. 9—15. Pa- /
ris 1859. 4.
Glasnik. Vol.X. Belgrad 1858. 8.
Monumenta saecularia. Herausgegeben von der Kgl. Bayerischen Aka-
demie der Wissenschaften. München 1859. 4.
v. Martins, Zrinnerung an Mitglieder der phys.-math. Klasse der Kgl.
Bayerischen Akademie der Wissenschaften. München 1859. 4.
v. Maurer, Zede bei der hundertjährigen Sliflungsfeier der K. Bayeri-
schen Akademie der Wissenschaften. München 1859. 4.
Almanach der Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften für das
Jahr 1859. 8.
P.v. Chlumecky, Des Rathsherrn Georg Ludwig Chronik von Brünn.
Brünn 1859. 8.
The quarterly Journal of the geological Society. Vol. XV, Part 1. 2.
London 1859. 8.
Address delivered at the anniversary meeling of the geological Society of
London. London 1858. 8. {
Clausius, Die Potentialfunction und das Potential. _ Leipzig 1859. 8.
Reichert, Der Bau des menschlichen Gehirns. 1. Abtheilung. Leip-
zig 1859. 8.
Claparede, De la formation et de la fecondation des oeufs chez les
vers nemalodes. Geneve 1859. 4.
Claparede et Lachmann, Etudes sur les infusoires et les rhizo-
podes. Livr.1. Geneve 1859. 4. i
Max Schultze, Zur Kenntnifs der elektrischen Organe der Fische.
2. Abth. Halle 1859. 4.
Schlielslich vernahm die Akademie voll Theilnahme ein
Schreiben ihres correspondirenden Mitgliedes, Hrn. Haidinger ;
in Wien, vom 9. d. M., in welchem derselbe die Trauer um
Alexander von Humboldt in warmen Worten ausdrückt.
Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 16. Mai 1859. 391
16. Mai. Sitzung der philosophisch -hi-
storischen Klasse.
Hr. Ranke las über den Fortgang der spanischen
- Kolonien in Süd-Amerika nach der Eroberung.
Hr. Bekker sprach über den Homerischen gebrauch
u U [77 Ps} a!
von or: und ö:rr, 0 re und öre, 2I2er%w und Saw.
J * ” u 4
or: ist das neulrum nicht von os rıs sondern von örız:
EEesca$ örıs cm 917
N
mn [7 wur u
Ezivov orısS Mo0L LerTev ar ETTETO e OR
4 u .. ® J .
orıs aber, aus os, wofür ja auch © gesagt wird
(8 pw Eu pgovenn Byoenr A:73
«a
zaı Suany." 0 yaa yv oi, anuwrsre 2 460),
und 7:5 zusammengewachsen zeigt seinen ursprung in der be-
deutung, die gewöhnlich nicht auf einen bestimten einzelnen
geht, sondern nah anstreift an & rıs
(dvSgwmous swurdov, Orıs Emiogaov cussen T 279, T-260
@rROS Orıs TomÜre Ye deln E49, «47, 4, 315
erıs P2 emc wurd” layron & 32
Orıs siptas eiraepieyraı mA0, 0188, m 228, v 188, 4,415, 66
drıs Ümoyeipios ern 0447
orıs oix arsysı = 307);
und seine selbständigkeit und einheit zeigt es theils in der de-
elination, welche die erste sylbe unberührt lässt
4 9
(erev z Ley gnlatvos 2.0 o 421
=
>.\ J WW.
YlaEDV orEWw gwoyrı zar w ARTATETVUGARRTW [0] 664
örwa #008 Tunes Te zereV4 SI 204
J 4 4 x m eu
oOTswv TE Tor Rat Yaıav IAYTAL z 39
N 1 2) zart > IE
YMEv Orzoısıv 2Udos Umeprepov eyyvarıcn
18° Erwas uwisnn O491—2),
theils in der verdoppelung des consonanten ')
*) die verdoppelung hat £r: gemein mit öroios und &röcos, formen die
vielleicht aus 55 zog und ös roc£s entstanden sind und ähnliche adverbien
gebildet haben, örws statt #5 ws und örov statt o) mau.
392 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
(örrı »e eins A294
örrı voroys A 543
Orrteo ce %oy a 124
Erreo Yorigwv e 121).
den endvokal kan örı so wenig elidiren wie r!: mit dem ı ginge
die verständlichkeit verloren.
anfangs pronomen wird orı oder örrı oft als conjunction ge-
braucht
(ip orı oi sus sim m 131
yıyınsaw 0° orı morAor Ev aüru daire riSevrau o 269
Y ouy, &rıs Orr Yuvarzas avarzıdag Hmegomsvsıs E 349
cida yag Orte zuz0r EV Emoryovran morsnoo A 408),
und pflegt dann an seinen ursprung zu erinnern durch anleh-
nung an ein demonstrativum
(oVde 70 ode — orrı mar ou Ödyvaıs E 406—7),
gerade wie die gleichbedeutenden ovvez« und #s
(zoressanevn 70 Ye Suao
ouvez ey Aavaoısı su 68 Towers aenysıs z 191
ereivmv MvrToua WE arudmAov ev "Agyeroısıv &geEev I 646),
und im widerspruch mit der orthographischen unterscheidung
beider bedeutungen, die auge und verstand mit ö, rrı oder ö rrı
erfreut, wie wenn guod das pronomen anders geschrieben würde
als guod die conjunction, oder che anders als che, que als que,
that als that. das ginge ja an trotz der einsylbigkeit: unter-
scheiden wir doch das und dals.
beide bedeutungen vereinigt auch das einfache °
(Kurapevr d ci ou rı ISarusın — Oiveis Seev 1534
ya 6° ’Oduseis 6 ol ou rı T2%os zarazaiarov y2Iev A439
obz dies 6 pe — Barev Alzs O0 248
und mit voraufgehendem demonstralivum oder nomen
Aslursers yag 70 YyE Tma&vTES ° 401 yegaes Eoygraı arm A 120
Tov mowiv d sa ou rı — ÖtEerm "Avdgonayn AAUrE Teuyen
P 207
yuwn SAlas — Eorya Sewv, ö ber TAEYYY MRYNS imı under zei-
“ gev Zevs 1119.
vgl. E433, 1493, T 144 und 421, 8 771, 1 540, u 295
und 375, v 340, g 545, r 543, $ 289, Y 220).
ä
a
Yon a übe
vom 16. Mai 1859. 393
daran hängt sich jenes noch wenig verstandene re, das der
prosa nur in @re &rre olos re und üsse geblieben ist, bei Ho-
mer aber auch den artikel (r« 7 «ra weg 229 und p 273),
die pronomina &s oie orov ersuv (#39) ris, und viele partikeln
begleitet (a2r«, au«e B 281 1519, «9 und aoc, Arag, al, yag,
5
de und ovde, eimep, eve, Emrei A 87, Y, %5 iva, zul, ara A218,
nev, 6Iev, 6Sı, re, Ws und ws ei):
Kworsvos 6 7 agıFoV ’Ayamv ovdev Erıras A 244
yıyıwazuw 0 7 avanzıs &yv Seos E331 (vgl. © 251, P 623,
E90 und 366, v 333).
solches © rz zu verwechseln mit der zeitpartikel öre ist auch
mir begegnet (A 412 und 518, 11 274 433 509, T 57) und liegt
um so näher als die zeitpartikel mit oid« und pzwyuc: verbun-
den wird wie curn mit memini:
morrazı az 70 — azoure EÜYoMEUFS, or ehyrSe A 397
ae eiöf yAauzumıs dr’ dv u margı nayırda © 406
Nds Ev yap Ors meodbawv Aavaoısın duuvev,
cd Ö2 vÜV Örs rous uw zudavı 3 71—2
Y oUx 0irO ore Öeugo Tarıg res i2sro deuyw m 424
Y oÜ 1atavn rs zeise zuryruSov wild.
ja wer mit eis © zev vergleicht eis &re zev r 144 und das voll-
ständige 2£ Erı roö öre 1106, auch &ws dere 9358 und zw y
örs (1588, M 437, 8 374, 8 180 und 477, v 322, / 43) in die
betrachtung zieht, dürfte zweifelhaft werden ob © re und re
ursprünglich irgendwie verschieden gewesen.
gewisser ist dals ° rs sein r nicht verdoppeln kan: was
einige grammatiker einer liquida zugestanden (Eviumeyagoısı,
0Swunrös, rosge), hat niemand je auf eine muta ausgedehnt.
was ist dann aber örr in örr 2S:rcıv o 317? weder dr: ist es
noch ö se, sondern eine unform, flugs zu beseitigen durch rück-
kehr zu der vorwolfischen lesart örrı SeAcıev. die hat allerdings
Aristarchs autorität gegen sich: aber Aristarch hätte schon A 277
an dem monstrum Il4s:8/.Se2’ inne werden sollen dals seine an-
nahme, Homer kenne nur 2S:%ew, nicht aber auch Serew, in
dieser allgemeinheit unrichtig sei. das verbum kömt über 230
mal vor, 80 mal in fällen wie arg &Sere, #garssıw EIeAsıs, wo
die dreisylbigkeit unzweifelhaft ist, und 40 mal etwa mit der
negation, oz 29eAsı, oöz 2SeRousn: niemand wird ouyı SFersı
’ { %
394 Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 16. Mai 1859.
versuchen oder oUzL Serousy, da ja ody: unhomerisch ist, ovx:
aber, das überhaupt nur 9 mal vorkömt, blos am ende eines
satzes steht, elliptisch, nicht wie das tonlose oder proklitische
oV angeschlossen an das folgende wort,
Ye za ouzi B 238 300 349, K 445, «268, 8 632, 2 493
I 7 ’ ’
y E E)] 2 \ Er;
085 7 wirıos 06 ve zur ouzi O 137:
I > ’ \ ER ! m
TOAN ira Te za oumi Y 259.°)
die so erwachsene mehrzahl, noch verstärkt durch 40maliges‘
4Serov neben 15maligem &Ss?ov, mag immerhin mals geben wo-
. * (e®, ’ . * . CH Ar
die wahl zwischen &Seru und S:rw beliebig scheint, is’ &Tere
. . ’ ER > > ] a) en)
(imperativ E 441), zavr' EIereı, ad EIersıc, 0° EIersıc, y EIe-
at ge » »@! > at n
Rom, 3 2IEAoıs, Fo EIEror, m 2 IeAsıc, © EIEAOvTe, ÖETUCIE EIE-
?Aoıs, darf aber weder der grammatik noch der metrik zwang an-
?) hätte sich eine so einfache bemerkung zu rechter zeit eingestellt,
so wäre zu O 716 nicht der name Bentleys unnützlich gefuhrt worden,
sondern in den text gesetzt, dort und II 762, ov r, und in die note zu
II 762 *ou rı: ouxt.
möge auf diesen anlass vergönt sein noch einige andre versehn mei-
ner ausgabe zu berichtigen. es ist zu selzen ;
band 1 s. 63 im columnentitel 4. und A für 3. und T A 50
or für more K 346 #odeoow, für rcdecow* M 286 Fei-
Auraı für FeAvaraı 454 al für 0 N 315 &dnv für @dyv
N 501 nach xarepzs ein komma 3, 106 &ueivovss für dueiuoveg
in der note zu A 315 x für xev zu M 239 E 267 für M 239
zu N 149 = für zupynösy — zu N 174 1683 für hie — Odyssea
zu N 759 ’Aöduovra für "Anduayre zu O (anfang) 1 für 2 und
343 für 344 zu T 159 142 für I42 s.518 2.6v.u
fehlt 359. vor Auurpov zu ® 172 lies nesoorayts: weosonaNts für
nersomaAts : nercomayss zu X 328 isdaseyov für acbapayou
zu # 22—3. 316 für 336 42. orepess für oreptus 68. 59 3
für 20 91. copcs für voßos 215. 215 für 25 491,
Kartipune: baro wöbov für baro wühov : uaripune band 2 s. 3 YIIO-
EESEIS für TOOEZEIZ ß 409 iepn für iege n 195 pec-
anyus für unsonyds #2 Aiöros für Alodos (und dazu als note 2, 44.
Alöros Arcad. p. 56 6: Aloros) & 353 WAns für van ” 307
öris für 6 is ") 314 AioAov für Alcao in der note zu &
252 trmaracınoaca für Eraracınca zu ß 82 nach ovre cf. 3 246
(wonach die note zu 92 wegfällt) zur 211 # für
zu o 238. 190 für 101 371. Z für £ zu p 347. mapelva
für rapelia
2 ELITE I
i
4
Gesammtsitzung vom 19. Mai 1859. 395
thun, sondern muss z. b. @ss« SernrSx und epga Seiyrov und
_ einige 40 ähnliche ausnahmen gestätten, wofern der Adonische
vers, womit der bukolisch cädirte hexameter schlielst, oben (s.
268) richtig schematisirt ist.
er GELTEND ERLERNEN EL ETE
19. Mai. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Mommsen las die Einleitung zu einer Aus-
gabe der unter dem Namen der vaticanischen Frag-
mente bekannten vorjustinianischen Rechtscompila-
tion.
Hr. du Bois-Reymond legte eine Mittheilung des Hrn.
W. Kühne, betreffend die Endigungsweise der Nerven
in den Muskeln und das doppelsinnige Leitungsver-
mögen der motorischen Nervenfaser, d. d. Paris 3. Mai
1859, vor.
1) Die Anschauung, welche die Wirksamkeit directer Mus-
kelreizung allein den intramuscularen Nerven zuschreibt, und
welche dem Muskel selbst sowohl eine eigene Irritabilität, wie
das den Nerven eigenthümliche Leitungsvermögen abspricht, ist
zugleich mit der Voraussetzung verknüpft, dals der Muskel in
allen seinen Punkten mit gleichen Mengen der reizbaren Ner-
vensubstanz vermischt sei. Die Verfolgung der motorischen
Nerven bis zu ihren letzten peripherischen Ausbreitungen ist
darum auch von Interesse für die Irritabilitätsfrage, welche durch
die nachstehenden Beobachtungen eine neue Entscheidung ge-
winnen dürfte,
Es ist schon von mehreren Histologen beobachtet, dals bei
manchen wirbeilosen Thieren die breiten motorischen Nerven-
fasern in das Innere der Muskelprimitivbündel eindringen, so
dals der directe Contact zwischen den Nerven und der contrac-
tilen Substanz mindestens als wahrscheinlich betrachtet werden
muls. Eigene anatomische Untersuchungen haben mir gezeigt,
dals auch bei Wirbelthieren, am Sartorius des Frosches, feste
Verbindungen zwischen den Nerven und dem Sarkolemma nach-
gewiesen werden können, wofern die Muskeln frisch und ohne
396 Gesammtsitzung
Druck bei starker Vergröfserung beschaut werden. Der Inhalt
des Muskelrohres ist aber bei Wirbelthieren zu undurchsichtig
um den Nerven jenseits des Sarkolemms weiter verfolgen zu
können, und damit ‘liegt die Aufforderung nahe das Experiment
zu Rathe zu ziehen, wo die optischen Hülfsmittel den Dienst
versagen.
Der Sartorius des Frosches erhält seinen sehr feinen Ner-
ven etwa an der Mitte seines inneren Randes in der Art, dals
derselbe sofort nach seinem Eintritt zwischen die Muskelbündel
in zwei Theile zerfällt, welche in fast parallelen Zügen mit den
Primitivbündeln nach zwei entgegengeseizten Enden, nach unten
und oben, verlaufen. Die früher als wahre Nervenenden be-
schriebenen Schlingen befinden sich an diesem Muskel nur hart
hinter dem Hilus, so dals die geringe Anzahl dieser Vorrichtun-
gen ausschliefslich als Plexusbildungen des Stammes zu betrach-
ten sind. Jenseits derselben beginnen die einzelnen Nervenpri-
mitivfasern sich gabelförmig zu theilen, um als secundäre oder
auch tertiäre Ästchen an die contractile Substanz heranzutreten.
So findet man das Verhalten bis nahe vor dem Ursprunge und
dem Ansatze des Muskels, einige Millimeter vor diesem Über-
gange der Muskelfasern in ihre beiden Endsehnen aber kann
auch bei der gewissenhaftesten Durchmusterung jedes einzelnen
Abschnittes keine Spur von Nervenelementen mehr nachgewie- -
sen werden.
Dennoch zuckt, wie bekannt, bei der Reizung des Nerven
jedes Mal der ganze Muskel, und es ist von Interesse zu zeigen,
dals der Nerv sogleich bei seinem Eintritt zur Herrschaft über _
die gröfste Zahl der Primitivbündel gelangt. Jedes noch so
kleine Muskelstückchen, welches die Technik dem eintretenden
Nerven anhaften zu lassen gestattet, geräth in Zuckungen, wenn
der Stamm des ersteren gereizt wird, sei es elektrisch oder che-
misch. Die wirksame Verbindung zwischen Nerv und Muskel
ist also nicht ausschliefslich an die beiden Enden des Sartorius
verlegt.
Da der Muskel eine Combination von contractiler Masse
und intramuscularer Nervensubstanz darstellt, so ist vorauszu-
setzen, dals die Erregbarkeit dieses Ganzen der Summe der Er-
regbarkeiten des Muskels selbst und des Nerven gleich sei, und es
vom 19. Mai 1859. 397
ist um so wahrscheinlicher dafs ein Muskel an Punkten, wo er
_ viele Nerven enthält, reizbarer sei, als an solchen, wo er deren
wenige oder gar keine besitzt, als kürzlich J. Rosenthal nach-
gewiesen hat, dals die Erregbarkeit des Nerven beträchtlich grö-
[ser als die des Muskels selbst ist.
Die Methode um die Erregbarkeit verschiedener Punkte eines
Muskels zu vergleichen ist sehr einfach; sie besteht darin, dafs
derselbe mit zwei um einen stets gleichbleibenden Abstand von
einander entfernten Elektroden berührt und mit dem Minimum
der zur Zuckung grade hinreichenden Stromesstärke gereizt wird.
In diesem Falle erreichen die Stromesschwankungen innerhalb
des Organs nur an den Orten, welche die Verbiudungslinie zwi-
schen den Elektroden bilden, denjenigen Werth, welcher zur
Reizung genügt, alle übrigen Punkte werden zwar mit davon
betroffen, die dort passirenden Stromescurven reichen aber nicht
aus um Zuckung auszulösen. Der Muskel kann also ganz par-
tiell gereizt werden.
Zur Abstufung der Stromesstärke bediente ich mich der Ver-
schiebung der secundären Rolle des Schlitten-Magnetelektromotors
von du Bois-Reymond, im Falle die Reizung statt durch
Inductionsschläge durch Schlielsung und Öffnung einer constan-
_ ten Kette geschah, des zur Nebenschlielsung angeordneten Neu-
mann’schen Rheochords.
Beim Aufsetzen der um 3”” von einander entfernten durch
zwei Platinspitzen gebildeten Elektroden zuckt jedes Mal nur das-
jenige Muskelbündel, welches direct gereizt wurde, wenn die die
Spitzen verbindende grade Linie parallel der Faserrichtung des
Muskels liegt, und wenn die eben hinreichende Stromesstärke
zur Reizung verwendet wird. Eine Ausnahme von diesem Falle
n tritt nur ein, wenn die Elektroden zu beiden Seiten des &intre-
_ tenden Nervenstämmchens liegen, oder wenn sie auf einer auch
_ anatomisch nachweisbaren primären Nervenröhre ruhen. Die
grolse Mehrzabl aller so erhaltenen Zuckungen ist fibrillär, die
_ einzelnen Muskelbündel zucken aber stets in ihrer ganzen Länge.
Für den Fall, dals die Linie zwischen den Elektroden den gan-
zen Stamm ni Nerven schneidet, erstreckt sich häufig die
Zuckung auch über den ganzen Muskel, im Falle, wo sie dage-
gen nur den Verlauf eines dem Hauptstamme entsprungenen
398 Gesammtsitzung
Astes betrifft, breitet sich die Zuckung nur auf eine beschränkte
Zahl von Muskelfasern aus, welche freilich an sehr wechselnden
Orten in der Breite des Muskels liegen können. Niemals aber
ergreift die Zuckung unter diesen Umständen alle Primitivbün-
del, so dals nie eine gleichmälsige Verkürzung des ganzen Sar-,
torius eintritt.
Schon bei dieser Anlegungsweise der Elektroden zeigt sich,
dafs an manchen Stellen des Muskels ein überaus geringer Reiz
genügt um Zuckung hervorzurufen, während häufig bei einer
ganz geringen Verschiebung der Elektroden derselhe Reiz nicht
mehr ausreicht, sondern erst bei einer ganz beträchtlichen Ver-
mehrung der Stromesstärke derselbe Erfolg wieder beobachtet
werden kann. Viel auffallender tritt dies hervor, wenn der Mus-
kel so über die Elektroden gebrückt wird, dafs alle seine Fasern
in senkrechter Richtung über die feinen parallel zu einander
stehenden Platindrähte laufen, so dals man durch Verschieben
des Muskels von der Nerveneintrittsstelle an bis zu dem oberen
oder unteren Ende hin alle Punkte nach einander zur unmittelbar
betroffenen Stelle macht. Nahe der geometrischen Mitte ist die
Erregbarkeit am grölsten, etwas weiter nach oben hin muls be-
reits die Stromesstärke um ein Geringes vermehrt werden, und
bei grolsen Exemplaren zeigt sich dann schlielslich * bei einer
4—5""” betragenden Entfernung von dem kurzen oberen sehnigen
Ursprunge an eine so plötzliche Abnahme der Erregbarkeit, dafs
eine beträchtliche Verlängerung des Neusilberdrahts am Rheo-
chord, oder eine starke Verkürzung des Abstandes zwischen den
beiden beweglichen Drabtrollen des Inductionsapparats nöthig
wird, um von diesen Theilen des Muskels aus Contractionen zu
erzeugen.
Die plötzliche Abnahme der Erregbarkeit des Sartorius nach
dem Ende zu ist nicht bedingt durch Veränderungen in der Gröfse
des Muskelquerschnitts, sie findet in gleicher Weise statt an dem
unteren spitzen Ansatze des Muskels, dessen geringerer Quer-
schnitt bei gleichbleibender Stromesstärke das Umgekehrte be-
wirken mufste. Auch an diesem Ende des Muskels muls die
Stromstärke im Vergleich zur Mitte vermehrt werden, wenn
Zuckung eintreten soll. 2
vom 19. Mai 1859. 399
Der Grund der erörterten Erscheinung liegt darin, dafs der
Sartorius nur in beschränkter Weise mit Nerven versehen ist.
Die Summe der intramuscularen Nerven bleibt in allen zwischen
© der Mitte und den Endpunkten angelegten Querschnitten nicht
dieselbe. Indem der Nerv vom Gerabrospinalcentrum nach der
F Peripherie hin an Erregbarkeit abnimmt, wird dieser Umstand
wieder ausgeglichen durch die Vermehrung der Angriffspunkte,
welche dem Reize mittelst der zahlreichen Nerventheilungen dar-
geboten werden, so dals die Erregbarkeit der Combination von
Muskel und Nerv für eine gewisse von der Nerveneintrittsstelle
nicht allzu entfernte Strecke nahezu dieselbe bleibt. Einige Mi-
y limeter vor den beiden Enden des Muskels aber haben die Ner-
venfasern ihr Ziel erreicht, das überschüssige Stück der Muskel-
Brniinint empfängt den Nervenreiz ausschlielslich von der
Mitte näher liegenden Punkten, wo die Nerven in wirksamer
Verbindung mit der contractilen Substanz verknüpft sind.
Der Beweis für diese Anschauung wird dadurch geliefert,
dals, bei der Wegnahme des Nerven aus dem Muskel, letzterer
in allen seinen Theilen gleich erregbar wird. Während ein auf-
steigender constanter Strom den Nerven des Sartorius hart vor
seinem Übergange in den Muskel durchllielst, nimmt die Erreg-
- barkeit desselben in allen Punkten, welche zwischen der Mitte
3 und dem Ende liegen, in beträchtlichem Grade ab, ausgenommen
v in den einige Millimeter vor dem Ansatze und dem Ursprunge
gelegenen Orten, auf welche der Elektrotonus des Nerven nicht
den mindesten Einfluls auszuüben vermag. Bei Vergleichung
der angewendeten Stromstärken zeigt sich dann, dafs der Reiz;
welcher nach der Nervenlähmung auch für die sonst erregbar-
sten Theile angewendet werden muls, übereinkommt mit dem
inimum des Reizes, welcher grade von der oberen nervenlosen
Ursprungsportion des Sartorius aus Zuckung erzeugt.
Ein fernerer Beweis für das Fehlen der Nerven in den End-
tücken des Muskels liegt darin, dafs gewisse chemische Verbin-
ngen, welche nur auf den Nerven erregend wirken, nicht aber
f die Muskelsubstanz selbst, bei directer Application an den
uskelquerschnitt nur dann Zuckungen erregen, wenn an der
Stelle grade Nerven eingebettet liegen. So giebt ein Sartorius,
- [1859.] 28
400 Gesammtsitzung
der mit seinem am oberen breiten Ende angelegten Querschnitt
in concentrirtes Glycerin getaucht wird, niemals Zuckungen,
selbst nicht nach stundenlanger Berührung. Benetzt aber das
Glycerin einen wenige Millimeter tiefer angelegten Querschnitt,
so treten nach kurzer Frist Zuckungen ein, welche zuletzt in
vollständigen Tetanus übergehen, der, wie an einem anderen Orte
nachgewiesen, ausschlielslich der Reizung intramuscularer Nerven
seinen Ursprung verdankt, da er durch aufsteigend im Nerven-
stamm flielsende galvanische Ströme beliebig zurückgehalten wer-
den kann.
Jeder Reiz, welcher von den beiden hart vor den End-
punkten des Sartorius angelegten Querschnitten aus Zuckungen
erzeugt, ist darum ein Muskelreiz; indem an diesen Orten nur
die reine contractile Substanz ohne alle Nervenelemente dem
reizenden Einflusse unterliegt, wenn dieser local auf den Quer-
schnitt beschränkt werden kann.
2) Der Sartorius des Frosches bietet ein vortreffliches
Object zur Demonstration der centripetalen Leitung der mo-
torischen Nervenfasern.. Da der Nerv in der Mitte dieses
Muskels eintritt, und von dort nach beiden Enden hin Zweige
abgiebt, welche sich der Art spalten, dafs ein und dieselbe Ner-
venröhre in zwei oder noch mehrere Äste zerfällt, welche ihrer-
seits ganz verschiedene Muskelprimitivbündel versorgen, so ist
es ohne weiteres klar, dals die doppelsinnige Leitung sofort er-
wiesen wäre, wenn es gelänge das peripherische Ende eines se-
cundären Astes für sich allein zu reizen. Der Nerv mülste bis
zur Theilungsstelle den Reiz eben aufwärts leiten, damit der-
selbe von dort wieder abwärts nach dem Muskel fortgepflanzt
werden könne.
Da es unmöglich ist eine einzelne Nervenprimitivfaser me-
chanisch zu isoliren, so muls der folgende Versuch, der auf das-
selbe hinauskommt, genügen. Ein grolser Sartorius wird mit
seiner unteren spitzen Sehne so befestigt, dals das obere breite
Ende nach unten hängt. Das herabhängende Stück wird, in einer
Ausdehnung von 6—7”" Einflüssen ausgesetzt, welche die con-
tractile Substanz zerstören, den intramuscularen Nerven aber erst
nach längerer Zeit vernichten. Es ist möglich, wenngleich sehr
schwierig, durch vorsichtiges Erwärmen in Öl von 40° C. oder
vom 19. Mai 1859. 401
rch Eintauchen in Salzsäure von 0,1°/, oder durch eine Lö-
sung von Schwefelcyankalium von 1°/,, auch selbst durch blo-
fses destillirtes Wasser, diesen Zustand herzustellen. Ist der
Muskel bis zu der bezeichneten Stelle abgetödtet und trägt man
nun Millimeter um Mil!imeter mit der Scheere von unten her
ab, so dals ein Querschnitt immer dem anderen nachfolgt, so er-
eignet es sich bisweilen, dals durch den Schnitt der Muskel in’s
Zucken geräth, so aber, dafs die Contraction nicht von der
Schnittstelle, sondern von der darüber liegenden Gränze be-
ginnt, wo die zerstörte Muskelsubstanz an das noch erregbar
erhaltene Stück stölst. Bei der Abwesenheit aller Nerven-
schlingen in diesen Partieen des Muskels, leidet es keinen Zwei-
fel, dals die Erregung einzelne der secundären Nervenästchen
traf, von welchen sie bis zur Theilungsstelle aufwärts und
von da abwärts in einen anderen kürzeren secundären Ast ge-
leitet wurde. Der einmal durch die Scheere blosgelegte Quer-
schnitt kann noch zu einem zweiten Reizversuche dienen, wel-
cher passend durch Benetzung mit concentrirter Kalilauge aus-
geführt wird. Dals nicht die todte Muskelsubstanz den Reiz
fortpflanzte, erhellt daraus, dafs die so entstehenden Zuckungen
nur fibrillär sind, und zweitens daraus, dafs chemische Reize,
welche nur die Muskelsubstanz erregen, nicht aber die Nerven,
wie Salzsäure in mälsiger Verdünnung oder Lösungen von
schwefelsaurem Kupferoxyd u. d.m., unter diesen Umständen nie-
mals Zuckungen hervorrufen.
L Da der Versuch in dieser Form sehr selten gelingt, so habe
_ ich einen anderen bereit, der fast nie ohne Erfolg angestellt
wird. Der eben so hergerichtete Sartorius wird in der Längs-
richtung von unten her 6—7”” weit durch einen in der Mitte
‚angelegten Schnitt in zwei Zipfel gespalten. Der eine Zipfel
wird auf eine feste Unterlage gelegt, während der andere da-
‚neben senkrecht herabhängt. Wird von dem letzteren nun ein
Stück nach dem anderen durch mit der Scheere geführte Schnitte
abgetragen, so zuckt der Muskel so lange nur in der Hälfte, in
welche der Schnitt gefallen, als man noch nicht zu einer Höhe
von 4—5”"
man man auf diese Querschnitte applicirt, wie HEl von 0,1°/,
28*
vorgedrungen ist. Alle chemischen Reize, welche
402 Gesammisitzung
verdünnte Kalilauge, Lösungen von Metallsalzen u. s. w. rufen genau
dieselbe Erscheinung hervor. So wie aber die Schnitte die an-
gegebene Grenze überschreiten, zucken fast jedes Mal einige in
der anderen Hälfte des Muskels befindliche Primitivbündel mit,
was man sehr schön an dem daneben ruhenden Zipfel beobach-
ten kann. Der Beweis, dafs auch hier das Zucken in der an-
deren Muskelhälfte durch erregte Nervenfasern zu Stande gekom-
men, liegt darin, dals nur solche Körper, welche den Nerven
erregen, das Resultat herbeiführen, während die reinen Muskel-
reize wirkungslos bleiben. Der nämliche Umstand weist auch
den Verdacht zurück, dals die Erregung nur zu Stande gekom-
men, indem die direct gereizte zuckende Muskelhälfte durch ihre
negative Stromesschwankung auf den intramuscularen Nerven
erst weiter zum Centrum hin gewirkt habe, so wie die noch
viel unwahrscheinlichere Vermuthung, dals die secundäre Strom-
schwankung der direct gereizten zuckenden Muskelbündel die
nebenliegenden Fasern der anderen Hälfte ohne Beihülfe der Ner-
ven zum Zucken gebracht habe.
Für das Gelingen des Versuches ist es gleichgültig ob die
innere oder die äulsere Hälfte des Sartorius gereizt wird.
Hr. Peters legte eine neue Gattung und eine neue
Art von Fröschen aus Caräcas vor.
Ranvz4 nov. gen. In Gestalt, Bau der Gliedmalsen, der
Schwimmhäute, des Ohrs, der Zunge, des Brustbeins und der
Sacralwirbel ganz mit Aana übereinstimmend, aber verschieden
durch den Zahnbau; die Zähpe des Oberkiefers sind so schwach
und wenig zahlreich, dafs man sie erst bei genauer Untersuchung
findet und am Gaumen fehlen sie ganz.
Ranula Gollmerii n. sp. Schnauze vorn abgestutzt;
Körper glatt, ohne deutliche Längswülste, dagegen eine stark
hervorragende Falte, welche vom Auge dicht am obern und hin-
tern Rande des Trommelfells verlaufend vor dem Oberarm bis
zur Brust herabsteigt.- Augenlid hinten quergefaltet; Trom-
melfell halb so grofs wie das Auge, Finger frei, Zehen mit fast
vollständigen Schwimmbäuten versehen. Unter den Gelenken
vom 419. Mai 1859. 403
der Finger und Zehen starke Knötchen und ein einziger unter
dem Metatarsus (der ersten Zehe). Choanen kaum so grols wie
Die Zunge ist verlängert und zeigt hinten zwei ebenso lange
Fortsätze wie bei den gewöhnlichen Fröschen. Farbe oben
zusanimenfliefsenden Flecken; der Schnauzenrand, ein Fleck hin-
ter den Augen, dunklere Flecke auf dem Rücken, auf der vor-
_ deren Extremität, Querbinden auf den hinteren Extremitäten und
armorirung am hintern Theil der Oberschenkel von schwarzer
Farbe.
R Ganze Länge 0,050; der vordern Extremität 0,028; der
hintern Extremität 0,080 M.
j Rana affinis n. sp. Dieser Frosch unterscheidet sich
von unserer Rana temporaria, mit welcher er durch die
Form des Körpers, der Extremitäten, des einfachen Tuberkels
am Hacken übereinstimmt, durch die Abwesenheit des Tempo-
ralfleckes und der Lage der beiden kleinen Gruppen der Vo-
merzähne, welche nicht hinter der Linie der Choanen, sondern
in der Mitte von diesen liegen. Er. ist vielleicht nur als eine
locale Varietät desselben zu betrachten.
Körperlänge 0,063; vordere Extremität 0,040; hintere Ex-
tremität 0,105.
Beide Frösche stammen aus Caräcas, wo sie von Hrn.
Gollmer gesammelt sind.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
FörstemannyAltdeutsches Namenbuch. Band 2. Nordhausen 1859,
4. (2 Ex.)
- Gerhard, Denkmäler, Forschungen und Berichte Lieferung 41. Ber-
lin 1859. 4.
Zeitschrift für Mathematik. Band 56, Heft 4. Berlin 1859. 4. (3 Ex.)
b Mittheilungen der k. k. Geographischen Gesellschaft. 3. Jahrg., Heft 1.
Wien 1859. gr. 3.
Bulletin de la societe geologique de France. "Tome 16, feuilles 15—23.
f Paris 1859. 8.
The American Journal of science and arts. Vol. 27, no. 80. New-
Haven 1859. 8.
404 Gesammtsitzung vom 26. Mai 1859.
Linati et Caggiati, Aecherches erperimentales sur les effets du cou
rant electrique appliqud au nerf grand-sympathique. Parme 1859. 8.
Officielle Berichte über die letzten Reisen und den Tod von Adolf Schlag-
intweit in Turkistan. (Berlin 1859.) 4.
Für die Mitglieder der Akademie waren Exemplare eines
Gedichtes eingegangen Honori et memoriae viri excellentissimi
illustrissimi Alexandri de Humboldt rerum naturae qua latissime
patet maximi et elegantissimi sacerdotis, unterzeichnet Dresdae.
Aug. Guil. Hedenus, und wurden mit Dank in Empfang ge-
nommen.
26. Mai. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Weber las über die Yajrasüci (Diamantnadel)
des Acvaghosha.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur-
den vorgelegt:
Monumenta Zollerana. 5.Band. . Berlin 1859. 4.
Gedenkwaardigheden uit de Geschiedenis van Gelderland, door J. A.
Nijhoff. Deel VI, Stuk 1. Arnhem 1859. 4. Mit Rescript des
vorgeordneten Ministeriums vom 23. Mai 1859.
Annales des mines. Tome 14, Livr. 4. Paris 1858. 8. Mit Rescript
des vorgeordneten Ministeriums vom 17. Mai 1859.
Paul Laurent, Z£udes Pphysiologiques sur les animalcules des infusions
vegetales. Tome II. Paris 1858. 4.
Adolphe Pictet, Les origines indo-europeennes. Partie 1. Paris
1859. gr. 8.
Bericht über die erste allgemeine Versammlung von Berg- und Hütten-
männern zu Wien. \Vien 1859. gr. 8.
Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg. Heft 8. Inns-
bruck 1859. 8.
Annales de chemie et de physique. Serie III. Tome 45. Paris 1859. 8.
Sitzung der phys.-math. Klasse vom 30. Mai 1859. 405
_ The Quarterly Journal of the chemical Society. Vol. XII, Part 1. Lon-
don 1859. 8.
Ati dell’ I. R. Istituto lombardo di scienze. Vol.I. Fasc. 13. 14. Mi-
lano 1859. 4,
30. Mai. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Beyrich las über das Vorkommen der Gonia-
titen bei Brilon.
— NEN
A ei RER
MENRUETE
brnch rn
WIRIR DET „ish B17S
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat Juni 1859.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg.
9, Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Parthey las über die iberische Halbinsel der
alten Geographen.
Hr. H. Rose berichtete über die Resultate einer Untersu-
hung des Hrm Heintz „über die Einwirkung des
Chloracetyls auf oxalsaure und bernsteinsaure Salze
nd des Succinylchlorids auf essigsaure Salze, so wie
über die Ätherbernsteinsäure und ihre Salze.”
Durch dieselbe wird die Angabe von Gerhardt und
hiozza bestätigt, dafs unter Umständen, wobei Doppelanhy-
ride ein- und zweibasischer Säuren entstehen könnten, nur Ge-
mische von den Anhydriden der ein- und zweibasischen Säuren
zeugt werden. Chloracetyl und entwässertes neutrales oxal-
aures Kali oder Bleioxyd liefern Chlormetall, Essigsäureanhydrid
d ein Gemisch von Kohlensäure und Koblenoxydgas. In die-
sem Falle wird also nicht Oxalsäureanhydrid gebildet, sondern
408 Gesammtsitzung
den Gase. Mischt man dagegen vollkommen trockne bernstein- |
saure Baryterde mit Chloracetyl, so bildet sich unter schwacher
Wärmeentwicklung Bernsteinsäure- und Essigsäureanhydrid. In
beiden Fällen wurde keine die Radikale beider Säuren enthal-
tende Verbindung beobachtet. — Läfst man Succinylchlorid, das
durch Einwirkung von Phosphorsuperchlorid auf Bernsteinsäure-
bydrat nach der von Gerhardt und Chiozza gegebenen Vor-
schrift von Hrn. Heintz dargestellt worden ist, und an dem
derselbe die Beobachtung machte, dals es bei einer Temperatur
von etwa 0° zu schönen tafel- oder blätterförmigen Krystallen
gesteht, auf essigsaure Salze wirken, so geschieht die Zersetzung |
und Bildung des Chlormetalls unter so heftiger Action, dafs sich
Essigsäurehydrat und ein brauner Körper bildet, welcher letztere
offenbar unter Wasserabgabe an das Essigsäureanhydrid, das sich
bilden sollte, aus dem Bernsteinsäureanhydrid, in das das Succi-
nylchlorid hätte übergehen sollen, entstanden ist. Mildert man
die Reaction dadurch, dals man das essigsaure Salz mit wasser-
freiem Äther schüttelt, ehe man das Succinylchlorid hinzufügt,
so bildet sich neben Essigsäureanhydrid Bernsteinsäureanhydrid,
nicht aber ein Doppelanhydrid der Radikale beider Säuren.
Bei der Untersuchung der Umsetzungsprodukte, welche bei
diesen Operationen gebildet werden, hatte Hr. Heintz das Es-
sigsäureanhydrid nebst einer geringen Menge des Bernsteinsäure-
anhydrids durch absoluten Ather extrahirt, und den Rückstand
mit absolutem Alkohol ausgekocht. Beim Eindunsten dieser Lö-
sung im Wasserbade blieb eine syrupartige Flüssigkeit, die auch
in der Kälte nicht fest wurde, in Wasser leicht löslich war, da-
her weder aus Bernsteinsäurehydrat, noch aus Bernsteinsäure-
äther bestehen konnte. Hr. Heintz hat darin die Ätherbern-
steinsäure aufgefunden. Diese Säure bildet sich in der That,
wenn Bernsteinsäureanhydrid mit absolutem Alkohol im Wasser-
bade längere Zeit erhitzt wird. Zugleich aber entsteht in der
Regel auch Bernsteinsäureäther. Aus diesem kann die Ather-
bernsteinsäure oder vielmehr ein Derivat derselben auch darge-
stellt werden. Wenn man ihn z. B. mit der äquivalenten Menge
Barythydrat und Wasser im Wasserbade so lange erhitzt, bis
alles Wasser verdunstet ist, so entsteht die ätherbernsteinsaure
Baryterde. i
vom 9. Juni 1859. 409
- Zur Darstellung der Ätherbernsteinsäure und ihrer Salze
dient folgende Methode. Man erhitzt das Bernsteinsäureanhydrid,
das in genügender Reinheit am leichtesten auf die Weise ge-
wonnen wird, dals man es in einer geräumigen Retorte bei so
gelinder Hitze, dafs fast nur Wasser überdestillirt, so lange
kocht, als noch reichliche Mengen Wasser übergehen und dann
den Rückstand in einen trocknen Kolben bei stärkerer Hitze
‚übertreibt, im Kolben mit absolutem Alkohol mehrere Stunden
im Wasserbade bis nur noch wenig Alkohol rückständig ist.
Die erhaltene Lösung wird mit Wasser gemischt, der sich etwa
‚abscheidende Bernsteinsäureäther mehrmals mit Wasser geschüt-
telt, und die wässrigen Lösungen mit Barythydrat schwach über-
sättigt. Der Überschufs des letzteren wird durch Kohlensäure
‚entfernt, die Flüssigkeit im Wasserbade zur Trockne gebracht
und mit absoluteın Alkohol extrabirt. Zur Abscheidung der letz-
ten Spur bernsteinsauren Baryts fügt man etwas Ather hinzu,
filtrirt und fällt dann den ätherbernsteinsauren Baryt mit Äther.
"Ganz auf dieselbe Weise können die Verbindungen der Äther-
bernsteinsäure mit Kali, Natron, Kalkerde erzeugt werden. Man
wendet dann zur Sättigung der rohen Säure kohlensaures Kali
oder Natron oder Kalkhydrat an.
Die übrigen Salze der Ätherbernsteinsäure, so wie diese
"Säure selbst, stellt Hr. Heintz aus dem Barytsalze durch Zer-
setzung seiner wässrigen Lösung mit der entsprechenden schwe-
_felsauren Verbindangen dar. Bei der Darstellung der letzteren
f Bird für einen Überschuls des Barytsalzes gesorgt, die nicht fil-
‚trirte Flüssigkeit unter der Luftipumpe zur Trockne gebracht und
mit Äther extrahirt. Beim Verdunsten des Äthers bleibt die
iur rein zurück. Zur Darstellung der Salze dagegen aus dem
Barytsalze wendet man einen geringen Überschuls des schwefel-
een Salzes an, dampft die Mischung ein, und zieht den Rück-
nd mit absolutem Alkohol unter Zusatz von etwas Äther aus.
En arch Verdunsten der Lösung erhält man die Salze der Äther-
_ bernsteinsäure rein. Das Silbersalz kann durch Fällung eines
ätherbernsteinsauren Salzes, das man in Wasser gelöst hat, mit-
telst salpetersauren Silberoxyds gewonnen werden.
Die Ätherbernsteinsäure ist eine farblose, nicht grade sehr
diekflüssige, syrupartige Flüssigkeit, die sich in Wasser, Alkohol
| 29°
410 Gesammtsitzung
und Äther in jedem Verhältnifs löst. In der Hitze zersetzt sie
sich nicht. Sie ist vielmehr destillirbar, ohne sich wesentlich zu
zersetzen. Durch Destillation einer Mischung gleicher Äquiva-
lente des Hydrats und des Äthers der Bernsteinsäure kann sie
nicht dargestellt werden.
Von den Salzen der Ätherbernsteinsäure ist das Silbersalz
schwer in Wasser und Alkohol löslich und nicht krystallisirbar.
Dagegen lösen sich das Natron-, Kali-, Talkerde-, Kalkerde-,
Baryterde-, Manganoxydul-, Zink- und Kupferoxydsalz leicht so-
wohl in Wasser, als in Alkohol auf. Einige sind zerfliefslich
und nicht krystallisirbar, wie namentlich das Kali-, Talkerde-,
Kalkerde- und Manganoxydulsalz, die endlich zu gummiartigen,
farblosen, durchsichtigen Massen erhbärten. In freilich unbe-
stimmbaren Krystallen kann das Natron-, Baryterde-, Zink- und
Kupferoxydsalz erhalten werden. Ersteres schielst bei der Fäl-
lung der Alkohallösung durch Äther in langen sehr zarten Na-
deln, das zweite bei derselben Operation in rhombischen Tafeln
oder flachen prismatischen Krystallen an. Beide können auch
durch langsames Verdunsten der wässrigen Lösung in Krystalle
verwandelt werden. Das Zink- und Kupferoxydsalz hat Hr.
Heintz nur auf diesem Wege in Krystallen erhalten können.
Die Zusammensetzung der genannten Salze der Ätherbern-
steinsäure kann durch die Formel ee: O* ausgedrückt
den er Sa GE ehrt also die Formel Cr ORAye
wer en, r aure SeliDs ge uhrt also dıe orme CH} .
Die untersuchten Salze fand Hr. Heintz alle wasserfrei.
Dafs man bisher die Ätherbernsteinsäure noch nicht darge-
stellt hat, beruht auf dem Umstande, dafs sie nur durch Einwir-
kung des Anhydrids der Bernsteinsäure auf absoluten Alkohol
entsteht. Wird Bernsteinsäurebydrat in absolutem Alkohol ge-
löst und im Wasserbade verdunstet, so bleibt eine feste Masse
zurück, die aus Bernsteinsäurehydrat. besteht.
vom 9. Juni 1859. 411
Hr. W. Peters legte eine neue von Hrn. Jagor im at-.
lantischen Meere gefangene Art der Gattung Leptocephalus
vor und fügte Mittheilungen über einige andere neue Fi-
sche des zoologischen Museums hinzu.
41. Leptocephalus acutirostris n. sp.
Körper zusammengedrückt, seine Höhe zur Länge wie 1:15.
Der Kopf hat eine zugespitzte Schnauze. Das Oberkieferende
ragt ein wenig hackenförmig nach unten gekrümmt über den
Unterkiefer hervor. Das Auge liegt ein wenig weiter von der
Schnauzenspitze als von der Kiemenöffnung entfernt hinter
und über dem Mundwinkel. Die Kiefer tragen sowohl oben
wie unten jederseits etwa 12 lange, grade, getrennt stehende
Zähne. Das hintere Nasenloch liegt etwa um einen halben Durch-
messer des Auges vor demselben. Die Rückenflosse ist um den
vierten Theil länger als die Afterflosse; die Schwanzflosse nur
4% Mm. lang und die sehr kleinen Brustflossen liegen unmittel-
bar hinter den ziemlich breiten Kiemenöffnungen. — Der im
| Übrigen farblose Körper zeigt eine schwarz punctirte Linie
längs des Bauches und längs der Rückenflosse.
Totallänge 0,198; Kopf 0,0066; Schnauze 0,003; Auge
0,0012; Körperhöhe 0,013; Entfernung vom After bis zum
- Schwanzende 0,023; Länge der Rückenflosse 0,029; Afterflosse
0,022; Schwanzflösse 0,0012.
4 Exemplare von Hrn. F. Jagor im atlantischen Meer ge-
fangen.
2. Scopelus Jagorii.n. sp.
Körperhöhe zur Länge (ohne die Schwanzflosse) wie 1:5; die
Länge des Kopfes ist etwas grölser als dieKörperhöhe. Augen mälsig
grols, °, ihres Durchmessers von der Schnauzenspitze, 2—2% dessel-
ben von dem hintern Rande des Kiemendeckels entfernt. Bauchflossen
liegen in der Mitte zwischen dem Kiemendeckel und dem Anfange der
ersten Rückenflosse. Diese letztere ist so lang wie die -Entfer-
nung des Auges vom hinteren Rande des Kiemendeckels und über-
ragt mit dem Ende den Anfang der 1% Mal längeren After-
fosse. Die strahlenlose Fettflosse steht um mehr als die Länge
ihrer Basis vor dem Ende der Afterflosse. Der After liegt um einen
Augendurchmesser vor der Mitte des Körpers. Die grofsen
Schuppen, deren 37 bis 38 in der Seitenlinie liegen, sind cy-
412 Gesammtsitzung vom 9. Juni 1859.
cloidisch; die Schuppen des Schwanzes sind kleiner. Farbe und
Zeichnung wie bei anderen Arten.
D. 10 (11). A. 20 (22).
Im atlantischen Ocean unter dem 19° 10 N. B., 25° 22 W.L.,
26° 6 N. Br., 24° 7 W.L. und 22° 4S. Br., 23° 50 W. L. Gr.
von Hrn. Jagor gefangen. 13
3. Lutodira (Chanos) elongata n.sp.
Körperhöhe zur Totallänge (mit der Schwanzflosse) wie
1:5%; der Kopf %, länger als die Höhe des Körpers. In der
Seitenlinie 90 Schuppen; 11 Reihen über und 13 unter dersel-
ben. Farbe silberig.
=
BAT TE VAT: AZ ENT
7
Auf den Sandwichinseln von Deppe gesammelt.
4. Sicyases fasciatus n. Sp-
Kopf und Körper abwechselnd dunkelgrün und gelblich
quergebändert. BRückenflosse über der Afterflosse und mit ihrem
Anfange diese vorn überragend, um die Länge ihrer Basis von
der Schwanzfllosse entfernt. Die grölsten Exemplare sind 50
Millimeter lang.
9,7: 8,0:
Aus Puerto Gabello von Appun.
9. Cotylis nigripinnis.n. sp.
Naslöcher, Mund, Zähne, Kiemendeckelstachel, Flossenstrah-
len wie bei C. Szannii, aber Rückenflosse länger. Oben
hellbraun, mit der Lupe betrachtet, mit schwarzen Punkten
besät, Rücken-, After- und Schwanzflosse schwarz. |
P222.D.,411.7 A356,
Ebendaher.
6. Poecilia reticulata n. sp.
Grünlichgelb mit einem schwarzen Netzwerk, dessen Ma-
schen den Rändern der Schuppen parallel liegen, am Bauche sil-
brig. Schuppen in 7 Längs- und in 27 Querreihen; obwohl
einige derselben durchbohrt erscheinen, ist doch keine deutliche
Seitenlinie zu sehen. Ganze Länge 39, Höhe 9, Länge des
Kopfes 7 Millimeter.
D. 8. A. 10.
Caracas; in dem Guayre-Flusse von Gollmer gesammelt.
Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 20. Juni 1859. 413
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Verhandlungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien.
8. Band. Wien 1858. 8.
Verhandlungen der physik.-med. Gesellschaft in Würzburg. 9. Band.
Heft 2. 3. Würzburg 1859. 8.
Neues Lausitzisches Magazin. Band 35. Görlitz 1859. 8.
Neues Jahrbuch für Pharmacie. 9. Band. Speyer 1858. 8.
Alti dell’ imp. regio Istituto veneto di scienze. Tomo IV, Disp.'6. Ve-
nezia 1859. 8,
Annali dell’ Instituto di Corrispondenza archeologica. Vol. 30. Roma
1858. 8.
Bulletino dell’ Instituto di corrispondenza archeologica. Roma 1858. 8.
Monumenti inediti. Vol. VI, Fasc. 2. Roma 1858. folio.
Bulletin de la societe geologique de France. Tome XV, feuilles 43—51.
Paris 1859. 8.
Revue archeologique. 16m annee, Livr. 1.2. Paris 1859. 8.
Proceedings of the Massachusetts historical Society in respect to the Me-
mory of W. H. Prescott. Boston 1859. 8,
20. Juni. Sitzung der philosophisch-hi-
storischen Klasse.
Hr. J. Grimm las über die göttin Freia.
Kaum sonst in unserer heimischen mythologie, deren bröckel-
hafte überlieferung genug dunkelheit und rätsel darbietet, ist
‚ etwas schwieriger und seltsamer, als das auftreten zweier göt-
tinnen, ‘die ähnlich klingende namen tragen, beide fast gleich
grosze gewalt besitzen und dennoch verschiedne verhältisse kund
zu geben scheinen. in der edda und bei den altnordischen dich-
tern sind sie als Frigg und Freyja aufgeführt, in andern näher
deutschen sagen heiszen sie Fricke, Frea und Fraue, um leisere
abweichungen, auf die es minder ankommt, hier vorbei zu lassen.
auch gehe ich jetzt nicht auf die etymologie dieser namen ein,
die ich bereits anderweit behandelt habe.
Frigg ist nun Odins gemahlin, die sich mit ihm in die her-
schaft theilt und neben ihm den sitz hat, die geehrteste aller
göllinnen. sie steht ihm gegenüber ungefähr wie Here dem
Zeus, im Grimnismäl wählen sich beide, er und sie, ihre eignen
414 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
schützlinge, auf die sie von Hlidscialf herab niederschauen und
deren geschicke eben darum einen ganz verschiednen ausgang
nehmen. Paulus Diaconus, indem er eine andere fabel erzählt,
nennt die göttin Frea und ausdrücklich Wodans ehefrau, die als
wiederum beide durch das himmelsfenster ihren blick auf die
erde richten, listig mit verschiebung des betts von seiner stelle'),
den Langobarden, ihren günstlingen den sieg zuzuwenden ver-
steht. Freyja hingegen, die schönste der göttinnen, nach der
wir bis auf heute den freitag, ahd. Friatac benennen und womit
dies Veneris verdeutscht wurde, hätte eigentlich in hochdeut-
scher mundart Frouwä, in gothischer Fraujö zu lauten, wie der
Merseburger segenspruch wirklich Früä gewährt, aber auch ags.
wurde derselbe tag Frigedäg ausgesprochen. sie ist schon dem
worte nach liebesgöttin, von frijön, skr. pri amare und ihr ent-
spricht der sl. name Prija. Freyr, ihr bruder, ist ihr in namen
und macht gleich, er würde auf gothisch Frauja geheiszen haben
und dieser ausdruck dauert als appellativum für den höchsten,
göttlichen herrn, gerade wie ahd. Fröho, Frö, ags. Freä, wo-
runter sich die heiden einen ihrer hehrsten götter dachten.
Aus mehr denn einer stelle erhellt, dasz Frigg und Freyja
als verschiedne göttliche wesen aufgefaszt wurden, Snorri, alle
asinnen aufzählend, nennt Frigg als die erste, Freyja als die
sechste; im Oegisdreckalied erhebt sich Frigg und nach ihr Freyja
gegen Loki; zu Balders feierlichem leichenbrand kam Frigg mit
Odin gefahren und dann Freyja auf ihrem besonderen wagen.
Friggs wohnung hiesz Fensalir, Freyjas aber Folkvangr.
Wenn aus diesem allem und noch aus andern zügen die
verschiedenheit beider göttinnen satisam hervorleuchtet und es
nothwendig erscheint, sie gesondert zu lassen, so vereinigen sich
doch andere bedeutende umstände zu der ansicht, dasz ihnen
ursprünglich nur eine und dieselbe gestalt unterliege.
Vor allem ist nicht zu übersehen, da sich sonst das ge-
schwisterpaar Freyr und Freyja, ungefähr wie Liber und Libera
parallel laufen, dasz nicht auch der Frigg ein gleichnamiger
männlicher gott zur seite steht. allerdings nennt uns Adam von
Bremen einen solchen Fricco, der jedoch nichts anders sein kann
*) Haupts zeitschrift 5, 2.
vom 20. Juni 1859. 415
‚als Frö oder Freyr selbst. ist demnach Fricco nur dialectische
abweichung des namens Freyr, so wird auch Frigg gleichbedeu-
tig scheinen mit Freyja, und die vermutung drängt sich auf, dasz
namen und mythen lediglich nach zeit oder ort von einander
gewichen seien. e
Sehr auffallen musz es, dasz nach Grimnismäl 14 Odin sich
mit Freyja in die gefallnen helden theilt, d. h. sie zu sich auf-
nimmt, da es doch beinahe nothwendig wäre, dasz er dies zei-
chen seiner macht zusammen mit seiner gemahlin Frigg ausübte.
auch sagt man von sterbenden kriegern, dasz sie zu abend bei
Odin oder bei Freyja gasten werden, niemals heiszt es bei Frigg,
so dasz augenscheinlich Freyja es ist, der die rolle einer genos-
sin Odins angewiesen war.
Weiter, Frigg wird genannt Fiörgyns mar, tochter des
Fiörgyn, eines alten naturgottes, der, wie sein name zu erken-
nen gibt, die erde vorstellte; es ist vollkommen angemessen die
göttermutter als erdgeborne zu fassen. Freyr und Freyja hin-
gegen sind kinder des Niördr, den wir wiederum unserer Ner-
thus, als terra mater, die auf altnordisch ebenfalls Fiörgyn hiesz,
gleichstellen dürfen. beide Frigg und Freyja haben augen-
scheinlich einen identischen vater, wie sollten sie nicht selbst
identisch sein?
Hierzu gesellt sich aber noch ein umstand, dem viel ab-
geht, um gehörig ins licht zu treten. man weisz dasz ein un-
terschied zwischen Asen und Vanen galt, zwei göttlichen stäm-
men, die sich anfangs befeindeten, zuletzt aussöhnten und einig-
ten. war vielleicht Frigg die asische, Freyja die vanische be-
nennung einer ähnlichen göltin? es folgte daraus von selbst,
dasz beiden, Asen und Vanen, auch eigenthümliche mythen von ihr
zugestanden haben können. die sitze der Vanen sind schwer zu er-
mitteln, doch sie müssen rückwärts der Asen, tiefer im Osten oder
Südosten angenommen werden, die Asen hatten sich bereits west-
lich fortbewegt. dürfte man den Gothen und andern im ver-
folg hochdeutschen stämmmen vanischen cultus, den Niederdeut-
schen und Scandinaven asischen beimessen? hier schlägt etwas
anderes ein, worauf ich gewicht lege. Freyja führte auf ihren
weiten zügen durch die welt, von denen ich gleich nachher
reden werde, manigfache namen, unter andern auch den von
416 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Vanadis, worin eine merkwürdige berührung mit der aus nach-
richten der Griechen und Römer bekannten thrakischen Bendis
vorbricht; dieser gegenstand will ausführlich besprochen sein,
was ich mir auf ein andermal vorbehalte. hat jene verbreitung
vanischer elemente irgend grund, so würde sich begreifen, warum
bei Paulus Diaconus Frea, in noch lebenden niederdentschen
volksagen aber frau Fricke und bei Adam von Bremen Fricco
vorkommen, unter den Gothen blieb franja, wie schon gesagt,
geläufige benennung des göttlichen herrn, selbst noch des christ-
lichen, im östlichen Scandinavien sehen wir bei Schweden und
Gothen Frö vorragen, während in Norwegen und Dänemark
Thor und Odin überwogen; auch bei uns Hochdeutschen läszt
die Straszburger formel den Frö dem Läzakere d. ı. Kerans =
Ansker = speergott Wuotan voranstehen.
Wir schreiten zu einem bedeutenderen, eingreifenderen ver-
hältnis, das der entfalteten ansicht noch mehr vorschub leistet.
oben wurde davon ausgegangen, dasz Frigg als Odins gemahlin
erscheint, in den altnordischen sagen ist aber verschiedentlich
und auf abweichende weise berichtet, dasz sie ihm untreue er-
wies. Snorri in Ynglingasaga cap. 3 meldet, während Odins
langer abwesenheit in fernen ländern sei das reich durch V& und
Vilir, seine beiden brüder verwaltet worden und als man an
seine rückkehr nicht mehr geglaubt habe, auch Frigg in den be-
sitz der brüder übergegangen. bald darauf sei jedoch Odin heim
gekommen und habe sich auch seiner Frau wieder bemächtigt.
weniger schonend erzählt Saxo, unter dessen hand die alten my-
then sich bereits vergröberten, aus dem Norden sei eine goldne
bildseule Odins nach Byzanz übersandt worden, diesem bild aber
habe Frigg durch schmiede das gold, um es für ihren schmuck
zu verwenden, abziehen lassen und sich nachher einem ihrer
vertrauten, dessen list jenes bild zerstört hatte, hingegeben.
Odin, über seiner gemahlin treulosigkeit zürnend, sei auszer landes
gewandert und habe sich den augen seines volkes eine zeitlang
entzogen. hier also tritt Odin erst nach dem unfall seine reise
an, während sie bei Snorri schon voraus eingetreten ist und erst der
anlasz wird, dasz sich seine frau von ihm abwendet. in vielen
anderen mythen ist Odin characteristisch als ein wandernder, zu den
völkern kommender gott dargestellt.
vom 20. Juni 1859. 417
k* Weit genauer und ausführlicher lautet aber eine in Olafs
_ Tryggvasons sage eingeschaltete nachricht von dem kostbaren
schmuck Brisingamen, wobei alsogleich auffällt, dasz dem Odin
nicht Frigg seine gemahlin, sondern Freyja als geliebte oder
friedel, fridla zur seite steht. Freyja war die schönste aller wei-
ber und wurde von Odin innig geliebt. eines tags war nun
oO
Freyja zu der thür eines unfern dem königshofe gelegnen fel-
sens gekommen, in welchem kunstreich schmiedende zwerge
hausten, in welchen leicht Saxos schmiede wieder zu erkennen
sind. sie sah wie diese ein kostbares goldhalsband gefertigt hat-
ten, das ihr in die augen stach. sie bot ihnen gold, silber und
andere schätze dafür, welches die vier zwerge zwar ausschlugen,
sich aber bereit erklärten ihr geschmeide abzutreten, wenn die
Echöne frau bei jedem von ihnen, der reihe nach, eine nacht
zubringen wolle. was sollte Freyja thun? ihr sinn war auf das
kleinod versessen, sie willigte ein und als vier nächte verstri-
chen waren, befand es sich in ihren händen. in den mythen
aller völker ist die liebesgöttin leichifertig und wie Freyja mit
- schmiedenden zwerge zu schaffen hat, war ja Aphrodite einem
schmiede vermählt.
An Odins hof war ein über alle andere menschen. verschla-
gener, listiger mann, der in nordischer sage unter dem namen
"Loki bekannt ist, und böses zu stiften die gröszte lust hatte.
dieser brachte bald heraus, dasz Freyja das köstliche halsband
erworben und was sie dafür gegeben hatte; er offenbarte alles
dem Odin und erhielt von ihm den befehl, sich um jeden
preis des halsbandes zu bemächtigen, und ihm nicht unter die
augen zu kommen, bevor er den auftrag vollführt habe. die sache
war nicht leicht, denn Freyja wohnte in einem schönen, fest
_ verwahrten gemach, in das niemand, sobald die tbür verschlos-
sen war, ohne ihren willen dringen konnte. Loki nahte sich
b% der kammer, fand sie geschlossen und wuste nicht, wie er hin-
ein kommen sollte. es war kaltes wetter und er begann zu
Eiern; er verwandelte sich in eine fliege, flog an alle schlösser
der kammer und fand nirgends ein loch; endlich spürte er einen
engen risz aus, in den man knapp eine borste wie in ein nadel-
öhr stechen mochte, darein schmiegte er sich und schlüpfte ins
gemach. er schaute spähend um und sah, wie alles schlief,
418 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Freyja mit dem band um ihren hals geschlungen im bette lag;
da nahm er die gestalt eines Aohes an, setzte sich auf Freyjas
wange und hackte ein, dasz sie erwachte, sich umdrehte und
wieder einschlief. nun verwandelte sich Loki in seine natür-
liche gestalt, löste der schlafenden das halsband ab, schlosz von
innen die kammerthür auf, entkam mit seinem raub und trug ihn
zu Odin. als Freyja frühmorgens aufwachte, die thür offen ste-
hen und das gute halsband entwendet sah, errietli sie leicht,
was geschehen war, gieng zu Odin und klagte über den dieb-
stal. unter welchen bedingungen der könig es ihr zurückzuge-
ben und mit ihr zu versöhnen sich bereit erklärte, berührt nicht
meinen gegenwärtigen gesichtspunct, es müssen darüber, wie
Fre,ja das ihr unentbehrliche, von Loki geraubte halsband wie-
der erlangte, abweichende, groszentheils verlorne sagen umge-
gangen sein, denn aus einer stelle in Skaldskaparmäl läszt sich
entnehmen, dasz Heimdall mit Loki um das kleinod stritt und
davon den beinamen menszkir, recuperator monilis, führte. wir
erraten gar nicht mehr auf welchen grund hin Heimdall sich in
den handel einzumengen berufen war. von einer freiwilligen
verbannung und reise Odins ist hier nicht die mindeste spur.
Wer verkennt, dasz in diesem bedeutsamen mythus Freyja
vollkommen identisch erscheint mit Frigg in den vorausgehenden
dürfligeren erzählungen? zwischen gemahlin und friedel tritt
kein wesentlicher unterschied ein; man möchte wiederum an-
nehmen, dasz auch hier die asische Frigg und vanische Freyja,
die Vanadis, Vanagod einander vertreten.
Damit nicht genug. Snorri wuste und meldet sowol in
Gylfaginning cap. 35 als kürzer in Ynglinga saga cap. 13, dasz
Freyja einen gemahl namens Odr hatte und mit ihm Hnoss und
Gersemi zeugte, dasz er aber weit weg in fremde länder wan-
derte, Freyja in thränen zerflosz und goldne zähren weinte, sie
zog ihm nach um ihn aufzusuchen und führte unter unbekann-
ten völkern mancherlei namen, die die edda nennt. das gold
heiszt der dichter Freyjas weinen oder thräne. in dieser fabel
ist von Odin gar keine rede, so wenig als von Frigg in der
vorhin mitgetheilten, es wird verschwiegen, warum Odr frau und
kinder verlassen und sich verbannt habe, eine vermeinte oder
wirkliche untreue seiner frau musz die ursache gewesen sein;
wi
Y
Ha
vom 20. Juni 1859. 419
"man sieht klar, dasz Friggs treulosigkeit und Odins exil zusam-
menfallen mit dem, was hier von Freyja und Odr erzählt und
durch den begütigenden zusatz ergänzt ist, dasz die vermuthlich
untreu geglaubte gattin ihrem heiszgeliebten gemahl in den bann
nachzieht, wie in den märchen geliebte ihren liebhaber unermüd-
lich in der ferne aufsuchen. darf man nicht folgern, wenn Odr
ein und derselbe ist mit Odin, dasz wiederum die Vanen den
Odin einfacher Od nannten?
Bisher habe ich fast lauter altnordische überlieferungen an-
geführt und daraus einige gesichtspuncte zu leiten getrachtet,
unter welchen sich bisher gangbare vorstellungen ändern und
erweitern. nach deutschen, in unsrer heimat geborgenen götter-
mythen hat bis noch nicht lange her niemand gefragt. seit man
aufınerksam geworden ist, sind plötzlich, in lebendiger volkssage und
in abergläubischen segensformeln, unleugbare spuren des heidni-
schen Wuotancultus aufgetaucht, die bei unsern dem alterthum viel
_ näheren dichtern des mittelalters zugescharrt liegen, nur in dem ein-
zigen göttlichen Wunsch liesz sich ein gott wiedererkennen, wie der
einäugige, breithutige manteltrüger selbst den eingang des alten
Ludwigliedes noch erklären helfen musz. es scheint merkwür-
dig, dasz bei Alemannen und Burgunden Wut für Wutan ge-
braucht wurde und dasz Wuotans wilde jagd in Schwaben nicht
anders als Wutesjagd heiszt; ich finde in den so eben herausge-
kommnen mythen des volks in Österreich von Vernaleken s. 24,
dasz man einen tölpel, der den hut tief in die stirne drückt,
mit dem zurufe Wut! neckt. dies Wut statt Wutan entspricht
genau dem eben behandelten Od statt Odin, denn das r in Odr
drückt blosz den männlichen nominativ aus.
Allein diese wahrnehmung will wenig gelten gegenüber einer
bedeutsamen in Schönwerths reicher und werthvoller sammlung 2,
312 —314 aufgezeichneten oberpfälzischen sage von Woud und
Freid. das nördliche Deutschland weisz mancherlei zu erzählen
von frau Fricke oder frau Frecke, der göttermutter, stellt sie
‚doch nirgend als Wodens gemahlin auf.
Es war einmal ein herscherpaar mit groszem gebiete, in der
zauberkunst wol erfahren, selbst die elemente waren ihnen un-
terthan. er hiesz Woud, sie Freid. der könig war ein gewal-
tiger mann mit langem wallenden barte, sein auge so feurig
420 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
blitzend, dasz menschen welche hinein blickten, darob erblinde-
ten. gewöhnlich gieng er nackt, nur an der hüfte bekleidet,
gehalten wurde das hüftkleid durch einen endlosen gürtel, an
diesen gürtel war die herschergewalt gebunden: so lang er ihn
trägt, herscht er, entwendet werden kann er ihm nicht, denn
hüften und schulter sind so breit, dasz der gürtel sich nicht ab-,
ziehen läszt. so oft Woud zum herschen gieng, hieng er einen
mantel um, der ihn ganz einhüllte.
Seine gemahlin war das schönste frauenbild, sie trug ein
hüftenkleid gleich ihrem galten, aber die haare so reich und |
lang, dasz sie sich darin ganz verhüllen konnte. Freid trank nur |
wasser aus der quelle, Woud eine art wein. wenn sie sich
bückte über der quelle, um mit der holen hand wasser zu schö-
pfen, erglänzte ihr haar wie die sonne und ihr arm wie schnee.
Sie wurde eifersüchtig, sie fürchtete dem feurigen gatten
nicht zu genügen, in ihrer leidenschaft gieng sie zu kunstreichen
zwergen. diese arbeiteten ihr einen halsgürtel, der die kraft
hatte, dasz wer ihn trug alle herzen bezauberte und den gelieb-
ten nie in seiner treue wanken liesz. duch muste sie sich den
zwergen zum lohne ergeben.
Mit dem schmucke angethan fesselte sie den gatten in liebe,
bis er erfuhr um welchen preis sie das halsband erlangt hatte.
da entwich er von ihr. als Freid am morgen im belte er-
wachte, streckte sie die hand aus nach dem gatten. Woud war
nicht da, sie fuhr mit der hand an den hals, das geschmeide
fehlte. namenlos unglücklich machte sie der verlust des schmuckes
erst recht in liebe zu Woud entbrennen. sie eilte dem flüch-
tigen nach in viele länder lange jahre. wenn sie abends ermü-
det von der fahrt sich niedersetzte, weinte sie in ihren schosz
und jede thräne ward zu einer perle.
Endlich als die zeit um war, traf Freid den Woud, klagte
ihm ihr leid und wies auf die um ihn geweinten perlen, und er
zählte die perlen und ihrer waren gerade so viel, als der stern-
chen im halsgeschmeide. da ward er erweicht und reichte ihr
zur versöhnung den schmuck. weit sei er umgewandert, aber
keine habe er gefunden ihr gleich an schönheit, so habe er ihr
die treue bewahrt.
vom 20. Juni 1859 421
Neulich besprach ich das vier göttinnen und den einäugigen
herrn, d. i. Wuotan nennende schlummerlied, auch der spruch
von Balders verrenktem fohlen enthält vier namen von göttin-
nen, drei von göltern. starken glauben an die möglichkeit
treuer fortpflanzung uralter überlieferung begehrt auch die aus-
‚gehobene sage. wer überall zweifel einträgt, sich von jeder
combination abwendet, ausgenommen die trockne, dürre, wird
hier nichts sehen als ein plagiat aus der edda mit absichtlich
versteckenden änderungen. ich bat den herausgeber, den schon
die grosze fülle und ganze art und weise seiner sammlung gegen
verdacht schützt, um einige nähere angaben über die entnahme
eines so belangreichen überbleibsels aus dem munde des volks.
er schrieb mir: die sage von Woud und Freid habe ich von
meiner frau, die aus Neuenhammer gebürtig ist. eine alte kinds-
magd aus dem orte, welche 24 jahre lang die kinder im herren-
hause aulzog, war eine fundgrube von märchen und sagen und
konnte den aufgewegkten mädchen nicht genug erzählen. das
treue gedächtnis meiner frau bürgt mir dafür, dasz ich nur
"wahrheit erhielt, so wie die art meines forschens, da ich mich
"hüte in die leute hinein zu examinieren. auch habe ich zu wei-
terer beruhigung mir öfter nach längern zwischenräumen diese
sage wiederholen lasseu, die erzählung blieb stets dieselbe. wol
hatte sie manches vergessen, wie die länder, welche Freid durch-
zogen und die abenteuer, die sie auf der wanderung durchlebt.
doch war ich schon des kleinen bruchstückes froh, ob ich es
‚ergänzen oder sonst noch vorfinden werde, weisz ich nicht, die
gegend von Neuenhammer ist jungfräulicher boden.
% Neuenhammer liegt in der bairischen Oberpfalz, unweit der
"böhmischen grenze, in abgeschiedner, stiller gegend, eine angabe
der länder, welche vor alters die wandernde göttin durchschrit-
ten hätte, müste sich seltsam ausnehmen. Freids begier nach
‚dem geschmeide und wie sie es von den zwergen erwarb, konnte
"hervorstechen und in der sage haften. wer aus der edda ent-
wendet hätte, würde schwerlich des Loki und seiner verwand-
dung in fliege und floh entraten haben, das sind ‚züge, die ein-
‚mal feststehend sich nicht verwischen, mythol. s. 951 sind schon
ähnliche hinzugehalten. dasz Freids schönheit, wenn sie sich
‚mit der hand wasser schöpfte, leuchtete, gemahnt an die eddi-
422 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
sche Gerdr, von deren armen luft, land und wasser glänzte, als
sie aus dem haus gieng, die thür öfnete und schlosz, bei wel-
chem anblick Freyr sich heftig in sie verliebte. was von Freys
geliebter gilt, lenkt sich hier auf seine schwester. wie einfach er-
scheint die angabe des wassertrankes für die göttin, des methes
für den gott, denn melh wird unter dem zu verstehen sein was
“eine art weins' heiszt.
Noch bedeutsamer klingt dieser göttlichen wesen nacktge-
hen, gerade wie Tacitus alle Germanen unbekleidet (intecti) er-
scheinen läszt: nec alius feminis quam viris habitus, nudae bra-
chia ac lacertos, sed et proxima pars pectoris patet; so weit
zurück in die alte tracht versteigt sich kein dichter des mittel-
alters mehr. doch der weite mantel hüllt anständig den her-
scher und dieser mantel war sogar Wuotans kennzeichen. die
göttin wird in ihr schönes, langes haar gehüllt, ganz wie das
nackte Marienkind. groszes gewicht liegt auf dem gürtel Wouds
um seine hüfte, unverkennbar der nordischen megingiörd, wie
sie die edda dem Thor beilegt, wodurch seine göttliche macht
(äsmegin) um das doppelte wächst. dergleichen krafterhöhende
gürtel begegnen auch sonst in den dichtungen, in einem nor-
wegischen märchen sieht ein knabe ein blaues band am wege
liegen, das er aufhebt; sobald er es umgürtet hat, steigt seine
macht augenblicklich so, dasz er felsen heben und niederstürzen
kann. gleicht dieser gürtel, an den Wouds herschermacht ge-
bunden ist, nicht des Zeus goldner kelte (seı25 Xoureiy), woran
sich gölter und göttinnen hängen könnten, ohne dasz sie ver-
möchten sie vom himmel nieder zu ziehen, mit der aber Zeus
alle andern gölter, erde und meer emporzöge? wir haben zu
dem gürtel ein griechisches ebenbild gefunden, Freyjas Brisin-
gamen entspricht noch deutlicher der HEITOs imas morzıRoc, iM
dem Aphrodites liebreiz enthalten ist und dessen sie eben so
wenig entbehrt als Freyja, die nordische liebesgöttin, des hals-
bandes. wenn diesen gürtel Aphrodite einmal der Here lieh, so
hätte er auch von Freyja übergehen mögen auf Frigg, wie hier
Here und Aphrodite berühren sich Frigg und Freyja, die wir an-
deremal ganz zusammen fallen sehen. Beachtenswerth scheint,
was Stalder 2,515. 516 angibt, dasz die Schweizerinnen ihr
gürtelband “die freude nennen, Freyja heiszt hier Freid und
vom 20. Juni 1859. 423
unser freude reicht unmittelbar an frau, wie das skr. pri amare
und exhilarare ausdrückt. perlen und thränen sind eine allbe-
kannte vorstellung und vergleichung, die edda setzt an die stelle
der perlen gold, in den märchen werden rosen, edelsteine und
perlen gelacht oder geweint.
Genug gesagt ist, um den ungemeinen werth einer aus tie-
fer vorzeit nachhallenden sage hervorzuheben und glaublich zu
machen, dasz auch in ihr vanische bestandtheile im gegensatz
zu den asischen an den tag treten.
Hr. Bekker gab noch einige beispiele von wörtern die
bei Homer ein e zu anfang bald haben bald nicht
haben.
Aristarch las 094 oios zeivov Suuss für Zxeivov, "Ieric.
soll das heilsen “wie die Ionier sprechen” und nicht “darum weil
die Ionier so sprechen”, so nehmen wir die o 212 wiederkeh-
rende und durch fälle wie 2171 za: yag zeivw und E70 zer
Yag zeivos gestützte lesart, als willkomne bestätigung des s. 259
—60 nachgewiesenen vorrechts des spondeus auf die erste stelle,
gern an, geben die übereilten änderungen 3 262 £ 272 und
&491 auf, und enthalten uns ähnlicher, wie oft sie sich auch
anbieten die versglieder inniger mit einander zu verbinden und
dadurch dem allzu üppigen wuchern der dreitheiligen verse
(8. 264) zu steuern: vgl. A 266, E 604 und 648, 1312, M 348,
N 232, = 250, 0148, Y 858, 290, & 177 und 199, % 116,
8152 519 731 739, 2 166, ı 456, » 437, ?429, #106 und 258,
„418, E42 153 156 283, 0181 und 361, = 376, g 110 243
921, # 201, » 313. solches anerbieten wird überdies schon da-
durch bedenklich dafs es meist den amphibrachys einführt oder
anhäuft (z.b. A 418 und » 90 ara W ixewe Marısre), denje-
nigen wortfuls der mit seiner unruhigen beweglichkeit, seinem
Kurzathmigen aufhüpfen und umknicken, von allen am wenigsten
palst in das sranıuWrarov za Oyamdssrarov ruv Kergwv. auch
die bukolische cäsur führt öfters die zweisylbige form herbei:
neiven TE ME Aeivov avuyas o 346
sUas zur zewa duragwv 2 593.
[1859.] 30
424 Sitzung der ‚philosopkisch-historischen Klasse b
dagegen am: schluss des hexameters steht nicht allein, was
kaum zu vermeiden war, audıs Exswun &352, Ev Ezswg y 103,
alu izeww 8 183, ö5 rıs &zeivou E 163, 06 zev Ersivmu m 322, zig
#ev treive yA13, oios &xeivos A 653, Y meg &xeivov 8.819, Erw.
Erewos 1 63, avrıaseins Exeivw a 147, Vreögnsrüges ezeivav 0 330,
sondern auch örror Zxsivau» 1646 und op av 2zei9ı (nicht
Obow #e ze, wie doch £ 124 Opec ze zeivr). wonach kein
zweifel bleibt dafs % 188 sich reuye Ezeivo: gehört für rsuyse
#ewo, & 212 und 5 112 E12 Exeivos für Zus #Eivos, u 265 Ba
Eustvos für dxryraro zeivos. Yuarı zevw (B 37 und 482, 3 324,
® 518) und sinerı zeivouv E 501 macht die im gebrauch aller dative
des singulars dritter declination begründete ausnahme.
die adverbien zeiI%ı zeiss z:1:Sev kommen nur zu anfang oder
mitten im verse vor, adverbien und pronomen zusammen ungeg
fähr 170 mal zweisylbig auf 30 mal dreisylbig.
Wie: 2zswos zu zeiwvos, so verhält sich EvegIev zu veoYev.
Evep>ev, steht sicher im ausgang
aymavos EvsoQev A 252
Swanzos EusgDev A 234
Sosigusev EvegQev 1385
und auch wohl, aus gleichem grunde mit ?zeivos, mitten im
verse
raw 8 EvsgQe N 75
1rorupes ws 0 EvegIe 5.274 |
udboSer aurag EvegTe 21,7 N
Teumavn" ader EvepIev ı 385, v
muss aber in der zweiten stelle, nach einem trochäus, der zwei-
sylbigen. form weichen ;
ToFTou vg" ’Alden - © 16, R
um übereinzusiimmen. mit
0. zer vegSev ? 301 und j
Pr 2 vegregar 0 225; cf. = 204.
sonst findet sich v£gSe noch zu anfang (A 535, I 347, x 500)
und in der bukolischen cäsur (H 212, A 282, N 78, X 452,
v 392).
Auch vor manchem digamma erwartet ein zu und ab tre-
tendes e noch seine regelung.
%
vom 20. Juni 1859. 425
© es ist in der ordnung dafs neben Fsis«ro auch ZFeiraro
vorkömmt, jenes in der ersten und fünften stelle (B 791 und
$283'); 781, 2319, « 283, v 352, r 283; in der vierten nur
einmal, N 191), dies in der vierten (1645, & 320, e 398 und
442, 284 und 343, 5 295, 489) und wieder einmal in der
zweiten (z 149, wo indess F&s«ro unverwehrt ist): denn die
dreisylbige form in der vierten stelle würde den vers meist um
seine hauptcäsur bringen,
mavr® rı uoı Zara Sumov Feisao nuSyrasIar
oder
yiyvorae WS vu mou Umıv Feiraro »Egdıov eivaı,
die viersylbige in der fünften um die bukolische cäsur,
S 7077 age Toü EreersgSev Erav mreg" ) de adbıv.
wohl aber befremdet !sırausvos neben sisawsvos, zumal sidouevos
niemals esıdousvog lautei. es steht aber Esıramevog
#77, 1B 22: TO Mıv ZeiTeeevos moorechuves
I 720, P 326 585, V 82: rw nw Zsıralsvog mgosehn
Di >34.241: Th 8° ag Zeısdusvos Yaryoy,os
und Zeisanevy “
Bl B'795: To mv Eeiseriesun
“ F 389, g 24: TH mw Esırameon.
"wird da nicht ein ursprüngliches Fers&evos und Ferrepzvn wahr-
scheinlich, das den’ voraufgehenden trochäus durch position zum
spondens machte, während ihn, wer vom digamma nichts wuste,
meinte durch den an &ir«s und Zeizosı üblichen vorschlag zum
| daktylus ergänzen zu müssen, gerade wie y 472 dieselbe unkent-
mis oivov Evowoyoeüvrss setzte für Foivov Fowoycsüvres, und A 3
ie Evwvoyger für owoycer (A 598 und o 141). wo der
falsche schein nicht statt fand, haben wir Ferrauevos ungestört:
Auisı Feısauses M716 P73 8213, irmw Fesausvos T 224,
Zrzvrogı Fersautvn E 785.
eizorı selber verlangt der vers 17 mal (auch = 249, wo
das verkant ist), aber nicht v 158, sondern da genügt
F
_*) eisar’ iuer bedeutet offenbar nicht BA p’ iuer sondern fingit iter, il
‚ft semblant d’aller, muss also dıgammirt werden. wiewohl auch eiszro
und tefsaro ging das digamma zu haben scheint A 138, E 538, O 415
und 544, P 518, » 524, als verwandt mit via?
30*
426 Gesammtsitzung
ai nv Feinorı Batvov.
&ixo0ı wird geschützt durch die bukolische cäsur B 510 und 748,
N 260, 8 212, 8 669, «209 und 241, #208. Zeıizorröv steht
3 mal, aber £ 170 lesen wir lieber %Iı$ös Feizosrw, W 102 und
170 &A9oı Feizoszo. Zsızosers ist nöthig 1379. Esrorogaro kömt
1 mal vor, &eızos&ßov 2 mal, nicht ohne den vorschlag.
23. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Weierstrals las über eine neue Behandlungs-
weise des Rotations-Problems.
Hr. Dove las über die kalten Tage im diesjähri-
gen Mai.
In den Abhandlungen der Akademie 1856 p. 121 habe ich
in einer „die Rückfälle der“Kälte im Mai” überschriebenen Ar-
beit die Temperaturverhältnisse der in Deutschland unter dem
Namen der gestrengen Herren und in Frankreich als trois saints
de glace bekannten Tage näher untersucht. Es hat sich daraus
ergeben, dafs die Erscheinung auf das mittlere Europa beschränkt
ist, und auf diese Weise von nördlichen nach südlichen Gegen-
den fortrückt, dals im nördlichen Deutschland der Mamertus,
Pancratius und Servatius der 11. 12. 13. Mai besonders ge-
fürchtet sind, während schon im südlichen Deutschland der Bo-
nifacius (der 14. Mai) an die Stelle des Mamertus tritt. Die
nähere Betrachtung einzelner Fälle zeigte, dals die Erscheinung
genau sich darstelle wie zu andern Zeiten eintretende Anoma-
lien, nämlich als Rückwirkung eines lokal kalten Gebietes auf
ein daneben liegendes stärker erwärmtes und man nur deswegen
auf dieses Beispiel ein besondres Gewicht gelegt habe, weil es
in die Zeit der Blüthenentwickelung fallend vorzugsweise für die
Vegetation verderblich werde. Wenn das Fortrücken der Ab-
kühlung über die Oberfläche der Erde von vorn herein eine
kosmische Ursache wie das Entziehen der Sonnenstrahlen durch
zwischentretende Sternschnuppen ausschlielse, so könne für das-
vom 23. Juni 1859. 427
selbe ebenso wenig die von Schnurrer in den Krankheiten des
Menschengeschlechts vom 12. Mai 1706 erwähnte Verdunkelung _
als Beweis angeführt werden, da eine durch den Mond hervor-
gerufene totale Sonnenfinsternils in sich selbst den Grund der
Verdunkelung enthalte. Die terrestrische Ursache in dem Eis-
gang der Dwina zu suchen sei ebenso ungerechtfertigt, da dieser
im Mittel auf den 14. Mai falle und die Wirkung doch unmög-
lich der Ursache vorausgehen könne. Selbst aber, wenn der Eis-
gang auf die kalten Tage im mehrjährigen Mittel falle, könne in ihm
nicht die Ursache gesucht werden, da es hier nicht auf mittlere
Werthe ankomme, sondern auf die Frage, ob in den Jahren,
wo die Abkühlung hervortritt, eben dieses Zusammentreffen
stattfinde, wovon grade üas Gegentheil sich ergebe.
Nach einem Winter von ungewöhnlicher Milde, in welchem
die fünftägigen Wärmemittel sich drei volle Monate hindurch in
den nordöstlichen Theilen des preufsischen Staates über ihrem
‚mittleren Werth erhielten, war die Temperaturerniedrigung in
diesem Jahr in dem angegebenen Zeitraum besonders auffallend.
Es schien mir daher nicht unangemessen, die Beobachtungen der
‚Stationen des preulsischen meteorologischen Instituts und die
mir telegraphisch zugehenden Daten zusammenzustellen, um zu
‚prüfen, ob auch in diesem Falle sich das Fortrückeu der Ab-
kühlung über die Oberfläche der Erde nachweisen lasse. Das
Ergebnils dieser Untersuchung ist folgendes:
4. Überall tritt die Abkühlung mit nördlichen und östlichen
= Winden ein.
E 2. Ina Schweden und im nördlichen Rufsland (Stockholm, Pe-
tersburg, Moscau) und auf dem Plateau von Westpreulsen
> (Schönberg, Conitz, Bromberg) ist die gröfste Kälte. am
- Mamertus den 11. Mai.
%3. In Curland, Ostpreufsen und Pommern (von Dorpat über
Memel, Tilsit, Königsberg, Cöslin, Posen bis Putbus auf
Rügen) am Pancratius den 12. Mai.
4. In Schlesien, der Mark, Sachsen bis zum Harz ist der käl-
teste Tag der Servatius, der 13. Mai.
. In Westphalen und am Rhein der 14. Mai, Bonifacius.
6. In Frankreich, wo die Erscheinung sich sehr abschwächt,
der 15. und 16. Mai.
428 Gesammtsitzung
7. In Spanien und Portugal ist sie überhaupt nicht ersichtlich.
Die folgende Tafel enthält die Belege. Die in Reaumur-
schen Graden ausgedrückte Temperaturen sind für die preulsischen
Stationen Tagesmittel, für die übrigen die Beobachtung um 7 Uhr
Morgens.
Pan- Ser- Boni-
ls | 9 | ı wa Pe 1.43, a. lıs | ı6
Stockholm 4.16] 5.54| 4.80] 1.20) — 4.16] 544| 8.80) 8.88
Petersburg 2.48| 2.32] 2.40| 1.44) 2.84| 4.24] 6.32 6.48 8.40
Moskau 1.68) 232] 3.04, 5.04| 3.04) 6.00) 8.48) 9.84 10.00
Dorpat 2.85] 4.65| 6.80 6.65| 4.65| 6.00| 8.55 10.35.13.25
Memel 61 | 78 | 77156 | 40 | 9.5 | 9.1 [10.4 |13.9
„ Tilsit 5.96] 8.20) 8.40 5.90| 5.06] 9.23| 9.33|10.40/13.33
Arys 7.40| 950|11.50| 5.50| 3.87| 7.47| 7.8710.17'13.07
Königsberg 7.30|10.22|11.20| 4.97) 3.97| 8.75| 8.75) 9.8513.92
Hela 6.43| 7.76) 7.70) 473) 4.40| 5.90| 6.73] 8.03 10.70
Schönberg 7.57| 983| 8.30|.3.23] 333) 5.70) 5.97| 8.00,13.60
Conitz 9 2011.30 9.97 4.43] 4.90) 5.63) 6.7310.07|13.87
Bromberg 10.80|11.73)12 13| 5.60) 5.63] 6.43 "al pen 14.70
Posen 104 |11.3 |11.2 | 5.7 | 55 | 5.9 s 115 14.7
Cöslin 10 03111.80| 7.67| 5.37, 4.80| 5.47 ash, 1315.23
Colberg 8.90) 9.70) 7.57| 6.23] 5 40| 5.40 ER 9.531 11.47
Regenwalde 109 |12.1|89|52 | 45 |52 10.5 |15.0
Putbus 9.80| 7.90] 8.07| 6.43) 5.60| 5.97! 8.23 9.67) 8.33
Neu-Brandenb, [12 23|11.60|10.33| 6.23) 5.33| 5.00| 8.20 10 9013.67
Hinrichshagen |10 9710.83) 9 07| 5.33| 4.30| 3.90| 6.97 10.07|12.90
Potsdam 11.0 |ı1.0 |11.8 | 65 | 635| 4.0 | 85 | 8.2 13,15
Berlin 12.17112.43|12.17; 6 37| 6.20) 4.87| 7.37) 95713.30
Frankfurt a. O. |11.23|11.47|10.73| 5.33 5 43| 5.40| 7.60. 9.93|13.87
Zechen 110.10110.80|11.60| 630 5.63 4.47) 7.0110.97|14.10
Breslau l10.97|11.10|11.37| 7.30] 5.07| 4.10] 6.60| 163114 03
Ratibor 12.1711 00|12:57| 7.73} 4.87) 3.27| 7.73)12.33]14.53
Eichberg 10.7 | 92 |'97 |54 |42 | 20 | 4.7 | 84 |12.00
Görlitz 9 87| 9.27|10.67| 5.77| 4.57) 3.37| 6.10| 8 47112 60
Torgau 11.7014 29|11,00).7 30| 6.53| 4.77) 7.73| 8.70|12.47
Salzwedel 12.10 12.83|10.53| 6.90| 7.17| 7.27| 7.80| 9.27|12.63
Erfurt . _ 9.65.11.78[10.78| 6.67| 6.27).5.08| 6 38| 7.72] 9.68
Mühlhausen 9 90110.43)11.93| 8.07| 7.43| 5 83] 6.13) 8 67|10.67
Heiligenstadt |10.1310.00)10.13) 7.73] 6.43) 5.90| 5.60, 7.40/10.13
Werningerode !10.83! 9.97'10.50, 6.43! 6.27! 5.00] 5.63| 6.90|10.23
u
vom 23. Juni 1869. 429
: Pan- Ser- Boni-
Mam.
| 8 | 9 | raue ah De ala | 46
Clausthal 1090| 7.77; 9.00] 4.10] 4.73| 3.73] 420] 6.20] 9.37
Göttingen 10.93 SEEN 803) 7.90] 6.43] 6.33| 8.5710 49
Hannover 1273| 913'10.46| 7.46 893| 7.06] 7.26| 8 8311143
Lüneburg 13.1011.93|10.60 6.83| 6.47) 6.23) 833| 9.2012 33
Ötterndorf 12.40) 8.27| 9.53] 847, 9.07) 8.0710 03|10.43) 9.90
Gütersloh 1333| 8.93) 9.13] 845| 9 07| 8.43| 8.20| 9.10/10.87
Paderborn 12.70| 8.90, 8 10) 7.77] 8.40] 7.33] 7.23| 8.70|10.87
Lingen 1260| 8.16) 9.40] 820) 9.17) 8.03 9 73/10.27|11.43
Emden 11.30| 946! 9.30] 8.16. 8.40] 7.80|10.26|10.1610 50
Norderney 96)74|77186|78|79|88|93| 91
Cleve 12.70) 797| 7.17| 9.20) 930] 867) 8.73] 9 67|10 67
Creleld 1468| 9.22 8 77|10.89 11.1610.22] 9 6610 5511.76
Cöln 1450)10:03, 993|10 93 10 60) 9:50| 8.03] 9.40)10.48
Boppard 11.8510 15/10.05|11.32) 9 83| 7.82] 8.40) 9.03|10.82
Neunkirchen 13 2011.03, 12 43|11.67, 9.00| 7.90) 7.00) 8.17) 9.43
Trier 12.07 10.27 11.80 12.93 10 07| 8.47 s27) 8 6711 33
Frankfurt a. M. |13.00|12.73 12.70|11.93| 9.90 “ 8.20| 9.93|11.87
Strasburg 10.32)11.44| 9 92]11.84| 9.26) 8 96) 8.24] 7.60) 6.56
Besancon 10 9611.84 11.52|13 92 11.04 9.28] 6.64| 656| 7.44
Lyon 13.0412 24,13.20|13.84|13.60)12.08 10.00) 9.12|10.96
Avignon 14.0113 36,14.56[14 be 10.32, 936| 9.68
Limoges 12.0014 08, 14.21) .9.68|13.36,16.00]10.48| 9.68, 8.32
Montauban 10 21'12.00:12 00 9 60111.20 12.08 11.76 9.44 8.48
Paris 1096| 6 00| 7.60| 904! 9.44 8.96] 8.24) 7.60 6.56
Havre 9.60! 8.00] 8.08| 8.80| 968! 9.92] 8.50] 864 8.88
Dunkirchen 7.04| 7.76] 7.60| 800) 792 7.92] 856 872) 9.36
Brest ° 8.24| 9.12) 9.76) 9.36] 838 9.20) 944] 8.56 968
Nap. Vendee 10.0010 4011024) 856 10 16 12.48] 896] 9.04 9.68
Mezieres 1.84| 8:72|11.04|10.72 11.04|11.84| 9.44 7.92) 712
Bayonne 10.88|11.68]12.72|12 sa 11:3613.44|11.36 12.24
Madrid 12.56) 9.20 10.80 9.28) 7.68] 8.24| 7.60
San Fernando 14.1613. 60.13 44 12.64|12.48112.48 12 48
Lissabon 13.36,15.60|12 oolı 1.12|13.28]12.48 13.92
Im Jahr 1835 habe ich in einem Aufsatz „über das Vor-
handensein zweier Regenzeiten im südlichen Europa” (Pogg:
Ann.>35 p. 375) nachzuweisen gesucht, dafs die grölste Menge
des Niederschlags dort nicht allein im Herbst eintritt, wie es
430 Gesammitsitzung
bisher angenommen war, sondern dals dem Herbstmaximum ein
Frühlingsmaximum entspricht. Um die Zeit der Nachtgleichen
nämlich kommt die in der Nähe des Äquators aufsteigende und
als oberer Passat nach den Polen zurückfliefsende Luft im süd-
lichen Europa herab und veranlalst am Südabhange der Alpen
die heftigsten Niederschläge. Diese Luft überströmt erst, wenn
die Sonne in nördlichere Zeichen tritt, die Alpen und veran-
lafst dann in Deutschland herabkommend unsere Sommerregen,
während bei niedrigstem Sonnenstande die Regen an der Nord-
küste von Afrika bis zu den Azoren und Canaren wahre Win-
_terregen sind. Diese von oben herabkommenden feuchten Winde,
welche Überschwemmungen veranlassend zu Anfang des jetzigen
Krieges die Flulsübergänge so bedeutend erschwerten, gehen da-
her unsern ersten kräftigen Regen unmittelbar voraus, ja kün-
digen sie im eigentlichsten Sinne an. Wenn nun bei rasch
zunehmender Wärme im Frühjahr die nördlichen Gegenden,
welche sich noch nicht ihrer Schneedecke entledigt haben, da-
durch in einen bedeutenden Gegensatz zu denen treten, wo dies
früher geschehen und wo daher die Insolation nur auf direkte
Erwärmung der Luft auf dem Festlande verwendet wird, so wird
das Bestreben der Ausgleichung nördliche Ströme veranlassen,
welche an ihrem weitern Vordringen nach Süd durch den ent-
gegen wehenden Passat verhindert nun als abkühlende Ostwinde
über das mittlere Europa strömen. Dies ist wahrscheinlich eine
Hauptursache der grade im Frühjahr so häufig eintretenden
Rückfälle, wenn auch, wie ich früher gezeigt habe, nicht alle
auf diese Weise entstehen. In Amerika, wo zwischen den Al-
leghanis und Rocky Mountains vom mexikanischen Meerbusen
bis zum Polarmeer kein bedeutender von West nach Ost ge-
richteter Quergürtel sich erhebt, ist für den Austausch nördli-
cher und südlicher Ströme kein Hindernils vorhanden. Hier
sind daher auffallende Sprünge in der Temperatur zu allen Jah-
reszeiten, nicht überwiegend zu einer bestimmten, und hier fehlt
auch der regelmäfsige Übergang der subtropischen Regen in die
der gemälsigten Zone- mit einem ausgesprochenen Sommermaxi-
mum des Niederschlags.
Mit dem Mai sind die Einbiegungen der 'Temperaturcurven
nicht beendigt, sie treten noch sehr entschieden im Juni hervor,
vom 23. Juni 1859. 431
ja sind dort sogar universeller Art als im Mai, werden aber we-
niger beachtet, da bei uns die Abkühlung des Bodens selten bis
zum Frostpunkt herabgeht. In den Tafeln der mittlern Tem-
peraturen verschiedener Orte (Abhandl. der Berl. Akad. 1846
p- 254) habe ich darauf aufmerksam gemacht und zugleich ihre
Ursache nachgewiesen. „Solche Gegensätze als die Kühle des
Sommers an den atlantischen Küsten und die hohe Temperatur
der siberischen Steppen müssen sich gegenseitig auszugleichen
suchen. Daher wird zu derselben Zeit, wo der SW.- Mousson
über den NO. in Asien siegt, dessen Kraft durch Auflockerung
vollkommen gebrochen ist, Europa von Nordwestwinden über-
strömt, denn die kalte Luft des atlantischen Oceans findet
in der nach Süden und Osten hin liegenden Wärme Anzie-
hungspunkte, welchen sie in der Diagonalrichtung folgt. Daher
greift in Europa das Seeklima im Sommer tiefer in den Conti-
nent hinein als im Winter, denn nördlich von den Alpen er-
reicht überall in den Sommermonaten die Regenmenge ihr Ma-
ximum und bei dem Anblick der Temperaturcurven, welche die
fünftägigen Mittel darstellen, fällt es sogleich in die Augen, dafs
sie in den Sommermonaten wie abgestumpft erscheinen. Unser
Sommer erfüllt nur ausnahmsweise die Erwartung, welche der
Frühling erregt, ja selbst in den vieljährigen fünftägigen Mitteln
von Paris, Carlsruhe, Berlin, Königsberg, Petersburg senken sich
im Juni, noch ehe der höchste Sonnenstand erreicht ist die Cur-
ven und beginnen nur träge ihr Wiederansteigen. Erst in Italien,
welches bei höchstem Sonnenstande in den rückwärts verlänger-
ten Passat aufgenommen ist, wo daher eine kurze regenlose Zeit
diesen Sonnenstand bezeichnet, erhalten die Wärmecurven schär-
fere Scheitel.”
Da diese Kälte in die Zeit der Wollschur fällt, so hat sie
bei den Landwirthen Norddeutschland den bezeichnenden Namen
der Schaafkälte erhalten.
432 Gesammtsitzung
Hr. Weber legte eine Mittheilung des Dr. R. Rost
in Canterbury vor, vom 18. Juni d. J., betreffend einige neue
indische Drucke.
„In diesen Tagen erhielt ich aus Benares eine Anzahl da-
selbst erschienener Sanskrit-Werke, sämmtlich lithographirt, wo-
von ich ein Verzeichnifs beilege.e Wer hatte bis jetzt eine
Ahnung davon, dafs bereits seit 5 bis 6 Jahren gedruckte Aus-
gaben von den unter No. 2. 4—8. 10 —15. genannten Werken
existiren? Es lälst sich voraussetzen, dafs auch an andern Or-
ten in Indien, ganz abgesehen von Calcutta und Benares, die
Sanskrit- Pressen nicht unthätig gewesen sind, und gleichwohl,
wie selten kommt es doch vor, dals sich einmal eine solche Cu-
riosität nach Europa verirrt! Was die Präsidentschaft Madras
betrifft, wo ja auch Sanskrit gedruckt wird, wenn auch meist in
der augenverderbenden Te/uguschrift, so hat mir der neue Gou-
verneur, Sir C. Trevelyan, versprochen dahin zu wirken, dafs
von allen Büchern welche in der Präsidentschaft gedruckt wer-
den, und zwar sowohl in Sanskrit als in den Volkssprachen und
im Englischen, regelmäfsig Verzeichnisse angefertigt werden,
damit man wenigstens erfährt, in welcher Richtung die einge-
bornen Literati thätig sind. Die dadurch angestrebte Publicität
kann nur ermuthigend und anregend auf die Letzteren einwirken.
Vielleicht folgen dann auch die andern Präsidentschaften dem
guten Beispiele.”
1. Der Amarakosha, mit dem Commentar des Bhänuji
Dixita. 1. 60 Bll. I. 130 Bll. Il. 58 Bll. Samvat
1911. Die Unterschrift lautet: 7& grioaghelavamgod-
bhavacrimahidharavishayädhipagrikirttisimhade-
väjnayä_ eribhattojidixitätmajagribhänujidixitaviracıtäyam
amaratikäyiäm vyäkhyäsudhäkhydyäm etc. Am Ende
des 1. und 2. Buches steht mahipara anstatt mahi-
dhara, und am Ende des 2. ist vor eri’kirttisimha
eingefügt grimahäräjakumära. Baghela ist Name
einer Räjputten-Familie und wohl richtigere Lesart als
die ım Berliner Codex N. 792 befindliche. Gedruckt ist
zwar an allen 3 Stellen ein 9, allein im Hindi WB.
steht JIRT-
IH.
II.
IV.
VI.
"IX.
vom 23. Juni 1859. 433
Muhürtacintämani des Gridaivajnaräma, Sohnes des
Cridaivajnänanta, nebst dem Pramitäxarä genannten
Commentare desselben Verfassers. 4120 Bll. Samvat
1912. Enthält 13 Capitel, nämlich 1. Cubhägubhapraka-
ranam, 57 vv.; 1I. Naxatrapr., 63 vv.; Ill. Samkräntipr.,
20 vv.; IV. Gocarapr., 19 vv.; V. Samskärapr., 60 vv.;
VI. Pivähapr., 110 vv.; VII. Yadhüpravecapr., 3 vv.;
VIII. Doirägamanapr., 4vv.; IX. Agnyädhänapr., 3 vv.;
X. Räjäbhishekapr., 4 vv.; XI. Yäträpr., 112 vv.; XI.
Grioästupr., 29 vv.; XII. Grihapravegapr., 7 ww. —
Dann folgen noch die 3 Verse wie in Berl. No. 877., in
verbessertem Texte.
Yäjnavalkya nebst der Mitäxarä, letztere über und
unter dem Texte. Samvat 1910. 1. 3 Bll. Index und
56 Bl. 1. 8 Bll. Index und 91 Bll. III. 5 Bll. Index
und 110 Bill.
Der Laghugabdaratna genannte Commentar des Ha-
ridixita, Enkels des Bhattojidixvita, zur Praudhama-
noramä, nebst der Glosse, (Ratnaprakägikä ge-
nannt) des Bhairavamırra, Sohnes des Bhavadevamigra.
Samvat 1910. 291 Bll. Ersterer hat die Unterschrift:
Iti crimaddixitabhattojipautradixitahariviracite praudha-
manoramävyäükhyäne laghugabduratne kärakaprakaranam.
. Des Crimahämahöpädhyäya gerirudradhara (räddha-
viveka. Samvat 1912 67 Bl.
Des Särngadhara, Solines des Cridämodara, Sam-
hitä. Samvat 1912. 72 Bll. Der sehr fehlerhafte
Text scheint mehr mit Berl. No. 935 als mit No. 936
übereinzustimmen, weicht aber auch von ersterem noch
vielfach ab.
"Der Pretakalpa genannte Theil des Garudapuräna,
in 35 Kapiteln. Samvat 1912. 49 Bll.
Des Farähamihiräcärya Frihajjätaka nebst dem
‚Commentare (Frihajjätakavivriti) des Bhattotpala. Sam-
vat 1911. 4124 Bll. Viel correcterer Text als der in
Berl. No. 857 gebotene.
Das Mänavadharmagästram mit dem Commentare
434
XI.
XH.
XII.
XIV.
XV.
Gesammtsitzung
des Kullüka Bhatta. 268 Bll. und 10 Bl. Index.
Ohne Jahreszahl und Druckort, aber auch zu Benares
lithographirt, wie aus der Unterschrift zu Ende des sieci-
patram: grikägioigvegvaräya namah, hervorgeht.
No. 1—8 sind in halb folio, No. 9 in etwas breite-
rem Format (beinahe wie folio), nach Art der Hand-
schriften lithographirt.
: deärädarga, von Cridatta. Samvat 1912. 2 Sei-
ten Index und 127 Seiten in 8. Zur Vergleichung mit
Berl. No. 1023 bemerke ich, dafs diese Ausgabe im 2.
Verse ahorätragrito und nibandhibhih liest.
Des Bhattakedära Frittaratnäkara, mit dem Com-
mentare (setu) des Haribhäskara, Sohnes des Grimad
äyäjibhatta (Berl. No. 810). Samvat 1913. 25 Bll.
in hoch 8.
Des Griganegadaivajna Jätakälankära, nebst kur-
zem Commentare von Jayagopälapandita. 42 Bil. in
hoch 8. Samvat 1915. Ein astrolog. Werkchen, in 7
Capiteln: I. Samjnädhyäyah, 10 vv.; II. Bhäcdahy., 36
vv.; III. Yogädhy., 34 vv.; IV. vishakanyäyogädhy., 4
wv.; V. Yogajäyurdäyädhy., 22 vv.; VI. Fyatyayabhä-
vädhy., 9 vv.; VII. Yamgädhy., 5 vv. Das erste Capitel
schlielst: Aridyain pathyair gumphite süritoshe ’lankä-
räkhye jätake manjule ’smim | samjnädhyäyah crigane-
gena digbhir yuktah glokair ädimo ’yam pranitah; und
ähnlich die übrigen. Voll Schreibfehler.
Des Eripatibhatta (Berl. No. 865?) Jyotisharat-
namälä, ein astrolog. Buch in 20 Capiteln, in verschie-
denen Versarten. Samvat 1913. 31 Bil. in 8 cf.
Mackenzie Coll. I, p. 128.
Des Näräyana Bnatta (Mack. Coll. I, p. 127 No.
XLI.?) Camatkäracintämani, nebst der Glosse
(anvayärthadipikä) des Sudaivajnadharmegvara aus Mälva,
ein astrolog. Werk über die Einflüsse der Planeten, in
9 Capiteln von je 12 Strophen. Samvat 1913. 28 Bll.
in 8.
Ududäyapradipa (Astrologisch), 42 vv. in 4 Capi-
vom 23. Juni 1859. 435
teln (Samjnädhydya, Rädjayogädhy., Äyurdäyädhy., An-
tardagädhy.) nebst Commentar — ud(d)yota— von Bhai-
ravudattadaivajna. 8 47 PP- und 3 PP- Druckfehler-
liste. Ohne Datum. u
XVI. Der Meghadüta, mit dem Commentare des Mallinätha.
132 Seiten und 4 S. Druckfehlerverzeichnifs. Ohne Da-
tum. Bietet sowohl im Texte als im Commentare man-
che Varianten zu der Calcuttaer Ausgabe. Samvat 1907.
XV. DesCr/pushpadanta mahimnah stotram, in42 vv.
mit Commentar. Samvat 1912. 16 Bll. 8.
XVIII. Das Chandas, 8 Bil. in 8., welches ich nebst den 3
vorhergehenden Nummern schon voriges Jahr aus Bena-
©“. ,. - a
res erhielt, habe ich nicht zur Hand.
Von anderen selteneren Sanskritdrucken, die ich in der letz-
ten Zeit erworben habe, bemerke ich noch eine, im J. 1829 zu
Surat lithographirte Ausgabe der Särasvat?-'Grammatik,
mit dem Titel: gr? süryapure amkitä anubhütisvaripäcäryakrita-
särasvat! prakriyä. Angefügt ist die Dhätumanjari. Zusammen
etwa 450 Seiten in 4.
Adhikaranamälä, zum Fedänta gehörig, für die Tativa-
bodhini sabhä herausgegeben von (riänandacandra vedäntavägica.
Calc. gaka 1774. 8. Bis jetzt 9 Nummern.
Die Bhagavadgitä mit (ankara’s bhäshya, der Glosse
Änandagir?’s, dem Commentare Oridharasvämin’s und einer Ben-
galischen Paraphrase. (Tattvabodhini! sabhä.) Calc. 1853 ff.
folio, in 18 Heften.
Eine Ausgabe des Prasthänabheda, Sanskrit mit ben-
gal. Übersetzung, findet sich in der bengalischen Monatsschrift
Sarvärthapürnacandra. Calc. 1856. No. 7, p. 217 ff.
_ Hieran schlofs Hr. Weber eine entsprechende geschäftliche
Mittheilung eingeborner indischer Buchhändler aus Calcutta (So-
bhabazar, 22. Febr. 1858), die er den Hrrn. Williams and
Norgate in London verdankt, an welche sie gerichtet ist.
„We are preparing for you a detailed and copious list of the
Sanscrit, Bengalee, Hindee, Pali and Pracrit books published in
436 Gesammtsitzung.
India. Meanwhile we send a short list. The prices we have
set down are the prime costs at which we have been able to or
can purchase them: we leave it to you to fixa ny fair rate of com-
mission including the charges of transit etc. Should any of the
Savans or Societies in Europe or America wish to purchase or
get copied any mss. oriental works not hitherto published we
shall gladly execute such orders as we have great facilities for it.
We intend furnishing you with lists of the Sanscrit Ms. works
in the libraries of private individuals and public institutions
which we believe is felt a great desideratum of the scholars of
Europe. If you find any Sanscrit work to be in great demand
in your quarter of the world and you advice us to edit it, we
shall be glad to publish it here with great available facility. The
first number of our new edition of the Gabdakalpadruma and Räja
Rädhäkänta Bahadoor’s Supplement to the old edition will be
ready by the end of Mareh next. In the meantime we shall fur-
nisb you with our prospectuses.
We remain, Dear Gentlemen, Yours very truly
Anandakrishna Bose')
Amritalala mittre
Sreenatha Ghose.
1. Sanskrit. Rupee Anna
4. bhazzikävya, 2 voll. Galc. 1828 pp. 511 — 3— ,„ —
2. kirätärjuniya, .2-vell. oa sa eelmesımi 237 — 3, —
3. gigupälabadha, 2 voll. „2. ..... „391 —6 — „—
4) kayyaprakäsa, Lxyoll. cm, @ #50 10030 17 —2 — „—
5. vedäntaparibhäshä . 2... 2.2.2... „ —12—
Brlvedäniahrasdanleunud #n5 ie (lea 12338 — 2 — „—
7. ätmatättvavivekat. 0% end 20% ... 97 1 ,„—
8. dhätupäzba.. in 12mo. -»...... . 594, —41—
9. gabdacaktiprakägikä ....2.....172 —- 1-8 —
A aa een eine a 45 — „ —12 —
11 mnmäpadidhiti -i,..::1 55% narleiasfimi aron 18-1 —8 —
12. khandanakhandakhädya ..»....... 199 —2 — „—
13. Blboalmlamanı ai, nctsds speige ihserge 83 — „ —12 —
') ob auch Ghose? i. e. Ghosha.
vom 23. Juni 1859. 437
Rupee. Anna
BE tattvakaumndi u. 5 2.4. pp 59 — „ —12 —
15. vivädacintlämani . 2.0... .....13—- 2 — „—
46. vyavabäratativädi.n a ou 00.0. F —2—-,„,—
ara 10 0% Bun, dr Pre; ee 1
48. golädhyiya 22. 2000. 1842 ..16 — 1 — „ —
19. ganitädhyäya ».2....41842..309 - 2 —- 8 —
20. xetratattvadipikäd . » 2 2 2 2.20.1685 — 2 — „ —
21. raghuvanga with comm.. 2...» 6— „.—
22. kumärasambhava \! . „icio PIETA 2-3 —
23. meghadüta with comm. 2... 1—,—
24. rägbavapändaviya.. cu... 4 „—
25. mahäviracarita. ....%.. Bi 1-8 —
26. dhanamjayavijaya 2... ..:.. 1—- „—
Nıcabdärtharaltnaoahaiid Io-vailayal« „— 12 —
retäkär dl sicher Bunde > oe 8 —
29. rijupätha. orSt. Reader by I. C.V. devard Candra Vidyäsägara)
prineo Sb Coll, na ns det +2. e0e ip. — 4 —
2. ANITER 8
3— , — 10 —
We bave sent you as specimens two Nos. of ihe grimadbhäga-
vata which (the text with the comm. of gridharasvämin) are being
published by Nandakumärakaviratna:; 1 skandba completed, 8 Rs.
— also 47 Nos. of the saryärthapürnacandrodaya, publd. ıby
Abhayaaddy(!): they are translations from the Puränas'and other
oriental works. 4 Annas the No. — also: vahyavastur sahitamänava-
prakritir sambandhavichura (!) in 2 vols., being a very handsome
and clever Bengalee translation of Combe’s constitution of man
by the learned Editor of the Tattvabodhinipatrikä; Price 3 Rs.
2. Bengali.
upakramanikä or SanseritGrammar in Bengali, an elementary
treatice by /gvara Candra Vidyäsägara Prineipal of the Calc. St.
Coll. 8 Annas.
kaumudi, a larger treatise by the same. 2 parts ä 8 Annas.
3th pt. in the press. ;
gakuntalä, a bengal translation, by the same. 12 Annas.
438 Gesammtsitzung
dagakumäracarita, dto by Girigacandra Vidyäratna Pro-
fessor of Grammar St. Coll. 1 R.
kädambari, dto by Täragankara. 1R.4A.
venisamhäranäzraka, dto by Rämanäräyana Nyäyaratna.
IR:
annadämangala, annadämangalädi, vidyäsundara. Edited by
LC.V. a 10A,1R.8A.,8A. from the original ms. of Bhära-
tacandra in the possession of the Räja of Nudea.
kulinakulasarvasva, a Drame exposing kulinism in Ben-
gal by Rämanäräyana Nyäyaratna. 12 Annas.
vidabhavibahanäzaka (vidhavävivähan.) a drame expo-
sing the folly of not allowing Hindoo widows to remarry, by
Umesacandramittr.. 1R. 4A.
vidabhavibaha by I. GC. V. showing by citations from the
texts of Parägara K the legality of Hindoo widows marriage. 1R.
Antagonist pamphlets. —
vetälapancavingati Edtd by I. c. ee 0%
Elementary books for learning Bengali, viz.
varnaparicaya 2 pts. ä 1%, Anna. — rijupäfha % Annas. — gigugixä 3
pts 4 Annas. — bodhodaya, a Reader [ohne Preis]. — kathämälä,
a translation of some of Esops fables by I. C. V. 4 Annas. —
caritävali, by the same, 4 Annas. — nitibodha 5 A. — niticixä
12 A. — Bengala Itihäsa, from the time of Hirajeddowlah by
1.C.V. 8A. — jivanacarita, a translation of Chambers biogra-
phy by 1.C.V. 8As. — Russellus, dto by Täragankara. 1 R.
— sanskritaprastäva by I. C. V. 6A. —
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Abhandlungen der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft. 2.
Bandes Lieferung 2. Frankfurt a. M. 1858. 4.
Journal de l’ecole polytechnique. Tome XXI. Paris 1858. 4,
The American Journal of science and arts. No. 81. New Haven 1859. 8.
Annales de chimie et de physique. ‘ Tome 46, Live. 1. Paris 1859. 8.
Memoires de la societe royale des antiquaires du Nord. 1836— 1837.
Copenhagen 1838. 8.
Oeuvres de Frederic le Grand. "Tome 12—15. Berlin 1849—1850. 4.
vom 30. Juni 1859. 439
Pertsch, Die persischen Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu
Gotha. Wien 1859. 8. ’
Ahlquist, Zäran om Verbet i Mordvinskans Mokscha-Dialect. Hel-
singfors 1859. 4.
Studer, Einleitung in das Studium der Physik und Elemente der Mecha-
nik. Bern 1859. 8.
Brugsch, Histoire d’Egypte. Premiere partie. Leipzig 1859. 4.
(Im Namen des Hrn. Verfassers überreicht von Hrn. Böckh.)
Ein Rescript des vorgeordneten Hrn. Ministers Excellenz
vom 18. d. M. genehmigt die Ausgabe von 200 Rthirn. aus den
Fonds der Akademie, um die Herausgabe des zweiten Bandes
des von Dr. Förstemann verfalsten altdeutschen Namenbuches
zu unterstützen. 4
Die Hrn. G. G. Stokes aus Cambridge und M. Jacobi
in St. Petersburg nehmen ihre Wahl zum Correspondenten
dankend an, jener in einem Briefe vom 18. d. M. an den
Sekretar der Akademie, Hrn. Encke, dieser in einem an Hrn.
Dove gerichteten.
30, Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. H. Rose las über die Niobsäure.
Die Niobsäure (welche der Verf. früher Pelopsäure nannte)
erhält man bis jetzt nur aus dem gelben Niobchlorid, so wie
durch Rösten des Schwefelniobs und des Stickstoffniobs. In den
in der Natur vorkommenden niobhaltigen Mineralien ist sie nicht
enthalten. Sie hat die grölste Ähnlichkeit mit der Tantalsäure,
und theilt auch mit derselben dieselbe atomistische Zusammen-
setzung. Die Hauptunterschiede zwischen der Niobsäure und der
Tantalsäure bestehen vorzüglich in der leichteren Reducirbar-
keit der Niobsäure durch reducirende Mittel, in der geringeren
Dichtigkeit, und dem geringeren Atomgewicht derselben, so
wie auch darin, dafs die Niobsäure obgleich äufserst schwierig
und nur unvollkommen in eine Säure mit geringerem Sauer-
[1559.] 31
440 Gesammtsitzung
stoffgehalt verwandelt werden kann, was bei der Tantalsäure
nicht der Fall ist.: Schmelzt man die Niobsäure mit saurem
schwefelsaurem Kali, so wird sie in ihrer Zusammensetzung nicht
verändert; löst man sie aber durch Schmelzen in saurem schwe-
felsaurem Ammoniak zu einem klaren Syrup auf, so erleidet sie
eine aber nur unvollkommne Reduction.
Die Niobsäure ist bei gewöhnlicher Temperatur weils; bei
erhöhter Temperatur nimmt sie aber eine gelbliche Farbe an.
Wenn die Niobsäure mit starken Basen verbunden ist, so
ist sie nach dem Glühen der Verbindungen ebenso schwer wie
die Tantalsäure von den Basen zu befreien. Es geschieht dies
auch, wie bei den tantalsauren Salzen durchs Schmelzen mit
saurem schwefelsaurem Kalı.
Die Niobsäure, welche man durch Zersetzung des Chlorids
vermittelst Wassers erhält, ist von anderer Dichtigkeit als die,
welche mit saurem schwefelsaurem Kali geschmelzt worden ist.
Man erhält die Niobsäure aus dem Chloride von verschiedener
Beschaffenheit, je nachdem man dasselbe plötzlich mit Wasser
übergielst, oder wenn man dasselbe lange Zeit der Einwirkung
der atmosphärischen Luft, oder vielmehr der Feuchtigkeit der-
selben aussetzt, wodurch sehr allmälig Chlorwasserstoff aus dem-
selben entwickelt wird. Im ersten Falle ist die Säure nach dem
Glühen, welches mit einer Feuererscheinung begleitet ist, glasar-
tig, im zweiten Falle aber krystallinisch.
Die Niobsäure ist, wenn sie aus dem Chlorid dargestellt
wird, in der geringen Menge der erzeugten Chlorwasserstoff-
säure nicht ganz unlöslich, und Spuren derselben bleiben im
Wasser gelöst, Aus der Lösung der niobsauren Alkalien: wird
die Niobsäure durch Chlorwasserstoffsäure niedergeschlagen. Ge-
schieht die Fällung bei gewöhnlicher Temperatur, und: hat man
kein zu grolses Übermaals der Säure angewandt, so kann. die
Fällung eine vollständige sein; wird ‚aber das niobsaure Alkali
mit einem. Übermaals von Chlorwasserstoffsäure versetzt und da-
mit gekocht, so. erhält man eine trübe Flüssigkeit, die aber
durch einen Zusatz von Wasser eine. vollständig klare Lösung
giebt. In dieser Lösung kann. verdünnte Schwefelsäure nur
dann eine Fällung bewirken, wenn nicht. zu viel Chlorwasserstoff-
säure. zugegen. ist.
vom 30. Juni 1859. 441
Salpetersäure verhält sich gegen die Lösungen der niob-
sauren Alkalien ähnlich der Chlorwasserstoffsäure.
Durch Phosphorsäure wird kein Niederschlag in der Lö-
sung der niobsauren Alkalien erzeugt, wodurch sich die Niob-
säure von der Tantalsäure unterscheidet. Arseniksäure be-
wirkt ebenfalls keine Fällung, eben so Oxalsäure, Wein-
steinsäure, Traubensäure und Citronensäure, wohl
aber Essigsäure. Gyanwasserstoffsäure macht die Lö-
sungen der niobsauren Alkalien nur opalisirend, bringt aber kei-
nen Niederschlag hervor. Lösungen von Gallusgerbsäure
und von Gallussäure, so wie Galläpfeltinetur erzeugen
in den Lösungen der niobsauren Alkalien keine Fällungen; wenn
man indessen dann Chlorwasserstoffsäure oder Schwefelsäure hin-
zufügt, so wird ein oranienrother Niederschlag erzeugt. Er ent-
steht (wie bei der Tantalsäure), wenn auch die Niobsäure durch
ein Übermaals von Chlorwasserstoffsäure aufgelöst worden, oder
wenn sie durch verdünnte Schwefelsäure oder durch Chlorwas-
serstoffsäure als ein dicker weilser Niederschlag gefällt worden
ist; dieser nimmt durch Hinzufügung der oben erwähnten Re-
agentien dieselbe oranienrothe Farbe an. Hat man zu der Lö-
sung der niobsauren Alkalien Oxalsäure, Weinsteinsäure, Trau-
bensäure und Citronensäure hinzugefügt, so die Gallus-
säuren keine Fällung hervor.
Wird die Lösung der niobsauren Alkalien mit Chlorwasser-
stoffsäure versetzt, und der grölste Theil der Niobsäure dadurch
gefällt, so wird sie, wenn man’ metallisches Zink hineinlegt,
während sich Wasserstoffgas entwickelt, erst graublau, dann blaw
und endlich braun. Je mehr Chlorwasserstoffsäure hinzugefügt
worden, und je rascher die Gasentwicklung vor sich geht, desto
früher erscheint die Färbung. Nach längerer Zeit wird die aus-
geschiedene blau oder braun gefärbte Säure wiederum weils.
Durch verdünnte Schwefelsäure entsteht die blaue Farbe etwas
langsamer, aber sie ist gewöhnlich reiner. Am sichersten blau
erscheint sie bei Anwendung von (Chlorwasserstoffsäure mit
einem Zusatz von verdünnter Schwefelsäure. Setzt man zu der
blau gewordenen Niobsäure einen Überschuls von’ Ammoniak,
so wird der Niederschlag braun mit einem‘ schwachen Stich ins
=) Br
442 Gesammtsitzung
Röthliche. Durch den Zutritt der Luft wird der braune Nie-
derschlag bald wiederum weils.
Wie die Tantalsäure wird auch die Niobsäure von sehr
verschiedenen Zuständen der Dichtigkeit erhalten. Das specifi-
sche Gewicht der Säure, wenn sie mit saurem schwefelsaurem
Kali geschmolzen worden, ist 6,140 bis 6,146, und kann auch
noch von etwas minderer Dichtigkeit erhalten werden. Unter
dem Mikroskop kann man keine krystallinische Structur darin
wahrnehmen. Wurde diese Säure in einem Windofen einem
dreistündigen Kohlenfeuer ausgesetzt, so erhielt sie eine Dich-
tigkeit von 6,48. Wurde sie aber darauf in die stärkste Hitze
des Gutofens der königlichen Porzellanfabrik gebracht, so be-
stand sie bei der mikroskopischen Besichtigung aus kleinen Kry-
stallen, und zeigte das specifische Gewicht 5,830. Die Dich-
tigkeit der aus dem Chloride erhaltenen Säure ist nach einem
schwachen Glühen 5,9 bis 5,98, bisweilen auch 5,706, aber auch
6,236 bis 6,239. Die Dichtigkeit der Säure nimmt zu, wenn
sie einem starken Rothglühen in einem Kohlenfeuer ausgesetzt
wird und wird 6,088, bis 6,318 und 6,37; und sogar 6,416 und
selbst 6,725. Letztere Dichtigkeit ist die höchste, welche der
Verfasser bei der Niobsäure wahrgenommen hat. Wird diese
Niobsäure der höchsten Temperatur des Porzellanofens ausge-
setzt, so wird sie krystallinisch, wenn sie vorher amorph war,
zeigt aber ein bedeutend niedrigeres specifisches Gewicht, und
zwar bei den verschiedenen Versuchen ein sehr ähnliches, näm-
lich 5,793 und 5,7887. Wurde eine Niobsäure einem Weils-
glühen, durch ein Gebläse erzeugt, eine halbe Stunde ausgesetzt,
so zeigte sie die noch niedrigere Dichtigkeit von 5,514 bis
5,517, zeigte aber eine amorphe, und nur theilweise krystallini-
sche Beschaffenheit.
Bei allen diesen Versuchen veränderte sich das absolute Ge-
wicht der Säure nicht.
Wird eine Niobsäure vermittelst Schwefelkohlenstoffs in
Schwefelniob verwandelt, und dieses durch Rösten wiederum zu
Niobsäure oxydirt, so hat diese genau das absolute Gewicht der
zuerst angewandten Säure, durchläuft aber verschiedene Zustände
der Dichtigkeit je nach der verschiedenen Temperatur, die zu
diesen Umwandlungen angewandt wurde. Eine aus dem Chlo-
vom 30. Juni 1859. 443
rid erhaltene Säure von dem specifischen Gewichte 6,175 er-
hielt bei diesen verschiedenen Umwandlungen die Dichtigkeiten
6,04; 5,683; 5,68; 5,869 und 5,732.
Hr. du Bois-Reymond las über nicht polarisirbare
Elektroden.
Jedem, der der Entwickelung der Elektrophysiologie wäh-
rend der letzten Jahrzehende gefolgt ist, sind die Schwierigkei-
ten bekannt, welche die sogenannte Polarisation der Elektroden
den elektrophysiologischen Untersuchungen in den Weg legt:
sei's dals es sich darum handele, elektrische Ströme von den
thierischen Theilen dergestalt in den Multiplicatorkreis abzulei-
ten, dals ihre Stärke bestimmt werden kann, sei’s dals umge-
kehrt Ströme von beständiger und gemessener Stärke den thie-
rischen Theilen zugeführt werden sollen.
Um so gröfseres Interesse mulste daher im Jahr 1854 Hrn.
Jules Regnauld’s Angabe erwecken, dals es ihm gelungen
sei, unpolarisirbare Elektroden dadurch herzustellen, dals er Platten
aus reinem, mehrmals destillirtem Zink in reine, neutrale schwefel-
saure Zinkoxydlösung von der Concentration tauchte, bei der sie das
Maximum ihres Leitvermögens besitzt.') Die Unpolarisirbarkeit die-
*) Nach Hrn. E. Becquerel theilen salpetersaures Kupfer und
schwefelsaures Zinkoxyd, und vermuthlich die sehr löslichen oder gar
zerllielslichen Salze überhaupt, die Eigenschaft der Schwefelsäure und
einiger anderen Säuren, dafs das Leitvermögen ihrer wässerigen Lösungen
bezogen auf den Procentgehalt ein Maximum zeigt. Das Leitvermögen
einer gesättigten schwefelsauren Zinklösung von 1.4410 Dichte bei 14.°40 C.
verhielt sich in Hrn. Becquerel’s Versuchen zu dem derselben Lösung,
wenn sie bis zum doppelten und vierfachen Volum verdünnt wurde,
::5.77: 7.43 :5.43. (Für Silber = 100 000 000. S. Annales de Chimie
et de Physique etc. 1846. 3me Ser. t. XVII. p. 280 et suiv.; — p. 289°),
Hr. Becquerel und Hr. Regnauld sagen nicht, bei welchem Grade der
Verdünnung das Maximum stattfinde Hr. de la Rive aber, indem er
Hın. Becquerel’s Beobachtungen anführt, giebt an, dals dies bei der
Verdoppelung des Volums der gesättigten Lösung der Fall sei (Traite
d’Electricite etc. t. II. Paris 1856. p. 56°).
444 Gesammisitzung
ser Combination erklärte Hr. Regnauld aus dem Umstande, „dafs,
da die elektrolytischen Wirkungen darin die chemische Natur der
Elektrodenplatten unverändert lassen, die von fremdartigen Ab-
lagerungen herrührenden enigegengesetzten Spannungen sich
nicht entwickeln können.” Er fügte hinzu dafs die Zinkplatten,
nachdem sie einige Zeit in der Lösung verweilt hatten, (ob zum
Kreise geschlossen, oder nicht, wird nicht gesagt) im Allgemei-
nen gleichartig an seinem Multiplicator erschienen, der, wie man
aus anderen Versuchen -schlielsen kann, eine hinreichende Em-
pfindlichkeit für den Muskelstrom besals. Dennoch ward es,
wie es scheint, manchmal nöthig, auf die Unschädlichmachung
eines übrig bleibenden beständigen Unterschiedes der beiden
Platten bedacht zu sein. Dies gelang Hrn. Regnauld, in seinen
schätzbaren Versuchen über die absolute Stärke des Muskel-
stromarmes im Multiplicator unter verschiedenen Umständen,
beiläufig den ersten messenden Versuchen in diesem Gebiete,
mit Hülfe einer in entgegengesetztem Sinne in den Kreis ein-
geführten thermo&lektrischen Kupfer-Wismuth-Kette, deren eine
Lötbstelle auf 0°, die andere auf der erforderlichen Temperatur
erhalten wurde. ')
Zwei Jahre darauf machte Hr. Matteucci ähnliche An-
gaben. Er empfahl als ganz unpolarisirbare Combination Plat-
ten aus destillirttem Zink, oder auch aus verquicktem gewalzten
Zink in einer neutralen gesättigten schwefelsauren Zinkoxydlö-
sung. Man bringe, sagt er, an dem einen Ende der Multiplica-
tornadel eine Hemmung an, welche die Nadel verhindert, nach
der einen Seite auszuschlagen, und sende durch den Multiplicator
den Strom mehrerer nach Art einer Säule angeordneter Waden-
muskeln vom Frosch in. der Richtung in der die Nadel gehemmt
ist. Nach wenigen Augenblicken entferne man die Säule und
schlielse den Kreis zwischen den Bäuschen, (die Hr. Matteucci
nämlich jetzt nach meinem Vorgange anwendet). Dabei bleibe
die Nadel völlig unbewegt, zum Zeichen, dafs keine Ladung
stattgefunden habe.”)
*) Comptes rendus etc. 15 Mai 1854. t. XXXVII. p. 891;* — /’In-
stitut. vol. XXII. No. 1067. p. 206;* — Cosmos. Revue encyclopedique
etc. par M. PAbbe Moigno. t.IV. p. 599.*
*) Comptes rendus etc. 28 Juillet 18506. t. XLIN. p. 234;° — Ibid.
4 Decembre. p. 1054;* — Institut. 1856. t. XXIV. No. 1178. p. 267.*
vom 30. Juni 1859. 445
Das Jahr darauf kam Hr. Matteucci auf diesen Gegen-
stand zurück, indem er diesmal nur verquickte Zinkplatten in
gesättigter schwefelsaurer Zinkoxydlösung oder Chlorcalcium-
lösung als unpolarisirbare Combination empfahl. Dabei rühmte
er namentlich die grolse beständige Ablenkung, die der Muskel-
strom bei Ableitung mittels solcher Elektroden erzeuge. Mit
Platinplatten in Kochsalzlösung als Elektroden bringt ein Ga-
stroknemius oder halber Oberschenkel vom Frosch an dem Mul-
tiplicator von 24000 Windungen, den er sich nach dem Vor-
bilde des meinigen hat bauen lassen, einen Ausschlag von 30
bis 40° hervor, der binnen wenigen Secunden nur 2—1° be-
ständiger Ablenkung hinterläfst. Mit verquicktem Zink in Zink-
lösung hingegen erhielt er, nachdem die Platten gleichartig ge-
worden, einen Ausschlag von 90° und eine beständige Abien-
kung von 70—80°, welche sehr langsam abnahm. Entfernte er
den Muskel und brachte er, sobald die Nadel sich beruhigt
hatte, (in Ermangelung eines Schliefsungsbausches) die Zulei-
tungsbäusche zur Berührung, so gab sich keine Spur von La-
dung kund.')
Mir mufsten diese Angaben sehr bedenklich erscheinen.
Zwar ist es von vorn herein nicht so unwahrscheinlich, dals
Zink in Zinklösung eine sehr geringe Ladungsfähigkeit besitze.
Allerdings nicht aus dem Grunde, aus dem Hr. Regnauld die
vollkommene Unpolarisirbarkeit dieser Combination ableiten zu
können meint. Hrn. Regnauld’s Betrachtung palst ebensogut
auf jedes andere Metall in einer Lösung eines Salzes desselben
Metalls, woraus sich letzteres gut galvanoplastisch niederschlägt,
oder, wie man der Kürze halber sagen kann, auf alle galvano-
plastischen Combinationen. In der That pflegt man auch an
die Unpolarisirbarkeit solcher Combinationen ganz allgemein zu
glauben?), und ich selber habe deshalb früher dieAnwendung von
Kupferelektroden in schwefelsaurer Kupferoxydlösung, von Sil-
berelektroden in Cyansilberkaliumlösung zur Ableitung der
‘) Philosophical Transactions etc. For the Year 1857. P. 1. p. 131.
132°.
*) Vergl. z.B. E. Becquerel, Annales de Chimie et de Physique.
3me Serie. 1846. t. XVII. p. 271°; — 1847. t. XX. p. 68°.
446 Gesammisitzung
thierisch - elektrischen Ströme vorgeschlagen.‘) Allein Hr.
Helmholtz fand dafs diese Combinationen noch immer ein
Maals von Polarisation zulassen, welches keine sicheren Strom-
bestimmungen erlaubt.) Möglicherweise könnte nun beim Zink
dieser Rest von Polarisation besonders klein ausfallen wegen der
geringen Condensationsfähigkeit für Gase, welche die Ober-
fläche der positiven Metalle besitzt. Demgemäfs hatte ich sel-
ber schon bei verschiedenen Gelegenheiten, wo mir die Polari-
sation besonders lästig war, die jetzt von Hrn. Regnauld‘
empfohlene Combination, Zink in schwefelsaurer Zinkoxydlösung,
wirklich versucht, mit dem Unterschiede allerdings, dafs ich mich
des im Handel vorkommenden Materials bediente. Ich verband
die Zinkelektroden in Zinklösung erst mit einer Grove’schen
Kette, dann durch eine Wippe plötzlich mit dem sogenannten
Museums-Multiplicator, dessen Nadel 12” schlug. Es geschah,
im Sinne negativer Ladung, ein Ausschlag bis auf 20°, wäh-
rend bei Anwendung von Platin in Kochsalzlösung die Nadel
an die Hemmung geworfen wurde’). Ich konnte mich demnach
nicht bewogen finden, für gewöhnlich meine zwar höchst pola-
risirbaren, aber auch der höchsten Gleichartigkeit fähigen Pla-
tinelektroden gegen weniger polarisirbare, aber in Bezug auf
Gleichartigkeit durchaus unzuverlässige Zinkelektroden zu ver-
tauschen.
Hr. Regnauld hatte sich freilich chemisch reinen Mate-
rials bedient, zum Beweise der Unpolarisirbarkeit der von ihm
empfohlenen Combihation aber keinen Versuch mitgetheilt. Was
Hrn. Matteucci’s Angaben betrifft, so war es einmal a priori
wohl sehr wenig wahrscheinlich, dals das verquickte Zink in
Zinklösung unpolarisirbar sei, da man nicht begreift, wie die an
der Oberfläche liegenden Quecksilbertheilchen nicht mit dem
daran ausgeschiedenen Wasserstoff elektromotorisch wirken soll-
ten. Wie sodann Zink in Chlorcalciumlösung eine. unpolarisir-
bare Combination abgeben könne, ist gar nicht zu verstehen.
‘) Untersuchungen über thierische Elektricität. Berlin 1848. Bd. I.
S. 243.
*) Untersuchungen u. s. w. Bd.1I. Abth. I. S. 149.
®) Untersuchungen u. s. w. Bd. II. Abth. I. S. 409,
" vom: 30: Juni 1859. 447
Hrn. Matteucci’s Versuche endlich sind bei weitem nicht
strenge genug, um darauf eine Behauptung von so grolser prak-
tischer Wichtigkeit für den Fortschritt der Wissenschaft zu
gründen, wie die des Daseins einer wirklich unpolarisirbaren
Combination. Erstens besals sein Multiplicator, obschon von
24000 Windungen, nur eine sehr mäfsige Empfindlichkeit. Bei
uns führt ein mit Längs- und Querschnitt aufgelegter Ischiadnerv
vom Frosch die Nadel eines solchen Multiplicators an die Hem-
mung, und hält sie beständig auf 40—50°. Einen Ausschlag,
wie Hr. Matteucci ihn an seinem Multiplicator von 24000
Windungen bei Ableitung des Muskelstromes mit Zinkelektroden
in Zinklösung erhält, bekomme ich an meinem alten Multipli-
eator für den Muskelstrom von nur 4650 Windungen mit Pla-
tinelektroden in Kochsalzlösung'). Dann aber ist an seiner
Versuchsweise auszusetzen, dals während der Zeit, die nothwen-
dig ist, um die Nadel auf Null zu bringen und den thierischen Erreger
durch einen unwirksamen feuchten Leiter zu ersetzen, die wäh-
rend der Dauer des Stromes vorhandene Polarisation bereits un-
merklich geworden sein kann. Bei dem, übrigens vonHrn. Faraday
herrührenden Kunsigriff”), die Nadel einseitig zu hemmen, wird
zwar dieser Zeitverlust vermieden. Dafür tritt jedoch der Ver-
dacht ein dafs die Nadel an der Hemmung geklebt, oder dals
sich, in Folge des Abhebens der Glocke beim Anbringen der
Hemmung, die Gleichgewichtslage der Nadel während des Ver-
suches im Sinne des ursprünglichen Stromes verrückt habe, oder
endlich dafs die Hemmung zu weit im Sinne der Ladung ver-
schoben worden sei.
Wie dem auch sei, ich durfte natürlich nicht anstehen, die
Angaben der Hrn. Regnauld und Matteucci einer Prüfung
von solcher Schärfe zu unterwerfen, wie die Bedeutung des Ge-
genstandes sie erheischt. Ich theile in dem Folgenden das, wie ich
!) Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1843. Bd. LVIII. S. 2; — Un-
tersuchungen u. s. w. Bd. I. S. 464 ff.; — Bd. II. 1. Abth. S. 492.
*) Experimental Researches in Electricity. Reprinted from the Phi-
losophical Transactions. vol. I. Second Edition. London 1849. Series IX.
Dec. 1834, p. 332. 333. No. 1087. p. 338. No. 1103.* „Blocking the
needle”; — Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1835. Bd. XXXV. S. 428.
436.*
448 Gesammisitzung
glaube, nicht unwichtige, jedenfalls überraschende Ergebnifs mei-
ner Untersuchung mit. Ich bemerke übrigens hinsichtlich der Art,
wie dieselbe geführt ist, dafs ich dabei weniger vom Standpunkte
des Physikers ausging, der die Polarisation um ihrer selbst wil-
len erforscht, als von dem des Elektrophysiologen, dem es zu-
nächst nur darauf ankommt, sich für seine besonderen Zwecke
gewisse Kenntnisse und Hülfsmittel zu verschaffen. Aus diesem
Grunde wird man manche Frage, die sich hier zur Beantwer-
tung darbot, unerledigt, ja unberührt finden. |
Ich begann damit einige Vorversuche mit käuflichem Zink-
draht in käuflicher Zinklösung') anzustellen. Die Drähte hatten |
0.5”® Durchmesser, und wurden, damit sie ja gleichartig sein
sollten, so geschnitten, dafs die beiden zum Eintauchen be-
stimmten Enden im Draht aneinanderstielsen. Sie wurden ge-
putzt, indem ich sie an dem zum Einklemmen bestimmten Ende
mit einer Zange falste, und sie durch feines Sandpapier hin-
durchzog, bis sie überall eine gleichmäfsig blanke Oberfläche
zeigten. Dies liefs sich am leichtesten erkennen, indem ich das |
freie Ende in Schwingungen versetzte. Sodann zog ich die
Drähte so oft durch die Falten eines reinen Linnentuches bis
sie keinen schwarzen Strich mehr hinterliefsen. In diesem Zu-
stand eingetaucht, verhielten sie sich am Muskel- Multiplicator
meist leidlich gleichartig. Am Nerven-Multiplicator hingegen
war kaum etwas damit anzufangen. Es gehörte eine übermensch-
liche Geduld dazu, um abzuwarten, dals die hier noch stets beträcht-
licher Wirkungen fähigen und dabei im höchsten Grade wandel-
baren Ungleichartigkeiten der Drähte einmal in einer glücklichen
Stunde eine Beobachtung erlaubten. Die Nadel wurde dadurch bald
auf dieser, bald auf jener Seite des Nullpunktes oft auf 20—25° be-
ständiger Ablenkung gehalten, oder sie wanderte langsamer oder
schneller über den Nullpunkt fort zwischen diesen Grenzen hin und
her, so dals an Compensiren dieser der Gröfse und Richtung
nach völlig unbeständigen Wirkungen durch eine in den Kreis
eingeführte elektromotorische Kraft auch nicht füglich zu denken \
‘) Mit Zinklösung ist vor der Hand stets gesättigte schwefelsaure
Zinkoxydlösung gemeint. Die käufliche Lösung ist die des Zincum sul-
phuricum Pharm. Bor. (nicht des venale).
vom 30. Juni 1859. 449
war. Die geringste Erschütterung eines der beiden Drähte,
auch wenn dabei die Benutzung neuer Punkte der Oberfläche
vermieden war, machte den erschütterten Draht negativ gegen
den anderen, wie mir schon von früherher bekannt war').
Überhaupt aber schien es, als ob hier das Geschlossenhalten der
eingetauchten Drähte zum Kreise, wodurch ursprünglich un-
gleichartige Platindrähte bald nahe oder ganz gleichartig werden,
nicht nur wenig nutzte, was sich aus der vergleichweise
geringen Ladungsfähigkeit erklärt, sondern sogar schädlich wirkte.
Streifen von Zinkblech statt der Drähte angewandt erwiesen
sich vollends als unbrauchbar.
Was die Ladungsfähigkeit anlangt, so gelangen mir mit
diesen Elektroden zwar sehr leicht ähnliche Proben wie die
durch welche Hr. Matteucci die Unpolarisirbarkeit des destil-
lirten oder verquickten Zinks in Zinklösung bewiesen zu haben
glaubt. Also z. B. liels ich den Muskel 5’ lang die mit Zink-
lösung getränkten, mit Eiweilshäutchen bekleideten Bäusche mit
Längs- und Querschnitt berühren, hob ihn dann ab, brachte die
Nadel mittelst des Beruhigungsstäbchens auf Null, was kaum län-
ger dauert, als eine halbe Schwingung, und legte den Schlie-
Ssungsbausch auf, so gab sich keine Spur von Ladung zu er-
kennen. Man würde sich also für gewöhnlich, wenn es sich
blofs darum handelte, die Ladung nicht zu sehen, zu Ver-
suchen am Muskel-Multiplicator der käuflichen Zinkdrähte in
käuflicher Zinklösung bedienen können. Dals aber dennoch diese
Combination nicht unpolarisirbar sei, zeigte sich sofort, als ich
die Zinkdrähte ein paar Secunden lang mit einer Grove’schen
Kette, dann durch Umlegen einer Wippe schnell mit dem Mus-
kel-Multiplicator verband. Jetzt erfolgte, wie es nach jenen äl-
teren, oben S. 446 angeführten Versuchen nicht anders zu er-
warten war, ein heftiger Ausschlag im Sinne negativer Ladung.
Und es ward mir nicht schwer, denselben Erfolg auch mit Strömen
von der Ordnung des Muskelstromes wahrnehmbar zu machen,
indem ich der Wippe eine solche Einrichtung gab, dafs die
Schlielsung des Multiplicatorkreises möglichst rasch auf die Öff-
nung des Kettenkreises folgte. Die Ströme erzeugte ich theils
*) S. diese Berichte, 1854, $. 296. 297.
450 Gesammtsitzung
mit Hülfe einer Säure-Alkali- Kette, da ich damals noch nicht
auf die Anwendung des Princips der Nebenschliefsung zur Er-Ü
zeugung passend abgestufter Ströme bei thierisch- elektrischen
Versuchen verfallen war; theils diente mir dazu der Muskelstrom{i
selber. Ich brachte nämlich zwischen den Ziukdrähten, als Ne-
benschliefsung zum Multiplicator, noch eine metallische Leitungfi
an, deren Widerstand gegen den des Multiplicators verschwand,fi
so dafs die Nadel auf Null blieb. In dem Augenblick nachdem
ich den Muskel entfernt hatte, öffnete eine eigenthümlich ge-#
baute Wippe diese Nebenschliefsung und drückte unmittelbarf
darauf den Schlielsungsbausch auf die Zuleitungsbäusche. Unterf}
diesen Umständen erhielt ich am Nerven-Multiplicator eine zwarfi
sehr kleine, aber deutliche Spur von Ladung. Man bemerktfj
leicht, dals die zum Multiplicator angebrachte Nebenschlielsungf
mir hier denselben Dienst leistete, wie Hrn. Matteucci diefi
einseitige Hemmung der Multiplicatornadel, jedoch ohne diesel-fi
ben Bedenken nach sich zu ziehen.
Wurden noch schwächere Ströme angewandt, so gelang es)
auch mit Hülfe dieser Vorkehrungen nicht, deutliche Spurenf
negativer Polarisation wahrzunehmen. Hingegen gab sich, bei lange
dauernder Schliefsung solcher Ströme, die sonderbare Erscheinung
einer positiven Polarisation kund, welche schon früher von Hrn.f
Beetz und Hrn. Martens an Eisen in verdünnter Schwefel-f
säure und von mir selber an verquicktem Zink in Brunnenwas-fi
ser beobachtet wurde'). So beständig war hier diese Erschei-Ä
nung, dals ich zu der Vorstellung geführt wurde, die Polarisa-f}
tion des Zinks in Zinklösung sei bei schwachen Strömen positiv,f
über eine gewisse Stromstärke hinaus negativ. Die positive Po-f
larisation bei schwachen Strömen würde erklären, warum bei
dieser Combination das Geschlossenhalten der Elektroden zumf
Kreise, statt die Gleichartigkeit zu befördern, dieselbe vielmehr |
gefährde. Der ursprünglich vorhandene Strom würde sich sel-
ber allmälig durch positive Polarisation verstärken, statt sichf
durch negative Polarisation zu schwächen.
Dadurch dafs ich unter denselben Umständen, wo Hrn. Mat-
teucci reines und verquicktes Zink in Zinklösung keine Ladung
t) Untersuchungen u. s. w. Bd. I. $. 236. 610.
vom 30. Juni 1859. 451
aben, auch mit unreinem keine erhielt, während ich unter
esseren Bedingungen mit diesem letzteren allerdings Ladung
eobachtete, mulste mir die angebliche Unpolarisirbarkeit des
einen und des verquickten Zinkes natürlich doppelt verdächtig
erden. Ich beharrte indels, der Wichtigkeit der Sache halber,
n meinem Entschluls, derselben auf den Grund zu gehen; und
lücklicherweise bot sich mir die Gelegenheit, dies auf einem
iel vollkommneren Wege, als dem. bisher betretenen, zu ver-
uchen.
Durch die Güte meines Freundes Werner Siemens
jtand mir nämlich die von diesem in Poggendorff’s An-
alen u. s. w. 1857. Bd. CI. S.70 ff. beschriebene und
af. I. Fig. 1—3 ebendaselbst abgebildete automatische Wippe
‚u Gebot, welche für die Erforschung solcher Ladungserschei-
ungen, die nach einer kurze Zeit dauernden Durchströmung
ıinterbleiben, sehr geeignet ist, da sie Wirkungen wahrzuneh-
en gestattet, welche ihrer Kleinheit halber bei einmaliger Ein-
irkung auf die Nadel völlig spurlos vorübergehen. Ich mufs
iese Wippe hier als bekannt voraussetzen. Der Plan, nach
em ich verfuhr, war folgender. Der Schieber der Wippe sollte,
dem er sich an die eine der Anschlagschrauben m’ und n’
. die angeführte Figur) anlegte, den urprünglichen Strom
urch die auf ihre Ladungsfähigkeit zu prüfenden Elektroden
indurchlassen. Indem er sich an die andere der beiden Schrau-
en anlegte, sollte er der Ladung Gelegenheit zur Abglei-
"hung im secundären Strome geben. Beide Kreise, der primäre
d der secundäre, sollten gleichen Widerstand haben, und ver-
leichbare Bussolen enthalten. Es sollten die beständigen Ab-
kungen bestimmt werden, in denen die beiden Bussolnadeln
halten würden durch die sich in gleichen, sehr kurzen Zwi-
ehenräumen wiederholenden gleichen, sehr kurzen Stölse be-
iehlich des secundären und des primären Stromes. Das Ver-
tnils beider (auf eine und dieselbe Einheit zurückgeführter)
blenkungen $S:P=« kann man als den Polarisationscoefficien-
en der betreffenden Combination für die durch den Mechanis-
us der Siemens’schen Wippe bedingten Zeitverhältnisse be-
eichnen, und aus der Vergleichung der Polarisationscoäfficienten
452 Gesammtsitzung
verschiedener Combinationen einen Schlufs auf deren vergleich-
weise Ladungsfähigkeit ziehen.
Bei der Ausführung dieses Planes handelte es sich natür-
lich zunächst darum, die Anwendung der beiden vergleichbaren
Bussolen zu umgehen. Das Mittel dazu bestand darin, nur eine
Bussole zu beobachten, diese aber abwechselnd in den secun-
dären und primären Kreis einzuschalten.
Als Bussole wendete ich die von Hrn. Wiedemann mit
Hrn. W. Weber’s Stahlspiegel und dämpfender Kupferhülse
versehene Lamont’sche Bussole') mit verschiebbaren Gewinden
an, wie sie Hr. Sauerwald hierselbst in gewohnter Vollkom-
menheit anfertigt. Die Entfernung der Scale vom Spiegel be-
trug 2285””. Das Rollenpaar, dessen ich mich bediente, hat
12000 Windungen eines ganz feinen Kupferdrahtes, und die Bus-
sole zeigt mit demselben, wenn beide Rollen über der Kupfer-
hülse zusammengeschoben sind, ohne dafs dem Spiegel etwas von
seiner Richtkraft genommen wird, eine Empfindlichkeit, welche
sich der des Nerven-Multiplicators nähert, indem dieser, zwei
seiner Grade auf einen Scalentheil gerechnet, innerhalb der er-
sten 55° allerdings die grölsere relative, und innerhalb der er-
sten 65° die gröfsere absolute Empfindlichkeit besitzt, darüber
hinaus jedoch der Bussole mehr und mehr nachsteht. Leider
schwang der Spiegel etwas zu schnell, so dafs er die kleinen
Unvollkommenheiten im Gange der Wippe nicht hinlänglich
durch seine Trägheit ausglich, sondern bei starken Strömen in
fortwährenden kleinen Schwankungen blieb, aus deren Beobach-
tung auf die wahrscheinliche Gleichgewichtslage des Spiegels
geschlossen werden mulste.
Da die Bussole einen sehr bedeutenden Widerstand dar-
bietet, so leuchtet ein, dals es nicht genügte, dieselbe einfach
abwechselnd in beide Kreise einzuschalten. In dem Fall, dals
die Bussole sich im primären Kreise befand, wäre der primäre
Strom geschwächt, hingegen die Entladung der Elektroden: be-
günstigt gewesen; im anderen Falle wäre der primäre Strom
stärker gewesen, und der Polarisationsstrom hätte einen sehr
*) Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1853. Bd. LXXX VII. S. 230;*
— Bd. LXXXIX. S. 504. Anm.
vom 30. Juni: 1859. 453
N en Widerstand zu überwinden gehabt. Um diesem Übel-
stande vorzubeugen, mals ich an einem Siemens-Halske’schen
Rheostat, wie sich derselbe in dem oben angeführten Aufsatz
des Hrn. Siemens S. 75 beschrieben, Taf. I. Fig. 4. ab-
gebildet findet, mittels des Wheatstone’schen Stromnetzes
einen Widerstand gleich dem der Bussole ab, und traf eine
solche Anordnung, dafs jedesmal, wenn sich die Bussole in
dem einen Kreise befand, dieser Widerstand, nämlich 80 Meilen
Telegraphendraht, in den anderen Kreis eingeschaltet war.
; ge 3 we ya Ä
1 Im.! €3 1: |
454 Gesammtsitzung
Die vorhergehende Figur ist bestimmt, eine Übersicht der
Einrichtung des Versuches zu geben. Um sich darin zurecht-
zufinden, sehe man zuerst von den punktirten einfachen Linien
ab. Dieselben kommen erst später in Betracht.
E,E' sind die auf ihre Ladungsfähigkeit zu prüfenden Elek-
troden. %’ ist der Schieber der Siemens’schen Wippe, der
während der Ruhe der Wippe durch die Feder wider den lei-
tenden Anschlag m’ gedrückt wird, während des Ganges, unter dem
abwechselnden Einflufs der Feder und des Elektromagnets, bald m’,
baldden gegenüberliegenden, ebenfalls leitenden, Anschlag n’ trifft'),
und beziehlich an jedem so lange liegen bleibt, bis der Hebel
seinen Hub in der anderen Richtung nahe vollendet hat.
B ist die Bussole, Ar der an Widerstand derselben gleiche
Rheostat. Dist eine Daniell’sche oderGrove’sche Kette grö-
[serer Art, für deren Beständigkeit stets die äulserste Sorgfalt getra-
gen wurde. Von derselben wurde durch Nebenschliefsung der
ursprüngliche Strom in folgender Art abgeleitet. NS ist ein
gleich einer Claviersaite auf einem Brett ausgespannter Messing-
draht von 1.75”” Durchmesser und beiläufig 1.6" Länge. Die-
ser Draht heifst der Nebenschlielsungsdraht. Das Ende
S des Nebenschlielsungsdrahtes steht durch einen Schlüssel S in
Verbindung mit der Kette sowohl als mit den Elektroden. Hier
also spaltet sich, bei geschlossenem Schlüssel $, wie man in der
Figur sieht, der Strom, und geht zum Theil durch den Neben-
schliefsungsdraht, zum Theil durch die Elektroden weiter. Auf
dem Wege zu den Elektroden trifft er auf einen Pohl-
schen Stromwender C,, der dem Stromzweig zwischen den Elek-
troden die passende Richtung in Bezug auf eine schon beste-
hende Ungleichartigkeit giebt, also z. B., wenn negative Polari-
sation erwartet wird, die Richtung jener Ungleichartigkeit. In
der Figur ist eine solche Lage der Wippe des Stromwenders
angenommen, dals der Stromzweig geradesweges weiter zur Elek-
trode E’ geht. Auch ist hier noch ein Schlüssel S, eingeschaltet,
der jenen Stromzweig nach Belieben herstellt oder unterbricht.
t) Die Bezeichnungen %, m’ und n’ sind der leichteren Vergleichung
halber aus Hrn. Siemens Beschreibung seiner Wippe beibehalten. S.a.
a. O.
vom 30. Juni 1859. 455
Aus den Elektroden kehrt der Stromzweig, nachdem er andere
Theile der Vorrichtung durchlaufen hat, durch die Leitung «&yd
zurück, um sich bei ö wieder mit dem Hauptstrome zu vereini-
gen. Das Ende ö des Drahtes C,ö ist beweglich am Neben-
schliefsungsdrahte, so dafs man zwischen S und Ö ein beliebiges
Stück des Nebenschlielsungsdrahtes aufnehmen kann. Die Folge
davon ist begreiflich, dals der Stromzweig zwischen den Elektroden
_ verschiedene Stärke erlangt. Der Nebenschlielsungsdraht ist so
gewählt, dals man mittels der Verschiebung von ö leicht Ströme
von der Ordnung des Muskelstromes erzeugen kann. Beim Öffnen
des Schlüssels S aber fällt die Nebenschlielsung ganz fort, und
der Strom der Kette D gelangt ungeschwächt zu dem Elektro-
denpaar. Selbst in diesem Falle aber, kann man annehmen, blei-
ben die Widerstände des primären und des secundären Kreises
einander hinlänglich gleich, da der Widerstand der Kette D
gegen den der Bussole oder des Rheostats und der Ladungs-
zelle nicht in Betracht kommt.
€, und C, sind zwei Pohl’sche Stromwender ohne Kreuz,
und, wie die ihre Wippen verbindende punktirte Doppellinie
anzeigen soll, mit gekuppelten Wippen. Diese Anordnung ist
derselben Dienste fähig, welche die neuerdings von Hrn. Wild
beschriebene Wippe leistet '). Die Doppelwippe C, C; war es,
die, wie man leicht versteht, wenn sie nach rechts in der Figur
umgelegt war, den ursprünglichen Strom durch die Bussole und
den secundären durch den Rheostat lies, wenn nach links, die
umgekehrten Verbindungen herstellte. Der Stromwender mit
Kreuz C, bewirkt, dals man abwechselnd die Contactstelle m’
in den Kreis des ursprünglichen, die n’ in den des secundären
Stromes aufnehmen könne, und umgekehrt. S, ist ein Schlüssel,
welcher in den den beiden Kreisen, dem primären und dem se-
eundären, gemeinsamen Theil der Leitung eingeschaltet, in
jedem Augenblick die Nichtveränderung des Nullpunktes zu con-
troliren erlaubt. Endlich MM’ stellt den Elektromagnet der
*) Die Neumann’sche Methode zur Bestimmung der Polarisation
und des Übergangswiderstandes, nebst einer Modifikation derselben. Vier-
teljahrsschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich. 2. Jahrgang.
0837. S. 213.*
[1859.] 32
-456 Gesammitsitzung
Siemens’schen Wippe, G die zugehörige Gangkette, bestehend
aus zwei Grove’schen Elementen grölserer Art, S; den Schlüs-
sel vor, der die Wippe in Gang und in Ruhe setzt.
Sendet man einen beständigen Strom durch die eine oder
die andere der beiden Contactstellen m’ und n’ der im Gange
begriffenen Siemens’schen Wippe, so bleibt ein gewisser
Bruchtheil der Stromstärke übrig, den man als den Co£fficienten
der bezüglichen Contactstelle bezeichnen kann. Die Wippe ar-
beitet um so vollkommener, je gleicher und je gröfser zugleich
die beiden Coeffhicienten sind. Im besten Zustande der Wippe
unterscheiden sich die beiden Coäffhicienten um keinen in Be-
tracht kommenden Bruchtheil ihrer Gröfse von einander, und
zwar erreichen sie dabei den Werth von —. Es stellt sich
2.6
aber die Nothwendigkeit heraus, die Coefficienten mit Leichtig-
keit öfter revidiren zu können, und kleine Veränderungen der-
selben, die sich aus unbekannten Gründen dann und wann ein-
finden, durch etwas veränderte Spannung der Federn (Vergl.
die Beschreibung der Wippe a. a. O.) zu berichtigen. Zu die-
ser Revision diente die in der Figur durch die punktirten einfachen
Linien angedeutete Anordnung. C,,C,, C, sind Stromwender ohne
* Kreuz. Die Wippen von C, und C, sind gekuppelt. Wird die
Doppelwippe C, C, von E, E, £ nach D’, 5, = umsgelegt,
und die Wippe des Stromwenders C, ausgehoben, so geht der
von dem Nebenschlielsungsdraht abgeleitete Stromzweig statt
durch die Elektroden E, E’ durch die Bussole, und, je nach der
Lage der Wippe C,, durch die eine oder die andere Contact-
stelle. War dieSiemens’sche Wippe gut im Stande, so durfte
der Spiegel das Umlegen der Wippe C, nur durch ein Zucken
nach der Ruhelage hin beantworten.
Aulserdem wurden, zu grölserer Sicherheit, die Versuche
stets so angestellt, dals jede Contactstelle einmal in den primä-
ren und einmal in den secundären Kreis eingeschaltet wurde.
Dies gab zwei Paar Ablesungen, £,, S,, und P,„ Sm» Da
aber auch noch die Richtung des primären Stromes durch das
Elektrodenpaar umgekehrt wurde, so setzte sich schliefslich jede
Bestimmung des Polarisationsco@fficienten in dem oben S. 451
angegebenen Sinne aus acht Ablesungen zusammen, welche den
vom 30. Juni 1859. 457
acht möglichen Combinationen der beiden Lagen der Doppel-
wippe €, C,, der Wippe C,, und der €, entsprachen.
Sollte die Polarisation nach längerer Dauer des ursprüng-
lichen Stromes beobachtet werden, so brachte ich mittelst des
Schlüssels $S, die Siemens’sche Wippe in Ruhe, und legte
die Doppelwippe C, C,z nach oben, die Wippe C, aber nach
unten in der Figur um, wodurch die Bussole und die Contact-
stelle m’, gegen welche die Feder den Schieber drückt, in den
secundären Kreis geriethen. Dann fixirte ich durch einen Keil
den Hebel der Siemens’schen Wippe in der Lage, die ihm
der Elektromagnet zu ertheilen strebt, und hielt so, bei geöff-
netem secundären Kreise, den primären Kreis dauernd geschlos-
sen. Wurde im gegebenen Augenblick der Keil fortgezogen,
so fiel der Hebel, der Feder gehorchend, vom Magnet ab, gleich
als wäre dieser durch Öffnen seiner Gangkette entmagnetet wor-
den, nur, da kein magnetischer Rückstand den Fall verzögerte,
noch geschwinder, und führte zuletzt mit grolser und stets
gleicher Geschwindigkeit den Schieber in die Lage über, wo er
den secundären Kreis schlols. Diese Beobachtungsweise der La-
dung soll zum Unterschied von der erstbeschriebenen, zu der
die Siemens’sche Wippe eigentlich allein bestimmt ist, die
zweite heilsen. Als dritte endlich gelte die selten ange-
wandte Versuchsweise, wobei die Ladung im primären Kreise selber
nach Aufhören des ursprünglichen Stromes beobachtet wurde.
Hiezu genügte es, bei ruhender Wippe und bei Gegenwart der
Bussole im primären Kreise, im gegebenen Augenblick einen in
dem Hauptkreis DNS der Keite selbst angebrachten Schlüssel
zu öffnen.
Bemerkt zu werden verdient noch, dals ich es zur Erleich-
terung des Vergleiches der primären und secundären Wirkung
bequem gefunden hatte, die Leitungen, wie es sich aus der Fi-
gur ergiebt, so auzuordnen, dals negative Ladung im secundären
_ Kreise den Spiegel in derselben Richtung ablenkte, wie der ur-
sprüngliche Strom.
Ich begann damit zuzusehen, wie sich die Ladung einiger
in Ansehung ihrer Polarisirbarkeit bereits besser gekannten
Combinationen an meiner Vorrichtung gestalten würde. Wo
es nicht ausdrücklich anders bemerkt ist, hatten die auf ihre
32°
458 Gesammitsitzung
Ladungsfähigkeit zu prüfenden Elektroden die Form von Dräh-
ten von 0.5"" Durchmesser und tauchten bei 1°” Abstand von
einander 2°” tief in die Flüssigkeit.
(1) Platin in verdünnter Schwefelsäure (SO,H:
HO::1:5 dem Volum nach). Die elektromagnetischen Wir-
kungen des primären und des secundären Stromes ergaben sich
als völlig gleich, so dafs rasches Umlegen der Doppelwippe
C, C,, oder Vertauschen beider Wirkungen mit einander an der
Bussole, sich im Fernrohr nur durch ein Zucken des Spiegels
nach der Ruhelage hin bemerklich machte. « ($. oben S. 451)
waralso hier=1. In Übereinstimmung damit sah man, bei der
dritten Beobachtungsweise, den primären Strom beim Schlielsen
des Schlüssels S, augenblicklich bis auf einen sehr kleinen Bruch-
theil verschwinden, und beim Öffnen des im Hauptkreise befind-
lichen Schlüssels, auch nach kürzester Frist, einen negativen
Ausschlag von sehr nahe gleicher Gröflse mit dem primären er-
folgen. Die Gleichheit der primären und secundären Wirkung
hörte übrigens, wie sich nach den bekannten Gesetzen der Po-
larisation erwarten liels, auf, wenn die Stärke des primären Stro-
mes eine gewisse Grenze überschritt. Schon bei Anwendung
eines einzigen, nicht durch Nebenschlielsung geschwächten Da-
niell’s fing die primäre Wirkung zu überwiegen an; bei fünf
Daniell’schen Gliedern war « nur noch etwa = %, wozu
noch kommt, dafs jetzt der secundäre Kreis dem primären an
Widerstand bedeutend nachstehen mulste.
Platinplatten, die sich in 1°” Abstand 2 Quadratcentimeter
benetzter Oberfläche zukehrten, zeigten ganz dieselben Erschei-
nungen.
und Platten. Ganz dieselben Erscheinungen.
(3) Platin in rauchender Salpetersäure. Diese
Combination gilt allgemein für unpolarisirbar, und ich selber
habe früher einen Versuch beschrieben, der dies zu beweisen
scheint. Die durch den Strom einer Grove’schen Kette, in
deren Kreis Platinelektroden in rauchender Salpetersäure einge-
schaltet waren, in beständiger Ablenkung gehaltene Nadel zeigte
keinen merklichen positiven Ausschlag, als der Strom in dem
Elektrodenpaar mittels einer Wippe so rasch wie möglich um-
(2) Platin in gesättigter Kochsalzlösung. Drähte
vom 30. Juni 1859. 459
gekehrt wurde'); eine Beobachtungsweise der Ladungen, die
wir im Gefolge der bereits früher aufgezählten hier beiläufig
noch als die vierte bezeichnen können. Hr. Pflüger hat neuer-
dings, bei Wiederholung dieses Versuches, unter denselben Um-
ständen nur 1° Ausschlag beobachtet, wo Kupferelektroden in schwe-
felsaurer Kupferoxydlösung 20° Ausschlag gaben. Indessen ist nicht
zu übersehen erstens, dals bei dieser Versuchsweise die Empfindlich-
keit der Nadel nothwendig vermindert ist, selbst wenn man sich,
wie Hr. Pflüger that, in den empfindlichen Breiten der Thei-
lung hält; zweitens, dals, in meinem Falle bestimmt, in Hrn.
Pflüger’s Falle höchst wahrscheinlich, Elektroden von gröfserer
Oberfläche angewendet wurden. Mit Drähten als Elektroden
zeigt die Siemens’sche Wippe, dals diese Combination noch
einen gewissen und zwar gar nicht so geringen Grad von La-
dungsfähigkeit besitzt. Ich bemerke dals die Säure tief braun-
roth gefärbt war, stark rauchte, und bei 26.9°C. 1.49 Dichte
befals. Dennoch war mit Strömen von der Stärke des Muskel-
1 . es . 1
stromes «= —, mit ungeschwächtem Daniell = — Auch als
33 37
ganz einfach die oben S. 457 als zweite bezeichnete Ver-
- suchsweise mit einem solchen Daniell und 2’ Durchströmung
in's Werk gesetzt wurde, erfolgte ein Ausschlag von 40 Scalen-
_ theilen. Da in dieser Combination der Wasserstoff an der ne-
gativen Elektrode auf Kosten der Salpetersäure oxydirt wird,
so hat man sich vermuthlich zu denken, dafs diese Pnlarisation
von der elektromotorischen Wechselwirkung des Platins und
des Sauerstoffs an der positiven Elektrode herrührt, welche das
Platin noch negativer mache, als es schon durch die Berührung
mit den hohen ÖOxydationsstufen des Stickstoffs wird.
(4) Silber in gesättigter salpetersaurer Silber-
oxydlösung. Auch diese für unpolarisirbar geltende Combi-
nation lies an der Siemens’schen Wippe unter Umständen
bedeutende Ladungen hervortreten, bot aber noch aulserdem
eine sehr merkwürdige Erscheinung dar. Ich fand nämlich mit
') Untersuchungen u. s. w. Bd. II. Abth. I. S. 379.
?) Untersuchungen über die Physiologie des Elektrotonus. Berlin
1859. S. 449. 450. .
460 Gesammtsitzung
.. 1 1
Strömen von der Ordnung des Muskelstromes a= 1; -—:
Az dep,
ein Mals der Ladungsfähigkeit etwa so als ob gar keine Vor-
kehrung zur Beseitigung der Ladung wäre getroffen wor-
den. Hingegen mit ungeschwächtem Daniel ward « nur
Fo u gefunden. Dies rührte nicht allein davon her, dafs
die Stärke des Polarisationsstromes überhaupt langsamer wächst
als die ursprüngliche Stromstärke. Sondern indem ich bei ar-
beitender Wippe die secundäre Wirkung dauernd beobachtete,
während ich die Länge der Nebenschliefsung zwischen S und ö |
stetig wachsen liels, zeigte sich’s, dals die absolute Grölse der
secundären Wirkung in Bezug auf die primäre Stromstärke ein
Maximum habe. Ich ziehe vor mich jeder Äufserung über die
muthmafsliche Ursache dieser Erscheinung zu enthalten, erlaube
mir aber, dieselbe der Aufmerksamkeit derjenigen zu empfehlen,
welche die Elektrolyse zum Gegenstand ihrer Untersuchungen
machen.
(5) Kupferdrähte in verdünnter Schwefelsäure von
der unter (1) angegebenen Concentration waren zu ungleichartig,
um einigermalsen genauere Beobachtungen zu gestatten. Als sie
nur mit den Spitzen eintauchten, gelangen einige Ablesungen,
wonach bei Strömen von der Ordnung des Muskelstromes «
5 1 . =.
hier etwa = — sein würde.
1.5
(6) Kupferelektroden inschwefelsaurer Kupferoxyd-
lösung verhielten sich auch nur selten gleichartig genug für
meinen Zweck. Es zeigte sich, dals mit dieser Combination die
Polarisation für Ströme von der angegebenen Ordnung an der
Siemens’schen Wippe fast unmerklich war. Sie ward erst
melsbar, als die ganze Länge des Nebenschlielsungsdrahtes in
den primären Kreis aufgenommen worden war. Unter diesen
Umständen bestimmte ich & zu höchstens — Nicht. erheblich
kleiner fiel & bei Anwendung eines ungeschwächten Daniell’s aus.
Während demnach bei der oben S. 458 als vierten bezeichneten
Beobachtungsweise Kupfer in Kupferlösung viel stärkere Ladung
giebt, als Platin in Salpetersäure, übertrifft an der Siemens-
schen Wippe die secundäre Wirkung der letzteren Combination
die der ersteren um etwa das fünffache; ein Widerspruch zwi-
vom 30. Juni 1859. 461
schen den Ergebnissen beider Methoden, auf den wir unten
werden zurückzukommen haben, der aber immerhin hier schon
dienen kann zu zeigen, dals die gewöhnlichen Beobachtungswei-
sen nicht ausreichen, wenn es sich darum handelt, einer Com-
bination die Ladungsfähigkeit abzusprechen, sondern dals man
in dieser Beziehung mindestens noch eine Vorrichtung nach Art
der Siemens’schen Wippe zu befragen habe.
(7) Käufliches Zink in käuflicher Zinklösung. In
der That lehrt denn auch die Siemens’sche Wippe sofort,
dals diese Combination nicht allein, den oben S. 449 berich-
teten Erfahrungen scheinbar entgegen, durch Ströme von der
Ordnung des Muskelstromes Ladung im gewöhnlichen, nega-
tiven Sinn annimmt, sondern dafs diese Ladung sogar, unter
übrigens gleichen Umständen, die des Kupfers in Kupferlösung
ganz ungeheuer übertrifft. & nämlich ward hier, so genau als
die Ungleichartigkeiten es gestatteten, zu 1, ZI, ja einmal
5.5 3.3
zu -— bestimmt. Mit dem Strome des ungeschwächten Da-
2.3
. 1 . . . .
niel’s war « nur = —» also relativ sehr viel kleiner, je-
19.3
doch nicht, wie beim Silber in Silberlösung, auch absolut klei-
ner als mit den schwachen Strömen.
Es fragte sich nun natürlicherweise vor Allem wie es
komme, dafs ich früher bei langer Schlielsung schwacher Ströme
durch die Zinkelektroden positive, mit starken Strömen aber ne-
gative Polarisation beobachtet habe. Die Wiederholung des
Versuches an der Bussole, statt am Multiplicator, liefs ver-
möge der geringen Schwingungsdauer des Spiegels einen Um-
stand hervortreten, welcher den Schlüssel hierzu gab. Es zeigte
sich nämlich, bei der zweiten Beobachtungsweise, zuerst stets ein
kleiner negativer Ausschlag, von etwa einem Scalentheil, und
dann erst wurde der Spiegel im Sinn der positiven Polarisation
abgelenkt. Das unreine Zink in Zinklösung besitzt also wohl
beide Arten von Polarisation zu gleicher Zeit, die gewöhnliche
negative, und die unregelmälsige positive, so dafs man in Wahr-
heit stets nur den Unterschied beider zu sehen bekommt. Die
beiden Polarisationen befolgen aber in Bezug auf ihr Wachs-
thum mit der Dauer des ursprünglichen Stromes und auf ihre
462 Gesammtsitzung
[2
o £ L [4 7 Ach t W
Abnahme nach dem Aufhören desselben ein verschiedenes Ge-
setz, wie dies in der Figur vorgestellt ist. Die Abscissen 02 bedeu-
ten die Zeiten, die ausgezogenen Curven gehören der negativen,
die punktirten Curven der positiven Polarisation an. Die nega-
tive Polarisation wächst mit der Dauer der Schlielsung bis zu einer
gewissen Grenze rascher als die positive, nimmt aber auch nach
Unterbrechung des primären Stromes schneller ab. Wird die-
ser daher, wie es in der Siemens’schen Wippe der Fall ist,
bereits nach sehr kurzer Zeit, z. B. bei z’, unterbrochen, so er-
hält man eine durch den schraffirten Flächenraum ad!” gemes-
sene, rein negative, secundäre Wirkung. Wird dagegen die
Kette erst bei z”’ geöffnet, so fällt die secundäre Wirkung dop-
pelsinnig aus, indem ein kleiner negativer Vorschlag, gemessen
durch ede, der grölseren positiven Hauptwirkung vorangeht, die
durch ez!Y z vorgestellt wird. Ja es scheint, obwohl es mir nicht
gelang diesen Zustand künstlich herbeizuführen, dafs bei fortge-
setzter Schlielsung eines Stromes von gewisser Schwäche die
positive Polarisation die negative sogar an Grölse übertreffen
kann, so dals die beiden Curven zuletzt einander schneiden.
Man würde sonst nicht verstehen, wie Zinkelektroden in Zink-
lösung durch Geschlossenstehen zur Kette ungleichartiger statt
gleichartiger werden können. Aulserdem findet allem Anschein
nach auch noch eine verschiedene Abhängigkeit der beiden Ar-
ten von Polarisation von der Stärke des ursprünglichen Stromes
statt, der Art, dafs die positive Polarisation viel langsamer mit
der Stromstärke wächst. So wird es erklärlich, dafs bei gröfse-
rer Stärke des ursprünglichen Stromes, bei Anwendung z. B.
eines ungeschwächten Daniell’s, die positive Polarisation nicht
beobachtet wird. Die unregelmäfsigen Wirkungen, welche nach
Abgleichung der starken negativen Polarisation in diesem Falle
meist hinterbleiben, gestatten keine sichere Aussage darüber, ob
vom 30. Juni 1859. 463
die positive Polarisation dabei noch spurweise wahrnehmbar sei
oder nicht.
Wie dem auch sei, hält man zunächst nur die Empfäng-
lichkeit des unreinen Zinks in Zinklösung für die gewöhnliche,
bei weitem wichtigere negative Ladung im Auge, so haben wir
also gefunden, dafs diese Combination kaum weniger polarisirbar
ist als Kupfer in verdünnter Schwefelsäure. Es ist danach wohl
hinlänglich klar, dals Elektroden, welche, bei der gewöhnlichen
Art der Untersuchung, wie sie von Hrn. Maiteucci in’s Werk
gesetzt wurde, gar keine, und bei den oben von uns angewand-
ten, schon etwas schärferen Prüfungen nur eine äulserst schwache
Spur von Ladung wahrnehmen lassen, dennoch in sehr hohem
Grade ladungsfähig sein können; und nicht minder klar, nach
diesen Vorgängen, dals die Untersuchung über das dem reinen
oder verquickten Zink in Zinklösung zukommende Mals von
‚Polarisation völlig von vorn anzufangen habe.
(8) Reines Zink in reiner Zinklösung. Das reine
Zink, dessen ich mich bediente, hatte Hr. Apotheker Voigt die
Güte gehabt, durch wiederholte Destillation darzustellen. Zu-
letzt war dasselbe, was besser wäre vermieden worden, in einer
eisernen Höllensteinform, obschon allerdings bei möglichst nie-
driger Temperatur, in Stangen gegossen worden. Aus einem
Theile dieser Stangen wurden in einer Form aus sogenanntem
Blaustein (worin zinnerne Soldaten gegossen werden), später, da
der Blaustein, obschon vorgewärmt, absplitterte, in einer Gypsform,
Platten von 25”” Breite und 60”" Länge gegossen. Allein
ich mulste auf den Gebrauch so grofser Platien verzichten, weil
es schlechterdings unmöglich war, mit den Ungleichartigkeiten
derselben fertig zu werden. Ich brach daher die an den Stan-
gen haftenden flügelförmigen Lappen, welche sich durch das Ein-
dringen des geschmolzenen Metalls zwischen beide Hälften der
Form gebildet hatten, in schmale Leistchen, und schabte deren
Oberfläche mit der scharfen Kante einer gesprungenen Glasscheibe
rein. Diese möglichst reinen Zinkoberflächen tauchte ich in gesät-
tigte reine schwefelsaure Zinkoxydlösung, die ich Hrn. Heinrich
Rose verdankte. Auch so liefs die Gleichartigkeit viel zu wün-
schen übrig, jedoch war sie genügend, um gute Beobachtungen
an der Siemens’schen Wippe zu gestatten. Es zeigt sich aber,
464 Gesammtsitzung
mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes, negative Po-
larisation eben so stark wie beim käuflichen Zinkdraht, welche
eben so schnell als dort mit der wachsenden Stärke der Ströme
abnahm. Mit den schwächsten Strömen nämlieh fand ich «
— = mit den stärksten, die der Nebenschliefsungsdraht bei An-
wendung eines Daniell’s zuliels, = -. mit dem ungeschwächten
3.
Strom des Daniell’s aber nur noch = — . Auch hier überzeugte
78.3 5
ich mich davon, dafs die absolute Grölse der secundären Wir-
kung nicht, wie beim Silber, ein Maximum in Bezug auf die
Stromstärke besitzt.
Dagegen war bei dem reinen Zink im Gegensatz zum käuf-
lichen keine deutliche Spur von positiver Polarisation zu bemer-
ken. Bei der zweiten Beobachtungsweise gab sich nach langem
Schlusse der primären Kette unter denselben Umständen, wo das
unreine Zink die doppelsinnige Polarisation zeigt, nur eine leb-
hafte und nachhaltige negative Wirkung kund.
Es war danach klar, dafs die positive Polarisation nicht dem
Zink selber, sondern einer Verunreinigung desselben angehöre,
und zwar wahrscheinlich dem Eisen, da nämlich das Eisen bis-
her das einzige bekannte Metall ist, welches positive Polarisation
besitzt. Doch ist unter den Flüssigkeiten, in denen Hr. Beetz
diese Erscheinung beobachtete, schwefelsaure Zinkoxydlösung
nicht genannt, die zu prüfen er keinen Grund hatte. Ich ver-
suchte deshalb wie sich Eisenelektroden in dieser Flüssigkeit
verhalten.
(9) Eisen in Zinklösung. Ich fand, dafs zwei Stücke
Ilsenburger Eisendraht darin sehr gut gleichartig wurden; dals
sie an der Siemens’schen Wippe, mit Strömen von der Ord-
nung des Muskelstromes, starke negative Polarisation zeigten
(= au, EB dals sie aber bei der zweiten Beobachtungs-
1.7. :2.6
weise nach langer Durchströmung genau wie das unreine Zink
einen doppelsinnigen Ausschlag gaben, zuerst einen deutlichen
negativen Vorschlag, dann eine lang anhaltende positive Wir-
kung.
Die chemische Analyse des unreinen Zinkdrahtes, die Hr.
Heinrich Rose die Güte hatte, in seinem Laboratorium aus-
vom 30. Juni 1859. 465
führen zu lassen, wies denn auch in demselben eine gewisse
Menge Eisen nach. Auch das destillirte Zink ward bei dersel-
ben Gelegenheit nicht ganz frei von dieser Verunreinigung ge-
funden, Möglich dals diese Verunreinigungen es waren, von
welchen auch die negative Polarisation meines destillirten Zinks
herrührte. Möglich dafs Hrn. Matteucci’s Zink einen Grad der
Reinheit besafs, bei dem es auch an meinen Vorrichtungen keine
negative Polarisation gezeigt haben würde. Indessen fehlt der
chemische Beweis für jene Reinheit, so gut wie der physikali-
sche für diese Nichtladungsfähigkeit, und was jene Möglichkei-
ten in hohem Grade unwahrscheinlich macht, ist der Umstand,
dafs sich in meinen Versuchen zwischen der Empfänglichkeit
des käuflichen und der des gereinigten Zinks in Zinklösung für
. die negative Ladung gar kein Unterschied ergeben hat.
Wie dem auch sei, bei der ungemeinen Schwierigkeit, sich
Zink in diesem Zustande vollkommenerReinheit zu verschaffen, würde
den Elektrophysiologen mit dem Vorschlage des Hrn. Jules Re-
gnauld nicht geholfen sein, da sie immer erst derSiemens’schen
Wippe bedürfen würden, um sich zu überzeugen, dals ihre Zinkelek-
troden nicht ladungsfähig seien, und es in dieser Ungewilsheit viel
bequemer für sie sein würde, sich des käuflichen Kupfers in käuf-
licher Kupferlösung zu bedienen, welche Combination, nach mei-
nen Versuchen, eine ohne Vergleich kleinere Ladungsfähigkeit
besitzt, als jedenfalls schon sehr sorgfältig gereinigtes Zink.
Vielleicht würde die galvanoplastische Darstellung des Zinks
ein Mittel abgeben, sich ein minder ladungsfähiges Metall zu
verschaffen, als das meinige war. Ich habe keine Veranlassung
mehr gehabt, diesen Versuch anzustellen, auch nicht mich um
chemisch noch besser gereinigtes Zink zu bemühen, da die fol-
genden Ergebnisse diese Bemühungen von dem präktischen
Standpunkte aus, den ich erwähntermalsen hier einnahm, als
überflüssig erscheinen liefsen.
(10) Verquicktes Zink in Zinklösung. Ich ging nun
nämlich auch noch, und zwar, wie ich schon oben S. 446
andeutete, mit sehr geringen Erwartungen, an die Untersu-
chung der Ladungsfähigkeit des verquickten Zinks in Zinklö-
sung. Wie grols war mein Erstaunen, als ich zunächst fand,
dals zwei beliebige Stücke Zink auf beliebige Art reichlich
466 Gesammtsitzung
verquickt, sich in Zinklösung nicht allein an der Bussole, son-
dern sogar am Nerven-Multiplicator absolut gleichartig ver-
hielten. Zuerst reinigte ich die Zinkdrähte oder -Bleche sorgfältig
mit Sandpapier, verquickte sie mit reinem Quecksilber mittels che-
misch reiner Schwefelsäure, und tauchte sie in die chemisch reine
Zinklösung. Dann dreister werdend erkannte ich Schritt für Schritt,
dals alle diese Vorsichtsmalsregeln unnütz seien, und dals zwei be-
liebige Stücke ganz gemeinen Zinkbleches, wie es zuKlempnerarbei-
ten gebraucht wird, mit altem schmierigen Quecksilber und roher
Salzsäure verquickt, mit Wasser abgespült und mit Flielspapier
abgetrocknet, sich in käuflicher Zinklösung bei einer benetzten
Oberfläche von mehreren Quadratzollen nach wenigen Augen-
blicken am Nerven-Multiplicator absolut gleichartig verhalten.
So vollkommen ist diese Gleichartigkeit, dafs ich, ehe ich mich
an den Anblick gewöhnt hatte, immer in Versuchung kam zu
prüfen, ob denn auch der Kreis wirklich geschlossen sei, da beim
Schliefsen und Öffnen desselben durchaus keine Spur von Bewe-
gung, sei’s des Spiegels, sei’s der Nadel, bemerklich wurde, nicht
anders als ob der Kreis entweder an einer zweiten Stelle
offen oder rein metallisch gewesen wäre. Mit wie geringer
Sorgfalt diese Gleichartigkeit erzielt werde, die das Beste weit
hinter sich läfst, was nach meiner Vorschrift mit allem Fleifs
zubereitete Platinelektroden leisten, geht wohl am deutlichsten
aus folgendem Versuch hervor. Aus einer Daniell’schen Säule
griff ich auf’s Gerathewohl zwei Zinkeylinder von beiläufig 33"”
Durchmesser heraus, von denen, wie sich ergab, der eine schon
mehrmals, der andere noch nicht gebraucht worden war, und
tauchte dieselben, nachdem sie, um an dem gebrauchten Cylin-
der etwa haftendes Kupfer zu entfernen, mit Wasser abgespült
und mit Fliefspapier abgetrocknet worden waren, einander mög-
lichst nahe 50"” tief in Zinklösung, wobei also die benetzte
Oberfläche jedes Cylinders über 50 Quadratcentimeter betrug.
Es erfolgte zwar im ersten Augenblick ein ziemlich starker Aus-
schlag am Nerven-Multiplicator, sehr bald aber kam auch hier
die Nadel absolut auf Null, und blieb daselbst, auch wenn der
Kreis minutenlang geöffnet und dann wieder geschlossen wurde.
Die Abgleichung dieser im Anfang vorhandenen Ungleich-
artigkeiten berubt demnach, wie die Folge noch deutlicher leh-
vom 30. Juni 1859. 467
ren wird, nicht auf Polarisation, wie die Abgleichung der Pla-
tinelektroden in Kochsalzlösung, welche bis zu einem gewis-
sen Grade deshalb stets nur eine scheinbare ist. Die Ab-
gleichung des etwa beim ersten Eintauchen sich kundgebenden
Unterschiedes findet denn auch hier ebensowohl bei offenem.
wie bei geschlossenem Kreise statt. Die so unbegreiflich leicht
erreichte vollkommene Gleichartigkeit wird eben so leicht, ohne
alle besonderen Vorsichtsmalsregeln, in’s Unbegrenzte erhalten.
Zwar beobachtet man am Nerven-Multiplicator, wenn von zwei
verquickten Zinkplatten die eine um die andere tiefer in die
Zinklösung getaucht wird, jedesmal bei Benetzung neuer Punkte
der einen Platte einen Ausschlag von wenigen Graden, der diese
Platte als negativ gegen die andere anzeigt, und etwas stärker
negativ wird von zweien verquickten Zinkelektroden, die man
zwischen den mit Zinklösung benetzten Fingern beider Hände
hält, diejenige, auf welche man einen Druck ausübt oder aus-
üben läfst.') Dies ist aber auch Alles, was hier noch von
den zahlreichen Umständen übrig ist, wodurch sonst gleichartige
Elektroden ungleichartig werden. Man kann die eine der beiden
Platten, nachdem sie einmal vollständig benetzt worden, an die
Luft heben und wieder eintauchen, man kann sie in der Zink-
lösung schütteln wie man will, sie zwischen den Lagen eines
mit Zinklösung getränkten Bausches drücken ?): das Gleichge-
wicht am Nerven-Multiplicator wird nicht gestört. Das Was-
ser der Zinklösung verdunstet, Krystalle schielsen in der Flüssig-
keit an den Platten an oder bekleiden dieselben über deren Spie-
gel, und nach Wochen findet man die Platten in der zurückbleiben-
den nichtleitenden Krystallmasse eingewachsen, ohne dafs während
dieser ganzen Zeit die Nadel den Nullpunkt auch nur um einen Grad
verlassen hätte. Diese, ich wiederhole es, jede Vorstellung über-
steigende Gleichartigkeit findet in ganz gleicher Weise statt, ob
die beiden Zinkplatten erst eben verquickt seien und die Tro-
pfen flüssigen Amalgams noch daran herunterflielsen; ob sie seit
Wochen in den krystallinischen Zustand übergegangen seien; end-
lich gar, was wohl als das wunderbarste erscheint, ob die eine
’) Vergl. diese Berichte, 1854. S. 288.
*) Vergl. ebendaselbst, S. 293,
468 Gesammtsitzung
derselben sich in dem einen, die andere in dem anderen dieser
Zustände befinde.
Schon durch diese Eigenschaft einer unübertroffenen mit
leichtester Mühe zu erzielenden und zu erhaltenden Gleichartig-
keit würde diese Combination, wie ich nicht zu bemerken
brauche, eine höchst werthvolle Bereicherung nicht blofs des
elektrophysiologischen, sondern des galvanischen Apparates über-
haupt sein. Allein meine Überraschung steigerte sich noch, als
ich nun ferner fand, dafs die mit Hülfe der Siemens’schen
Wippe bestimmte Ladungsfähigkeit dieser Combination in der That
verschwindend klein, jedenfalls unvergleichlich kleiner sei, als die
irgend einer anderen bisher bekannten Combination. Mit Strö-
men von der Ordnung des Muskelstromes liels die Wippe keine
Spur davon erkennen. Noch als bei verminderter Empfindlich-
keit der Bussole und Anwendung eines ungeschwächten Da-
niell’s, 2, P,, etwa 300 Scalentheile betrugen, waren S,,
S,„, schleehterdings nicht wahrnehmbar, d. h. dieselben betrugen
ganz gewils nicht 0.2, ja schwerlich 0.1 Scalentheil. Ich fahn-
dete darauf mittels eines Verfahrens, bei dem mir auch eine so
kleine Spur von Ladung nicht entgehen konnte, nämlich indem
ich, bei arbeitender Wippe und geschlossenem secundären Kreise,
in dem die Bussole befindlich war, das Auge am Fernrohr, den
primären Kreis mittels des Schlüssels S, abwechselnd öffnete und
schlofs, oder gar den primären Strom zwischen den Elektroden
mittels des Stromwenders C, ab und zu umkehrte. Erst als ich
die Nebenschliefsung fortliels, und mit beiden Rollen im Ab-
stand von 0”” eine Grove’sche Kette grölserer Art als Quell
des primären Stromes benutzte, erschien negative Ladung der
Zinkdrähte in bestimmbarer Gröfse, nämlich etwa 1.2 Scalen-
theil betragend. Die primäre entsprechende Wirkung, mit nur
einer Rolle in 100°” Abstand beobachtet, während die andere
an einer anderen Stelle des Kreises eingeschaltet war, betrug
420 Scalentheile. Die Wirkung einer Rolle bei 100”” verhält
zu der bei U”” Abstand ::1:26.85.. Daraus ergiebt sich
Ir 1.2 DR
726.8 X 120 .,'9370:
Diese Zahl wird sich, für den vorliegenden Fall, nicht weit von
der Wahrheit entfernen. Indessen soll sie vorzugsweise dazu
[64
vom 30. Juni 1859. 469
dienen, eine Vorstellung von der Ordnung der Grölse zu geben,
um die es sich hier handelt. Denn erstens lag aus mancherlei
Gründen die Messung einer so kleinen Ablenkung an der Grenze
meiner Beobachtungsmittel, zweitens schien der Werth von «
Schwankungen unterworfen zu sein, da ich es einigemal nicht
unbeträchtlich grölser (5955), anderemale aber auch wieder sehr
viel kleiner gefunden habe, so dals die secundäre Wirkung der
Grove’schen Kette bei voller Empfindlichkeit der Bussole ganz
unmerklich war. Nimmt man an, dafs mir 0.2 Scalentheil secun-
därer Wirkung entgangen seien, so konnte doch «& in diesen
Fällen nicht viel gröfser als ‚oo sein. Ich glaube bereits mit
Bestimmtheit sagen zu können, dafs diese Schwankungen von
dem Zustande der verquickten Zinkfläche so abhangen, dafs die
grölseren Werthe von « schon öfter gebrauchten, die kleinsten
frisch, oder von Neuem verquiekten Drähten zukommen.
Als die Drähte durch Platten ersetzt wurden, die einander
6—7 Quadratcentimeter benetzter Oberfläche zukehrten, wurde
die secundäre Wirkung, selbst mit ungeschwächtem Strom der
Grove’schen Kette und bei voller Empfindlichkeit der Bussole,
unter allen Umständen ganz unwahrnehmbar.
Am Nerven -Multiplicator erfolgten mit den Drähten durch
die secundäre Wirkung eines Daniell’s 4°, durch die zweier 7°
beständiger Ablenkung.
Bei Anwendung der zweiten Beobachtungsweise mit einem
Daniell und 5’ Durchströmung erfolgten mit den Drähten an
der Bussole bei voller Empfindlichkeit derselben etwa 5 Sca-
lentheile Ausschlag im Sinne negativer Ladung. Mit den
Platten betrug unter denselben Umständen der Ausschlag keinen
ganzen Scalentheil, und als ich die Daniell’sche Kette durch
eine fünfgliederige Grove’sche Säule ersetzte, auch nur 3.5
Scalentheile. Erst als aus dem primären Kreise der Widerstand.
entfernt wurde, der darin zu dem Zweck angebracht war, den
Gesammtwiderstand des primären und des secundären Kreises
gleich zu machen (S. oben S. 452), wurden deutlichere Wir-
kungen erhalten.
Die Verquickung vernichtet also, kann man sagen, die be-
deutende negative Ladungsfähigkeit des Zinks in Zinklösung.
Aber auch die positive Ladungsfähigkeit dieser Combination
470 Gesammisitzung
ist dadurch beinahe gänzlich aufgehoben. Noch 15— 20’ lan-
ger Durchströmung mit Strömen von der Ordnung des Mus-
kelstromes erfolgte höchstens ein halber Scalentheil Ausschlag
im positiven Sinne.
(1) Verquicktes Zink in Chlorcalciumlösung.
Ehe wir an diese Thatsachen weitere Folgerungen knüpfen, sol-
len noch einige andere Punkte beleuchtet werden. Hr. Mat-
teucci führt verquicktes Zink in Chlorcaleiumlösung als eine
seinen Erfahrungen nach ebenso unpolarisirbare Combination wie
das verquickte Zink in Zinklösung an. Es ist nicht leicht zu verste-
hen, wie er zu diesem Ausspruch gelangt ist, der theoretisch nichts
für sich hat, und von dessen Unrichtigkeit es leicht ist, sich im
Versuch zu überzeugen. Erstens verhalten die verquickten Zink-
elektroden in gesättigter Chlorcalciumlösung sich sehr schlecht
gleichartig. Für’s zweite fand ich « für diese Combination mit
primären Strömen von der Ordnung des Muskelstromes = B)
4.1
Drittens warf bei der zweiten Beobachtungsweise, nach wenigen
Minuten Durchströmung mit dem Strom des ungeschwächten
Daniell’s, die secundäre Wirkung das Bild der Scale aus dem Ge-
sichtsfelde. Positive Polarisation war bei dieser Combination
nicht wahrnehmbar.
(12) Verquicktes Zink in Chlorzinklösung ver-
hält sich dagegen nahe, aber, wie mir schien, doch nicht ganz
so gleichartig wie in schwefelsaurer Zinkoxydlösung. Die Chlor-
zinklösung enthielt noch ungelöstes Chlorzink, und stellte eine
syrupöse Flüssigkeit von2.008 Dichte bei 27° C. dar. Die etwas
geringere Gleichartigkeit rührt vielleicht daher, dals die Lösung
sich an der Oberfläche durch Wasser verdünnt, welches sie aus
der Atmosphäre anzieht. Jedenfalls scheint aber die Ladungsfähig-
keit dieser Combination nicht grölser zu sein, als die des Zinks in
der schwefelsauren Lösung, denn auch hier wurde an der Siemens-
schen Wippe die Ladung erst merklich, als ich Drähte im pri-
mären Kreise dem Strom eines ungeschwächten Daniell’s aus-
setzte, und die secundäre Wirkung bei voller Empfindlichkeit
der Bussole beobachtete. Auf dieselbe Art, wie dies oben
S. 468 beschrieben wurde, bestimmte ich dabei « zu „iz; auf
den Unterschied zwischen diesem Werthe, und dem in der
vom 30. Juni 1859. 471
schwefelsauren Lösung gewonnenen, ist natürlich nichts zu ge-
ben. Auf positive Polarisation nach langer Schlielsung schwa-
cher Ströme konnte hier wegen der geringeren Gleichartigkeit
nicht mit derselben Schärfe wie bei der schwefelsauren Lösung
geprüft werden; indessen kann davon höchstens eine ganz un-
bedeutende Spur zugegen sein. Die gesättigte Chlorzinklösung lei-
tete beiläufig nach meinen Versuchen dreimal schlechter als die
schwefelsaure Lösung bei gleicher Temperatur. Verdünnung mit
dem gleichen Volum Wassers erhöhte aber ihr Leitvermögen auf
das Fünffache, so dals sie nun um zwei Drittel besser als die
gesättigte, und auch noch um ein Drittel besser als die ebenso
verdünnte schwefelsaure Lösung leitete.
Diese Wahrnehmung ist geeignet, uns daran zu erinnern,
dals Hr. Jules Regnauld das reiue Zink nicht in gesättigter, son-
dern in so verdünnter Zinklösung als unpolarisirbar empfohlen
hat, dals die Lösung das Maximum ihres Leitvermögens besitze
(S. oben S. 443). Obschon, wie bemerkt, Hr. Regnauld seine
Aussage durch keine Versuche gestützt hat, und obschon es
höchst unwahrscheinlich war, dals die Verdünnung der Zink-
lösung bis zu jener Grenze die Ladungsfähigkeit der Combina-
tion aufheben solle, so habe ich doch nicht unterlassen, auch
hierüber noch den Versuch zu befragen, indem ich Hrn. de la
Rive’s Angabe zu Grunde legte, wonach das Maximum des
Leitvermögens der Zinklösung bei Verdünnung derselben mit
dem gleichen Volum Wassers eintritt. Ich prüfte demgemäls
noch (13—16) reines Zink in reiner, käufliches, reines
und verquicktes Zink in käuflicher Zinklösung von
der angegebenen Verdünnung. Das verquickte Zink —
es wurden in beiden Flüssigkeiten dieselben Drähte benutzt —
lieferte ein etwas grölseres « als in der gesättigten Lösung.
Dagegen fand ich allerdings, was sehr sonderbar ist, dafs mit
dem reinen und käuflichen Zink in der verdünnten käuflichen
Lösung « erheblich kleiner ausfiel, als unmittelbar vor und
nachher mit denselben Elektroden in der gesättigten Lösung.
Indessen blieb « hier noch immer bedeutend gröfser als mit Ku-
pfer in Kupferlösung; und mit dem reinen Zink in der ver-
dünnten reinen Lösung betrug es, bei schwachen Strömen, so-
gar %. Der Widerspruch zwischen unseren Ergebnissen und
[1859.] 33
472 Gesammtsitzung
der Behauptung des Hrn. Regnauld beruht also nicht darau
dals wir uns bisher stets der gesättigten Zinklösung bedien
haben.
(19—24) Verquicktes Zink in verdünnter Schwe
felsäure, inSerum von Pferdeblut, inBrunnenwasser un
in destillirtem Wasser. Da ich früher gerade bei Anwen
dung verquickter Zinkelektroden auf die räthselhafte Erschei
nung positiver Ladung gestolsen war, so versuchte ich, um
diese Beobachtung zu erneuern, noch die in der Aufschrifi
genannten CGombinationen. Serum hatte ich unter die mit dem
verquickten Zink zu prüfenden Flüssigkeiten aufgenommen, u
zu erfahren, wie sich letzteres bei unmittelbarer Berührung mi
den thierischen Theilen, z. B. beim Überbrücken zweier daraus
gebildeten Elektroden mit einem Nerven, in Bezug auf Gleichartigkeit
und Ladungsfähigkeit verhalten würde. Es zeigten sich in der ver-
dünnten Schwefelsäure, dem Serum und dem Brunnenwasser
aber so ungeheure Ungleichartigkeiten der verquickten Zink-
drähte, und von solcher Unbeständigkeit zugleich, dafs jede
feinere Beobachtung der Ladung dadurch unmöglich gemacht
wurde. Bei der leisesten Erschütterung sah man die Scale pfeil-
schnell im Gesichtsfelde hin und herschiefsen.*) In diesen drei
Flüssigkeiten wurde deshalb nur die gewöhnliche oder negative
Ladung beobachtet. Bei Brunnenwasser konnte auch kein an-
nähernder Werth von « gewonnen werden. Bei der verdünn-
ten Schwefelsäure gelang es einmal, & zu etwa io zu bestim-
men. Sehr viel gröfser schien « im Serum zu sein, denn ich
erhielt mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes Quo-
1 . . .
; — und bei der zweiten Beobachtungsweise
3.6
warf die secundäre Wirkung des ungeschwächten Daniell’s nach
5° Durchströmung das Bild der Scale aus dem Gesichtsfelde.
Ganz ähnliche Werthe von « lieferten Kupferdrähte im Pferde-
serum; mit Platindrähten war « auch hier=1. Was nun
die positive Ladung des verquickten Zinks betrifft, so nah-
men im destillirten Wasser die Ungleichartigkeiten eine etwas
mildere Gestalt an, und es zeigte sich mit einem Da-
. . 1
tıenten wıe —
2.3
‘) Verquicktes Zink in verdünnter Schwefelsäure wird nach Hrn.
Poggendorff durchSchütteln negativ. Vergl. diese Berichte, 1854, S.297,
vom 30. Juni 1859. 473
niell an der Siemens’schen Wippe folgende merkwürdige Er-
scheinung. Beim Schlielsen des Schlüssels $,, während die
Bussole im secundären Kreis beobachtet wurde, entstand zuerst
ein Ausschlag im Sinne negativer Ladung. Darauf fingen po-
‘sitive Ladungen sich zu entwickeln an, dergestalt dals die se-
cundäre Wirkung durch Null hindurch ihr Zeichen wechselte, wo-
bei das sonst negative, hier positiv gewordene « zu etwa — be-
stimmt wurde. Wurde dann 8, geöffnet, so nahm, trotz dem Auf-
hören des primären Stromes, anfangs noch die positive secundäre
Wirkung an Stärke zu; unstreitig, und io Übereinstimmung mit
dem was wir oben S. 461 über die gleichzeitige positive und nega-
tive Ladung des käuflichen Zinks in eben solcher Zinklösung ange-
nommen haben, weil die schneller entstehende, aber auch schneller
vergehende negative Ladung jetzt fortfiel, die sich während der
Dauer des primären Stromes von der secundären Wirkung im
positiven Sinne abgezogen hatte. Bei der zweiten Beobach-
tungsweise wurde leicht sehr starke positive Ladung beob-
achtet, die im Falle schwacher Ströme ganz rein zur Erschei-
nung kam, während im Fall eines ungeschwächten Daniell’s dem
positiven Hauptausschlage ein negativer Vorschlag vorausging.
Wir kehren nun zum verquickten Zink in den Zinklösungen
zurück. Zu der unschätzbaren Gleichartigkeit, die wir an diesen
Combinationen zu rühmen gefunden haben; gesellt sich also, nach
den Versuchen an der Siemens’schen Wippe, auch noch eine
bei weitem geringere Ladungsfähigkeit, als die irgend einer an-
deren bekannten Combination. Es ist leicht, sich von demsel-
ben Ergebnils noch auf eine andere Art zu überzeugen, Man
läfst zuerst den primären Strom im nämlichen Kreise nach ein-
ander durch die Zinkzelle und durch die damit zu vergleichende
Combination gehen, und setzt dann plötzlich die beiden letzte-
ren einander im Multiplicatorkreise dergestalt entgegen, dals die
Richtung des Ausschlages anzeigt, welcher von beiden Combi-
nationen die grölsere secundär- elektromotorische Kraft zukomme.
In Ermangelung der eigens von Hrn. Poggendorff hierzu an-
gegebenen Wippe') gelingt dies leicht mittels einer Doppel-
*) Annalen u. s. w. 1844. Bd. LX1. S. 612.
33°
474 Gesammtsitzung
wippe, wie sie $. 453 in C, C,, C, €, angedeutet ist. Ich
stellte dergestalt folgende Vergleiche an.
(1) Verquickte Zinkdrähte in gesättigter käuf-f
1
licher schwefelsaurer Zink-, und Kupferdrähte in
schwefelsaurer Kupferoxydlösung. Nachdem der Stromf
eines ungeschwächten Daniell’s 1— 2’ hindurchgeschickt worden,
erfolgte an der Bussole, bei voller Empfindlichkeit derselben, ein
kräftiger Ausschlag im Sinne der negativen Ladung der Kupfer-
zelle. Mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes sahl'
ich anfänglich zu meinem nicht geringen Befremden einen klei- |
nen Ausschlag (2—3 Scalentheile) im Sinne negativer Ladung
der Zinkzelle erscheinen. Bei näherer Untersuchung zeigte sich ß
indefs, dafs, wie es nach den oben S. 468. 469 beschriebenen
Versuchen nicht anders sein konnte, die Polarisation der Zink=-}
zelle schlechterdings unmerklich war, dals aber die Kupferzelle
unter diesen Umständen eine geringe Spur positiver Polarisation
besals, welche den Anschein überwiegender negativer Ladung
der Zinkzelle bewirkt hatte.
(2) Kupferzelle wie vorher, und reines Zink in
gesättigter reiner schwefelsaurer Zinkoxydlösung.
Mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes wurde nichts
deutliches wahrgenommen, indem die Ungleichartigkeiten sich fei-
neren Wahrnehmungen widersetzten. Mit dem Strom des un-
geschwächten Daniell’s erfolgte ein ansehnlicher Ausschlag im y
Sinne negativer Ladung der Zinkzelle.
(3) Kupferzelle wie vorher, und Silberdrähte inf
Silberlösung wie oben $.459. Bei schwachen Strömen hatf
die Silberzelle ein sehr bedeutendes, bei starken die Kupferzellef!
ein geringes Übergewicht. Nach den oben bestimmten Wer-I'
then von « für die Silberzelle hätte Letzteres nicht der Fall sein
sollen.
(4) Kupferzelle wie vorher, und Platindrähte in
rauchender Salpetersäure wie oben S. 458. Erfolg wiel!
beim vorigen Versuch. Mit schwachen Strömen überwiegt die |
Platin-Salpetersäure-, mit starken die Kupfer-Zelle.
Wie man sieht, spricht auch diese Beobachtungsreihe dafür,
dafs das verquickte Zink in Zinklösung die am wenigsten la-
vom 30. Juni 1859. 475
dungsfähige Combination sei. Was aber die beiden letzten
Versuche betrifft, so giebt sich darin abermals ein Widerspruch
kund, gleich dem bereits oben S. 460 bemerkten, zwischen dem
Jan der Siemens’schen Wippe gewonnenen Ergebnils und dem
|des gewöhnlichen Verfahrens, die Ladung durch Umlegen der
PWippe eines Stromwenders zu beobachten. Auf doppelte Art
kann man die Erklärung dieses Widerspruchs versuchen.
Entweder nämlich braucht die Kupferladung längere Zeit,
fum sich zu entwickeln, und dies ist der Grund, weshalb « an
‚der Siemens’schen Wippe für das Kupfer kleiner ausfällt als
für die beiden anderen Combinationen. Oder die Kupferladung
ist nachhaltiger als die dieser letzteren, so dafs, wenn der Wech-
sel der Verbindungen mittels der Wippe eines Siromwenders,
d. h. verhältniftmälsig ziemlich langsam, geschieht, die Ladung
‚des Silbers in Silberlösung, des Platins in Salpetersäure, schon
Zeit gehabt hat sich zu zerstreuen, während sie zur Zeit, wo
(die Siemens’sche Wippe den secundären Kreis nach Öffnung
‚des primären schlielst, in der That die des Kupfers übertrifft.
Beide Voraussetzungen lassen, ohne Hinzunahme weiterer Muth-
malsungen, unerklärt, weshalb der Erfolg mit den schwachen
Strömen ein verschiedener sei von dem mit den starken Strö-
men beobachteten.
Weder hierauf, noch auf die Frage, welche von beiden An-
nahmen der Wirklichkeit entspreche, wollen wir indefs näher
eingehen. Uns interessirt an dem in Rede stehenden Verhalten
vorzugsweise das Licht, welches dasselbe auf den Werth der
bisher von uns zur Bestimmung der Ladungsfähigkeit der Com-
binationen angewandten Verfahrens zu werfen geeignet ist. Man
sieht, dafs wir aus der Gröfse, in der die Ladung nach Aufhö-
ren des primären Stromes erscheint, keinen sicheren Schlufs auf
die Ladungsfähigkeit einer Combination machen können. Ein
ähnliches Verhältnils, wie zwischen der Ladung der galvano-
plastischen Kupfercombination und der des Platins in Salpeter-
‚säure, könnte zwischen der des verquickten Zinks in Zinklösung,
und der der galvanoplastischen Kupfercombination, stattfinden.
Zwar schlielsen die bei der zweiten Beobachtungsweise und auch
so eben bei der Entgegensetzung der Zink- und Kupferzelle
476 Gesammisitzung
nach längerer Durchströmung gemachten Wahrnehmungen die
Möglichkeit aus, dafs das verquickte Zink in Zinklösung an der
Siemens’schen Wippe deshalb ein so kleines « geliefert habe,
weil die Polarisation desselben wegen der kurzen, durch den
Gang der Wippe bedingten Schlielsung des primären Stromes
nicht Zeit gehabt habe, sich zu entwickeln. Sehr wohl denk-
bar wäre es dagegen wegen der geringeren Fähigkeit der positi-
ven Metalle, Gase an ihrer Oberfläche zu verdichten (Vergl. oben
S. 446), dafs die Ladung des verquickten Zinks in Zinklösung be-
deutend flüchtiger wäre, als die des Kupfers in Kupferlösung,
und dals darauf der erstaunlich kleine Werth von « bei erste-
rem beruht habe.
Mit einem Worte, den Curven, in denen während des
Schlusses der primären Kette die Polarisation bis zu einer ge-
wissen Grenze wächst, um nach Öffnung der Kette wieder ab-
zufallen, sei’s dals der secundäre Kreis offen bleibe, oder nach
kürzerer oder längerer Zeit geschlossen werde, diesen Gurven darf
bei verschiedenen Combinationen gewils nicht ohne Weiteres
ein gleiches Gesetz untergelegt werden. Ich kann nicht umhin,
in der Nichtberücksichtigung dieses Umstandes einen gewichtigen
Einwurf gegen den von Hrn. Wild (S. oben S. 455) veröf-
fentlichen Vorschlag zur gesonderten Bestimmung der Polarisa-
tion und des Übergangswiderstandes zu erblicken, wonach zuerst
die durch Polarisation und Übergangswiderstand gemeinschaft-
lich bewirkte Stromschwächung in eine Gleichung gebracht,
und dann daraus die Polarisation mit Hülfe eines Werthes elimi-
nirt werden soll, der aus Beobachtung derselben nach Öffnung
des primären Kreises hervorgeht. Ich weils sehr wohl dafs die
Polarisation nach dem Öffnen des primären Kreises, so lange der
secundäre Kreis nicht geschlossen ist, bei weitem langsamer
sinkt, als nachdem dies geschehen. Öffnet man den Hauptkreis
einer Kette, in deren Nebenleitung, wie in unserer ersten Figur,
Platinelektroden in verdünnter Schwefelsäure oder Kochsalzlösung
eingeschaltet sind, auf wenige Augenblicke, wobei der secundäre
Kreis geschlossen bleibt, und die Ladung sich abgleichen kann, so
geht der durch die Ladung geschwächte Strom der Keite sofort
wieder zeitweise bedeutend in die Höhe. Dies ist nicht der Fall,
vom 30. Juni 1859. . 477
mit anderen Worten, die Polarisation bleibt verhältnifsmäfsig un-
verändert, wenn man statt des Hauptkreises die Nebenleitung selber
eben so lange öffnet, weil nun der Ladung zwar wie vorher der sie
auf steter Höhe erbaltende primäre Strom entzogen, allein diesmal
keine Gelegenheit zur Abgleichung gegeben ist. Nichts desto-
weniger muls ich darauf bestehen, dafs, bis nicht für jeden ein-
zelnen Fall das Gegentheil erwiesen ist, keine andere Bestim-
mung der Polarisation oder der Ladungsfähigkeit einer Combi-
nation Vertrauen verdient, als solche die während der Dauer
des primären Stromes in dessen Kreise selber gemacht, oder we-
nigstens mit Hülfe von dergleichen Beobachtungen controlirt
sind.
Es bleibt uns also schliefslich übrig, auch noch auf diese
Art die Unpolarisirbarkeit unserer Combination darzuthun. Ich
hatte einen parallelepipedischen Trog aus gefirnilstem Eichen-
holz, von 125"" Länge, 53"" Breite und 40”" Tiefe, in des-
sen Wände und Boden, ehe dieselben zum Troge zusammenge-
fügt wurden, in Ebenen senkrecht auf die Längsrichtung des
Troges und in 15.6”" Abstand von einander, neun 5"" tiefe
Sägeschnitte angebracht waren. Diese dienten dazu, Bleche
aulzunehmen, welche sich alsdann als Zwischenplatten auf der
Bahn eines den Trog der Länge nach durchflielsenden Stromes
eingeschaltet fanden, indem die Leitung durch die im Falz um
das Blech herum übrigbleibende capillare Flüssigkeitsschicht nicht
in Betracht kam. Dieser Trog wurde 5""” hoch mit gesät-
tigter schwefelsaurer Zinkoxydlösung gefüllt, und mit zwei
verquickten Zinkblechen als Elektroden in den beiden äulser-
sten Falzen, in den Kreis einer Grove’schen Kette und der
Bussole gebracht. Während das Bild der Scale im Fernrohr
beobachtet wurde, schob ich nach einander verquickte Zink-
bleche auch in die sieben übrigen Falze.e. Da die Flüssig-
keitssäule im Troge dabei nicht allein um 5"" verkürzt wurde
(so viel betrug die Gesammtdicke der sieben Bleche, deren
Widerstand vernachlässigt werden kann), sondern zugleich,
wegen der durch die Bleche verdrängten Flüssigkeit, an
Querschnitt zunahm, so nahm der Widerstand des Troges
durch das Einsenken der sieben Bleche um m ab. Ich hatte
478 Gesammtsitzung
aber, hierauf rechnend, einen so bedeutenden metallischen
Widerstand in den Kreis eingeführt, dafs eine Verkürzung des
Troges um u wie sie die Folge des Versenkens der äulsersten,
als Elektroden dienenden Bleche in zwei einander zunächst be-
findliche Falze war, den Widerstand des Kreises nur um a das
Kinsenken der sieben Bleche denselben folglich nur um 76%
verminderte. Bei einer Ablenkung von 150 Scalentheilen mulste
also die durch Verminderung des Widerstandes beim Einsen-
ken der Bleche erzeugte Vermehrung der Stromstärke unter
0.1 Scalentheil bleiben, und es hätte mir nicht entgehen können,
wenn die sieben Bleche, deren jedes ein Elektrodenpaar von nur
2.65 Quadratcentimeter Oberfläche vorstellte, durch eine der
des primären Stromes entgegengesetzte elektromotorische Kraft,
eine Verkleinerung der Ablenkung auch nur um 0.2, oder eine
Schwächung des Stromes um Bl d. h. also jedes Blech eine
Schwächung um etwa in hervorgebracht hätten. Ich konnte
aber mit dem Strome der zwar nicht durch Nebenschlielsung,
wohl aber durch die eingeführten Widerstände sehr geschwäch-
ten Grove’schen Kette nichts der Art wahrnehmen. Mit sehr
schwachen Strömen traten beim Einsenken und Herausnehmen
jeder einzelnen Platte Spuren von Wirkung, bald in der einen,
bald in der anderen Richtung auf, die aber sichtlich nicht auf
Polarisation, sondern auf leichter Ungleichartigkeit der beiden
Seiten der Platten beruhten.
Da bei dieser Versuchsweise die Oberfläche der Elektroden,
obschon im Vergleich zu der, die man in thierisch-elektrischen
Versuchen anwenden kann, nur klein, mit Rücksicht auf den
Zweck, die Ladungsfähigkeit zu prüfen, immerhin eine grolse
zu nennen war, so änderte ich die Anordnung noch in folgender
Art ab, wobei ich zwar. eine beliebig kleine Oberfläche, jedoch
nur noch ein Elektrodenpaar anwenden konnte.
In den Kreis einer zweigliederigen Grove’schen Säule und
der Bussole wurden zwei verquickte Zinkbleche eingeschaltet, die
in zwei Gefälse 4 und B mit derselben Zinklösung, wie oben,
tauchten. 4 und B waren durch ein 250"" langes zweimal recht-
winklich gebogenes, mit derselben Lösung gefülltes Thermometer-
rohr verbunden. Neben B stand ein drittes ähnliches Gefäls C mit
vom 30. Juni 1859. 479
Zinklösung. In B und C tauchten verquickte Zinkdrähte von
0.5”” Durchmesser 5"” tief, also mit einer Oberfläche von
7—8 Quadratmillimetern, ein. Dieselben waren metallisch ver-
bunden und stellten das plötzlich in den Kreis einzuführende
Elektrodenpaar vor. Die Einführung geschah einfach so, dals
das Thermometerrohr, während sein eines Ende in 4 stecken
blieb, mit seinem anderen Ende aus B in C übertragen wurde.
Natürlich verschwand unter diesen Umständen jeder andere Wi-
derstand im Kreise, auch der etwaige Übergangswiderstand,
gegen den des capillaren Flüssigkeitsfadens im Thermometer-
rohr, und die Einführung des Gefälses € liefs demnach auch
zuerst die Stromstärke durchaus unverändert. Jedoch durfte
dabei das Rohr nicht mit den Fingern angefalst werden,
sondern es ward nothwendig, es mittelst einer Handhabe zu be-
wegen, weil die durch die Finger bewirkte geringe Tempera-
turerhöhung des Rohres wegen des dadurch verminderten Wi-
derstandes des Flüssigkeitsfadens sofort einen Ausschlag um meh-
rere Scalentheile hervorbrachte, so dafs man sich einer solchen
Vorrichtung als eines höchst empfindlichen Thermoskops bedie-
nen könnte. Wenn aber C eine Zeit lang im Kreise gewesen
war und dann plötzlich wieder durch Zurückführung des ent-
sprechenden Endes des Thermometerrohrs nach 3 davon ausge-
schlossen wurde, fand allerdings in einigen Fällen eine geringe
Vermehrung der Stromstärke statt, die sich jedoch höchstens
auf En belief. Mit frisch verquickten Drähten aber habe ich
auch gesehen, dals bei über 200 Scalentheilen Ablenkung der
Faden sich genau an derselben Stelle der Scale wieder einfand,
die er mit dem Elektrodenpaar im Kreise zuletzt inne hatte,
Die Stromstärke war in diesem Versuche trotz der bedeutenden
elektromotorischen Kraft, wegen des ungeheuren Widerstandes,
nicht viel grölser, als die des Muskelstromes.
Mit Zinklösung, die mit einem gleichen Volum Wassers
verdünnt worden war, gaben frisch verquickte Zinkdrähte, die
in gesättigter Lösung keine Spur von Schwächung erzeugt hat-
ten, etwa nn Stromabnahme. Dies scheint zwar mit dem zu
stimmen, was wir an der Siemens’schen Wippe mit dem ver-
quickten Zink in verdünnter Zinklösnng beobachtet haben (S.
480 Gesammtsitzung
oben S. 474), doch möchte ich vor der Hand nichts darauf geben.
Wie dem auch sei, man sieht, dafs sich auf diesem Wege, wie
mit der Siemens’schen Wippe, die Ladung des verquickten
Zinks in schwefelsaurer Zinkoxydlösung im günstigsten Falle nur
eben spurweise darthun lälst.
Als aber die verquickten Zinkdrähte durch Elektroden aus
reinem Zink ersetzt wurden, betrug die Stromschwächung mit
der gesättigten Lösung er mit der verdünnten, gleichfalls in
Übereinstimmung mit dem an der Siemens’schen Wippe Wahr-
genommenen (S. oben S. 471), sogar >=
Jetzt wiederholte ich dieselben Versuche, sowohl die eben
beschriebenen, als den mit dem Trog voll Zwischenplatten, mit
Kupferelektroden in Kupferlösung. Der Versuch im Troge
konnte indels wegen der Ungleichartigkeiten der Platten nur
mit so starken Strömen angestellt werden, dals gegen die den-
selben zu Grunde liegende elektromotorische Kraft die jener
Ungleichartigkeiten verschwand. Es ergab sich, dals bei dieser
Art der Prüfung das Kupfer in Kupferlösung ungefähr dasselbe
höchst geringe Mafs von Polarisirbarkeit zeigte, wie zuweilen
das verquickte Zink in Zinklösung. Im Troge war die Polari-
sation unwahrnehmbar, mit einem Paar Drabtelektroden betrug
sie ungefähr - Es hat also, wenn man von den so eben er-
wähnten Fällen absieht, wo das frisch verquickte Zink durchaus
keine bemerkbare Stromschwächung bewirkte, in der That den
Anschein, als ob an der Siemens’schen und an der Pog-
gendorff’schen Wippe die Polarisation des Kupfers die des
verquickten Zinks nur deshalb übertroffen habe, weil erstere
minder flüchtig sei. Indessen ist es doch unmöglich, dals
die elektromotorische Gegenkraft des Kupfers in Kupferlö-
sung während der Dauer des primären Stromes nur etwa
=r betrage, und nach dem Aufhören desselben an der Sie-
mens’schen Wippe eine Wirkung erzeuge, der im Mittel eine
elektromotorische Kraft von 5 wegen der sofort beginnenden
Abgleichung anfangs also noch eine viel bedeutendere, zu Grunde
liegen muls. Ich vermuthe deshalb, dals die oben S. 474 be-
merkte positive Polarisation des Kupfers in Kupferlösung sich
hier in der Weise eingemischt habe, dals die wahrgenommene
vom 30. Juni 1859. 481
Wirkung nur der Unterschied der negativen und der positiven
Ladung war, während an der Siemens’schen Wippe, ganz
wie es bei dem käuflichen Zink der Fall ist (S. oben S. 461.
462), allein die negative Ladung zur Erscheinung kommt.
Nach alledem kann keine Frage mehr sein, welcher Com-
bination wir, um bei thierisch-elektrischen und bei Reizversu-
chen die Polarisation zu vermeiden, den Vorzug zu geben haben
werden. Von dem reinen Zink in Zinklösung kann begreiflich
dabei die Rede nicht mehr sein. Was das Kupfer in Kupfer-
lösung betrifft, so wird bei Anwendung grölserer Elektroden-
flächen dessen Polarisation zwar auch unmerklich, bei kleineren
hat sie sich uns, im geschlossenen primären Kreise, als von
gleicher Ordnung mit der des nicht mehr ganz frisch verquickten
Zinks gezeigt. Abgesehen indels von der Unsicherheit, die noch
über diesem letzteren Ergebnils schwebt, versteht es sich doch
von selbst, dals dem verquickten Zink in Zinklösung der Vorzug
gebührt wegen jener wunderbaren Gleichartigkeit, wodurch sich
diese Combination vor allen anderen auszeichnet.
Wir baben uns bis jetzt ausschliefslich mit der Beseitigung
der an der Grenze der metallischen Multiplieatorenden und der
zuleitenden Flüssigkeit auftretenden elektromotorischen Gegen-
kraft beschäftigt. Es könnte scheinen, als ob nun auch noch
der Übergangswiderstand eine ebenso sorgfältige Berücksichti-
gung verlange. Indessen ist zu erwägen, dals erstens der Über-
gangswiderstand im Allgemeinen mit der Polarisation gleichen
Schritt hält, so dafs beide gleichzeitig unmerklich werden dürf-
ten; zweitens, dals dieser Widerstand gegen den der Muskeln,
vollends der Nerven, der Eiweilshäutchen, der übrigen flüssigen
Theile des Kreises, endlich des Multiplicatorgewindes, bei Reiz-
versuchen der Pflüger’schen Eiweilsröhren '), nothwendig ver-
schwinden müsse.
Worauf die Gleichartigkeit des verquickten Zinks in Zink-
lösung beruhe, weils ich nicht. Wo Hr. Faraday von dem
von Kemp erfundenen und so wichtig gewordenen Kunst-
griff handelt, die Zinkplatten der galvanischen Ketten durch
‘) Untersuchungen über die Physiologie des Elektrotonus. Berlin
1859. S. 98 ff*
482 ; Gesarnmtsitzung
Verquickung vor dem örtlichen Angriff der Säure zu schützen,
sagt er: „It is probable that the mercury acts by bringing
„the surface, in consequence of its fluidity, into one uni-
„form condition, and preventing those differences in character
„between one spot and another which are necessary for the
„formation of the minute voltaic circuits referred to. If any
„difference does exist at the first moment, with regard to the
„proportion of zince and mercury, at one spot on the surface,
„as compared with another, that spot having the least mercury
„is first acted on, and, by solution of the zine, is soon placed
„in the same condition as the other parts, and the whole plate
„rendered superficially uniform.”') Diese sinnreiche Betrach-
tung pafst aber schwerlich auf unseren Fall. Zugegeben, dals in
den angewandten Zinklösungen jene Ausgleichung der mit
verschiedenen Mengen Zinks und Quecksilbers behafteten Stel-
len noch möglich sei, würde doch zu erinnern sein, dals
gerade in verdünnter Schwefelsäure verquickte Zinkelektroden
ungeheure Ungleichartigkeiten offenbaren; dafs man leicht an
ihrer Oberfläche Ungleichartigkeiten mittels Jäger’s Verfahren
(durch aufgelegtes, mit destillirttem Wasser befeuchtetes Lakmus-
papier) entdecke;°) endlich dafs, wie oben S.467. 468 berichtet |
wurde, verquickte Zinkplatten unter Umständen gleichartig er-
scheinen, wo Zink und Quecksilber ganz gewils nicht gleichför-
mig an ibrer Oberfläche vertheilt sind. Zwei Quecksilberkuppen
unter verdünnter Schwefelsäure als Elektroden benutzt liefsen
bedeutende Ungleichartigkeiten hervortreten.
Ebensowenig weils ich über die Ursache der Unpolarisirbar-
keit unserer Combination etwas beizubringen. Wie wenig zu
erwarten dies Verhalten von vorn herein war, habe ich schon
oben $. 446 angedeutet. Da es dennoch stattfindet, so muls
man sich vielleicht denken, dafs die Quecksilbertheilchen als
solche nicht mehr in elektromotorische Wechselwirkung mit dem
1) Experimental Researches in Electricity. Beprinted from the Phi-
losophical Transactions ete. London 1839, Vol. I. p. 304. Ser. VIM.
1834. No. 1000;* — Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1835. Bd. XXXV.
S. 233.*
?) Untersuchungen u. s. w. Bd.I. S. 613.
vom 30. Juni 1859. 483
Wasserstoff zu treten vermögen, sondern nur als Bestandtheile
der Atomgruppen von Zinkamalgam. Quecksilber unter ver-
dünnter Schwefelsäure gab an der Siemens’schen Wippe «
— -_. Es ist also nicht daran zu denken, dafs die geringe La-
1.3
dungsfähigkeit des verquickten Zinks von der Flüssigkeit der
Oberfläche herrühre, vollends nicht, da bereits krystallinisch ge-
wordenes Amalgam dieselbe Eigenschaft zeigt. Verquicktes Zink
verhält sich nach J. W. Ritter’s Entdeckung positiv gegen
nicht verquicktes’), und mag deshalb mit Wasserstoff weniger
stark elektromotorisch wirken. Wenn dies aber auch, was
schwerlich der Fall ist, die Vernichtung der so bedeutenden ne-
gativen Ladungsfähigkeit des rohen Zinks durch die Verquickung
ausreichend erklärte, so bliebe doch noch immer das Räthsel
übrig, wie auch die, an und für sich so geheimnifsvolle, positive
_ Polarisirbarkeit zugleich ein Ende nehmen könne.
Es ist klar, dals zum Verständnils dieser Vorgänge ein sehr
viel eingehenderes Studium derselben erforderlich wäre. Es
mülste die Polarisation jeder einzelnen Elektrode, die Abhängig-
keit der Gleichartigkeit und Polarisation von der Concentra-
tion der Lösung innerhalb weiterer Grenzen, der Einfluls
_ der Verquickung auf Gleichartigkeit und Polarisation anderer
Metalle und vieles Andere erforscht sein, ehe man daran
denken könnte, hier zur Einsicht zu gelangen. Es lag, wie
gesagt, nicht in meinem Plane, mich mit der Lösung solcher
Aufgaben zu befassen, sondern ich durfte nunmehr durch Auf-
findung einer unpolarirbaren und überdies von Natur gleicharti-
gen Combination mein Ziel für erreicht, ja meine Wünsche für
übertroffen halten.
Die thierisch- elektrischen und die Reizversuche werden von
nun an eine andere Gestalt annehmen. Jenes Heer von Schwie-
rigkeiten, welches, wenigstens am Nerven-Multiplicator, stets
noch aus Ungleichartigkeiten auch der am sorgfältigsten behan-
delten Platinplatten erwächst, und gegen welches ich in frühe-
rer Zeit so manchen qualvollen Tag vergeblich gestritten, hatte
*) Gilbert’s Annalen der Physik. 1804. Bd. XVI. S. 303 ff.*
484 Gesammtsitzung
ich nun freilich schon längst dadurch zu besiegen gelernt, dafs
ich den Multiplicatorkreis zur Nebenschliefsung einer Daniell-
schen Kette in der Art machte, wie dies oben $. 453 für den die
Elektroden enthaltenden Kreis vorgestellt ist, und jeder auftau-
chenden Ungleichartigkeit sofort mit einer gleichen und enige-
gengesetzten, dem Daniell mittels einer passenden Länge des
Nebenschliefsungsdrahtes entlehnten, elektromotorischen Kraft be-
gegnete. Allein viel besser wird es sein, ohne alle Vorberei-
tung, Vorsichtsmafsregel und Hülfsvorrichtung, ohne Waschen,
Ausglühen, Einhüllen in den Fliefspapiermantel, Firnissen, Ge-
schlossenstehenlassen, Compensiren u. s. w., in jedem Augen-
blick über völlig gleichartige und unter allen Umständen
auch gleichartig bleibende Elektroden zu gebieten, die man sich
noch dazu, da sie keinen in Betracht kommenden Geldwerth
haben, in beliebiger Anzahl verschaffen kann. Man braucht die
Zuleitungsgefälse nicht mehr zum Kreise geschlossen, ja nicht
einmal mehr zusammengesetzt zu halten, sondern man hat nur
dafür zu sorgen, dafs in der Zwischenzeit der Versuche die Lö-
sung in den Bäuschen nicht krystallisire. Die ganze Vorrich-
tung wird übrigens jetzt passend dahin abzuändern sein, dals die
Zuleitungsgefälse selber aus Zink gegossen, auswendig lackirt,
inwendig verquickt, zur Isolirung auf ein paar Glasstreifen ge-
kittet, und unmittelbar mit der Klemmschraube zur Aufnahme
der Multiplicatorenden versehen werden. Ich habe zur Anfer-
tigung dieser neuen Zuleitungsgefälse bereits die Einleitung ge-
troffen.
Von dieser Seite also werden nun die bisher so be-
schwerlichen thierisch - elektrischen Versuche plötzlich zu den
leichtesten die es geben kann. Aber durch den Fortfall der Po-
larisation in irgend in Betracht kommenden Mafsstabe wird
jetzt zugleich eine Menge von Versuchen möglich gemacht, auf
deren Ausführung man früher zu verzichten hatte, und eine
Menge anderer nimmt eine einfachere Gestalt an, in der sich
der den thierischen Erregern zukommende Antheil an der Er-
scheinung klarer ausspricht als bisher. Der Vorschlag des Hrn.
Beins, bei den thierisch- elektrischen Versuchen einen Depola-
risator nach Art der von Hrn. Becquerel d. A. angegebenen
vom 30. Juni 1859. 485
anzuwenden '), ist nun überflüssig gemacht. Mit den absolut
gleichartigen, unpolarisirbaren verquickten Zinkelektroden zur
Ableitung; mit dem Princip der Nebenleitung zur Erzeugung
‚auf’s Feinste abgestufter elektromotorischer Kräfte jeder Ord-
nung; endlich mit der Spiegelbussole, die, bei gleicher Em-
p6ndlichkeit mit dem Nerven - Multiplicator (S. oben S. 452) kei-
ner schwierigen und vergänglichen Graduirung mehr bedarf:
steht jetzt nichts mehr in diesem Gebiete der Ausführung mes-
sender Versuche entgegen, und eine neue Bahn wichtiger Un-
tersuchungen ist eröffnet.
Die Erfahrung hat noch zu lehren, welcher Zinklösung bei
den thierisch-elektrischen Versuchen der Vorzug zu geben sei.
Die gesättigte Chlorzinklösung dürfte, wegen ihrer Wassergier,
ihres geringen Leitvermögens, vorzüglich aber deshalb von vorn
herein zu verwerfen sein, weil sie nach den Angaben des Hrn.
F. Schulze in Rostock, und der Hrn. Barreswil und Ril-
liet, auf die Cellulose der Bäusche ähnlich wie Schwefelsäure
wirken, d. h. dieselbe auflösen würde. Ob nicht auch verdünnte
Chlorzinklösung bei monateianger Berührung zuletzt die Con-
sistenz des Papiers zu beeinträchtigen vermöge, "ist noch unbe-
kannt. Jedenfalls richtet sich unter diesen Umständen die Auf-
merksamkeit zunächst mehr auf die schwefelsaure Zinkoxydlösung,
und es würde sich nur noch fragen, ob die gesättigte oder die
mit dem gleichen Volum Wassers verdünnteLösung für den Ge-
brauch die bessere sei.
Für die Anwendung der letzteren würde sprechen, dals sie
erstens die thierischen Theile minder heftig anätzen würde, und
dals sie zweitens besser leitet.
*) Verhandeling ever de Galvanische Polarisatie met betrekking tot
de Leer der dierlijke Electriciteit, ete. Groningen 1858:* — Van Deen,
Vergeliyking tusschen het door H. Beins uitgevonden werktuig tot on-
derzoek van dierliyke Electriciteit en den tot hetzelfde doel gebezigden
toestel van E. du Bois-Reymond,* (Separat- Abdruck.) — Vergl. Bec-
querelin Annales de Chimie et de Physique. 3me Serie. 1854. t. XL.
p- 389 et suiv.*
*) Journal für praktische Chemie. 1852. Bd. LVI. S. 58.*
486 Gesammtsitzung
In der That erscheint das schlechte Leitvermögen der Zink-
lösungen überhaupt’) hier zuerst als kein ganz ungewichtiger
Übelstand. Zwar nicht so sehr wegen der dadurch bedingten
Vermehrung des Widerstandes des Multiplicatorkreises.. Denn
durch den Fortfall der Polarisation wird doch die Stärke wenig-
stens der dauernden Wirkung der thierisch - elektrischen Ströme
im Multiplicatorkreise sehr erhöht sein. Allein erstens kann man,
wie ich gefunden habe, nun nicht mehr durch einen neben dem
Muskel über die Zuleitungsbäusche gebrückten Schlielsungsbausch
den Muskelstrom im Multiplicator zum Verschwinden bringen,
oder, wie ich es nenne, abblenden, was in vielen Fällen ein|
nützlicher Kunstgriff ist. Zweitens besitzt Fliefspapier mit
Kupferlösung getränkt, wegen des geringen Leitungsvermögens
derselben, ein gewisses, wenn auch sehr kleines Mals innerer
Polarisirbarkeit.”) Unzweifelhaft wird ihm dasselbe auch mit
den Zinklösungen zustehen.
Inzwischen wird man sich, was das Abblenden des Stromes,
betrifft, nunmehr dazu, anstatt des Schlielsungsbausches, einer ver-
quickten Zinkplatte bedienen können. In Ansehung des zweiten
Punktes ist nicht zu vergessen, dals, um am Nerven-Multiplica-
tor Spuren der inneren Polarisation mit Kupferlösung getränkten
Fliefspapieres wahrzunehmen, balkenförmige Bäusche von viel
grölserer Länge und viel kleinerem Querschnitt als Zuleitungs-
bäusche sie darbieten, °) dem Strom einer dreifsiggliederigen
Grove’schen Säule ausgesetzt wurden. Die innere Polarisa-
tion dürfte folglich hier unmerklich sein. Ohnehin wird man,
'") Nach Hrn. E. Becquerel (S. oben S$. 4/3. Anm.) leitet nämlich
gesältigte NaCl lösung besser als
gesättigte Cu SOLlösUng. =. - = ann u 0 eu
re m 2b ee er ee
r ABER RCTN und HO @@ d. Vol.nach. . . . . 442 „
‚ER » m nn 3, 332,3
” ” . 16. 38 „
(für Zu cl mit a meiner Rein s. an angeführten Bestim-
mung).
2) $. diese Berichte, 1856, S. 454.
®) Diese Berichte, 1856, $. 402.
vom 30. Juni 1859. 487
bei Anwendung auch der mit verdünnter Zinklösung getränk-
ten Bäusche, die gleichfalls innerlich polarisirbaren Eiweilshäut-
chen nicht entbehren können. Sollen auch diese Spuren nicht
dem thierischen Erreger angehörigen inneren Ladung aus dem
Kreise verbannt werden, so bleibt nichts übrig, als eine Ein-
richtung, ähnlich der von Hrn. Pflüger angegebenen Eiweils-
röhren, die in ihrer jetzigen Gestalt für die Ableitung der
thierisch - elektrischen Ströme einen viel zu grolsen Widerstand
haben. Und selbst alsdann wird man noch nicht aller Ladung
aulserhalb des thierischen Erregers ledig sein, da an der Grenze
der Zinklösung und des Eiweilses unzweifelhaft eine, wenn auch
ihrer Richtung und Gröfse.nach noch nicht erforschte, Polari-
saticn stattfindet.’
Da nun zudem der Unterschied zwischen dem Leitvermögen
der gesättigten und der verdünnten Lösung auch nur klein ist,
so wird natürlich Alles darauf ankommen, ob die letztere gleich
der ersteren dauernd und sicher den Vortheil der vollkommenen
Gleichartigkeit der ableitenden Vorrichtung gewähre. Hierüber
zu urtheilen bin ich nachm einen jetzigen Erfahrungen noch nicht
im Stande. Thatsache ist nur, dafs von zwei verquickten Zink-
platten, deren eine in gesättigte, die andere in verdünnter Lö-
sung steht, während ein mit verdünnter Lösung gefülltes, mit
Goldschlägerhaut überbundenes Schlielsungsrohr die Verbindung
herstellt, die letztere sich so stark positiv gegen die erstere zeigt,
dafs die Nadel des Nerven-Multiplicators dadurch dauernd an der
Hemmung gehalten wird. Danach ist zu besorgen, dafs auch
schon solche Unterschiede in der Concentration der in beiden
Zuleitungsgefälsen enthaltenen Lösungen, wie sie sich im Laufe
der Versuche einstellen können, bereits merklich elektromotorisch
wirken dürften. In diesem Falle würde natürlich, trotz ihrem
geringeren Leitvermögen, der gesättigten Lösung der Vorzug zu
schenken sein, welche nur durch Verdünnung, wozu keine Ge-
legenheit ist, nicht aber zur Verdunstung, ungleichartig werden
kann. Jener Übelstand, der bei der gesättigten Kochsalzlösung
so lästig fällt, nämlich das Effloresciren des Salzes,”) hat man
1) S. diese Berichte, 1856, S. 395.
*) Mit Kochsalz ist hier das käufliche Salz der K. Preufsischen Sali-
nen gemeint, wie es vor der Erbohrung der Stassfurter Steinsalzlager im
[1859.] 34
488 Gesammtsitzung
hier nicht zu fürchten, da einmal, wie bemerkt, nicht mehr nö-
thig sein wird, die Vorrichtung dauernd zusammengesetzt zu
halten, und da für's zweite die gesättigte schwefelsaure Zinkoxyd-
lösung sehr viel weniger als die Kochsalzlösung efflorescirt.
Hr. Kummer legte folgende von Hrn. Professor Dr.
Reuschle in Stuttgart berechnete und ihm zugeschickte Ta-
fel der aus fünften Einheitswurzeln zusammenge-
setzten primären complexen Primfaktoren aller reel-
len Primzahlen von der Form 5% +1, in der ersten
Viertelmyriade vor.
In dieser Tafel bezeichnet » eine Primzahl der Form 54 +1,
« eine Wurzel der Gleichung 1+«a+a@e za’ +a'=ı,
Ko)=e+a,a+0,a”+0,a’+ca,a* den complexen Prim-
faktor des p, welchem die primäre Form gegeben ist, so dals er
den beiden Bedingungen fa)— fi)=0, mod. (1—«)?, und
KK) fe!) —fı)”=0, mod. 5, genügt. Die Congruenzwurzel,
p—i
zu welcher dieser complexe Primfaktor f(«) gehört, ist g ? , wo
g eine primitive Wurzel von p ist, welche im ersten Tausend
in Übereinstimmung mit dem Canon arithmeticus von Jacobi
gewählt ist und darüber hinaus nach den zahlentheoretischen
Tabellen von Hrn. Reuschle. Unter den unendlich vielen
verschiedenen Formen, welche der primären complexen Zahl f(«)
gegeben werden können, ist überall diejenige als die einfachste
ausgewählt worden, für welche in der Gleichung f(«) f(«"')
=4(b+.c.5V5) die beiden ganzen Zahlen 3 und c die klein-
sten Werthe erhalten.
de | f() | oral
c
11 2 — a+a’ + 2a® 13 1
31 47 2— 0 — 30? +3r* 57 5
41 6 —1-+22 +0? — ec" 17 1
61 10 —2+32— a? +o* 37 u
71 —) —1+30? + a? —.a* 28 2
Handel vorkam. Hr. Prof. Funke hat mir mitgetheilt, dafs nach seinen
Erfahrungen bei thierisch-elektrischen Versuchen, die nach meiner Vor-
schrift angestellt wurden, chemisch reine Chlornatriumlösung jene lästige
Erscheinung nicht zeigte. Wie sich Lösung des Stassfurter Steinsalzes in
dieser Beziehung verhalte, weils ich noch nicht.
vom 30. Juni 1859.
(a)
1—2& +20? + a*
2— 0 +20? —20*
1— 2a +0? — a? + 20°
3— a? — 20? -+2«*
—3 +22 +40? + a? —20*
— 20 + 30? — 20? + 30°
2 +2 +20? —20? — a"
1-+ 30 — 40? +40? —3a*
32 —30? a?
2— 4e — 40? + a? + 60*
3-08 +0? + 20°
—3+ 30 — 30? + 4a
1— 20 — 30? + a? +50*
—1+2« +20? — 3a? + 20°
—2— 0a +20? +30*
— 2+20 + 20? — 30? + 20°
— 1-52. — 30? ia? + 60°
= a+40?— a? —u*
4— 30 — 40? ua*
4— 20 — a? +50? —un®
— 4 +42 — 20? 2a? + a*
—2— 32 +30? +40
2+4a +30? — 30? — 4n*
— a +50? — 4a? +20
—3 +52 —50? +50?
—4-F2e— 0? ro? +30?
6—4r +20? +30? —ca*
—5— 4a +40? +70?
5-+a— a? — 30?
— 32 +52? — 22° -po*
—3+0-+60? Ha? —4a*
3—a—4a? —2a? +5c*
2+0 — 30? — 20? 4a
4-50 +30? za? —a*
4— 20 — 20? — 20? -+3a*
1-10 — a? +5a’+a*
127
182
107
217
442
153
102
133
113
208
252
263
157
137
128
489
»>
=
POSOSBEROVOOBSBPrRrAVGPRREHNGeEVN Mm
>
Gesammtsitzuug
p 8 fe)
1031 —2 3-a—44? ra’ ra?
1051 10 {+32 +20? — 4a?
1061 "2 |-2—-172— a? +50? + 60*
1091 10 |-1—32? +40? + a«*
1151 —10 6—6r +4? — a? —a*
1171 40 28 +30? — 4a
1181 10 |—3— 20 +20? +ie*
1201 11 1442 — 20? — 30? a"
1231 —? 2— 20 — 50? + 20? 4a?
1291 10 I-6—a-+50? 6a? —3a?
1301 410 |-4+2e +3e? +a*
1321 13 1-78 — a? +50? +60*
1361 3 5— 30 — 4a? +4c*
1381 10 |—-2—2« +52? +20? —a*
1451 2 1-28 — a? — 4a? +30"
1471 —10 5— 50 +60? — 30? —20*
1481 3 3— 22 +50? — 30? —a*
1511 —10 |-5-+32 +38? — 70? +8«*
1531 10 8— 62 +20? +50? — 7u*
1571 10 3 + 20? + 0°? —50*
1601 3 4452-50? —50*
1621 10 s—52 + a? +20? — 20°
1721 3 4. — 20? 50? +20
1744 10 °|—-3— 32 — a? +60? +3a?
1801 11 1-+302 — 30? +60? —50*
1811 10 a— a? — 30? +50*
1831 3 3-72 — 20? — a? +50°
1861 10 3+ 302? — 4a? — «a*
1871 —10 4-20 — 30? +20? —3a*
1901 2 1+30 +20? + a? —5a*
1931 2 |-2—-7e@ +70? +40*
1951 —?2 1— 62 —66? 4a? + 9a*
2011 —5 3— 20% + 4a? — 4a
2081 3 2-0 + 20? —5a? -+3u*
2111 — 10 8— 62 + a? +32? — 5"
2131 2 3 +40? — 20? — 3a*
vom 30. Juni 1859. 491
p & | S(e) | b | c
2141 10 | 4 +50 + 20? — 60? — in? 242 20
2161 70 3+a@— 50? +40? — 20° 1437 9
2221 10 |—-6-r2« +20? — 32? +7a*| 253 24
2251 10 1+ 20 + 50? — 20? — 4a" 123 7
2281 7 \-2+ 38 +50? +20? —6c| 193 15
2311 —?) 5— 4a 4a? + 2a? —5u* 213 8,
2341 10 4 a—6a? +70? —50* 317 27
2351 —10 |-4—- 32 #50? +32? + «*® 148 10
2371 10 \-1+64— a? — 20° 103 3
2381 3 1-3-+52 +40? — 20? — 30° 457 11
2411 10 4a—50? +? + 20° 113 5
2441 6 7— a— 20? +70? —9a* 458 40
Die Akademie wählte in derselben Sitzung die Hrn. Leon
Renier in Paris, Ernest Renan in Paris, Georg Hein-
rich Bernstein in Breslau, Heinrich von Sybel in Mün-
chen, Eduard Böcking in Bonn und Wilhelm Giese-
brecht in Königsberg zu correspondirenden Mitgliedern ihrer
philosophisch - historischen Klasse.
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
v. Chlumecky, Die Landtafel des Markgrafthums Mähren. Lief.
42—14. Brünn 1859. folio.
Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. 7. Band, Heft 2.
Berlin 1859. 4.
Memorie dell I. R. Istituto lombardo di scienze, lettere ed arti. Vol.VIII,
Fasc. 1. Milano 1859. 4.
Revue archeologique. 16"® annee, Livr. 3. Paris 1859. 8.
Journal of the Asiatic Society of Bengal, no. 269. Calcutta 1859. 8.
Bibliotheca indica, no. 141. Calcutta 1857. 8.
Documents inedits sur Ühistoire de France.
Recueil des lettres missives de Henri IV. Tome VII.
492 Gesammtsitzung vom 30. Juni 1859.
Lettres du Cardinal de Richelieu. Tome Ill.
Negociations diplomatiques de la France avec la Toscane. Tome
I. Paris 1858—1859. 4.
Rapport 8.et 9.sur la situation des ecoles agrieoles de reforme. Bruxelles
1857. 4. Mit Rescript des vorgeordneten Ministeriums vom 28.
Juni 1859.
—ni—
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat Juli 1859.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg.
4. Juli. Sitzung der physikalisch - mathe-
matischen Klasse.
Hr. Ewald las über die fossile Fauna des Salzber-
ges bei Quedlinburg. Erste Abtheilung.
Hr. du Bois-Reymond legte eine Mittheilung des Hrn.
Dr. W. Kühne über die gerinnbare Substanz der Mus-
keln, d. d. Paris, am 14. Juni d. J., vor.
Nach dem Erlöschen der Contractionsfähigkeit prägt sich
bei den Muskeln aller Thiere eine Veränderung aus, welche seit
Jahrhunderten bekannt ist und als Todtenstarre, rigor mortis, be-
zeichnet wird. Die Muskeln der warmblütigen Thiere zeigen
diese Erscheinung schon sehr bald nach dem Tode, ja eine ge-
wisse Steifigkeit der Glieder ist unleugbar zu einer Zeit, wo
die Muskeln noch einen beträchtlichen Grad von Erregbarkeit
besitzen. Worin dieser Grad der Starre bestehe ist schwer
zu sagen, sicher kann er, wie ich selbst bestätigen konnte, durch
Einspritzen von arteriellem Blut in die Muskelgefälse beseitigt
werden. Bei den kaltblütigen Thieren hat der Tod, oder bes-
[1859.] 35
494 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
ser ausgedrückt, die Aufhebung der Blutcirculation, ein gleiches
Schwinden der Erregbarkeit, wie bei den Warmblütern, zur Folge; |
so lange aber noch eine Spur von Erregbarkeit vorhanden ist, }
tritt auch nicht die mindeste Veränderung in dem Cohäsions-
zustande der contractilen Materie ein. Selbst nach dem Ver-
lust der Erregbarkeit findet man die Muskeln der Frösche in
einem Zustande, der durch Nichts von dem eines noch zucken-
den Muskels verschieden ist. Sie sind dabei weich, durchsichtig,
und reagiren alkalisch, gerade wie die noch erregbaren Muskeln,
und in diesem Stadium scheint die contractile Masse in der That
vollkommen flüssig zu sein.
Wie ich in einer früheren Publication gezeigt habe, kann]
die Banane zelkomuEn Auabllanzız von Ana Gewebe des]
lemm herausgeprelst werden kann. Solche Flüssigkeiten sind
entweder verdünntes Zuckerwasser oder schwache Salzlösungen,
am besten Na€l Lösungen von 0,7—1°/,. Die so erhaltene Mi-[i
schung coagulirt freiwillig, wie das Blutplasma und setzt um s
reichlichere Gerinnsel ab, je weniger die Muskeln unter derf
Presse selbst in den starren Zustand übergingen. Es ist nicht]
absolut nöthig, dafs die Muskeln bei der Zurichtung der begin-|
nenden Starre ganz entgehen, da dieselbe nicht auf einmal ein-
tritt, so dals stets eine geringe Menge noch nicht coagulirte |
Materie in die Prefsflüssigkeit übergeht. Diesem Umstande istf)
es zu danken, dals selbst Hunde- und Kaninchenmuskeln, au
denen das Blut durch einen Strom der Kochsalzlösung ausge-
trieben worden, eine geringe Menge spontan coagulirender Flüs
sigkeit liefern.
Die Flüssigkeit aus den Muskeln der Frösche gerinnt seh
langsam, während die der Warmblüter rascher coagulirt. Be
einer Temperatur zwischen 0?” und 5° C. kann die Erstere übe
eine Woche aufbewahrt werden, ohne zu gerinnen, kommt si
dann in eine Zimmerwärme von + 15° C., so gerinnt sie rasch.
Es ist bekannt, dafs sich die ausgeschnittenen Froschmuskeln
ebenso verhalten, welche sich bei einer genau regulirten Tem
peratur, die sich nicht erheblich von 0° entfernt, fast in’s Un
begrenzte reizbar erhalten lassen. Der Einfluls der Wärme aul
vom 4. Juli 1859. 495
den Eintritt der Todtenstarre und die Gerinnung der künstlichen
Muskelflüssigkeit ist augenscheinlich. Froschmuskeln werden je
nach der Temperatur mehr oder minder rasch starr. In unmels-
barer Zeit tritt aber die Starre ein bei einer Temperatur von
40° C., und genau bei derselben Temperatur setzt die ausge-
prelste Flüssigkeit dicke Flocken eines derben Gerinnsels ab.
Wie der todtenstarre Froschmuskel reagirt auch der bei 40° C.
starr gewordene Muskel sauer, die Flüssigkeit zeigt dagegen die-
sen Reactionswechsel nur, wenn sie nicht filtrirt war; die fil-
trirte Flüssigkeit bewahrt bei der Coagulation ihre alkalische
Reaction, und wird erst beim längeren Stehen an der Luft sauer.
Ein Muskel, welcher bei 40° C., sei es in Quecksilber, in
Öl oder in Wasser, einmal starr geworden ist, kehrt durch kein
physiologisches Mittel wieder aus diesem Zustande zurück, eben
so wenig wie die einmal geronnene Flüssigkeit nicht wieder klar
wird. Ein ganz frischer noch reizbarer Muskel einmal auf 40° C.
erwärmt, hat seine Erregbarkeit für immer eingebülst, und auch
darin stimmt die bei 40°C. erzeugte Starre mit der Todten-
starre überein, dals das circulirende Blut den früheren Zustand
nicht zu restituiren vermag. Niemals wird ein Froschmuskel
wieder erregbar, wenn er durch Unterbindung seiner Arterien
einmal unerregbar, starr, undurchsichtig und sauer geworden ist.
Der Zutritt des Blutes nach der Lösung der Ligatur, den das
Mikroskop in der Schwimrmhaut anzeigt, bringt zwar die alkali-
sche Reaction allmählig wieder, die Reizbarkeit aber ist unwie-
derbringlich verloren; ebenso wenn der Muskel durch Erwärmen
des Beines eines lebenden Frosches auf 40° C. erstarrt war.
Hier wurde die Blutcirculation gar nicht unterbrochen, und doch
bleibt das Bein wochenlang starr.
Die früheren Angaben über die Lösung der Todtenstarre
durch das Blut beziehen sich auf den Grad der Starre, bei wel-
chem die Muskeln noch reizbar sind, also auf die Warmblüter.
Bei diesen liegt die Grenze in der sauren Reaction der Muskeln,
und dem unzweifelhaften Verlust aller Erregbarkeit. Muskeln von
Hunden und Kaninchen, welche bei 45° erst starr werden, wer-
den durch keine Injection von arteriellem Blut wieder leistungs-
fähig, wenn sie bis zu jener Temperatur erwärmt waren, oder
35*
496 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
durch den Abschnitt vom Blutkreislauf starr und sauer geworden
waren.
Mit den genannten Vorgängen ist die Reihe der der con-
tractilen Materie eigenthümlichen Coagulationen noch nicht ab-
geschlossen. Nur der frische noch nicht todtenstarre Muskel
coagulirt bei 40°. Eine andere Coagulation, welche bisher als
Wärmestarre beschrieben ist, und welche man ebenso wie die
Todtenstarre lange Zeit für eine tetanische Contraction gehalten
hat, tritt ein bei 45° C., und zwar sowohl bei einem reizbaren,
wie bei einem starren und in Fäulnifs begriffenen Muskel. Was
diese Zustände der Starre schon auf den ersten Blick von der
Centraction unterscheiden läfst, das ist der Umstand, dals sie
sich nicht über die erhitzte Stelle hinaus fortpflanzen. So kann
man einen Froschmuskel, den man in Quecksilber von 40° C.
todtenstarr gemacht hat, zur Hälfte, oder wo man will, durch
Eintauchen in Öl von 45° C. aulserdem noch wärmestarr ma-
chen. Der Zustand unterscheidet sich von der Todtenstarre da-
durch, dafs der Muskel noch viel weilser, härter, und noch un-
durchsichtiger wird, so dals sich die Grenze zwischen den durch
40° und 45° veränderten Stellen sehr deutlich markirt. Um. die
Behauptung, dafs auch dies eine Coagulation sei, zu beweisen,
braucht man nur wiederum die Muskelflüssigkeit direct zu unter- /
suchen. Nachdem dieselbe freiwillig geronnen ist, oder nach-
dem man sie bei 40° hat gerinnen lassen, coagulirt der Rest
nochmals bei 43° — nicht bei 45°, weil die Gerinnung des Ei-
weilskörpers, um welchen es sich hier handelt, durch Salzlösun-
gen weiter herabgesetzt wird. Aus jedem todtenstarren Frosch-
muskel aber kann man durch Ausziehen mit destillirttem WVasser
eine Flüssigkeit erhalten, welche constant bei 45° gerinnt. Hat)
man die Flüssigkeit längere Zeit bei 45° erhalten, und filtrirt
man nun von dem massenhaft angesammelten Gerinnsel ab, so
bekommt man eine neue Lösung, welche erst bei 72° gerinnt.
Die Zusammensetzung der contractilen Substanz ist also eine
sehr complicirte, und ihre Untersuchung wohl eine würdige Auf-
gabe der physiologischen Chemie. Wie bei der Todtenstarre
die Temperaturen, welche sie plötzlich erzeugen, nicht für die
Muskeln aller Thiere dieselben sind, so ist es auch bei der
Wärmestarre. Hunde- und Kaninchen-Muskeln werden erst zwi-
vom 4. Juli 1859. 497
schen 49 und 50° wärmestarr, die der Taube erst bei 53° C.
und genau so verhalten sich die Wasserauszüge dieser Muskeln,
welche bei 50° resp. 53° reichliche Gerinnsel absetzen.
Da die bei 40°? C. in den Froschmuskeln eintretende Starre
der Blutcirculation nicht weicht, so braucht nur noch erwähnt
zu werden, dafs directe Versuche dies auch für die bei 45° C.
geronnenen Muskeln bestätigen. Die Angabe des Gegentheils
ist um so sonderbarer, als grade die Wärme wenigstens unter
50° sehr selten wirkliche Muskelcontractionen hervorruft. Mit
Sicherheit kann ein Muskel nur zum Zucken gebracht werden,
wenn sein Querschnitt sehr plötzlich auf 100°, womöglich noch
höher erhitzt, oder der Muskel sonst an irgend einem Punkte
völlig verbrannt wird. Mit eintretender Fäulnils beginnt die so-
genannte Lösung der Todtenstarre. Faulende Froschmuskeln
liefern beim Auspressen eine stark alkalische Flüssigkeit, welche
beim vorsichtigen Ansäuern zum zweiten Male freiwillig gerin-
nen kann. Dieselbe hat auch die Eigenschaft wieder bei 40°
zu gerinnen, so wie sie vorsichtig mit Milchsäure neutralisirt
wird. Ohne Säurezusatz wird die durch Filtration klar erhaltene
Lösung bei 40° nur milchig.
Wie es scheint, ist die Temperatur von 40° die unterste
Gränze, bei welcher wirklich reizbare Muskeln plötzlich coagu-
liren. Selbst der Stielmuskel der Vorticelien, der sich gegen
elektrische und chemische Reize fast ebenso wie ein Froschmus-
kel verhält, bleibt bei 38° C. z. B. noch lange reizbar. Sowie
aber die Vorticellen in Wasser von 40° C. kommen, erstarren
sie alle, und die Stiele rollen sich spiralig zusammen. Die Er-
scheinungen sind dieselben bei Stielen mit abgerissenen Köpfen.
bestehen scheinen, aus der bekannten Sarkode, haben nichts ge-
meinsames mit der Muskelsubstanz. Amoeba diffluens bleibt ganz
unbelästigt von den stärksten Inductionsschlägen, und setzt seine
> Diejenigen Geschöpfe, welche nur aus contractiler Materie zu
?
f
Bewegungen in verdünnter Salzsäure stundenlang fort. Dagegen
coaguliren diese Thiere schon bei 35° C. plötzlich zu harten
festen Kugeln. Ebenso sah ich die Flimmerzellen auf der Frosch-
_ zunge bewegungslos werden zwischen 35 und 36° C.
498 Öffentliche Sitzung
7. Juli. Öffentliche Sitzung zur Feier des
Leibniztages.
Hr. Böckh eröffnete dieselbe als Vorsitzender mit der
Gedächtnifsrede auf Leibniz in Verbindung mit einigen Wor-
ten über A. v. Humboldt (s. die Beilage).
Der akademischen Sitte gemäls, hielt demnächst Hr. Rei-
chert als neu eingetretenes Mitglied der Akademie folgende An-
trittsrede:
Der heutige, für die Geschichte der Königlichen Akademie
der Wissenschaften so denkwürdige Tag bietet mir die sehr er-
wünschte Gelegenheit dar, der hohen Versammlung den innig-
sten Dank für das Vertrauen auszusprechen, mit welchem sie
mich durch die Allerhöchst bestätigte Wahl zu ihrem ordent-
lichen Mitgliede beehrt hat. In dem eifrigsten Bestreben, die-
sem so ehrenvollen Vertrauen zu entsprechen, wird mich die
hohe Aufgabe der Akademie, selbst, es wird mich das erhebende
Beispiel der hochgeehrten Kollegen, es soll mich endlich ein
aufrichtiges und ausdauerndes Dankgefühl leiten und kräftigen.
Dennoch kann ich und darf wohl auch nicht die natürlichen
Empfindungen hier völlig unterdrücken wollen, welche in mei-
ner Seele bei dem Gedanken sich unabweislich hervordrängen,
dals ich mit meinen wissenschaftlichen Bestrebungen einem Kreise
von Männern angehöre, die durch ihre hervorragenden Eigen-
schaften und Leistungen schon Jahre lang meine höchste Be-
wunderung erweckt haben, und dafs ich durch eine traurige Fü-
gung des Geschickes in die Lage gebracht worden bin, gewis-
sermalsen an die Stelle eines Mannes zu treten, der durch das
seltene Ebenmaals seiner geistigen Begabung und durch die
Erfolge seiner fast übermenschlichen, rastlosen Thätigkeit 25 Jahre
hindurch eine Zierde der Akademie gewesen ist. Unter diesen
| schwierigen Verhältnissen von der liebevollen Nachsicht der
hochgeehrten Fachgenossen bei Beurtheilung meiner Leistungen
überzeugt, darf ich zugleich daran festhalten, dals eine wichtige
Aufgabe der Akademie darin bestehe, der Fortschrittsbewegung
vom 7. Juli 1859. 499
der Wissenschaften, ohne Beeinträchtigung der Einheit und
wechselseitigen Harmonie im Ganzen, durch die besondere Pflege
in bestimmten, durch den Gegenstand selbst dargebotenen Rich-
tungen förderlich zu werden.
Meine Forschungen haben bisher unablässig das Ziel ver-
folgt, die thierische Form in ihrer Bildungsgeschichte aufzuneh-
men und gesetzlich zu erläutern. Der Lösung dieser Aufgabe
sind bestimmte Grenzen gezogen, und innerhalb derselben ist
jeder Schritt auf der empirischen Grundlage mit grolser Vor-
sicht zu bemessen, wofern den bedenklichsten Ausschweifungen
vorgebeugt werden soll. Die morphologische Analyse ist zwar
gegenwärtig mit Hilfe des Mikroskopes bis zu äulserst kleinen,
räumlichen Verhältnissen vorgedrungen; sie hat auch durch die
Entdeckung der elementaren, organischen Zelle einen bestimm-
ten, festen Haltpunkt für ihre Forschungen gewonnen: allein
jene letzten, elementaren Bildungsvorgänge in der organischen
Materie, durch welche Flüssiges und Festes zugleich in die or-
ganisirte Form übergeführt werden, sind der Beobachtung auch
jetzt noch gänzlich unzugänglich geblieben. Alle Bemühungen
unter Herbeiziehung allgemeiner Naturkräfte hier weiter vorzu-
schreiten, haben nur dazu gedient, den Mangel an Erfahrungen
und die Einseitigkeit des Urtheils unzweideutig herauszustellen.
Hält man sich an die nächsten, sichtbaren Vorgänge bei der
Bildung organisirter Formen mit nothwendiger Berücksichtigung
des ganzen geschichtlichen Ablaufes derselben, so scheinen mir
nach dem heutigen Stande der Wissenschaft besonders zwei da-
bei betheiligte fundamentale Prozesse die Aufmerksamkeit des
Morphologen in Anspruch zu nehmen: der Knospenzeugungs-
prozels und der eigentliche Entwickelungsprozels. Die verschie-
dene Natur dieser beiden Prozesse bringt es mit sich, dals auch
ihre morphologischen Produkte einen wesentlich verschiedenen,
morphologischen Charakter an sich tragen. Ein jeder Zeugungs-
prozels führt in seinen Wirkungen zum Auftreten und zur Ver-
mehrung gleichartiger, stammverwandter Körper. Der Knospen-
zeugungsprozels produeirt dem entsprechend Aggregat-Ge-
bilde gleichwerthiger Bestandtheile, die in bestimmten
Richtungen, unter bestimmten Winkeln sich verbunden haben
und vereinigt sind. Häufig zeigen diese Bestandtheile auch eine
500 Öffentliche Sitzung
gewisse Abwechselung, eine Variation in der Form; dennoch ist
die typische Übereinstimmung niemals zu verkennen. Die auf
diesem Wege entstandenen organisirten Körper tragen als Ag-
gregate ihre Form mehr äulserlich zu Tage; sie erinnern durch
ihren zierlichen, auffälligen Habitus oft aufserordentlich an die
Aggregatkrystalle und haben auch wohl die eitle Hoffnung rege
gemacht, die Krystallisation und den Bildungsprozels organisirter
Formen auf dieselben Ursachen zurückführen zu können. — Der
Entwickelungsprozels führt durch Sonderung eines indifferenten
Keimes oder einer Anlage in ungleichwerthige Bestand-
theile zur Bildung oder, wie man sagt, zum Aufbau morpho-
logischer Systeme. Die Lagerungsweise und die räumlichen
Verhältnisse dieser genetisch ungleichwerthig angelegten Be-
standtheile eines auf die bezeichnete Weise entwickelten, orga-
nisirten Körpers machen auf uns nicht den Eindruck eines Ag-
gregales; wir sprechen grade hier von innerer Form, von
Struktur und Textur; wir nehmen hier die Theile mit Berück-
sichtigung der systematischen Gliederung als Haupttheile, als
unter- oder beigeordnete Theile auf und zeigen die innige Ver-
kettung und Verbindung derselben in dem geschlossenen syste-
matischen Ganzen. Bei den Aggregatgebilden gehen wir von
den, durch den Zeugungsprozels gegebenen Bestandtheilen aus
und fügen dieselben dem Bildungsprozesse gemäls zu einem Gan-
zen zusammen; bei einem morphologischen System müssen wir
der Entwickelung gemäls von dem Ganzen ausgehen und analy-
tisch durch die Haupt- und untergeordneten Bestandtheile bis
zu den Endgliedern herabsteigen.
Der angedeutete Unterschied in der Bildung und in dem
Verhalten organisirter Formen hat bereits vor 90 Jahren die
Aufmerksamkeit eines Forschers erregt, den man als Begründer
einer wissenschaftlichen Auffassung in der Bildungsgeschichte or-
ganischer Geschöpfe ansehen darf. C. F. Wolff zieht in der
Einleitung zu seiner Bildungsgeschichte des Darmkanals im be-
brüteten Hühnchen eine lehrreiche Parallele zwischen der Bil-
dung und dem Wachsthum einer Pflanze, bei welcher ganz be-
sonders der Knospenzeugungsprozels mitspricht, und der Bildung
eines Hühnchens, in welchem sich auffälliger die Wirkungen
des Entwickelungsprozesses zu erkennen geben. C. E, v. Bär
vom 7. Juli 1859. 501
unterschied in seiner Bildungsgeschichte des Hühnchens zwischen
— wie er es nannte — Sonderungen des Keimes in ungleich-
werthige und gleichwerthige Bestandtheile, woraus hervor-
ging, dafs der Knospenzeugungsprozels selbst bei der Bildung
eines Wirbelthieres, wenn auch mehr im Bereich der Organe,
seinen Antheil habe. Es existirt wohl auch in der That kein
thierisches Geschöpf, bei dessen Bildung neben dem Entwicke-
lungsprozesse nicht auch der Knospenzeugungsprozels in irgend
einer Weise mitgewirkt hätte.
Die Bildungsgeschichte thierischer Geschöpfe darf es daher
in gegenwärtiger Zeit als ihre erste und wichtigste Aufgabe be-
trachten, die beiden bei jeder Bildung betheiligten fundamen-
talen Prozesse einerseits nach ihrem Werthe und ihrer Bedeu-
tung scharf auseinander zu halten, anderseits aber auch nachzu-
weisen, wie dieselben bei der Bildung organisirter Formen zu-
sammengreifen und dem fertigen Produkte den Stempel eines
Entwickelungs- und eines Knospenzeugungs Produktes aufdrücken.
In einzelnen Beispielen ist die Lösung dieser Aufgabe zum Theil
wenigstens geglückt; in vielen andern Fällen dagegen, in sol-
chen namentlich, wo das Wachsthum und der Knospenzeugungs-
prozels im. Parenchym versteckt vorschreiten und sich nur in
der Vergrölserung des Stammgebildes markiren, oder wo der
Entwickelungsprozels an wenig gesonderten und undeutlichen
Strukturen sich offenbart: da giebt es oft, für den Augenblick
wenigstens, ganz unüberwindliche Hindernisse sowohl für die
Beobachtung, als für die Demonstration; hier ist vielmehr Auf-
gabe, sich jeder künstlichen Konstruktion zu enthalten und die
Aufklärung entweder besseren Zeiten aufzubewahren oder in
Übereinstimmung mit schon bekannten Bildungsvorgängen zu
versuchen. Unter solchen Umständen konnten und können reelle
Fortschritte auf diesem Gebiete nur selten errungen 'werden;
wo dieselben aber bisher hervorgetreten sind, da haben sie mit
einer überraschenden Tragweite auf das rationelle Verständnifs
organisirter Formen für die specielle und vergleichende Anato-
mie eingewirkt. Eine einzige, wahrheitsgetreue Ausbeute, welche
uns die volle Freude des genetischen Wissens kennen lehrte
und uns die verwickeltsten Formen auf dem Wege, wie sie ge-
worden und aus dem einfachsten Zustande in die complicirte
502 Öffentliche Sitzung
Gestalt übergegangen waren, zur Anschauung brachte, eine
solche Ausbeute mufs häufig den immerhin reichlichen Ersatz
für langjährige Arbeiten gewähren und uns den hohen Werth
von Forschungen nicht verkennen lassen, auf deren schlüpfrigen
Boden so leicht und so oft Fehltritte gemacht werden. Möchte
es mir gelingen, bei meinem Wirken unter Ihnen der Wissen-
schaft möglichst oft solche gute, gesunde Früchte darzubieten!
Hr. Ehrenberg, als Secretar der physikalisch - mathemati-
schen Klasse, antwortete wie folgt:
Die Akademie der Wissenschaften begrülst ihre seit dem
gleichen Tage im vorigen Jahre neu eingetretenen Mitglieder
jedesmal am Leibniz-Feste. So heilse ich Sie, Hr. Reichert,
denn Namens der Gesammtakademie und insbesondere im Na-
men der physikalisch-mathematischen Klasse, als Secretar der be-
treffenden Abtheilung, heut öffentlich herzlich willkommen. Ihre
Thätigkeit, verehrter Herr College, ist der Akademie längst er-
probt. Schon vor langer Zeit hatte der am Tage Ihrer Wahl,
die er mit zu vollziehen wünschte, am 10. März, zum letzten
Male in diesem Saale nur für Sie gegenwärtige, heut wehmüthig
gefeierte Heros der Naturforschung Alexander von Hum-
boldt Ihren stillen erfolgreichen wissenschaftlichen Eifer er-
kannt und sein Scharfblick, so wie seine alle jugendlichen An-
strengungen zu ernster Pflege der Wissenschaft fördernde Güte
führte Sie durch seinen Einfluls damals aus der rein praktischen
in die ersehnte wissenschaftliche Richtung. Später, vor nun
147 Jahren schon, 1842, dankten Sie ihm durch Lösung der
schwierigen physiologischen Preisfrage der Akademie aus dem
Jahr 1840, wobei Ihnen ein dem festgestellten ersten Preise,
welcher dem Prof. L.W. Bischoff zufiel, gleicher, zweiter Preis
aulsergewöhnlich zuerkannt wurde. Jetzt, nachdem Sie im For-
schen und Lehren viel geübt, vom Königlichen Ministerium, nach
dem Vorschlage der medicinischen Fakultät der hiesigen Univer-
sität, für geeignet erachtet worden, an des verstorbenen Johan-
nes Müller’s Stelle den anatomischen Anstalten der Univer-
sität vorzustehen, hat sich die Akademie, nicht des zu verwal-
tenden Amtes halber, sondern nur deshalb veranlalst gesehen,
Sie in ihren Kreis aufzunehmen, weil aus Ihren zahlreichen äl-
_
vom 7. Juli 1859. 503
teren und immer mehr aus den neueren Arbeiten, seit nun 20
Jahren, derselbe ruhig beobachtende und ruhig urtheilende that-
kräftige frische Geist bervorleuchtet, welcher dem Gedeihen der
objectiven Wissenschaft förderlich ist. Ihre das Ganze des
Menschenorganismus beherrschenden und stets ins Auge fassen-
den, mit Vorliebe aber besonders den ersten Entwickelungsver-
hältnissen der einzelnen organischen Elemente und Systeme zu-
gewendeten Forschungen werden nicht verfehlen den richtigen
Pfad offen zu erhalten, welcher die neuen Generationen vor
Abwegen bewahrt und auf kürzester Bahn dem Ziele zuführt,
das, mit hohem Erfolg für die immer wachsende Erkenntnifs der
Lebensgesetze lockend, noch in um so weiterer Ferne liegt, je
mehr die Erforschungen des selbstständigen unsichtbaren Lebens
die Feinheit der organischen zusammengesetzten Prozesse, — selbst
durch die Gegner in ihrer Erkenntnils gefördert, — über das Ein-
fache einer blolsen Zellbildung, die aus scheinbar Formlosem stets
nur secundär hervortritt und stets vollständig individualisirt er-
scheint, weit erhebt.
Hierauf zeigte der Secretar der Akademie, Hr. Trende-
lenburg, an:
Am Leibniztage des Jahres 1856 stellte die Akademie der
Wissenschaften auf das Jahr 1859 eine vollständige kritische
Sammlung der aristotelischen Fragmente zur Preisaufgabe. Da
Bewerbungsschriften nicht eingegangen sind, so erneuert sie sie
heute mit folgenden Worten:
In der philosophischen Litteratur giebt es noch immer eine
Lücke, für deren Ausfüllung bis jetzt nur in einzelnen Richtun-
gen der Anfang gemacht ist. Aus den verlorenen Schriften des
Aristoteles finden sich im griechischen und römischen Alter-
thum, insbesondere bei den Commentatoren, Nachrichten und
Bruchstücke zerstreut, welche sorgfältig gesammelt, kritisch ge-
sichtet und mit dem vorhandenen Aristoteles verglichen, geeignet
sein werden, unsere Kenntnisse von Aristoteles zu erweitern und
zur Geschichte der Philosophie und Litteratur einen wesent-
lichen Beitrag zu liefern. Die Akademie stellt hiernach
504 Öffentliche Sitzung
eine vollständige kritische Sammlung der aristotelischen
Fragmente
als Preisaufgabe.
Die Bruchstücke des Aristoteles und die Stellen, welche sich
auf dessen verlorene Schriften beziehen, sollen aus dem griechi-
schen und römischen Alterthum, insbesondere aus den Commen-
tatoren, gesammelt, kritisch behandelt und, so weit sich An-
knüpfungspunkte bieten, mit den vorhandenen aristotelischen
Schriften verglichen werden. Was etwa noch die arabische und
orientalische Litteratur für Aristoteles enthalten mag, bleibt für
jetzt ausgeschlossen. Was bisher im Einzelnen für eine Samm-
lung geschehen, ist zu benutzen und zu berücksichtigen. Die
Anordnung der Fragmente wird dem Urtheil der Bearbeiter
überlassen; aber es ist der Schrift ein doppeltes Register beizu-
fügen, wovon das eine die Schriften und Stellen, aus welchen
die Fragmente entnommen sind, genau aufführt, das andere die
wichtigern Wörter und Gegenstände der Fragmente alphabetisch
verzeichnet. Die Arbeit kann zwar nach Wahl der Bewerber
in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache geschrieben
werden, doch wird in diesem Falle eine lateinische Abfassung
der Akademie erwünscht sein.
Indem bei der Wichtigkeit der Sache die Akademie diese
Preisfrage nunmehr erneuert, verdoppelt sie zugleich den Preis,
Die ausschliefsende Frist für die Einsendung der dieser Auf-
gabe gewidmeten Schriften ist der 1. März 1862. Jede Bewer-
bungsschrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses auf dem
Äufsern des versiegelten Zettels, welcher den Namen des Ver-
fassers enthält, zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von
200 Dukaten geschieht in der öffentlichen Sitzung am Leibnizi-
schen Jahrestage im Monat Juli des Jahres 1862. Überdies wird
unter Bezug auf $ 67 der Statuten die philosophisch - historische
Klasse, wenn die gekrönte Preisschrift sich zur Aufnahme in den
noch rückständigen fünften Band der von ihr besorgten Ausgabe
des Aristoteles eigenen sollte, nach näherer Verabredung mit dem
Verfasser, Sorge tragen, dals dieser Beitrag noch angemessen
honorirt werde.
vom 7. Juli 1859. 505
Hr. Ehrenberg schlols mit dem von dem Vorsitzenden
angekündigten Vortrage zum Gedächtnils Alexander v. Hum-
boldt’s.
Im Glanze einer friedlich milden, bei dem Sinken immer
grölser werdenden Abendsonne sei Alexander v. Humboldt
von uns, als oft der dritten und vierten Generation seiner
Zeitgenossen, geschieden. Es sei nicht zu viel, auch an dieser
Stelle der Akademie der Wissenschaften sei es auszusprechen:
eine neue Epoche der Erd- und Weltanschauung begann mit
Alexander v. Humboldt’s Schriften. Es halle seine nicht
pedantisch wissenschaftliche, nicht kalte, nicht rhetorisch ober-
flächliche, seine im edlen tiefen Ernste der Forschung überzeu-
gend belehrende, erfreuende, warme, den Menschen auf der Erde
und im Weltraume gern heimisch wissende und doch über das
Sinnliche erhebende, vorher nicht gekannte Sprache aus allen gei-
stig gehobenen Völkern, aus allen Zonen der Erde wieder. Leicht
sei es, auf das Gedächtnils solch eines Verstorbenen einen Hym-
nus zu dichten. Schwer sei es, das weithin segensvolle gewal-
tige Leben des Vollendeten, eingehend in die Vorbedingungen,
die Besonderheiten und Verkettungen, die Vielseitigkeit dieses
Wirkens in Übersicht zu bringen und das so vielseitig von den
Zeitgenossen durchgefühlte Grofse, das über das Vergängliche
hinaus — sofern der Menschengeist, wie die begründeter er-
scheinenden Zeichen auch heut es allerdings aussprechen, ewig
ist, — nothwendig ewig Fortwirkende seiner Erscheinung so
darzustellen, dafs nicht das Vergängliche und Vergangene der-
selben entmuthigend wirkt, sondern das Bleibende die mitleben-
den und kommenden Generationen zu frischem Muthe freudig
erhebt und zu rüstiger, beharrlicher Nacheiferung und Fortbil-
dung entflammt. — Hieran schlols sich ein Überblick des gan-
zen grolsen, ungewöhnlich vorbereiteten, thatenreichen und glän-
zend fruchtreichen Lebens in chronologischer Folge, übergehend
in die Gemüthssphäre des grofsen segenvollen Mannes. Als
volltönendes Beispiel tiefen Gemüthes wurde des innigen zar-
ten, fast schwärmerischen Freundschafts-Verhältnisses zwischen
ihm und dem Berg-Akademisten Freiesleben, späteren Berg-
Hauptmanns und Direktors der Freiberger Berg- Akademie bis
in das späteste Alter, nach vorliegenden Urkunden, gedacht.
506 Gesammtsitzung
Den Schlufs bildete folgende Betrachtung: Ob die Vergleich-
barmachung der beiden Erdhälften, ob die Entdeckung des Ge-
setzes der Isothermen-Linien, ob die geographische Vertheilung
der Pflanzen- Geschlechter, welche damit in Verbindung steht,
oder der viel gepflegte tellurische Magnetismus, ob die grolsar-
tigen Auffassungen der Klimatologie, welche schon bedeutende
Fortentwicklung erhalten haben, ob die von ihm ausgegangene
Übersicht und gegenseitige Bestimmung der Gebirgs- und Flufs-
systeme der gesammten Erde und deren geographische Befestigung
in Amerika und Asien, allesammt oder einzeln, künftig der Glanz-
punkt bleiben werden, oder ob aus scheinbaren Nebendingen von
Alexand.v.Humboldt’s Auffassungen sich künftig Bleibenderes
entwickelt, ist nicht abzusehen. Bleibend aber für alle Zeiten ist
das Beispiel”des edlen, aufopferungsfähigen Ernstes, der tiefen
Gründlichkeit, welche sich in allen Arbeiten von Humboldts
abspiegeln, der klaren Zusammenfassung zahlloser Naturerkennt-
nisse in ein ansprechend übersichtliches, wieviel auch einst wei-
ter zu entwickelndes Bild, und der enthusiastischen Liebe für den
Zweck, welche aus jedem seiner so zahlreichen Werke hervor-
blicken. — Mahnend und ermuthigend werde künftig die heut
aufgestellte Büste in diesen Räumen wirken, und eine Hum-
boldt-Stiftung im hohen Stil, welche heut zuerst zur Bekannt-
machung gelangt, werde unter dem Schutze dieser Akademie
hoffentlich fort und fort weiter segnend wirken.
14. Juli. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. G. Rose las Bemerkungen über den Melaphyr
und die dafür gehaltenen Gesteine vonlIlfeld am Harz.
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Antiquarisk Tidshrift, 1852— 1854. Kjobnhavn 1854. 8.
Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. II, no. 3. Lon-
don 1859. 8
vom 14. Juli 1859. 507
Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart, Band 47. 48, Stutt-
gart 1859. 8.
Proceedings of the Royal Society. Vol.IX, no. 32—34. London 1859. 8.
Address of the President... of the Royal Society. London 1858. 8.
Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou. Tome XXXII,
no. 1. Moscou 1859. 8.
Journal für die reine und angewandte Mathematik. 57. Band, Heft 1.
Berlin 1859. 4.
Annales des mines. Tome XIV, Livr. 5. Paris 1859. 8. Mit Ministe-
} rialrescript vom 9. Juli 1859.
Ephemeris archaeologica. Fasc. 50. Athen 1858. 4. Mit Ministe-
rialrescript vom 6. Juli 1859.
Journal öf the Asiatie Society of Bengal. no. 90. Calcutta 1858. 8.
Leopoldina. Amtliches Organ der K. Leop. Carol. Akademie der Natur-
forscher. Heft 1. Jena 1859. 4.
Philosophical Transactions. Vol. 148. London 1859. 4.
Astronomical, magnetical and meteorological Observations, made at the
Royal Observatory, Greenwich, in the year 1857. London 1859. 4.
Smyth, Astronomical Experiment on the Peak of Teneriffe. London
1858. 4.
Clarke, Researches on the intimate Structure of the brain. London
1858. 4.
Ramchundra, A treatise on problems of Maxima and Minima. Lon-
don 1859. 8.
Kepler, Opera omnia. Vol. II, Pars 2. Francof. 1859. 8.
Don V. Vazquek Queipo, Essai sur les systemes metriques et mone-
taires des anciens peuples. Tome 1. 2. 3. Paris 1859. 8. Mit
Schreiben des Hrn. Verfassers, Paris 15. Juni 1859.
Kais. Russisches Gesetzbuch. Supplementband 2. Petersburg 1859. 8.
Mit Ministerialrescript vom 4. Juli 1859,
Rafn, Saga Jatvardar Konungs hins Helga. Kjöbenhavn 1852. 8.
Grove, On the influence of light on the polarized Electrode, and On the
Striae seen in the Electrical Discharge in Vacuo. London 1858, 8.
Barone Vito d’Ondes Reggio, Sulla necessita della instaurazione de’
prineipü filosofici. Genova 1858. 8. Mit Ministerialrescript vom
6. Juli 1859.
508 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
®
18. Juni. Sitzung der philosophisch - hi-
storischen Klasse.
Hr. Gerhard gab Paralipomena zu seinen „etrus-
kischen Spiegeln”.
Die Zeichnungen etruskischer Metallspiegel, welche in mei-
nem unter diesem Titel erschienenen Werke vereinigt sind,
durften im Jahr 1845, als das gedachte Werk seinen damaligen
Abschlufs erhielt, für einen Inbegriff der erheblichsten Denk-
mäler jener für Kunst und Alterthum so überaus wichtigen Gat-
tung antiker Kunstwerke gelten. Eine Vollständigkeit möglich-
sten Umfangs liefs jedoch schon damals bei der Ungunst des
Buchhandels sich nicht erreichen und kann meinem Werke noch
ungleich weniger jetzt beigelegt werden, nachdem eine Reihe
von Jahren den früheren Denkmälervorrath mit neuen Funden
vermehrt hat. Während ich nun das ganze damalige Unterneh-
men als unvollendet zu betrachten fortfuhr und in diesem Sinne
sowohl mit Abfassung eines ausführlichen Textes als mit der
Sammlung nachträglicher Zeichnungen beschäftigt blieb, haben
die letzteren in einer Weise sich angehäuft, dals der Werth,
den sie für einen künftigen Ergänzungsband in sich schlielsen,
bereits gegenwärtig nach Umfang und Inhalt sich näher be-
zeichnen lälst.
Das mehr gedachte, mit Unterstützung der Akademie von
mir ans Licht gestellie Werk „Etruskischer Spiegel” enthält auf
seinen 240 Tafeln nächst den vorangestellten Zeichnungen my-
stischer Cisten überhaupt 335 Spiegel mit eingegrabener Zeich-
nung. Von diesen in zwei Bände vertheilten Zeichnungen sind
431 dem dämonischen und mystischen Götterwesen, 79 den
Gottheiten volksmälsiger Mythologie, 61 dem Herkules und son-
stiger Heroensage, mit Ausnahme des Troischen Sagenkreises
gewidmet, welchem letzteren die 64 Spiegel der vordern Hälfte
des zweiten Bandes ausschliefslich angehören. ‘Alle diese Ab-
theilungen haben einen beträchtlichen Zuwachs erhalten. Es
sind überhaupt nahe an 500 unedirte Spiegel in das Verzeich-
nils meiner Nachträge aufgenommen; begreiflicherweise steht nur
ein Theil derer, von denen ich Kenntnils erhielt, mir in Zeich-
nungen zu Gebote; seit meiner Entfernung von Rom war ich
vom 18. Juli 1859. 509
nicht mehr im Stande den oft sehr schwierigen Zutritt zur Er-
langung von Abbildungen, sei es durch persönliche Gunst oder
durch Ankauf der Originale mir zu verschaffen; nichts desto-
weniger aber hat eine beträchtliche Anzahl von Zeichnungen,
welche der Fortsetzung meines Werks dienen können, bei mir
sich zusammengefunden. Was ich bievon zur Ansicht zu brin-
gen im Stande bin, gehört in 37 Zeichnungen zur Abtheilung
grolser Gottheiten; die Heroensage ist mit 51 neuer Zeichnun-
gen vertreten, von denen 29 dem Troischen Sagenkreis ange-
hören. Das dämonische und mystische Götterwesen der Dios-
kuren, Fortunen, Kabiren u. s. w. läfst bei einer Fortsetzung
meines Werks mit 28 Zeichnungen sich neu ausstatten, welche
den publicirten Tafeln XXXI—LX unmittelbar sich einreihen,
und durch 87 andere, welche in minder enger Verbindung sich
ihnen anschliefsen. Aufserdem ist für Gegenstände des Alltags-
lebens und Thiergestalten ein Vorrath von noch 33 Zeichnun-
gen vorhanden.
Es kann nicht fehlen, dafs so viele mein Werk ergän-
zende Denkmäler, von denen überhaupt 237 auch in Abbildung
vorliegen, mehr oder minder anziehend sei; doch ist auch der
Inhalt derselben von mannichfach selbständigem Werth. Es
ergiebt sich dies leicht aus einem Überblick der bildlichen Dar-
stellungen und aus der beträchtlichen Anzahl von Inschriftspie-
geln, von denen bis jetzt nur ein kleiner Theil durch das ar-
chäologische Institut zur Veröffentlichung gelangt ist. Für jene
zwiefache Beziehung des bildlichen sowohl als des schriftlichen
Inhalts dürfte es zweckmälsig sein, hienächst ein Verzeichnifls
sämmtlicher zu meiner Kenntnils gelangter etruskischer In-
schriftspiegel zu geben, welche in meinem Werke sich noch
nicht vorfinden.
Diejenigen Artikel dieses Verzeichnisses, welche mir auch
in Zeichnung vorliegen, sind mit * bezeichnet.
1.*(zu Taf. LIX). Vier Gottheiten, mit den Inschriften 4piu,
Menrfa, Turan, Laran; Spiegel des Herzogs von Luynes, als
unverdächtige Replik des im Collegio Romano befindlichen Spie-
gels meiner Tafel LIX, 2 beachtenswerth.
[1859.] 36
510 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
2. (zu Taf. LIX). Minerva, Venus und Dioskuren, Spiegel
der Fejervaryschen Sammlung mit der Inschrift (P)ulru(ce) und
Menle?
3. (zu Taf. LIX). Dioskuren und Göttinnen mit den In-
schriften Castur und Pultuce. Neu entdeckte Replik, im Bulle-
tino 1859 p. 34 erwähnt.
4.* (zu Taf. LIX). Minerva, Venus und die drei Brüder,
Spiegel der Pizzati’schen Sammlung, mit den Inschriften Archae
und Manrfra. Jetzt vermuthlich in Rufsland.
5.* (zu Taf. LXVI). Minervens Geburt mit den In-
schriften Zinia, Menrfa, Thalna, Uni, Lalan und Preale. Im
Kgl. Museum zu Berlin. Durch Braun in den Annali dell’ Inst.
XXI, tv. G. H. bekannt gemacht.
6.* (zu Taf. LXXI). Vermuthlich Aurora zu Wagen mit
einer etruskischen Inschrift, auf den Besitzer bezüglich, von etwa
20 Buchstaben. Im Mus. Gregor. 1, 35, 2.
7.* (desgl.) Eos und Tithonos mit den Inschriften:
La(s)a, Tinthun, : Thesan, Memrun. Im Vescovato zu Chiusi.
vgl. arch. Zeit. X, 160, XIV, 7i. Bull. dell’ Inst. 1857 p. 165.
4859 p- 109.
8. (zu Taf. LXXVI). Eos und Kephalos mit den In-
schriften: Usil! und Uprius. Im Britt. Museum vgl. Arch, Ztg.
VI, 331. Bull. 47, 117.
9.* (zu Taf. LXXVM). Apoll und Artemis mit den
Inschriften: Apulu und Arzumes, jetzt im hiesigen Kgl. Museum.
Herausgegeben von Braun in der Schrift: Artemis Hymınia.
Rom 1842.
10. * (zu Taf. LXXXIV). Bacchus und Ariadne, von
Semele und einem Satyr umgeben, mit den Inschriften: Sime,
Areatha, Phuphluns und Sernla. Im Britt. Museum.
11. (zu Taf. LXXXVI). Ariadnens Entführug durch
Artemis; der Darstellung des Spiegels im Museum zu Bologna
ähnlich, doch mit merkwürdigen Varianten. Ariadne heilst Evia.
Aus der Sammlung des Hrn. de Meester erwähnt im römischen
Bullettino 1859 p. 68.
12. * (zu Taf. C). Bacchantin und Silen, mit den In-
schriften: Munthuch und Chelfun. Spiegel des Hrn. de Mee-
ster zu Rom.
vom 18. Juli 1859. 511
13. * (zu Taf. CX). Schmückung der Venus, mit den
Inschriften: Zuran und Achvizr (?). Vermuthlich im Britt. Mu-
seum.
14. (zu Taf. CX). Venus auf dem Schwan mit der
Inschrift Zuran. Im Mus. Campana n. 79, vgl. Bull. 1859
p- 100.
15. * (zu Taf. CXV). Der Göttinnen Streit um Ado-
nis mit den Inschriften Zharmu, Euturpa, Eris, Alpnu Archaxe.
Spiegel im Museum Gregorianum, abgeb. in Mon. dell’ Inst.
II, 28. Mus. Gregor. I, 25.
16. * (desgl.) Zweier Frauen Begegnung, vielleicht Ceres
und Proserpina, in Umgebung zweier anderer Göttinnen,
mit den Inschriften: Tipanu, Alpanu, Achufitr (?) und Thana.
Im Kgl. Museum zu Berlin.
17.* (zu Taf. CXXI). Perseus die sterbende Medusa bei den
Haaren fassend, links Merkur sitzend; mit den Inschriften Prerse,
Tarsu, Turms. Abgeb. in den Monumenti dell’ Inst. 1859 tav.
XXIV, 2.
18. * (zu Taf. CXXVII). Herkules und Jolaus mit
den Inschriften: Zercle und Pilae. Spiegel des Hrn. de Meester.
19. * (zu Taf. CXXXV). Herkules und Acheloos mit
den Inschriften: Heracle und Achlae. Im Kgl. Museum zu
Berlin.
20. * (zu Taf. CXLVIU). Herkules im Olymp vor Ju-
ppiter und Juno, mit den Inschriften: Herele, Tinia, ling Spie-
gel si Herzogs von Luynes.
. (zu Taf. CLXVI). Drei Kinder von Merkur,
E.. und Venus gehalten, mit den Inschriften: Maris,
Tusrnana, Maris Thalna und Maris Isminthias, ferner Menrfa,
Turan, Laran, Amatutun und Turms. Beschrieben durch -Brunn
im Bullettino dell’ Inst. 1858 p. 186 ff.
22. (zu Taf. CLXXD). Orpheus und Lynkeus sind
etruskisch auf einem Spiegel, welcher die Brunnenscene der Fi-
coronischen Cista wiederholt, gelesen worden. Vgl. arch. Anz.
1858 p. 161.*
23.*(zu Taf. CLXXV). Kalydonische Helden mit
den Inschriften: Pultuke, Melakre, Menle, Kastur. Abg. bei Ingh.
Mon. Eir. II, 48.
36*
512 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
24.* (zu Taf. CLXXV). Meleager Atalanta Diana
und Oeneus mit den Inschriften: Athal, Melacr und Artem. Im
Brittischen Museum.
25.* (zu Taf. CLXXVII). Das Schicksal des Am-
phiaraus und Ajax von Lasa entrollt mit den Inschriften:
Hamphiar, Lasa Aifas Hamphiare, Aifas. Im Brittischen Museum.
26.* (zu Taf. CXCVIH). Paris, Helena und Mene-
laos mit den Inschriften: Eline, Alexsantre und Menie. Spiegel
des Herzogs von Luynes, in einem Probedruck durch die
Güte des Hrn. Besitzers vorliegend. Vgl. Bull. 1848 p. 36.
27. (zu Taf. CXCIX). Venus und Paris an Helenas
Lager, welche das Kind Hermione hält. Mit den Beischriften
Eline, Alachsantre, Ermania, Turan. vgl. Bull. dell’ Inst. 1859
p: 25. 26.
28. * (zu Taf. CCVI). Auf Paris und Helena gedeutet.
Stark verletzter Spiegel im Museum Gregorianum 1,23. Mit
den Inschriften Maris Turan (?) u. a. m.
29.* (zu Taf. CCVII, 1). Drei Jünglinge und eine Frau
mit den Inschriften Menle, Achmem, Elinei, Elchsntre, im Mas.
zu Bologna; abgeb. bei Schiassi 2.
30.*(zu CCXXI). Hektor und Ajax im Zweikampf
mit den Inschriften: Aifas und Eetur. Im Britt. Museum. vgl.
Braun im Bull. 1857 p. 139.
31.* (zu Taf. CCXXVI). Peleus und Thetis mit den
Inschriften: Thethis und Pele. Spiegel zu Perugia, von Vermi-
glioli edirt 1846.
32.* (zu Taf. CCXXVIID). Zweikampf. Mit der In-
schrift Ein. WVermuthlich im Britt. Museum.
33. * (zu Taf. CCXXIX). Philoctet und Machaon mit
den Inschriften: Macha... und Phel.l.e. Im Museum zu Bo-
logna bei Ingh. II, 39.
34.* (zu Taf. CCXXXIN). Eos und Thetis vor Zeus
mit den Inschriften: Menrfa, Thesan, Tinia, Thetis. Im Mus.
Greg. 1, 31,1.
35. (zu Taf. CCXXXII). Achill und Penthesilea. In-
schriftspiegel im J. 1847 von Braun Bull. 1847 p. 139 erwähnt,
vermuthlich im Britt. Museum.
vom 18. Juli 1859. 513
36. * Ulysses, Circe, und Elpenor mit Inschr. Uihxte,
Cerca und Yelparun. Zeichnung aus dem epigraphischen Codex
des Pighius in der Kgl. Bibliothek.
Mit Darstellungen des Alltagslebens verknüpft, einer Gat-
tung, welche in den zwei veröffentlichten Bänden meines Wer-
kes noch nicht Platz gefunden hatte, sind folgende Inschriftspiegel:
37. #* Siegsgöttin einen Athleten bekränzend mit In-
schrift Miurin und etwa Lasa.
38. * Jüngling mit Salbgefäls, Frau mit Cista mit
den Inschriften Zruisii und Talitha. Spiegel des Kunsthändlers
Basseggio.
39. * Mädchen mit Napf, Jüngling mit Speer. Mit
einer Inschrift von etwa 19 Buchstaben. Aus der Sammlung
des Hrn. v. Palm in Bayern.
In Anschluls an diese Spiegel mit etruskischer Schrift sind
aus neueren Funden noch einige andere zu erwähnen, welche
durch altlateinische Schrift sich auszeichnen. Es sind nament-
‚lich die folgenden:
40. (zu Taf. CXV). Venus und Proserpina, deren Streit
um Adonis durch Zeus geschlichtet wird, mit den Inschriften
Wenos, Diovem und Proserpnai. Abgeb. in den Monumenti dell’
Instituto 1859 tav. XXIV.
41. (zu Taf. CLXXXIX). Venus und Amor, Victoria
und etwa Paris, mit den Inschriften Yenos, Cudido, Vitoria,
und Ri. Mon. dell’ Inst. 1859 tav. XXIV.
42. Durch Abbildung noch nicht bekannt ist die Spiegel-
zeichnung des Bellerophon mit der Inschrift Melerpanta. vgl.
arch. Anz. 1859 S. 87.*
Auch der flüchtigste Überblick dieses neuen Zuwachses an
Inschriftspiegeln dürfte genügen den Reichthum ihres Inhalts zu
verbürgen. Ohne in die Ausbeute einzugehen, die für etruski-
sche Eigennamen darin sich darbietet, wird man verschiedene
Götternamen in ihrer etruskischen Namensform daraus nach-
weisen können. In Uni (5) sowohl als in Jnu (20) lälst Juno
sich erkennen, Artemis ist nicht italisch sondern in griechischer
Weise Artumes (9) Artem (24) benannt; in Archaxe (15) scheint
Pluto, in Alpnu (15. vgl. Alpanu 16) Proserpina gemeint, wel-
che Namen jedoch etymologisch noch zu begründen bleiben.
514 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Das Wort Maris, welches man früher mit Zaran verknüpft
fand, giebt durch die ihm beigefügten Götternamen als eine dä-
monische Bezeichnung in Art des genius sich kund, seit nicht
blols Maris Turan (29) sondern durch einen neulichen Fund als
Beiname drei göttlich gepflegter Kinder ein Maris Thalna zu-
gleich mit den noch unerklärten Maris Tusrnana und Maris
Jsminthias (21) sich gefunden haben. An gleichem Ort auf dem-
selben Spiegel, der diese letzten Inschriften enthält, scheint in
einer leicht bekleideten Figur die Inschrift 4natutun eine ama-
thusische Venus zu bezeichnen, während dieselbe Göttin mit
ihrer üblichen Inschrift Zuran tief verschleiert daneben er-
scheint; räthselhaft, wie diese doppelt dargestellte und doppelt
benannte Venus, sind auch die Namen der bei ihrer Schmückung
betheiligten Frauen, Munthuch, welcher schon früher bekannte
Name jetzt einer Bacchantin zugetheilt erscheint, (12. mit dem
Silen Chelfun) und Achoizr (13. vgl. Achufitr 16). Von son-
stigen gangbaren mythologischen Namen begegnet uns die etrus-
kische Form Areatha (10) für Ariadne, Ermania (28) für Her-
mione; von Heroen-Namen machen zunächst Achlae (19) für
Acheloos, Tinthun (7) für Tithonos, Eczur (31) für Hektor sich
bemerklich; Aifas der auf beiden letztren Spiegeln doch wohl
nur denselben Namen des Ajax bezeichnen kann, bleibt neben
einem Hamphiar benannten jungen Helden, durch die Schick-
salsgöttin Zasa verbunden, ebenso seltsam, als neben dem mit
Eos gesellten Tithonos ein bärtiger Mernrun (7) oder Memnon
uns unverständlich bleibt. Überhaupt, bei Sichtung der Bilder
noch mehr als bei erster Lesung der dann und wann ihnen bei-
gelegten Schrift bleibt diese ganze Denkmälerklasse immer noch
in der Mehrzahl der Fälle geeigneter Räthsel zu schürzen als
zu lösen, daneben aber doch immer ergiebig genug, um ihr ein-
gehendes Verständnils gern unverwandt weiter zu fördern. Mit
den in obiger Liste zusammengestellten Inschriftspiegeln ist zwar
der wichtigste Theil, aber doch nur ein Theil der zahlreichen
Spiegelzeichnungen erwähnt, die im Zusammenhang der ihnen
verwandten Kunstdenkmäler bisher noch nicht veröffentlicht wur-
den. Für die Ausbeutung des bildlichen Inhalts bleibt mehr
noch als der inschriftliche es erheischt, deren Herausgabe zu
erwarten. Es ist dies zur Würdigung einzelner mythologischer
vom 18. Juli 1859. 515
Vorstellungen und ganz insbesondere der über’ Erwartung zahl-
reichen dämonischen und Mysterien-Bilder ebenso nothwendig
als schwierig; einiges für diesen Zweck wird vorerst sich errei-
chen lassen, wenn mir der Vorsatz gelingt bei einer anderen
Gelegenheit einen vorläufigen Überblick jenes bildlichen, wie
. jetzt des eben erörterten inschriftlichen Inhalts zu geben.
Hr. J. Grimm las über die göttin Bendis.
Mit keinen andern barbaren wurden die Griechen vertrau-
ter als mit den 'Thrakern, deren gebiet nicht nur zu land über
Makedonien und Thessalien an sie reichte, sondern auch an sei-
ner küste allenthalben von griechischen schiffen befahren werden
konnte. zwar bei Homer sehen wir thrakische krieger den
Achäern feindlich gegenüber auf seiten der Troer, doch in histo-
rischer zeit erscheinen Thraker den Griechen zu felde nirgend
gewachsen und durch langen verkehr so wie griechische nieder-
lassungen in gewisse abhängigkeit gebracht, ohne dasz sie un-
terjocht zu werden brauchten. denn kauf oder gefangenschaft
führte haufen von Thrakern in unfreiheit zu den Griechen, die
sie als knechte oder mägde ins haus nahmen und ihr gewerbe
treiben lieszen; griechische kinder wurden thrakischen ammen an
die treue brust gelegt und grabschriften verschweigen nicht den
dank für die ein lebenlang geleisteten dienste; auch unter den
hetären kann es an Thrakerinnen nicht gefehlt haben.
Es ist eine noch unerwogne, aber unabweisbare annahme,
dasz den Thrakern auch der gebrauch der schrift bekannt sein
muste, sei sie ihnen erst durch die Griechen oder, was wahr-
scheinlicher ist, auf anderm wege aus Asien zugeführt worden.
phönicischen ursprung würde diese schrift, wenn wir sie- irgend
kennten, so wenig als die griechische verleugnen, doch mag sie
wol mit eigenthümlichen abweichungen versehen gewesen sein,
die das thrakische idiom verlangte oder die sie im verkehr mit
den Griechen überkam. wir dürfen auch schon wagen mit sol-
chen verschiedenbeiten einzelne gestalten der buchstaben, wel-
chen wir im gothischen und sarmatischen alphabet, so wie in
unsern mehrfachen runen begegnen, in verbindung zu setzen;
516 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
die unhemmbare ausbreitung der schrift in Europa wird neben
den groszen straszen, die sie von den Griechen, Römern und
vielleicht auch den Kelten her einschlug, noch ihre kleineren pfade
und schlupfwinkel nordöstlich gehabt haben, und wer wollte in der
geschichte der schrift ein so wichtiges, ausgedehntes volk, wie
die Thraker waren, auszer berechnung lassen, oder an dem bestand
thrakischer schrift überhaupt zweifeln? eine grosze zahl von kauf-
leuten und knechten, die aus Griechenland heimkehrten, hätte
sie ihnen zubringen müssen, falls sie nicht schon im gebrauch
gewesen wäre, und schlossen nicht die Griechen mit einzelnen
Thrakerstämmen oder städten bündnisse und verträge ab, oder
hätten thrakische fürsten keine briefe geschrieben, keine antwor-
ten empfangen?
Die schrift ist hier nichts als ein beispiel, der verkehr zwi-
schen Griechen und Thrakern musz von vielen seiten her leben-
dig und regsam gewesen sein und nicht nur griechische einrich-
tungen zu den Thrakern, sondern umgekehrt auch thrakische
sitten und bräuche nach Griechenland geführt haben. Wozu
wir heute erst nach und nach gelangen, duldung fremdes glau-
bens in unsrer mitte, war den Griechen mehr von natur eigen
und durch ihre verhältnisse zum ausland geboten. mit den Thra-
ken wurde auch thrakischer gottesdienst in Griechenland be-
kannt und nicht allein ungehindert geübt, es mögen auch Grie-
chen, wenigstens an festen und gastmälern, die sie zu Athen
nach thrakischer weise angestellt sahen, theil genommen haben.
einzelne solcher bräuche, scheint es, mischten sich sodann in
den cultus des Dionysos und der Artemis, welche man mit einer
thrakischen göttin, von der ich hier näher handeln will, für eine
und dieselbe hielt.
Sie hiesz auf thrakisch, nach griechischer aussprache oder
wie griechisches ohr den namen vernahm, B&vd:s, wozu man un-
gezwungen den gen. B£vd.dos bildete, ganz nach analogie der
ihr dem sinne nach entsprechenden "Agrenıs "Agremıdos. ich sehe
keinen nöthigenden grund zu der von den grammatikern ver-
langten änderung in Bevöts'), wodurch Bzvörs der analogie von
"Agrenıs, “Igıs, "Isıs, @epis, oder um auch appellativa anzuführen,
') Göttling doctr. acc. p. 275.
vom 48. Juli 1859. DW,
der von ärıs, Es u. s. w. entrückt würde, alle machen den
gen. auf :dos, acc. auf ıw neben :ö«. ein tempel der göttin
hiesz Bewöidsrov, ihr fest Bevördsı«. in Platons republik wird
buch 1 p. 354 dem Sokratos von 'Thrasymachos zugerufen:
raurte dv ca einriasrSw Ev rois Bevöidsioıs, bei den festen der
Bendis bist du zu gaste gewesen, wiewol sich darunter auch
Dionysien, bei welchen man bendidische bräuche einmischte, ver-
stehen lassen. im Piraeus und in Munychia befand sich ein
Bevördeıov, wie Xenophon Hellen. II. 4,11 berichtet, zur zeit
des Theramenes und Thrasybulos (im j. 404 vor Chr.), und
Strabo p. 471, mit bezug auf jene platonische stelle von den
Bendideen, sagt: ’Adyvalcı Ö° WomsQ megi TE ar. PiroEevoüvres
diareAoucw, oirw zaı megt ToUS Seols. mOoAAG ao rav Eevınıav
izowv magsdebavro worte zur Erwmwönoneev.?) Das älteste zeug-
nis von der göttin gewährt aber Kratinos, einer der frühsten
griechischen comödiendichter, der von ol. 65,1 bis 89,2 =
520— 431 vor Chr. lebte und ein, gleich seinen übrigen, ver-
loren gegangnes stück unter dem titel Oggrr«: verfaszte. hätte
es sich erhalten, so würde die ganze fabel aufschlüsse über diese
gottheit, zumal im chorgesang der thrakischen frauen liefern,
deren wir für immer verlustig bleiben. eine den namen Bendis
bergende meldung ist daraus bei Hesych unter ö/Aoyy,ov bewahrt.
ayv Bevdw oUrw Kowrivos Ev Oggrraıs 2xarerev. der glossator
fügt hinzu: r7v yag veryuyv Bevdw zei "Apremw vouicous: und
erklärt öiAoyy,os entweder aus beiden loszen, dem irdischen und
himmlischen, die der göttin zustehen, Acyyn für A«yos genom-
men, oder aus dem doppelten licht das ihr beiwohne, dem eig-
nen und dem von der sonne empfangnen, wobei man an Auxvos
zu denken hätte. keine dieser deutungen befriedigt, den buch-
staben nach wäre ÖlAoyyos zweisperig und zwei spere wären
für eine göttin wie Artemis, die nach dem wild wirft, schon
gerecht. das wichtige und festzuhaltende ist die mondgöttin,
die beiden spere müsten sich erst aus der näheren thrakischen vor-
stellung ergeben. anderwärts hält Hesychius auch Hekate zur
Bendis®), was sich mit der mondgöttin verträgt. ob die hand-
?) vgl. Böckh staatshaush. der Athener 2 ausg. 1, 614.
”) Meineke fragm. poet. com. ant. 1, 66.
518 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
lung der kratinischen comödie in Thrakien, oder was wahr-
scheinlicher ist, in Griechenland spielte, wissen wir nicht. Dasz
es in Thrakien selbst Bendideien gab, läszt sich natürlich nicht
in zweifel ziehen, Lukian im Ikaromenippos cap. 24 sagt aus-
drücklich #&: r0 Bevdidsıov Eyevero Ev Oggzn und Livius 38, 41
erwähnt, dasz die Römer beim zug des consul Cn. Manlius (189
vor Chr.) durch Thrakıen daselbst ein templum Bendidium an-
trafen. Dio Chrysostomus in seinem verlornen werke von den
Geten hatte wahrscheinlich auch anlasz der Bendis und der Ben-
didien zu gedenken; des lornandes auszüge weisen auf nichts
dergleichen hin. anzuführen bleibt noch der vollkommen wie
"Aorsmöwge, "Irıöwge, Bzodwga gebildete frauenname Bevördwge
(corp. inser. no. 496).
Was ist denn nun Bendis und wie schickt sich der name
für eine mondgöttin? die Griechen hatten gar nicht den pe-
dantischen eigensinn von heute, fremde wörter in deren ursprüng-
licher form festzuhalten, sondern pflegten sie ihrer eignen
sprache mundgerecht zu machen, zum beispiel gereiche der oft
wiederkehrende thrakische Zırarzys, dessen ausgang sich der
analogie von “Irmarzns, Mevarzys u. Ss. w. fügen muste und auf
thrakisch sicher anders, wiewol ähnlich lautete, man dürfte wa-
gen ihm den deutschen Sinduald zu vergleichen, besonders weil
auch bei uns Sido und Sindo wechseln; Förstemann hätte also
Sithaleus 1, 1106 statt 1110 sollen eintragen. ein wichtige-
res beispiel solcher gräcisierung werde ich mir erlauben ein an-
dermal an einem berühmteren ihrakischen namen vorzutragen.
Bendis, sahen wir oben, erschien den Griechen als einfaches
wort, dem die griech. bildung zutrat; den Thrakern selbst war
es vermutlich ein zusammengesetztes, denn so scheinen sich
"beide theile am leichtesten zu verständigen. der thrakische nom.
mag gleich dem griechischen Bendis gelautet haben, der thrakische
gen. entfernte sich unbedenklich von dem griechischen Bivöidos.
von thrakischer sprache wissen wir nichts oder wenig, doch in
den sinn thrakischer wörter darf man eindringen, sobald die
vergleichung der übrigen indoeuropäischen zungen dazu berech-
tigt, welchen die thrakische unbedenklich beizugesellen ist.
Ob die Thraker selbst ben, ban oder vielleicht ven, van
aussprachen, lasse ich dahin gestellt, man stöszt auch auf die
|
vom 18. Juli 1859. 519
form M&vöıs für B£vöis*), dem griech. organ gieng gern frem-
des V in B über, aus dem goth. namen Valisahareis machten
sie BeAısagıos, Bavdarazıos bei Prokop drückt aus Vandalahari,
dicht neben Ovis«vdos mit behaltnem V, und Dioskorides 3, 11
schreibt das lateinische labrum Veneris A«ßgoyn Bevegıs. die
wurzel dieses letzten lat. namens kommt hier gerade gele-
gen. denn Venus Veneris besagt nichts als die schöne, hat mit
venire und venilia kaum zu schaffen, wie uns venustus offenbar
macht, ein auf verlornen positiv zurückleitender superlativ, wie
augustus, angustus und andere mehr. venustus deckt sich also
mit dem altnordischen superlativ veenstr pulcherrimus von veenn
= vaeni pulcher; mit anderer steigerung auf um halten die Alt-
sachsen ein wanom pulcher, wanami pulchritudo, nicht anders
als wie die Gothen erst auhuma steigerten, dann auhumists, um-
gedreht aber verfährt das lat. augustus und augustissimus. in den kel-
tischen sprachen lebt bis auf heute das einfache adjectivum, ir.
bean, ban leuchtend, weisz, welsch gwen schön oder weisz, sol-
ches GW tritt in vielen wörtern, wie das goth. Q, dem lat. V
zur seite.
Noch wurde nicht nach dem zusammenhang mit dem san-
skrit und griechischen gefragt. das sanskrit bietet vergleichen-
den zwei, anscheinend von einander führende wege. von der
wurzel van colere, venerari, amare leitet Bopp nicht nur Venus,
sondern auch das ahd. winia freundin, wonne freude ab, ich
weisz nicht ob venustus? doch die in venustus, vanstr vorhin
wahrgenommene vorstellung des glanzes und der schönheit würde
sich lieber auf bhä splendere zurückführen, und bhämi ist das
griechische &$yui, paw, Baia leuchte, bhänu ist licht, glanz,
bhänumat leuchtend, gr. dasıwos, bei Pindar daevvos, bavos ist
hell. gleichheit mit alts. wanom, mit keltischen ban läszt sich
nicht verkennen. zwischen skr.B und V ergeben sich genug über-
gänge, schwieriger zwischen Bund BH. bhä und ®avcs zeigen langes
a, peivw den diphthong, altn. veenn gleichfalls langes @, und dieselbe
länge waltet im goth. vens spes, ahd. wän, nbd. wahn, so dasz
eine "verschollne goth. wurzel sämtliche gestalten ausgliche.
wahn ist offenbar teuschendes licht, wie spes aus species ver-
*) Bekker anecd. gr. p. 1343.
320 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
engt zu specio und speciosus fällt. das goth. vans, ahd. wan
hat kurzes a, das lat. vanus langes. wie die kurzen und langen
vocale umschlagen, gleichsam ihr rasches blut sich erschwert, so
schlagen auch oft die bedeutungen um, die positive in eine ne-
gative. vanus hört auf zu leuchten und wird eitel, leer, licht-
los, dunkel, wie der wahn ein falscher, leerer schein ist, und
unser bleich hervorgeht aus blicken, scheinen. wiederum em-
pfängt unser adj. eitel, das ursprünglich glänzend aussagt, den
umgedrehten sinn von leer und dunkel, bei eitler nacht heiszt
bei dunkler (deutsches wörterbuch 3, 385), ganz wie die Angel-
sachsen on vanre niht sagten, so dasz auch ihnen van aus der be-
deutung hell in die von leer, dunkel übergetreten war. auf die
Bendis würde der doppelsinn von wan zusehends passen und am
ende liegt hierin die wahre deutung des öiAoyx,os, die göttin
kann nach den phasen des mondes eine helle und dunkle sein.
Schon mag unsers thrakischen namens erste silbe mit der
bedeutung von weisz oder leuchtend durch das gesagte einiger-
maszen gerechtfertigt sein, sie soll es noch besser werden, jetzt
aber musz ich auch auf den zweiten theil der zusammensetzung
mein auge richten.
Ihn erschlieszt uns das alts. idis, ags. ides, ahd. itis (wo
nicht idis, ides, itis), altn. dis, welche femina oder nympha, ein
höheres weibliches wesen ausdrücken; unsere ulfilanischen bruch-
stücke enthalten das wort nicht, könnten es aber in doppelter
gestalt darbieten, in der von idizi oder eidizi, gebildet wie aqizi
securis, jukuzi jugam und der gen. würde auf jös, dat. auf jai,
acc. auf ja ausgehen. da nun dem goth. jukuzi genau skr. ju-
gasja entspricht’), liesze sich flugs auf idhasja oder Edhasja ra-
then, und &dha, @dhas lignum vergleichen, welchen sämtlich die
wurzel indh leuchten, brennen zum grunde liegt, wohin auch
unser ahd. eit feuer, ags. äd scheiterhaufe und unser heutiges
adj. eitel, ahd. ital, ags. idel, leuchtend, später vanus, inanis fal-
len, so dasz sehr eigenthümlich in dem zweiten theil der zu-
sammensetzung Bendis sich wiederholte, was bereits in dem
ersten enthalten wäre. Besonders zu erwägen bleibt aber die
das letzte ı in länge ziehende aphaeresis am nord. dis für idis,
°) Webers ind. studien 4, 1.
vom 18. Juli 1859. 521
idis, wie sie durch vergleichung ags. stellen mit altn. auszer
allem zweifel steht und ihr gegenstück im eddischen Rigr für
Irine findet. von nordischen sprachforschern wird dis femina,
soror und dea ausgelegt. das goth. filudeisei ravovsyiz ist kaum
heranzuziehen. wichtiger schiene schon die thrakische kürzung
Bendis für Benedis? aus dem dreisilbigen wort könnten die
Griechen ein zweisilbiges Bendis gemacht haben? ich erlaube
mir hier wabrzunehmen, dasz in dem unter Ktesikles (olymp.
111,3 = 334 vor Chr.) abgefaszten dermatikon, also in der
der ältesten das thrakische wort gewährenden urkunde Bevadzwv
gefunden wird), wo die besserung in Bsvöidewv auf der hand
lag, da Fourmont leicht A für A verlas. es ist nicht zu glau-
ben, dasz irgend Bevais gen. Bevaidos für Bivdıs Bevöldos vorge-
kommen sei und letzteres sonst überall im sprachgebrauch ge-
rechtfertigt. Das aber ergibt sich mit aller wahrscheinlichkeit,
dasz Bendis die bedeutung der ‘schönen, leuchtenden frau’ in
sich schlieszen müsse, wozu noch gehalten werden mag, dasz
das altirische bandea, baudia göttin, z. b. bandea tened, dea
ignis, Vesta ausdrückt (Zeusz 273) und in der irischen mytho-
logie vorwaltend eine beansighe auftritt, was man durch 'weisze
fee’ erklärt.
Die vorgetragnen etymologien und anknüpfungen dürften
sich nun zwar in mancherlei weise bestätigen, verengen und erweitern.
lassen, würden aber dennoch geringen eindruck auf den hörer
machen, träte nicht eine wirkliche thatsache aus den unmittel-
baren bereich der deutschen sprachen hinzu und drückte ihnen
den stempel auf. schon neulich in meinem aufsatze über Freyja
wurde beigebracht, dasz diese göttin ihren entronnenen gemahl
Od durch die länder aufsuchend unter fremden völkern mehrere
namen führte und zumal Vanadis hiesz, wie Snorri in Gylfagin-
ning ausdrücklich berichtet, doch Ynglingasaga cap. 13 beizu-
fügen unterläszt. Skaldskaparmäl cap. 2U wiederholt sich Vana-
dis und die gleichstellung mit Vanagod, sonst auch Vanabrüdr.
Wer sieht nicht auf der stelle, dasz Bendis und Vanadis ein
und dasselbe sind und dasz ein unter Griechen fünf jahrhunderte
vor unsrer zeitrechnung geläufiger allmälich verschollener name
°) Böckh staatshaush. 2, 120. 129. corp. inser. gr. no, 157.
522 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
auf einmal bei einem nordischen schriftsteller unsers dreizehnten
Jahrhunderts wieder vernommen wird? so war auch Tanfana,
ein andrer göttername, seit Tacitus meldung verloren, endlich
als Zanfana neu aufgetaucht. unsere mythologie wird des ur-
sprungs der götter aus erscheinungen der natur und des him-
mels schon uneingedenk, allein nicht zu verbergen ist, dasz
Freyja auf den mond, wie Freyr auf die sonne zurückgeben,
Freyja ist wie Vanadis, Bendis, Artemis, Diana, Holda, Berhta
eine mildleuchtende mondgöttin, und jagdgöttinnen, liebesgöt-
tinnen begegnen einander. die den folgeschweren zusammen-
hang zwischen Bendis und Vanadis in abrede stellen wollten,
müsten auf die zagende ausflucht verfallen, dem Snorri sei der
name Bendis irgendwie aus der griechischen literatur noch zu-
geraunt und von ihm der nordischen Freyja überwiesen worden,
ungefähr wie die oberpfälzische sage von Woud und Freid erst
aus der edda entlehnt sei.
Bendis folglich auch Vanadis deute ich schöne, leuchtende,
weisze frau, wie es der bezug auf den mond nothwendig macht.
den scandinavischen forschern hingegen ist Vanadis Vanorum
nympha und Vana wird ihnen zum gen. pl. von Vanir, dies
nicht ohne berechtigung, da in den mythen Aesir und Vanir als
götterstämme in fruchtbarem gegensatz auftreten. ich habe neu-
lich selbst gestrebt diesen gegensatz zu begründen und hervor-
zuheben. zur unterlage des stammnamens Vanir dürfte man
machen, dasz Niördr selbst auch Vanr genannt wird und Freyr
sein sohn Vaningi, d. i. Waning, Wening, der von Wan ent-
sprungene; mit gleichem recht hiesze Freyja Freys schwester
Vanadis, Vanagod. diese namen gemahnen an eine bedeutsame
und schwierige stelle bei Orpheus im eingang der Argonautica
v. 15, als er von Eros, dem sohne der nacht redet:
ev da Bavıra
ÖmAoregoı #Angousı Beoroi- meiTos yap EbeuIy.
im vorübergehen, ÖmXoregos gehört doch zu örAov, was immer
Buttmann sage, und wie ör%ov zu üdeu, Upawvw, unser waffen,
wäfan zu weben, den Angelsachsen ist wäflian blaterare, engl.
wbiffle, kindisch, läppisch reden und wabern, webern scheint
eine ähnliche bedeutung gehabt zu haben; nimmt man ÖmAöregos
für vewregos, SmAcraros für vewreros, so könnte doch, wenigstens
vom 18. Juli 1859. 523
in manchen stellen, ein nebensinn darin gelegen sein, ich ent-
scheide nicht ob in der hier vorliegenden. wir wollen einmal
setzen, die örAöregc: seien ungriechisch, fremd redende menschen,
so würde ®«vys gerade jenen nordischen namen Van, auch der
beigefügten deutung aus paivo» nach, darstellen, deivo hielt ich
ebenfalls vorhin zu Ben. nun schlägt noch etwas ein. blosz
die griechische und altnordische poesie scheiden zwischen einer
sprache der götter und menschen und tragen davon gelegentlich
beispiele vor. war aber der griechische Eros einzelnen barbaren
ein Phanes, so würde dies gerade im munde des thrakischen Or-
pheus auf die Thraker und auf Bendis beziehungsvoll werden
und Phanes ein thrakischer Banes sein, ein nordischer Vanr.
bekanntlich stehn im eddischen Alvismäl anführungen aus der
götter- und menschensprache und nicht allein schöpfen sie aus
dem idiom der Asen und Vanen, sondern auch anderer stämme
der menschen, riesen und zwerge. vanische benennungen sind
überhaupt neune angegeben, die sämtlich auf V anlauten, wie
die alliteration zu Vanir forderte; gleichergestalt haben die iöt-
nischen aus derselben ursache meistens vocalischen anlaut. ist
nun zu folgern,, dasz der dichter seinem reim zu gefallen will-
kürlich anlaute mit V hervorgegriffen habe, um sie dadurch zu
_ vanischen zu stempeln? das wäre doch voreilig geschlossen, es
könnte ihm allerdings noch irgend eine kunde vanischen dialects
überliefert gewesen sein, aus welcher er seine beispiele ent-
nahm. näheres würde hier abführen.
Waren nun in unsrer vorzeit irgend einmal Ansen und Va-
nen wirkliche menschenstämme, die ihr geschlecht von einem
göttlichen ahnherrn leiteten und benannten, so kann die leuch-
tende frau, dieses ahnen gemahl und schwester, vielleicht auch
Vanenfrau oder göttin geheiszen haben; nur in dem thrakischen
Ben vor dis erscheint keine genitivflexion. geographische bestim-
mungen werden hier äuszerst verführerisch und gefährlich. man
legte Vanaheim (lappisch Fanas aimo) in den tiefen osten (ob. s.415),
und faszte Tanais als Tanaqvisl = Vanagvisl. Skadi, eine rie-
sentochter, die sich Niördr aus Thrymheim holte, wozu sonst
Thrakien gehalten wird, hiesz Öndrdis, dea xylosolearum, die
einen gegensatz zu Vanadis abgibt, so dasz mindestens theile
von Thrakien andern, wo Bendis verehrt wurde, entgegen stehen
524 Gesammtsitzung
könnten. Vanir aber und Kvenir (ags. Cvenas) d. i. Finnen
unterscheidet die altnordische sprache. es ist schwer, wenn den
Vanen zu denken, auf welche sich noch weniger die namen Väi-
nöla und Väinämöinen des finnischen epos beziehen können.
Der einklang zwischen Bendis und Vanadis ist so auszer-
ordentlich, dasz er sich wider alle zweifel auf den füszen erhalten
und ein erhebliches zeugnis für den zusammenhang germanischer
völker mit thrakischen abgeben wird. man stellt sich seltsam
an bei unsrer ältesten geschichte und verfährt als sollten die |
einzelnen völker immer da gestanden haben, wo Strabo, Taci-
tus, Ptolemaeus ihrer gedenken; die unschätzbaren nachrichten
dieser schriftsteller sind jederzeit sorgfältig zu erwägen, können
aber über die noch früheren sitze solcher völker, über ihr länge-
res oder kürzeres verweilen an bestimmten stellen und die an-
lässe manigfacher verschiebungen weder allein noch überall ent-
scheiden. es liegt uns meistentheils verschlossen, wann und wo
die groszen massen indoeuropäischer stämme sich von einander |
schieden, allein die forschung vermag eine unendliche menge
von fällen ihrer annäherung so wie ihres abstandes zu sammeln,
bis zuletzt aus der wachsenden fülle sprachlicher und mythischer
stoffe allen diesen verhältnissen ungeahnte aufhellung bereitet
ist. jeder neue funke des erkenntnisses taugt, und gilt auch mehr
als alle löschanstalten einer sich dawider sträubenden verneinen-
den critik.
21. Juli. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Encke legte als die Fortsetzung der Abhandlungen
über den Ponsschen Gometen, die achte Abhandlung über
diesen Gegenstand vor, worin die Resultate der Beobachtungen
während der beiden Erscheinungen 1855 und 1858 aufgeführt
sind.
Im Jahre 1855, in welchem nur vorläufige Jupiterstörungen
zur Grundlage der Vorausberechnung gedient hatten, war die
Abweichung des geocentrischen beobachteten Ortes von dem
vom 21. Juli 1859. 525
vorausberechneten, ungewöhnlich stark, sie stieg im Anfange bis
auf 8 Bogenminuten. Es zeigte sich aber sogleich, dafs dieselbe
nur von einer mit der Beobachtung nicht übereinstimmenden
Durchgangszeit durch das Perihel herrührte, und die andern
Elemente unverändert beibehalten werden konnten. Eine Ver-
mehrung der mittleren Anomalie von + 163/44 oder die An-
‚nahme, dals der Durchgang um 3 Stunden 39 Minuten früher
hätte angesetzt werden müssen, stellte die Beobachtungen so gut
wie völlig dar. Durch die Güte des Hrn. Airy war die Ephe-
meride frühzeitig genug nach dem Vorgebirge der guten Hoff-
nung hingelangt, um es möglich zu machen, dafs der Comet
auf der dortigen für Cometenbeobachtungen jetzt trefflich aus-
gestatteten Sternwarte, unter der Direktion des vorzüglichen
englischen Astronomen Hrn. Maclear aufgefunden werden
konnte. Eine sehr gute Reihe von Beobachtungen während der
Tage 1855 Jul. 13 bis Aug. 16, gab als Endresultat drei sehr
gute Normalörter.
Normalörter für 1855.
Mittl. Aequinoct. vom 1. Juli.
0"M Berl. Zeit. ARE Dec. £
1855. Juli 17 144° 29 1371 + 5° 51’ 4977
„30 169 30 42,9 — 9 39 50,6
Aug. 12 196 34 6,7 — 22 54 14,5
Im Jahre 1858 stimmte die an diese letzten Daten ange-
schlossene, und durch vorläufige Jupiterstörungen hergeleitete
Ephemeride, fast völlig mit der Beobachtung überein. Der Co-
met war in Europa zu beobachten, und ward am eifrigsten auf
der Berliner Sternwarte in den Tagen 1858 Aug. 7. bis Oct. 7.
verfolgt. Aber auch andere europäische Beobachtungen in Cam-
bridge (England), Wien und Kremsmünster, so wie auch zwei
amerikanische in Washington, zeigten einen sehr befriedigenden
Anschluls. Es konnten deshalb auch hier wieder mit grolser
Sicherheit für 1858 drei Normalörter abgeleitet werden, für
welche ich gefunden habe:
[1859.] 37
526 Gesammtsitzung
Normalörter für 1858.
Mittl. Aeq. Oct. 18,5.
12"M Berl. Zeit. ARE Dec. £
1858 Aug. 13 69° 297 329 + 320 597 5.9
Sept. 41 118 32 272 + 33 9 488
Oct. 5 168 48 47,5 + 10 48 46,8
Der Comet war immer ein verwaschener schwer zu beob-
achtender Gegenstand. Nur ganz gegen das Ende der Erschei-
nung, 17 Tage vor seinem Durchgange, schien er als ein Stern
von etwa 6ter Grölse mit blolsen Augen erkennbar zu sein,
wenn man die Richtung genau kannte. Drittebalb Monate vor
dem Durchgange, bei seiner Auffindung, ward seine Sichtbarkeit
etwa so wie die eines Sternes 13ter Gröfse geschätzt. Sie stieg
in dem folgenden Monate bis zu der eines Sternes 8ter Grölse
etwa. Der Durchmesser der Nebelhülle des Kopfes ward am
2. September zu 1,2, am 9. zu 2 Bogenminuten geschätzt, am
1. October gab eine Messung 0,5.
Hierauf trug dasselbe Mitglied den Vorbericht zu den jetzt
abgeschlossenen akademischen Sternkarten vor, worin eine ge-f
schichtliche Übersicht des ersten Entwurfs und der späteren Aus-
führung gegeben ist. Das nach dem ursprünglichen Plane jetzt
beendigte Werk, zu welchem dieser Vorbericht, nebst den Ti-
teln für die Kartensammlung und die 24 dazu gehörigen Cata-
loge hinzukommt, wird künftig, nach den Bestimmungen derf
Akademie, sowohl im Ganzen im Buchhandel zu haben sein, als
auch im Einzelnen, jede Karte nebst Catalog besonders.
Hr. Hagen legte im Anschlusse an die am 11. Novemberf
1858 gehaltene Vorlesung, die Resultate der sämmtlichen Beob-
achtungen vor, die zur Ermittelung der Fluth und Ebbe an der
Preufsischen Ostsee-Küste bis zum Anfange dieses Jahres ange-f
stellt sind.
vom 28. Juli 1859. 527
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Comptes rendus de U’ Academie des sciences. 'Tume 48, no. 16—26. Pa-
ris 1859. 4.
Atti della Academia de’ Nuovi Lincei. Anno XI, Sessione 3. Roma
1858. 4.
Memoirs of the Geological Survey of India. Vol.I. Part 2. Calcutta
1858. 8.
Memorie dell’ I. R. Istituto veneto di scienze. Vol. VII, Parte 3. Venezia
1859. 4.
Atti dell’ I. R. Istituto veneto di scienze. 'Tomo IV, Dispensa 7. ib.
1859. 8.
Gerhard, Denkmäler, Forschungen und Berichte. Lieferung 42. Ber-
lin 1859. 4.
Es wurden die Schreiben des Hrn. E. Renan vom 14.,
des Hrn. L. Renier vom 17. und des Hrn. von Sybel vom
+19. d. M. vorgelegt, in welchen sie die Wahl zu correspondi-
renden Mitgliedern dankend annehmen.
Die Herren Otto Hesse in Heidelberg und Japetus
Steenstrup in Kopenhagen wurden zu correspondirenden Mit-
‚gliedern in der physikalisch -mathematischen Klasse erwählt.
28. Juli. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. H. Rose las über die niobsauren Salze.
Die Niobsäure zeigt in ihrem Verhalten gegen Basen eine
auffallende Ähnlichkeit mit der Tantalsäure.
Mit dem Wasser bildet dieselbe ein Hydrat, dessen Zusam-
mensetzung indessen nicht mit Leichtigkeit zu bestimmen ist.
Wird dasselbe aus dem Chlorid durch Zersetzung mit Wasser
erhalten, so zeigt es, wie das Tantalsäurehydrat beim Glühen
eine starke Lichterscheinung. Wird indessen das Hydrat aus der
Niobsäure erhalten, nachdem diese mit saurem schwefelsaurem
Kali geschmolzen worden ist, so zeigt dasselbe beim Glühen
keine Lichterscheinung.
37°
528 Gesammtsitzung
Alle niobsauren Salze, welche als Base kein Alkali enthal- |
ten, sind im Wasser unauflöslich, nur die niobsauren Alkalien sind
löslich. Wird das niobsaure Kali durch Schmelzen der Niob-
säure mit Kalihydrat erhalten, so ist es nicht möglich, es rein dar-
zustellen, da es wie das tantalsaure Kali in jedem Verhältnils im
Kalihydrat löslich ist, und sich nicht durch Krystallisation dar-
stellen läfst. Auch durch Schmelzen der Niobsäure mit kohlen-
saurem Kali läfst sich ein neutrales Kalisalz nicht rein darstellen.
Die Auflösungen der Niobsäure in Kalihydrat, und nament-
lich die in kohlensaurem Kali unterscheiden sich von den analogen
Lösungen der Tantalsäure dadurch sehr wesentlich, dafs sie auch
in verdünnten Lösungen sehr wenig durchs Kochen zersetzt wer-
den, und nichts oder nur sehr wenig von einem unlöslichen sau-
ren Kalisalze fallen lassen. Aus der Lösung des niobsauren
Kalis wird durch einen Strom von Kohlensäuregas die Niobsäure
als saures Salz von sehr voluminöser Beschaffenheit nur durch
sehr langes Durchleiten gefüllt.
Auf nassem Wege kann die Niobsäure die Kohlensäure aus,
dem kohlensauren Kali nicht austreiben, wohl aber durchs Schmel-
zen. Es bilden sich dabei Verbindungen von der Zusammen-
setzung 6K-F5Nb und von 7K + 5Nb. Je länger man das
Schmelzen fortsetzt, um so mehr wird Kohlensäure aus dem
Alkali ausgetrieben.
Das wichtigste der niobsauren Salze ist das niobsaure
Natron. Man erhält es im neutralen Zustande auf eine ähn-
liche Weise wie das tantalsaure Natron, indem man Niobsäure
in schmelzendes Natronhydrat bringt, wobei eine starke Feuer-
erscheinung sich zeigt. Die geschmolzene Masse wird mit Was-
behandelt, wodurch zuerst nur das überschüssige Natron-
hydrat aufgelöst wird, in welchem das niobsaure Natron eben
so unauflöslich ist, wie das tantalsaure Natron; das neutrale Salz
löst sich dann in reinem Wasser auf. In dem Salze ist der
Sauerstoffgehalt des Natrons ein Viertel von dem der Säure;
aulserdem enthält es wie das tantalsaure Natron 7 Atome Kry-
‚stallwasser; krystallisirt aber auch bisweilen mit 5 Atomen Was-
ser. Aulfser dem neutralen Salze erhält man durchs Zusammen-
schmelzen der Niobsäure mit kohlensaurem Natron auch saure
Salze; eben so auch, wenn man die Lösung des neutralen Salzes
vom 28. Juli 1859. 529
durch Kohlensäuregas zersetzt, was indessen äulserst langsam
erfolgt. Schmelzt man gewogene Mengen von Niobsäure und
von kohlensaurem Natron zusammen, so wird wenn beim Schmel-
zen nicht eine zu starke Hitze angewendet wird, so viel Kohlen-
säure verjagt, dals die Verbindung Na Nb entsteht; bei stärke-
rer Hitze verflüchtigt sich indessen noch mehr Kohlensäure.
Wird die Lösung des niobsauren Natrons mit Chlorammo-
nium versetzt, so erfolgt sogleich ein Niederschlag, der indessen
nur wenig Ammoniumoxyd enthält. Fügt man aber zu der Lösung
ein neutrales Salz mit irgend einer nicht alkalischen Base, so
erhält man Füllungen von neutralen niobsauren Salzen von einer
ähnlichen Zusammensetzung wie sie das neutrale niobsaure Natron
zeigt. Der Verfasser hat die neutralen Verbindungen der Niob-
säure mit der Magnesia, mit dem Zinkoxyd, dem Silberoxyd, dem
Quecksilberoxydul und dem Kupferoxyd untersucht, in welchen
allen der Sauerstoff der Niobsäure ein Vierfaches von dem der
Base ist.
Hr. Reichert las über die Beschaffenheit der be-
fruchteten Eichen von Meerschweinchen zur Zeit
ihres Aufenthaltes in der Gebärmutter unmittelbar
vor und nach der Einkapselung durch die Decidua.
Th. Bischoff bildet in seiner Entwickelungsgeschichte des
Meerschweinchens (Fig. 9— 16) Eichen dieser Thiere vom 5—
6— ten Tage nach der Befruchtung ab, die durch ihre abnorme
Beschaffenheit ihn veranlafst haben, Bildungsvorgänge während
der Entwickelung der Meerschweinchen festzusetzen, welche sehr
wesentlich von denen anderer Säugethiere, ja der Thiere über-
haupt, abweichen. Der Verfasser fand, dafs die befruchteten Ei-
chen der Meerschweinchen, in den Faloppischen Röhren, wie bei
andern Säugethieren, den Furchungsprozels beginnen, was ich
bestätigen kann; er beobachtete ferner, dafs dieselben etwa am
Ende des vierten, oder am fünften Tage nach der Befruchtung
in die Spitze der Gebärmutterhöhle eingedrungen waren und un-
gefähr 12—16 Furchungskugeln enthielten. In der darauf fol-
genden Zeit suchte er vergebens nach Eichen, die, wie bei an-
dern Säugethieren im Furchungsprozels weiter fortgeschritten
530 : Gesammtsitzung
_
waren, oder in der Form der sogenannten Keimblase sich zu
erkennen gaben. Er fand vielmehr Eichen, von welchen einige
(Fig. 9.) in ihrer Form an die voraufgegangenen Zustände erin-
nerten; sie besalsen eine sehr durchsichtige Zona pellucida, die
im Verschwinden begriffen zu sein schien. Der Bildungsdotter
jedoch, stellte eine formlose Masse, ohne Spur von Furchungs-
kugeln, dar. Die übrigen von ibm für Eichen gehaltenen Kör-
per wichen gänzlich von den früheren Zuständen ab; sie lielsen
sich in keiner Weise mit den befruchteten Eichen anderer Säuge-
thiere auf gleicher Entwickelungsstufe parallelisiren. Th. Bi-
schoff sah sich in Folge dessen zu der Annahme veranlalst,
dals sich der Bildungsdotter befruchteter Eichen des Meerschwein-
chens, ohne den begonnenen Furchungsprozels zu vollenden,
vielmehr von Neuem in eine formlose Masse verwandele, in wel-
cher später bei Entwickelung embryonaler Anlagen Zellenbildung
auftrete.
Schon vor mehreren Jahren gelang es mir die befruchteten
Eichen am Ende des siebenten Tages nach der Begattung in
der von der Decidua gebildeten Kapsel aufzufinden. Sie i
hatten die Form einer Kugel von etwa 5—z;P. L. im Durch-
messer. Die Zona pellucida fehlte. Die Kugel war aus kern-
haltigen Bildungsdotterzellen (45,— ;% P- L. im Durchmesser) zu-
sammengesetzt und zeigte keine Höhle. Jede Zelle enthielt
einige von den Fettkörperchen (etwa z,5,— 005 P- L. im Durch-
messer), durch welche der Bildungsdotter reifer Eichen der
Meerschweinchen ausgezeichnet ist; sie hatten nur im Allgemei-
nen etwas an Grölse abgenommen. Auch die angegebene Grölse
des ganzen Eichens ist nur wenig unterschieden von der Grölse
des noch ungefurchten Bildungsdotters reifer Eier (4 — 5 P.L.).
Die Beschaffenheit des Eichens entspricht dem Entwickelungszu-
stande befruchteter Eichen anderer Säugethiereier, die etwa den
Furchungsprozels beendet haben und zur Bildung embryonaler
Anlagen übergehen; sie weicht aber gänzlich von den Eichen
ab, die Th. Bischoff als voraufgehende Zustände beschrieben
und gezeichnet hatte.
So lag die Nothwendigkeit vor, die Eichen in der Gebär-
mutter aufzusuchen, welche die wirklichen Zwischenstufen zwi-
schen dem oben beschriebenen Eichen in der Decidua-Kapsel
vom 28. Juli 1859. 531
und den am fünften Tage in die Gebärmutterhöhle eingetretenen
darlegten. Mehrere Jahre sind meine Bemühungen, dieselben
aufzufinden, vergeblich gewesen. Das Auffinden der Eichen an
der Spitze der Gebärmutterhöhle wird, unerachtet ihrer
Kleinheit, dadurch unterstützt, dafs dieselben an dem bezeichne-
ten Orte gruppirt und in der Zahl beisammen liegen, in welcher
sie aus dem Eierstock ausgestolsen wurden. Sobald sie jedoch
in der Gebärmutterhöhle sich ausbreiten und für die Einkapse-
lung durch die Deeidua sich von- einander trennen, wird das
Auffinden so schwierig, dals dasselbe, wie ich mich später über-
_ zeugt habe, mehr vom Zufall abhängig gemacht ist. Das Eichen
_ hat einschliefslich der Zona pellucida höchstens den Durchmesser
von „P.L. Die Zona pellueida selbst ist so durchsichtig, dafs
ihr Beitrag zur Vergröfserung des Eichens der Untersuchung
nicht zu Gute kommt. Der Bildungsdotter besitzt einen Durch-
messer von etwa 5 P.L. und ist überdies durch die mehr zer-
streut liegenden Fettkörperchen nur im geringen Grade bei re-
Nlectirtem Licht grau weislich getrübt, so dafs auch er das Auf-
finden der Eichen wenig erleichtert. Dennoch war ich so
glücklich mehre Male die schon im Uterus zerstreuten Eichen
am sechsten und am Beginn des siebenten Tages nach der Be-
fruchtung aufzufinden. Am sechsten Tage sind diese Eichen von
denen, die eben in die Gebärmutterhöhle eingetreten sind, nur
dadurch unterschieden, dafs der Furchungsprozels weiter vorge-
schritten ist, und dafs die Zahl der Furchungskugeln sich ver-
mehrt hat. Die Zona pellucida zeigte sich noch unverändert,
äufserst durchsichtig, von fast gallertartiger Beschaffenheit; sie
ist ziemlich leicht zerstörbar und reilst gewöhnlich in radiärer
Richtung durch. Am siebenten Tage fand ich einmal ein Eichen
an der Stelle der Gebärmutter, wo die Verdickung zur Bildung
der Decidua-Kapsel bereits begonnen hatte. Dieses Eichen hatte
nahezu die Beschaffenheit desjenigen, das ich oben aus der De-
eidua-Kapsel selbst beschrieben habe; die Zona pellucida war
bereits bis auf eine dünne Schicht verschwunden. Der Durch-
messer betrug nahezu „;P.L. Unter den Furchungskugeln fan-
den sich einige mit einem grölsern Durchmesser, als der oben
angegebene der Bildungsdotterzellen.
532 Gesammtsitzung vom 28.” Juli 1859.
Hiernach kann ich nach meinen Untersuchungen einen we-}
sentlichen Unterschied in den Bildungsvorgängen der befruchte-
ten Meerschweineier vor dem Auftreten embryonaler# Anlagen
von andern befruchteten Säugethiereiern nicht vorfinden. Eigen-
thümlich ist aber den befruchteten Meerschweincheneiern, dafs
der Ablauf des Furchungsprozesses den verhältnilsmälsig langen
Zeitraum von fast sieben Tagen in Anspruch nimmt, und dals }
die Fixirung derselben in der Gebärmutterhöhle vor Entwicke-
lung der embryonalen Anlagen und vor Bildung der sogenannten
Keimblase Statt hat.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur-
den vorgelegt:
Bulletin de la societe geologique de France. Tome 16, feuilles 24 — 35.
Paris 1859. 8.
Mnemosyne. Vol. VII, Pars 3. Lugd. Bat. 1859. 8.
Annales de chimie et de physique. Serie II. Tome 56. Paris 1859. 8.,
Maury, Sailing Directions. Ed. VIII, Vol. 2. Washington 1859. 4.
Mit Rescript des vorgeordneten Kgl. Ministeriums vom 22. Juli
1859.
Heinrich Hanstein, Verbreitung und Wachsthum der Pflanzen in ihrem
Verhältnisse zum Boden ete. Darmstadt 1859. 8. Mit Schreiben
des Hrn. Verfassers, d. d. Zwingenberg an der Bergstralse 14. Juli
1859.
Hr. Böcking in Bonn nimmt unter dem 20. und Hr.
Bernstein in Breslau unter dem 26. d. M. die Wahl zum
correspondirenden Mitgliede in der philosophisch- historischen
Klasse dankend an.
Beilage. 533
Beilage.
Leibniz ist einer der wenigen Geister, die fast das ganze
Gebiet des menschlichen Wissens umfaflst haben; in jeder Be-
ziehung stellt er die Universalität des Erkennens dar. Er ist,
wie ein Geschichtschreiber der neueren Philosophie sagt
(K. Fischer Gesch. d. neueren Philos. Bd. II. S. 497), „den
Systemen der Vergangenheit gegenüber der Universalphilosoph”,
ohngefähr wie Platon die einseitigen Systeme der früheren inner-
lich vereinigt bat, und er verband die vier grolsen Hauptrichtungen
des Wissens, die Philosophie selbst, die Mathematik, die Natur-
wissenschaften und die Geschichte und mannigfache Philologie,
und erwies sich selbst in einigen praktischen Richtungen, in der
Theologie und Rechtsgelehrsamkeit wirksam. Wer nun alles
umfassen und überall einheimisch sein will, wird sich leicht zer-
streuen, wenn er nicht fähig ist, seine ganze Kraft jederzeit auf den
besonderen Gegenstand als einen selbständigen zu concentriren,
und diese Kraft in einer durch den jedesmaligen innern oder
äufseren Antrieb bestimmten Folge von dem Einen auf das An-
dere mit Leichtigkeit zu übertragen, in allen Formen des Wissens
aber das einheitliche Band zu erkennen, soweit auch die Gegen-
stände auseinander zu liegen scheinen. Das verstand Leibniz,
dem alle Gegensätze in der Harmonie aufgingen; er verstand es,
um in seiner Sprache gleichnifsweise zu reden, alle selbstän-
digen Monaden der Erkenntnifs in ununterbrochenen Übergängen
zu einer harmonischen Welt des Wissens in sich zu verbinden.
Um einen solchen Universalgeist zu fassen, mülste man einen
ähnlichen Umfang des Wissens und eine ähnliche Allkraft des-
selben besitzen; wir kleineren Geister, denen dies nicht vergönnt
ist, sind daher nur darauf angewiesen, einzelne Seiten des grofsen
Mannes zu betrachten: in seiner Ganzheit ist er ein Gegenstand
nicht für Einen, sondern für eine ganze Akademie, und es ist oft
genug gesagt, dals er allein eine ganze Akademie war. Unsere
akademische Gesellschaft hat aulser des regierenden Königs Ma-
534 Beilage.
jestät sich zwei Männer, um in Hellenischer Weise zu sprechen,
gleichsam zu ihren eponymen Heroen erwählt, oder diese sind ihr
vielmehr geschichtlich gegeben und sie hatte dieselben nur that-
sächlich anzuerkennen, Friedrich den Gro/[sen und Leibniz.
Ihr Andenken feiern wir, nicht um dasselbe zu erhalten, wofür
sie selber mehr als hinlänglich gesorgt haben, sondern zur eigenen
Erbauung und zur Erinnerung, dals wir in ihrem Geiste zu wir-
ken haben. Da die Gegenwart nur ein Augenblick ist, der ver-
schwindet indem er eintritt, und da man für die Vergangenheit
nicht wirken kann, so bezieht sich unser gesammtes Wirken auf
die Zukunft, für deren Gestaltung jeder nach seiner Stellung und
Kraft im Geiste jener thätig sein soll, ohne dafs man freilich, um
von Friedrich dem Grofsen nicht zu reden, der mehr für
Herrscher als für Gelehrte ein Vorbild ist, verlangen könnte, wir
sollten Leibnizens Weg in gerader Linie verfolgen, nachdem die
Entwickelung der Wissenschaft bereits andere Wege eingeschla-
gen hat. Die Zukunft wurzelt aber in der Vergangenheit, und
entwickelt was in dieser wie im Keime verborgen vorgebildet
war; darum mufs zumal wer im Geiste Früherer wirken soll, den
Blick auch in die Vergangenheit zurückwerfen und das Vergan-
gene begreifen und beleuchten. Es giebt sogar Zeitpunkte und
Zeiträume, wo gerade hierauf der forschende Geist besonders an-
gewiesen ist. Es findet in der einen und der andern Wissen-
schaft nach einer Reihe zusammenhängender Entwickelungen, nach-
dem alle Formen oder Phasen derselben erschöpft scheinen, eine
Ermüdung, Ermattung oder Stillstand statt, und dieser ladet von
selbst zum Rückblick ein. Eine solche Ermattung, ein solcher
Stillstand wird von vielen jetzt in der Philosophie gefunden; ob-
gleich ich dies nicht für unbedingt wahr halte, so drängt sich
doch allerdings nicht mehr System auf System, deren jedes nach-
folgende das voraufgegangene überbietet und überstürzt, und ein
Zeitpunkt der Art ist sehr geeignet für das Zurückschauen, damit
man überdenke was dagewesen ist: wodurch immerhin auch
neue zukünftige Entwickelungen vorbereitet oder veranlalst wer-
den können. Es wird also in solcher Zeit die geschichtliche
Darstellung des Früberen die Kräfte stark in Anspruch nehmen;
wie gerade in der Geschichte der Philosophie in den neuesten
Beilage. | 535
Zeiten viel geleistet worden ist. Fällt nun der Rückblick auf
universale Geister, so wird einer dafür nicht genügen; einer
Akademie wird es eher gelingen können, das dazu erforderliche
ins Werk zu setzen. Ich behaupte nicht, dafs durch das Sam-
meln der Schriften solcher Heroen, wie ich sie bezeichnet habe,
dem Bedürfnils sie ganz kennen und würdigen zu lernen ent-
sprochen werde; aber die Sammlung ihrer Werke ist allerdings
eine Hauptgrundlage der Befriedigung dieses Bedürfnisses, und
daher einer Akademie wohl anständig. Als die älteste Akademie
der Welt in dem jetzigen Sinne kann das Alexandrinische Mu-
seum betrachtet werden; und waren auch nicht alle Gelehrte,
welche um die frühere Litteratur sich damals verdient machten,
Mitglieder jener königlichen Stiftung, so läfst sich doch nicht
läugnen, dals das grolse Werk der Alexandriner, die Schöpfungen
des Hellenischen Geistes, die bis dahin zerstreut waren, zu sam-
meln und zu sichten, seinen Mittelpunkt in dem Museum hatte.
Verehrt unsere Akademie Friedrich den Grolsen und Leibniz
als ihre Heroen, so mag es folglich als nahe liegende Pflicht der-
selben erscheinen, beider Geisteswerke möglichst vollständig und
berichtigt der Welt zugänglich zu machen, und glücklich hat es sich
durch ein Zusammentreffen günstiger Umstände gefügt, dals sie, wenn
auch vorzüglich unter Mühwaltung eines ihr fremden dem Unter-
nehmen gewachsenen Gelehrten, für Friedrichs des Grolsen
Schriften dies bereits hat leisten können. Leibnizens Werke
sind ohngefähr wie jene ungeachtet früherer Sammlungen noch
nicht zu einem wohlgeordneten Körper zusammengestellt; und
wie zu jenen in den Archiven, so ist zu diesen in der Königl.
Bibliothek zu Hannover ein reicher Stoff vorhanden. Leibniz
hat sehr wenig Zusammenhängendes selbst herausgegeben, von
philosophischen Schriften nur ein grölseres Werk, die Theodicee:
nicht allein seine Vielgeschäftigkeit und Theilung zwischen den
verschiedenartigsten Gegenständen, sondern auch seine Genialität
selbst führte ihn trotz der jedesmaligen Vertiefung in das Vor-
liegende dahin, dafs er leicht von Einem zum Andern übersprang
und meist nur Bruchstücke gab von dem, was allerdings in seinem
Geist als Ganzes ausgebildet war: er hatte, wie er selber gegen
jemand äulserte, Bücher im Gedanken und in der Macht (in idea
536 Beilage.
et in potestate), aber noch nicht auf das Papier hingeworfen.
Seine Bekanntmachungen sind grofsentheils zufällig, das heilst
durch gelegentliche Veranlassungen hervorgerufen, die ihn dann
auch bestimmten, seine Grundgedanken bald in dieser bald in
jener Form und mit veränderten Beziehungen anzudeuten oder
auszuführen. Die Folgezeit war daher darauf angewiesen, nicht
allein das vielfach zerstreute urkundlich zusammenzustellen, son-
dern auch das von dem Meister in abgerissenen und nicht schul-
mälsig gehaltenen Entwürfen dargebotene zu einem System
auszubilden und zu einer Einheit zu gestalten, was auch mit
Entwickelung nicht gezogener Folgen aus dem Prineip, mit Aus-
tüllung von Lücken, mit Lösung oder Beseitigung von Wider-
sprüchen, an welchen es bei jener Darstellungsweise kaum fehlen
kann, nothwendig verbunden ist. „Zwei Menschenalter ,” sagt
der neueste Geschichtschreiber seiner Philosophie (K. Fischer
a. a. O. S. 26), „sind nicht im Stande, den umfassenden, gewal-
tigen Inhalt in die gediegene Form des Systems zu fassen”; ja die
zwei Menschenalter, die daran gesetzt worden, haben fast mehr
daran verdorben als verbessert und aufgeklärt, und die Lösung
der Aufgabe ist auf die Späteren übergegangen. Um jetzt
bei der Sammlung der Werke stehen zu bleiben, so hat, um die
kleineren Mittheilungen in Joach. Friedr. Feller’s Otium
Hannoveranum nur beiläufig zu erwähnen, Rud. Erich Raspe
im Jahre 1765 gesammelte philosophische Schriften des grolsen
Mannes und darunter die bis dahin ungedruckten sehr wichtigen
„Neuen Versuche über den menschlichen Verstand” herausgegeben;
wenige Jahre später erschien die Gesammtausgabe der Leibnizi-
schen Werke in sechs Quartbänden von Ludw. Dutens, in
welcher die Raspe’sche Sammlung nicht benutzt ist. In dem
laufenden Jahrhundert hat Guhrauer aulser anderen Verdiensten
auf diesem Felde die Litteratur durch die Herausgabe der Leib-
nizischen Deutschen Schriften bereichert (1838), und kurz darauf
(1840) Erdmann die bei Raspe und Dutens gedruckten phi-
losophischen Schriften mit Einschluls der Theodicee, welche von
manchen vielmehr unter die theologischen gezählt worden, ver-
einigt und 32 bis dahin ungedruckte Aufsätze aus den Hannö-
verschen Handschriften hinzugefügt. Leibnizens grolses ge-
d
1
Beilage. 537
schichtliches Werk, Annales Imperii Occidentis Brunsvicenses,
die durch viele Hände gegangen, ehe ihre Herausgabe zu Stande
kam, hat endlich unser Mitglied Hr. Pertz in ihrer ächten Ge-
stalt bekannt gemacht und zu demselben geschichtliche Aufsätze
aus dem genannten Handschriftenschatz hinzugethan, andere schon
gedruckte geschichtliche Werke aber mit Recht nicht wiederholt.
Er hat hiermit in vier Octavbänden die erste, das Geschichtliche
umfassende Folge ‚der Leibnizischen Schriften aus den Hannö-
verschen Handschriften geliefert. Die dritte Folge dieser Samm-
lung bilden die mathematischen Schriften, deren Herausgabe Hr.
C. J. Gerhardt unternommen, jedoch noch nicht vollendet hat,
bestehend aus vier Bänden des mathematischen Briefwechsels und
aus einer zweiten die mathematischen Abhandlungen enthaltenden
Abtheilung, von welcher bis jetzt nur der erste Band erschienen
ist; die treffliche Arbeit des Hrn. Gerhardt ist auch der Aka-
demie nicht fremd geblieben, vielmehr hat diese wiederholt durch
Geldzuschüsse zu erkennen gegeben, dals sie ihres Berufes zur
Herstellung der Leibnizischen Werke beizutragen nicht unein-
gedenk sei. Auch der Anfang einer zweiten Folge, philosophi-
sche Schriften enthaltend, ist gemacht durch die von C. L. Gro-
tefend besorgte Ausgabe des Briefwechsels zwischen Leibniz,
Arnauld und dem Landgrafen Ernst von Hessen -Rheinfels
(1846). Obwohl nun das Pertzische Unternehmen, über
dessen Plan eine öffentliche Erklärung nicht vorliegt, nicht alle
Werke Leibnizens, auch die längst bekannten, in sich schliefsen
dürfte, so scheint es doch geeignet, dals es nachträglich einen
grölsern Umfang erhalte und sich zu einem akademischen aus-
dehne, wobei immerhin offen bliebe, dies oder jenes auszulassen:
es bedürfte aber hierzu noch einer theologischen, einer rechts- und
staatswissenschaftlichen, einer philologischen und einer natur-
wissenschaftlichen Abtheilung. Und obwohl von Leibnizens
zahllosen Briefen die wichtigsten in diesen sieben Abtheilungen
ihren Platz finden möchten, wie schon die angeführten Folgen
des Pertzischen Unternehmens zeigen, so mülste doch noch ein
achter epistolischer Theil hinzukommen, wie bei den Werken
Friedrichs des Grolsen die Briefe einen bedeutenden Theil
bilden. Wenn man aus dem Verzeichnils der Leibnizischen
538 Beilage.
Handschriften in der Königl. Bibliothek zu Hannover, wovon Hr.
Pertz der Königl. Bibliothek hierselbst eine Abschrift einverleibt
hat, erst einen vollen Begriff von Leibnizens Schriften erhält,
so erregt vollends das von ebendemselben zur hiesigen Königl.
Bibliothek gebrachte viel umfangreichere Verzeichnils des Leib-
nizischen Briefwechsels unser Erstaunen; auch ist schon eine
grofse Menge Leibnizischer Briefe bekannt gemacht, wovon ich
mit Übergehung anderer beispielsweise nur die umfassende Samm-
lung von Christian Kortholt (in vier Bänden, 1734— 1742),
die in der Nova sylloge epistolarum varii argumenti (Nürnberg
1760 ff.), Joh. Georg Heinr. Feder’s Commercii epistoliei
Leibnitiani typis nondum eyvulgati selecta specimina (1805), und
als eine besondere kleine Sammlung die von Wachsmuth bekannt
gemachten vertraulichen Briefe an Christian Philipp nennen will;
nicht unbedeutendes habe ich schon kurz vorher erwähnt.
Ganz neuerlich hat es der Graf A. Foucher de Careil,
ein Namensverwandter eines Leibnizischen Correspondenten,
unternommen, für sich selbständig, mit Benutzung aller vor-
handenen Hülfsmittel eine Gesammtausgabe der Leibnizischen
Schriften herzustellen, und als Proben oder Ankündigungen, um
seinem Unternehmen Theilnahme zu erwecken, bereits drei Bände
herausgegeben, im J. 1854 eine früher ungedruckte Widerlegung
des Spinoza, nebst einer eigenen Abhandlung des Herausgebers,
in demselben Jahre ebenfalls ungedruckte Briefe und Werkchen,
mit einer ausführlichen Einleitung (Lettres et opuscules inedits
des Leibniz precedes d’une introduction), und 1857 neue der Art
(Nouvelles lettres et opuscules inedits de Leibniz precedes d’une
introduction). Der Herausgeber ist von Begeisternng für Leib-
niz erfüllt und hat ernste Studien über seine Philosophie gemacht,
wovon ich nur seine Abhandlung über das Leibnizische Welt-
gesetz der Continuität herausheben will; aber weder er noch
sonst ein Einzelner kann der Vollendung des Ganzen genügen,
und es werden dafür überdies aulserordentliche Geldmittel erfor-
dert. Dafs letztere, wenn ruhigere und glücklichere Zeiten wieder
eintreten, zuflielsen würden, möchte ich kaum bezweifeln. Leib-
niz hat aufser seinen Beziehungen zu Hannover in so bedeuten-
der Verbindung mit dem Preulsichen Königshause und Staat und
Ballagös 539
mit dem Österreichischen Kaiserhause gestanden, dafs von diesen
beiden ersten Deutschen Staaten eine Unterstützung nicht aus-
bleiben würde. Hr. Foucher hat hierauf auch gerechnet. Um
nur von Österreich zu reden, so hat er über den Nutzen einer
Ausgabe der vollständigen Werke von Leibniz, in seiner Be-
ziehung zur Geschichte Österreichs und zur Gründung einer Ge-
sellschaft der Wissenschaften zu Wien, eine Denkschrift verfalst,
welche Deutsch übersetzt in den Sitzungsberichten der Wiener
Akademie (philos. hist. Kl. Bd. XXV. 21. Oct. 1857) mitgetheilt
worden; und der Kaiserl. Rath Hr. Joseph Bergmann hat über
Leibnizens Verhältnisse und Thätigkeit in Wien, wo er bekannt-
lich auch die Monadologie schrieb, über seinen Betrieb der Grün-
dung einer Akademie der Wissenschaften daselbst und seine Stel-
lung als ernannter Reichshofrath das vollste Licht verbreitet
(Sitzungsberichte Bd. XII. S. 539— 625, unter Beifügung von
fünf ungedruckten Briefen an Carl Gust. Heraeus über die
Gründung einer Akademie, Bd. XVI. S. 3—22. Bd. XXVI.
S. 187—204). Wenn der GrafFoucher den von ihm vorbereite-
ten Theil der Leibnizischen Werke, welcher sich auf die Ge-
schichte Österreichs bezieht, auf fünf bis sechs Bände in Octav zu
500—600 Seiten anschlägt, freilich mit Einrechnung auch solcher
_ Theile, die weiter aussehend sind, wie die Irenica oder geistlichen
Verhandlungen über die Vereinigung der Protestanten mit der
Römischen Kirche, und die Deutsches Recht betreffenden Schriften,
so läfst sich daraus ermessen, wie sehr auch die Österreichische
Regierung zu der Unterstützung eines solchen Unternehmens
veranlalst sei. WVerden aber auch die äulseren Schwierigkeiten
überwunden, so bleiben viele innere die Arbeit selbst betreffende,
namentlich für die Beurtheilung und Auswahl des zu benutzenden
handschriftlichen Stoffes, worüber ich mir im Anschluß an das
neuerlich geleistete, jedoch nur in Bezug auf die philosophischen
Schriften, einige Bemerkungen erlaube. Nachdem vor kurzem
Erdmann und Grotefend diesen Stoff ausgebeutet haben, dürfte
so viel nicht mehr übrig sein, was unbestreitbar die Bekannt-
machung verdiente, um das bereits bekannte zu vervollstän-
digen. Allerdings müssen sich unter einer solchen Masse von
Papieren und Zettelwerk auch kleinere Stücke finden, die zwar
540 Beilage.
nicht eben ganz neues, aber doch eine bestimmtere Fassung einer
Lehre enthalten. Ein Beispiel hiervon giebt das kleine briefliche
Stück de fato, welches Hr. Trendelenburg herausgegeben hat
(vor dem Verzeichnils der Vorl. der Berl. Univ. Winter 18%,
und in den hist. Beiträgen zur Philos. Bd. I. S. 189 ff.), weil,
wie er bemerkt, Leibniz seiner Ansicht über Nothwendigkeit
und Freiheit schwerlich irgendwo einen so gedrungenen und
bündigen Ausdruck gegeben hat; und zwar nicht ohne sich am
Schlulse mit gewohnter Vorsicht gegen eine weitere Verbreitung
des Gesagten zu verwahren, weil auch das Richtigste nicht von
jedem verstauden werde. Wenn solche Kleinigkeiten zur Ver-
öffentlichung geeignet sind, so möchte ich dagegen selbst von
umfangreicheren Stücken des Nachlasses nicht dasselbe behaupten.
Mancher Schriftsteller macht Studien, die nur zur Vorbereitung
dienen; sind diese nicht von ausgezeichneter Trefflichkeit, so muls
man dieselben nicht ans Licht ziehen, zumal wenn die übrigen
Werke des Verfassers bereits sehr vielfach und umfangreich sind.
Leibniz hat den Platonischen Theaetet und Phaedon, letzteren
im März 1676, also in seinem dreilsigsten Jahre, meist recht artig,
abgekürzt ins Lateinische übertragen uud mit wenigen Anmer-
kungen begleitet; dies mus man mit Foucher (Nouvelles lettres
Introd. S. IX. ff.) als nicht unwichtig für seine Bildungsgeschichte
ansehen, und kann daran allerlei Bemerkungen knüpfen, aber
es genügt, wenn man die Urschrift als Zeugnils über seine Be-
schäftigungen und als Reliquie aufbewahrt; diese Versuche in seine
Werke aufzunehmen dürfte kaum mehr Veranlassung sein als für -
seine Übersichten des Epiktetischen Eucheiridion, zweier Bücher
des Boethius de consolatione philosophiae, einiger Bücher der Ethik
des Spinoza und dergleichen. Solche Auszüge sind das. beste
Mittel sich mit den Gedanken eines andern gründlich vertraut zu
machen, und dienen nur dem eigenen Gebrauch, wie Aristoteles
für sich und nicht für andere Auszüge aus Platons Staat und
Gesetzen und Timaeos und aus den Archyteischen Schriften ge-
macht hatte. Freilich kann ein nachgelassenes Schriftstück auch
nur aus fremden Gedanken zusammengesetzt sein und doch die
Form einer eigenen Arbeit haben; ein solches könnte noch am
ersten den Werken einverleibt werden, da erst durch eine Unter-
Beilage. 541
‚suchung festgestellt werden muls, ob es die eigene Lehre des
"Verfassers oder fremde enthalte, und da auch Umstände obwalten
können, welche einer solchen Schrift einige Wichtigkeit geben.
'So hat Erdmann aus Leibnizens Urschrift den Aufsatz de vita
beata veröffentlicht, und dieser ist als Beweis benutzt worden,
dals Leibniz in jungen Jahren den Lehren des Cartesius und
Spinoza zugethan gewesen, oder durch deren Philosophie den
Durchgang genommen habe; Hr. Trendelenburg (a. a. O.
S. 192 ff.) hat aber einleuchtend nachgewiesen, dafs dieser Auf-
‚satz lediglich aus Stellen des Cartesius mosaikartig zusammenge-
‚setzt sei, und keinen Schluls auf Leibnizens eigene Ansichten er-
laube. Dagegen sticht es allerdings seltsam ab, dafs Leibniz
dieses Werkchen, wenigstens theilweise, in drei Sprachen ver-
falst hat, also offenbar öfter darauf zurückgekommen ist, und
wie Foucher (Lettres, Preface S. XVII) und Trendelenburg
(a. a. ©. S. 230) bemerken, darauf ein Gewicht gelegt hat. Er
scheint die kleine Arbeit, obgleich sie keine ihm eigene Gedanken
enthielt, liebgewonnen zu haben; vielleicht wollte er sie verschie-
denen Personen als ein Sittenbüchlein einhändigen, und wurde
dadurch veranlafst sie auch Deutsch und Französisch zu verfassen.
Die Abfassungen sind aber sehr verschieden. Die von Erd-
mann im J. 1840 herausgegebene Lateinische ist sicherlich die
erste und beste; es war davon, wie ich aus dem Verzeichnifs der
Hannöverschen Handschriften sehe, die Urschrift und eine schlechte
Abschrift vorhanden, jene ist aber zufolge einer Randbemerkung
vom November 1843 in dem genannten Verzeichnils, an die K.K.
Bibliothek zu Wien verschenkt worden. In dieser hat Guh-
rauer ein Lateinisches Stück de vita beata gefunden, welches
Foucher aus dessen Mittheilung bekannt gemacht hat (Lettres
S. 243 f. vgl. Preface S. XVII); dasselbe ist, den ersten Satz ab-
gerechnet, von dem Erdmannischen gänzlich verschieden, was
schwer erklärlich ist, es mülste denn das Guhrauersche Bruchstück
auf einem der zwei Zettel oder auf den beiden stehen, welche
nach dem Hannöverschen Verzeichnils der verschenkten Urschrift
beigelegt waren. Die Deutsche Bearbeitung, welche sich in der
Bibliothek zu Hannover befindet, umfalst nicht das Ganze; es
fehlt am Ende mehreres. Die Französische, betitelt „de la vie
[1859.] 38
542 Beilage.
heureuse” ist in Hannover im Concept und in einer Reinschrift
vorhanden und von Foucher herausgegeben (Lettres S. 241 £.);
es ist nichts als eine freie Übersetzung der Einleitung, in welcher
die drei Punkte bestimmt werden, die zur Glückseligkeit noth-
wendig sind, Weisheit, Tugend, Seelenruhe; die Ausführung der
drei Punkte fehlt und ist nur angekündigt; statt dessen findet man
eine Ermahnung an den Leser, die ganz mit dem von mir voraus-
gesetzten Zweck stimmt: „Aber die Worte werden unnütz sein,
wenn der, welcher sie lesen wird, nicht alle die Aufmerksamkeit, |
deren er fähig ist, dazu mitbringt, und wenn er nicht bei jedem
Wort nachdenkt über das, was er bis jetzt gethan hat und was er
in Zukunft thun soll. Dies ist das wahre Mittel davon Gewinn
zu ziehen. Denn glaubt er dies lesen zu können wie eine flüchtige
Rede, mehr gemacht zum Gefallen als zum Belehren, so wird es
besser sein nicht in der Lesung fortzuschreiten, welche nur dazu
dienen wird ihn schuldiger zu machen.”
Ich habe es mir nicht versagen wollen, in dieser letzten
kleinen Ausführung ein Beispiel von der Beschaffenheit des Nach-'
lasses zu geben, die schon das philosophisch-kritische Geschäft
eines Herausgebers sehr erschweren muls. Ein anderer Theil der |
Arbeit ist von Foucher (Lettres, Introd. zu Anfang) sehr richtig
bezeichnet worden. Es genügt nämlich nicht, Ungedrucktes be-
kannt zu machen: es muls diesem auch sein wahrer Platz ange-
wiesen werden, damit es zur Kenntnils des Systems beitrage; man
mufs seine Beziehungen zu dem früher bekannten aufsuchen, ihm
seinen Zweck, seine Function und Bestimmung in dem Ganzen an-
weisen, um aus der Verbindung der neuen Urkunden der Leibnizi-
schen Philosophie mit den alten wo möglich fruchtbare Ergebnisse
zu gewinnen, wie es in Hrn. Trendelenburg’s Abhandlung über
Leibnizens Entwurf einer allgemeinen Charakteristik (Schriften
d. Akad. 1856, philos.-hist. Kl.) gethan ist. Leibniz selbst hat ja
gesagt: „Qui me nonnisi ex editis novit, non novit”. Dies führt
mich zu einer vor kurzem angeregten Erwägung, mit welcher ich
diese Bemerkungen schlielsen will. Dafs Leibniz sein Zeitalter
nicht für fähig hielt seine Ideen aufzunehmen, dafs er nicht immer
ohne Zurückhaltung schrieb, dafs er fremde Vorstellungen den
seinigen, bis auf einen gewissen Grad auch das Seinige fremden
Beilage. 543
anbequemte, dals er und er nicht allein, wie Schelling sagt,
den Schein vermied, über eine gewisse Grenze in der Wissen-
schaft hinauszugehen, die er dennoch wirklich überschritt, und
aus Gründen, die der weise Mann in seinem Zeitalter finden
mochte, manches nicht mit folgerichtiger Klarheit durchgeführt
hat; davon.habe ich mich, zum Theil nach seinen eigenen Äufse-
rungen oder entfernten Andeutungen längst überzeugt, und es
ist auch trotz aller seiner Behutsamkeit seinen Zeitgenossen nicht
verborgen geblieben. Hierbei konnten Unklarheiten und Wider-
sprüche nicht ausbleiben; insbesondere stimmen einzelne hinge-
worfene Äufserungen, die wenigstens mir tief speculativ scheinen,
nicht vollkommen zu dem gewöhnlichen Ausdruck seiner Lehre.
Daher könnte es nicht befremden, wenn man von seinem Nach-
lafs noch unumwundenere Aufschlüsse über die höchsten und
letzten Aufgaben des Philosophirens erwartete. In der That hat
der geistreiche letzte Geschichtschreiber der Leibnizischen Phi-
losophie auf die neuen Versuche über den menschlichen Verstand
die Ansicht gegründet, auch bei Leibniz sei der in der Geschichte
der Philosophie nicht immer mit Glück geltend gemachte Unterschied
zwischen exoterischer und esoterischer Lehre in Anwendung zu
bringen: er will in diesem sehr ausgearbeiteten, aber von Leib-
niz selbst nicht veröffentlichten Werke, welches er zwölf Jahre
vor seinem Tode geschrieben hatte, die esoterische Lehre finden.
Fein und scharfsinnig unterscheidet derselbe die pädagogische
oder didaktische Darstellungsweise, in welcher der Philosoph die
Hauptwahrheiten seiner Lehre, gleichsam ihre Summe, den mei-
sten falslich machen möchte, da ihre ersten und tiefsten Gedan-
ken nur den wenigsten zugänglich waren, von der eigentlich
wissenschaftlichen Darstellungsweise (Gesch. der neueren Philos.
Bd. IL, S. 157, 159); wohin auch Lessing gewiesen hatte
(s. Fischer S. 206 ff.): es liege in der Natur einer Philosophie,
die zur Aufklärung eines Jahrhunderts bestimmt ist, dafs sie sich
nach aulsen wende und den herrschenden Zeitvorstellungen ge-
genüber unwillkürlich den exoterischen Charakter annehme
(S. 164): Leibnizens natürliche Theologie vollende aus ächt spe-
eulativen Gründen das System der Metaphysik, und übernehme
zugleich die Rolle des Pädagogen, der die schwierigen Begriffe
38*
544 Beilage.
dieser Metaphysik erläutere und ihre Entdeckungen dem gemeinen
Verstande zugänglich mache; im Gewande dieser natürlichen
Theologie, die seinen speculativen Begriffen für alle Fälle den
exoterischen Ausdruck leihe, bewege er sich am leichtesten und
bequemsten, und so oft er pädagogisch auftrete und die Summe
seiner Speculation dem Zeitbewulstsein mittheile, erscheine er in
dieser Gestalt (S. 164). Dafs dagegen in dem Vorwort zu den
neuen Versuchen über den menschlichen Verstand die kleinen
Vorstellungen es sind, wodurch er die Weltharmonie erklärt, ist
unserem Geschichtschreiber des Schlüssel zu Leibnizens esoteri-
schem Lehrgebäude (S. 503): während nämlich die Welthar-
monie sonst unter den gebräuchlichen Religionsbegriffen zu er-
scheinen liebe, werde sie hier aus der Natur oder dem natürlichen
Stufengange der Dinge erklärt. Dies habe er aber seinem Zeit-
alter nicht mittheilen wollen, mit dem er lieber pädagogisch als
streng philosophisch verkehrte; die Welt, der er seine Lehre zu-
gänglich machen wollte, habe leichter die vorherbestimmte Har-
monie begriffen, die durch Gott, als die natürliche, die durch die
kleinen Vorstellungen erklärt werde (S. 504, 514, 523 f£.).
Wenn Foucher dagegen (Nouvelles lettres, Vorrede) bei seinem
Aufenthalte in Hannover, wie er sagt, dieses Schattenbild einer
Philosophie der Eingeweihten verschwinden sah bis auf die letzte
Hülle, wenn er, je weiter er vordrang, Ordnung und Proportion,
Schönheit und Eurythmie der Griechischen Formen, und eine
grolse und gesunde Philosophie, die das Licht nicht scheut, wieder
erscheinen sah, so stimme ich ihm darin bei, dafs man in Han-
nover eine esoterische Philosophie Leibnizens nicht finden wird,
Hrn. K. Fischer aber darin, dafs Leibniz unwillkürlich sich
\
in eine exoterische Darstellungsweise hineinbequemt und hinein-.
gewöhnt habe, ungeachtet er bis zu einem Punkte gelangt war,
der jenseits der Grenze liegt, welche, wie Schelling sagt, zu
überschreiten er nicht scheinen wollte. Doch ich breche ab, um
einer andern heiligen Pflicht zu genügen, die der heutige Tag
mir auferlegt.
Als ich vor neun Jahren an dem Leibnizischen Jahrestage
den Vorsitz in dieser Versammlung zu führen hatte, war mir der
erfreuliche Auftrag zu theil geworden, in Verbindung mit dem
Beilage. 545
Vortrage zu Leibnizens Gedächtnils darauf hinzuweisen, dafs ein
halbes Jahrhundert früher Alexander von Humboldt Mit-
glied dieser Akademie geworden, und den Beschlufs zu verkünden,
dafs sein Brustbild in Marmor in unserem Sitzungsaale aufgestellt
werde, wo das Leibnizische seit langer Zeit steht, und zwar dann
aufgestellt werde, wie ich sagte, „wann, was noch in weiter Ferne
liegen möge, das allgemeine menschliche Loos ihn unsern Augen
entrückt haben wird.” In Leibnizens Sinn, dem nichts für zu-
fällig galt, mag ich es als eine besondere Fügung ansehen, dafs
heute, an dem Tage, da diese Aufstellung vollzogen worden, mich
die Reihe wieder getroffen hat die Sitzung der Akademie mit
meinen Worten zu eröffnen. Dieser Augenblick ist ernster und
trauriger: bei jenem früheren Anlafs konnte ich mit Hoffnung von
ihm sprechen; jetzt haben wir diese Hoffnung zu Grabe getragen,
und mit ihr viele andere. Es ist ein glänzendes Gestirn in der
Welt des Geistes für diese Welt erloschen. Dennoch sind wir
nicht berechtigt zu klagen. Wenn ein jugendlich blühendes
Leben vor der Zeit hinwelkt, eine gewaltige Kraft inmitten des
vollen Laufes nach einem grolsen Ziele zusammenbricht, auch
wenn ein Mann wie unser Dirichlet, dessen einen Tag früher
erfolgten Tod Humboldt, wenn er ihn noch erfahren hätte,
bitter würde empfunden haben, zwar in reiferem Alter, aber im-
mer doch frühzeitig hinweggerafft worden, mag die Wehklage
ertönen. Alexander von Humboldt aber hat eine ruhmvolle
Lebensbahn bis zu einer seltenen Grenze des Alters durch-
messen: bei seinem Scheiden ergreift uns Wehmuth und Schmerz;
aber wir müssen ihn glücklich preisen. Sein Leben war glick-
selig durch Tugend und Erkenntnils, und nicht getrübt durch
ungewöhnliches Milsgeschick. Mit überreichen Gaben des Geistes
ausgestattet, einer unermüdlichen Thätigkeit und geistigen, früher
auch körperlichen Anstrengungen gewachsen, niemals nachlassend
oder ermattend, fast bis an sein Ende selbst die Nacht bis auf die
nothwendigste Erholung der Arbeit widmend, für alles Edle und
Gute nicht nur empfänglich sondern begeistert, nicht von Leiden-
schaften gestört, hat er in seinen grolsen und mannigfachen
Lebensrichtungen das Höchste erreicht, eine Stufe auf der man
dem Sterblichen mit dem Dichter zurufen kann: „Trachte nicht
546 Beilage.
ein Gott zu werden”. Sein Weltruhm überragt selbst Leib-
nizens Namen in dem Mafse, als in unserer Zeit der wissen-
schaftliche Verkehr ausgedehnter geworden; unbestritten bleibt
er in allgemeiner Anerkennung die erste wissenschaftliche Grölse
seines Zeitalters. Doch wenn ich auch in Ergebenbheit, Ver-
ehrung und Liebe zu ihm keinem nachstehe, und einen Blick in
sein Gemüth gethan zu haben vielleicht mir anmalsen kann, bin
ich dennoch weder befähigt noch berufen seine wissenschaftlichen
Verdienste zu würdigen, wozu, für den heutigen Tag selbst, ein
näberer Fachgenosse bestellt ist: und auch dem Kenner muls dies
schwer werden. Je grölser der Mann, je länger und glänzender
seine Laufbahn, desto unerreichbarer dem Wort seine Höhe.
Ich der Laie erlaube mir über ihn als Mann der Wissenschaft
nur dies eine Urtheil: wodurch er hervorragt, das sind nicht
allein seine Reisen, durch die er entfernte Erdtheile zuerst in
allen Beziehungen kennen gelehrt, nicht seine unzähligen beson-
deren Forschungen auf dem Gebiete der Natur; es ist die grols-
artige, allseitig umfassende, in der Fülle des Realen zugleich
ideale Anschauung des Weltganzen, und nicht allein des Natür-
lichen in demselben, sondern auch der Geschichte des mensch-
lichen Geistes zunächst in seiner Beziehung zur Erkenntnils der
Natur, aber auch weit über diese Beziehung hinaus in den meisten
Zweigen der menschlichen Bildungsgeschichte, das umfänglichste
erfahrungsmälsige Wissen verbunden mit der regsamsten Com-
bination, durchdrungen vom Gedanken, belebt durch Kraft, Ge-
wandtheit und Anmuth der Rede. Ein ungedrucktes genaues
Verzeichnils seiner Schriften vom Jahre 1790 an, welches ich
Gelegenheit gehabt einzusehen, drängt mir, gegenüber dem Ver-
zeichnils der Leibnizischen, die Überzeugung auf, dals wir, wenn
auch nicht in Rücksicht der Mannigfaltigkeit, doch in Rücksicht
der Anzahl der Schriften eine Vergleichung Leibnizens und
Alexanders von Humboldt, die auch in andern ohne mein Zuthun
einleuchtenden Beziehungen manches mit einander gemein
haben, nicht zu scheuen brauchen. Ebenso ist es an Alexander
von Humboldt wie an Leibniz bewundernswerth, dafs er
unter den bis an das Ende seines Lebens fortgesetzten Studien
und unter den von seiner Stellung in der gelehrten und höheren
Beilage. 547
bürgerlichen, und zugleich in der höchsten Gesellschaft unzer-
trennlichen Zerstreuungen den ausgebreitetsten geschäftlichen,
wissenschaftlichen und freundschaftlichen Briefwechsel unterhielt.
Seine Pflege der Wissenschaft ist ferner nicht blofs nach den
eigenen, wenn auch noch so grolsen Leistungen in der Litteratur
zu schätzen: ohne ein Amt zu bekleiden, welches ihm auf die
Leitung der wissenschaftlichen Angelegenheiten einen unmittel-
baren Einflufs gewährt hätte, bat er in freier, stets reger Wirk-
samkeit durch sein Ansehen, durch Schutz, Rath und Empfehlung
die Wissenschaft und ihre Vertreter gefördert. Ohne Staats-
mann zu sein oder sein zu wollen, hat er die Thätigkeit des
Staatsmannes und die Staatsklugheit geübt. Als ein vermitteln-
des Band zwischen der Gelehrtenwelt und den höchsten Kreisen
‚wird er für lange Zeiten unersetzlich sein. Ein Weltbürger im
ausgedehntesten und edelsten Sinne des Wortes, war er zugleich
ein Deutscher und ein Preulse; ein Freund der Freiheit und ein
Mann des Volkes, der selbst im höchsten Alter die persönlichen
Bürgerpflichten erfüllte, und wiederum hoch geachtet und geliebt
von den edelsten Fürsten: wie unser erhabenes Königshaus und
namentlich die drei Herrscher des laufenden Jahrhunderts ihn
würdigten, wissen wir alle und steht mir nicht an näher zu be-
zeichnen. Und überall und in allen Verhältnissen hat er das
Woblwollen und die Liebe bewährt, die an seinem Sarge beredt
anerkannt worden; wie allgemein sie anerkannt werde, dafür
bürgt sein Leichenbegängnifs in merkwürdigem Gegensatze gegen
das geleitlose des grolsen Leibniz, dem weder der Hof, wel-
chem er eng verbunden gewesen, noch ein Diener der Kirche,
für die er sich abgemüht, noch die Bewohner der Stadt, welcher
er den Glanz der Wissenschaft verlieh, die letzte Ehre erwiesen
haben. Hier aber hat die Liebe, die der Gefeierte für ‘seine
Nächsten empfand, die rein menschliche Liebe, die mit der
Ahnung der göttlichen Weltordnung seine Religion war, in den
Herzen, denen er sie widmete, ihren Wiederklang gefunden, in
welchem das Gekrächze der Raben gegen den göttlichen Aar
des Zeus lautlos verhallt. Betrauert und vermifst ihn die den-
kende und gebildete Welt des ganzen Erdkreises, und ist der
gelehrten Welt mit seinem Scheiden ein Mittelpunkt hinweg-
548 Beilage.
gerückt; so haben wir, die Mitglieder dieser Gesellschaft, in wel-
cher er mit Vorliebe seine Hauptstellung erkannte, an ihm einen
theilnehmenden Freund, einen unverdrossenen und aufopfernden
Berather und Helfer verloren: es ıst uns, wenn ich von meiner |
Empfindung auf die Empfindungen meiner theuren akademischen
Genossen zu schlielsen unzweifelhaft berechtigt bin, in ihm ein
kräftigendes Lebenselement versiegt; ich wenigstens bin niemals
von ihm weggegangen, ohne dafs ich mich gestärkt, erheitert, er-
hoben gefühlt hätte. Indem wir nun sein Brusibild in der Nähe
des Leibnizischen aufgestellt haben, dem kein anderes würdiger
zur Seite steht, und zugleich damit das seines innigsten Freundes,
des hochverdienten Leopold von Buch, der uns allen theuer
war, ehren wir mehr uns als ihn, der nicht eine Büste in diesem
düster überwölbten Saal, sondern ein Standbild unter dem freien
und heitern Himmelsgewölbe des göttlichen Kosmos neben den
Woblthätern des Deutschen und Preulsischen Vaterlandes verdient.
Doch bedarf er keines sichtbaren Standbildes weder hier noch
anderwärts, wo es ihm zur Ehre des Deutschen Namens schon
zuerkannt ist: er hat in seinen Werken sich ein nie alterndes,
Marmor und Erz überdauerndes Denkmal aufgerichtet; er lebt in
unseren Herzen, und wird leben im Gedächtnils der gesammten
Menschheit, die sich ihm, so hoffen wir, zum künftigen Gedeihen
der Wissenschaft auch auf andere Weise dankbar erzeigen wird.
—INENS—
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat August 1859.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg.
1. August. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. H. Rose las über die Verbindungen des Unter-
niobs mit Chlor und Fluor.
Mit dem Namen Unterniob belegt der Verfasser die allo-
tropische Modification des Niobs, die mit Sauerstoff sich zu
einer metallischen Säure, der Unterniobsäure, verbindet, in wel-
cher weniger Sauerstoff als in der Niobsäure enthalten ist; diese
Säure kann aber auf keine Weise durch irgend ein Mittel der
Oxydation in Niobsäure verwandelt werden. Nur sehr mittelbar
kann diese Umänderung auf die Weise erfolgen, dafs man die
Unterniobsäure in Niobchlorid verwandelt, aus welchem man
durch Zersetzung vermittelst Wassers Niobsäure erhalten kann.
Mit dem Chlor, Fluor und Schwefel bildet das Unterniob
Verbindungen, welche der Unterniobsäure analog zusammenge-
setzt sind, und sich durch diese verschiedene Zusammensetzung
wesentlich von den Verbindungen des Niobs unterscheiden.
Das Unterniobchlorid ist früher vom Verfasser unter
dem Namen von Niobchlorid beschrieben worden. Die Zusam-
mensetzung desselben wurde vermittelst Zersetzung durch Was-
‚ser gefunden, indem die erzeugte Chlorwasserstoffsäure als Chlor-
[1859.] 39
550 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
silber, und die Unterniobsäure als solche bestimmt wurde. Ein
Mittel aus zehn Versuchen ergab 48,21 Chlor und 61,33 Unter-
niobsäure.
Wird indessen das Unterniobchlorid in einer Atmosphäre
von Schwefelwasserstoffgas erhitzt, so verwandelt es sich zwar
unter Einwirkung von Chlorwasserstoffsäure in Unterschwefel- |
niob; es erzeugt sich dabei aber immer etwas Wasser, dessen
Bildung nicht wahrgenommen werden kann, wenn auf dieselbe
Weise Tantal- und Niobchlorid zersetzt werden. Es ist daher |
das Unterniobchlorid keine reine Chlorverbindung, sondern es,
enthält etwas Sauerstoff, selbst wenn dasselbe mit der grölsten
Achtsamkeit dargestellt worden ist. |
Erhitzt man Unterniobchlorid daher in einer Atmosphäre
von Schwefelkohlenstoff, so wird es schwarz, und es bildet sich
etwas Unterschwefelniob, während Tantal- und Niobchlorid durch
Schwefelkohlenstoffdampf nicht ‘zersetzt werden. Aber es ver-
Nüüchtigt sich dabei weilses Unterniobchlorid mit den Dämpfen
des Schwefelkohlenstoffs, während Unterschwefelniob zurückbleibt.
Es ist dies ein Beweis, dafs es ein sauerstofffreies Unterniob-'
chlorid giebt, dessen Darstellung jedenfalls mit Schwierigkeiten |
verknüpft sein muls.
Es wird später gezeigt werden, dafs der Sauerstoff der Un-}}
terniobsäure, welche durch Zersetzung des Unterniobchlorids
vermittelst Wassers entsteht, sich zu dem der Niobsäure wiel
3:4 verhält. Das sauerstofffreie Unterniobchlorid mufs daher]
im Hundert bestehen aus
Niob 47,86
Chlor 52,14
100,0
und seine Zusammensetzung wird durch Nb El? ausgedrückt.
Das Hydrat der Unterniobsäure löst sich schon bei gewöhnli-
cher Temperatur mit grofser Leichtigkeit in Fluorwasserstoff-
säure auf, besonders wenn dieselbe rauchend ist. Die Lösungf!
setzt aber keine Krystalle eines Fluorids ab. Erhitzt entwickel N
sich aus derselben Fluorwasserstoffsäure, und behutsam zur Trock-f
nils abgedampft, stöfst die trockne Masse beim stärkeren Erhitze
und beim Glühen dicke weilse Dämpfe von Fluorid aus, und esf
bleibt Unterniobsäure zurück. — Die geglühte Säure löst sich]
vom 4. August 1859. 551
zwar nicht in Fluorwasserstoffsäure auf; sie verbindet sich aber
zum Theil mit derselben. Destillirtt man darauf das Ganze
in einer Platinretorte, und leitet die Dämpfe in Wasser, so
verflüchtigt sich nur Fluorwasserstoffsäure, und das Wasser ent-
hält keine Unterniobsäure, auch wenn man in der Retorte das
Ganze bis zur Trocknils destillitt. Wird aber geglühte Unter-
niobsäure in einer Platinretorte mit Fluorwasserstoffsäure über-
gossen, und setzt man dann concentrirte Schwefelsäure hinzu,
so entwickeln sich schon ohne äufsere Erhitzung Dämpfe von
Unterfluorniob. So wie aber das Ganze erhitzt wird, so hört
die Entwicklung des Unterfluorniobs vollständig auf, und es
destillirtt nur Fluorwasserstoffsäure über. Durch den Einflufs
der Schwefelsäure wird also beim Erhitzen der Fluorid zersetzt.
Es unterscheidet sich hierdurch die Unterniobsäure von der Kie-
selsäure, indem Fluorkiesel durch concentrirte Schwefelsäure nicht
zersetzt wird.
Das Unterniobfluorid verbindet sich wie das Tantal- und
Niobfluorid mit anderen Fluormetallen. Es sind nur die mit
Fluorkalium und mit Fluornatrium dargestellt worden.
Das Fluorkalium verbindet sich mit dem Unterniobfluorid
zu der Verbindung 2& £ + Nb F?; welche indessen gewöhnlich
mit Fluorkalium gemengt erhalten wurde. Das Fluornatrium bil-
det die Verbindung Na& + NbF°’, welche indessen immer mit
NaF + HF gemengt oder verbunden dargestellt wurde.
Diese Verbindungen sind im Wasser löslich; die Lösungen
röthen das Lackmuspapier. Schwefelsäure bringt in ihnen keinen
Niederschlag hervor; erst wenn die Lösung abgedampft und die
| Schwefelsäure sich zu verflüchtigen anfängt, scheidet sich Unter-
niobsäure aus. Wird die Verbindung des Unterniobfluorids mit
Fluorkalium im Platinlöffel geschmolzen, so bleibt sie länger im
geschmolzenen Zustand unzersetzt als die analoge Tantal- und
Niobverbindungen; nach langer Zeit wird sie unschmelzbar und
blau. Befeuchtetes Lackmuspapier wird dann von ihr gebläut. Die
Verbindung mit Fluornatrium schmilzt nicht im Platinlöffel, und
wird auch nicht blau.
398
552 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 1. August 1859.
Hr. Reichert las über das gleichzeitige Vorkom-
men von Rippen und einem von diesen ganz getrenn-
ten unteren Dornfortsatz am letzten Bauchwirbel
bei Zates niloticus.
Das gleichzeitige Vorkommen von Rippen und des Häma-
physenbogens an einem Wirbel ist bei Fischen keine ungewöhn-
liche Erscheinung, wie die Skelete von Scomberoiden, Sciaenoi-
den, Chromiden, Clupeiden u. s. w. lehren. Hier überall ist es
der rippentragende Fortsatz, welcher zugleich die Hämapophyse
entsendet, die mit dem der anderen Seite zu dem subvertebra-
len Bogen für die Aufnahme der Gefälse sich verbindet. Ge-
wöhnlich fehlt dann an dem Hämapophysen-Bogen ein unterer
Dornfortsatz, der erst am Schwanz sich hervorbildet. Aber
auch die Fälle fehlen nicht, in welchen, wie z. B. bei Zeus
faber, gleichzeitig der Hämapophysen-Canal mit dem Processus
spinosus inferior und an demselben Bauchwirbel auch Rippen
angetroffen werden. Die Rippen sind jedoch in den bisher be-
kannten Beispielen an dem Processus spinosus inferior befestigt.
Dieser Umstand, so wie das ganze Verhalten des rippentragen-
den Fortsatzes mit der Rippe und dem Hämapophysen - Bogen
beim Übergange zu den Schwanzwirbeln, wo sich nur der Hä-
mapophysen-Bogen mit dem unteren Dornfortsatz vorfindet, hat
in neuerer Zeit die vergleichenden Anatomen bestimmt, den
unteren Dornfortsatz des Hämapophysen-Bogens so anzusehen,
als ob derselbe aus einer theilweisen oder völligen Verschmel-
zung der Rippen hervorgegangen sei. An dem Skelet des von
Hrn. Ehrenberg und Hemprich dem Museum übergebenen
Lates niloticus wird diese Ansicht, welche auch in der Bildung
des Schwanzes bei Wirbelthier- Embryonen keine Stütze findet,
widerlegt. Der letzte Bauchwirbel dieses Fisches zeigt einen
rippentragenden Fortsatz, an welchem die letzte Rippe befestigt
ist; er besitzt einen mit dem rippentragenden Fortsatz ver-
schmolzenen Hämapophysen-Bogen, aus dessen Mitte, völlig ge-
sondert von der Rippe, der Processus spinosus inferior abgeht.
Die Coexistenz des Processus spinosus inferior und
der Rippen an einem Wirbel unter Umständen, wel-
che selbst die Vorstellung, als ob eine theilweise
Fusion der Rippen bei der Bildung des Processus
Gesammtsitzung vom 4. August 1859. 553
spinosus inferior stattgefunden habe, nicht gestat-
ten, liefert den völlig gesicherten Beweis, dafs der
Processus spinosus inferior und die Rippen verschie-
denartige Elemente des Wirbels darstellen.
Der letzte Bauchwirbel des Zates niloticus lehrt zugleich,
dals der die Rippe der Fische tragende Fortsatz und
die Hämapophyse, aus deren Bogen der untere Dorn-
fortsatz hervorgeht, zwar einen gemeinschaftlichen
Ursprung am Wirbelkörper besitzen, aber nicht völ-
lig gleichgestellt werden dürfen.
4. August. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Ehrenberg las über neue massenhafte Poly-
eystinen als Meeresgrund aus 13200 Fufs Tiefe bei
Zankebar und legte die Zeichnungen und Präparate vieler neuen
eigenthümlichen Formen aus diesen Tiefen vor.
Hr. W. Peters theilte der Akademie die traurige Nach-
richt mit, dals Dr. Carl Hoffmann am 11. Mai d. J. zu Pun-
tarenas in Costa Rica gestorben sei. Derselbe hat sein Natura-
lienkabinet dem hiesigen Museum testamentarisch vermacht, nach-
dem er bereits früher sehr werthvolle Naturalien gesandt hatte,
um der K. Akademie seine Dankbarkeit für die ihm und dem
Dr. von Frantzius bei ihrer Abreise nach Costa Rica über-
gebenen physikalischen Instrumente zu bezeigen.
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft. Band XII,
Heft 3. Leipzig 1859. 8.
Revue archeologique. 16e Annee, Livrais. 4. Paris 1859. 8.
Sars, M., og Th. Kjerulf, nyt Magazin for Naturvidenskaberne. Bind
10. Hefte 4. Bind 11. Hefte 1. Christiania 1858. 8.
554 Gesammisitzung
Bjerknes, C. A., über die geometrische Repräsentation der Gleichungen 4
zwischen 2 veränderlichen, reellen oder kompleren Gröfsen. Chri- f
stiania 1859. 4. (Univers.-Progr.)
Munch, P. A., Throndhjems Domkirke. M. Tegninger af H. E. Schir-
mer. Christiania 1859. Fol.
Die 3 vorangehenden mit Begleitschreiben des Hrn. Chr. Holst,
d. d. Christiania 18. Juli 1859.
Meilly, Ed. relation d’un voyage fait en Sicile et dans le midi de
VItalie. Bruxelles 1859. 12,
Seetzen, U. J., Reisen durch Syrien, Palästina, Phönicien u. s. w.‘
Band 4. Berlin 1859. 8.
Die Akademie gedachte des Verlustes, welchen sie am 30.
v. M. durch den Tod des Hrn. Dieterici, eines ihr treu zu-
gethanen, thätigen und verdienten Mitgliedes, erlitten.
11. August. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Ranke las über die Katastrophe Wallensteins.
Hr. H. Rose theilte die Resultate einer Untersuchung des
Hrn. Heintz über zwei neue Reihen organischer Säu-
ren mit.
Von der Thatsache ausgehend, dals, wenn das mono-
4 2
(© H x 10%) mit Wasser gekocht‘
chloressigsaure Kali
wird, sich Chlorkalium und eine neue Säure bildet, die, wie R.
Hoffmann '') vermuthete, von Kekul&?) aber behauptet wird,
mit der von Strecker und Socoloff’) aus der Hippursäure
erzeugten Glycolsäure identisch ist, hoffte Hr. Heintz bei An-
wendung von Alkoholen an Stelle des Wassers neue Säurerei-
hen gewinnen zu können. Derselbe kochte jedoch nicht etwa
!) Annalen der Chemie u. Pharm. Bd. 102 S. 12.*
*) Ebenda Bd. 105 S. 286.*
?) Ebenda Bd. 80 S. 36.*
vom 11. August 1859. 555
Jirgend eins der Salze der Monochloressigsäure mit den Alkoho-
lien, weil dieselben schwer wasserfrei dargestellt werden können,
und daher die Gefahr vorhanden gewesen wäre, dals dieses Was-
}ser und nicht der Alkohol in die Zersetzung eingehen möchte,
in welchem Falle voraussichtlich nur Glycolsäure entstehen
könnte, sondern er stellte die Natriumalkoholate dar, löste diese
in dem entsprechenden Alkohol auf, und brachte nun auf zwei
Äquivalente zur Darstellung des Alkoholats angewendeten Na-
triums ein Äquivalent Monochloressigsäure hinzu. Die Mischung
erhitzte sich sehr stark, und es bildete sich namentlich durch an-
haltendes Erhitzen das gesammte Chlor der Monochloressigsäure
in Chlornatrium um. Hr. Heintz hat so die Natriumverbin-
dung des Methyl-, Äthyl-, Amyl- und Phenylalkohols diesem Zer-
setzungsprozesse unterworfen und in allen Fällen dieselbe Re-
action beobachtet.
In der Hoffnung, mit Hülfe des Natriummethylats aus der
Monochloressigsäure Milchsäure zu erhalten, hat Hr. Heintz
die Produkte, welche sich bei der Einwirkung dieser Körper auf
einander bilden, zuerst untersucht. Die dabei neben Chlorna-
trium entstehende Säure hat allerdings die Zusammensetzung der
Milchsäure, ist aber sowohl von der gewöhnlichen, als auch von
der Paramilchsäure durchaus verschieden. Sie wird dadurch rein
gewonnen, dals man nach möglichster Entfernung des Chlorna-
triums durch Alkohol die wässrige Lösung des Natronsalzes mit
schwefelsaurem Zinkoxyd eindampft, und das gebildete Zinksalz
aus dem Rückstande durch Alkohol extrahirt. Dieses Zinksalz
krystallisirt aus der wässrigen Lösung in ausgezeichnet schönen
und grofsen Krystallen, deren Form näher zu untersuchen sich
der Verfasser vorbehält. In Wasser sind sie leicht löslich. Die
Zusammensetzung derselben ist genau gleich der des paramilch-
sauren Zinkoxydes, welches jedoch bekanntlich nicht so schön
krystallisirt. Sie wird durch die empirische Formel C° H’ 0°
+ZnO-+2HO ausgedrückt.
Aus diesem Salze gelingt es leicht die Säure selbst darzu-
stellen. Die wässerige Lösung desselben kann nämlich durch
Schwefelwasserstoffgas vollkommen vom Zink befreit werden.
Die gewonnene Säure kann aber nicht von dem Wasser geson-
dert werden, ohne selbst zum grolsen Theil verflüchtigt zu wer-
556 Gesammtsitzung
den. Destillirt man die Flüssigkeit, so steigert sich der Koch-
punkt allmälig, bis er bei 198° C. constant wird. Nun destil-
lirt eine nicht ganz dünnflüssige, aber doch nicht eigentlich
syrupartige, farblose Flüssigkeit ab, welche einen sauren, der
Essigsäure etwas ähnlichen Geruch besitzt, und deren Zusam-
mensetzung, welche durch die Analysen ermittelt worden ist,
durch die Formel C° H° O® auszudrücken ist. Dafs die Säure
unverändert destillirbar ist, geht daraus hervor, dafs sowohl aus
dem wässrigen Destillat, als auch aus der destillirten reinen
Säure das schön krystallisirbare Zinksalz wieder hergestellt wer-
den konnte.
Sättigt man die Säure mit Baryt, so entsteht ein ebenfalls
krystallisirbares Barytsalz, das noch leichter in Wasser löslich
ist, als das Zinksalz, aber nicht, wie dieses, Krystallwasser auf-
nimmt. Es besteht aus C°#? 0°’ +ba0.
Diese Säure könnte ea Weise Methylglycolsäure sein,
der die rationelle Formel a B,H }o' angehören würde. Dann
mülste sich daraus, wenn sie mit überschüssigem, in Alkohol ge-
lösten Natronhydrat gekocht würde, glycolsaures Natron bilden.
Der Versuch lehrte aber, dals dem nicht so ist, dals vielmehr aus
dem erhaltenen Natronsalz das schön krystallisirende Zinksalz
mit Leichtigkeit wieder erhalten werden kann. Hr. Heintz
hat dieses so wiedergewonnene Salz analysirt, und seine Zusam-
mensetzung unverändert gefunden.
Hiernach ist also das Methyl in der Verbindung innerhalb
des Radikals enthalten, wie auch das Chlor in der Monochlor-
essigsäure, an dessen Stelle aber bei der Bildung der neuen
Säure 1 Äquiv. Methyl und 2 Äquiv. Sauerstoff getreten sind.
Dieser Umstände willen ist es wohl kaum zu bezweifeln, dafs
die Säure eine einbasische ist, wie die Monochloressigsäure.
Dem entsprechend enthalten die beiden bis jetzt untersuchten
Salze derselben auf sechs Äquivalente Kohlenstoff nur ein Äqui-
valent Metall, während sie neutral reagiren. Das Barytsalz ver-
ändert sogar nach einiger Zeit die rothe Farbe empfindlichen
Lakmuspapiers in ein schwaches Blau. Hr. Heintz schlägt
C5H>0% 9°)or)
vor, diese Säure, deren rationelle Formel hiernach (
sein würde, Methoxacetsäure zu nennen.
vom 11. August 1859. 557
Da die Methoxacetsäure flüchtig ist, so vermuthete Hr.
Heintz, dafs die aus den monochloressigsauren Salzen durch
Kochen mit Wasser entstehende Säure auch flüchtig sein möchte.
Der Versuch hat diese Vermuthung vollkommen bestätigt. Kocht
man monochloressigsaures Natron anhaltend mit Wasser in einem
Destillationsapparate, so geht ein saures Wasser über, das mit
Baryt gesättigt durch Verdampfen ein krystallisirbares Salz lie-
fert, welches die Zusammensetzung des glycolsauren Baryts be-
sitzt, nämlich durch die empirische Formel C* #? 0°’ +BaO
ausgedrückt werden kann. Da an der Glycolsäure die Eigen-
schaft der Destillirbarkeit noch nicht beobachtet worden ist, und
ebenso nicht angegeben ist, dals sie sauren Geruch besitzt, ob-
gleich man sie durch Abdampfen ihrer Lösung dargestellt hat,
so vermuthet Hr. Heintz, dafs die aus Hippursäure gewonnene
Glycolsäure von der aus der Monochloressigsäure dargestellten
verschieden ist, dals beide Säuren nur isomer sind. Er behält
sich vor, diese Vermuthung durch weitere Versuche zur Gewils-
heit zu erheben. Sollte sie sich bestätigen, so dürfte der Name
Oxacetsäure der passendste für die letztere Säure sein.
Behandelt man Natriumäthylat mit Monochloressigsäure, so
ist die Einwirkung ebenfalls sehr heftig. Es bildet sich Chlor-
natrium und ein in Alkohol lösliches Natronsalz einer organi-
schen Säure, Äthoxacetsäure, aus welchem sich das Zinksalz
erzeugen lälst, wie aus dem methoxacetsauren Natron. Dieses
Salz in Krystalle zu verwandeln, gelang jedoch Hrn. Heintz
nicht. Er hat es nur in Gestalt eines Syrups darstellen können.
Er erzeugte daraus deshalb mittelst Schwefelwasserstoff die freie
Säure, die wie die Methoxacetsäure mit den Wasserdämpfen flüch-
tig ist, und einen ähnlichen Kochpunkt hat, wie diese Säure.
Merkwürdiger Weise schien er niedriger zu sein, etwa bei
190° C. zu liegen. Indessen ist der Versuch bis jetzt noch mit
zu wenig Substanz ausgeführt worden, als dafs er entscheidend
sein könnte. Aus dieser destillirten Säure stellte Hr. Heintz
das Barytsalz dar, das jedoch erst, und zwar in nur sehr kleinen
mikroskopischen Krystallen krystallisirte, als die Flüssigkeit einen
dicken Syrup bildete, daher nicht durch Umkrystallisiren gerei-
nigt werden konnte. Aus der Alkohollösung schlug sich das-
selbe auf Zusatz von Äther in Form feiner, blättriger, perlmut-
558 Gesammtsitzung
terglänzender mikroskopischer Krystallchen nieder. Das so ge-
wonnene Salz war aber nicht rein, denn es lieferte durch Glü-
hen im Mittel 59,5 pC. kohlensauren Baryt, während das Baryt-
salz der Säure C®H° O®, die sich gebildet haben mulste, nur
57,43 pC. kohlensauren Baryt hinterlassen durfte. Hr. Heintz
vermuthet, dals der zur Darstellung dieser Säure benutzte Al-
.kohol nicht vollkommen wasserfrei war, und dafs deshalb etwas
Oxacetsäure der Äthoxacetsäure beigemengt war. Die angege-
benen Versuche lassen jedoch kaum noch einen Zweifel, dals
diese letztere Säure bei dem angegebenen Versuche gebildet
worden ist. Hr. Heintz ist im Begriff, in anderer Weise die
Reindarstellung der Säure zu versuchen.
Auch auf Natriumamylat wirkt die Monochloressigsäure leb-
haft ein. Es bildet sich ebenfalls Chlornatrium und das Natron-
salz einer gleichfalls mit den Wasserdämpfen flüchtigen Säure.
Hr. Heintz suchte die neue Säure, die Amoxacetsäure auf
dieselbe Weise zu reinigen, wie die Methoxacetsäure. Auf Zu-
satz aber von schwefelsaurem Zinkoxyd zu der wässrigen Lösung
des Natronsalzes fällt das Zinksalz als eine syrupartige Masse
nieder, die mit Wasser, worin sie jedoch nur schwer, nicht un-
löslich ist, gewaschen werden kann.
Wird das in sehr verdünntem Alkohol gelöste Zinksalz
durch Schwefelwasserstoff zersetzt, so entsteht die freie Säure,
die auf Zusatz von noch mehr Wasser zum Theil gefällt wird.
Sie ist eine ölartige Flüssigkeit, die bis jetzt noch nicht näher
untersucht ist. Das aus der mit den Wasserdämpfen destillirten
Säure gewonnene Barytsalz ist in Wasser nur schwer löslich,
weshalb es leicht gereinigt werden kann. Doch ist es nicht aus
der wässrigen Lösung krystallisirbar. Denn selbst beim freiwil-
ligen Verdunsten seiner Lösung bleibt es als eine weiche kle-
brige Masse zurück, die jedoch bei 100° C. getrocknet fest und
zerreiblich wird. Die Analysen des amoxacetsauren Baryts führ-
ten zu der Formel C'?H'?0° -+-BaO. Die Amoxacetsäure
selbst kann daher durch G'* H'* 0% ausgedrückt werden.
Läfst man Natriumphenylat auf Monochloressigsäure ein-
wirken, so geschieht dieselbe Umsetzung, wie in den anderen
Fällen. Das gebildete phenoxacetsaure Natron kann durch
Schütteln mit Wasser und Verdunsten im Wasserbade von dem
vom Al. August 1859. 359
überschüssigen Phenylalkohol getrennt werden. Die wässerige
Lösung dieses Salzes giebt mittelst Salzsäure einen ölartigen
Niederschlag, der sich in einer grolsen Menge heilsen Wassers
auflöst, und beim Erkalten dieser Lösung sich als ein Öl wieder
ausscheidet. Filtrirt man aber die Flüssigkeit, wenn sie etwa
20—25° C. hat und setzt man sie dann einer niederen Tempe-
ratur aus, so scheiden sich daraus lange, flache und sehr dünne
nadelförmige Krystalle aus, die auf dieselbe Weise umkrystalli-
sirt werden können. Diese Krystalle schmelzen schon, wenn
man sie der directen Sonnenwärme aussetzt, und sind destillirbar.
Die Analysen der von Hrn. Heintz dargestellten Säure lehren,
dafs dieselbe noch nicht rein war. Die gefundenen Zahlen lie-
gen in der Mitte zwischen den Formeln C'® H°® 0° und
C'°#'°0°. Hr. Heintz ist der Meinung, dafs sie aus einem
Gemisch dieser zwei Säuren besteht. Bekanntlich ist der nicht-
krystallirte, käufliche Phenylalkohol, der zu dem Versuche ver-
wendet wurde, ein Gemisch von dem eigentlichen Phenylalkohol
(C'?H° O0?) und dem Benzalkohol (C'*H? O°?). Aus erste-
rem mufste durch die Monochloressigsäure die Phenoxacetsäure
C'°H° 0°, aus letzterem die Benzoxacetsäure (C'® H'° 06)
entstehen. Hr. Heintz ist im Begriff, Versuche anzustellen,
um diese beiden Säuren von einander zu scheiden.
Nach diesen Versuchen ist es keinem Zweifel unterworfen,
dafs die Natriumverbindungen sämmtlicher Alkohole eine analoge
Wirkung auf die Monochloressigsäure äufsern werden. So lie-
fert die Reihe der Alkohole von der Formel C’H°+? O? Säu-
ren von der Formel C’*+* H"+* O°, die Reihe der Alkohole von
der Formel C°H°-° O? Säuren von der Formel C?+* H’-° 0%,
Es ist aber sicher vorauszusetzen, dals auch alle übrigen alkohol-
artigen Verbindungen in gleicher Weise behandelt die analoge
Umsetzung erleiden und zur Bildung neuer Reihen von Säuren
Anlafs geben werden.
Selbst wenn man die Natronsalz@ organischer Säuren mit
Monochloressigsäure erhitzt, bildet sich Chlornatrium. Ohne
Zweifel entstehen daneben ebenfalls neue organische Körper,
welche Hr. Heintz später zu studiren sich vorbehält. Bis jetzt
hat er nur geschmolzenes essigsaures Natron auf Monochlores-
sigsäure wirken lassen. Er hoffte auf diesem Wege Bernstein-
560 Gesammtsitzung
säure zu erhalten nach der Gleichung C* HB’E1O'-+(C'H’0O°
+Na0)=EINa+C°H° 0°. Allein diese Säure hat er in
den Produkten der Umsetzung nicht finden können, wohl aber
Oxacetsäure. Er behält sich vor den Vorgang bei dieser Um-
setzung so wie die physikalischen und chemischen Eigenschaften
der entdeckten, neuen Körper genauer zu studiren.
Hr. H. Rose theilte die Resultate einer Arbeit der Hrn.
Heintz und Wislicenus über die Gänsegalle mit. Die
einzigen bisher vorhandenen Untersuchungen derselben rühren
von Tiedemann und Gmelin und von Marsson her, lassen
aber die chemische Zusammensetzung ihrer wichtigsten organi-
schen Bestandtheile noch vollständig im Dunkeln.
Nach Abscheidung des in der Gallenflüssigkeit der Gänse
enthaltenen Schleimes mit dem gröfsten Theile der Farbestoffe
durch absoluten Alkohol, versetzten die Hrn. Heintz und Wis-
licenus die alkoholische Lösung mit Äther. Durch diesen wer-
den die Gallensalze pflasterartig gefällt, während Fette, und
zwar Glyceride vorwiegend flüssiger Fettsäuren, und ein weilser
in Nadeln krystallisirender, völlig neutraler, der Einwirkung von
Kalilauge und Salzsäure gleich vollkommen widerstehender
Körper gelöst bleiben. Letzterer tritt nur in sehr geringer
Menge auf.
Zur weiteren Reinigung des durch Äther gefällten gallen-
sauren Salzes wurde dasselbe mehrmals mit einer concentrirten
Glaubersalzlösung digerirt und gewaschen und nach dem Ver-
dampfen im Wasserbade durch absoluten Alkohol ausgezogen.
Durch wasserhaltigen Ather gefällt und längere Zeit sich selbst
überlassen ging es in eine aus kleinen rhombischen, sehr zer-
Niefslichen Tafeln bestehende Krystallmasse über, welche jetzt
frei von Schwefelsäure, Chlor und Kali war. Sie bestand der
Hauptsache nach aus dem Natronsalz der Taurochenocholsäure,
war aber noch mit dem Salze anderer Säuren gemengt. Eine
derselben wurde für sich erhalten, als der durch basisch essig-
saures Bleioxyd in der wässrigen Lösung des Natronsalzes ent-
standene Niederschlag durch Schwefelwasserstoff zerlegt, und die
vom 11. August 1859. 561
durch Abdampfen der von dem Schwefelblei abfiltrirten alkoho-
lischen Lösung gewonnene feste Säure mit Wasser behandelt
wurde. Die Taurochenocholsäure löst sich in demselben auf,
während eine der Paracholsäure in Krystallform und Reactionen
durchaus ähnliche weilse Masse zurückbleibt. Ob dieselbe mit
der Paracholsäure aus der Ochsengalle identisch, oder der Gänse-
galle eigenthümlich ist, konnte wegen Mangels an Material nicht
ermittelt werden.
Die auf oben beschriebene Weise dargestellte Taurocheno-
cholsäure zersetzten die Hrn. Verf. durch Kochen mit einem
grolsen Überschusse an Barythydrat und gewannen so als die
beiden Hauptspaltungsprodukte Taurin und Chenocholal-
säure, eine eigenthümliche, in Wasser und Äther unlösliche,
schwer und dann nur in undeutlichen Formen krystallisirbare
Säure, welche mit Kali ein in Wasser lösliches, mit den alkali-
schen Erden und den Metalloxyden nur in Alkohol einigermalsen
leicht lösliche Salze giebt. Das Barytsalz bildet, aus der alko-
holischen Lösung durch Äther niedergeschlagen, nach einigem
Stehen kleine glänzende Krystallnadeln, deren Analyse in Verei-
nigung mit zwei Elementaranalysen der freien Chenocholalsäure
für diese die Formel C,,#,,0, ergab. Die Chenocholalsäure
ist danach der Hyocholalsäure homolog und unterscheidet sich
von dieser durch ein Mehr von C,H..
Sobald sie wieder mit neuem Materiale in gröfseren Men-
gen versehen sind, beabsichtigen die Hrn. Heintz und Wis-
licenus die vorliegende Untersuchung von Neuem aufzunehmen
und nach anderen Seiten hin auszudehnen.
Hr. Pertz machte der Königl. Akademie folgende Mitthei-
lungen:
1) Die Denkschrift über den Versuch der Genuesen The-
disius Doria und der Brüder Vivaldo zur Eröffnung des See-
weges nach Östindien im Jahre 1291, welche ich der Akademie
im verflossenen April mittheilte, hat auch aufserhalb Deutsch-
lands, in England, Frankreich und natürlich am meisten in Ge-
nua Aufmerksamkeit erregt. Der gelehrte und verdiente Ver-
562 Gesammitsitzung
fasser der Storia civile mercantile e letteraria dei Genouesi, Hr.
Michel Giuseppe Canale in Genua, schrieb mir deshalb
und benachrichtigte mich, dafs er in den Notariatsacten des
Genuesischen Archivs unter anderen Schriftstücken, welche sich
auf Thedisius Doria beziehen, eine Verhandlung vom 26. März
1291 gefunden habe, worin der ihm zugehörigen beiden Gale-
ren Erwähnung geschieht; die eine derselben hiels Sant Antonio,
die andere Allegrancia. In einem zweiten Schriftstücke werden
die verschiedenen Rheder der Galeere Allegrancia benannt. Hr.
Canale macht dabei mit Recht bemerklich, dafs der Name Al-
legrancia auch der einer der Canarischen Inseln sei. Es ist nämlich
die nördlichste von Lanzeroto aus, zwar eine der kleinsten aber
doch nicht die kleinste, und gerade diejenige, welche den von
Norden her kommenden Seefahrern wahrscheinlich zuerst zu
Gesicht kam. Es kann daher nicht bezweifelt werden, dafs sie
ihren Namen von den Genuesischen Seefahrern im Jahre 1291 -
erhielt, mithin diesen die Entdeckung der Canarischen Inseln
nun mit Bestimmtheit zugeschrieben werden darf. Ich füge
hinzu, dafs Lanzeroto dem in der Chronik des Doria erwähnten
Gozzola gegenüber liegt.
2) Bei meiner letzten Anwesenheit in London habe ich die
Handschrift desGraniusLicinianus wieder angesehen. Die Blät-
ter befinden sich in ungefähr demselben Zustande, wie ich sie
im Jahr 1855 verliels, nur mit dem Unterschiede, dafs sie von
der Syrischen Schrift gereinigt, und nach Sir Frederick Mad-
dens Anordnung sorgfältig geebnet und geprelst sind. Hin
und wieder zeigen sie die dem Pergament unschädlichen Spu-
ren eines leichten kalkigten Anfluges, als Folge der An-
wendung des Ammonium sulphuratum. Die über den Zustand
der Blätter verbreiteten Gerüchte sind also, wie ich nach mei-
ner Kenntnils der Wirkungen des chemischen Reagens stets
überzeugt war und gesagt habe, leeres Gerede. Dagegen ist
die durch den verewigten Ellis gemachte Erwartung, dafs
noch weitere Blätter aufgefunden werden würden, unerfüllt
geblieben, wenngleich weitere Erwerbungen aus dem Orient
vielleicht künftig dazu führen können.
vom 11. August 1859. 563
Hr. Weber legte eine Mittheilung des Prof. W.D. Whit-
ney in New-Haven, Connecticut, vor, vom 21. Juli, betreffend
die in dem nächsten Bande (VI) des Journal of the Amer.
Orient. Soc. zu erwartende Übersetzung des Süryasiddhänta.
„Ich hoffe, dafs unser Werk ') sich als ein werthvoller
Beitrag zu einem vollen Verständnils der indischen Astronomie
erzeigen wird, werthvoller als irgend einer der bis jetzt erschie-
nen ist. Sie werden bald selbst darüber urtheilen können, denn
wir sind eben im Begriff die erste Hälfte (Cap. I—IM.) mit
einigen andern Artikeln als den ersten Theil unsers sechsten
Bandes zu publiciren. — Alle Ihre allgemeinen Schlüsse in
Bezug auf den Ursprung der astronomischen Wissenschaft
bei den Indern stehen sämmtlich fest. Ich kann mir nicht
denken, dals fortab jemand etwa noch sollte zweifeln kön-
nen, dals sie aus Griechenland stammt („/ do not see how
any one can fail to acknowledge henceforth that it came
from Greece”): aber sie ist auch vor-Ptolemäisch, oder aulser-
Ptolemäisch. Ptolemaeus selbst — dies scheint mir sicher —
hat nichts zu ihr beigetragen. Ich bin übrigens nicht gemeint,
den Gegenstand der indischen Astronomie mit diesem Siddhänta
fallen zu lassen. Ich besitze eine Handschrift der Cäkalya-
Samhitä und ein oder zwei gedruckte Siddhäntas, und werde
meine Untersuchungen von Zeit zu Zeit wieder aufnehmen. Zu-
nächst indessen kommen meine Arbeiten über die Präticäkhya,
Prof. Hall ist auf seiner Rückreise von Indien und wird in die-
sem Monat erwartet. Er bringt mir eine accentuirte Hand-
schrift der Taittiriya-Samhitä, und so hoffe ich das Taittiriya-
Präticäkhya nach dem des Atharvan aufnehmen zu können.
Was Prof. Hall für die Zukunft für Pläne hat, weils ich nicht,
hoffe aber er bleibt bei uns in Amerika. In diesem Falle wür-
den wir etwas von einer Schule der Indischen Philologie auch
auf unserer Seite des Oceans haben können: jedenfalls bringt er,
wie ich vermuthe, eine werthvolle Sammlung von Sanskrithand-
schriften mit sich.”
') Die Übersetzung rührt ursprünglich von einem amerik. Missionar,
E. Burgess, her, hat indessen bei der Herausgabe eine wesentliche Um-
formung erfahren müssen. A, Ne
564 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 15. August 1859.
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Bartholomäus’ v. Sct. Aegidius Chronik von Prag. Herausg. v. C. Höf-
ler. Prag 1859. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Dr. W. R.
Weitenweber, Secret. der K. Böhmischen Gesellschaft der Wis-
senschaften, d. d. Prag 20. Juli 1859.
Drian, Aime, Observations meteorologiques faites a 9 heures du malin
a l’Observatoire de Lyon du 1. Dec. 1855 au 1. Dec. 1857. 3.
Fournet, Nouvelles observations sur le bleuissement des astres. (Mem.
presente A l’Acad. de Lyon, 5. Avril 1859.) 8.
Resume des observations recueillies en 1858, dans le bassin de la Saone
par les soins de la Commission hydrometrique de Lyon. 15e annee. 8.
Lamont, J., Magnetische Untersuchungen in Word- Deutschland, Bel-
gien, Holland, Dänemark. München 1859. 4.
Mattucci C., e R. Piria, Z/ nuovo cimento. Giornale de fisica, di chi-
mica e scienze affıni. Tom. 1X. 1859 Mai und Juni. 1. Heft.
Der vorgeordnete Hr. Minister Excellenz genehmigt unter
dem 8. d. M. eine Ausgabe von 120 Rthlr. für 10 Exemplare
von der Schlufslieferung des White Yajurweda aus den Mitteln
der Akademie.
Die Akademie erwählte die Hrn. Charles Hermite in
Paris, Riemann in Göttingen und Ro senhain in Königsberg
zu correspondirenden Mitgliedern in der physikalisch - mathemati-
schen Klasse.
15. August. Sitzung der philosophisch-hi-
storischen Klasse.
Hr. W. Grimm las über eine Thierfabel bei Ba-
brius.
18. August. Gesammitsitzung der Akademie.
Hr. J. Grimm las über das Alter.
Gesammtsitzung vom 18. August 1859. 565
Hr. Magnus theilte im Anschluls an einen früheren Be-
richt vom 25. October 1847 über die von Hrn. H. Knoblauch
entdeckte und in ihren Gesetzen verfolgte Beugung der
Wärmestrahlen neuere Untersuchungen desselben Verfassers
über die in abwechselnd warmen und weniger warmen Stellen
sich darstellende Interferenz der Wärme mit.
Hr. Knoblauch hat Gangunterschiede beobachtet, die auf
vier verschiedene Weisen hervorgebracht waren.
1. Gangunterschied durch ungleiche Wegeslängen
in einem und demselben Medium.
Die von einem Heliostaten reflectirten, durch einen Spalt
‘von 4 bis 6 Millimetern Weite in ein finsteres Zimmer eintre-
tenden, Sonnenstrahlen fielen in 2,3 Meter Abstand vom Fen-
ster auf ein Glasgitter, hinter dem eine achromatische Glaslinse
aufgestellt war. Wurde eine quadratische Thermosäule (deren
vordere Öffnung durch Flügel enger oder weiter gemacht wer-
den konnte) in ungefähr 0,5 Meter Entfernung von der Linse
durch die auf solche Weise entstehenden Interferenz-Spectra
hindurchgerückt, so zeigten sich, je nach der Feinheit des Git-
ters, an dem mit der Säule verbundenen Multiplicator, Ablen-
kungen von 2,15° bis 18,5%, wenn die Säule in das mittlere
weilse Feld eintrat. Die Multiplicator-Nadel kehrte auf ihren
Nullpunkt zurück, wenn sich das Thermoscop im schwarzen Strei-
fen zur Rechten oder Linken dieser Mitte befand. Sie stellte
sich aber wieder auf 0,6° bis 0,7°, sobald das Instrument auf der
einen oder andern Seite in das nun folgende erste Farben-
spectrum eingerückt wurde. Bei sehr feinen Gittern war auch
die kältere Stelle zwischen dem ersten und zweiten Spectrum
mit Sicherheit nachweisbar.
Am reinsten war die Erscheinung bei fein geritzten Berg-
krystall-Platten, hinter denen die Angabe des Thermomultiplica-
tors für die weilse (2,5”” breite) Mitte 2°, im dunkeln (9,0
breiten) Streifen neben derselben 0°, im ersten (8,5"” breiten)
Spectrum 1,25°, im zweiten (1,25”” breiten) dunkeln Streifen 0°
und im zweiten (15,0”” breiten) Spectrum 0,37° betrug.
Die höchsten Intensitäten wurden erhalten, als der Verfas-
ser, um die Absorption der durchstrahlten Medien möglichst zu
[1859.] 40
366 Gesammtsitzung
vermindern, sowohl ein Steinsalzgitter als auch eine Steinsalz-
linse zu den Versuchen anwandte. Bei einem solchen Gitter
(welches 600 Linien auf den Zoll enthielt) betrug die Ablen-
kung für die Mitte 31,0° und für das erste Spectrum 1,5°,
welche beide durch eine kältere Stelle, der eine Ablenkung von
0,3° entsprach, getrennt waren. Bei einem feineren Gitter wurde |
für die Mitte eine Ablenkung ven 17,25° für das erste Spectrum
von 3,5° beobachtet, zwischen beiden nur 0,5%. Die beim
Steinsalz an den dunkeln Stellen bleibenden Ablenkungen rüh-
ren von einer bei diesem Material unvermeidlichen Diffusion der
Strahlen her.
Da die angeführten Temperaturunterschiede auch dann nach-
weisbar waren, wenn die Thermosäule beim Hindurchrücken
eine gleiche Weite behielt oder selbst wenn sie in den dunkeln
Stellen den Strahlen eine gröfsere Öffnung zukehrte als in den
hellen, so sind jene Angaben sicher nicht zufälligen Nebenwir-
kungen zuzuschreiben.
Es war aus diesen Versuchen zugleich ein neuer Beleg für
die Ausbreitung der Wärmestrahlen durch Beugung zu entneh-
men. Denn während die sie einschlielsenden Grenzen ohne
Gitter an dem Orte der Messung z. B. 2,5 Millimeter von ein-
ander abstanden, waren, nach dem Einsetzen des Gitters, in
einer Entfernung von 300 Millimetern auf jeder Seite von der
Mitte, d. h. also an Stellen, die von einander um 600 Milli-
meter entfernt waren, die äulsersten Wärmegrenzen noch nicht
erreicht.
2. Gangunterschied bei gleichen Wegeslängen in
Folge des Durchgangs durch einen Körper von
ungleicher Dicke.
Nachdem Interferenz- Streifen dadurch dargestellt worden,
dals an Stelle des Gitters ein Interferenz-Prisma und an Stelle
der achromatischen oder Steinsalzlinse eine cylindrische Glas-
linse in den Gang der Sonnenstrahlen eingeschaltet worden und
auch in diesem Falle die Thermosäule aufs Entschiedenste die
dunkeln Stellen von den benachbarten hellen durch eine Ablen-
kung von 0,25° gegen 1,25° am Multiplicator unterschieden hatte,
vom 18. August 1859. 667
wurde ein etwas conischer Glasstreifen hinter dem Interferenz-
prisma eingeschoben, dergestalt, dals die durch eine Hälfte des-
selben hindurchgegangene Wärme eine andere Glasdicke als die
durch die andere Hälfte des Prismas hindurchgelassene zu durch-
strahlen hatte. Durch diesen Vorgang trat eine Verschiebung
der Interferenzstreifen ein, welche sich am Thermomultiplicator
entweder dadurch nachweisen liels, dafs die ursprünglich auf das
Wärme-Maximum eingestellte Thermosäule beim Einschalten jenes
Glases sofort eine Temperaturerniedrigung erlitt oder dadurch,
dals die auf die kälteren Streifen eingestellte Säule, in Folge des
Fortrückens dieser Streifen, eine Temperaturerhöhung anzeigte,
welche letztere um so bezeichnender ist, als ihr durch die Ab-
sorption des eingeschalteten Glases entgegengewirkt wird. Der
Einfluls der ungleichen Dicke des durchstrahlten Glases ist also
in Betreff der Interferenz ein solcher, dals dadurch Stellen käl-
ter werden, welche sonst wärmer sein würden, und umgekehrt.
3. Gangunterschied durch ungleiche Reflexionen.
Werden, nach dem Prinzip der Darstellung Newton’scher
Ringe, die Sonnenstrahlen von einem an der Unterfläche con-
vexen Flintglase und einem darunter befindlichen Planglase, wel-
ches zur Hälfte aus Flint-, zur andern aus Crown-Glas besteht,
'zurückgeworfen, während zwischen ihnen eine Flüssigkeit einge-
schaltet ist, welche, wie Nelkenöl, schwächer brechend als Flint-,
aber stärker brechend als Crownglas ist, so gelangen die Strah-
len in dem einen Falle aus der stärker brechenden Substanz zu
der schwächer brechenden, dann aber wieder zu der stärker bre-
chenden; während sie in dem andern Falle beide Male von dem
stärker brechenden Medium auf das schwächer brechende treffen.
Wird die Interferenz-Erscheinung, welche optisch sich so dar-
stellt, dals dort ein Ringsystem mit schwarzer, hier ein Ring-
system mit weilser Mitte erscheint, mittelst einer Linse auf
einem Schirm objectiv gemacht, und tritt alsdann die Thermo-
säule an die Stelle dieses Schirms, so findet man in dem einen
Centrum die Temperatur so niedrig, dafs die Multiplicator-Nadel
nur um 0,5° abgelenkt wird, in dem andern dagegen so hoch,
dals eine Abweichung von 3° erfolgt. Ähnliches wie beim Nel-
40*
568 Gesammtsitzung
kenöl zeigt sich bei Lorbeer-, Anis-, Calmus- und Cassia-Öl,
wogegen bei Lavendel-, Bergamott-, Citronen-Öl u. s. w. wie
bei Wasser oder Luft, weil ihr Brechungsverhältnifs auch schwä-
cher als das des Crownglases ist, beide Centra eine gleich nie-
drige Temperatur haben.
Wird die Doppelplatte aus Flint- und Crownglas mit einer
von gewöhnlichen Spaltungsflächen begrenzten, Kalkspathplatte
vertauscht, so erhält man, unter Anwendung der erstgenannten
Öle, deren Brechungsverhältnils zwischen dem der ordentlichen
und aufserordentlichen Strahlen im Kalkspath liegt, auch zwei
Gruppen von Interferenz-Erscheinungen, welche jedoch nur von
einander zu trennen sind, indem man ein Nicol’sches Prisma
zwischen dem Interferenz-Apparat und der Thermosäule ein-
schaltet. In dem einen Falle wurde (der schwarzen Mitte ent-
sprechend) eine Ablenkung von 0,25°, im andern (entsprechend
der weilsen Mitte) eine Abweichung von 2,5” beobachtet, je
nachdem der Hauptschnitt des Nicol’schen Prismas und der des
Kalkspatbrhomboeders um 90° gekreuzt oder einander parallel ge-
richtet waren. Das Centrum der Ringe hatte bei jeder Stel-
lung des Nicols dieselbe niedrige Temperatur, wenn zwischen
dem convexen Flintglase und dem Kalkspath eine derjenigen
Substanzen eingeschaltet wurde, deren Brechungsverhältnifs ge-
ringer als das der aulserordentlichen Strahlen im Kalkspath ist.
4. Gangunterschied durch ungleiche Geschwindig-
keit doppelt gebrochener Strahlen.
Zur Darstellung geradliniger Streifen mittelst Doppelbre-
chung im Polarisationsapparat eignen sich am besten zwei, den
natürlichen Pyramidenflächen parallel geschnittene, Bergkrystall-
platten, welche so über einander gelegt werden, dafs ihre Haupt-
schnitte einen Winkel von 90° mit einander bilden und die
zwischen einen Glassatz und Turmalin oder Glassatz und Nicol
eingeschaltet werden. Eine Linse liefert diese Streifen objectiv
auf einen auffangenden Schirm oder die Thermosäule.
Von besonderem Interesse erschien es, auf diesem Gebiete
auch die Qualität der aus der Interferenz hervorgehenden Wär-
mefarben zu untersuchen. Diese darzustellen, wurde ein Gyps-
blättchen zwischen zwei Nicol’schen Prismen (von 85”” Länge
vom 18. August 1859. 569
und 42”" Durchmesser) angebracht. Die Prüfung selbst ge-
schah mittelst diathermaner Körper, z. B. farbiger Gläser, wel-
che der Reihe nach vor der Thermosäule aufgestellt wurden.
Die Beobachtung ergab, dals die durch den Polarisations-Apparat
und Gyps hindurchgegangenen Wärmestrablen bei gleicher
Quantität in verschiedenem Grade die Fähigkeit besitzen, eine
und dieselbe diathermane Substanz zu durchdringen, je nachdem
die Hauptschnitte des polarisirenden und analysirenden Nicols
einander parallel oder rechtwinklig gekreuzt sind und dafs beide
Strahlengruppen sich von derjenigen unterscheiden, die bei einer
Neigung der Nicols von 45° gegen einander auftritt und welche
den Übergang der einen Wärmefarbe in die ihr complementaire
bildet.
Hr. Ehrenberg machte hierauf eine Mittheilung über durch
Hrn. Premierlieut.a. D. Siemens vermittelte und ihm mitgebrachte
Proben des Tiefgrundes im Rothen Meere bis zu
2766 Fuls Tiefe, welche der Commandeur des englischen
Kriegsschiffs Cyclops, Capit. Pullen, mit wissenschaftlicher
Sorgfalt bei seinen Tiefmessungen gehoben hat. Diese 10 später
weiter zu analysirenden Proben haben bereits erkennen lassen,
dals das, keinen Fluls aufnehmende, Rothe Meer durch drei Eigen-
thümlichkeiten in seinem Tiefgrunde sehr ausgezeichnet ist. Es
fehlen seinen Bodenverhältnissen, bei grolsem Reichthum an
kalkschaligen kleinen Lebensformen die kieselschaligen Polygastern
in sehr auffallender Weise, ferner fehlen in diesen Tiefen sehr
auffallend noch alle Polycystinen, welche bei Zankebar erst in
weit grölseren Tiefen im indischen Ocean überwiegend masse-
bildend sind (s. S. 560) und am interessantesten dürfte der Reich-
thum an meist mikroskopisch kleinen Mollusken oder Pteropoden
der im vorigen Jahre hier begründeten Gattungen Brachyspira
samt Pleurospira und an Dentalium sein, indem die ersteren zur
Erläuterung der Petersburger untersilurischen Panderellen (s. Mo-
natsber. 1858 p. 336) einen bemerkenswerthen Anhalt geben.
570 Gesammtsitzung vom 18. August 1859.
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Württembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. Jahrg. 15. Heft 3.
Stuttgart 1859. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Prof. Dr. F
Kraufs, d. d. Stuttgart 25. Juli 1859.
The American Journal of science and arts by Silliman and Dand
Vol. XXVIII. Second series. No. 82. July 1859. New Haven
1859. 8.
Corssen, W., Über Aussprache, Vohalismus und Betonung der Latei-
nischen Sprache. Band 2. Leipzig 1859. 8.
Lachlan, R., A paper and resolutions in advocacy of the establishment
of a uniform system of meteorolog. observations Ihroughout the
whole American continent. Cincinnati, O.: 1859. 8.
Weber, A., The white Yajurveda. Part III. no. 6. 7. Berlin 1859. 4.
van Kessenich, le baron J. A. H. Michiels, De la musique (suite).
Biuuremonde 1859, 8. ,
Nachtrag.
Die Aristolochiaceae
des
Berliner Herbariums
von Fr. KLOTzscn.
Mit den lithographirten Tafeln I. und I.
(Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse vom 2. Mai 1859.)
Zu Carl von Linn@’s Zeiten existirten nur die von Tourne-
fort aufgestellten und von Linn, dem älteren, in Bezug auf die
wesentlichen Unterscheidungskennzeichen genauer präcisirten bei-
den Gattungen Asarum und Aristolochia, welche gegenwärtig
die natürliche Ordnung oder Familie der Aristolochiaceen be-
gründen.
Erst Anfangs dieses Jahrhunderts kam die von Loureiro
aufgestellte Gattung Bragantia, und kurze Zeit darauf die Gat-
tung Thotlea durch Rottböll hinzu.
Während nun die beiden zuletzt genannten Gattungen, we-
nigstens für die erste Zeit, ohne Zuwachs an neuen Arten blie-
ben, wurden die Gattungen Asarum und Aristolochia von Jahr
zu Jahr artenreicher.
Die Gattung Asarum, welche schon in ihrem habituellen
Charakter sehr conform erscheint, überträgt denselben auch auf
die wesentlichen Kennzeichen, die von Tournefort und Linne
richtig erkannt und mit ziemlicher Genauigkeit in ihren Veröf-
fentlichungen angegeben wurden. Darum kamen keine hetero-
genen Arten hinein, und diese Gattung erhielt sich in ihrer ur-
sprünglichen Integrität.
Nicht so verhielt es sich mit der Gattung Aristolochia, die
von Haus aus in den Unterscheidungsmerkmalen unausreichend
charakterisirt war. Diese Gattung, welche gegenwärtig eine
ganze Tribus der Aristolochiaceen umfalst, konnte zu einer Zeit,
in welcher die Species nur nach der Blattform und nach der
Inflorescenz unterschieden wurden, und die, wie ich gefunden
572 Nachtrag.
habe neben habitueller Übereinstimmung, sehr oft in den we-
sentlichen Kennzeichen grolse Verschiedenheiten darbietet, kaum
genau festgestellt werden; zumal, als man zu jener Zeit noch
gar keine Idee von einer geographischen Verbreitung der Pflan-
zen hatte, die erst später durch A. v. Humboldt in einer eben
so genialen, als fruchibringenden Weise für die Systematik in’s
Leben gerufen wurde. Schon zur Zeit des Linn& war die
Gattung Aristolochia eine Sammelstätte von Arten, die verschie-
denen Gattungen angehörten. Auf diesen Umstand machte zu-
erst Rafinesque in seiner medical Flora, die im Jahre 1828
in Philadelphia erschien, aufmerksam. Er sagt: die Gattung
Aristolochia erfordert eine durchgreifende Umgestaltung. So
wie sie jetzt dasteht, gleicht sie eher der Repraesentation einer
Familie als der einer Gattung. Er trennt nur drei Gattungen
ab, und bringt den Rest der Arten von Aristolochia in 2 Un-
tergattungen, deren erstere er Glossula nennt und durch ein-
lappige zungenförmige Blüthen charakterisirt. Die zweite Un-
tergattung nennt er Pistolochia und charakterisirt sie durch
eine 2-lippige oder rachenförmige Blüthe. Von den drei neu
aufgestellten Gattungen bezeichnet Rafinesque die erste
als Siphisia, durch einen regelmälsig dreilappigen Blüthensaum
charakterisirt, zu der derselbe Aristolochia Sipho, A. tripteris
und Ä. tomentosa zieht. Die zweite nennt er Endodeca,
schreibt ihr 12 Staubgefälse zu, und zieht Aristolochia dode-
candra, eine nirgends publicirte Art, und fraglich Bigelow’s
A. Serpentaria hierher. Die dritte Gattung, zu der er Aristo-
lochia pentandra Jacg. als Typusspecies citirt und die er Ei-
nomeia nennt, charakterisirt er durch 5 Staubgefälse und eine
fünffächrige Kapsel.
Wenn der Werth eines geordneten Herbariums schon den
Vortheil gewährt, dals er bei der Bestimmung von Gattungen und
Arten, durch Vergleichung der Originalexemplare, in höchster
Instanz entscheidet, so tritt dieser Vortheil, den grolse Samm-
lungen bieten, noch deutlicher hervor, wenn es sich darum han-
delt, dieselben für monographische Arbeiten zu benutzen, Hier
gilt der Satz: je mehr und je vollständigeres Material, um so
gründlichere und tiefere Einsicht ist dem aufmerksamen Beob-
achter in die Gesetze der Natur gestattet.
Nachtrag. 573
°
Wie im gegenwärtigen Falle, bei den Aristolochiaceen,
ereignet es sich auch bei anderen Pflanzengruppen, dafs man
vor der Bearbeitung keinerlei Anhalten dafür hat, welcher Cha-
rakter beständig und welcher es nicht sein wird; denn nur die-
jenigen Kennzeichen sind constant, welche sich als solche be-
währen und um dies zu erfahren, ist es nöthig ein grölstmög-
liches Material nach allen Richtungen und Beziehungen zu er-
forschen. Hierdurch eben stellt sich das Wesentliche vor dem
Unwesentlichen heraus und man wird überzeugt von dem, was
man als Unterscheidungsmerkmale für die Classification benutzen
oder unbenutzt lassen kann. Ebenso, welche Kennzeichen in
erster, zweiter, dritter und vierter Reihe Anwendung finden.
Nicht die Beschaffenheit des Pflanzentheiles oder Organes ist es,
das für die Classification herangezogen zu werden verdient, son-
dern lediglich die Beständigkeit desselben.
Bei den Aristolochiaceen war weder die Entwicke-
lungsgeschichte, noch der Werth der Organe, welcher die Clas-
sification beeinflulst hinreichend erkannt und es mulste daher
beides erst erforscht werden.
Diese Entwickelungsgeschichte ergiebt nun, dals das, was
man sonst als Perigonium bezeichnete ein wirklicher Kelch ist;
denn derselbe tritt als äulserster Kreis bei der frühesten Ent-
wickelung in Form von 3, 5 oder 6 gesonderten Hökern auf,
welche den Staubgefälsen einzeln oder paarweise opponiren und
erst später sich zu einer Röhre vereinigen; nachher erscheinen
die Staubgefälse in einem zweiten Kreise und zuletzt entwickelt
sich der hervorragende Theil des Stempels im dritten Kreise,
welcher das Centrum einnimmt.
Es stellt sich ferner heraus, dals wir es hier mit einer wirk-
lich apetalen Ordnung, wie sie auch von Robert Brown schon
bezeichnet wurde, zu ihun haben, die einen verwachsenen Frucht-
knoten mit Wandplacenten besitzt, bei denen die Scheidewände,
die ursprünglich nur Stiele der Wandplacenten waren, sich erst
später zu einer 4—5—-6fächrigen Frucht vereinigen, unächte
oder falsche sind.
Als wichtigste Kennzeichen für die Begrenzung der Ari-
stolochiaceen gelten diese Wandplacenten; die um-
gewendeten Eichen; die gynandrischen Staubge-
574 Nachtrag.
fälse, welche sich nur ın den Gattungen Asarum und Hetero-
tropa von dem Griffelsäulchen gleichsam zu sondern versuchen;
die mit einem fleischigen Endosperm versehenen Sa-
men, an deren Spitze der sehr kleine kurze Embryo
liegt; ferner die apetalen Blüthen; die klappige Knos-
penlage des Kelchsaumes und die nach aufsen auf-
springenden Staubbeutel.
Als Kennzeichen zweiten Ranges, welche zur Begrenzung
der Tribus sich eignen, tritt die Beschaffenheit des Grif-
els hervor, der entweder fest oder hohl ist; ferner
die Narbe, welche entweder scheibenförmig, strah-
ig und im Centrum geschlossen oder aus aufrecht-
stehenden oder zusammenneigenden Lappen besteht,
welche im Centrum eine Höhle bilden, die einen of-
fenen Kanal in das Innere des Fruchtknotens ver-
mittelt.
Als Kennzeichen dritten Ranges zur Begrenzung von Sub-
tribus kommen die Staubgefälse in Betracht, nament-
lich in Bezug auf ihre Stellung, Anheftungsweise
und auf das Zahlenverhältnils derselben zur Narbe
und deren Abschnitte.
Als Kennzeichen vierten Ranges zur Begrenzung der Gat-
tungen ist das Zahlenverhältnils sämmtlicher wesent-
licher Blüthenorgane malsgebend. Die Form des Kel-
ches, die an Mannigfaltigkeit Alles übertrifft, was man inner-
halb einer Familie beobachten kann, dient nur zur Begrenzung
von Gattungssectionen. In Folge dieser Auseinandersetzung wird
man in den Stand gesetzt den Werth der von Rafinesque
aufgestellten neuen Gattungen und Untergattungen zu beur-
theilen.
Seine Gattung Siphisia würde keinen Anspruch auf die Be-
gründung einer neuen Gattung besitzen, basirte sie, wie die
Angabe lautet, lediglich auf dem regelmälsig dreilappigen Kelch-
saum. Allein es treten zwei andere Momente hinzu, die nicht
nur dafür sprechen, das der Rafınesquesche Name, sondern auch
die Gattung selbst fortbestehen mufs. Der Name mufs bleiben,
weil die von Rafinesque zu Sipkisia citirten drei Arten einen
übereinstimmenden Geschlechtsapparat besitzen, der sich zur Be-
Nachtrag. 575
gründung einer Gattung eignet, ferner weil er beständig ist und
sich auch bei einigen ostindischen Aristolochien, so wie bei einer
nordamerikanischen Form, wenngleich mit anderer Kelchform
und habituellen Abweichungen, wiederholt.
Was Rafinesque unter seiner Gattung Endodeca ver-
stand, ist eher zu vermuthen, als mit Bestimmtheit nachzuweisen.
Einmal trifft der von Rafinesque gegebene Charakter, wo-
nach sich 12 Staubgefälse bei Endodeca finden sollen, nicht zu;
ja in der ganzen Aristolochieengruppe ist kein Dodecandrist an-
zutreffen. Auf der anderen Seite ist nicht abzuleugnen, dafs es
Zeichner sowohl, als Botaniker gegeben hat, und noch giebt,
die es versuchten die vierklappigen Staubbeutel als zweifächrige
Antheren, die dicht neben einander gestellt sind, darzustellen.
Drittens kömmt hier in Betracht, dals die von ihm herangezo-
gene Endodeca dodecandra eine durchaus unbekannte Pflanze ist
und es frägt sich sehr, ob Aristolochia Serpentaria Bigelow
von A. Serpentaria L. wirklich generische Unterschiede zeigt,
auch ob er überhaupt berechtigt war, die Linn£ische Art zu sei-
ner Untergattung Glossula und die Bigelow’sche Art, wenn schon
nur fraglich zu Endodeca zu bringen.
Vergleicht man die beiden Abbildungen der A. Serpentaria,
welche Bigelow und Barton gegeben haben, so drängt sich
einem die Wahrscheinlichkeit auf, dafs diese beiden Darstellun-
gen verschiedenen Arten angehören, doch einen generischen Un-
terschied vermag ich nicht zu entdecken. Aulserdem zeigt die
Analyse des Geschlechtsapparates von Aristolochia Serpentaria,
Endodeca Berlandieri und A. brevipes in Übereinstimmung mit
den beiden besprochenen Abbildungen eine sechslappige Narbe,
während bei Siphisia eine dreilappige Narbe charakteristisch ist.
Ich habe mich in Folge dieser sorgsamen Erwägungen ver-
anlalst gesehen, Endodeca auf diejenigen nordamerikanischen Ari-
stolochiaarten zu beschränken, welche die Schlangenwurzel des
Handels liefern und deren Artenzahl von Rafinesque auf ein
halbes Dutzend veranschlagt wird, während ich auf der anderen
Seite beflissen war den Gattungscharakter in jeder Beziehung zu
befestigen.
Aristolochia pentandra Jacg., auf Grund welcher Rafi-
nesque seine Gattung Einomeia aufstellte, deren Namenstamm
576 Nachtrag.
zu enträthseln, mir nicht gelungen ist, besitzt in der Form des
Kelches nichts auffälliges, das auf eine generische Verschieden-
beit von der echten Aristolockia schlielsen läfst. Bei ihr ist
aber die Fünfzahl der Geschlechtsorgane eine normale und con-
stante, Nicht nur Aristolochia pentandra, sondern auch noch
zwei andere, von mir hierher gezogene Arten, welche zum Theil
aus Mexico, zum Theil aus Westindien stammen, besitzen eine
5-lappige Narbe, 5 Staubbeutel, 5 Wandplacenten und eine 5-
fächrige kurz birnenförmige Kapsel. Sie machen gegenwärtig
die Gattung Einomeia Rafinesque aus.
Was jedoch die Untergattungen Glossula und Pistolochia
Rafinesque anlangt, die nach ihm durch eine einlippige oder
zungenförmige, respective zweilippige oder rachenförmige Blüthe
unterschieden werden, so verdienen dieselben den Rang einer
Untergattung oder Section nicht. Erstens, weil Einomeia, eine
anzuerkennende Gattung mit drei Arten es mit einer grolsen
Zahl der echten Aristolochien gemein hat einlippige oder zungen-
förmige Kelche zu besitzen; zweitens, weil die bei Pistolochia
als Typusarten herangezogenen Species zwei gut unterscheid-
baren Gattungen angehören. Aristolochia Serpentaria L. ist
nämlich von der Gattung Endodeca nicht zu trennen und Ari-
stolochia rigens und Ä. bilabiata gehören einer auf Südamerika
beschränkten neuen Gattung an, deren 6 Narbenlappen mit ihren
zurückgeschlagenen Rändern auf ihren Rücken sechs Staubbeutel
tragen und deren Kelchbasis der Fruchtknotenspitze stets schräg,
nie gerade inserirt ist,
Von den zwei Gattungen Trichopus Gärtner und Trime-
riza Lindl., welche Endlicher fraglich, Lindley aber mit
Bestimmtheit zu den Aristolochiaceen zieht, haben Bennet und
Endlicher später Trimeriza zur Gattung Bragantia Lour.
gebracht. Trichopus hingegen mufs von den Aristolochiaceen
ausgeschlossen und der Monocotyledonen - Ordnung Dioscoreae
zugeführt werden.
Der verstorbene Griffith, ein scharfer Kritiker und sorg-
fältiger Beobachter, hatte ermittelt, dals die Gattung Bragantia,
wie sie von Robert Brown, Bennet und Endlicher be-
grenzt worden war, zwei Gattungen enthalte. Er stellte daher
eine davon abgezweigte neue Gattung in den Ann. des sc. nat.
Nachtrag. 977
(3 Serie) vol. VII, p. 337 auf, die er Asipkonia nannte, hatte
aber das Versehen begangen auf die von Loureiro aufgestellte
Gattung Bragantia seine neue Gattung zu begründen, während
er die abzuzweigende Gattung, die bis jetzt nur durch zwei
Arten repräsentirt ist, als Bragantia bezeichnete.
Aufser dem Material, welches mir das Berliner Herbarium
bot, hatte ich noch einiges Interessante von dem Hrn. Professor
Gustav Reichenbach aus Leipzig erhalten, dessen Untersu-
chung nachstehende Resultate ergab. E
Sämmtliche Aristolochiaceen zerfallen in zwei Tribus. Die
erste Tribus Gleistostigmata, charakterisirt durch eine scheiben-
oder strahlenförmige im Centrum geschlossene Narbe, einen
walzenförmigen festen Griffel und freie Staubbeutel umfalst die
Gattungen Asarum Tournef. mit 6 Arten, wovon vier Arten
in Amerika, eine in Europa und eine im Himalaya zu Hause
sind, Heterotropa Morren undDecaisne mit einer Species aus
Japan, T’hottea Rottb. mit zwei Arten aus Ostindien, Bragantia
Loureiro mit drei Arten aus Östindien und Cyelodiscus mit
zwei Arten aus Java und Hinterindien. Die zweite Tribus Ari-
stolochieae, charakterisirt durch eine drei-, fünf- oder sechslap-
‚pige Narbe, welche im Centrum geöffnet ist, einen ausgehöhl-
ten Griffel und 5—6 staubfadenlose Antheren, welche bei denen,
die nur 3 Narbenlappen besitzen, je zu zweien mit dem Rücken
derselben verwachsen oder da, wo sie in gleicher Anzahl mit den
Narbenlappen auftreten, entweder einzeln mit den Narbenlappen
oder unterhalb derselben mit dem Griffel verwachsen sind, enthalten
die Gattungen Aristolochia L., Endodeca Rafin., Einomeia Ra-
fin., Howardia Kl. (nec Weddel) und Siphisia Rafin.
Aristolochia, wie sie nunmehr dasteht, hat ihre Antheren
auf einem ringförmigen 6-gekerbten Gürtel, der sich unterhalb
der 6 Narbenlappen befindet, befestigt, und zerfällt in zwei Un-
tergattungen Podanthemum und Euaristolochia. Erstere hat un-
terhalb der bauchigen Basis des Kelches einen verengten Fufs,
der die Spitze des Fruchtknotens mützenförmig bedeckt. Von
ihr sind mir 12 Arten bekannt, die in Ostindien zum gröfsten
Theile, in einzelnen Arten aber auch auf den ostafrikanischen In-
seln, den Sandwichinseln, den Philippinen, Japan und den nord-
östlichen Theilen von Afrika ihre Heimath haben. Die zweite
578 Nachtrag.
Untergattung Euaristolochia, die unmittelbar mit ihrer ange-
schwollenen Kelchbasis auf der Spitze des Fruchtknotens gerade
aufsitzt, mulste, da sie sehr artenreich ist, wiederum in zwei
Sectionen getrennt werden: nämlich in Oxyotus, den südeuro-
päischen Aristolochien mit aufrechter Frucht und in Ancyelo-
carpus mit einer nickenden Frucht, welche im Orient, Persien,
Syrien, den griechischen Inseln, und vereinzelt in Algier und Si-
cilien repräsentirt sind.
Der Aristolochia zunächst steht die Gattung Endodeca Ra-
fin., welche die Grenzen der vereinigten Staaten von Nordame-
rika nicht überschreitet und sich nur durch den Mangel des
Griffelgürtels, der die Antheren trägt, davon unterscheidet.
Hieran reihet sich Siphisia Rafin., deren drei Narbenlap-
pen auf dem Rücken zwei Staubbeutel tragen. Auch sie zer-
fällt in vier Untergattungen, nämlich Eusiphisia, Nepenthesia,
Pentodon und Brachycalyx. Erstere hat einen dreilappigen
Kelchsaum und ist in Nordamerika zu Hause, die zweite, zu der
Aristolochia saccata Wall. und noch zwei andere Arten gehö-
ren, ist bis jetzt nur in Ostindien angetroffen worden, die dritte
Untergattung, welche durch Aristolochia Thwaitesii Hooker re-
präsentirt wird, ist auf der Insel Ceylon einheimisch und Bra-
chycalyx, eine nordamerikanische Untergattung, die durch Ari-
stolochia reticulata Nutt. vertreten ist.
Einomeia Rafin., von der ich 3 Arten kenne, die zum
Theil in Mexico, zum Theil auf den westindischen Inseln vor-
kommen und die sich, wie bereits gesagt, durch eine 5-fächrige
Frucht, eine 5-lappige Narbe und fünf Staubbeutel auszeichnet,
bildet niedere windende Halbsträucher.
Die artenreichste Gattung der Aristolochiaceen, welche sich
lediglich auf Südamerika beschränkt, basirt ihre Unterscheidungs- |
merkmale auf der schiefen Insertion des Kelchsaumes, an der man
6 mehr oder weniger deutlich ausgesprochene zurückgebogene An-
hängsel wahrnimmt, welche die Fruchtknotenspitze mützenförmig
umfalst, ferner auf einer kreiselförmigen 6-lappigen Narbe, deren
Lappen an den Spitzen zusammenneigen und deren seitliche
Ränder zurückgeschlagen sind, auch auf dem Rücken, unterhalb
ihrer Spitze je einen 2-fächrigen 4-klappigen linienförmigen
Staubbeutel tragen. Die Formen des Kelches, welche in dieser
Nachtrag. 579
Gattung auftreten sind so mannigfach, dafs ich mich entschlie-
fsen mulste 11 Sectionen zu bilden, welche dazu dienen werden
das Auffinden der hierher gehörenden Arten zu erleichtern.
Der Name Howardia, mit welchem ich die in Rede ste-
hende Gattung belege, war zwar bereits von dem Dr. Wed-
del im Jahre 1854 demselben berühmten englischen Quinologen,
John Eliot Howard in London in einer abgezweigten Cin-
choneengattung, die in den Annales des sc. nat. 4 Serie 1. pu-
blieirt ist, gewidmet; da ich jedoch die Weddelsche Howardia
schon ein volles Jahr früher in den Monatsberichten der Königl.
Preufs. Ak. der W. am 15. August 1853 als Pogonopus be-
‚schrieben hatte, gebot mir das Prioritätsrecht die Gattungsbe-
zeichnung des Dr. Weddel einzuziehen, aber auch zugleich
Bedacht zu nehmen den in jeder Hinsicht hochverehrten Hrn.
Howard für die ihm von dem Dr. Weddel zugedachte Ehre
zu entschädigen.
Dies ist mir denn auch, wie ich glaube, gelungen; denn die
Gattung, welche jetzt bestimmt ist seinen verdienstvollen Namen
zu verewigen, enthält nicht nur sehr schöne Zierpflanzen, son-
dern auch sehr wichtige Arzneien, und Hr. Howard ist nicht
‚blos ein ausgezeichneter Quinolog, sondern auch ein tüchtiger
Pharmacognost.
Über die Arzneikräfte der aus dieser Familie hervorgehen-
den Produkte haben Dr. Lindley und Hofrath von Martius
durch die gegebenen Zusammenstellungen mich der Mühe über-
hoben, näher darauf eingehen zu müssen. .
Auch in Bezug auf die anatomische Structur des Stammes
mehrerer Aristolochiaceen- Gattungen und Untergattungen, wel-
cher der Jahresringe entbehrt und nicht selten lianenartig_ er-
scheint, kann ich mich eines tieferen Eingehens enthalten, da
es die Grenzen des mir vorgesteckten Zieles einer systematischen
Aufklärung dieser Familie überschreiten würde.
‚Aber in Bezug auf die Verwandtschaften der Aristolochia-
.ceen und die Stellung betreffend, welche diese wohl begrenzte
Familie im natürlichen System einnimmt, erlaube ich mir, nach-
dem ich in kurzen Umrissen den geschichtlichen Gang, der bis-
her leitend war, um sie in der Systematik unterzubringen einige
Bemerkungen folgen zu lassen.
580 Nachtrag.
Anton Lorenz v. Jussieu (1791), bezeichnet die Gattun-
gen Aristolochia, Asarum und Cytinus als eine besondere Ord-
nung, die er Aristolochiae nennt und zu den apetalen Dicotylen
bringt.
Bartling (1830), der den Gattungen Ariszolochia und
Asarum noch Bragantia Lour. und Thottea Rottb. nach dem
Vorgange Robert Browns hinzufügt, bezeichnet diese Ordnung
als Asarineae und vereinigt dieselbe mit den Balanophoreen,
Cytineen und Tacceen zu seiner Klasse Aristolochiae.
Lindley (1836) fügt noch die Gattungen Heterotropa
Morr. und Decaisn., Hocquartia Dumort., Trimeriza Lindl.
und Zrichopus Gaertn. (Trichopodium Lindl.) hinzu. Hoc-
quartia ist aber von Siphisia Rafinesque nicht verschieden,
Trimeriza nicht von Bragantia Lour. und Trichopus, wie ich
bereits erwähnt habe, gehört zu den Dioscoreen, einer monoco-
tylen Pflanzenfamilie. Zwar vergleicht er die Aristolochiaceen
mit den Passifloraceen, Cucurbitaceen und Nepenthaceen, allein
er ist vorsichtig genug, sie mit diesen genannten Ordnungen
nicht in Verbindung zu bringen, noch darauf eine besondere
Klasse zu gründen.
Endlicher (1838), der die gründlichen Vorarbeiten R.
Brown’s über diesen Gegenstand nicht genug würdigte, ob-
wohl er denselben sonst aufrichtig verehrte, verfiel in den Feh-
ler, die Aristolochiaceen und Nepentbaceen nur zu einer Klasse,
die er Serpentariae nennt, zu verbinden.
«A. Brongniart (1850) und Grisebach (1854) halten
zwar im Gegensatz zur Jussieuschen Ansicht die Cytineen von
den Aristolochiaceen auseinander und bilden aus diesen beiden
Familien eine natürliche Klasse; allein sie sagen nicht, was sie
unter Cytineen verstehen und welche Gattungen sie dahin zählen.
Robert Brown, in seiner unübertroffenen Arbeit über
Rafflesia zeigt, dals er tiefer in die Beurtheilung der Wesen-
heiten, welche die Aristolochiaceen bedingen, vorgedrungen war,
als sonst Jemand. Er, der erkannt hatte, dals Rafflesia und
Cytinus, die in früherer Zeit als Cryptogamen, dann als Mono-
cotyledonen, später als eine eigene gröfsere Abtheilung von
Pflanzen gegolten hatten, wirkliche Dicotyledonen seien, war
auch der erste, welcher auf die Verwandtschaft der Aristolochia-
Nachtrag. 581
ceen mit jenen beiden merkwürdigen Pflanzengattungen aufmerk-
sam machte.
Wenn nun auch in Bezug hierauf, in der neuesten Zeit,
sich Irrthümer in die Wissenschaft geschlichen haben, so hat dies
doch keinesweges seinen Grund darin, dals man im Stande wäre,
diesem gröfsten aller Botaniker, auch nur den geringsten Fehler
nachzuweisen, sondern darin, dals Gattungen, nur weil sie habi-
tuell einige Ähnlichkeit mit Rafflesia und Cytinus zeigen, zu diesen
Ordnungen gebracht wurden, von denen eine bedeutende Zahl
nicht einmal zu den Angiospermen, sondern zu den Gymnosper-
men gehört.
Ferner hat Robert Brown beim Vergleich der Rafflesia
und der Gattung Cytinus auch der Aristolochiaceen mit den
Passifloraceen, Cucurbitaceen, Homalinaceen und Sterculia-
ceen gedacht. Es könnte demnach scheinen, als habe er da-
mit die citirten Ordnungen in den Bereich der Verwandtschaft
der Aristolochiaceen ziehen wollen. Er thut dies aber nur
in Bezug auf Nepenthes, Cytinus und Rafflesia, während er
der Passifloraceen, Cucurbitaceen, Homalinaceen und Sterculiaceen
ihrer eigenthümlichen Analogieen wegen, die sie mit den Ari-
stolochiaceen äufserlich zeigen, blos erwähnt.
Die innige Verwandtschaft der Aristolochiaceen mit Aaf-
flesia und Cyiinus ist nach den schönen Beobachtungen von
Robert Brown sicher und unbeschritten. Nicht minder darf
man das von den Nepenthaceen behaupten, die in allen wichti-
gen Kennzeichen, durch welche dieselben charakterisirt werden
mit den Aristolochiaceen übereinstimmen, nur dals sie diöcisch
sind und einen oberständigen Fruchtknoten besitzen. Bei der
Gattung Heterotropa, einer echten Aristolochiacee, ist er aber
ebenfalls beinahe oberständig.
Die natürliche Klasse also, in welcher die Aristolochiaceen
gemeinschaftlich mit den Nepenthaceen, den echten Cytineen und
den wirklichen Rafflesiaceen Aufnahme finden, kann mit dem
Namen Asaranthae bezeichnet und in die Nähe der Cucurbitaceen
placirt werden.
[1859.] Ai
582 Nachtrag.
ARISTOLOCHIACEAE Lindley.
Char. emend. Flores hermaphroditi apetali. Calyeis tubus
teres v. subangulatus, cum germine connatus, herbaceus, limbus
superus v. subsuperus coloratus, interdum amplissimus, intus saepe
pilosus v. ramentifer, nunc basi ventricosus v. incurvo-tubulosus,
in ligulam obliquam productus v. regulari-trifidus v. ringenti-
bilabiatus, germine stricto v. obliquo impositus, deciduus, laci-
niis per aestivationem valvatis v. induplicatis. Stamina disco
annulari, germinis apici imposito, v. cum styli v. cum stigmatis
basi confluenti inserta, quinque, sex, octo v. plurima uni- v. ra-
rissime biserialia; filamentis brevibus subinde inaequilongis ple-
rumque nullis, liberis v. connatis; antheris extrorsis, biloculari-
bus, connectivo v. in acumen producto superatis v. mutico v.
annulları v. nullo, loculis appositis longitudinaliter dehiscenti-
bus. Germen inferum, rarissime vertice breviter exserto semi-
superum, sexloculare, rarius tri- v. quadri- v. quinqueloculare,
placentis parietalibus deinde centro connatis et dissepimenta
spuria formantibus. Ovula plurima, anatropa, simpliei- v. duplici
serie inserta, adscendentia v. horizontalia. Stylus terminalis,
brevissime columnaris, solidus v. fistulosus. Stigma discoideum,
radiatum, centro clausum, v. erectum tri-quinque-sexlobum, cen-
tro perforatum, lobis apice plus minus conniventibus. Fructus
capsularis aut rarius baccatus subglobosus, oblongus, pyriformis
aut interdum siliquaeformis, tri- quadri- quinque- sexlocularis
spurio septicide dehiscens aut in quibusdam indehiscens. Semina
in loculis plurima, rarissime abortu pauca v. subsolitaria, hori-
zontalia sive adscendentia, subangulata; integumento membrana-
ceo, dorso saepissime convexo, ventre excavato, ibique rhaphe
carnosa v. suberoso-fungosa, hilum basilare cum chalaza apicali,
interdum glandulosa conjungente, percursa. Embryo minutus,
endospermi apice inclusus; cotyledonibus brevissimis, ante ger-
minationem vix manifestis, radicula hilo proxima, infera.
Herbae, saepius acaules, rbizomate repente v. tuberoso pe-
rennantes, v. suffrutices aut frutices, non raro volubiles, ligno
ezonato; caule simplici v. ramoso, tereti sive angulato, sulcato,
nodoso -articulato, ad nodos saepe tumido. Folia alterna, pe-
tiolo basi saepissime dilatato, semiamplexicauli, lamina circum-
Nachtrag. 583
scriptione admodum varia, plerumque cordata, penninervia v. pe-
datinervia indivisa et integerrima, v. rarius pedatifida, saepissime
reticulato nervosa; stipulae nullae v. interdum appositifoliae, squa-
maeformes sive subfoliaceae. Flores in axillis foliorum solitarii v.
interdum fasciculati, interdum racemosi, pedicellati.
CONSPECTUS.
I. CLEISTOSTIGMATA.
Antherae liberae. Stylus solidus. Stigma discoideum v. ra-
diatum, centro clausum.
«@. AÄSARINEAE.
Stamina alternatim minora. Calyx persistens.
Limbus calycis urceolato-campanulatus, trifidus, lobis conni-
ventibus; connectivis antherarum in acumen subulatum productis;
filamentis liberis. ASARUM Tournef.
Limbus calycis urceolatus, trifidus, lobis patenti-reflexis;
connectivis antherarum brevibus conicis; filamentis brevissimis,
basi in annulum connatis. HETEROTROPA Morr. et Decaisne.
®. BRAGANTIEAE.
Stamina subefilamentosa; antheris circa stylum verticillatis;
stigmate discoideo, vertice plano v. verrucoso; germine pseudo-
quadriloculari. Capsula quadrivalvis.
Limbus calycis campanulatus, magnus, intus villosus; stami-
nibus biserialibus; stigmate plano multiradiato; germine quadri-
loculari. THOTTEA Rottb.
Limbus calycis rotatus, tripartitus, parvus, intus pubescens;
antheris circa stylum uniseriatim verticillatis; stigmate plano ver-
rucoso; germine quadriloculari. BRAGANTIA Lour.
%. ÜCYCLODISCINEAE.
Stamina sex, filamentosa; filamentis basi monadelphis; stylo
elongato cylindrico; stigmate trilobo, lobis oblongis.
Limbus calycis profundo trilobus, fundo callo patelliformi
instructus, lobis patentibus, intus glabris; lobis stigmatis erecto-
divaricatis; germine quadriloculari. CxcLopıscus Klotzsch.
41*
584 Nachtrag.
I. ARISTOLOCHIEAE.
Antherae stylo v. stigmate adnatae. Stylus fistulosus.
Stigma tri- quinque- v. sexlobatum, centro perforatum; lobis
erectis, apice subconniventibus.
Limbus calycis sublingulatus, apici germinis strieto imposi-
tus; antheris sex, fasciae annulari sexcrenatae stylum circumdanti
adnatis; stigmatis lobis sex; capsula pseudo-sexloculari polysperma.
ARISTOLOCHIA Tournef.
Limbus calycis tubulosus, superne ampliatus, recurvatus rin-
genti-tridentatus, apici germinis stricto impositus; antheris sex,
fascia annulari destitutis; stigmatis lobis sex; capsula pseudo-sex-
loculari, polysperma. ENDODECA Rafin.
Limbus calycis tubulosus, recurvatus, apice ringens v. pa-
tenti-trilobus germini stricto impositus, antheris sex per paria
lobisstigmatis adnatis; stigmatis lobis tribus lato-ovatis, apice conni-
ventibus; capsula pseudo-sexloculari, polysperma. SIPHISIA Rafin.
Limbus calycis tubuloso -lingulatus germini strieto imposi-
tus; genitalibus pentameris. EınoMEIA Rafin.
Limbus calycis variaeformis germini obliquo impositus; an-
theris sex; stigmatis lobis sex erecto-conniventibus, margine re-
flexis; capsula pseudo-sexloculari, polysperm.. HowaArnıa Kl.
I. CLEISTOSTIGMATA.
Antherae liberae. Stylus solidus. Stigma discoideum v.
radiatum, tri-multilobum, centro clausum; lobis patentibus rarius
erecto - divaricatis.
a. AÄSARINEAE.
Stamina 12, alternatim minora. Calyx persistens.
I. Asarum Tournef. Calyx coloratus, urceolato-campanulatus,
persistens, tubo cum ovario infero connato, fauce nuda, limbo tri-
fido v. connivente y. patente, aestivatione valvato. Stamina 12, disco
epigyno biseriatim inserta, libera, alternatim minora; antherae om-
nes extrorsae, biloculares, connectivo subulato. ÖOvarium inferum
sexloculare. Ovula adscendentia, plurima, anatropa, placentis sex
parietalibus biseriatim affıxa. Stylus brevis, columnaris, solidus.
Stigma sexlobum, centro clausum, expansum, lobis obtusis, emar-
Nachtrag. 585
ginatis. Capsula coriacea, calycis persistentis limbo superata,
sexlocularis, (dissepimentis spuriis,) irregulariter dehiscens. Se-
mina in loculis pauca, adscendentia, hince convexa, inde concava,
rhaphe ventrali carnosa, in chalazam apicalem glandulosam desi-
nente. Embryo in apice albuminis cartilaginei minimus; radi-
eula infera.
Herbae in America boreali, Europa et in montibus hima-
laycis obviae, rhizomate repente perennantes; caulibus abbreviatis,
basi squamosis, dichotomo-diphyllis; foliis cordato-reniformibus,
solitariis v. geminatis; pedunculo in dichotomia unifloro; calyce
coriaceo pubescente.
a. Flores penduli.
41. ASARUM HIMALAYCUM Hook. f. et Thoms. Mss. Caule
repente gracili; foliis solitariis membranaceis suborbiculari-
ovatis brevi acuminatis profunde cordatis longo petiolatis;
Noribus pendulis; calycibus campanulatis trifidis, extus intus-
que glabris, lobis brevi acutis reflexis; pedicellis erectis bre-
vibus parce pilosis, apice villosis.
Asarum himalaycum Hook. f. et 'Th. (Herb. Ind. or.
Hook. f. et Thomson in Herb. Berol.)
Folia 3—4 poll. longa, 14—3 poll. lata, supra sparsim
puberula, subtus margineque adpresse articulato-pilosa. Pe-
tioli 5—6 pollices longi, canescente pilosi. Calyx 8 lineas
longus et 6 lineas in diametro. Pedicelli erecti, teretes, pol-
licem longi, apice articulatim villosi.
Hab. in montibus himalaycis (Sikkim) (Regio temp.) alt.
9—12,000 ped. . Leg. J. D. Hooker f.
b. Flores erecti.
2. ASARUM ARIFOLIUM Mchx. Subglabrum; caule abbre-
viato; foliis solitariis coriaceis subhastato-cordatis purpureo-
maculatis glabris longo petiolatis, supra ad basin nervoso-pu-
bescentibus; floribus erectis brevi-pedicellatis; calycibus tu-
buloso-urceolatis glabris, limbi lobis ovatis obtusis apertis
subobtusis.
A. arifolium Mchx. Flora americ. I, p. 279. (A. virgi-
nicum Walt., Flora carol. p. 143).
Folia 15—2 poll. longa, 20 lineas—2 poll. inferne lata,
deinde subtus pallido-sanguinea et undique glabra. Petioli
986
Nachtrag.
demum glaberrimi 343—5 poll. longi. Calyx 7—8 lin. lon-
gus, supra basin 3 lin. in diametro, limbi lobis 2 lin. lon-
gis et latis. Pedicelli pollicares.
Hab. in sylvis umbrosis Carolinae inf.
A. virGinicum Mchx. Subglabrum; caule brevi adscen-
dente; foliis coriaceis solitariis longo-petiolatis cordatis ro-
tundato-ovatis submucronatis, basi evanescente nervoso - pu-
bescentibus; petiolis semiteretibus, apice subpubescentibus;
floribus erectis brevipedicellatis; calycibus campanulatis |
tridentatis, extus intusque glabris, limbi dentibus brevibus
obtusis patentibus.
A. virginicum Mchx. Flora americ. I, p. 279.
Folia 20 lin.—3 poll. longa et 18 lin.—2% poll. lata. Petioli
2—5 poll. longi. Calyx 6 lin. longus, 4 lin. in diametro.
Pedicelli 2—4 lin. longi.
Hab. in sylvis umbrosis locis rupestribus Virginiae et
Carolinae.
A. GRANDIFLORUM Hort. Lodd. Subglabrum; caule elon-
gato adscendente; folis geminatis subhastato-reniformibus
membranaceis nervoso-puberulis; petiolis semiteretibus, supra
puberulis; Aloribus extus intusque subtilissime puberulis erec-
tis brevi-pedicellatis; magnis; calycibus tubuloso- campanu-
latis brevi-trilobis, infra apicem subconstrictis, limbi lobis
latissimis brevi-acutis erectis.
A. grandiflorum Hort. Lodd.
Folia 2%, poll. longa, ad basin 2% poll. lata. Petioli
3% pollicares. Calyx pollicem longus, inferne 4 lin.-superne
8 lin. in diametro.
Hab. in Am. bor. (Specimen in horto Parisiensi excul-
tum examinavi).
A. Hookerı Fielding. Subpubescens; caule elongato re-
pente glabro; foliis membranaceis geminatis lato - cordatis
brevissime acutis, supra subtusque sparsim puberulis; petio-
lis subtilissime pubescentibus longis; floribus erectis longius-
culo pedicellatis; pedicellis subpubescentibus; calycibus elon-
gatis urceolatis, basi inflatis, extus sparsim villosis trifidis,
lobis ovato-oblongis subulato acuminatis; staminibus majori-
bus tubum calycis aequantibus.
Nachtrag. 587
A. Hookeri Fielding Sertum plant. t. 32. (A. cana-
dense var. @ Hooker Flora bor.-americ. II, p. 139).
Folia 3%, poll. longa, 3% poll. lata. Petioli semipeda-
les. Tubus calyeis 6 lin. longus, 4 lin. in diametro; lobi
calycis 10 lin. longi, basi 3 lin. lati. Pedicelli 15—2 poll.
longi.
Hab. in America boreali-occidentali (Kinn, E. Belcher).
6. A. CANADENSE Mchx. Pubescens; caule repente elongato
glabrescente; foliis membranaceis geminatis cordato-renifor-
mibus obtusissimis puberulis; petiolis longis robustis pu-
bescentibus; floribus pedicellatis erectis; calycibus campa-
nulatis trifidis, extus villosis, intus puberulis, laciniis ovato-
acuminatis patenti-reflexis; pedicellis villosis.
A. canadense Mchx. Flor. bor. americ. I, 279. Hoo-
ker in Curt. bot. Mag. t. 2769. (A. carolinianum Walt.
- Fl. carol. p. 143. A. latifolium Salisb. Prodr. p. 344).
Folia 2—25 poll. longa, 3—5 poll. lata. Petioli 2—5
poll. longi. Calycis tubus 6 lin. longus et in diametro,
tobi 8 lin. longi et 3 lin. ad basin lati. Pedicelli sesqui-
pollicares.
Hab. in locis rupestribus umbrosis a Carolina usque ad
Canadam.
7. A. EUROPAEUM L. Pubescens; caule repente elongato pu-
bescente; foliis carnosulis geminatis cordato -reniformibus
pubescentibus; calycibus campanulato-urceolatis trihdis, ex-
tus inferne villosis, superne pubescentibus, laciniis ovatis
brevi acutissimis, apice subinflexis.
Hab. in Europa, locis montosis.
I. HETEROTROPA Morren et Decaisne. Calyx coloratus,
urceolatus, trifidus, tubo magis inflato, intus foveolato-reticulato,
basi cum ovario semisupero connato, fauce angustata, lobis cor-
datis patenti-reflexis, aestivatione induplicatis. Stamina 12, disco
perigyno ovarii parti liberae adnato inserta, sex exteriora (stig-
matibus opposita); filamentis brevissimis, basi connatis; anthera-
rum loculis lateralibus, connectivo submulico interposito sejun-
etis; sex interiora alterna, filamentis subnullis, aniherarum locu-
lis extrorsis, connectivo dorsali in acumen conicum producto
contiguis. Ovarium semiinferum, pseudo-sexloculare ; ovula
588 Nachtrag.
plurima, parietalia, biserialia, adscendentia. Stigma stellatim ex-
pansum, disciforme, profunde sexlobum, lobis subemarginatis ob-
cordatis. Fructus ignotus.
Herba japonica, habitu Asari; foliis binis profundo cordatis,
obtusis, albo-maculatis; floribus axillaribus, solitariis v. geminis
brevi-pedicellatis, folio abortivo bracteatis, intus sordide fuscis,
faucis annulo albido.
Heterotropa Morren et Decaisne, in Nouv. Ann. Soc. nat.
v. II, p. 314.
HETEROTROPA ASAROIDES Morren et Decaisnel. «. t.
10, Graham, in Bot. Mag. t. 3746, Sir W. Hooker I. c. t. 4933.
(Asarum virginicum Thunb. Fl. japon. p. 190, nec Mchx.).
Hab. in Japonia.
ß. BRAGANTIEAE.
Stamina subefilamentosa; antheris circa stylum verticillatis;
stigmate discoideo, vertice plano v. verrucoso; germine infero
pseudo-quadriloculare. Capsula quadrivalvis.
III. THoTTEA Rottb. (Char. emend.). Calycis tubus gracilis,
tetragonus cum ovario adnatus, limbo supero campanulato -trifido
colorato, aestivatione valvato. Stamina 16—40, circa stylum co-
lumnarem biseriatim inserta; filamenta crassiuscula brevissima;
antherae extrorsae, oblongae, biloculares, didymae. Stylus bre-
vissimus, crassus; stigmate 6—12 lobo, centro clauso, lobis acu-
tis, plus minusve longis, patentibus vel suberectis. Ovarium in-
ferum, sublineare, cylindrico - quadrangulare, subhispidum, obso-
lete 4-sulcum, utrinque attenuatum, quadrangulare; placenta 4,
parietalia; ovula pauca, adscendentia, anatropa. Fructus siliquae-
formis, utrinque attenuatus, subtortus, quadrangularis, quadri-
valvis; valvis canaliculatis, extus carinato-costatis, leviter tortis,
interjectis filamentis totidem repliformibus. Placenta carnosa
4-gona, demum in centro libera. Semina pauca, oblongo-ovata,
in concavitatibus placentae liberae seminidulantia,- pendula, uni-
seriata, angulis placentae affıxa. Tegumentum exterius spon-
gioso-cellulosum, superficie irregulari, interdum induratum, sub-
osseum, superficie undulatum, brunneum, intus nitidum. Albu-
men carnosum, copiosum, cavitati tegumenti interioris conforme.
Embryo minimus, apicalis, ovatus, dicotyledoneus; radicula ver-
sus hilum.
Nachtrag. 589°
Frutices Indiae orientalis erecti v. sarmentosi v. scanden-
tes; caule flexuoso, articulato, ad nodos tumido; foliis magnis,
alternis, estipulatis, brevipetiolatis, coriaceis v. chartaceis, pu-
bescentibus v. glabris. Bracteae oblongo-lineares, subcarinatae.
Flores amplissimi penduli ramosi v. dependentes subeymosi.
Rottb. in Dansk. Vidensk. Selsk. Schrift. nye Saml. v. II,
p- 230, t. 2. Griffith in Linnean Soc. Trans. v. XIX, p. 325,
t. 36. (Lobbia Planchon, in Hooker, Lond. Journ. of Botany
vol. VI p. 144. t. ID).
1. THOTTEA GRANDIFLORARottb. Frutice erecto robusto,
apice parce ramoso; ramulis pubescentibus, habitu anonaceo;
foliis magnis coriaceis subdistichis oblongis v. obovato-oblongis
obtuso acutis; racemis paucifloris ex axillis foliorum lapsorum
nutantibus pubescenti-hirtis; limbo calycis maximo campanu-
lato trifido membranaceo, extus hamoso-strigoso, intus vil-
loso-arachnoideo; laciniis margine revolutis; germinibus dense
hispidis.
T. grandiflora Rottb. 1. c. Griffith |. e.
Frutex 3—4 pedalis. Racemi 2—3 pollicares. Limbus
calycis longitudine fere 5-pollicari, latitudine extrema 4-pol-
licari.
Hab. in sylvis Malaccae.
2. T. DEPENDENS Kl. Frutice scandente sarmentoso glaber-
rimo habitu piperaceo; foliis chartaceis oblongis attenuatis
mucronulatis; spicis e sarmentis ad cicatrices veterum folio-
rum dependentibus, vix bipollicaribus; rhachi compressa subdi-
latata; limbo calycis urceolato-campanulato trifido glabro; ger-
minibus subhispido-puberulis; stigmatis radiis sex subulatis sub-
erectis.
Lobbia dependens Planchon I. c.
Folia 5—9 pollices longa et 15—2% pollices lata. Calyeis
limbus pollicem longus, latitudine extrema unciali.
Hab. in Singapore.
IV. BRAGANTIA Lour. (Char. emend.). Calycis limbus parvus
rotatus carnosus, basi planus trilobus, laciniis cordatis acutis,
v. extus v. intus pubescentibus. Stamina 6—9, erecta, ciıca
stylum columnarem uniseriatim inserta, triadelpha. Antherae sub-
eflamentosae, biloculares, extrorsae, subcordatae, connectivo
590 Nachtrag.
magno, glanduloso-pubescenti; loculi distantes, lineares, longitu-
dinaliter dehiscentes. Pollinis granula in aqua decidua. Stylus
brevissimus columnaris. Stigma planum, verrucosum, discoideum,
multi-lobatum. Ovarium cylindrico-tetraganum, 4-loculare, pu-
bescenti-hirtum, loculis minutis cum angulis respondentibus; pla-
centis cruciatim parietalibus, deinde in centro cohaerentibus;
ovulis indefinite numerosis anatropis biseriatis minutis. Fructus
siliquaeformis, 4-6-pollicaris, pendulus, subtorulosus, stipitatus,
4-valvis, pubescenti-velutinus. Placenta 4-gona, ad parietes so-
luta, in centro cohaerens. Semina vel valvis adhaerentia, vel
inter angulos placentae fere immersa, saepe monile instar leviter
cohaerentia, uniseriata, trigona, apice et basi et secus angulum
tertium internum saepe membranaceo-alata, rugosa, papillosa, grisea.
Tegumentum exterius crassiusculum, cerustaceum; superficies utra-
que saltem rugosa; interius membranaceo-cellulosum, tenuissimum.
Albumen carnosum. Embryo minutus, apicalis; radicula versus
hilum.
Frutices Indiae orientalis subscandentes piperiformes; ramis
tumido -articulatis; foliis coriaceis alternis vel distiche subpaten-
tibus vel pendulis estipulatis longiusculo-oblongis integerrimis
acuminatis, basi obtusis vel cordatis, tri- quinduplinerviis, subtus
plus minusve pubescentibus. Inflorescentia brevi cymoso-corym-
bosa, axillaris vel terminalis; foribus spicatis vel racemosis in-
conspicuis viridescentibus purpurascentibus vel livido -plumbeis,
bracteatis.
4. BRAGANTIA RACEMOSA Lour. Foliis lato-lanceolatis; spi-
cis axillaribus, tubo calycis 9-sulcato; antheris 6.
Griff. in Linn. Soc. Trans. XIX. p. 335. DB. racemosa
Loureiro Flora cochinchinensis p. 508.
Hab. in Cochinchina.' (Specimina non vidi).
2.B. Waruıicuu Brown. Foliis elongato-oblongis acumi-
natis, basi obtusis triplinerviis, supra nitidis glabris, subtus pu-
berulis prominenti-nervosis; cymis brevibus axillarıbus hirsutis
4—8 floris; limbo calycis subcampanulato purpureo, extus pu-
berulo; bracteis .conduplicato-carinatis pubescentibus; staminibus
9, triadelphis.
B. Wallichii R. Br. in Wallich’s List n. 7415. Bennet,
Plantae javanicae rar. v. I, p. 44. Trimeriza piperina Lindley,
Nachtrag. 591
(ex W. Arnott. et Bennet). Asiphonia Wallichii Griffith in
Linn. Soc. Trans. v. XIX, p. 335.
Folia 5—8 pollices longa, 14—18 lineas lata. Cymae se-
mipoilicares. Limbus calycis 2 lin. longus, 2% lineas in diametro.
Hab. in regionibus tropicis Indiae orientalis.
3. B. CORYMBOSA Griffith. Subscandens; foliis oblongis
acuminatissimis, basi subcordatis quinduplinerviis, subtus pubes-
centibus; cymis terminalibus axillaribusque pubescentibus racemo-
sis; floribus secundis; limbo calycis rotato dilatato, laciniis 3
ovato-subcordatis brevi acutis, intus reticulatis, extus pubescen-
tibus; bracteis linearibus setaceis minutis; staminibus 9.
Asiphonia piperiformis Griff. in Linn. Soc. Trans. XIX,
p- 333, t.37. Bragantia corymbosa Griffith 1. c. p. 335.
Folia 5—6 poll. longa, 15—22 lin. lata. Cymae racemo-
sae 27; pollicares. Calycis limbus 3% lineas in diametro.
Hab. in provincia Malacca peninsulae Malayanae, ad margi-
nes sylvarum primaevarum.
Y- ÜCYCLODISCINEAE.
Stamina 6, filamentosa, filamentis basi monadelphis. Stylus
elongatus, eylindrieus; stigmate trilobo, lobis oblongis, obtusis,
erecto-divaricatis, apice glanduloso-puberulis. Herbae vel suf-
frutices. Folia ad apicem caulis 1—4 conferta. Spicae in infe-
riori parte caulis laterales.
V.Cxeronıscus Kl.) Calycis limbus campanulatus, trifidus,
extus hispidus, intus nudus, atropurpureus, subcoriaceus, venosus,
lobis triangularibus, aestivatione valvatis, in fundo processu pa-
telliformi calloso auctus. Stamina 6; filamentis brevissimis,
basi monadelphis cum stylı basi arcte connatis; antheris oblon-
gis bilocularibus extrorsis connectivo interne adnato prominulo
mucronulatis. Pollen parvum, laeve, subglobosum. Germen fii-
forme, obsolete tetragonum, hispidum, pseudo-quadriloculare, lo-
eulis pluriovulatis, ovulis anatropis primum parietalibus, deinde
centralibus. Stylus cylindricus filamentis connatis parum lon-
gior, apice in stigmata 3 divaricato-erecla linearia obtusa, apice
glanduloso-puberula antheras superanfia divisus. Fructus sili-
‘) Nomen e vocibus xux‘.og et Stexog compositum.
592 Nachtrag.
quaeformis, elongatus, angustus, tetragonus, pseudo - quadrilocu-
laris; seminibus numerosis triquetris, utrinque sed praecique ad
basin acutis, transversim sulcato-rugosis, serie simplici affıxis;
testa crassiuscula fragilis; raphe per alterum seminis angulum
ad chalazam parvam suborbicularem ducta; membrana interna
tenuis; albumen semini conforme, copiosum, oleagineum; em-
bryo minutus, cordato-emarginatus, prope hilum situs.
Suffrutices javanicae et khasiyanae. Caules plures, basi de-
cumbentes, subgeniculatim flexi, angulato-sulcati, hispidi. Folia
ad apicem caulis 3—4, supremum longipetiolatum, inferiora
brevipetiolata. Spicae in inferiori parte caulis laterales, erectae
vel recurvatae, bracteatae.
4. CYCLODISCUS TOMENTOSUS Kl. Foliis in summo caule
duobus vel tribus, raro solitariis ovatis vel oblongo-ovatis vel sub-
orbiculato-ovatis, brevissime mucronulatis, basi obtusis vel cor-
datis, supra glabris laevibus, subtus tomentoso -puberulis promi-
nente reticulatis; petiolis foliorum pubescentibus lateralium bre-
vissimis, supremo longo; spicis in singulo caule 2—6, erectis
hirsutis, dense bracteatis; bracteis persistentibus lineari-oblongis,
extus hirsutis; floribus post anthesin deflexis.
Ceramium tomentosum Blume Bijdr. p. 1134. Bragantia
tomentosa Blume Enum. pl. jav. p. 82. Bennet, Plantae ja-
vanicae rarior. p. 43. Griffith in Linnean Soc. Trans. v. XIX,
p- 336.
Suffrutex pedalis. Folia variabilia, tam 5 pollices longa et
2 pollices lata, quam 4 poll. longa et 3 poll. lata. Spicae 2—3
poll. longae.
Hab. in Javae insula. (Blume, Horsfield, Zollinger sub
n. 1075 ex herbario Gust. Reichenbach, Professor. Lipsiensis.)
2. C. LATıFoLIuUs Kl. Foliis cordatis vel cordato-oblongis;
spieis subrecurvis; limbi calycis laciniis dorso trinerviis. Griff.
Trichopus? piperifolius Wallich sine descriptione. Bra-
gantia latifolia Lindl., in Bot. Register new Series vol. V ad t.1543.
Bragantia Khasiyana Griffith, in Linnean Soc. Trans. XIX,
p- 336.
Hab. in montibus Khasiyae.
Nachtrag. 593
UI. ARISTOLOCHIEAE.
Stamina efilamentosa. Antherae stylo vel stigmatibus dorso
adnatae. Stylus perbrevis, fistulosus. Stigma tri- quinque- vel
sexlobum, centro perforatum, lobis erectis, apice subconniven-
tibus.
&. CALYCIS TUBUS CUM APICE- OVARII STRICTO IMPOSITUS.
VI. ArıstoLocHIA Tournef. (Char. emend.). Calycis
tubus cum germine connatus, limbo supero colorato, basi vel
supra basin ventricoso tubuloso-lingulato siricto, vel tubuloso
oblique-subringente incurvato, ad basin apodam, apici germinis
ab ipso inarticulato stricto imposito vel stipato cum germinis
apice clauso-articulato. Stylus brevissimus vagina annuliformi
6-crenata cinctus. Stigma 6-lobum, lobis ovatis vel ovato-lan-
ceolatis conniventibus margine planis. Antherae 6, biloculares
quadrivalves, lato-oblongae, utrinque truncatae, connectivo annu-
ları affıxae, circa stylum verticillatiim adnatae, crenis et lobis
stigmatis oppositae. ÖOvarium inferum, oblongum, sexsulcatum,
erectum vel pendulum, pseudo-sexloculare. Ovula plurima, ana-
tropa, horizontalia, loculorum angulo parietali uniseriatim affıxa.
Fructus capsularis, pyriformis, spurio-sexlocularis, pseudo-septi-
cido-dehiscens, sexvalvis. Semina plurima, horizontalia; testa
coriacea, membranaceo -marginata; raphe lata, fungoso -suberosa,
infera, in chalazam apicalem impressam desinente. Embryo in
apice axeos perispermii dense cornei minimus; radicula cen-
tripeta.
Herbae vel suffrutices erecti scandentes vel volubiles, in
regionibus temperatis crescentes; foliis subintegerrimis, basi cor-
datis; floribus axillaribus solitariis, rarissime aggregatis vel cy-
moso-racemosis.
a. EUARISTOLOCHIA, Calycis limbus stricetus vel incurva-
tus, tubuloso-lingulatus vel tubulosus et apice obliquo-truncatus,
subringens, basi sessili, cum apici germinis ab ipso exarticulato
stricto impositus.
aa. Oxyorus. Calyeis limbus strictus, lingulatus.
1. A. BAETICA Linne, Species plant. p. 1363.
Hab. ın Hispania et Creta.
594 Nachtrag.
2. A. pALLIDA Willd., Species plant. Tom. IV. Pars I.
p- 162.
Hab. in Italia et Croatia.
3. A. PıstoLocuHıA Linne, Species plant. p. 1364.
Hab. in Europa australi.
4. A. LOnGA Linne, Species plant. p. 1364.
Hab. in Europa australi.
5. A. ROTUNDA Linne&, Spec. plant. p. 1364.
Hab. in Europa australi.
6. A. Cuemarıtıs Linne, Species plant. p. 1364.
Hab. in Austria, Gallia, Tataria etc.
bb. AncycLocArpus. Calycis limbus incurvatus, apice di-
latatus, oblique truncatus, subringens. Flores axillares subpen-
duli. Fructus deflexus.
+ Caulis erectus, ramosus.
7. A. AuchErii Jaubert et Spach, Illustr. plant. or. I,
1.99.
Hab. in Asia min.
8. A. BILLARDIERI Jaubert et Spach, Illustr. plant. or. ],
t. 100.
Hab. in Syria.
9. A. Oriwvierı Collegno, in Herb. de Candollei e Boiss.,
Diag. plant. or. fasc. V, p. 50.
Hab. inter Bagdad et Kermanchah.
40. A. AURICULARIA Boiss., Diagn. plant. or. fasc. V, p. 49.
Hab. in Caria interiori.
11. A. BoTTAE Jaubert et Spach, Illustr. plant. or. I, t. 98.
Hab. in Armenia australi.
42. A. TOURNEFORTU Jaub. et Spach, Illustr. plant. or. II,
t. 128.
Hab. in Asia minori.
. 43. A. MACROGLOSSA Jaubert et Spach, Illustr. plant. or. II,
t. 127.
Hab. in Asia minori.
44. A. MICROSTOMA Boiss. et Spruner, Diagn. pl. or. fasc.
V, p. 50.
Hab. in Atticae montibus, locis siccis lapidosis.
16.
47.
18.
=.
20.
21.
22.
23.
24.
Nachtrag. 595
A. PAECILANTHA Boiss., Diagn. plant. or. Fasc. XH,
p- 104.
Hab. in Syria prope Damascum etc.
A. SCABRIDA Boiss., Diagn. plant. or. Fasc. XII, p. 105.
Hab. in Syria etc.
A. ıBERICA Fischer et Meyer, Index sem. horti Petro-
politani anno 1835, p. 30.
Hab. in Cartalinia, Rossiae australis.
A. HIRTA Linne£, Species plant. p. 1365.
A. ponticola G. Ehrenberg Mss.
Hab. in Syria.
A. pontIcA Lamarck, Encycl. I, p. 253.
Hab. in Ponto.
A. CRETICA Lamarck, Encycl. I, p. 253.
Hab. in Creta.
A. BRUGUIEREI Jaubert et Spach, Illustr. plant. or. II,
50429.
Hab. in Persia et Assyria.
++ Caulis volubilis vel scandens.
A. GLAUCA Willd., Species plant. Tom. IV, Pars I, p.
158. Desfont., Atl. 2, p. 324, t. 252. A. subglauca La-
marck, Encycl. I, p. 254.
Hab. in Hispania, Lusitania, Barbaria etc.
A. SEMPERVIRENS Linn&, Species plant. p. 1363.
Hab. in Creta Lusitania etc.
A. ALTISSIMA Willd., Species plant. Tom. IV, Pars I,
p- 158. Desf., Atl. 2, p. 324, t. 249.
Hab. in Creta, Barbaria, Syria et Sicilia. _
b. PODANTHEMUM. Calycis limbus strietus, tubuloso-lin-
gulatus, basi stipatus, apici germinis articulatim impositus. Flo-
res axillares, solitarii vel ramosi v. cymosi, bracteis deciduis vel
persistentibus suffulti.
25.
ARISTOLOCHIA INDICAL. Scandens; foliis obovatis glabris
majoribus, basi lato-truncatis, apice rotundatis obtusis vel
breviacutis; pedunculis brevibus cymosis axillaribus; sti-
pite calycis angustissimo; calyce erecto, labio lanceolato
obtuso tubo longiore; bracteis parvis ovato-lanceolatis acu-
minatis concavis.
596 Nachtrag.
A. indica Linne, Flora zeylanica p. 323. |
Folia 2—5 pollices longa, infra apicem pollicem — 35
pollic., ad basin semipollicem — 2 pollices lata. Pe-
tioli 3—6 lineas longi. Cymae peduneuli 3 lineas longi.
Pedicelli 4 lin. longi. Calycis limbus bipollicaris. Fructus
pyriformis, basi longi attenuatus.
Hab. in India orientali.
26. A. RoxBURGHIANA Kl. Volubilis; foliis ovato-oblongis
acutis vel acuminatis, basi cordatis magnis; pedunculis axil-
larıibus cymosis binis; pedicellis germinibusque puberulis;
bracteis minutissimis ovatis acutis, extus hirsutis; calycis
labio lanceolato acuto tubo longiore.
A. indica var. £ Willd. Species plantarum Vol. IV,
Pars I, p. 157. A. acuminata Roxburgh, R. Wight, Ic.
plant. Ind. or. III, t. 771 nec Lamarck. Wäallich, Cata-
logus n. 2704 a et n. 2705.
Folia 4—6 poll. longa, versus basin 243—4 poll. lata,
profunde cordata. Petioli 1—1% poll. longi. Cymae pe-
dunculi semipollicares. Pedicelli 3—6 lineas longi. Brac-
teae vix lineam longae. Calycis labium pollicem longum,
tubus semipollicaris. Fructus pyriformis, bası longi atte-
nuatus.
Hab. ın India orientali.
27. A. ACUMINATA Lamarck. Volubilis, glabra; foliis ovatis
cordatis acuminatis; pedunculis geminis racemosis pauciflo-
ris; pedicellis germinibus bracteisque undique glabris; brac-
teis sessilibus submagnis lato-cordatis acutis; labio calycis
oblongo obtuso mucronulato tubo longiore.
Lamarck, Encyecl. I, p. 252. Willd. Species plant. Vol. |
IV, Pars I, p. 252.
Folia 3—5 poll. longa, 14—2% poll. lata. Petioli
15—2 poll. longi. Aacemi 2 poll. longi, 2—5 flores, gla- |
bri. Pedicelli 3—5 lin. longi. Bracteae 6 lin. longae, 5
lineas latae. Calycis labium pollicem longum, tubus 9 lin.
longus.
Hab. in insula Mauritii.
28. A. DEBILIS Sieb. et Zuccarini, Abhandl. d. math.-physik.
Nachtrag. 597
Klasse d. Königl. baierisch. Akad. der W. IV, 3, p. 197.
Walpers, Repert. I, p. 594.
Hab. in Japonia.
. A. KarmprErı Willd., Species plant. vol. IV, pars I,
p- 252.
Hab. in Japonia.
. A. LANCEOLATA R. Wight, Ic. plant. Ind. or. V, t. 1858.
Hab. in India orientali.
. A. HASTATA Jacquin. Volubilis, glabra; foliis oblongis
obtusis vel subacutis hastato -Iyratis longiusculo petiolatis ;
pedunculis axillaribus solitariis brevissimis unifloris; pedicello
filiformi glabro, basi bractea minuta lato-lanceolata acumi-
nata, utrinque glabra suffulto.
A. hastata Jacquin, nec Kunth necNuttall. Aristolochia
no. 2744, Zollinger, Plantae javanic. A. Jackü Steudel.
Folia 2—5 poll. longa, ad basin 15,—3 poll., supra ba-
sin 8—15 lin. lata. Pedunculi lineam longi. Pedicelli 3
lin. longi. Fructus pyriformis, basi magis attenuatus.
Hab. in Sumatra et Java.
. A. TIMORENSIS Decaisne, Fl. timorensis p. 272.
Hab. in Timor.
. A. GaupıcHhaupu Kl. Volubilis, glabra; foliis lato - ovatis
quinduplinerviis brevi cuspidatis, basi truncato -subcordatis ;
peduneulis racemosis multifloris axillaribus solitariis; labio
calycis elliptico acuto tubum aequante.
Folia 4—5 pollices longa, 2—3 poll. lata. Petioli
8—12 lin. longi. Racemi 6—8 flori. Bracteae sesquili-
neam longae, apice recurvatae. Calycis labium 3— 4 lin.
latum, 7—8 lin. longum.
Hab. in insula Rawack. (Gaudichaud).
. A. TAGALA Chamisso. Volubilis, glabra; foliis ovato-
oblongis acuminatis auriculato-cordatis longi petiolatis triner-
vis; racemis axillaribus solitariis pedunculatis multifloris ;
pedicellis germinibus floribusque puberulis; bracteis minutis
oblongis obtusis, intus glabris concavis, extus pubescentibus ;
calycis labio lingulato obtuso longitudine tubi.
Chamisso, in Schlechtendal’s Linnaea vol. VII, p. 207.
[1859.] 42
398
39.
36.
37.
38.
Nachtrag.
Folia 5 poll. longa, 2 poll. lata. Petioli sesquipollica- |
res. Racemi bipollicares 10—20 flori. Bracteae lineam
longae. Pedunculus 4 lin. longus. Calyx absque germine
pollicem longus.
Hab. in Luconia prope Tierram altam. (A.de Chamisso).
A. BRACTEATA Retz. Suffruticosa, glabra, flexuosa, de-
cumbens, inferne ramosa; foliis ovato-cordatis, margine cris-
pato-crenatis, apice obtuso-rotundatis; floribus solitariis axil-
laribus bracteatis; bracteis suborbicularibus cordatis pellu-
cido-punctatis petiolulatis; calycis limbo ad faucem subauricu-
lato, basi brevissime stipitato, labio oblongo brevi acuto tubo
longiore.
A. bracteata Retz. Observ. 5, p. 29, n. 80.
Suffrutex 8—16 pollicaris. Folia in sicco conduplicata
sesquipollices longa, basi 20 lin. lata. Petioli 8 lin. longi.
Pedunculi vix lineam longi. Bracteae 3 lin. longae et latae.
Pedicelli lineam dimidiam longi. Calyces 15 lin. longi.
Hab. in Madras (Koenig, J. Hooker et Thomson). In
Ceylon, (Thwaites, no. 2256). In Pondichery (Perrottet).
A. BRACTEOLATA Lamarck, Encyel. I, p. 256. WVilld.
Herb. no. 1780.
Hab. in insula Mauritiı.
A. ABYssInıcA Kl. Procumbens, glabra; foliis planis ova-
tis obtusis hastato-cordatis, margine crenulatis, supra laete
viridibus, subtus glaucis; bracteis reniformibus lato-rotun-
datis in petiolulum attenuatis, margine obsolete denticulatis ;
calycis limbo ad faucem ampliato recurvo, intus sparsim pu-
berulo, labio oblongo mucronato, deinde margine revoluto
tubo breviore.
Folia 1,—2 pollices longa, ad basin 15— 20 lin. lata.
Petioli 6—9 lineas longi. Peduneuli lineam longi. Pedi-
celli 3 lin. longi. Calycis limbus 18 lin. latus.. Labium 10
lin. longum et 3 lin, latum.
Hab. in Togodele Habyssiniae (G. Ehrenberg).
A. MAURORUM Linne&, Species plant. p. 1363. (A.crenata
G. Ehrenberg, A. Kotschyi Hochstetter).
Hab. in Syria (Tournefort), Arabia (G. Ehrenberg) et
Nubia (Kotschy).
Nachtrag. 599
39. A. mıcropuyLLaA Willd. Volubilis, gracillima, pube-
rula; foliis parvis ovatis cordatis acutiusculis vel obtusis;
pedunculis axillaribus solitariis unifloris; pedicellis nullis
bractea magna ovata obtusa munitis; germinibus brevi-villo-
sis; calycis limbo tubuloso-lingulato, extus sparsim-, intus
dense hispidulo, labio elongato obtuso tubo longiore.
A. microphylla Willd., Enum. plant. horti bot. Ber.
Suppl. p. 68. Herb. Willd. no. 17082.
Folia 10—20 lin. longa, ad basin 10—12 lin. lata. Pe-
tioli semipollicares.. Pedunculi 4 lin. longi. Bracteae 9
lin. longae et 4 lin. latae. Limbus calycis 22 lin. longus.
Hab. in India orientalı.
40. A. PETERSIANA Kl. Fruticosa, volubilis, glaberrima; caule
ramoso anguloso; foliis ovatis profundo cordatis obtusis vel
acutis vel cuspidatis, margine obsoleto - crenulatis, supra sa-
turato-viridibus, subtus glaucis; racemis in apice ramorum
axillaribus solitariis 2—4 floris pedunculatis bracteatis; brac-
teis magnis elliptieis mucronulatis, basi cordatis et lobis
approximatis; calycis limbo tubuloso -lingulato, extus glabro
longiusculo stipato, labio elongato -elliptico acuto, utrinque
attenuato, intus sparsim puberulo tubum aequante.
Frutex volubilis, ramosus, 4—6 pedalis. Caulis rami-
que sulcato -angulati, crassitudine pennae anserinae ad pen-
nam passerinam. Folia 2—2% poll. longa, ad basin 1—2
poll. lata. Pedunculi 4—6 lin. longi. Pedicelli 3 lin. longi.
Racemi bipollicares. Bracteae 6 lin. longae, 3 lin. latae.
Limbus calycis 22 lin. longus.
.j Hab. in Africa orientali, Rios de Sena, Tette. (W.Pe-
ters).
VII. EnpopecA Rafinesque. (Char. emend.) Caly-
eis tubus cum germine connatus, limbo supero colorato tubuloso
refracto, inferne ventricoso, apice ampliato ringente. Stylus bre-
vissimus, annulo crenato destitutus. Stigma 6-lobum , lobis ova-
tis subacutis conniventibus, margine planis. Antherae sex, bi-
loculares, quadrivalves, circa stylum infra lobos stigmatis verticil-
latim adnatae. Germen inferum, obovatum, 6-costatum , pseudo-
sexloculare. Ovula plurima, anatropa, horizontalia, loculorum
42°
600 Nachtrag.
angulo parietali biseriatim affıxa. Fructus capsularis, depressus,
sexangularis, spurio-sexlocularis, pseudo septicido-dehiscens. Se-
mina plurima, horizontalia, obovata, punctulata, nec membra-
naceo-marginata. Embryo in apici axeos perispermii dense cor-
nei minimus; radicula centripeta.
Suffructices Americae borealis humiles subpubescentes; rhi-
zomate repente brevi, apice gemmifero; radice fibrosa aromatica
(apud medicos usus est); caulibus gracilibus flexuosis, inferne
floriferis, superne foliosis; foliis membranaceis vel coriaceis, basi
emarginatis; racemis ad basin caulis enatis unifloris, semper brac-
teatis.
Endodeca Rafınesque, Medical Flora of the united States I,
p- 62.
4. E. SERPENTARIA Rafin. Pedalis, erecta, ramosa; caule
ramisque gracilibus striatis evanescente pilosulis, superne
flexuosis; foliis subcoriaceis ovatis acutis cordatis trinerviis
(sinu ampliato), utrinque sparsim pilosis, margine scabridis,
supra saturato-viridibus, subtus pallidis; petiolis articulato-
puberulis; racemis 1% pollicaribus unifloris 5— 6 bracteatis;
bracteis ovatis cordatis acutis conduplicatis, extus intusque
pubescentibus petiolatis; flore terminali nutante; calyeis
limbo sordide rubro sparsim brevi piloso, labio bilobo; ger-
mine brevi pubescenti-villoso.
Endodeca Serpentaria Rafınesque, Medical Flora of the
united States I, p. 62. (Aristolochia Serpentaria Bigelow,
American medical Botany, 1817, I, t. 49).
Folia 2—3 uncias longa, ad basin 15 lin.—2 poll. lata.
Petioli superiores 3-lineares, inferiores 6-lineares.. KRacemi
erecti sesquipollicares. Bracteae 2 lin. longae. Flores se-
mipollicares.
Hab. in America boreali. St. Louis, (G. Engelmann);
Kentucky, (B. Matthes); Missouri, (Chas A. Geyer).
2. E. Barronu Kl. Gracillima, bipedalis, flexuosa; caule vix
ramoso evanescente puberulo; foliis tenui-membranaceis ha-
stato - ovatis acuminatis polymorphis, margine utrinque spar-
sim pilosis, supra laete viridibus, subtus pallidis, basi in pe-
tiolum attenuatis; petiolis supra pubescentibus; racemis uni-
Nachtrag. 601
floris 2-pollicaribus erectis evanescenti pilosulis, versus api-
cem pubescentibus remoto 3—4 bracteatis; bracteis oblongis
acutis evanescenti puberulis, margine ciliatis ; floribus erectis
violaceis sparsim pubescentibus; calycis labio subringente
brevi tridentato.
Aristolochia Serpentaria Barton, Medical Botany II, t. 28.
Hayne, Arzneigewächse IX, t. 21.
Foliorum forma valde varia, tam 3%, poll. longa et 14,—
2 poll. lata, quam 35 poll. longa et 6—8 lin. lata. Petioli
‚graciles flexuoso-patentes. Racemi pedunculi superne pubes-
centes. Bracteae lineam longae. Flores semipollicares.
Hab. in America boreali.
3. E. PoLYRRHIZos Kl. Pedalis, puberula, superne denso
foliosa; foliis hastato-lanceolatis longo-attenuatis minutissime
sparsim et adpresso-pubescentibus, margine glabris, supra
saturato-, subtus pallide-viridibus; petiolis brevibus pubescen-
tibus; racemis erectis pubescentibus pollicaribus 4— 6 brac-
teatis; bracteis ovatis sessilibus longiusculo - acuminatis, extus
hirtis.
Aristolochia polyrrhizos Plukn. t. 78, f. 1. A. hastata
Nutt. nec Humb. Bonpl. Kunth. A. sagittata Mühlenberg.
Folia 3 poll. longa, 4—7 lin. longa. Petioli 1—2 lin.
longi. Bracteae 1!, lin. longae, semilineam ad basin latae.
Hab. in Arkansas, (G. Engelmann).
VIII. Sıpmısıa Rafinesque (Char. emend.) Calycis tu-
bus cum germine connatus; limbo supero vario-inflexo; labio
regulari vel ringente. Stylus brevissimus. Stigma trilobum,
lobis lato-ovatis acutis, margine planis conniventibus. Antherae
6, oblongae, utrinque truncatae, biloculares, quadrivalves, dorso
lobis stigmatis per paria adnatae. Ovarium inferum, oblongum,
6-costatum, pseudo-6 loculare. Ovula plurima, anatropa, hori-
zontalia, pseudo-loculorum angulo parietali uniseriatim affıxa.
Fructus capsularis elongatus spurio-sexlocularis, pseudo septicido-
dehiscens. Semina plurima, horizontalia, compressa, subtrian-
gulata.
Frutices volubiles vel suffrutices humiles Americae borealis
vel Indiae orientalis; foliis polymorphis subcoriaceis; floribus
602 2 Nachtrag.
extraaxillaribus solitariis aut racemosis ramealibus vel basilaribus,
bracteatis vel ebracteatis.
Siphisia Rafınesque, Medical Flora of the united States I,
p- 62.
a. Eusıpuisia. Limbus calycis longus, recurvatus. Labium
regulare, patens, tridentatum vel trilobum. Frutices volubiles
Americae borealis et centr. Flores rameales, solitarii, pedicellati.
4. SIPHISIA TRIPTERIS Rafın. Volubilis, glabra; foliis ova-
tis cordatis glabris; floribus parvis candidis; calycis tubo |
angusto-trialato.
Siphisia tripteris Rafın., Florula ludoviciana p. 24, Me-
dical Flora I, p. 62.
Caulis 10—20 pedalis. Folia 2 poll. longa et 15 lin. lata.
Hab. in Louisiana.
2. SIPHISIA TOMENTOSA Rafin. Volubilis, tomentoso-pubes-
cens; caule evanescente pubescente; foliis magnis cordato-
reniformibus latioribus quam longis obtusis, supra sparsim
subtus denso pubescentibus; petiolis teretibus villoso -to-
mentosis; pedicellis solitariis tomentosis ebracteatis; calycis
limbo viridi trilobo, lobis intus flavidis.
Siphisia tomentosa Rafınesque, Medical Flora I, p. 62.
Aristolochia tomentosa Sims, in Curtis’s Botan. Magazine-
t. 1369.
Folia 3—6 poll. longa, 3,—7 poll. lata. Petioli 1—2
pollices longi. Pedicelli pollicem longi. Calyx 2 pollices
longus. Labium pollicem in diametro.
Hab. in Missouri, (G. Engelmann).
3. Sıpnısıa Sıpmo Rafin. Volubilis, glabra; foliis maxi-
mis cordato-orbicularibus brevissime acutis, subtus sparsim
puberulis; petiolis longis, basi tumidis; Aoribus solitariis
longo pedicellatis; pedicellis infra medium bractea magna or- |
bieulari-oblonga obtusa sessili munitis; ealyeis limbo viridi,
labio orbieulari-tridentato, intus purpureo flavo-variegato.
Siphisia Sipho Rafın., Medical Flora I, p. 62. (Aristo- |
lochia Sipho Aiton, Hortus Kewensis III, p. 311. l’Herit.
Stirp. 13, t. 7. A. macrophylla Lam. Encycl. I, p. 252.
Hab. in montibus Aleghanis a Pensylvanıa ad Carolinam.
Nachtrag. 603
4. SıpHIsIA SERICEA Kl.
Aristolochia sericeaBenth., Plantae Hartwegianae p. 81,n. 561.
Hab. in Guatemala. (Hartweg).
b. NEPENTHESIA. Limbus calyeis longus, reflexus, costatus.
Labium ringens, obliquum, subpatens. Flores rameales race-
mosi. Frutices volubiles Indiae or.
5. SIPHISIA SACCATA Kl. Volubilis; caule ramoso ferrugineo-
pubescente longissimo gracili; foliis ovato-cordatis vel lan-
ceolato-cordatis magnis coriaceis, versus apicem attenuatis,
supra deciduo-pilosis, subtus petiolisque pubescentibus; race-
mis plurimis multifloris extraaxillaribus ferrugineo - pubescen-
tibus ; bracteis obovatis obtusis, extus intusque ferrugineo-
hirsutis; floribus praesertim in alabastro fusco -villosis; ger-
minibus pallidofusco-pubescentibus inflexis.
Aristolochia saccata Wallich, Plantae rariores II, 103.
Ibid. Catalogue of indian plants n. 2707a. Graham, in Bot.
Magazine t. 3640.
Folia 6—15 poll. longa et 4—6 poll. lata vel 15 poll.
longa et 4 poll. lata. Petioli 1—2 poll. longi. Racemi
multiflori 15,—2 poll. longi. Flores 4—5 pollicares. Pe-
dicelli 3—4 pollicares. Bracteae sesquilineares.
Hab. in India or., Silhet, (Wallich); Khasiya, Sikkim,
(Hooker f. et Thomson).
6. SIPHISIA ANGUSTIFOLIA Kl. Volubilis; caule ramoso te-
reti puberulo longissimo graeili; foliis elongatis acutis tripli-
nerviis brevi-cordatis reticulato-nervosis, supra glabris, sub-
tus nervoso-puberulis; racemis fusco-villosis.
Aristolochia saccata, var. glabrata Herb. Ind. or. Hook.
f. et Thomson.
Folia 6—9 poll. longa et 2—3 poll. lata. Racemi 2
poll. longi.
Hab. in Khasiya Indiae orientalis (Hook. f. et Thomson).
7. SIPHISIA PLATANIFOLIA Kl. Volubilis, glaberrima; caule
gracili sulcato; foliis longo petiolatis cordatis palmatisectis,
profundo trilaciniatis, lacinia media triloba, lateralibus bilo-
bis, lobis acutissimis, supra laete viridibus, subtus glaucis,
utrinque glaberrimis. E
Aristolochia saccata? Hooker f. et Thomson, Herb. Ind. or.
604 Nuchtrag.
Folia 9 poll. longa, 8 poll. ad med. lata. Lacinia me-
dia 7 poll. longa, ad basin 1% poll. lata, versus apicem 3%
poll. lata. Laciniae laterales 5 poll. longae, 1%, poll. latae.
Hab. in Khasıya Indiae or. (Hook. f. et Thomson).
c. PEntopon. Limbus calycis longus, bis geniculato -in-
curvus. Labium ringens, quinquedentatum. Suffrutex humilis
Ind. or., basi floriferus, superne foliosus. Flores racemosi. Ra-
cemi ad basin confluentes. Rhizoma tuberosum.
8. SIPHISIA THWAITESU Kl. ZErecta, humilis; ramis veluti-
nis; foliis oblongis cuneatis acutis versus basin longo -atte-
nuatis, supra glabris, subtus sericeo-villosis; pedunculis sub-
radicalibus; floribus racemosis oppositis; limbo calycis bis
arcte geniculato -flexuoso; labio obliquo-truncato 5 dentato,
intus copioso glanduloso-villoso.
Aristolochia Thwaitesii W. Hooker, in Bot. Mag.
t. 4918.
Suffrutex 6—12 pollicaris.. Caulis pennae corvinae
crassus. Folia 3 poll. longa, ad basin 2—3lineas, infra apicem
12—14 lin. lata. Racemi ramosissimi, multiflori, basilares, 3
poll. longi. Flores 23; poll. longi.
Hab. in Ceylona (Thwaites).
d. BRACHYCALYX. Limbus calycis oblongo-inflatus, apice
constrictus. Labium ventricosum, obliquum, ringens, quinque-
lobum. Suffrutex humilis, erectus Am. borealis. Caules inferne
floriferi, superne foliosi. Spicae geminae, graciles, bracteatae,
multiflorae.
9. SIPHISIA RETICULATA Kl. Caule evanescente hirto humili;
foliis coriaceis cordato-ovalıbus, inferioribus rotundatis, su-
perioribus brevi acutis brevissime petiolatis, supra nervoso-
puberulis, subtus magis prominenti-reticulatis pubescenti-
nervosis, margine scabridis; spicis simplicibus geminis eva-
nescenti-pubescentibus 8—10 floris; bracteis ovatis subcor-
datis persistentibus acutis pubescentibus; pedicellis germini-
busque pubescenti-villosis.
Aristolochia reticulata Nuttall Mss. (Ex herb. Reichenb.)
Suffrutex semipedem ad pedem altus. Folia 2—3 poll.
Nachtrag. 605
longa, 14—24 lin. lata. Petioli inferiores 2—3 lin. longi,
supremus 6—8 lin. longus. Spicae 2—3 poll. longae.
Bracteae 2—3 lin. longae, 1—1% lin. latae. Calycis limbus
3—4 lin. longus.
Hab. in Louisiana Americae borealis, (Nuttall, A. Gray).
IX. EınoMEIA Rafin. (Charac. emend.) Calycis tubus cum
ovario connatus; limbo supero tubuloso-lingulato, basi ventricoso
germine stricto imposito; labio magis obliquo acuto exauriculato.
Stylus brevissimus. Stigma tubulosum, elongatum, brevi quin-
quelobum, lobis conniventibus acutis, margine subrecurvis. An-
therae 5, biloculares, elongatae, utrinque obtusae, tubo stigmatis
longitudinaliter adnatae, lobis stigmatis oppositae. Ovarium in-
ferum, inferne attenuatum, pseudo-quinqueloculare. Ovula plu-
rima, anatropa, horizontalia, pseudo-loculorum angulo parietali
biseriatim affıxa. Capsula pseudo-quinquelocularis obovata, apice
truncata, verlice usque ad basin pseudo-septicido-dehiscens. Se-
mina plurima, triangularia, compressa, horizontalia.
Frutieuli humiles ramosi subvolubiles mexicani vel in insulis
Ind. occ. erescentes. Ramuli filiformes. Folia parva, plerumque
basi cordata vel hastata. Flores axillares solitarii pedicellati.
Pedicelli bractea muniti.
1. EINOMEIA PENTANDRA Rafin. Volubilis, pubescens; caule
retrorsum pubescente; foliis cordatis hastato-subtrilobis, su-
pra evanescente puberulis, subtus nervoso-pubescentibus,
lobis lateralibus divergentibus subrotundatis intermedio ob-
tuso vel acuto duplo brevioribus; petiolis retrorsum pubes-
centibus; floribus puberulis axillaribus solitariis, infra me-
dium pedicelli bractea ovata cordata brevi petiolulata obtusa
munitis; labio calycis recurvato ovato-lanceolato acuto tubo
longiore.
Einomeia pentandra Rafınesque, Medical Flora of the
united States I, p. 62. (Aristolochia pentandra Linne, Spe-
cies plant. 1361; Willdenow, Species plant. IV, P. J. p. 152,
n. 5; Jacq., amer. p. 232, t. 147; Lamarck, Encyel. I,
p- 252; Ramon de la Sagra, Flora cubana p. 194. Aristo-
lochia hastata Humb. Bonpl. Kth., Nova gen. et spec. II,
p- 117, no. 16.)
606
3.
Nachtrag.
Fructiculus sesquipedalis, ramosus. Rami tenues, dicho-
tomi, 4—6 pollicares. Foliorum forma valde varıa, 6—18
lin. longa, lobo medio 4—12 lin. longo, 4—8 lin. lato,
lobis lateralibus 3—6 lin. longis et latis. Petioli 4—6 lin.
longi. Pedicelli 4 lin. longi. Bracteae 3 lin. longae et 2
lin. latae. Calycis limbus 9 lin. longus.
Hab. in sylvis circa Havanam.
EINOMEIA BERLANDIERI. Kl. Suffruticosa, ramosa, sub-
pubescens; ramis tenuissimis suberectis pubescentibus; foliis
subovato-oblongis obtusis vel acutis, basi angusto- cordatis,
supra sparsim pubescentibus, subtus nervoso - pubescentibus;
petiolis albido-pubescentibus; pedicellis infra apicem bractea
ovato-lanceolata sessili, utrinque pubescente instructis; cap-
sulis depressis puberulis, apice truncatis, basi subattenuatis.
Berlandier, (1827), n. 203.
Suffrutex pedalis. Rami semipedales. Folia inferiora
cordato-subreniformia, 7 lin. longa, 5—6 lineas lata, supe-
riora oblonga cordato-hastata, 6—18 lin. longa et 3—6 lin.
lata. Petioli 3—4 lin. longi. Pedicelli 2% lin. longi. Brac-
teae 1% lin. longae.
Hab. in regno mexicano prope Tampico de Tamaulipas.
(Berlandier).
EINOMEIA BREVIPES Kl. Fruticulosa, ramosa, pubescens;
ramulis filiformibus volubilibus pubescentibus; foliis parvis
breviter petiolatis subreniformibus rotundatis, basi profunde
cordatis subtilissime pubescentibus; fAloribus axillaribus soli-
tariis pedicellatis; pedicellis apice bractea subrhomboidea
obtusa semiamplexicauli conduplicata, extus pubescente mu-
nitis; limbo calyeis hirtello incurvo, labio elongato obtuso
tubum aequante.
Aristolochia brevipes Bentham, Plantae Hartwegianae
p- 15, n. 85.
Fruticulus pedalis. Rami filiformes 9-pollicares. Folia
9 lin. longa, 10 lin. lata. Petioli 3 lin. longi. Pedicelli
1%, lin. longi. Bracteae 3 lin. longae, 2 lin. latae. Lim-
bus calycis 7—9 lin. longus.
Hab. in Mexico. (Hartweg).
ı
Nachtrag. 607
£. CALYCIS TUBUS APICI OVARU OBLIQUO IMPOSITUS.
X. HowardıA Kl. (nec Weddell). Calyx coloratus tubu-
losus, tubo inferne cum ovario oblique connato, supra ovarium
ventricoso, recto vel curvato, labio linugulato obliquo, vel recto,
nunc ringente nunc bilabiato. Stylus brevis. Stigma elonga-
tum, tubulosum, brevi sexlobum, lobis conniventibus acutis, mar-
gine revolutis. Aniherae sex, biloculares, elongatae, utrinque
obtusae, tubo stigmatis oppositae. Filamenta nulla. Ovarium
inferum, elongatum, pseudo-sexloculare. Ovula plurima, ana-
tropa, horizontalia, pseudo -loculorum angulo parietali biseriatim
affıza. Capsula oblonga, pseudo -sexlocularis, sexvalvis, pseudo-
seplicido-dehiscens. Semina numerosissima, compressa, margi-
nata, triangularia, horizontalia.
Fructices vel suffrutices Americae australis plerumque volu-
biles. Foliorum forma valde varia, petiolata saepe stipulata.
Stipulae persistentes vel deciduae. Flores axillares, solitarii, raro
bractea muniti.
a. Dipuarus. Calycis limbus magnus, ringens, bilabiatus.
Folia subreniformia, longi petiolata. Stipulae magnae, foliaceae,
amplexicaules, persistentes. Caulis volubilis. (Pistolochia Raf.
‚et Endl. partim).
1. HowARDIA RINGENS Kl. Glaberrima; foliis magnis reni-
formibus rotundatis, supra laete-viridibus, subtus glaucescen-
tibus; stipulis latissimis magnis rotundatis solitariis, basi cor-
datis; calycis labio inferiore spathulato superiore lanceolato
subduplo breviore.
Aristolochia ringens Vahl, Symbolae IH, p. 99. A.
grandiflora Vahl, (nec Swartz) Symbolae II, p. 94. t. 47.
Herb. Wilid. n. 17058.
Folia 3 poll. longa et 4% pollices lata. Petioli 1% poll.
longi. Stipulae 9 lin. longae, 12—15 lin. latae. Limbus
calycis 7 pollices longus. Labium superius 3 pollices lon-
gum, inferne 4-apice 9 lin. latum. Labium inferius 5 polli-
ces longum, in medio 16 lin. latum.
Hab. ın insula Jamaica.
2. HowarnıA HIANs Kl. Glaberrima; foliis magnis renifor-
mibus cordatis, apice rotundatis vel brevissime acutis, supra
saturate viridibus, subtus glaucescentibus rubro-venosis; brac-
608
Nachtrag.
teis maximis amplexicaulibus cordatis, apice emarginatis; ca-
Iycis labio inferiore orbiculato in pedem angustum brevi’
attenuato flavo-fusco, venoso-violaceo-fusco, superiore lan-
ceolato acuto incurvo duplo breviore.
Aristolochia hians Herb. Willd. n. 17059.
Folia 3—5 poll. longa, 35—6 poll. longa. Petioli 1—2
poll. longi. Stipulae pollicem longae, sesquipcllicem latae.
Calycis limbus 9 poll. longus. Labium superius 6 pollices
longum et 8 lin. inferne latum. Lamina labii inferioris 2
pollices longa et 2% poll. lata. Pes laminae 15 lin. longus
et 2 lin. latus.
Hab. in Venezuela, (Moritz, E. Otto, H. Karsten, Goll-
mer et Bredemeyer).
HOoWARDIA BRASILIENSIS Kl. Glaberrima; foliis reniformi-
cordatis rotundatis vel brevissime acutis, supra laete viridi-
bus, subtus glaucescentibus; stipulis maximis cordato - ovatis
obtusis glaucis amplexicaulibus; labio inferiore maximo, la-
mina apicali orbiculari emarginata in pedem navicularem at-
tenuata, superiore oblongo apiculato quadruplo breviore.
Aristolochia brasiliensis Mart., Nova gen. et species I],
p- 77. A. labiosa Ker, Bot. Reg. t. 689, Sims, Bot. Mag.
t. 2545, excl. syn.
Folia 3—4 poll. longa, 33—4% poll. lata. Petioli 3 poll.
longi. Bracteae 15 lin. longae, pollicem latae. Limbus ca-
lycis 8 pollices longus. Labium superius 15 lin. longum, 9|
lin. latum. Lamina apicalis labii inferioris 4 poll. longa, 5
poll. lata. Pes laminae 2% poll. longus et 15 lin. latus.
Hab. in Brasilia. (Sello, Martius). In horto bot. Berol.
anno i829 et 1830 excult.
HOWARDIA GALEATA Kl. Glaberrima; foliis suborbicula-
ribus cordato-reniformibus subobtusis; stipulis solitariis ro-
tundatis cordatis amplexicaulibus; labio inferiore apicali am-
plissimo emarginato, basi cordato pede angusto stipato, su-
periore lanceolato acuto conduplicato paullulum breviore.
Aristolochia galeata Martius, Nova gen. et species plant.
I. p. 178. A.ringens Lk., Icones plant. select. p. 30. t. 13.
A. labiata Willd. Herb. n. 17060. A. ornithocephala Hoo-
ker, Bot. Mag. t. 4120.
Nachtrag. 609
Folia 3—5 poll. longa, 35—5% poll. lata. Petioli 14—
25 poll. longi. Bracteae 15 lin. longae et 18 lin. latae.
Limbus calycis 8 poll. longus. Labium superius 6 poll. lon-
gum et 15 lin. latum. Lamina apicalis labii inferioris 3 poll.
longa, 6 poll. lata. Pes laminae 2 poll. longus et 3 Iin.
latus.
Hab. in Brasilia prope Bahiam (Sieber, Sello, Martius,
Luschnath, Gardner).
5. HowARrDIA CYMBIFERA Kl. Glaberrima; foliis suborbicu-
latis cordatis, rotundatis vel emarginatis, supra saturato-vi-
ridibus, subtus glaueis; stipulis orbiculari-oblongis obtusis
glaucis, basi cordatis amplexicaulibus; labio inferiore apice
orbiculari-obovato in pedem angustum leviter attenuato, su-
periore oblongo conduplicato apiculato magis recurvato paul-
lulum longiore.
Aristolochia cymbifera Martius, Nova gen. et species I,
t. 49. A. orbiculata Arrabida, Flora flum. IX, t. 96.
Folia 3—4 poll. longa, 4—5 poll. lata. Petioli 1—2
poll. longi. Stipulae 1%; poll. longae, pollicem latae. Lim-
bus calycis 7 poll. longus. Labium -superius 3 poll. lon-
gum, 14 lin. latum. Lamina labii inferioris 2% poll. longa,
3 poll. lata. Pes laminae 1% poll. longus et 5 lin. latus.
Hab. in Brasilia. (Martius, Sello et Gaudichaud).
b. STERIGMARIA. Calycis limbus maximus, unilabiatus, tubo
sursum curvato longitudinaliter 6-sulcato, basi sexgibbo elongato-
inflato, antice in tubum brevem attenuato, parte superiore as-
surgente hinc saccato-globoso. Labium concavo-conchiforme,
deinde planum, reticulato-venosum, integrum vel cordatum in
‚caudam plus minus longam attenuatum. Frutices volubiles Ame-
ricae australis. Folia cordata estipulata. Flores inodori, op-
positifolii, infra germinem bractea persistente perfoliata muniti.
6. HowARrDIA FOETENS Kl. Caule glabro; foliis lato-cor-
datis acutis, subtus levissime pubescentibus glaucescentibus;
bractea orbiculata; labio limbi calycis subplano longissime
caudato.
Aristolochia foetens Lindley, Bot. Reg. t. 1824.
Hab. in insulis Indiae occidentalis,
610 Nachtrag.
7. HOWARDIA GIGANTEA Kl. Foliis cordatis acutis; bractea
perforata acuta; ‘limbo calycis extus intusque glabro; labio
brevi caudato.
Aristolochia gigantea Martius, Nova gen. et species I,
p- 75, t. 48, Hooker, Bot. Mag. t. 4221.
Hab. in Bahia Brasiliae.
8. HOoWARDIA GRANDIFLORA Kl. Foliis subpubescentibus
lato-cordatis, apice attenuato - acutis; bractea perfoliata pu-
bescente ovata, apice obtusa mucronulata, basi emarginata;
calycis maximi tubo magis costato, extus reticulato - pubes-
cente, limbo amplissimo cordato-ovato longissimo-caudato.
Aristolochia grandiflora Swartz, Flora Indiae oce. II,
p- 1566 (non Vahl), Hooker, Bot. Mag. t. 4368 et 4369.
A. scandens etc. P. Browne, Jamaic. p. 329. A. Gigas
Lindley, Bot. Reg. t. 60.
Hab. in insulis Indiae occ. et in Guatemala.
9. HowArDıa RuızıanAa Kl. Caule volubili nitido pallido-
fusco; foliis lato- ovatis brevissime acuminatis, basi leviter
cordatis, supra saturate-viridibus laevibus glabris subnitidis,
subtus prominenti-nervosis glaucis puberulis; petiolis ro-
bustis longis glabris.
Herb. Ruizii n. 361.
Folia subcoriacea 6 poll. longa et lata. Petioli 4 poll.
longi et cerassitudine pennae corvinae.
Hab. in Peruviae nemoribus ad Chicoplaya. (Ruiz et
Pavon).
c. ADENORACUS. Calycis limbus unilabiatus, tubuloso - lin-
gulatus, supra germinem oblique inflatus, longitudinaliter 6-co-
status in tubum subinfundibuliformem brevem, incurvum, apice
ampliatum attenuatus. Labium lingulatum, deinde ad marginem
reduplicatum, plerumque intus piloso-glandulosum in alabastro
basi auriculatum. Frutices vel suffrutices volubile. Folia mem-
branacea, cordata. Stipulae persistentes vel deciduae v. nullae.
Flores axillares solitariı ebracteati.
40. HoWwARDIA TRUNCATA Kl. Suffruticosa; caule striato;
petiolis pedicellisque rufo-hirsutissimis; foliis ovato-cordatis
obtusiusculis, sinu lobisque rotundatis, supra glaberrimis,
subtus dense rufo-tomentosis; calyce hirsuto, limbo recur-
Nachtrag. 611
vato-infundibuliformi, labio elliptico, apice emarginato, in-
tus glabro.
Aristolochia truncata Fielding et Gardner, Sert. plant.
t. 44.
Suffrutex altus. Caulis gracilis tenuis. Folia estipulata
3—4 poll. longa, ad basin 2 poll. lata. Petioli 9 lin. longi.
Pedicelli pollicem longi. Calycis limbus 2% poll. longus.
Labium pollicem longum et semipollicem latum.
Hab. in Tarapoto Peruv. (Mathews n. 1308).
. HowarDıA ANnGUIcıDA Kl. Glabra; caule volubili gracili
striato; foliis submembranaceis ovato-cordatis brevissimo
euspidatis, basi sinu profundo rotundato, inferioribus obtu-
sis vel rotundatis, floralibus minimis; stipulis persistentibus
cordato-rotundatis amplexicaulibus; pedicellis solitariis axil-
laribus ebracteatis, versus apicem puberulis, flore nervoso-
puberulo brevioribus; calycis limbo supra basin inflato re-
liquo infundibuliformi, ore dilatato obliquo, labio angusto
obtuso, basi dilatato patente, deinde margine reflexo tubo
breviore.
Aristolochia anguicida Jacquin, Amoen. p. 232, t. 144,
Linne, Species plant. p. 1362, Humb. Bonpl. Kth., Nova
genera et species plant. Am. II, p. 166. Hooker, Bot.
Mag. t. 4361. Herb. Willd. n. 17061.
Folia 2— 25 poll. longa, 15—2 poll. lata. Folia flo-
ralia 8 lin. longa, 4 lin. lata. Petioli 3—1 poll. longi.
Pedicelli 6—9 lin. longi. Calycis limbus 15—21 lin. lon-
gus. Labium 8 lin. longum.
Hab. in Carthagena, Nova Granata et in insulis Ind.
occ.
HOWARDIA DELTOIDEA Kl.
Aristolochia deltoidea Humb. Bonpl.Kth., Nov. gen. et
species I, p. 116, t. 112. Arist. subcordata Hb. Willd.
n. 17064.
Hab. in umbrosis fuminis Amazonum Peruviae.
HOWARDIA BILABIATA Kl.
Aristolochia bilabiata Linne, Systema pl. ed. Roemer IV,
p- 57, Spec. plant. 1361. Swartz, Observ. p. 342, Willd.,
Spec. plant. IV, P. I, p. 154, Hb. Willd. n. 1756.
612
14.
15.
46.
17.
18.
Nachtrag.
Hab. in insulis Ind. occidentalis, locis aridis.
HOWARDIA RUMICIFOLIA Kl.
Aristolochia rumicifolia Martius, Nova gen. et species I,
p- 79, t. 54. Aristolochia oblonga Arrab., Flora fluminensis
BR}299.
Hab. in Brasilia australi.
HoWARDIA OBTUSATA Kl.
Aristolochia obtusata Swartz, Prodr. p. 126, Flora ind.
occid. III, p. 1565, Willd., Spec. plant. IV, P. I, p. 154.
Aristolochia rugosa Lamarck, Enceycl. I, p. 250.
Hab. in insulis caribaeis, ad Guadeloup, (Duchassaing).
HOWARDIA FLUMINENSIS Kl. Volubilis, striata, piloso-
setulosa; caule gracili striato petiolis pedicellis calycibusque
setulosis; foliis profundo-cordatis ovato-oblongis attenuatis
obtusiusculis, (sinu truncato), supra sparsim puberulis, subtus
dense puberulis; floribus axillaribus solitariis; labio calycis
oblongo obtusiusculo, intus glabro laevi tubum aequante.
Aristolochia odoratissima Arrabida, Flora fluminensis IX,
t. 97, (nec Linne).
Folia membranacea, 4—5 poll. longa, 2—3 poll. lata.
Petioli et pedicelli 15 poll. longi. Stipulae nullae. Ca-
Iycis limbus bipollicaris.
Hab. in Brasilia australi, (Sello).
HowarDIA LANSBERGI Kl. Volubilis, striata, subglabra;
foliis parvis ovato-oblongis acutissimis, profundo- cordatis,
(sinu obtuso), supra saturato-viridibus glabris, subtus glau-
cescentibus tomentoso-puberulis; petiolis glabris; stipulis
nullis; floribus axillaribus solitariis ebracteatis reticulato-
venosis longiusculo-pedicellatis glabris; calycis limbo basi
globoso-inflato in tubum infundibuliformem attenuato, labio
lingulato obtuso, inferne angusto, intus ad apicem sparsim
hirto tube breviore.
Folia 15—2 poll. longa, pollicem lata. Petioli et pe-
dicelli pollicem longi. Calycis limbus 2% pollices longus.
Labium 9 lin. longum.
Hab. in Venezuela, (de Lansberg).
HOoWARDIA PILOSA Kl. Volubilis, articulatim ochraceo-
pilosa; caule herbaceo striato ; foliis estipulatis membranaceis
22.
Nachtrag. 613
ovato-cordatis articulatim-setulosis, apice rotundatis, (sinu
profundo-truncato), lobis rotundatis, supra glabris saturate
viridibus, subtus ochraceis articulato - pubescentibus; petiolis
pedicellis et germinibus articulato-setulosis.
Aristolochia pilosa Hb. Willd. n. 17063. Humb. Bonpl.
Kth., Nova gen. et species II, p. 116. t. 113.
Folia 2—25 poll. longa, 15—18 lin. lata. Petioli
-—% pollicem longi. Pedicelli pollicem longi.
Hab. in America australi, prope Guayaquil regni Qui-
tensis.
HOWARDIA BARBATA Kl.
Aristolochia barbata Jacquin, Icones rariores III, t. 608,
Collect. III, p. 221. Willd., Species plant. IV, P. 1. p. 156,
no. 18.
Hab. ad Caracas, in locis humidis calidis. (E. Otto).
HOWARDIA SURINAMENSIS Kl.
Aristolochia surinamensis Willd., Spec. plant. IV, P. I,
p. 151. A. trilobata Jacquin, Obs. I, p. 8. t. 3. nec Linne,
nec Swartz.
Hab. in Surinam. (Hostmann, n. 611).
HoWARDIA PUBESCENS Kl. Fruticosa, volubilis; caule gra-
eili striato sparsim articulato-piloso; foliis estipulatis cor-
dato-ovatis obtusis v. brevissime acutis, supra saturato-viri-
dibus sparsim pilosis, subtus flavido-viridibus dense puberu-
lis, (sinu profundo-truncato), lobis rotundatis; petiolis pedi-
cellisque parce setosis; limbo calycis tubuloso - lingulato,
extus sparsim articulato - setuloso, ad basin inflato, in tubum
inferne angustum, superne ampliatum attenuato; labio ovato-
lanceolato acuto, intus ad apicem glanduloso-piloso.
Aristolochia pubescens Willd. Herb. n. 17062. (Speci-
men Hoffmannseggianum).
Folia 15—25 poll. longa, 15 lin. — 1% poll. lata. Pe-
tioli 3—1 poll. longi. Pedicelli 9 lin. longi. Calycis lim-
bus 2 poll. longus; labium pollicem longum.
Hab. ad Bahiam in Brasilia. (Sieber).
HoWwARDIA SCHOMBURGKU Kl. Volubilis, suffruticosa,
subglabra ; caule ramisque striatis glabris; foliis magnis mem-
[1859.] 43
614
23.
basi ventricosus, apice obliquo-apertus, primum suberectus, deind
“ berulis; calycis limbo bilabiato, inferne globoso-inflato tu-
Nachtrag.
branaceis ovato-oblongis obtusiusculis, basi valde profundo
hastato-cordatis, supra glabris saturato-viridibus, subtus
pallidioribus puberulis, (sinu inter petiolum utrinque rotun-
dato); petiolis glabris; pedicellis Aoribusque evanescente pu-
buloso-lingulato, in alabastro ad faucem labio conduplicato
opposito auriculato; labio superiori orbiculari, basi brevi at-
tenuato, intus glanduloso-hirto, inferiore multiplo breviore
ovato-obtuso.
Aristolochia rumicifolia Richard Schomburgh in schedu-
lis, nec Martius.
Folia 4—5 poll. langa, 14—2 poll. lata. Lobi ad ba-
sin foliorum pollicem longi, 10 lin. lati. Petioli et pedi-
celli pollicares. Venter calycis 5 lineas in diametro; tubus|
5 lin. longus. Labium superius 10 lin. longum, infra api-
cem semipollicem latum,, inferius 4 lin. longum et ad basin
3 lin. latum.
Hab. in Guiana anglica.. Ad Piraram. (Richard Schom
burgk sub no. 611).
HOWARDIA COSTARICENSIS Kl. Suffruticosa, piloso - setu-
losa; ramis striatis setulosis herbaceis; foliis ovato- cordatis
acutis, supra laete viridibus glabris, subtus puberulis albi-
cantibus margineque nervoso - setulosis; petiolis et pedicellis
articulato -setulosis; limbo calycis tubuloso-lingulato, extusf
setuloso; labio elongato obtuso intus fusco -maculato verru-|
coso-piloso.
Rhizoma subterraneum, fuscum, rugosum, crassitudingd
pennae anserinae. Rami graciles subtorti. Folia tenui-f
membranacea, 3—5 poll. longa, 143—3 poll. lata. Pe.
tioli 1—2 poll. longi. Pedicelli pollicares.. Limbus caly-J
cis 25 pollicaris.
Hab. in America centrali, ad Costam-Ricam (Carolus Hoff.
mann, Doct. med.)
d. ANCYCLANTHEMUM. Calycis limbus incurvo-tubulosusf
subinflexus, in alabastro subconduplicatus. Suffrutices Americad
australis. Folia variiformia, plerumque estipulata, rarissime sti
pulis persistentibus amplexicaulibus munita.
Nachtrag. 615
+ Folia stipulacea.
24. Howarnıa Rasa Kl.
Aristolochia Raja Martius, Nova gen. et spec. I, t. 52.
Aristolochia reniformis Arrabida, Flora uminensis IX, t. 100.
Hab. in Brasilia meridionali. (Rio Janeiro).
++ Folia estipulata.
25. HOWARDIA FRAGRANTISSIMA Kl.
Aristolochia fragrantissima Ruiz et Pavon, Flora peruvy.
et chilensis inedita. Lambert, Illustration of the genus Cin-
chona p. 17 cum icone. Vulgo Contrayerba.
Hab. in Peruviae nemoribus, in sylvis ad Pozuzo, Mon-
zon, Chicoplaya, Tulumaya etc.
26. Howarpıa MmaxımA Kl.
Aristolochia maxima Jacquin, Hist. stirp. amer. p. 233,
t. 146, Linne, Species plant. p. 1361, Willd., Species plant.
IV, P. I, p. 153.
Hab. in Nova Hispania ad S. Martham.
7. HOoWARDIA ERIANTHA Kl.
Aristolochia eriantha Martius, Nova gen. et species I,
t. 53.
Hab. in Brasilia.
8. HOWARDIA CYNANCHIFOLIA Kl.
Aristolochia eynanchifolia Martius, Nova gen. et spec.
5,2: 51.
Hab. in Brasilia. (Rio Janeiro).
9. Howarnıa Cuamissonis Kl. Fruticosa, volubilis; caule
ramisque teretibus leviter striatis evanescente piloso- setu-
losis; foliis coriaceis laete viridibus ovatis brevissime acutis,
supra glaberrimis, subtus prominenti-nervosis puberulis; pe-
tiolis pedicellisque evanescenti-pilosis; limbo calyceis glabro
magis inflexo, basi ampliato, in tubum sensim attenuato; la-
bio longissimo acuminato, margine puberulo, intus atro-reti-
culato glabro.
Aristolochia maxima A. de Chamisso in Herb. Berol.
nec Jacquin.
Caulis crassitudine pennae columbinae. Folia 3—4%
poll. longa, 15 lin. — 22 lin. lata. Petioli et pedicelli
43*
616 ; Nachtrag.
15—2 poll. longi. Limbus calyeis 4% poll. longus, ad ba-
sin pollicem in diametro.
Hab. in Brasilia. (Sello sub n. 267).
30. HowARDIA SELLOWIANA Kl. Suffruticosa, gracilis, gla-
berrima, volubilis; caule herbaceo striato; foliis membrana-
ceis oblongo-triangulatis acuminatis, basi subhastatis, lobis
divaricatis rotundatis, utrinque glabris, subtus pallidioribus
estipulatis; pedicellis gracilibus; limbo calycis glabro, magis
inflexo, basi ampliato in tubum sensim attenuato; labio obli-
que truncato obtuso, margine puberulo, intus atro-punctato
sparsim hirto.
Folia 3—4 poll. longa, 1%—25 poll. ad basin lata.
Petioli —1 poll. longi. Pedicelli pollicares. Limbus ca-
lycis 1% poll. longus, ad basin 4 lin. in diametro.
Hab. in Montevideo? (Sello, sub no. d, 2475).
e. STENANTHEMUM. Calycis limbus tubuloso-lingulatus,
longissimus, angustatus, basi ventricosus; labio longo angustato,
apice attenuato. Suffrutices brasilienses ramosissimi, pygmaei. |
31. HOWARDIA LONGIFOLIA Kl.
Aristolochia angustifolia var. longifolia Cham., in Lin-
naea, VII, p. 211. t. V, Fig. 2, partim.
Hab. in Brasilia meridionali. Rincon de gallinas ad ri-
pas fluminis Rio negro. (Sello).
32. HOWARDIA BREVIFOLIA Kl.
Aristolochia angustifolia var. brevifolia Adalbert de Cha-
misso, in de Schlechtendal’s Linnaea VII, p. 212. t. V, £
2, partim.
Hab. in San Jose de Uruguay. (Sello).
33. HOWARDIA SESSILIFOLIA Kl. Suffruticosa, scabrido-pube-
rula; radice lignescente rubiginosa multicipiti; caulibus ra-
misque tenuibus angulatis geniculatis scabrido - puberulis ;
foliis quinduplinerviis, subtus prominentibus scabrido -pube-
rulis oblongis rotundato-mucronatis, basi leviter cordatis
brevissime petiolatis, supra glabris.
Caules 9 poll. longi. Folia 2—3 poll. longa, 1—1%
poll. lata. Petioli 1—2 lin. longi.
Hab. in Brasilia. (Sello.)
Nachtrag. 617
34. HOoWARDIA EMARGINATA Kl. Suffruticosa, puberula; ra-
dice multieipiti; caulibus subangulatis puberulis adscendenti-
bus; foliis ovatis cordatis, apice rotundato-emarginatis, utrin-
que puberulis, brevissime petiolatis; foribus axillaribus soli-
tariis sessilibus, extus pubescentibus folio duplo longioribus;
limbo calycis tubuloso-lingulato longitudinaliter nervoso, in-
tus puberulo; labio angusto obtuso tubum aequante.
Rami-6—8 poll. longi. Folia 9—14 lin. longa, 6—8
lin. lata. Petioli 1—2 lin. longi. Calyces cum germine
bipollicares.
Hab. in Brasilia. (Sello).
f. Scuısmotus. Calycis limbus ringens, supra ventrem am-
pullaceum in tubum refractum attenuatus, labio obliquo subcom-
presso, utrinque emarginato. Herbacea, volubilis, partim pube-
rula.
35. HoWARDIA SETIGERA Kl.
Aristolochia setigera Poeppig, Syn. pl. Am. austr. Diar.
73. Aristolochia chilensis Bridges in Bot. Register t. 1680.
Hab. in argillosis et rupestribus, secus rivul. ad Val-
paraiso. (Poeppig, sub n. 247, Cl. Gay, von Besser, A.
Philippi et Gaudichaud).
g. MacroTELus. Calycis limbus basi sexcalcaratus, ventri-
eosus, in tubum cylindraceum infraetum attenuatus; labium cor-
datum cuspidatum, lamina tubo multo breviori; cuspis filiformis
torta calyce multoties longior. Caules volubiles. Folia trilo-
bata. Stipulae solitariae caducae.
36. HowARDIA TRIFIDA Kl.
Aristolochia trifida Humb. Bonpl. Kth., Noya gen. et
Spec. plant. II, p. 148, nec Lamarck. Aristolochia cara-
casana Sprengel, Syst. veg. nec Kl.
Hab. in Caracas, prope Portocabello.
37. HOWARDIA MACROURA Kl.
Aristolochia macroura Gomez, Acta Oliss. 1812, p. 77
e Martius, Nov. gen. et species I, p. 79. Aristolochia caudata
Booth, in Bot. Reg. t. 1453. Bot. Mag. t. 3769, nec Jacq.
Hab. in Brasilia tropica et in Guiana angl. (Sello, Ri-
chard Schomburgk).
38. HOWARDIA TRILOBATA Kl.
618 Nachtrag.
Aristolochia trilobata Linne, Species plant. p. 1361.
Swartz, Observ. p. 341, Willd., Spec. plant. IV, P. I,
p- 151. Bot. Reg. t. 1399. Aristolochia trifida Lamarck,
Encycl. II, p. 249.
Hab. in insulis caribaeis.
h. CYPHOMANTHEMUM. Calycis limbus subinfundibuliformi-
lingulatus, basi ventricosus, deinde in tubum angustum, superne
dilatatum transiens, labium oblongum, obtusum vel spathulatum,
margine replicatum, saepissime intus muricatum, in alabastro ad
faucem labio oppositam reflexo-appendiculato. Suffrutices volu-
biles vel herbae erectae ex insulis caribaeis, regnis mexicanis
chilensibus et caracasanis.
39. HOWARDIA PELTATA Kl.
Aristolochia peltata Linne, Spec. plant. p. 1361, Willd.,
Spec. plant. IV, P. I, p. 152, Herb. Willd. n. 17054.
Hab. in St. Domingo, locis saxosis maritimis, (Brede-
meyer).
40. HOoWARDIA RENIFORMIS Kl.
Aristolochia reniformis Willd., Species plant. IV, P. I,
p. 153. Herb. Willd. n. 17055. Aristolochia peltata Swartz,
Observationes p. 341, nec Linn£.
Hab. in St. Domingo, (Swartz).
41. HowaArDIA MACRADENIA Kl.
Aristolochia Macradenia W. Hooker, in Bot. Mag. t.
4467.
Hab. in Mexico, ad Real del monte.
42. HowarvıA Bripsgesu Kl. Herbacea, gracilis, ramosa, sub-
flexuosa; caule striato glabro; foliis rotundatis cordato-reni-
formibus in petiolum brevi attenuatis, supra saturato - viridi-
bus glabris, subtus sparsim puberulis glaucescentibus; petio-
lis glabris laminam foliorum aequantibus ; pedicellis brevibus
glabris; limbo calycis longissimo glabro tubuloso-lingulato,
ad faucem tubi appendice recurvato instructo; labio oblongo-
lanceolato subacuto, extus intusque glabro tubo longiore.
Caules 1—1% pedes longi. Folia pollicem longa, 1; —
15 poll. lata. Calycis limbus 3 pollicaris.
Hab. in Chili, (Bridges).
N
Nachtrag. 619
PEDINocHILUs. Calycis limbus basi magis inflatus in
tubum refractum attenuatus, labio in alabastro conduplicato semi-
cordato, deinde plano horizontali. Frutices volubiles vel subvo-
lubiles. Folia stipulata. Stipulae deciduae. Flores axillares so-
litarii rarissime gemini ebracteati.
43. HowARDIA PANDURATA Kl.
44.
45.
46.
47.
48,
Aristolochia pandurata Jacquin, Hort. Schoenbr. IV, t.
497. A. panduriformis Willd., Spec. plant. IV, P. I, t. 152.
Willd. Herb. n. 17053. A. Ottonis Klotzsch in Herb. Be-
rolinensi. A. picta H. Karsten, Auswahl neuer und schön-
blühender Gewächse Venezuela’s p. 24. t. 8.
N.B. Radix Howardiae panduratae est Raiz de Mato
incol. e Gollmer.
Hab. in Venezuela, prope San Matheo, Valle del Ara-
gua. (Jacquin, C. Moritz, E. Otto, H. Karsten, Gollmer).
HOWARDIA BILOBATA Kl.
Aristolochia bilobata Linne, Species plant. p. 1362,
Swartz, Observationes p. 340. Willd., Species plant. IV,
P. I, p. 151, Jacquin, Icon. pl. t. 188, Hb. Willd. n.
17050.
Hab. in Dominica. (Jacquemont, C. Ehrenberg, Balbis).
HOWARDIA FOETIDA Kl.
Aristolochia foetida Humb. Bonpl. Kth., Nova gen. et
spec. pl. II, p. 116, t. 114. _
Hab. in umbrosis prope Ario Mexicanorum.
HOWARDIA GEMINIFLORA Kl.
Aristolochia geminiflora Humb. Bonpl. Kth., Nova ge-
nera et spec. plant. II, p. 118, t. 117. Aristolochia bi-
flora Hb. Willd. n. 17084.
Hab. in Regno Novogranatensi prope Honda ad urbem
Guaduas.
HOoWARDIA GLAUCESCENS Kl.
Aristolochia glaucescens Humb. Bonpl. Kth., 1. c. p. 117,
N a RE
Hab. in Regno Novogranatensi juxta St. Anam.
HOWARDIA INFLATA Kl.
Aristolochia inflata Humb. Bonpl. Kth., 1. c. p. 115,
n. 2, t. 111. Aristolochia torta Hb. Willd. n. 1764.
49.
92.
Nachtrag.
Hab. in Regno Novogranatensi, ad ripam fluminis Mag-
dalenae prope Honda.
HOWARDIA TRIANGULARIS Kl.
Aristolochia triangularis Cham., in Linnaea VII, p. 209.
Hab. in Brasilia. (Sello, sub n. 429 et 3964 misit).
HoWARDIA TAMNIFOLIA Kl. Volubilis, glaberrima, suf-
fruticosa; caule glabro striato; foliis latissimis membrana-
ceis brevi acuminatis leviter cordato-hastatis inpunctatis esti- |
pulatis; labio calycis ad marginem glabro; germinibus 6-
alatis.
Ab Howardia triangulari differt: foliis brevi acuminatis
inpunctatis,, germinibus sexalatis atque labii margine glabro.
Folia 2—5 poll. longa et lata. Petioli 1—2 poll. longi.
Pedicelli semipollicares. Capsulae pollicem longae, 5 lin.
in diametro.
Hab. in Brasilia. (Sello. sub n. 146 misit).
HoWARDIA SMILACINA Kl. Fruticosa, parva, virgato -ra-
mosissima, decumbens, subvolubilis; ramis glabris striatis;
foliis minutissime pellucido - punctatis parvis cordato - ovatis
acutis subcoriaceis estipulatis, supra saturato - viridibus gla-
bris, subtus albido-flavescentibus puberulis, (sinu rotundato);
petiolis glabris; limbo calyeis pedicello breviore, ad basin
magis inflato, extus intusque glabro; capsula elliptica glabra.
Fruticulus gracilis, 1—2 pedalis. Folia 1—1% poll.
longa, 9—15 lin. lata. Petioli 3—5 lin. longi. Pedicelli
semipollicares.. Limbus calycis sesquipollicaris.
Hab. in Brasilia. (Sello, sub n. 1101 misit).
HowArDIA BENTHAMU Kl. Volubilis, gracilis, glabra;
caule striato; foliis cordato-ovatis brevissimo acutissimis,
supra saturato-viridibus, subtus glaucescentibus, (sinu angu-
sto obtuso); floribus submagnis in alabastro semicordatis
acutis longiusculo pedicellatis; labio cordato tubo longiore.
Aristolochia odoratissima Bentham, Plantae Hartwegia-
nae p. 82, nec Linn£.
Folia 2,—3 poll. longa, 143—1?, poll. lata. Petioli
6—12 lin. longi. Pedicelli 1% poll. longi. Limbus calycis
sesquipollicaris.
Hab. in Guatemala. (Hartweg, sub n. 566 misit).
93.
Nachtrag. 621
HowArpıaA HorrMAnNNI Kl. Fruticosa, volubilis, pubes-
cens; caule striato pubescente; foliis angusto-oblongis brevi
acutissimis, basi leviter cordatis v. truncatis, supra glabris,
saturato -viridibus, subtus pallidis puberulis; petiolis brevi-
bus pubescentibus; pedicellis calycibusque pubescenti-tomen-
tosis; labio calycis tubum aequante cordato subrecurvo -mu-
cronato.
Folia 2—2% poll. longa, 8 lin. lata. Petioli 5 lin.
longi. Pedicelli 1% pollicares. Calycis limbus supra ven-
. trem valde refractus 2% poll. longus, ad basin 5 lin. in dia-
94.
59.
metro. Calyeis labium 14 lin. longum, 10 lin. latum.
Hab. in America centrali, ad Costam-Ricam (misit C.
Hoffmann, Dr. med. sub n. 49).
HowaArDıA GoLLMERL Kl. Volubilis, fruticosa; caule
lignoso tereti striato brevissimo hirsuto; foliis oblongis cor-
datis, apice rotundatis, obtusis vel emarginatis, utrinque
evanescenti nervoso-puberulis ; petiolis brevibus fusco-pubes-
centibus ; pedicellis germinibusque adpresso-puberulis; limbo
calycis magno fusco-olivaceo, extus sparsim adpresso - pube-
rulo, intus reticulato-glabro; labio cordato pubescente - mu-
eronato.
Folia 253—4 poll. longa, 1—2 poll. lata. Petioli 4—6
lin. longi. Pedicelli semipollicares. Venter calycis limbi
poll. longus et 9 lin. in diametro. Tubus brevissimus, in-
fundibuliformis. Labium 17 poll. longum et pollicem latum.
Hab. in Venezuela, Quebrada de Malcuta. (Gollmer).
HOWARDIA CORDIGERA Kl. Volubilis, subglabra; caule
striato evanescenti sparsissimoque pilosulo; foliis cordato-
ovatis obtusis coriaceis, supra glabris, subtus puberulis, (sinu
rotundato), lobis conniventibus; petiolis longis, apice spar-
sim setulosis; pedicellis glabris; floribus viridibus solitariis
magnis; tubo calycis extus intusque sparsim pilosulo labio
cordato utrinque glabro breviore.
Aristolochia cordigera Hb. Willd., n. 17066.
Folia 3—4 poll. longa, 14—2 poll. lata. Petioli 1—
15 poll. longi. Pedicelli 4—5 lin. longi. Calycis limbus
25 poll. longus. Labium 1% poll. longum, 15 lin. latum.
Tubus pollicem longus.
622 Nachtrag.
Hab. in Para Brasiliae. (Sieber).
k. CERCANTHEMUM. Calycis limbus basi globoso-inflatus, in
tubum rectum, apice subdilatatum attenuatus, labio ovato v. lan-
ceolato filiformi-caudato, apice clavato. Frutices volubiles. Folia
minutissimo pellucido - punctata estipulata profunde -cordata, lo-
bis basalibus rotundatis, apicali emarginato v. obtuso; petiolus
juxta marginem inferioris paginae subpeltatim insertus.
56. HowarndıA EHRENBERGIANA Kl.
Aristolochia Ehrenbergiana A. de Chamisso, in Linnaea |
VII, p. 209.
Hab. ın Hayti, prope urbem Port au Prince. (Carolus '
Ehrenbergius legit).
57. HOWARDIA PUNCTATA Kl.
Aristolochia punctata Lamarck, Encyclop. I, p. 251,
Willd., Species plant. IV, P. I, p. 154, n. 12, Descour-
tilz, Flore medicale des Antilles III, t. 225.
Hab. in St. Domingo.
58. HowarDIA CAUDATA Kl.
Aristolochia caudata Jacquin, Hist. stirp. am. p. 233,
t. 145, Swartz, Obs. p. 343, Desfontaine, Annal. mus. nat.
Paris. II, p. 35, Willdenow, Spec. plant. IV, P. I, p. 154,
nec Booth.
Hab. in St. Domingo. (Balbis misit, sub n. 467).
l. Brachvenmus. Calycis limbus basi magis inflatus, in
tubum inflexum attenuatus. Labium cordato - subrotundatum ob-
tusum, intus versus marginem glanduloso - fimbriatum. Herbae
erectae simplices glabrae. Folia reniformia estipulata. Flores
axillares, solitarüi.
59. HOWARDIA FIMBRIATA Kl.
Aristolochia fimbriata Cham., in Linnaea VII, p. 210,
n. 6. A. ciliata Hooker, in Bot. Mag. t. 3756, A. ciliosa
Bentham, in Maund’s Botanist t. 90.
Hab in Montevideo. (Sello).
Nachtrag. 623
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I.
1. Asarum europaeum L. Fig. a. eine Blüthe, von welcher der
Kelchsaum und die hinteren Staubgefälse entfernt sind, 3 mal vergröfsert.
(Die mit einem langen Connectiv, welches pfriemenförmig ist, ver-
sehenen freien Staubgefälse sind in zwei Kreise geordnet, von denen die
des äulseren Kreises kleiner, den Narbenlappen gegenüber stehen, während
die grölseren, welche den inneren Kreis bilden, mit den Narbenlappen ab-
wechseln). Fig. b. eine senkrecht durchschnittene Blüthe, an welcher die
innere Organisation des Fruchtknotens während des Aufspringens der
Staubbeutel gezeigt ist, 3 mal vergr. (Die Ränder der 6 Wandplacenten
sind unterwärts verwachsen, oberwärts noch nicht znsammengetreten und
lassen eine Höhlung sehen. Der querdurchschnittene Griffel besitzt keine
Höhlung). Fig. c. 2 nach aufsen gewendete Staubgefälse des inneren und
"äufseren Kreises, 6 mal vergr.. Fig. d. die Narbe von oben gesehen, 8 mal
vergr.. Fig. e. ein Querschnitt des Fruchtknotens, vor dem Erblühen des
Kelches, an welchem die Wandplacenten, welche später im Centrum zu-
sammenstolsen und falsche Scheidewände bilden, so wie die Anheftung
der gegenläufigen Eichen zu sehen ist, 4 mal vergr..
2. Heterotropa asaroides Morr. et Decaisne. Fig. a. eine
Blüthe in natürlicher Grölse, von der ein Drittheil des beinahe oberstän-
digen Kelches in senkrechter Richtung genommen ist, um die innere Be-
schaffenheit derselben zu zeigen. Fig. b. der Geschlechtsapparat, nach
Entfernung des Kelches, von der Seite gesehen, 3 mal vergr.. (Die mit
einem kurzen kegelförmigen Connectiv versehenen Staubgefälse sind
an der Basis in einen tellerförmigen Ring vereinigt und abwechselnd klei-
ner, so dafs die kleinern den Narbenlappen gegenüber stehen und die grö-
fseren mit denselben abwechseln). Fig. c. ein gröfseres und ein kleineres
Staubgefäls, 6 mal vergr.. Fig. d. der Geschlechtsapparat senkrecht durch-
schnitten, 3 mal vergr..
3. Thottea grandiflora Rottb.. Fig. a. Geschlechtsapparat von
der Seite gesehen mit in 2 Reihen geordneten Staubgefälsen und einer
scheibenförmigen vielstrahligen Narbe, i mal vergr.. Fig.b. derselbe von
624 Nachtrag.
oben gesehen, 2 mal vergr.. Fig. c. ein Staubgefäls mit zwei aufgesprun-
genen Fächern von aufsen gesehen, 10 mal vergr.. Fig. d. eine Frucht
nach dem Aufspringen, 20 mal verkleinert. Fig. e. ein der Länge nach
durchschnittener Same, stark vergr..
4 Bragantia corymbosa Griffith. Fig. a. eine ausgespreitzte
Blüthe mit dreilappigem Kelch und Geschlechtsapparat, von oben gesehen,
6 mal vergr.. Fig. b. der Geschlechtsapparat mit einem Theile des Frucht-
knotens, von der Seite gesehen, 16 mal vergr.. Fig. c. der Geschlechts-
apparat von oben gesehen, 25 mal vergr.. Fig. d. ein Querdurchschnitt der
Placenten, welche sich von der Wandung gelöst und im Centrum ver- #
wachsen sind, stark vergr..
5. Cyelodiscus latifolius Kl. Fig. a. eine geöffnete Blüthe
mit Fruchtknoten, von oben und von der Seite gesehen, 5 mal vergr..
Fig. b. der Geschlechtsapparat nebst dem oberen "Theile des Fruchtkno-
tens, von der Seite gesehen, 6 mal vergr.. Fig. c. ein Staubgefäls von
aulsen gesehen, 10 mal vergr.. Fig, d. der Geschlechtsapparat, von dem
das vordere Staubgefäls entfernt ist, um den walzenförmigen Griffel zu
zeigen, 25 mal vergr.. Fig. e. die Narbe von oben gesehen, 30 mal vergr..
Fig. f. eine Querschichte des Fruchtknotens, 10 mal vergr.. Fig. g. der
Same, 16 mal vergr.. Fig. h. derselbe, bei gleicher Vergrölserung der Länge
nach durchschnitten,
Tafel II.
6. Aristolochia (Podanthemum) Petersiana Kl. Fig. a. eine
Blüthe mit Fruchtknoten, % Gröfse. Fig. b. der Geschlechtsapparat mit 6
zusammengeneigten Narbenlappen, 6 Staubgefälsen, die auf einem ringför-
migen mit 6 Kerbzähnen versehenen Connectiv aufsitzen und einem
cylindrischen Fulse oder Anhang, der der Spitze des Fruchtknotens gerade
aufgesetzt ist und dieselbe mützenförmig umgiebt, 8 mal vergr..
7. Aristolochia (Ancyclocarpus) altissima Desf. Fig. a. eine
Blüthe mit Fruchtknoten, % Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat mit
dem Fruchtknoten, 8 mal vergr.. Fig. c. ein nickender Fruchtknoten, %
Vergröfserung.
8. Aristolochia (Oxyotus) Clematitis L. Fig. a. eine Blüthe
nebst Fruchtkneten, % Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat mit Frucht-
knoten, 8 mal vergr..
9. Endodeca Bartonii Kl. Fig. a. eine Blüthe mit Fruchtkno-
ten, % Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat nebst dem Fruchtknoten, 8
mal vergr. (Unterhalb der Narben fehlt das ringförmige Connectiv). Fig. c.
eine Querschichte des Fruchtknotens, an welcher die Wandplacenten, die
später im Centrum verwachsen und falsche Scheidewände bilden, noch frei
sind, 25 mal vergr..
Nachtrag. 625
- 40. Siphisia (Eusiphisia) Sipho Rafın. Fig. a. eine Blüthe mit
Fruchtknoten und Deckblatt, % Gröfse. Fig. 6. der Geschlechtsapparat
nebst dem oberen Theile des Fruchtknotens, 12 mal vergr..
11. Siphisia (Nepenthesia) saccata Kl. Fig. a. eine Blüthe mit
Fruchtknoten, % Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat mit dem Frucht-
knoten, 8 mal vergr..
12. Siphisia (Pentodon) Thwaitesii Kl. Fig. a. eine Blüthe
mit Fruchtknoten, %, Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat mit dem obe-
ren Theile des Fruchtknotens, 15 mal vergr.
13. Einomeia hastata Kl. Fig. a. eine Blüthe mit Fruchtkno-
ten, natürliche Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat von der Seite ge-
sehen, 15 mal vergr.. Fig. c. ein Längsdurchschnitt des Geschlechtsappa-
rats, 15 mal vergr.. Fig. d. ein Querdurchschnitt des Geschlechtsapparats,
15 mal vergr.. Fig. e. eine Querschichte des Fruchtknotens vor dem Öff-
nen der Staubbeutel, 15 mal vergr.. Fig. f. eine reife Frucht, % Gröfse.
44. Howardia (Dipharus) brasiliensis Kl. Fig. a. eine Blüthe
mit dem oberen Theile des Fruchtknotens, 10fach verkleinert. Fig. b. der
Geschlechtsapparat nebst der Basis des Kelches und der Spitze des Frucht-
knotens, 15 mal vergr..
15. Howardia (Sterigmaria) gigantea Kl. Fig. a. die Spitze
des Kelches, % Grölse. Fig. b. die Basis des Kelches nebst der Spitze des
Fruchtknotens, % Grölse. Fig. c. der Geschlechtsapparat, 15 mal Vergr..
16. Howardia (Adenoracus) Lansbergii Kl. Fig. a. eine
"Blüthe nebst Fruchtknoten, % Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat
nebst der Spitze des Fruchtknotens, 15 mal vergr..
147. Howardia (Ancyclanthemum) Raja Kl. Fig. a. eine Blüthe
mit dem Fruchtknoten, % Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat, 15 mal
vergr..
18. Howardia (Stenanthemum) longifolia Kl. Fig. a. Blüthe
und Fruchtknoten, % Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat, 15 mal
vergr..
19. Howardia (Schismotus) setigera Kl. Fig. a. eine Blüthe
mit Fruchtknoten, % Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat, 15 mal vergr..
20. Howardia (Macrotelus) macroura Kl. Fig. a. eine Blüthe
_ mit Fruchtknoten, % Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat, 15 mal vergr.
21. Howardia (Cyphomanthemum) peltata Kl. Fig. a. eine
Blüthe mit Fruchtknoten, % Grösse. Fig. b. der Geschlechtsapparat, 15
mal vergr..
22. Howardia (Pedinochilus) angularis Kl. Fig. a. eine nicht
völlig erschlossene Blüthe mit Fruchtknoten, % Grölse. Fig. b. der Ge-
schlechtsapparat, 15 mal vergr..
626 Nachtrag.
23. Howardia (Cercanthemum) Ehrenbergiana Kl. Fig. a.
eine Blüthe mit Fruchtknoten, % Gröfse. Fig. b. der Geschlechtsapparat,
45 mal vergr..
24. Howardia (Brachychilus) fimbriata Kl. Fig. a. eine Blü-
the mit Fruchtknoten, % Grölse. Fig. b. der Geschlechtsapparat, 15 mal
vergr..
Nachtrag. 627
Die Erdansicht des Geographen von Ravenna
von G. PARTHEY.
(Sitzung der philos.-histor. Klasse vom 14. März 1859.)
In der Abhandlung über die unteritalischen Stralsenzüge
(Berichte der K. S. Ges. der Wiss. 15. Febr. 1851) äufsert
Hr. Mommsen p. 99, dafs der Kosmograph von Ravenna nach
einer runden Erdkarte schreibe, und dafs seinem unbeholfenen
Ausdrucke überall eine sehr klare Anschauung, wie die Peutin-
gersche Tafel sie ihm keinesweges gewähren konnte, zu Grunde
liege, so dals man im Allgemeinen ohne Schwierigkeit nach sei-
nen Angaben eine Erdkarte herstellen könne. Dies ist nun auf
einem von Hrn. Kiepert sehr sorgfältig gezeichneten Blatte
geschehn, dals im verkleinerten Maafsstabe der jüngsten Ausgabe .
des Ravennaten beigegeben werden soll. Die Ansicht der Län-
der ist freilich arg genug verzerrt; allein man braucht nur, wie
Hr. Kiepert bemerkt, die ganze Erdkarte um einen halben
Quadranten nach Westen herumzudrehen; dann erhält man ein
weit leidlicheres Bild, namentlich für die um das Mittelmeer ge-
legenen Landstriche. Dafs aber eine solche hypothetische Ver-
besserung im Ravennaten selbst nicht zu suchen sei, ergiebt sich
aus seinen sehr bestimmten Angaben, die hier näher ins Auge
zu fassen sind, und die uns ein lehrreiches Beispiel geben, wie
im 7. Jahrh. n. C. die richtige Erdansicht der alteft Geogra-
phen gänzlich verdunkelt war.
Es ist dies aber kaum zu verwundern, wenn man in Be-
tracht zieht, dafs etwa 100 Jahre vor dem Ravennaten der un-
ter dem Namen des Kosmas Indopleustes bekannte Reisende,
dem wir die Erhaltung der beiden Adulitanischen Inschriften
verdanken, in seiner christlichen Topographie eine noch weit
628 Nachtrag.
abentheuerlichere Ansicht des ganzen Weltgebäudes aufgestellt
bat. (Montfaucon nova coll. patrum t.2. p. 113— 345.) Dals
diese nicht ohne Einfluls auf unseren Auctor gewesen sei, wird
sich bei einer näheren Vergleichung beider zeigen.
Der Ravennat denkt sich die Erde als eine Scheibe, deren
Umkreis er in 24 Stunden, 12 Tag- und 12 Nachtstunden ein-
theilt. Den 12 Tagstunden entsprechen 6 Winde, und eben so
viele kommen auf die 12 Nachtstunden. Ihre Namen werden
nicht angegeben. Sobald die Sonne im Osten über dem Lande
der Inder aufgeht, so bescheint sie den ganzen Erdkreis, und
wenn sie in der letzten Tagesstunde über dem Lande der Sco-
ten im Westen steht, so erleuchtet sie noch das äulserste In-
dien (1,4.). Dann taucht sie in den Ocean, und da geschieht
es auf eine dem Auctor unbegreifliche Weise, dafs weder die
Sonne im Wasser auslöscht, noch auch das Meer von der Hitze
der Sonne ausgetrocknet wird. Dieser wunderbare Vorgang be-
geistert ihn sogar zu einem Gedichte in vierfülsigen Jamben
(1,9.) und er eifert gegen diejenigen Philosophen und klugen
Leute, welche behaupten, dafs im nördlichen Theile der Erde
hohe Berge stehn, hinter welchen die Sonne am Abend sich
verbirgt, um am Morgen wieder hervorzulreten.
Dies ist nun die Ansicht des Kosmas. Nach ihm ist die
Erde im Norden und Westen höher als im Süden und Osten;
daher heilsen die von Alexandrien aus nach Norden und We-
sten Schiffenden avaßorzts, sursum tendentes; der Tigris und
Euphrat, welche aus dem Norden, aus Persarmenien kommen,
fliefsen daher schneller als der Nil, der aus den südlichen, tie-
fer gelegenen Landstrichen kommend, za avw mou resy,wv, des-
halb einen langsameren Lauf hat (p. 133). Jener nördliche Theil
der Erde ist unbewohnt; wenn die Sonne hinter die hohen
mauerartigen Berge tritt, so ist im bewohnten Theile Nacht
(p- 189).
Dagegen sagt der Ravennat dafs ja Niemand jene Berge
mit Augen gesehn habe, dafs auch nichts davon in der heiligen
Schrift vorkomme, und wenn die Gegner erwidern sollten, dafs
auch von dem nächtlichen Durchgange der Sonne durch das
Meer nichts in der Schrift stehe, so beseitigt der Ravennat die-
sen Einwand durch Berufung auf Genesis 19,23, wo es heilst:
Nachtrag. 629
sol egressus est super terram et Loth ingressus est Segor.
Wenn nämlich die Sonne über der Erde aufgeht, so muls sie
aus der Tiefe kommen. Einen ferneren Beweis, dafs die Sonne
des Nachts durch das Wasser gehe, findet der Ravennat darin,
dals die Brunnen im Winter wärmer sind als im Sommer: denn
während der Winternächte verweilt die Sonne länger im Was-
ser, hat also mehr Zeit es zu erwärmen, als in den kürzeren
Sommernächten.
Die Vertheilung der Länder in die 24 Stunden beginnt im
Osten mit Indien, und geht durch Süd, West und Nord wieder
nach Osten zurück. Sie ist ungleichmäfsig, indem manche Stun-
_ den sehr ausführlich andere nur kurz besprochen werden; es
fehlen in dieser allgemeinen Übersicht Italien, Hellas, Klein-
asien, Syrien und andre Länder, die später auf das genauste be-
handelt sind.
Offenbar müssen die Radien der 24 Sektoren sich auf einen
Mittelpunkt beziehen, den Hr. Kiepert mit grolser Wahr-
scheinlichkeit in Jerusalem angenommen hat. Zwar wird diese
Stadt ohne nähere Bezeichnung unter den Orten Palästinas nur
einmal genannt II, 14, doch ist ihre Bedeutung als Mittelpunkt
der Erde schon bei Ezechiel angedeutet: ista est Jerusalem, in
medio gentium posui eam, et in circuitu eius terras (Ezech. 5, 5
vgl. 38,12). Nach einer Tradition, die sich hei Hieronymus,
Epiphanius u. a. findet, ist Christus an derselben Stelle gekreu-
zigt, wo Adam starb; daher sieht man auf so vielen bildlichen
Darstellungen unter dem Kreuze Christi den Schädel Adams.
Sonach erscheint die Annahme von Jerusalem als Mittel-
punkt der Erde wohl gerechtfertigt, aber vergeblich haben wir
uns bemüht, eine der unsrigen ähnliche Kreiseintheilung des Erd-
umfanges bei andern Geographen aufzufinden; sie scheint dem
Ravennaten oder einem seiner verlorenen Quellenschriftsteller
eigenthümlich zu sein: Die homerischen Ausdrücke woos yW r’
verıov re und meös Sobov (Il. 12,239. 240. Od. 13, 240. 241) welche
Vofs in seiner homerischen Welttafel auf eine südliche Tag-
und eine nördliche Nachtseite bezog, die sehr leicht eine Ein-
theilung in je 12 Stunden zulassen, werden jetzt mit mehr Recht
von Osten und Westen verstanden. Die von der pythagorei-
schen Schule zuerst erkannte Kugelgestalt der Erde, von Ari-
[1859.] 44
630 Nachtrag.
stoteles mit grofser Bestimmtheit ausgesprochen, und von Pto-
lemaeus überall zu Grunde gelegt, erhielt nach dem Vorbilde
der Himmelskugel eine Eintheilung in 360 Grade; die 12 Tag-
und Nachtstunden dienten nur als Zeitabschnitte für die Berech-
nung; beim Ravennaten aber laufen sie wie die Zahlen eines
Zifferblattes um die Erdperipherie herum, und bilden den Grund
der Ländereintheilung. Bei Tage ist es nicht schwer, die Stun-
den nach dem Stande der Sonne zu bestimmen, aber für die
Nachtstunden glaubt der Verfasser eine besondere Rechtfertigung
geben zu müssen. Es werde ihm Jemand einwenden, wenn
keine Uhr, horologium, vorhanden, und die Nacht dunkel sei,
so könne man nicht die Stunden und die darin gelegenen Län-
der erkennen. Dagegen führt er an: es werde in der heiligen
Schrift an mehreren Stellen die Mitternacht, media nox, ge-
nannt; diese entspreche nach dem Urtheile der weisesten Män-
ner der sechsten Nachtstunde, und so könne man von der ersten
bis zur sechsten Nachtstunde, und von der sechsten bis zur
zwölften fortzählen; ja er habe sogar in der Apostelgeschichte
23,23 eine Erwähnung der dritten Nachtstunde gefunden; wem
dies noch nicht genüge, der möge nur den Tagstunden die ent-
sprechenden Nachtstunden gegenüberstellen, um die Richtigkeit
jener Eintheilung zu erkennen.
In ähnlicher unklarer Weise bewegen sich die Vorstellun-
gen vom Ocean und vom Paradise, In Betreff des Oceans folgt
der Verfasser der im Alterthume verbreiteten Ansicht, dals er
die ganze Erde umflielse, jedoch mit der Beschränkung, dafs im
äulsersten Osten, jenseits des Landes der Inder noch niemand
den Ocean erreicht habe: denn wo bliebe sonst eine Stelle für
das Paradis, das nach der heiligen Schrift im Osten sich be-
fand? Er polemisirt (I, 5.) gegen gewisse Kosmographen, wel-
che anderer Meinung sind, und man könnte leicht auf die Ver-
muthung kommen, dafs hier wiederum Kosmas Indopleustes ge-
meint sei.
Dieser hält die Erde für ein Rechteck von ungefähr 400
Tagereisen Länge und 200 Tagereisen Breite, jede zu 30 Mi-
lien gerechnet; rings umher fliefst der Ocean, und jenseits des-
selben liegt auf allen vier Seiten ein neues Land, welches als
Fundament einer grolsen, das ganze Weltall überwölbenden
Nachtrag. 631
Mauer dient (p. 187). In dem. östlichen Theile dieses neuen
Landes, also von der Erde durch den Ocean geschieden, liegt
das Paradis. Der Ravennat verwirft die Möglichkeit, dals ein
sündiger Mensch, wenn er auch noch so weit nach Osten gehe,
das Paradis betreten könne: denn wo bliebe sonst das feurige
Schwert, (gladius versatilis I, 7) welches bis zur Rückkehr Chri-
sti am jüngsten Tage das Paradis bewacht? Kosmas dagegen
behauptet, das Paradis sei nicht auf der Erde: denn da manche
Menschen des Seidenhandels wegen bis nach Sina gingen, wa-
rum sollten sie nicht auch eine Reise unternehmen, um sich
das Paradis anzusehn? Der Ravennat setzt das Paradis an das
Ufer des östlichen Oceans jenseit einer undurchdringlichen Wüste,
die noch über das Land India Dimirica Evilat hinausreicht (I, 6).
Er beruft sich dabei auf den heiligen Athanasius, nach welchem
die gewürzreichsten Pflanzen im Osten wachsen, weil sie von
_ den aus dem Paradise herüberwehenden Winden berührt wer-
den. In Armenien könne das Paradis nicht gelegen haben, weil
das Land viel zu kalt und bergig sei. Einige pseudocosmogra-
phi hätten zwar behauptet, der Tigris und Euphrat, zwei von
den Paradisesflüssen entsprängen in Armenien; dies sei aber
nicht richtig, vielmehr kämen sie aus dem Paradise, flössen viele
Milien unter der Erde fort, und träten in Armenien wieder her-
vor (1, 8). Kosmas läfst alle 4 Paradisesflüsse den Ocean durch-
schneiden (r0v ’Rzsavdv Ömrzwvovs:) und in die diesseilige Erde
einflielsen (p. 149).
Nach ihm wohnt Noah noch in der Nähe des Paradises,
jenseits des Oceans, den die Arche bei der Sündflut wunder-
barer Weise (r«gado&us) überschilft, und auf dem Berge Ara-
rat landet (p. 131). Dies wagaöo&ws bezieht sich darauf, dals
Kosmas den grolsen Ocean überhaupt gar nicht für beschiffbar
hält wegen der Dicke der Luft, der Höhe der Wellen und der
gewaltigen Ausdehnung, sondern nur die vier aus dem Ocean
flielsenden Meerbusen 4) den Römischen 2) den Arabischen oder
Erythräischen 3) den Persischen und 4) den Hyrkanischen oder
das Kaspische Meer. Die drei ersten hat Kosmas selbst be-
sucht, den grofsen Ocean aber nur in der Ferne gesehn. Denn
als er einst nach Indien schiffte, traf er bei dem Orte Zingium
(Zuyyıs age an der Ostküste von Afrika, Piol. 4,7. p. 301
44®
632 | Nachtrag.
Wilb.) eine Menge Vögel, Namens soösrd« (oder soirp«) und
die Luft wurde sehr schlecht; da merkten alle, sowohl die Schif-- f}
fer als auch die Reisenden, dafs der Ocean in der Nähe sei und
kehrten voll Schrecken um (p. 132).
Der Ravennat kennt drei Erdtheile, Europa, Asien, Afrika,
welche an die drei Söhne Noahs, Japhet, Sem, Cham vertheilt
werden, und zwar zu gleichen Theilen. Er folgt hierin dem
heiligen Epiphanius (V, 16) und bemerkt ausdrücklich (IH, 11),
der Antheil Chams sei nicht kleiner als der der beiden andern
Söhne, sondern nur heilser und trockner, weshalb weniger Orte
darin vorkämen. Das Bestreben, die drei Erdtheile gleich zu
machen, ist vielleicht mit ein Grund ihrer Verzerrung.
Kosmas hat dieselbe Dreitheilung, ist aber noch specieller.
Von den Söhnen Japhets erhält Madai das Land der Meder, Jo-
van die Jonier, Elisa die Helladiken, Theras die 'Thraker. Von
den Söhnen Chams erhält Chus (Kusch) die Aethioper, Mizraim
die Aegypter. Von den Söhnen Sems erhält Elam die Elami-
ten und Asur die Assyrier.
Die Vertheilung der Länder in die 12 Tages- und 12 Nacht-
stunden ist bei dem Ravennaten kürzlich folgende:
In die erste Tagesstunde gehören die Inder, hinter denen
gegen Osten eine undurchdringliche Wüste liegt. 8
In der zweiten Tagesstunde liegt das Land der Perser, in
welches aus dem Oceane der grofse Persische Meerbusen hin-
einreicht.
In der dritten das Land der Araber mit dem Arabischen
Meerbusen, der auch das Rothe Meer genannt wird.
Die vierte Tagesstunde nehmen die Aethioper ein „qui
Aethiopes plerique dracone vescuntur, ut testatur psalmigraphus”
(1, 2.). Es heilst nämlich im 73. Psalme v. 14: tu confregisti
capita draconis, dedisti eum escam populis Aethiopum. In diese
Abtheilung gehört auch noch der grofse See Nusaclis, welchen
der Nil durchlliefst, so wie „spatiosa Aegyptus et Alexandria
famosissima”.
In der fünften Tagesstunde liegt Aethiopia Garamantium
auch Asbyste genannt (III, 2) mit dem Flufse Ger, den Bergen
Naubaboni, den Seen Licumedis und Augitta. Weiter unten
Nachtrag. 633
(III, 3) heilsen die Berge Nauvavon, die Seen Licum und Au-
gita. Mehr nach der Mitte zu liegt Mauritania Cyrenensis.
In der sechsten liegt Aethiopia Biboblatis mit dem See
Tage und den Bergen Tuliatodi, oder (III, 5) Tagges und Tul-
liatodi. Gegen die Mitte hin liegt Numidia und Mauritania
Caesariensis.
In der siebenten folgt Mauritania Perosis mit den Bergen
Litri (ebenso III, 9) und gegen die Mitte Mauritania Tingitana.
Die achte Tagstunde enthält Mauritania Egel mit brennen-
den Bergen, zu denen weiter unten (III, 10) der mons Ethna
gerechnet wird. Andere Berge heilsen Bracae, unten Praxe.
Dann Mauritania Gaditana „‚quae barbaro modo Abrida dicitur”.
Hier wurden die Wandalen vom Belisar in das Innere von
Afrika gejagt, und kamen nie wieder zum Vorschein (ebenso
II, 10).
Nun geht der Verfasser über das fretum Septemgaditanum
nach Europa hinüber, und setzt in die neunte Tagstunde das
berühmte Land der Spanier.
In die zehnte Tagstunde gehören Galletien oder Spaniae
Vasconum patria, welche unten (IV, 41) Spanoguasconia ge-
mannt wird.
In der eilften Tagstunde liegt das Land der Vasconen, wel-
ches sonst Aquitanien hiels.
In der zwölften Tagstunde liegt Britonum patria oder (IV,
39) Britannia in paludibus, die heutige Bretagne, und dahinter
im Ocean die grolse Insel Britannia, die man erst nach einer
Schiffahrt von zwei Tagen und zwei Nächten mit günstigem
Winde erreicht; ferner die Insel der Scoten, welche auch Yber-
"nia heilst.
Die erste Nachtstunde (IH, 1) umfalst das Vaterland der
Germanen, das jetzt von den Franken beherrscht wird, und im
Ocean ebenfalls die Insel Britannien.
Die zweite Nachtstunde wiederum Germanien, das Land der
Frixones und dahinter Inseln.
Die dritte Nachtstunde das Land der Sachsen und dahinter
Inseln.
Die vierte Nachtstunde das Land der Northmannen, welches
634 Nachtrag.
auch Dania heilst; weiter nach der Mitte zu Datia, Gipidia und
Ilyricus.
Die fünfte Nachtstunde das Land der Scirdifriner und Re-
refenner.
Die sechste Nachtstunde das Land der Scythen, woher der
Stamm der Sclaviner kömmt.
Die siebente Nachtstunde das Land der Sarmaten.
Die achte Nachtstunde das Land der Roxolaner; dahinter
im Ocean die Insel Scanza, von der die Gothen und Dänen |
ausgegangen sind.
Die neunte Nachtstunde das Land der Amazonen, nachdem
sie den Gaucasus verlassen; dahinter Dardania und die Mäoti-
schen Sümpfe.
Die zehnte Nachtstunde enthält eine grolse Wüste und das
Volk der Gazer in dem alten Scythien.
Die eilfte Nachtstunde die kaspischen Thore, den Caucasus
und eine undurchdringliche Wüste.
Die zwölfte Nachtstunde Albanien, so wie das Land der
Hyrkaner und Parther, das an das Baktrianische Indien gränzt.
Diese allgemeine Eintheilung wird aber bei der Beschrei-
bung der einzelnen Länder nur für Asien und Afrika beibehal-
ten, für Europa gilt eine andere Reihenfolge. Sie beginnt mit
den Ländern am Schwarzen Meere, geht durch Thracien, Moe-
sien, Macedonien nach Hellas hinab, dann durch Dacien, Illy-
rien, Dalmatien nach Pannonien und Liburnien, dann von Fran-
cia Rinensis durch Schwaben, Burgund, Septimanien nach Ita-
lien, endlich von Guasconien und Spanoguasconien nach Spanien.
Hierauf folgt (V, 1—14) eine sehr specielle Küstenfahrt um
das Mittelländische Meer, von Porcheron Periplus genannt, die
in 14 Abschnitten 837 Orte mit einem Abstande von zusammen
44620 Milien namhaft macht. Ein ähnliches, aber weit kleine-
res Verzeichnils der Küstenorte und Schiffstände von Rom bis
Arelate findet sich hinter dem Itinerarium Antonini p. 498—508
Wess.
Zuletzt giebt der Ravennat mehrere sehr ausführliche Listen
von Inseln in alle den verschiedenen Meeren.
Es ist nicht zu läugnen, dals er seine Erdansichten in einem
so mangelhaften Latein und auf eine so unklare Weise vorträgt,
i
dals es oft schwer wird, den Sinn seiner Perioden herauszufin-
den; an manchen Stellen muls man hierauf ganz verzichten.
Sollte deshalb Jemand der Meinung sein, dafs das ungefüge
Werk nicht der Mühe einer graphischen Darstellung, am we-
Nachtrag. 635
'nigsten einer so eingehenden und gewissenhaften, wie Hr. Kie-
pert sie ausgeführt, verlohne, der möge sich erinnern, dals
misgeschaffene und verwahrloste Kinder von den Ältern und
Erziehern mit um so grölserer Liebe behandelt werden.
—N Ne
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
in den Monaten September und October 1859.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Encke.
17. Oct. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Kummer las über die allgemeine Theorie der
geradlinigen Strahlensysteme.
20. Oct. Öffentliche Sitzung zur Feier des
Geburtstags Sr. Maj. des Königs.
Zur Einleitung wurde von Hrn. Haupt ein Vortrag gele-
‘sen, den der durch einen Unfall am Vorsitz verhinderte Sekretar
Hr. Encke verfalst hatte. Er lautet wie folgt:
Wie schon seit längerer Zeit, so wird auch die heutige Feier
getrübt durch den Hinblick auf das harte Leiden, was nach dem
Rathschlusse der Vorsehung über des Königs Majestät unsern
Allergnädigsten Herrn verhängt ist. Ein schweres, der mensch-
lichen Wissenschaft fast unbesiegbar scheinendes Geschick ruht
auf dem Haupte, auf welches sonst die Wissenschaft und Kunst
als auf ihren eigentlichen Protektor, mehr noch wegen seiner
tiefen Einsichten und vorherrschenden Neigung, als wegen sei-
ner Machtstellung aufzusehen pflegten. Wir können nur mit
seinem ganzen getreuen Volke uns zu der demüthigen Bitte ver-
einigen, dals es dem Himmel gefallen möge, auf die Tage der
ängstlichen Bekümmernils und tiefen Trauer doch auch wieder
Tage des froheren Dankgefühls und eines freudigeren Aufschwungs
folgen zu lassen, und der höheren Fürsorge vertrauen, welche
so sichtbar sich darin gezeigt hat, dafs sie die Geschicke des
[1859.] 45
638 Öffentliche Sitzung
Vaterlandes in die festen und sicheren Hände des erhabenen
Prinzen Regenten übergehen liels, zu welchem das gesammte
Volk mit dem ungetrübtesten Vertrauen aufsieht.
Die Rückkehr Sr. Majestät aus den südlichen milderen Kli-
maten fiel in eine Zeit, in welche die Akademie so eben durch
den Tod Al. v. Humboldt’s den schwersten Verlust in ihren
Mitgliedern erlitten hatte, der ihr zugefügt werden konnte. Das
Band welches den Verewigten an seinen Königlichen Herrn
knüpfte, war ein ungewöhnliches, gegründet auf die gegenseitige
Ähnlichkeit in vielen Bestrebungen, Neigungen und Thätigkei-
ten. Es war ein tiefer Schmerz bei A. v. Humboldt stets
vorherrschend, über die durch die Umstände gebieterisch gefor-
derte Abwesenheit des verehrten Monarchen, und ein ähnliches
Schmerzgefühl wird des Königs Majestät nicht fremd geblieben
sein, als er den vieljährigen Freund im edlen Sinne des Wortes
nicht mehr vorfand. Die Erinnerung dieses Bandes tritt uns
heute so ungesucht entgegen, dafs einige wenige Bemerkungen
über unser verewigtes Mitglied hier wohl ihre Stelle finden kön-
nen. Sie sollen nicht das Andenken verherrlichen, nicht den
weiten Umfang seiner Thätigkeit durchlaufen, sondern nur auf
einige wenige Punkte hindeuten, welche seine wissenschaftliche Thä-
tigkeit und Verdienste um die Geographie in einem kleinen Theile
Nord-Amerika’s bei seiner ersten grolsen Unternehmung der ame-
rikanischen Reise betreffen.
Bei der amerikanischen Reise Al. v. Humboldt’s kann
man in der That bedauern, dafs sowohl der vollständige Gang
derselben, als die eigenen Resultate, nicht so zusammengestellt
sind, dals man mit vollständiger Übersicht das sogleich erkennen
kann, was wir ihm verdanken, und fast möchte man glauben der
Umstand, dafs die Reise nicht als ein in sich geschlossenes und
vollendetes Ganze uns vorliegt, sondern als ein Werk bestehend
aus einer grolsen, anziehenden, aber nicht von Humboldt allein
aufgefundenen Anzahl von Thatsachen, in vielfachen umfassenden
Untersuchungen zusammengestellt, und in den einzelnen Ab-
schnitten doch noch nicht völlig ausgearbeitet, sei von dem grolsen
Reisenden selbst empfunden worden. Er war niemals angenehm
berührt, wenn im Gespräch der Wunsch nach einer allgemeinen
Übersicht angedeutet ward. Die Wissenschaft hat davon keinen
vom 20. October 1859. 639
Nachtheil gehabt, die Reise hat eben so viel und noch mehr ge-
wirkt und gefruchtet, in der Zusammenfassung der an ihre Er-
fahrungen sich anknüpfenden Arbeiten der früheren Zeit. Wohl
aber würde sein eignes Verdienst noch heller erkannt werden
können, wenn das was ihm selbst und allein gebührt ohne Bei-
mischung vorläge. Es gehörte zu seinem eigentlichen Wesen,
und seiner staunenswerthen Gelehrsamkeit und Belesenheit, dafs
er bei jedem Gegenstande mit welchem er sich beschäftigte, das
ganze vorhandene Material in seine Gewalt zu bringen suchte,
und da ihm Alles zugleich dann durch die bewunderungswürdige
Stärke seines Gedächtnisses gegenwärtig blieb, so fand er über-
all Anknüpfungspunkte mit verwandten Gegenständen, Verglei-
ehungen mit seinen eigenen Resultaten, Prüfungen und Unter-
stützungen für seine neuen Aufschlüsse, Ergänzungen bei ein-
zelnen Punkten, die entweder von ihm nicht hatten aufgeklärt
werden können, oder die bei dem übermälsigen Drange des vie-
len Beachtungswürdigen, als minder wichtig früher von ihm bei
Seite gelassen waren, und später bedeutender hervortraten. Der
Wunsch nach Vollständigkeit überwältigte ihn so, dals er das
von Andern Entlehnte, oder aus ihren Arbeiten Abgeleitete,
nicht so scharf, von dem was ihm allein zu verdanken war, son-
‚derte, als für die reine Anerkennung seiner Verdienste dem Le-
ser wünschenswerth gewesen wäre.
Diese Art der Redaktion und der Verarbeitung des über-
reichen Materials, was Humboldt selbst gesammelt und von
seinen Vorgängern überliefert erhalten hatte, ist auch von dem
Gelehrten, unserm verstorbenen früheren Collegen Oltmans,
festgehalten worden, welchem Humboldt die Zusammenstel-
lung und Bearbeitung seiner geographischen Ortsbestimmungen
übertragen hatte. Die vortrefllichen Oltmans’schen Untersu-
chungen über die Geographie des neuen Continents, erlauben
nur mit einiger Schwierigkeit das was als das reine Verdienst
von Humboldt angesehen werden muls, strenge von dem zu
trennen, was man schon vorher wulste oder später während der
Bearbeitung erfahren hat. Aber gerade bei diesem Punkte war
auch die Sonderung der Humboldtschen Arbeiten von den
fremden nicht nur nicht nothwendig, sie würde nachtheilig ge-
wesen sein. Der Zweck eine möglichst genaue Gestaltung der
45*
640 Öffentliche Sitzung
bis dahin so unbekannten Gegenden zu ermitteln, verlangte di
Verbindung alles Gegebenen, und wenn auch dadurch das un-
mittelbare Verdienst Humboldt’s weniger hervortrat, so kannf
man doch mit Recht behaupten, das was wir jetzt wissen ist
aus der Reise hervorgegangen. Ein wichtiger Theil des neuen
Continents ist durch Humboldt und Oltmans in Bezug au
die geographischen Ortsbestimmungen so aufgeklärt worden, dals
ein ganz neues Licht darüber verbreitet ist. Wenn früher bei
dem Gebrauche von Längen und Breiten häufig nur die Karten
zu Gebote standen, bei denen es ganz ungewils war worau
ihre Angaben sich gründeten, so haben die Arbeiten von Hum-
boldt und die Bearbeitung von Oltmans, theils eine grolse
Masse von älterem Material, namentlich aus den unbekannten
aber werthvollen spanischen Quellen zu Tage gefördert, theils
die neueren Methoden und ihre Verarbeitung an einem muster-|
haften Beispiele gezeigt, und neuen Antrieb geweckt auf diesem
Wege fortzuschreiten. In der That ist dieses nicht das kleinste
Verdienst was Humboldt sich dadurch um die Geographie des
neuen Continents erworben hat.
Die Wichtigkeit dieser neuen Bestimmungen stand Hum-
boldt deutlich vor Augen, und wirklich ging er auf das Beste
vorbereitet an seine Aufgabe. Er hatte nicht blofs in dem
Gebrauche der Instrumente, die er mitgenommen, sorgfältig
sich eingeübt. Er hatte sich auch in den Stand gesetzt, was
bei weitem seltener geschieht, an Ort und Stelle sogleich,
wenn auch nur vorläufig, die Resultate so weit ableiten zu
können, als es einmal für das fernere Fortschreiten zu ent-
fernteren Gegenden ihm nothwendig war, und ihm auf der Reise
selbst die Gewilsheit geben konnte, dals ihm unbemerkt geblie-
bene ungünstige Einflüsse, die Genauigkeit die er erreichen
wollte, nicht beeinträchtigt hätten, dann aber auch dem künftigen
Bearbeiter das so nothwendige Verständnils zu eröffnen oder zu
erleichtern dienen konnte. Die Vorrede von ihm selbst zu dem
Oltmans’schen Werke, giebt über die Gründlichkeit seiner f
Vorbereitungen, so viele Andeutungen, dals sie von Jedem der
ihm nacheifern will sorgfältig zu erwägen ist. Zuvörderst hebt
er hervor, dals er es sich zur Pflicht gemacht habe, alle ange-
stellten Beobachtungen ohne Ausnahme in sein Tagebuch einzu-
TA
vom 20. October 1859. 641
tragen. Die kleinsten Umstände, welche auf die Genauigkeit der
Messungen Einfluls haben konnten, wurden mit aufgezeichnet.
Er setzt hinzu: Da ich oft zu besorgen hatte, dafs ich nie nach
Europa zurückkehren würde, und meine astronomischen Beob-
achtungen möglicher Weise erst nach meinem Tode erscheinen,
so durfte ich nichts vernachlässigen, was Andere in den Stand
setzen konnte, den Werth oder Unwerth der Resultate zu be-
urtheilen. Es ist ergreifend, diese im Jahre 1809 gemachte
Äufserung über die Grundsätze die er sich Anno 1799 zum Ge-
setze gemacht und an welchen er unverbrüchlich festgehalten,
bei einem Manne zu lesen, dem die gütige Natur gestattet hat,
weit über das gewöhnliche menschliche Lebensziel hinaus, die
geistige Thätigkeit zu bewahren, die bei dem Beginne seiner
Laufbahn ihn auszeichnete.
In der That aber hat die consequente Durchführung dieses
Vorsatzes ihre vollen Früchte getragen. Wer die Erfahrung
gemacht hat, wie viel selbst in ruhiger Lage dazu gehört, nach
einer mit Anstrengung aller Aufinerksamkeit gemachten Beob-
achtung nicht blofs der wesentlichsten, sondern auch der klein-
sten Umstände sich bewulst zu bleiben, und die Mühe sich nicht
verdrielsen zu lassen sie so aufzuzeichnen, dals sie später immer
‚gegenwärtig bleiben, wird selbst beurtheilen können wie viel
dazu gehört, unter den Zerstreuungen einer mühsamen Reise,
und unter den Entbehrungen in unwirthbaren Gegenden, den
einmal gefalsten Vorsatz durchzuführen. Nur die bewunderungs-
werthe Leichtigkeit Humboldt’s in der mündlichen und schrift-
lichen Mittheilung konnte das Ziel so erreichen. Die seltene
Begabung in dieser Hinsicht, stets sich seiner augenblicklichen
Thätigkeit klar bewulst zu sein, so klar dafs es ihm kaum Mühe
zu machen schien, sogleich sie in ausgesprochenen Worten An-
dern mitzutheilen, ist ihm bis in sein höchstes Alter vorzugs-
‚weise eigen geblieben, und wie er von früher Zeit an sie besessen
haben muls, so hat er sie durch fortwährende Übung gestärkt
und vervollkommt, und die ungeschwächte Erhaltung seiner gei-
stigen Kraft, bis in sein höchstes Alter, kann zum grofsen Theile
dieser fortwährenden Übung unter allen entgegenstehenden Hin-
dernissen zugeschrieben werden. Das ganz aulserordentliche Ge-
dächtnils, was ihn bis zuletzt nicht verliels, war gewils durch
642 Öffentliche Sitzung
diese Einübung immer gestärkter geworden, und die ihm von
der Natur verliehene Gabe in seinen Händen kein mülsiges Pfand
geblieben. Selbst in der Aufbewahrung und Sammlung seine
schriftlichen Notizen, zeigte sich diese hervorragende Eigenschaft.
Unermüdlich wie er bis zuletzt blieb, die gesammelten Kennt-
nisse durch schriftliche Aufzeichnungen bei sich festzuhalten,
war es im höchsten Grade überraschend, mit welcher Leichtig-$
keit die im kleinen Raume zerstreute, und für den Zuschauer
anscheinend regellos unter einander geworfene Notizenmasse, in
seiner Nachsuchung sogleich sich ordnete und fast augenblick |
lich sich zusammenfand. Nur allzuhäufig wird das hervorragendef
Talent als eine Gabe der Natur allein angesehen. Man vergilstf
ganz wie Anstrengung und Ausdauer, ununterbrochen und rast-
los wirkend, die Naturgabe ausbilden muls und ausgebildet hat,
wenn man plötzlich den grofsen Erfolg in die Augen treten sieht.f
Mit dieser Eigenschaft war eine zweite verbunden, die
Humboldt nicht erwähnt, die aber eng damit zusammen hängt
und Dem der näher in das Einzelne eingeht sogleich sich dar-
stellt, nämlich die ungemeine Gewissenhaftigkeit und Unbefan-f
genheit, mit welcher Humboldt, ohne Rücksicht auf die grö-
[sere oder geringere Übereinstimmung seiner Beobachtungenf
unter sich, sie mittheilt. Schon bei dem ersten Studium des
Oltmans’schen Werkes vor meiner Versetzung nach Berlin,
lag sie mir klar vor Augen, und je mehr in neuerer Zeit zum
Theil mit wegen der Güte der Instrumente, das Bestreben vor-f
herrscht, nicht blofs gute Beobachtungen zu liefern, sondern
auch solche die der Güte der Instrumente entsprechend, die
eigne Geschicklichkeit durch ihre Übereinstimmung unter sich
in gleicher Güte hervortreten lassen, desto höher muls man diese
Humboldtsche Eigenschaft anschlagen. Um so mehr glaube
ich sie erwähnen zu müssen, als hin und wieder die Bemerkung
dals man jetzt einen höheren Maalsstab anlegen müsse, etwas
der amerikanischen Reise zur Beeinträchtigung dienen könnte.
Mit dem vollsten Rechte sagt Humboldt in der Vorrede zu
dem Oltmans’schen Werke, dafs in den Wäldern von Süd-}
amerika, unter dem Geschwirre der stechenden Mosquito’s, und
einer nächtlichen Erleuchtung von brennenden Pechfackeln, ver-
bunden mit der Schwierigkeit immer einen gutgelaunten und
vom 20. October 1859. 643
binlänglich geübten Gehülfen zu finden, der die unentbehrlichen
Hülfsleistungen macht, nach einer ermüdenden Tagesreise von 8
bis 12 Stunden, zugebracht auf dem Rücken eines unbequemen
Maulthiers, oder eingezwängt in ein enges Schilfdach auf dem
Kanoe, die Genauigkeit nicht erreicht werden kann, die er
selbst später als für sich mit denselben Instrumenten erreichbar,
auf der Pariser Sternwarte nachgewiesen hat. Aber um so ver-
zeihlicher wäre die Weglassung von solchen Beobachtungen ge-
wesen, welche einen grölseren unvermeidlichen Mangel zeigten.
In der That findet man Reihen von der verschiedensten Güte,
sehr schön und minder gut übereinstimmende. Alle aber sind
so gegeben wie sie gemacht waren. Selbst solche wie z. B.
eine Reihe von Mond-Abständen in Mexico, die Humboldt
‚selbst für schlecht erklärt, und die in der That ein fehlerhaftes
Resultat geben, sind nicht unterdrückt. Humboldt war sich
bewulst welche Grenze der Genauigkeit für ihn erreicht werden
konnte, und welche für seinen Zweck, der Bestimmung einer
geographischen Länge oder Breite innerhalb einer gewissen An-
zahl von Secunden, in Gegenden welche überhaupt noch jeder
guten Bestimmung entbehrten, erreicht werden mulste. Jene
suchte er jedesmal so viel die Umstände es gestatteten zu er-
reichen, aber wenn er sie auch im Einzelnen nicht ganz er-
reicht hatte, so hatte er die Überzeugung: dafs durch Vermeh-
rung der Beobachtungen im Endresultate, wenn man nur alles
Vorhandene zusammennimmt, sie ihm nicht entgangen sein könne,
und liels sich nicht durch eine ungerechtfertigte Kritik ab-
schrecken, jede seiner Leistungen mitzutheilen. Bei dieser ver-
fuhr er so, dals er wenn irgend möglich durch Wiederholung
mehrerer Tage eine Prüfung erhielt, ob sie genügend gesichert
sei. Er sagt selbst: Es ist mir stets eine schmerzhafte Empfin-
_ dung gewesen, einen Ort verlassen zu müssen an dem ich nur
eine einzige Nacht beobachten konnte, und an welchem Culmi-
nationen mehrerer Sterne nicht gehörig übereinstimmende Re-
sultate gewährten. Die vollkomne Einsicht in diese beide Gren-
zen spricht sich in der unbefangenen Mittheilung der Beobach-
tungen in aller Vollständigkeit aus, und fast möchte man sagen,
gerade die Verschiedenheit im Einzelnen, wo sie stattfindet,
sichert den Bestimmungen den innern Werth, dafs sie wohl
644 Öffentliche Sitzung
später verbessert werden können, aber nirgends von der Wahr-
heit irgend bedeutend abweichen.
Dabei gereichte ihm eine Fertigkeit, die er ebenfalls sich
angeeignet hatie, sehr zum Vortheil, dafs er nämlich sich in den
Stand gesetzt hatte, die Resultate, wie schon oben erwähnt ist,
wenigstens im Allgemeinen an Ort und Stelle sich ableiten zu
können. In der Vorrede wird erwähnt, dals er selbst zwei
Drittheile der Beobachtungen in Amerika vorläufig berechnet
habe. Für die Sonnenhöhen war es zur Prüfung seines Chro-
nometers unerlälslich. Aber selbst die schwierigere Berechnung
der Monddistanzen hat er, allerdings nur gruppenweise, nach den
Tafeln und nach Borda’s Methode in Amerika berechnet. Eine
Anstrengung die um so höher anzuschlagen ist, als die Hülfs-
mittel welche ihm die vorausberechneten Ephemeriden darboten,
damals noch nicht die Bequemlichkeiten hatten wie die jetzigen
neueren. Wie sehr durch diese vorläufige Bearbeitung der Be-
obachtungen von Neuem die Zeit des Reisenden in Anspruch
genommen werden mufste, braucht gewils nicht ausdrücklich
hervorgehoben zu werden, aber dieser neue Beweis des hohen
Ernstes, womit Humboldt seinen Zweck verfolgte, durfte um
so weniger übergangen werden, je weniger gewöhnlich diese
Zeitanwendung bei ihm bekannt geworden ist.
Die Auswahl der Instrumente, welche er für die Reise be-
stimmt hatte, zeugt von der gleichen Sorgfalt. Hiebei war Hr.
von Zach wahrscheinlich sein Rathgeber, unter dessen Leitung
er zuerst den Gebrauch derselben eingeübt hatte. Die Wid-
mung des Oltmans’schen Werkes an diesen Astronomen und
unsern grolsen Gauls, spricht den Dank von Humboldt da-
für aus, dals Hr. v. Zach ihn aufgefordert hatte auch mit astro-
nomischen Beobachtungen sich zu beschäftigen. Der Sextant
war das Instrument, welches Hr. v. Zach mit dem gröfsten
Eifer auf dem Continente eingeführt hatte, und eben dieses In-
strument bildete auch den hauptsächlichsten Theil der Ausrü-
stung von Humboldt, ein grölserer von Ramsden, ein klei-
nerer von Troughton. So wie Humboldt gesteht, dals er
viele der frohesten Stunden seines Lebens der Aufforderung von
Zach verdankt, dals seine Neigung zur praktischen Astronomie
seitdem mit jedem Jahre zugenommen, ja dals er vielleicht der-
3
’
f vom 20. October 1859. 645
selben während seiner Reise mehr Zeit gewidmet, als er nach
der Mannigfaltigkeit der übrigen Gegenstände hätte thun sollen;
so blieb auch bis in sein höchstes Alter der Sextant sein Lieb-
- lings-Instrument. In der That empfiehlt er auch ausdrücklich
jedem Reisenden sich mit einem oder mehreren solchen auszu-
rüsten. Ohne ihn würde er an den Ufern des Orinoko und
Magdalena- Stromes wahrscheinlich nur zu sehr wenigen Resul-
taten gelangt sein. Aber die Eigenschaften des Sextanten nur
Abstände von 2 sichtbaren Punkten messen zu können führte
eine neue und anstrengende Thätigkeit herbei, die hauptsächlich
deshalb lästig war, weil sie bei der hohen Stellung der Sonne
in den tropischen Gegenden, nächtliche Beobachtungen verlangte.
Und dabei ist die Schwierigkeit der wirklichen Messung bei
Sternen, zur Erreichung von Genauigkeit, beträchtlich gröfser
als bei der Sonne. Alle diese Hindernisse wegen welcher Hum-
boldt mit Recht den Wunsch ausspricht wo möglich eines
Theiles der nächtlichen Beobachtungen überhoben zu sein,
schreckten ihn nicht ab von dem Sextanten den häufigsten Ge-
brauch zu machen, und einen kleinen Birdschen Quadranten, der
einen Theil dieser Unbequemlichkeit nicht hat, aber dafür einige
Einrichtungen verlangt, die wie z.B. die feste Aufstellung, sich
auf Reisen weniger leicht erreichen lassen, nur seltener zu ge-
brauchen. Es gehört zur richtigen Würdigung der Humboldt-
schen Erfolge sich dieser erschwerenden Umstände bewulst zu
sein. Am Tage fortwährende anderweitige Untersuchungen, und
in der Nacht die mühsamen Vorbereitungen zum Gebrauche des
Sextanten, verbunden mit allen den Nachtheilen, welche die
nothwendige Erleuchtung in uneingerichteten Lokalen mit sich
führt, sind Umstände deren Vereinigung jeden Andern von der
unablässigen Verfolgung seines Zieles, wie Humboldt sie
zeigte, abgeschreckt haben würden.
Aber unermüdet suchte Humboldt Alles zu erreichen, was
irgend dazu beitragen konnte seinen Bestimmungen Genauigkeit
und Sicherheit zu verschaffen. Als ein glänzendes Beispiel kann _
man die Längenbestimmung von Cumana, dem ersten Orte, den
er auf dem Continente von Südamerika betrat, anführen, wo er
bei einem längeren Aufenthalte alle Methoden bei dieser schwie-
rigen Festsetzung anwandte, welche die damalige Kenntnifs auf-
646 Öffentliche Sitzung
gefunden hatte, und so glücklich war auch solche Erscheinungen
benutzen zu können, deren Herbeiführung nicht in seiner Macht
stand, wie z. B. eine Sonnenfinsternils. Er bestimmte die Länge
auf vier verschiedenen Wegen. Zuerst durch den Berthoud’schen
Chronometer, einen für seine Zeit vorzüglichen, mit welchem er
sich für die Reise ausgerüstet hatte. Er fand sie um ein Vier-
tel einer geographischen Meile westlicher von Paris, als das End-
resultat von Oltmans annimmt. Dann bestimmte er sie durch
Distanzen des Mondes von dem Antares, nach welchen sie fast
zwei geographische Meilen östlicher fiel. Als ein Beispiel der
Anmerkungen, welche Humboldt seinen Beobachtungen bei-
fügte, mögen hier noch seine Worte stehen: 7 aoüt. Ramsden.
Nuit. Pour la longitude distances d’Antares ü la lune; obser-
valion tres penible, a cause de la hauteur et de la grande clarte
de la lune dans la zone torride. Les etoiles les plus brillantes
sont ü peine visibles quand on les rapproche de la lune. Je
crains que l’observation ne soit pas trop bonne. Es war dabei
das eigne Urtheil von Humboldt, dafs er bei dieser ersten
Längenbestimmung auf amerikanischem Boden, sich für einen in
Mondabständen wenig geübten Beobachter hielt, wie Oltmans
es anführt. Auf einem dritten Wege, durch Beobachtung von
Jupiterstrabanten- Verfinsterungen, fand Humboldt aus seinen
Beobachtungen die Länge noch keine halbe Meile westlicher als
die endliche Annahme. Endlich bot sich noch die Beobachtung
einer Sonnenfinsternils am 28. October 1799 dar, die aber, da
eine correspondirende Beobachtung fehlte, von Oltmans nur
mit den damaligen weniger guten Tafeln berechnet werden
konnte. Er findet hiernach die Länge noch keine Meile öst-
licher. Die neueste Connaissance des tems hat die Oltmans’sche
Bestimmung als die sicherste aufgenommen, nämlich zu 66° 30’
westlich von Paris. Die Connaissance des tems von 1810, sechs
Jahre nach der Beendigung der Humboldtschen Reise, giebt 67°
35’ an, oder setzt Cumana um 16 geogr. Meilen weiter nach
Westen. Allerdings darf hier nicht unerwähnt bleiben, dals
spanische Karten, und die gerade um dieselbe Zeit ausgerüsteten
spanischen Expeditionen, selbst einige englische Karten, die
Länge bei weitem richtiger gaben. Aber gerade darin besteht
ein Haupteinflulfs den die Humboldtsche Reise auf die Ortslage
R
vom 20. October 1859. 647
in Amerika hatte. Sie gab nicht blofs an welche Länge und
Breite er jedem Orte zutheilte, sondern veröffentlichte auch die
Beobachtungen auf welche seine Annahme sich stützte, dabei
erschlols sie die Schätze, welche die viel zu wenig bekannten
vortrefllichen Arbeiten der Spanier in sich bargen, und indem
sie in Humboldt’s Beobachtungen den festen Anhalts- und
Schwerpunkt darbot, sammelten sich durch Humboldt’s Ver-
bindungen die zerstreuten und verborgen gebliebenen Annahmen
der andern verdienstvollen Geometer. Für diesen geographischen
Abschnitt der Reise kann man in der That sagen, dals er gerade
in eine Zeit fiel, die eines solchen festen Haltpunktes am mei-
sten bedurfte, um die schon erworbenen Resultate nicht verlo-
ren gehen, oder wenigstens nur den Wenigen bekannt werden
zu lassen, welche ein spezielles Studium daraus machten. Schon
im Jahre 1795 hatte die spanische Regierung, deren Verdienste
um diesen Theil unserer Kenntnisse viel zu wenig bekannt sind,
eine grölsere Expedition ausgerüstet. Durch sie kennen wir einen
kleinen Abschnitt in der Gegend der Antillen. Bei der ange-
wandten Sorgfalt haben sich wenige Aufnahmen einer glei-
chen Genauigkeit zu erfreuen. Aber Krieg und Mangel an
Geldmitteln haben diese für alle Nationen so wichtige Arbeit
unterbrochen.
Im Verlauf seiner weiteren Reise im Jahre 1801 traf Hum-
boldt in Carthageno mit der ganzen Expedition von Fidalgo
zusammen und wurde von demselben mit der gröfsten Zuvor-
kommenheit empfangen. Sie verglichen Punkt für Punkt ihre
Resultate mit einander, und waren höchst erfreut eine grofse
Harmonie wahrzunehmen. Die Länge von Cumana ist seit den
Jahren 1802 in den Karten des Deposito hydrografieo sehr
nahe richtig angegeben, und an einer Stelle, wo Fidalgo’s aus-
drücklich erwähnt wird, fällt die Annahme der Länge nur fast
® Meile westlich von dem ÖOltmans’schen Resultate. Aber die
Humboldtsche Bestimmung hat den grofsen Vortheil die Be-
obachtungen nachzuweisen auf welchen sie sich gründet. Von
seiner Zeit an kann man in allen guten gewöhnlichen Karten
versichert sein, solche Verrückungen der Lage, wie sie noch
nach den verschiedenen Angaben der früheren Annahmen mög-
lich waren, nicht mehr anzutreffen. Humboldt hat die rich-
648 Öffentliche Sitzung
tigen Angaben über die Lage der Örter nicht blofs ermittelt, er
hat sie auch so begründet, dals sie die allgemeinste Verbreitung
erhalten haben. Ähnliche Untersuchungen von Humboldt
kommen bei mehreren Hauptpunkten vor, ich will nur die Ha-
vanna, Quito, welches um mehr als 12 Meilen falsch bestimmt
war, Lima und Mexico erwähnen, deren Lage seit Oltmans’s
Berechnungen durch Humboldt eine feste Grundlage erhalten
hat, die, wenn sie auch Verbesserungen erfahren wird, doch
durch Humboldts Werk mit einer vor ihm nicht gekannten
Sicherheit angenommen wird.
Humboldt giebt die Zahl seiner Ortsbestimmungen zu
etwa 200 an. Um hierüber im Einzelnen eine Übersicht zu
erhalten, werde ich mir erlauben, seine Reise nach den einzel-
nen Abschnitten, in welche sie bei Oltmans getheilt ist, kurz
durchzugehen, und bei jedem derselben die Ortsbestimmungen
ihrer Anzahl nach anzugeben, von denen es gewils ist, dals
Humboldt sie selbst gemacht hat. Es wird mir dazu eine Ab-
schrift des Conspectus der Längen- und Breitenbestimmungen
dienen, welche auf der Reise von Humboldt gemacht sind,
und bei welchen die Stellen des Reisemanuscripts angegeben
sind, wo die Beobachtungen sich finden, so wie die Zeiten, zu
welchen sie angestellt sind. Das Manuscript rührt von Olt-
mans’s eigener Hand her und ist im Besitze der hiesigen
Sternwarte. Dals die Endbestimmungen nicht allein aus diesen
Humboldtschen Beobachtungen abgeleitet sind, sondern auch
andere zu Rathe gezogen, kann für den gegenwärtigen Zweck
nichts ausmachen. Es wird auf diese Weise am sichersten über-
sehen werden können, was Humboldt allein geleistet hat.
Humboldt hielt sich in Spanien vom 3. Januar bis 5. Juni
4799 auf. Beschäftigt mit den Zubereitungen zu seiner Reise,
konnte er nur eine kleine Anzahl von Beobachtungen anstellen.
Ein Theil aller Beobachtungen, die er in Madrid gemacht hatte,
gingen durch einen nicht aufgeklärten Unfall zu Grunde. Am
5. Juni schiffte er sich auf der spanischen Fregatte Pizarro in
Corunna ein und erblickte am 13. Juli die hohen Küsten von
Tabago und Cumana.
In dem Conspectus von Oltmans werden aus dieser Zeit
vom 20. October 1859. 649
10 Ortsbestimmungen aufgeführt, unter welchen sich Teneriffa
befindet. 1799 Januar bis Juli.
Kurz nach der Erblickung der hohen Küste von Tabago
und Cumana landete Humboldt am 16. Juli 1799 in diesem
Hafen; bis in die Mitte des Novembers war er mit physikali-
schen und astronomischen Beobachtungen beschäftigt, um zu-
gleich den Gang seines Chronometers zu erforschen. Er machte
in der Zwischenzeit vom 4. bis 23. September eine Reise in
das Innere von Neu-Andalusien, kehrte nach Cumana zurück
und schiffte sich am 18. November nach Caraccas ein, um von
da in das Innere des Landes einzudringen.
Der Oltmans’sche Conspectus führt aus dieser Zeit 1799
Juli bis 1799 November die Anzahl von 12 Humbo!dtschen
Ortsbestimmungen auf.
Auf seiner Reise nach Caraccas bestimmte Humboldt
einige der Inseln. Bis Anfang Februar’s 1800 mit physikali-
schen und astronomischen Beobachtungen beschäftigt, trat er
dann seine Reise in das Innere an. Die kleine Grenzfestung,
San Carlos, gegen Brasilien war das südlichste Ziel dieser Reise.
Von San Carlos de Negro fuhr er den Cassiquiari aufwärts,
jenen mächtigen Arm, der den Orinoco mit dem Rio Negro
und dem Amazonenfluls verbindet, er lief in den Orinoco ein,
den er von Esmeralda an fast von seiner Quelle bis zu seinem
Ausflusse, sich der Gewalt der Strömung überlassend, in 22 Ta-
gen hinabfubr. Die theoretischen Zweifel, welche man gegen
diese Verästelung des Orinoco mit dem Rio Negro und also
mit dem Amazonenfluls aufgestellt hatte, wurden durch diese
Reise vernichtet.
Der Oltmans’sche Conspectus führt in dieser Zeit, wo Hum-
boldt am Ende derselben noch auf kurze Zeit nach Cumana
zurückgekehrt war, 1799 November bis 1800 November, 39
Ortsbestimmungen auf. Seine Längenbestimmungen von San
Carlos veränderte die frühere Aunahme um volle 2 Grade oder
etwa 30 Meilen. — Seine Bestimmungen waren hier hauptsäch-
lich auf den Lauf der grolsen Flüsse gerichtet.
Auf der Fahrt von Cumana über Barcelona nach der Ha-
vanna wurden mehrere wichtige Punkte, dann auch Havanna
selbst bestimmt. Im Anfange des Jahres 1801 durchreiste er
650 Öffentliche Sitzung
einen Theil von Cuba, bestimmte mehrere Punkte im Innern
und kehrte im Februar von 1801 nach Havanna zurück, um
sich nach Cartagenas de Indias am Festlande von Südamerika
einzuschiffen, auf welcher Reise er wiederum mehrere Punkte
bestimmte.
Der Oltmans’sche Prospectus führt in der Zeit, von 1800
Ende November bis 1801 März, 30 Ortsbestimmungen auf.
Bis zu diesem Zeitpunkte, also während zweier Jahre, geht
der erzählende Reisebericht, der in 3 sehr starken Quartbänden
von Humboldt selbst erschienen ist. Der letzte Band ist von
1825 datirt. In den folgenden 3 Jahren der Reise konnte ich
mich nur an die astronomischen Beobachtungen halten, deren
Datum mit Sicherheit angab, an welchem Orte Humboldt sich
jedesmal befand.
Sein ursprünglicher Plan sich an Baudin’s Expedition anzu-
schliefsen, um Neu-Holland und die Molukken zu untersuchen,
mulste aufgegeben werden, weil Baudin Peru nicht berührte.
Er wählte deshalb von der Ostküste Südamerikas nach der West-
küste den Landweg.
Er hielt sich noch eine Zeit lang in Santa Fe de Bogota
auf und kam endlich nach vielen Beschwerlichkeiten im Januar
1802 in Quito an.
Der Oltmans’sche Conspectus führt in der Zeit, von 1801
April bis 1802 Januar, 40 Ortsbestimmungen auf.
In Quito bielt Humboldt sich vom 6. Januar 1802 bis
zum 9. Juni 1802 auf. Mit geologischen und physikalischen
Untersuchungen beschäftigt, vervielfältigte er seine astronomi-
schen Beobachtungen indessen nicht so sehr, als er bei weniger
Vertrauen auf die Arbeiten der Geometer die in der dortigen
Gegend den_Grad am Äquator gemessen hatten, gethan haben
würde. Oltmans’s Untersuchungen verändern sowohl nach
Humboldt’s Bestimmungen, als nach den älteren, die Länge
um mehr als 50 Begenminuten oder 12 geograph. Meilen.
Im Juli 1802 verliels er Quito um die Länge von Lima,
oder seines Hafens Callao, durch den bevorstehenden Merkurs-
durchgang November 9. zu bestimmen; er bereiste dann die
Cordilleren, in diese Zeit fällt die Besteigung des Chimborasso,
und kam bei Truxillo wieder an die Küste des stillen Meeres
vom 20. October 1859. 651
herunter. Von da kehrte er nach Lima zurück und verliefs es
am 25. December 1802.
Der Öltmans’sche Conspectus weist für die Zeit vom Ja-
nuar 1802 bis December 25. desselben Jahres 32 Humboldt-
sche Ortsbestimmungen nach.
Die Schiffahrt ging über Guayaquil nach dem berühm-
ten Hafen von Acapulco, dem. Stapelplatze für die Ausfuhr
der spanischen Handelsartikel nach den asiatischen Besitzungen
der Spanier hin, wo er am Ende des Märzmonats landete. In
der Zwischenzeit machte er von Guayaquil aus eine Landreise
in das Innere des Landes.
Der Oltmans’sche Conspectus führt aus der Zeit vom De-
cember 25. 1802 bis zum März 1803 8 Ortsbestimmungen auf.
Von dem März 1803 an war Humboldt mit den Unter-
suchungen der dortigen Gegenden und Mexico’s bis zum Fe-
bruar 1804 beschäftigt, wo er in Veracruz sich einschiffte und
seine amerikanische Reise als geschlossen angesehen werden kann.
Der Oltmans’sche Conspectus enthält aus dieser Zeit 30
Ortbestimmungen von 1803 Ende März bis 1804 Februar, wo
Humboldt mit Veracruz den Schauplatz seiner eigentlichen
amerikanischen Reise verliels. Die Bestimmung von Mexico
und die auf ungewöhnlichem Wege ausgeführte Verbindung
von Mexico und Veracruz mögen hiebei die hervorragendsten
Ermittelungen sein.
Eine Anzahl weniger guter Bestimmungen, von denen 15
mit dem Graphometer, einem Astrolabium ausgeführt sind, und
andere nicht hinlänglich sicher bestimmter, sind aus diesem Ver-
zeichnisse ausgeschlossen. Im Ganzen führt der Conspectus
280 Bestimmungen auf, so dals bei den 201 eigenen Bestim-
mungen also bei % dieser bekannt gewordenen Angaben, Hum-
boldt mitgewirkt hat. Mehr als die Hälfte mögen ganz allein
von ihm herrühren.
Wenn man nach dieser flüchtigen und nackten Skizze der
amerikanischen Reise die Resultate derselben übersieht, so tre-
ten selbst bei diesem isolirten Fache, in dem Anfange der Hum-
boldtschen Laufbahn, die vorragenden Eigenschaften hervor,
welche auf seiner langen Lebenszeit auf eine bewunderungswerthe
Art sich erhalten haben. Man kann in der That die amerikani-
652 Öffentliche Sitzung
sche Reise als den Anfang seiner glänzenden Laufbahn bezeich-
nen. Früher (seine erste Schrift: üder einige Basalte am Rhein
erschien im Jahre 1790) als Beamter des Bergwesens, als
Mineralog und Botaniker beschäftigt, sind diese Arbeiten fast
immer als vorbereitend für die Reise, und die auf derselben zu
erforschenden vielfachen Gegenstände anzusehen. Verschieden
davon sind seine vor der Reise erschienenen Versuche: Über
die gereizte Muskel- und Nervenfaser, oder den Galanismus,
nebst Vermuthungen über den chemischen Procefs des Lebens
in der Thier- und Pflanzenwelt 2 Bde. 1797 —1799; in wel-
chen nach dem Urtheile einiger Kenner sich eine vorzügliche
Begabung zum Forscher, in dem dunkeln Gebiete der Natur-
kräfte, hervortrat. Aber das eigentliche Lebens- und Wirkungs-
gebiet eröffnete sich auf der amerikanischen Reise. Ganz abge-
sehen von den so vielfachen Beschäftigungen mit so gut wie
allen Naturwissenschaften während derselben, treten schon bei
den geographischen Ortsbestimmungen alle die grolsen Eigen-
schaften hervor, die seinen Namen so weit verbreitet und glän-
zend hervorragend gemacht haben. Zuerst die bewunderungs-
würdige Leichtigkeit, mit welcher Humboldt in ein neues
Gebiet sich zurecht findet. Er hat wahrscheinlich nur sehr
kurze Zeit auf seine Vorbereitungen in der praktischen Astro-
nomie verwenden können, und doch sich eine Sicherheit in der
Anwendung verschafft, die nicht blols die Zwecke, welche er
auf seiner Reise verfolgte, vollkommen erreichen liefs, sondern
selbst ihn in den Stand setzte, in der isolirten und für astrono-
mische Hülfe so rathlosen Lage, in der er sich in Amerika be-
fand, Irthümer, welche sich in den mitgenommenen Hülfsmit-
teln zeigten, zu entdecken und nachzuweisen. Als ein glänzen-
des Beispiel möchte ich eine Bemerkung aus dem Tagebuch
(nach Oltmans) vom 1. Januar 1800 anführen. Humboldt
klagt über die unbeständige Witterung in Caraccas, welche die
für die Länge ihm so überaus wichtigen Ein- und Austritte der
Jupiterstrabanten, manchmal nur 1% Minute vor ihrer Beobach-
tung nicht zu sehen erlaubte. Er hatte 27 Nächte vergebens
durchwacht. Am 4. Januar schreibt er in seinem Tagebuche.
wir haben das neue Jahr mit einer Übereilung (Etourderie) an-
gefangen. Wir wollten uns nach Galiego’s Wohnung am Fulse
vom 20. October 1859. 653
der Sillas begeben. Ungeachtet der uns bevorstehenden neun-
zehnstündigen ermüdenden Fufsreise, beschlossen wir doch die
drei Verfinsterungen des Jupiters zu beobachten, welche diese
Nacht stattfinden sollten. Ich hatte die Zeit, wann sie statt-
fanden, vorläufig für alle drei berechnet; ich durchwachte die
Nacht, sah aber keine Austritte.. Bei dem Antritt an das Fern-
robr sah ich schon 2 Trabanten, 4 Minuten später alle drei.
Kurz nachher überzog sich der Himmel mit Wolken. Wie
konnte ich drei Trabanten sehen, wenn von den vier Trabanten
des Jupiters der vierte in den Schatten schon eingetreten sein
mulste, und der erste noch im Schatten verborgen sein sollte?
"Wenn man annehmen könnte, dals die Connaissance des tems,
wonach ich die Zeit der Beobachtungen vorläufig berechnete,
die Austritte statt in wahrer Sonnenzeit, in mittlerer angebe,
so würde dann die Erscheinung aufgeklärt, und die Länge von
Caraccas unter dieser gewagten Supposition 4" 40’ sein. Bei
der Nachforschung fand Oltmans, dals Humboldt’s Erklä-
rung die ganz richtige sei. Gegen die ausdrückliche Versiche-
rung, dals die angegebenen Zeiten für wahre Zeit gelten soll-
ten, waren sie nach mittlerer Zeit angesetzt. Es war aber diese
Verwirrung nicht die einzige, die Humboldt auf seiner Reise
entdeckte; in demselben Monate war auch einigemale die Zeit-
gleichung mit verkehrtem Zeichen angesetzt. Humboldt be-
merkt: man ziehe die Zeitgleichung ab von den Angaben der
Connaissance des tems, so hat man die mittlere Zeit. Bei den
richtigen Daten hätte man sie hinzusetzen müssen.
Neben dieser Leichtigkeit sich in neue Fächer hineinzuar-
beiten, tritt schon bei diesem Beispiele eine unermüdliche Thä-
tigkeit hervor. Wenn nach den Tagesarbeiten für die verschie-
denen Sammlungen, eine Reihe von 27 Nächten, und noch dazu
vergeblich, durchwacht werden konnte, wenn keiner der
Reiseabschnitte ohne eine mehr oder minder zahlreiche Ausbeute
_ vorüber gelassen wird, eine Ausbeute, deren Reichhaltigkeit von
den Umständen abhängt, ob es galt den Lauf grofser Flüsse
durch einzelne Punkte zu bestimmen, wie bei dem Orinoco und
Rio Negro, oder wenn eine längere Seereise nur Anfangs- und
Endpunkte nebst einzelnen Zwischenstationen zu bestimmen er-
laubte, wie in der Überfahrt von Südamerika nach Mexico, und
[1859.] 46
654 Öffentliche Sitzung
wenn dieses geschieht bei einem Fache dessen Gegenstände we-
nigstens nicht allzulange vor dem Beginne der Reise in den
Kreis des zu Beobachtenden aufgenommen sind: so bedarf es
nicht gerade der Anführungen von Zahlen, um bei den andern
näher liegenden und leichtere Sammlungen von einzeinen Merk-
würdigkeiten darbietenden Fächern, eine noch viel grölsere Aus-
beute vorauszusetzen.
Mit dieser unermüdlichen Thätigkeit verband sich bei den
geographischen Ortsbestimmungen ein ungewöhnlicher grolsarti-
ger Erfolg. Wenn man bedenkt, dafs ein Hafen an der Ost-
küste von Südamerika Cumana, durch die Reise 16 Meilen
mehr nach Ostgn, ein Hauptort an der Westküste Quito, fast.
eben so viel nach Westen versetzt wurde, dafs also der Haupt-
Umrils von Südamerika in wesentlichen Punkten, auch an der
Küste, eine beträchtliche Verschiebung erlitt, die im Innern bei
San Carlos z. B., auf das doppelte, auf 30 Meilen stieg: dals da-
bei der Lauf der ungeheuren Ströme die diesen Theil Amerika’s '
durchschneiden, viel genauer erforscht, und in einzelnen Punk-
ten bestimmt wurde, und selbst ihre Verbindung unter einander,
nachdem man lange die Möglichkeit bezweifelt, festgestellt wurde:
so sind diese grölseren Züge allein, ganz abgesehen von den ein-
zelnen Berichtigungen, völlig hinreichend, um die Befriedigung
erklären zu können, mit welcher Humboldt auf seine Reise
zurücksehen konnte. Man pflegt wohl von dem Glücke zu spre-
chen, wodurch die Gelegenheit zu grölseren, wichtigeren Er-
forschungen dargeboten ist. Hier aber ward sie gegeben durch
die sorgfältige Auswahl in der Richtung, die Humboldt ein-
geschlagen hatte, so wie überhaupt nur höchst selten der blofse
glückliche Zufall sich Dem darbietet, der ohne den tieferen Sinn
für Forschung, sich auf dem gewöhnlichen Wege mehr forttrei-
ben läfst, als selbst seine Laufbahn auswählt. Der Sinn eine
solche Auswahl zu treffen, die auf grölsere weiter aussehende
Unternehmungen gerichtet, den Geist in steter Spannung er-
hält, ist Humboldt bis zu seinem Ende vorzüglich eigen ge-
blieben, und hat ihn auch bei den Antrieben geleitet, welche
von ihm auf Andere übergegangen sind. Selbst die vorherr-
schende Neigung für die jugendlichen Kräfte die sich ihm zu-
wandten, wenn sie auch manchmal nicht den Erfolg hatte, den
vom U. October 1859. 655
er sich davon versprach, war unstreitig mitbegründet in der Er-
innerung dessen, was er in der vollen Kraft des Lebens, er war
30 Jahre alt als er seine Reise antrat, zu leisten vermochte.
Dabei nöthigten sowohl die Vorbereitungen zu dieser Reise,
die nur durch ungewöhnliche Verkettung von günstigen Für-
sprachen, bei einer bis dahin so wenig zu der Eröffnung eines
freien Verkehrs mit den Colonien geneigten Regierung, ihm
dem Protestanten, die so nöthige Erlaubnils und Unterstützung
bei den Behörden gewähren konnte: als auch der stete unun-
terbrochene Verkehr mit der Verwaltung in Amerika, fortwäh-
rend ihn, die ihm eigenthümliche Begabung in der Behand-
lung der ihn umgebenden Männer, geltend zu machen und in
steter Übung zu erhalten. Nichts kann den Sinn für geselligen
Verkehr und die Einwirkung welche er ausübt und empfängt,
mehr verstärken als eine längere Reise, bei der die verschieden-
sten Eindrücke in rascher Wechselfolge einander ablösend, die
stete Berücksichtigung des vorgesetzten Zweckes erheischen, um
die verschiedenartigsten Menschen für solche Pläne zu gewin-
nen, von denen sie häufig nur sehr wenig klare Vorstellungen
haben, und bei welchen die Empfänglichkeit dafür oft erst ganz
neu geweckt werden muls. Seit der amerikanischen Reise war das
Bedürfnils einer gesellschaftlichen Berührung, die sowohl ihn
selbst anregte und häufig in seinen Forschungen förderte, als
auch gröfsere Kreise für die Unternehmungen gewann, die er
selbst auszuführen oder durch Andere ausgeführt zu sehen wünschte,
ein wahrhaft unüberwindliches, dem er bis in sein höchstes
Alter Opfer zu bringen bereit war, die selbst jugendliche Kräfte
nicht hätten auf sich nehmen mögen. Was er durch die Ver-
einigung dieser beiden Eigenschaften gewirkt hat, einmal durch
die Wärme mit der er besonders jugendliche Talente aufnahm,
in ihre Richtungen und Hoffnungen einging, und dann auch den
ganz einzig in seiner Art dastehenden Einfluls benutzte, den die
langjährige Verbindung mit den höchsten Kreisen ihm ver-
schafft hatte: Wir Alle, die wir zu seinen Zeitgenossen, wenn
auch nur am Abende seines Lebens gehört haben, haben es be-
merken müssen, wenn wir vielleicht selbst an uns es nicht er-
"probt haben, und die langeLebensdauer, welche der Himmel ihm
vergönnte, hat ebenfalls das ihrige dazu gethan, um dieser Wirk-
46*
656 Öffentliche Sitzung
samkeit eine so segensreiche und ausgebreitete werden zu lassen,
wie in neuerer Zeit keinem Einzelnen je zu Theil geworden ist.
Endlich kann hier nicht übergangen werden, dals der Sinn
für genauere Annahmen, oder wenigstens für die besten unter denf
neueren Annahmen, die ihm zu Gebote standen, welcher gerade
durch die Ortsbestimmungen in ihm geweckt war, bis an das
Ende seines Lebens ihn nicht verliefs. Unermüdlich und unter-
stützt durch seine zahlreichen Verbindungen mit allen Gelehr-f
ten, und mit einem feinen Takte versehen, der die zuverlässig-
sten Autoritäten ihn richtig auswählen liels, sind die Angaben,
die er in seinen spätesten Werken selbst niederlegte, immer so,
dals man allerdings wohl zweifeln kann, ob man den Hypothe-
sen, welche dabei von den Urhebern zum Grunde gelegt sind, f
immer den Beifall schenken mag, den sie ihnen zu zollen sich }
berechtigt glaubten. Nimmt man sie aber an, so wird fast ohne |
Ausnahme, das was Humboldt als das Resultat angiebt, sof
genau sein, dals man sich darauf als das wahre Endresultat‘$
verlassen kann. Die Peinlichkeit, welche Humboldt auf diese
Ausfeilung seiner Schriften verwandte, wird von Jedem empfun-
den sein, dem er das Vertrauen schenkte, ihn darin zu unter-
stützen. Namentlich kann man dieses von dem letzten bewun-
derungswürdigen Werke eines mehr als achtzigjährigen Mannes,
von dem Kosmos sagen, in welchem die ganze Entwickelung
der Humboldt’schen Natur sich wie in dem reinsten Spiegel
darstellt. Die Höhe der Aufgabe, die er sich gestellt hatte, nach
seinen eigenen Worten: „die Concentrirung unserer sinnlichen
Anschauungen zu der Einheit eines Naturbegriffs” übersteigt,
wie er selbst zugiebt, fast das Maafs, welches wir sowohl jetzt,
als in Zukunft an unsere Wissenschaft anlegen dürfen. Unver-
meidlich ist damit eine Auflösung in Einzelheiten verbunden, bei
denen der Zusammenhang mit dem Ganzen nicht strenge nach-
zuweisen sein möchte. Aber die Schönheit des Ausdrucks reilst
den Leser hin, die Fülle der Gegenstände, welche ihm vorge-
führt werden, überwältigt ihn. Er ahnet mehr als er sich nach-
weisen könnte, dals ein Zusammenhang wohl stattfinden müsse,
und folgt dem Verfasser in den einzelnen Angaben, welche er
aus dem Schatze seiner Gelehrsamkeit darreicht, mit dem Ge-
fühle, dafs wenn so Vieles schon aufgefunden worden, auch die
vom 20. October 1859. 657
Hoffnung immer weiter fortzuschreiten nicht aufgegeben werden
darf. Dem ernsten Kenner wird ein Trieb zum tieferen Ein-
dringen eingeimpft, der ihn über die enggestreckten Grenzen des
vorliegenden Werkes hinaustreibt, und ihn nöthigt, in den ein-
zelnen Bearbeitungen der Meister in den verschiedenen Fächern
Befriedigung sich zu verschaffen. Der weniger tief eingehende
Leser verläfst wenigstens das Werk mit dem Gefühle der Hoch-
achtung, für das, was dem menschlichen Geiste zu erlangen
möglich war. Beiden aber bietet Humboldt aus der überrei-
chen Fülle seiner Gelehrsamkeit die besten Quellen dar, in wel-
chen sie die weitere Ausführung finden können, und was na-
mentlich die Zahlenangaben betrifft, so kann man mit Sicherheit
darauf rechnen, dafs sie auf den besten und neuesten Autoritä-
ten beruhen. Hier kann die Befriedigung aller Klassen, welche
das Werk benutzen, als vollkommen und fest begründet ange-
nommen werden.
Eines aber findet sich bei den geographischen Ortsbestim-
mungen eigenthümlich, wenngleich in den bisher berührten
Punkten der Humboldtsche Geist in allen übrigen von ihm
behandelten Naturwissenschaften auf dieselbe oder auf eine noch
ausgeprägtere Weise sich zeigt, das ist: die Vorliebe mit wel-
cher seit der amerikanischen Reise Humboldt die beobachtende
Astronomie umfalste. Diese Neigung für dieselbe überwog in
Vergleich mit den andern Wissenschaften, wenn man etwa die
Geographie in ihren allgemeinen Übersichten ausnehmen möchte,
so sehr, dals er noch im Jahre 1829 die Reise nach Sibirien,
fast eben so ausgerüstet wie zu der amerikanischen Reise, un-
ternahm und auch da noch ähnliche Erfolge erzielte. Mag man
auch den Grund hauptsächlich darin suchen, dafs er bei’ den
geographischen Ortsbestimmungen noch selbst thätig einwirken
konnte und der Einfluls der amerikanischen Reise sich sonach
auch hier am stärksten äufserte, so trugen doch noch andere
Umstände dazu bei. Die Vorliebe für den kosmischen Ursprung
‚der Sternschnuppen, deren Periodizität er zuerst durch die Com-
bination der Erscheinung in Nordamerika mit der Überlieferung
aus Cumana begründete: die Lebhaftigkeit mit welcher er sich
mit der Frage, ob eine nebeligte Materie im Weltraume ver-
breitet sei, oder Nebelmassen als Stoffe neuer Weltkörper sich
658 Öffentliche Sitzung vom 20. October 1859.
darin gebildet hätten: die Gelegenheit, welche die Astronomie ihm
darbot, durch die Vermittelung grölserer Hülfsmittel wesentliche
Fortschritte in ihr ermöglichen zu können: die verwandten Metho-
den nach welchen in neuerer Zeit die magnetischen Beobachtungen
angestellt werden: und die freudige Erinnerung an den Genuls, den
diese Wissenschaft ihm gewährt hatte. So wie er die hiesige
Sternwarte durch die Gnade des hochseligen Königs auf seinen
erfolgreichen Antrag entstehen liels, so hatte er auch die Freude,
wenn nicht direkt doch indirekt dazu beigetragen zu haben,
dafs die Zahl der grölseren Fernröhre in Rufsland, in Preufsen
selbst, und vor Allem in Amerika auf eine früher nie so ge-
hoffte Zahl sich vermehrten, und die Nachricht von der An-
lage eines solchen neuen Instituts regte bis zuletzt ihn immer
noch zur lebhaftesten Theilnahme auf. Der Anblick des Do-
nati'schen Kometen war sein Abschiedsgruls von der hiesigen
Sternwarte.
Sein Gedächtnils und das seines vertrauten Freundes L.
v. Buch wird der Akademie nie fremd werden können. Aber
dennoch war es der Akademie würdig auch sichtbar durch die
aufgestellten Büsten es bei sich zu erhalten.
Nachdem noch den Statuten gemäls über wissenschaftliche
Arbeiten, welche gegenwärtig die Akademie beschäftigen, Nach-
richt gegeben war, schlofs Hr. Ranke die Feier mit einem
Vortrag über Wallensteins Katastrophe.
27. Octbr. Gesammtsitzung der Akademie.
Nachdem der vorsitzende Sekretar, Hr. Trendelenburg,
des schweren Verlustes gedacht hatte, den die Akademie wäh-
rend der Ferien (28. September) durch den Tod des Hrn. Karl
Ritter erlitten, las
Hr. Mitscherlich über die Metamorphie der Ge-
steine durh erhöhte Temperatur. |
RE
Gesammtsitzung vom 27. October 1859. 659
Aus brieflichen Mittheilungen des Hrn. Charles Newton,
bisherigen britischen Viceconsuls zu Lesbos, an Hrn. Gerhard,
wurden durch Letztern mehrere altgriechische Inschriften aus
Milet zur Kenntnifs der Akademie gebracht.
Die gedachten Inschriften sind statuarischen Werken aus
der berühmten Reihe sitzender Götterbilder entnommen, welche
auf der heiligen Stralse der Branchiden seit längerer Zeit im
Allgemeinen von Reisenden beschrieben, nach Möglichkeit auch
im Corpus Inscriptionum Graecarum (vergl. nr. 39. 2861) benutzt,
neuerdings aber durch Hrn. Newton’s Fürsorge ins brittische
Museum versetzt worden sind. Der frühen, der Zerstörung Mi-
lets durch die Perser vorangehenden, Zeitbestimmung der gan-
zen Tempelstrafse, mit welcher der Zusatz späterer Inschriften
zwar nicht unverträglich ist, sind Schrift und Inhalt der uns
mitgetheilten Inschriften gleich wohl entsprechend. Ihre Schrift-
züge lagen in wohl ausgeführten Facsimiles vor, welche im Ap-
parat des Corpus Inser. Gr. aufbewahrt werden sollen; den In-
halt, aus welchem beim ersten Anblick berühmte Milesische Na-
men wie Thales und Anaximander, ein Tyrann Chares, ein
Künstler Terpsikles u. a. uns entgegentreten, geben wir hie-
nächst in wörtlichem Abdruck des von Hrn. Newton an Hrn,
Gerhard gerichteten Briefes; einige kritische Bemerkungen hat
Hr. Meineke beigefügt. Der Brief an Hrn. Gerhard aus
London 13. Aug. d. J. datirt, lautet wie folgt:
„My dear Mr. Gerhard! Many years ago when I first had
the pleasure of being introduced to you in the place du Car-
roussel at Paris, you said to me in reference to the frize of
the Mausoleum, then recently brought from Budrun, “Continuez
vos recherches & Budrun’.
The words sunk into my heart and from that day Iconcei-
ved the idea often frustrated at length fulfilled of a pilgrimage
to Halicarnassus in quest of the Mausoleum. I must thank you
for the long notice of my Reports which you have given in
the „Arch. Zeitung.” I am about to publish the remainder of
three Reports which I will not fail to send you; in the mean
time Birch has strongly urged me to publish without delay and
in anticipation of more matured plans the archaic inscriptions
discovered by me on the sacred way at Branchidae. I am not
660 Gesammtsitzung
fond of these hurried publications but I submit to Birch’s ar-
guments in this case and send you herewith euclosed impres-
sions in paper of the following inscriptions:
(1) On the back of the archaic lion found with a sphinx
in the sacred way
TAAFAAMATATAAEANEBEEANOIOP OÖ)
3B1A 013XI9IA3B3AIAM3ONO.
KAIMAEIKABEKAIBFBEANAPOEKAI.
AIQTHBTANI3AIDIIBANMAIAN3OIS
MOARNI
Ta ayakuara rade aveSerav oi (Mu?)-
1 nn 3 > m,
IP)wvos ') meides! Iraoy,eko! (Dorn
\ m ’
#0: Hasızkas zaı “Hyysavöpos zat .
cos?) zu Avaßksws? dezaryv ru "A-
L
zoAkuvs
This inseription is very indistinet and difficult to read. In
l. 2. I originally read “Aıdesıs, Aoyelo Oudys taking the letter
before aıöss as a5 but M. Waddington reads it f}. Neither
reading is satisfactory. In the fourth line Ava@ksws is evidently
wrong, but I can offer nothing better. I tried to read "Ave-
Eikzws, but there are not enough letters. — The name Thales
may be that of the celebrated philosopher?’) of Miletus. The
@® is not visible but there is a circular hollow wherea®@ may have
been. Hegesander is very probably the father of Hekataeus of
Miletus mentioned by Herodotus. The dyaruar« must refer
to a number of statues or other votive offerings placed near
the lion.
(2) On a block of limestone about ten feet long
t) wahrscheinlich oi "Op$wvogs. über diesen Namen siehe zu Theocrit
p. 403.
?) vielmehr xai ”Arıos
®) das ist unmöglich, da der Vater des Thales von Milet Examias
oder Examyas hiels.
vom 27. October 1859. 661
OIANAEIMANAPOTAIAESTOMANADO MAX .....
3BIVAATAABBIONANASIB ....
e'a F ’ r DIS x 6} 4 ’ s 1
[07 Avafımnavdso TRIdES Tom Avödgouey,(ov?) )
(av)eSerav. Emoimse Ö8 Tegızdas.
On the opposite side of the stone near one end are the
letters LYIWAITZ3 from the second line and at ihe other end
the letters MANAPO from the first line.
It is evident therefore that the stone is only the section
of a base and that the same or a similar inscription was conti-
nued from either extremity of the stone on the next stones
erossing the joints.
The object dedicated must have been designed to be seen
on both sides. |
The Anaximander mentioned in this inseription may be the
celebrated philosopher of Miletus, the pupil of Thales.
The name Terpsicles as an artist is new to me.
(3) On the side of the chair of a seated figure in the
Egyptain style:
3H301X13T3 01331 YOIMII3HAAX
ATAAMATOATOANNNOZ
\ A ‚
Xaons ein 6 Kitsıos Tergiorns ?), ApX,0s.
E] 4 2
ayahua 70°?) "Amolkwvos
Teichioessa was a place near Miletus mentioned in Thu-
eydides VIII, 26. It paid tribute to Athens after the Persian war
as appears by the list of tributaries published and found at
Athens. Chares was probably one of the rugawo: on the we-
stern coast of Asia minor of whom several are mentioned in
Herodotus in the period immediately before the Persian war.
I should place this inseription rather later than the two succee-
ding ones; from B. C. 520 to 500.
') vielmehr roö Mavdpoudxov [zixove]. Mavdpos mit seinen Zusam-
mensetzungen ist ein ganz gewöhnlicher Name in Vorder-Asien. Mavdpc-
Haxos ist neu.
?) vielmehr Kiyrıog Terxtoveng (Teixıovcong)
?) Tod
662 Gesammtsitzung
We can hardly suppose it to have been subsequent to the
Persian war when the temple of Apollo at Branchidae was burnt
by Xerxes or according to other authorities by Darius. "Ayarıa
is evidently and here in its original sense something offered in
adornment or honour of a deity.
M. Birch has pointed out to me a passage C. I. I.
p- 1018 n. 6731. which throws light on this use of the word.
(4) On the rail of the chair of another seated figure in
the sacred way
E.. ?HMOZMEETTOIEN
’E(zi)dnmos ne Emoiv')
The termination &ro:ısv is new to me.
(5) On the back of the chair of another seated figure
NIKH
TAAYKOY
’ ’
Nizn Tiavzov
This inscription from the form of the letters and the use
of ihe dipthong ov instead of o appears to be of a later period
than the statue on which it is placed.
On the back of the chair of another figure are several
lines of singular writing in which the word vizy occurs but I
have not been able to decypher them. I should consider them
to be later additions.
I remain etc.
Hr. du Bois-Reymond legte eine Mittheilung von Hrn.
Prof. Kirchhoff über die Fraunhofer’schen Linien,
d. d. Heidelberg, 20. October 1859, vor. ;
Bei Gelegenheit einer noch nicht veröffentlichten, von
Bunsen und mir in Gemeinschaft ausgeführten Untersuchung
über die Spektren farbiger Flammen, durch welche es uns mög-
1) vielmehr ’Ex£dpos pe &moteı
vom 27. October 1859. 663
lich geworden ist die qualitative Zusammensetzung complicirter
Gemenge aus dem Anblick des Spektrums ihrer Löthrohrflamme
zu erkennen, habe ich einige Beobachtungen gemacht, welche
einen unerwarleten Aufschluls über den Ursprung der Fraun-
hofer’schen Linien geben und zu Schlüssen berechtigen von die-
sen auf die stoffliche Beschaffenheit der Atmosphäre der Sonne
und vielleicht auch der helleren. Fixsterne.
Fraunhofer hat bemerkt, dafs in dem Spektrum einer
Kerzenflamme zwei helle Linien auftreten, die mit den beiden
dunkeln Linien D des Sonnenspektrums zusammenfallen. Die-
selben hellen Linien erhält man lichtstärker von einer Flamme,
in die man Kochsalz gebracht hat. Ich entwarf ein Sonnen-
spektrum und liels dabei die Sonnenstrahlen, bevor sie auf den
Spalt fielen, durch eine kräftige Kochsalzflamme treten. War
das Sonnenlicht hinreichend gedämpft, so erschienen an Stelle
der beiden dunkeln Linien D zwei helle Linien; überstieg die
Intensität jenes aber eine gewisse Grenze, so zeigten sich die
beiden dunkeln Linien D in viel grölserer Deutlichkeit, als ohne
die Anwesenheit der Kochsalzflamme.
Das Spektrum des Drummond’schen Lichtes enthält der
Regel nach die beiden hellen Natriumlinien, wenn die leuchtende
Stelle des Kalkeylinders noch nicht lange der Glühhitze ausge-
setzt war; bleibt der Kalkcylinder unverrückt, so werden diese
Linien schwächer und verschwinden endlich ganz. Sind sie ver-
schwunden oder nur schwach hervortretend, so bewirkt eine
Alkoholfiamme, in die Kochsalz gebracht ist und die zwischen
den Kalkcylinder und den Spalt gestellt wird, dafs an ihrer
Stelle zwei dunkle Linien von ausgezeichneter Schärfe und Fein-
heit sich zeigen, die in jeder Hinsicht mit den Linien D des
Sonnenspektrums übereinstimmen. Es sind so die Linien D des
Sonnenspektrums in einem Spektrum, in dem sie natürlich nicht
vorkommen, künstlich hervorgerufen.
Bringt man in die Flamme der Bunsen’schen Gaslampe
"Chlorlithium, so zeigt das Spektrum derselben eine sehr helle
scharf begrenzte Linie, die in der Mitte der Fraunhofer’schen
Linien B und C liegt. Läfst man Sonnenstrahlen von mälsiger
Intensität durch die Flamme auf den Spalt fallen, so sieht man
an dem bezeichneten Orte die Linie hell auf dunklerem Grunde;
664 Gesammtsitzung
bei gröfserer Stärke des Sonnenlichtes aber tritt an ihrer Stelle
eine dunkle Linie auf, die ganz denselben Charakter hat als die
Fraunhofer’schen Linien. Entfernt man die Flamme, so ver-
schwindet die Linie, so weit ich habe sehen können, vollständig.
Ich schlielse aus diesen Beobachtungen, dafs farbige Flam-
men, in deren Spektrum helle, scharfe Linien vorkommen, Strah-
len von der Farbe dieser Linien, wenn dieselben durch sie hin-
durchgehen, so schwächen, dafs an Stelle der hellen Linien dunkle
auftreten, sobald hinter der Flamme eine Lichtquelle von hin-
reichender Intensität angebracht wird, in deren Spektrum diese
Linien sonst fehlen. Ich schliefse weiter, dals die dunkeln Li-
nien des Sonnenspektrums, welche nicht durch die Erdatmo-
sphäre hervorgerufen werden, durch die Anwesenheit derjenigen
Stoffe in der glühenden Sonnenatmosphäre entstehen, welche in
dem Spektrum einer Flamme helle Linien an demselben Orte
erzeugen. Man darf annehmen, dafs die hellen mit D überein-
stimmenden Linien im Spektrum einer Flamme stets von einem
Natriumgehalte derselben herrühren; die dunkeln Linien D im
Sonnenspektrum lassen daher schlielsen, dafs in der Sonnenat-
mosphäre Natrium sich befindet. Brewster hat im Spektrum
der Salpeterflamme helle Linien aufgefunden am Orte der
Fraunhofer’schen Linien 4, a, B; diese Linien deuten auf einen
Kaliumgehalt der Sonnenatmosphäre. Aus meiner Beobachtung,
nach der dem rothen Lithiumstreifen keine dunkle Linie im Son-
nenspektrum entspricht, würde mit Wahrscheinlichkeit folgen,
dafs Lithium in der Atmosphäre der Sonne nicht oder doch nur
in verhältnifsmäfsig geringer Menge vorkommt.
Die Untersuchung der Spektren farbiger Flammen hat hier-
nach ein neues und hohes Interesse gewonnen; ich werde ge-
meinschaftlich mit Bunsen dieselbe so weit führen, als es un-
sere Mittel gestatten. Dabei werden wir die durch meine Be-
obachtungen festgestellte Schwächung der Lichtstrahlen in Flam-
men weiter erforschen. Bei den Versuchen, die in dieser Rich-
tung von uns bereits angestellt sind, hat sich schon eine That-
sache ergeben, die uns von grofser Wichtigkeit zu sein scheint.
Das Drummond’sche Licht erfordert, damit in ihm die Linien
D dunkel hervortreten, eine Kochsalzflamme von niederer Tem-
peratur. Die Flamme von wässrigem Alkohol ist hierzu ge-
nn
vom 27. October 1859. 665
‚eignet, die Flamme der Bunsen’schen Gaslampe aber nicht.
Bei der letzteren bewirkt die kleinste Menge von Kochsalz, so-
bald sie überhaupt sich bemerklich macht, dals die hellen Na-
triumlinien sich zeigen. Wir behalten es uns vor die Conse-
quenzen zu entwickeln, die an diese Thatsache sich knüpfen
lassen.
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Documens inedits sur lhistoire de France:
1. Negociations diplomatiques de la France avec la Toscane, par Abel
Desjardin.
2. Cartulaire de labbaye de St. Victor de Marseille par Mr. Guerara,
Tome 1. 11.
3. Memoires de Claude Haton (1533—1582) par Felix Bourquelot.
Tome 1. II.
4. Histoire de la guerre de Navarre en 1276 et 1277, par Francisque
Michel.
5. Lettres, Instructions diplomatiques et papiers d’etat du Cardinal de
Richelieu, par M. Avenel. Tome Ill.
6. Recueil des Lettres missives de Henri IV, par M. Berger de Aivrey.
Tome VII. (1606—1610.)
7. Memoires milituires relatifs d la succession d’Espagne sous Louis
AIV. Tome X.
Mit Ministerialresceript vom 20. August 1859.
Baird, Mammals of North America. Philadelphia 1859. 4.
Baird, Catalogue of North American birds. Washington 1858. 4.
Batailhe, De l’alcool et des composes alcooliques en chirurgie. Paris
1859. 8.
Brockhaus, Die Sage von Nala und Damayanti. Leipzig 1859. 4.
(Cavedoni) Nuovi studi intorno alle monete antiche di Atene. Modena
1859. 8.
Costa, Relazioni intorno alla malattia dominata ne’ bachi da seta. Na-
poli 1859. 4.
Gould, Aeply to the Statement of the Trustees of the Dudley Observa-
tory. Albany 1859. 8.
Defence of Dr. Gould by the scientific Council of the
Dudley Observatory. Ed. Ill. Albany 1858. 8.
DelGrosso, Miscellanea matematica. Napoli 1858. 8.
666 Gesammtsitzung
Heine, Die Heine-Brücke’sche Gefäfs-Strictur. Speyer 1859. 8.
Kornhuber, Beitrag zur Kenntnifs der klimatischen Verhältnisse Pres-
burgs. Programm. Presburg 1858. 4.
Kreil, Anleitung zu den magnetischen Beobachtungen. 2te vermehrte
Auflage. Wien 1858. 8.
Lamont, Aesultate der an der Königlichen Sternwarte in München an-
gestellten meteorologischen Beobachtungen. 3ter Supplementband.
München 1859. 8.
Jahresbericht der Kgl. Sternwarte in München für 1868.
München 1859. 8.
Lepsius, Denkmäler aus Ägypten und Nubien. Lieferung 75 —90.
(Schluls.) Berlin 1859. folio max. (Mit Ministerialrescript vom
41. Oct. 1859.)
J. von Maerlant, Aymbybel. Deel 2. Brussel 1859. 8.
Mahmoud Effendi, Memoire sur le calendrier arabe avant V’Isla-
misme. (Bruxelles 1858.) 4.
Minervini, Nuove scoperte nell’ antica Nersae. (Napuli 1859.) 4.
Paic, Pasigraphie mittels arabischer Zahlzeichen. Semlin 1859. 8.
Paine, The institutes of medicine. New York 1858. 8.
Plana, Memoire sur le mouvement du centre de gravite d’un corps solide.
Turin 1859. 4.
Liber de rebus memorabilioribus, sive Chronicon Henrici de Hervor-
dia, edidit Aug. Potthast. Gottingae 1859. 4.
Poggendorff, Biographisch - literarisches Handwörterbuch zur Ge-
schichte der exacten Wissenschaften. Band 1. Leipzig 1858—1859.
8. Überreicht von dem Hrn. Verfasser.
Profumo, De interiori sermonis organo. Parisiis 1859. 8.
Prouhet, Notes sur quelques points d’analyse. (Paris 1859.) 8.
Renan, Nouvelles considerations sur le caractere general des peuples
semiliques. Paris 1859. 8.
Sondhauss, Über die chemische Harmonika. Programm. Neilse
1859. 4.
Annales de l’observatoire royal de Bruxelles. Tome 14. Bruxelles
1859. 4.
Annuaire de l'observaloire royal de Bruxelles. Annee 26. Bruxelles
1858. 8.
Censo de la poblacion de Espaita, y Nomenclator de los pueblos de Es-
paia. Madrid 1858. 2 voll. 4.
Collection des Chroniques belges inedites. "Tome 6. Bruxelles 1859. 4.
Observations of the Radeliffe Observatory. Vol. 18. Oxford 1959. 8.
Observations at the United States Naval Observatory, Washington.
Vol. V. Washington 1859. 4.
N
vom 27. October 1859. 667
" Reports of explorations and surveys, to ascertain the route for a railroad
Jrom the Missisippi River to the Pacific Ocean. Vol. IX. Washing-
ton 1858. 4.
Meteorologische Waarnemingen in Nederland, 1858. Utrecht 1859. A4.
Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. 11. Band,
Heft 2.3. Basel 1859. 8.
Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preufsischen
Staate. VII. Band, Lieferung 3. Berlin 1859. 4.
Estatutos de la sociedad de naluralistas neogranadinos. (Bogotä
1859.) 8. (Mit Begleitschreiben d. d. Bogota 10. Aug. 1859.)
Academie royale des sciences de Belgique :
Memoires. Tome 31. Bruxelles 1859. 4.
Memoires couronnes. Tome 29. ib. 1858. 4.
Memoires couronnes, Collection in 8. Tome 8. ib. 1859. 8.
Bulletins. Tome 4.5.6. ib. 1859. 8.
Tables generales des tomes 1—31 des Bulletins. ib. 1858. 8.
Annuaire. Annee 25. ib. 1859. 8.
Memoirs of the American: Academy of arts and sciences. Vol. VI, Part 2.
Cambridge and Boston 1859. 4.
Det Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs Skrifter. Bind IV, 2. V, 1.
Kjobnhavn 1859. 4.
Oversigt over ... Forhandlinger i aaret 1858. ib. (1859.) 8.
Abhandlungen der Kgl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften.
Band 6, Stück 3. 4. Leipzig 1859. 4.
Berichte der Kgl Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Jahr-
gang 1858. Leipzig (1859). 8.
Mnemosyne. Appendix in Vol. I—VII. Lugd. Bat. 1859. 8.
The Quarterly Journal of the geological Society. Vol. XV, Part 3.
London 1859. 8.
Proceedings of the Royal Society. Vol. X, no. 35. 36. London 1859. 8.
Journal of the Royal Asiatic Society. Vol. XVII, Part 1. London
1859. 8.
Bulletin de la 'societe des naturalistes de Moscou. Annee 1859. I. UI.
Moscou 1859. 8.
Bulletin de la societe de geographie. Tome 17. Paris 1859. 8.
Revue archeologique. 16me annee. Livr. 5—8. Paris 1859. 8.
Comptes rendus de l’Academie des sciences. "Tome 49, no. 1—15. Pa-
ris 1859. 4.
Annales de chimie et de physique. Juli—September. Paris 1859. 8.
Annales de l’observatoire physique central de Russie. Annee 1856. St. Pe-
tersbourg 1858. 4.
668 Gesammtsitzung vom 27. October 1859.
Compte rendu de Vobservatoire physique central de Russie. Annee 1857.
ib. 1858. 4.
Journal of the Academy of natural sciences of Philadelphia. Vol. IV,
Part 1. Philadelphia 1858. 4.
Verhandlungen des Vereins für Naturkunde in Presburg. 3. Jahrgang,
Heft 1. 2. Presburg 1858. 8.
Atti dell’ Accademia de’ Nuovi Lincei. Anno XII. Sessione 1—3.
Roma 1859. 4.
Memorie dell I. R. Istituto veneto di scienze, lettere ed arti. Vol. VIU,
Parte 1. Venezia 1859. 4.
Atti dell I. R. Istituto veneto di scienze, leltere ed arti. 'Tomo IV, Dis-
pensa 8. 9. Venezia 1859. 8.
Smithsonian Contributions to Knowledge. Vol. X. Washington 1858. 4.
Smithsonian Annual Report for the year 1857. Washington 1858. 8.
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien:
Denkschriften. Phil.-hist. Klasse. Band 9.
—_— - Math.-phys. Klasse. Band 15. 16.
Sitzungsberichte. Phil.-hist. Klasse 1858, no. 4—10. 1859, no. 1.
Math.-phys. Klasse. 1858, no. 16—29. 1859,
no. 1—9.
Archiv östreichischer Geschichtsquellen. Band 20, 1. 2. und Band 21,1.
Notizenblatt, Jahrgang 1858. Wien 1858—1859. 4. und 8.
Mittheilungen der k. k. Geographischen Gesellschaft. 3. Jahrgang,
Heft 2. Wien 1859. gr. 8.
Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt. 10. Jahrgang, Heft 1.
Wien 1359. gr. 8.
Gautieret de la Rive, Aapport sur les travauz de la societe de phy-
sique et d’histoire naturelle de Geneve. Geneve 1858—1859. 4.
De la Rive, De l’Aurore boreale du 29”® Aoüt 1859. (Geneve
1859.) 8.
Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit. 1. Band. Zweite
Auflage. Braunschweig 1860. 8.
Hr. Ch. Hermite in Paris nimmt unter dem 19. Oct.
die Wahl zum correspondirenden Mitgliede der Akademie dan-
kend an.
Die Akademie empfängt von der K. bayerischen Akademie
der Wissenschaften eine Medaille auf die Jubelfeier derselben.
Die Akademie empfängt mit begleitendem Schreiben des
Hrn. J. M. Lafragua, Gesandten der mexikanischen Republik
Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 31. October 1859. 669
n den Höfen von Madrid und Paris vom 4. Oct. in einem
txemplar das Dekret des in Veracruz residirenden Präsidenten
er Republik, Don Benito Juarey über die von ihm ver-
ügten Alexander von Humboldt in Mexico zu erweisenden
hren. Namentlich soll seine Statue in Italien aus Marmor
erfertigt und in der Bergwerksschule zu Mexico aufgestellt wer-
en. Nach eiuem Artikel des Dekrets geschieht die Übersen-
ung zur Aufbewahrung desselben in den Archiven der gelehr-
en Gesellschaften, deren Mitglied der Verewigte gewesen. Das
ekret wurde vorgelesen und die Niederlegung beschlossen.
31. October. Sitzung der philosophisch-hi-
storischen Klasse.
Hr.Schott las über die estnische Sage vom Sohne
Kalews und Reinthals deutsche Übersetzung der-
selben. ,
NEN
ri 859.] 47
nn
Bericht .
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat November 1859.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Encke.
3. Nov. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Steiner las über einige allgemeine Bestim-
mungsarten der Gurven und Flächen zweiter Ord-
nung und daraus folgenden Sätzen.
Hierauf trug Hr. Kummer folgende von Hrn. Riemann,
Correspondenten der Akademie, mittelst eines an den Sekretar
Hrn. Encke gerichteten Schreibens vom 19. October d. J. ein-
gesandte Mittheilung „über die Anzahl der Primzahlen
unter einer gegebenen Grölse” vor:
Meinen Dank für die Auszeichnung, welche mir die Aka-
demie durch die Aufnahme unter ihre Correspondenten hat zu
Theil werden lassen, glaube ich am besten dadurch zu erken-
nen zu geben, dafs ich von der hiedurch erhaltenen Erlaubnifs
baldigst Gebrauch mache durch Mittheilung einer Untersuchung
über die Häufigkeit der Primzahlen; ein Gegenstand, welcher
durch das Interesse, welches Gauss und Dirichlet demselben
längere Zeit geschenkt haben, einer solchen Mittheilung viel-
leicht nicht ganz unwerth erscheint.
Bei dieser Untersuchung diente mir als Ausgangspunkt die
von Euler gemachte Bemerkung, dafs das Product
1 1
gucke er
s
p
[1859.] As
II
672 Gesammtsitzung
wenn für p alle Primzahlen, für n alle ganzen Zahlen gesetzt
werden. Die Function der complexen Veränderlichen s, welche
durch diese beiden Ausdrücke, so lange sie convergiren, darge-
stellt wird, bezeichne ich durch £(s). Beide convergiren nur,
so lange der reelle Theil von s grölser als 1 ist; es läfst sich
indefs leicht ein immer gültig bleibender Ausdruck der Function
finden. Durch Anwendung der Gleichung
oo
ex !dx —_ 16-1)
() n"
erhält man zunächst
gt —ide
I—1) &o) -/. ——-
Betrachtet man nun das Integral
(— x)’ ' dx
ERTIRk
von +00 bis +00 positiv um ein Gröfsengebiet erstreckt,
welches den Werth 0, aber keinen andern Unstetigkeitswerth
der Function unter dem Integralzeichen im Innern enthält, so
ergiebt sich dieses leicht ‘als gleich
a =
_n7si ers i
e Ye el
vorausgesetzt, dafs in der vieldeutigen Function (— x)’ '
=e"")los(=) der Logarıthmus von —x so bestimmt worden
ist, dals er für ein negatives x reell wird. Man hat daher
2sinzs 120 IT,
das Integral in der eben angegebenen Bedeutung verstanden.
Diese Gleichung giebt nun den Werth der Function £(s)
für jedes beliebige complexe s und zeigt, dafs sie einwerthig und
für alle endlichen Werthe von s, aulser 1, endlich ist, so wie
auch, dafs sie verschwindet, wenn s gleich einer negativen ge-
raden Zahl ist.
Wenn der reelle Theil von s negativ ist, kann das Inte-
gral, statt positiv um das oben angegebene Grölsengebiet, auch
negativ um das Grölsengebiet welches sämmtliche übrigen com-
vom 3. November 1859. 673
plexen Gröfsen enthält erstreckt werden, da das Integral durch
Werthe mit unendlich grofsem Modul dann unendlich klein ist.
Im Innern dieses Grölsengebiets aber wird die Function unter
dem Integralzeichen nur unstetig, wenn x» gleich einem ganzen
Vielfachen von #2 ri wird und das Integral ist daher gleich
der Summe der Integrale negativ um diese Werthe genommen.
Das Integral um den Werth n2ri aber it=(—n2mi)' -' (—2mi);
man erhält daher
2 sin rs U(s—1) S(s)= (2) En’'((-i)'' +71),
also eine Relation zwischen £(s) und £(1—s), welche sich mit
Benutzung bekannter Eigenschaften der Function II auch so
ausdrücken lälst:
N(&-1)#"78%(s)
bleibt ungeändert, wenn s in 1—s verwandelt wird.
Diese Eigenschaft der Function veranlalste mich statt II(s— 1)
das Integral 1-1) in dem allgemeinen Gliede der Reihe
ER e .
32 — einzuführen, wodurch man einen sehr bequemen Ausdruck
n
der Function £(s) erhält. In der That hat man
also, wenn man
-1M8
a Y(&)
setzt,
N (9 a7 &6) -/. EEE zu
oder da 2 K) +1=a-? [2 VO+D (Jacobi. Fund. $. 184)
3
1-1) 7726) ” [. (dar dr +f. Yale 77a
far Jar
re
= se +f Ya) (&? +x ) dx.
48*
674 Gesammtsitzung
1
Ich setze nun s—= = + 2i und
MIC-NFTE)=ER),
so dafs
3
Er E — (t+ If. x) = ® cos (+tlogx) dx
oder auch
3
oo 2 ’ 1
af. ur) x * cos (£tlog x) dx.
1 dx
Diese. Function ist für alle endlichen Werthe von z end-
lich, und läfst sich nach Potenzen von z# in eine sehr schnell
convergirende Reihe entwickeln. Da für einen Werth von s, dessen
reeller Bestandtheil grölser als 1 ist, log L(s)=—* log(1—p”")
endlich bleibt und von den Logarithmen der übrigen Factoren
von &(£) dasselbe gilt, so kann die Function &(2) nur ver-
schwinden, wenn der imaginäre Theil von z zwischen Zi und
_ Zi liegt. Die Anzahl der Wurzeln von £()=0, deren
reeller Theil zwischen 0 und 7’ liegt, ist etwa= log — =
7
denn das Integral falog£(2) positiv um den Inbegriff der
- ei : 5 1
Werthe von ? erstreckt, deren imaginärer Theil zwischen = ä
1 ® Ä -
und — 7 und deren reeller Theil zwischen 0 und 7 liegt,
ist, (bis auf einen Bruchtheil von der Ordnung der Gröfse
7°
zgleich(Tlog,— — 7) i; dieses Integral aber ist gleich der An-
zahl der in diesem Gebiet liegenden Wurzeln von E()=0,
multiplicirt mit 2”i. Man findet nun in der That etwa so viel
reelle Wurzeln innerhalb dieser Grenzen, und es ist sehr wahr-
scheinlich, dafs alle Wurzeln reell sind. Hievon wäre allerdings
ein strenger Beweis zu wünschen; ich habe indels die Aufsu-
chung desselben, nach einigen flüchtigen vergeblichen Versuchen
vorläufig bei Seite gelassen, da er für den nächsten Zweck mei-
ner Untersuchung entbehrlich schien.
vom 3. November 1859. 675
Bezeichnet man durch « jede Wurzel der Gleichung E(«)=0,
so kann man log &(2) durch
> u E
> log (1 Sa + log £(0)
ausdrücken; denn da die Dichtigkeit der Wurzeln von der Gröfse
- 2 z u 1 ,
2 mit Z nur wie log — wächst, so convergirt dieser Ausdruck
5 27 3 5
und wird für ein unendliches 2 nur unendlich wie z log 2; er un-
terscheidet sich also von log &(2) um eine Function von zz, die
für ein endliches 2 stetig und endlich bleibt und mit z dividirt
für ein unendliches 2 unendlich klein wird. Dieser Unterschied
ist folglich eine Constante, deren Werth durch Einsetzung von
2=0 bestimmt werden kann.
Mit diesen Hülfsmitteln läfst sich nun die Anzahl der Prim-
zahlen, die kleiner als x sind, bestimmen.
Es sei F(x), wenn x» nicht gerade einer Primzahl gleich
ist, gleich dieser Anzahl, wenn aber x eine Primzahl ist, um
4 grölser, so dals für ein x, bei welchem F(x) sich sprung-
weise ändert,
a
Ersetzt man nun in
log <($J=— 3 log 1-p")=3p" +, 2pP "527° 4
p” durch S. zrde, pP - durch f u
[4
so erhält man
1 oo
085 Of f(@&) a" dr,
Ss 1
durch f(x) bezeichnet.
Diese Gleichung ist gültig für jeden complexen Werth
@-+-bi von s, wenn a>1. Wenn aber in diesem Umfange die
8 (s) = f nos“ dlogx
wenn man
Gleichung
676 Gesammtsitzung
gilt, so kann man mit Hülfe des Fourier’schen Satzes die Func-
tion A durch die Function g ausdrücken. Die Gleichung zer-
fällt, wenn A(x) reell ist und
g(a+bi)=g,(b) +ig; (b),
in die beiden folgenden
8, (6) = h(x) x” cos (blogx) dlogx,
0
16. 9=—i | na sin (dloga) ange,
0
Wenn man beide Gleichungen mit (cos (dlogy)
+i sin (blogy))dd multiplicirt und von — oo bis oo inte-
grirt, so erhält man in beiden auf der rechten Seite nach dem
Fourier’schen Satze zAh(y)y”, also, wenn man beide Glei-
chungen addirt und mit iy* multiplicirt
a +01
n)=f sor.as
—_x;
worin die Integration so auszuführen ist, dals der reelle Theil
von s constant bleibt.
Das Integral stellt für einen Werth von y, bei welchem
eine sprungweise Änderung der Function A(y) stattfindet, den
Mittelwerth aus den Werthen der Function % zu beiden Seiten
des Sprunges dar. Bei der hier vorausgesetzten Bestimmungs-
weise der Function f(x) besitzt diese dieselbe Eigenschaft, und
man hat daher völlig allgemein
+0 joa Öl(s
ee log <(s)
2ri a Escr iS,
Vauds.
Für log $ kann man nun den früher gefundenen Ausdruck
2
— logr—1log(«-1)-logll- la ) + log &(0)
substituiren; die Integrale der einzelnen Glieder dieses Aus-
drucks würden aber dann in’s Unendliche ausgedehnt nicht con-
vergiren, weshalb es zweckmälsig ist, die Gleichung vorher
durch partielle Integration in
wu
vom 3. November 1859. 677
e+i ‚log &(s)
1 s
f)= zu nte fa Fake ds
umzuformen.
Da
— log I- = lim (z, log (+) — — log m), für m=o,
also
am FH E
— log te 0g(1+,,)
en
ds 4 ds
so erhalten dann sämmtliche Glieder des Ausdrucks für f(x) mit
Ausnahme von
a +07
1 1 1 a RS
2ri log S — lgE0) « ds=log£(0)
die Form
a+Xi 1 Ss
er 1 T. (leg (t-7))
2rilog x Bugs Tanın? mil, Jumieb- „I ER IE
Nun ist aber
a (— log (1 5))
aß R-HR
und, wenn der reelle Theil von s grölser als der reelle Theil
von £ ist,
je nachdem der reelle Theil von ß negativ oder positiv ist.
Man hat daher
ders al ana ..ü,
"ds
eh a—ooi
678 Gesammisitzung
a+ocı
1 1 s
= — — !-—-loeoeli- —)xd
2mi 5 5 ( ß I
ao
* B=4
= —— dxz-F-const. im ersten
log x
oo
und = —— dx-r- const. im zweiten Falle.
R log x
Im ersten Falle bestimmt sich die Integrationsconstante,
wenn man den reellen Theil von 2 negativ unendlich werden
lälst; im zweiten Falle erhält das Integral von 0 bis x um 2ri
verschiedene Werthe, je nachdem die Integration durch com-
plexe Werthe mit positiven oder negativen Arcus geschieht, und
wird, auf jenem Wege genommen, unendlich klein, wenn der
Coeffhicient von i in dem Werthe von £ positiv unendlich wird,
auf letzterem aber, wenn dieser Coefficient negativ unendlich
wird. Hieraus ergiebt sich, wie auf der linken Seite log
zu bestimmen ist, damit die Integrationsconstante wegfällt.
Durch Einsetzung dieser Werthe in den Ausdruck für f(x)
erhält man
S(x) Bee ) ae)
a dx
log £ (0
fs. x? —1x ut 0850
wenn in 3“ für « sämmtliche positiven (oder einen positiven
reellen Theil enthaltenden) Wurzeln der Gleichung &(e)=,
ihrer Gröfse nach geordnet, gesetzt werden. Es lälst sich, mit
Hülfe einer genaueren Discussion der Function &, leicht zeigen,
dals bei dieser Anordnung der Werth der Reihe
S(liae*" )+Li (er ))logx
mit dem Grenzwerth, gegen welchen
a+bi 1 er
d— Zlog(i+ = 9,
1 Ss ao r
re f —— u ds
2rie a-bi ds
vom 3. November 1859. 679
bei unaufhörlichem Wachsen der Gröfßse 3 convergirt, überein-
stimmt; durch veränderte Anordnung aber würde sie jeden be-
liebigen reellen Werth erhalten können.
Aus f(x) findet sich F(x) mittelst der durch Umkehrung
der Relation
r
|
f@)=£—F(«”)
sich ergebenden Gleichung
1 zur
F@)= 3-1) I ya),
worin für m der Reihe nach die durch kein Quadrat aufser 1
theilbaren Zahlen zu setzen sind und %# die Anzahl der Prim-
factoren von m bezeichnet,
Beschränkt man X“ auf eine endliche Zahl von Gliedern,
so giebt die Derivirte des Ausdrucks für /(x) oder, bis auf einen
mit wachsendem x sehr schnell abnehmenden Theil,
1
I _ 3x0 Cos(eloga)art
log x log x
einen angenäherten Ausdruck für die Dichtigkeit der Prim-
zahlen + der halben Dichtigkeit der Primzahlquadrate +-
von der Dichtigkeit der Primzahlcuben u. s. w. von der
Größse x.
Die bekannte Näherungsformel F(x)=Li(x) ist also nur bis
1
auf Gröfsen von der Ordnung der Gröfßse x? richtig und giebt
einen etwas zu grolsen Werth; denn die nicht periodischen
Glieder in dem Ausdrucke von F(x) sind, von Gröfsen, die mit
x nicht in’s Unendliche wachsen, abgesehen:
1
N rei tunanid 4 A oc
2@)—- Le) - — Le ee KA ee A Ca)
1 4
m een
In der That hat sich bei der von Gaufs und Gold-
schmidt vorgenommenen und bis zu x = drei Millionen fortge-
setzten Vergleichung von Zi(x) mit der Anzahl der Primzahlen
unter x diese Anzahl schon vom ersten Hunderttausend an stets
680 Gesammtsitzung
kleiner als Zi(x) ergeben, und zwar wächst die Differenz unter f
manchen Schwankungen allmählich mit x. Aber auch die von
den periodischen Gliedern abhängige stellenweise Verdichtung
und Verdünnung der Primzahlen hat schon bei den Zählungen
die Aufmerksamkeit erregt, ohne dals jedoch hierin eine Ge-
setzmälsigkeit bemerkt worden wäre. Bei einer etwaigen neuen
Zählung würde es interessant sein, den Einfluls der einzelnen
in dem Ausdrucke für die Dichtigkeit der Primzahlen enthalte- f
nen periodischen Glieder zu verfolgen. Einen regelmäfsigeren
Gang als F(x) würde die Function f(x) zeigen, welche sich
schon im ersten Hundert sehr deutlich als mit Zi(x) + log & (0)
im Mittel übereinstimmend erkennen läfst.
Hr. Lepsius zeigte die Übergabe der letzten Lieferungen
des Aegyptischen Denkmälerwerkes an, welches die Aka- |
demie von Sr. Maj. dem Könige zum Geschenk erhalten hat.
Diese 15 Lieferungen enthalten 150 Tafeln, und schliefsen
nebst den zugehörigen Titeln, Inhaltsanzeigen und der Dedika-
tion an Se. Maj. den König das ganze Werk, welches nach
dem ursprünglichen Plane 900 Tafeln umfalst, ab. Diese letz-
ten Lieferungen beginnen mit 8 geographischen Blättern,
welche theils Generalkarten theils Specialkarten der Nilländer,
der angränzenden Wüsten und der Halbinsel des Sinai enthal-
ten. Das erste Blatt giebt zugleich eine farbige Übersicht der ver-
schiedenen SprachstämmeAfrikas und im besonderen der Nillän-
der. Die übrigen 25 Blätter der ersten Abtheilung enthalten farbige
landschaftliche Ansichten bedeutender Denkmälerstätten grösten-
theils aus Aethiopien. Es folgen 58 Blätter Aethiopischer Skul-
pturen, mit Inschriften theils in hieroglyphischen Zeichen theils
in einer eigenthümlichen äthiopischen bisher noch gänzlich un-
bekannten Kursivschrift. Diese Denkmäler einer von der ägyp-
tischen weit abgewichenen Kunst, vornehmlich aus den beiden
Residenzen der altäthiopischen Dynastieen, der nördlicheren bei
Berg Barkal, und der südlicheren auf der sogenannten Insel
Mero@, wie bei Strabo das Land zwischen Nil und Astaboras
(Atbara) genannt wird, erscheinen hier zum erstenmale in um-
vom 3. November 1859. 681
fassenden und treuen Abbildungen. Endlich enthält der XII. Band,
der zweite der sechsten Abtheilung, auf 34 Blättern die Griechi-
schen, Lateinischen, Koptischen und andern nicht ägypti-
schen Inschriften. Die Griechischen, an Zahl 591, enthalten zahl-
reiche Berichtigungen früher schon bekannter Inschriften und
manches Neue; z. B. ein griechisches Akrostichon, welches
durch eine demotische gleichfalls akrostichische Übersetzung be-
merkenswerth ist. Ihnen schliefsen sich aus Abusimbel mehrere
altphönizische, und 7 andere Inschriften an, welche in einer un-
bekannten der altgriechischen nahverwandten Schrift geschrieben
sind und vorläufig Karische Inschriften genannt worden sind.
Eine andre unbekannte der koptischen nahe stehende Schrift
findet sich auf einigen Denkmälern, welche am blauen Flusse
auf dem Boden des alten Reiches Aloa gefunden wurden. Auch
einige arabische und Ge’ez-Inschriften sind aufgenommen worden.
Die letzten 24 Blätter enthalten eine Auswahl von hieratischen
und demotischen Papyrus, auch Fragmente eines Papyrus in
phönizischer Kursivschrift.
Die Übersicht der vor 12 Jahren begonnenen und jetzt
vollendeten sechs Abtheilungen der Denkmäler in zwölf
_ Bänden, welche die von der Preulsischen Expedition in Zeich-
nung, Abdruck oder Original mitgebrachten Denkmäler Aegyptens
und Aethiopiens umfassen, ist folgende.
Abtheilung I(BandI und II) 147 Blätter enthalten die geogra-
phischen, topographischen undarchitektonischen Auf-
nahmen nebst den farbigen Ansichten (56 Bl.) der bemerkens-
werthesten Örtlichkeiten. Die Anordnung ist nach der örtlichen
Folge von Norden nach Süden fortschreitend. Der erste Band
enthält vornehmlich die Pyramidenfelder von Memphis, das La-
byrinth im Fayüm, die Felsengräber von Benihassan und anderer
mittelägyptischer Nekropolen, nebst den Ruinen und Tempeln
von ElAmarna, Abydos und Dendera. Der zweite Band giebt
die Situationspläne, Tempel und Felsengräber von Theben (20 Bl.)
und schreitet dann fort zur ersten Katarakte über Esneh, El Kab,
Silsilis, Ombos, Philae, nach Unternubien (Abusimbel, Dakkeh) und
dem Klippenland jenseits der zweiten Katarakte von Wadi Halfa
(Semneh, Sedeinga, Amära, Soleb), nach Dongola und Berg
Barkal, wo die älteste äthiopische Residenz, die des Königs Ta-
682 Gesammtsitzung
harka (Tirhaka), das Herodotische Mero@, lag, und schliefst
mit den Tempelruinen und Pyramiden des südlichen Meroe.
Die folgenden 4 Abtheilungen sind chronologisch geordnet.
Abtheilung II (Band IH und IV), enthält auf 154 Blättern die
Darstellungen und hieroglyphischen Inschriften des Alten Reichs.
Es wird hierdurch die nähere Kenntnils des ältesten ägyptischen
Reichs, dessen Inhalt bis zur Preufsischen Expedition theils ver-
kannt theils gänzlich unbekannt war, zum erstenmale aufge- #
schlossen, so weit dies durch eine grolse Fülle von chronolo-
gisch gruppirten bildlichen Darstellungen und hieroglyphischen
Inschriften möglich ist. Diese Denkmäler, welche für alle Zei-
ten die ältesten erforschbaren Zeugen menschlicher Civilisation
und Kunstthätigkeit bleiben werden, bilden als solche vom all-
gemein geschichtlichen Standpunkte aus den wichtigsten Theil
des Werkes. Die Abbildungen sind grölstentheils aus den von
der Expedition aufgegrabenen Grabkammern der Nekropolen von
Memphis, von denen drei ganz abgetragen und dem Königlichen
Museum einverleibt wurden, und aus den Felsengräbern von
Mittelägypten, namentlich aus Benihassan, entnommen.
Abtheilung III (Band V— VII) umfalst die Darstellungen
des Neuen Reichs seit der Vertreibung der Hyksos in 507 Ta-
feln. Es ist dies eine Auswahl des unerschöpflichen Reich-
ihums wichtiger Überreste aus den Zeiten der siebzehnten bis
zur dreilsigsten Manethonischen Dynastie und bis zur Eroberung
Aegyptens durch Alexander den Grolsen. Der bei weitem
grölste Theil dieser Denkmäler (Band V—VII) fällt unter die
Herrschaft der vier mächtigen Thebanischen Dynastieen, unter
die Amenophis und Tuthmosis, die Sethos und Ramses des
47ten bis 12ten Jahrhunderts vor Christus, aus denen uns mehr
erhalten ist, als aus allen früheren und späteren Epochen des
ägyptischen Reiches zusammengenommen. Es war die Zeit der
höchsten Blüthe in Leben, Kunst und aller geistigen Bewegung
im Innern, so wie der grölsten weltgeschichtlichen Machtent-
faltung nach aulsen, einerseits gegen die südlich angrenzenden
Aethiopen andrerseits und hauptsächlich gegen den immer mäch-
tiger werdenden Andrang der uralten Kulturvölker Asiens; es
war die Zeit Josephs und Mosis, und der Schauplatz der grie-
chischen Sagen von Sesostris und Danaus, Proteus und Rham-
F
psinit. Eine für die Religionsgeschichte sehr merkwürdige Epi-
sode, die des Königs Amenophis IV, welcher den ägyptischen
Polyiheismus zu Gunsten des alleinigen Sonnenkultus während
vom 3. November 1859. 683
seiner Regierung verfolgl und mit Gewalt abgeschafft hatte,
wird im VI. Bande aus den Felsengräbern der zu EI Amarna
neuangelegten Residenz dieses Königs durch zahlreiche und be-
lehrende Abbildungen ans Licht gezogen.
Der achte Band führt von den Denkmälern der 21. und 22.
Dynastie, in welcher letzteren die grolse Gestalt des Königs
Scheschonk, des Eroberers von Jerusalem, hervortritt, erst
zu den Aethiopen der 25. Dynastie, deren letzter Taharka
bei seinem freiwilligen Zurückweichen aus Aegypten das erste
äthiopische Reich, von dem wir monumentale Kunde haben,
gründete, dann zu der 26. Dynastie der Psametiche und des Ama-
sis, der letzten einheimischen Regenten, welche noch einmal eine
Nachblüthe des Reichs herbeiführten, so weit sie sich auf äulsern
Wohlstand und einen Überfluls an Reichthümern, den die neue
Handelspolitik dieser griechenfreundlichen Pharaonen nach Aegyp-
ten zog, gründen liels. Dann folgen noch einige Denkmäler der
Persischen Herrschaft in Aegypten und der beiden letzten Ma-
nethonischen Dynastieen, die nur für kurze Zeit das Persische
Joch noch einmal abzuschütteln vermochten, bis sie durch die
zweite Persische, dann Macedonische Eroberung für immer un-
ter fremde Herrscher sich beugen mulfsten. Der Band schliefst
mit einer Ikonographie von hundert ägyptischen Bildnissen gröfs-
tentheils von Pharaonen aus allen Zeiten des Reiches, welche
nach Photographieen der besten Statuen und Basreliefs, die sich
auf den ägyptischen Tempeln oder in den Europäischen Museen
befinden, gearbeitet sind.
A Abtheilung IV enthält auf 90 Blättern des neunten Bandes die
Denkmäler der Ptolemäer und Römischen Kaiser. Die
letzte durch einen Regentennamen chronologisch bestimmte hiero-
glyphische Darstellung ist eine Opferhandlung des Kaisers Decius
um 250 nach Christus. Sie schliefst eine Reihe von schrift-
lichen und bildlichen Denkmälern, welche seit dem Ende der
dritten Manethonischen Dynastie gegen 3400 Jahre in ununter-
brochener Folge umfalst.
684 Gesammtsitzung vom 3. November 1859.
Abtheilung V (Band X), von welcher schon oben die Rede
war, enthält die äthiopischen Denkmäler in chronologischer
Gruppirung auf 75 Blättern. Von der VI. Abtheilung (Band
XI und XI) sind in dem ersten Bande auf 69 Blättern zuerst die
äthiopischen Cursivinschriften (70 an Zahl) mitgetheilt
worden, die sich von der ersten Katarakte bis zu den Ruinen von
Mero& zerstreut finden, dann die Sinaitischen Inschriften (167)
bis Blatt 21; endlich aulser mehreren vereinzelten andrer Völker
die hieratischen und demotischen (181) Inschriften. Von
dem jetzt ausgegebenen Band XII, welcher die Griechischen und
Lateinischen Inschriften enthält, ist schon gesprochen worden.
Es ward dann beschlossen zur Schillerfeier am nächsten
Donnerstage den 10. November eine öffentliche Sitzung statt
der Plenarsitzung anzusetzen. Für den Vortrag in derselben
ward Hr. Jacob Grimm gewählt.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Glasnick, Vol. XI. Belgrad 1859. 8.
Memoires de la societe imperiale des sciences de Lille. Annee 1857.
Lille 1858. 8.
Bulletin de la societe geologique de France. Tome 16, feuilles 36—59.
Paris 1859. 8.
Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft. 13. Band,
Heft 4. Leipzig 1859. 8.
Mulder, Scheikundige Verhandelingen. II. Deel, Stuk 3. Rotterdam
1859.78:
Gerhard, Denkmäler, Forschungen und Berichte. Lieferung 43. Ber-
lin 1859. 4.
Fenicia, Canto sull’ principio e nobile scopo dell’ inclito ordine geroso-
lomitano di S. Giovanni. Napoli 1859. 8.
Freytag, Die heiligen Schriften des alten Testaments kritisch beleuch-
tet. Potsdam 1859. 8.
Zur Reform der Kirche. Potsdam 1857. 8.
(———-) Septem epistolae apocalyplicae ad hodiernam ecclesiae
evangelicae conditionem applicatae. Berol. 1850. 8.
Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band XII, Heft
2-5. XII, Heft 1. 2. Zürich 1858—1859. 4. '
Öffentliche Sitzung vom 10. November 1859. 685
Bericht no. 14. der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Zürich 1858. 4.
Linder, De rerum dispositione apud Antiphontem et Andocidem oratores
alticos commentalio., Upsaliae 1859. 8.
10. Nov. Öffentliche Sitzung.
Hr. Jacob Grimm bielt einen Vortrag über den Ge-
genstand des Festes der Schillerfeier, welcher in un-
sern Abhandlungen mitgetheilt werden wird.
14. Nov. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Ehrenberg machte zuerst eine Mittheilung über
gelungene Versuche des Hrn. Beissel in Burtscheid
bei Aachen, künstliche Kiesel-Steinkerne aus orga-
nischen Kalkschalen darzustellen, wie sie die Natur
vielfach bei sehr verschiedenen Organismen (Mollusken-, Echino-
dermen-, Polythalamien-Schaalen u. s. w.) in den verschieden-
‚sten geologischen Perioden der Felsschichten ausgeführt hat,
welche dadurch, selbst nach dem Verschwinden der leichter ver-
änderlichen Kalkschaalen, als Grünsand und feiner farbloser Kie-
selsand oder als Kieselknollen und Kieselgeröll noch zu blei-
benden Denkmälern der Entwicklungs - Verhältnisse ihrer Fels-
schichten, das heifst der mehr oder weniger organischen Abkunft
sonst unorganisch erscheinender Felsmassen werden.
In folgendem Briefe an Hrn. Ehrenberg theiit Hr. Beis-
sel seine Erfahrungen mit, auf deren bedeutendes Interesse Hr.
Ehrenberg, nach bestätigender Ansicht der übersandten Präpa-
rate, welche er gleichzeitig unter dem Mikroskop vorlegt, auf-
merksam macht.
Burtscheid den 2. Nov. 1859.
Zugleich erhalten Sie ein Kästchen mit sechs Präparaten
für durchfallendes Licht, enthaltend die künstlichen Steinkerne
einiger grölsern Polythalamier, welche aus amorpher Kieselerde
gefertigt wurden. Ich hatte bei meiner Bearbeitung der um
Aachen vorkommenden Polythalamier lange versucht solche Stein-
686 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
kerne anzufertigen, da mir dnrch Ihre Arbeiten deutlich gewor-
den war, dafs sich durch diese Ausfüllung der innern Hohlräume,
wie sie die Natur unter günstigen Verhältnissen zuweilen bil-
det, oft mehr über die eigentliche Natur dieser kleinen Wesen
aufdecken läfst, als durch die gelungensten Anschliffe. — End-
lich habe ich denn auch, nach manchen vergeblichen Versuchen,
ein ziemlich befriedigendes Resultat erhalten und es ist mir
möglich gewesen von den meisten von mir gezeichneten Poly-
thalamiern, auch die Steinkerne anzufertigen und abzubilden.
Das Verfahren, welches ich bei der Anfertigung verfolgte,
erlaube ich mir Ihnen hier im Einzelnen mitzutheilen, und da
es vielleicht auch für andere Forscher beim Stndium dieser Or-
ganismen von Interesse sein dürfte sich dieser Art des Präpa-
rirens zu bedienen, so würden Sie mich verpflichten, wenn Sie
dasselbe, im Fall es Ihren Beifall findet, bei Gelegenheit veröf-
fentlichen wollten.
Es müssen Schalen genommen werden, welche innen ganz
hohl sind und zwar eine ziemlich beträchtliche Anzahl, etwa
40—50, da man nicht bei jeder einzelnen Schale für das Ge-
lingen der Steinkernbildung einstehen kann. Dieselben werden
in Wasserglas gelegt, dem zur Sättigung Kieselgallerte im Über-
schuls zugesetzt worden ist. Sie werden darin bis zur völligen
Austreibung der Luftblasen gekocht, mit dem Pinsel herausge-
nommen, einzeln auf eine Porcellanschale gelegt und mit Salmiak
zur Fällung der Kieselerde übergossen. Nachdem man die
Schalen einige Zeit darin gelassen, stölst man sie los, entfernt
so viel immer möglich die Kruste aus Kieselerde, welche sich
an der äufsern Oberfläche gebildet, setzt zu der Flüssigkeit,
falls sie Ammoniak im Überschuls enthält, bis zur Neutralisi-
rung vorsichtig Salzsäure zu und dampft ganz langsam ein.
Dann werden die Schalen ausgesülst, getrocknet und schwach
geglübt. So verfahre ich gewöhnlich drei mal; denn die mit
einmal hineingebrachte Kieselerde bildet eine Kruste, welche
nicht stark genug ist, um sich nach der Wegnahme der Schale
durch Salzsäure zu erhalten.
Darauf zerstöre ich die Schalen nach dem von Ihnen an-
gegebenen Verfahren durch verdünnte Salzsäure. Nach der
Auflösung der Schale wird das salzsaure Wasser abgehoben,
vom 14. November 1859. 687
die Steinkerne durch öfteres Dekantiren ausgesülst und nachdem
auch dies Wasser mit dem Heber entfernt, rasch starker Alko-
hol zugesetzt. (Würde man den Alkohol langsam zusetzen, so
g mit dem
Reste Wasser, die Steinkerne zerbrechen; würde man sie aus-
würden, durch die entstehende Bewegung bei Mischun
trocknen wollen, so würden sie zu feinem Pulver zerfallen.)
Aus diesem Alkoholbade, in welchem die Steinkerne bis zur voll-
ständigen Durchdringung stehen bleiben müssen, werden sie mit
dem Pinsel in eine Lage verdünnten Balsams eingelegt, der auf
dem Objectträger aufgeträufelt wurde, und rasch mit einem
neuen Tropfen Harz bedeckt.
Damit nun der Alkohol sich mit dem Harz verbinde und
dann entweiche, muls man das Präparat eine längere Zeit einer
mälsigen Hitze aussetzen. Schlielslich werden die Steinkerne
ganz durchsichtig und man kann die Objecte mit dem Deckglas
verschlielsen.
Ich habe Ihnen nun in dem Kästchen zuerst 2 Präparate
von Siderolina calcitrapoides gesandt, bei welchen Sie leicht
sehen können, dals die ersten Kammern der Spirale folgen und
dals aus allen Zellen ein sehr merkwürdiges System von Kanä-
len zur Oberfläche führt, welches namentlich in den Spitzen
stark entwickelt ist, die die Sternform bilden. Bei den Criszel-
larien ist es neben der Überdeckung der ältern Kammern durch
die jüngern, namentlich der eigenthümliche Verbindungskanal
welcher Aufmerksamkeit verdient und an welchem auch im Stein-
kerne überall die vom Mittelpunkte radienartig ausstrahlenden
Spalten bemerkbar sind, die die Mündung einer grolsen Klasse
von Polythalamien bilden, so lange das Thier nicht dieselben
durchbrochen bat, um zum Bau einer neuen Kammer zu schrei-
ten. Ich bitte Sie auch die hübschen Porenausfüllungen nicht
übersehen zu wollen, welche sowohl bei den Rotalien der Kreide,
als auch sehr fein bei denen aus dem Mittelmeer auf den Stein-
kernen zu bemerken sind, wenn man den Fokalabstand etwas
verschiebt.
Die gelbe Farbe vieler dieser Steinkerne bin ich geneigt
der fein zertheilten Kohle zuzuschreiben, welche nach Verdun-
stung des Alkohols zurückbleibt; die runden Ausschnitte in den
Ausfüllungen der Kammern, die man auch häufig bei den Poly-
[1859.] 49
688 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
thalamien im Feuerstein findet, scheinen mir Lücken in den
Kieselschichten zu sein, welche entweder durch das Vorhanden-
sein von Blasen beim Eindringen der Kiesellösung, oder wahr- |
scheinlicher durch die Zusammenziehung der Kieselgallerte beim
Austrocknen entstanden sind.
Oft bleibt aber auch die ganze Schale der Form nach zu-
rück, obgleich die Exemplare ‚zuletzt sogar eine längere Zeit mit
kochender Salzsäure behandelt ‘wurden. Unter das Polariskop
gebracht, leuchten diese Objecte zwar ganz schwach auf bei
Verdunkelung des Gesichtsfeldes, keineswegs aber ist dies auch I}
nur annähernd mit dem Farbenglanze zu vergleichen, den auch |
die dünnsten Schliffe aus den Kalkschalen der Polyıhalamien
zeigen. Ich nehme deshalb zwar das Zurückbleiben einer gan-
zen Menge der schwerlöslichsten Kalksalze an, glaube jedoch
nicht, dafs dieselbe hinreichend ist die Form der Schale zu er-
halten.
Ganz feine Anschliffe in der Richtung der Längsaxe und
in einer darauf senkrechten, aus Schalen noch lebender und
fossiler aequilateralen Helicostegier und Stichostegier gefertigt,
überzeugten mich von dem Vorhandensein einer unzähligen
Menge überaus feiner, unter sich paralleler und meist zu den
Oberflächen der Schale senkrecht stehender Poren auch bei
den Polythalamiern mit glasiger Schale, welche auf den ersten
Blick keine Spur einer solchen Struktur vermuthen lassen. Ich
habe selbst bei fossilen Schalen oft ganze Bündel dieser Kanäl-
chen mit Luft erfüllt gesehen und zweifle daher nicht, dals wenn
diese Poren unter günstigen Umständen leer geblieben sind,
die Kiesellösung sie erfüllen und darin gefällt werden kann.
Es ist klar, dafs in einem solchen Falle, auch nach Wegnahme
der Kalksalze, die Schale erhalten zu sein scheint, obgleich in
Wahrheit eine vollständige Umkehrung der Struktur stattgefun-
den hat, indem die Hohlräume erfüllt worden sind, während das
früher Solide den Hohlraum bildet.
Ich habe Ihnen den Anschliff einer jetzt lebenden Yaginu-
lina von Nizza beigefügt, an dem Sie sehr wohl mit einer
500fachen Vergröfserung diese Poren erkennen können und ein
Präparat von Frondicularia radiata d’Orbg. bei dem die Form
der Schalen angeführter Weise erhalten blieb. Ignaz Beissel.
vom 14. November 1859. 689
Diese vorgelegten schön gelungenen Präparate der Verkie-
selungen von leeren Polythalamien-Schaalen jetzt lebender Ar-
ten durch Wasserglas lassen sich nach Hrn. Ehrenberg als
solche ohne chemische Eingriffe dadurch sogleich bestätigen,
dals sie durch farbig polarisirtes Licht farblos — einfach licht-
brechend — erscheinen. Wo hie und da an den Präparaten
sich farbige Spectra zeigen erkennt man, dafs noch Rückstände
der ursprünglich cerystallinischen Kalkschale, deren Doppelbre-
chung durch Hrn. Ehrenbergs Mittheilungen über das pola-
risirte Licht 1848 und 1849 (S. Monatsberichte 1848 S. 238
und 1849 S. 75) zuerst bekannt geworden, unverändert geblieben.
Hrn. Beissel’s Versuche betreffen nicht die als schon er-
ledigt anzusehende Frage, ob organische Substanz zur Verkie-
selung (Silicification) der organischen Kalkschale oder ihrer Hohl-
räume nölhig sei, wie es Leop. v. Buch 1828 (Abhandl. der
Akademie S. 45) entschieden bejahend ausgesprochen hatte.
Durch Hrn. Ehrenberg’s Beobachtungen an Kieselerfül-
lungen leerer Kieselschalen von Bacillarien war schon
1846 (S. Monatsberichte S. 165), noch weit ausführlicher aber
durch die Beobachtungen desselben an den Grünsand -Steinker-
nen 1855 (Abhandl. d. Akademie $. 87 und 101) diese Frage
negativ erledigt worden. Gewöhnlich sind die Hohlräume der
Polythalamien des Grünsandes in solcher ungeheurer Menge in
den Grünsand-Mergeln als Steinkerne vorhanden, dals es un-
denkbar ist, dals alle diese Formen, welche so leicht absterben
und aufgelöst werden, auch in der Schreibkreide fast spurlos
fehlen, durch die organische Substanz zur strotzenden Erfül-
lung ihrer Hohlräume mit Eisensilicat gelangt seien. Auch sind
in allen geologischen Verhältnissen weit vorherrschend nicht die
Schalen verkieselt, obschon bei Austerschalen dies deutlich vor-
kommt, vielmehr sind die Schalen fehlend und die Steinkerne
betreffen nur die von der Schale entblölsten Hohlräume, wo-
durch Turritellen wie freie Spiralen oder Pfropfenzieher, oder
Rotalien als spirale freie Gliederketten erscheinen.
Die künstliche Methode des Hrn. Beissel zeigt eine von
den natürlichen Erscheinungen geologischer Steinkerne dadurch
sehr verschiedene Wirkung, dafs bei derselben die Kalkschale
vorzüglich silicificirt wird, während die Hohlräume es unvoll-
4g*
690 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
ständig werden. Es fragt sich daher, ob diese Schalen nur die
amorphen Kieselerfüllungen der ähnlichen Zwischenräumchen der
erystallinischen Kalktheilchen sind, welche dadurch dennoch die
Form des Ganzen täuschend erhalten haben, oder ob das Was-
serglas mit den crystallinischen Kalktheilchen der Schalen ein
Kalksilicat gebildet hat. Jedenfalls ist die chemische Durch-
dringung keine überall vollständige, da sich ein grofser Theil
des Kalkes durch Säure wegnehmen lälst. So wird denn ein
Theil der Schale durch amorphe Kieselsänre oder amorphes
Kalksilicat ersetzt und für Salz- Säure unlöslich. Überdies
füllen sich zuweilen auch die Hohlräume mit erhärtendem Was-
serglas aus, welches eine mehr grünliche oder gelbliche Farbe
hat und für den Charakter eines Kalksilicats weniger Anbalt
bietet.
Das besonders interessante, vielleicht viel entwickelnde die-
ser Behandlungs- Methode scheint Hrn. Ebrenberg darin zu
liegen, dafs sich in der Schalen-Structur Verhältnisse damit er-
kennen lassen, die bisher ungeahnet waren, wie bei Siderolina
caleitrapoides die Stacheln sich als Hüllen für starke Gefälssysteme
ergeben und dafs es vielleicht künftig nicht mehr des mühsamen
Aufsuchens der Structur-Erläuterung mikroskopischer Körper aus
Grünsanden bedarf, vielmebr überall diese Methode auch bei
den jetzt lebenden Formen, einer Injection gleich, sofort Erläu-
terung geben wird.
Derselbe sprach dann über eine secundäre rothe
Färbung des thierischen Fettes durch die von ihm
1848 als Monas prodigiosa bezeichnete Blutfärbung
des Brodes.
Die von mir im Jahre 1848 und 1849 mehrfach der Aka-
demie vorgelegte und in ihrer wunderbaren, oft geistverwirrenden
und als Völker- Wahnsinn erscheinenden, Geschichte erläuterte
blutrethe Brodfärbung, welche schon die Soldaten Alexanders
des Grolsen bei der Belagerung von Tyrus erschreckte und
dann zur Erstürmung der Stadt ermuthigte (nach Diodor von
Sizilien und Curtius Rofus), wurde von mir 1848 theils frisch
theils auch später in getrockneten ganz wohl erhaltenen inten-
vom 14. November 1859. 69
siv gefärbten Proben vorgelegt, deren einfache Anfertigungs-
Methode ich erläuterte. (S. Monatsberichte S. 350, letzteres
S. 462.)
Es sind seitdem 11 Jahre verflossen. Mehrere der damals
vorgelegten Weilsbrod-Proben, auf welchen die Farbe am leb-
haftesten erschien, lege ich jetzt wieder vor, um den Einflufs
eines so langen Zeitraumes auf die Erscheinung anschaulich zu
machen. Sie wurden damals, wenn sie eben in schönster Ent-
wicklung waren, einfach am warmen Öfen oder Heerde rasch
getrocknet. Ich habe diese Proben, nach Aufschrift des Da-
tums ihrer Bereitung auf dieselben in zwei Blechbüchsen auf-
bewahrt. In beide Blechbüchsen waren, wahrscheinlich durch
das öftere Vorzeigen der Proben, Brodkäfer gekommen und
haben die sämmtlichen Stücke sehr zerlöchert, so dafs einige
zerfallen sind. Die lebhaft hlutrothe Farbe hat sich bei einigen
Stücken unverändert erhalten, bei andern ist sie nur dunkler
roth grworden. Die das Brod zerstörenden Brodkäfer (Anodium
paniceum) sind durch die rothe Substanz nicht getödtet wor-
den, haben aber die gefärbten Stellen des Brodes weniger zer-
nagt als die Rückseite. Eingestreutes persisches Insektenpulver
— Pyrethrum persicum — tödtete eine zeitlang viele Käfer,
allein die spätere Brut entwickelte sich unaufhaltsam. Auch wie-
derholtes starkes Dörren hat das spätere Wiedererscheinen le-
bender Käfer nicht behindert.
Einen anderen Versuch habe ich damals mit der blutfarbi-
gen Substanz auf die Weise gemacht, dals sich die Einwirkung
des Lichtes auf die getrocknete Masse herausstellen sollte, da
man dieselbe sogar als schönen Farbestoff gepriesen hatte, Ich
hatte daher verschiedene auf Weifsbrod, Leinwand und Oblate
entwickelte Proben unter einer kleinen Glasglocke nur vor Staub
und Insekten geschützt, dem Lichte aber zugänglich gelassen.
Diese jetzt ebenfalls nach 11 Jahren wieder vorgelegten Proben
sind theils so ganz farblos geworden, dafs die frühere Stelle der
Farbe kaum erkannt wird, theils haben sie eine schmutzig gelb-
liche und stumpf braune Farbe angenommen, welche keine Mi-
schung von Roth anzeigt.
Aulser diesem Resultat einer mehr als 10 jährigen Aufbe-
wahrung, welche bei wohl verschlossenen Verhältnissen und
692 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Entziehung der Lichteinwirkung sich offenbar mit Erhaltung der
Form und Farbe sehr viel länger fortsetzen lassen wird, halte }
ich für bemerkenswerth, dafs die hie und da geäulserte Mei-
nung, als sei die Erscheinung wohl ein Vorbote der asiatischen
Cholera, ohne alle Begründung ist. Es ist kein Jahr vergangen, |
ohne dafs ich in Berlin oder aus nahen Städten Proben dieser
Erscheinung zugesandt erhalten habe. Auch in diesem für Ber- |
lin cholerafreien Jahre, in dem wenigstens nur, wie es wohl
niemals anders gewesen, sporadische Cholerafälle erschienen
sind, habe ich aus mehreren von einander sehr entfernten Häu-
sern auf gekochten Kartoffeln und gekochtem Fleische gleich-
artige Blutfärbungen zugesandt erhalten und ich habe sie in
dem sofort zu bezeichnenden Falle durch aus Frankfurt am Main
zugesandtes Fleisch neu entwickelt.
Die Anregung zu der heutigen Mittheilung über den Ge-
genstand gab besonders ein Schreiben des Hrn. Dr. Adolph
Schmidt aus Frankfurt a. M., welches vom 22. August datirt |
ist und mir folgende Mityheilung machte:
„In meiner Haushaltung wurde am 17. August Ochsen-
fleisch gekocht, welches ganz frisch und gut war. Der Über-
rest wurde auf einer irdenen Schüssel in den Keller gesetzt.
Am anderen Morgen zeigten sich auf der untenliegenden Seite,
sowohl auf dem Fleisch, wie auf Sehnen und Fett, intensiv
rothe Flecken. Ich hoffte Ihre Monas prodigiosa zu finden,
fand aber nur rothes Fett. Einzelne Muskelfasern waren röth-
lich gefärbt, so dafs ich im Anfange glaubte dieses rothe Fett
entstände in den Muskelfasern. Bei genauerer Untersuchung be-
sonders auch der Sehnen und des Fettes fand sich aber, dafs
diese Ansicht falsch war. Da weder ich noch meine Freunde
in der Litteratur uns eines ähnlichen Falles entsinnen, hielt ich
die Sache für wichtig genug, um sie Ihnen zu übersenden und
hoffe nun, dafs sie noch in untersuchbarem Zustande zu Ihnen
gelangt.”
Mit dieser interessanten Nachricht sandte Hr. Dr. Schmidt
3 luftdicht durch weilse Kittmasse verschlossene Präparate als
Objecttäfelchen und auch frisches Fleisch.
Die Erscheinung des rothen Fettes war sowohl in den Prä-
paraten als am frischen durch den Transport etwas übelriechen-
vom 14. November 1859. 693
den Fleisch völlig deutlich und allerdings erschien auf den er-
_ sten Anblick die rothe Färbung nur dem Fette angehörig und
von der Monas prodigiosa verschieden zu sein. Die Fett-Inseln
waren für das Mikroskop homogen, ohne jene feinen zittern-
den Körnchen, welche das Blut-Prodigium, auch wenn es auf
Fleisch erscheint, charakterisiren.
Da ich bereits im Jahre 1849 die Erfahrung gemacht hatte,
dals secundäre Färbungen durch die Purpur-Monade vorkommen,
welche gleichzeitig vorhandenen Schimmel ungewöhnlich roth
färben, oder auch ganze Amylumbälge des in Dextrin verwan-
delten Brod-Amylums roth färben (s. Monatsber. 1849 S. 105),
so nahm ich zu dessen Prüfung etwas von dem frischen Flei-
sche und bestrich ein Stück Weilsbrod damit, welches ich vor-
her rasch unter Wasser getaucht und sogleich wieder hervorge-
hoben hatte, damit es sich zwar auflockere aber nicht allzu-
feucht werde, Dies Brod setzte ich unter eine Glasglocke auf
einen mit feuchtem Löschpapier belegten Teller an einen war-
men Ort. Am andern Tage war die ganze Krume des Weils-
brodes mit einer dichten Lage der purpurrothen lebenden Sub-
stanz überzogen.
So war denn kein Zweifel übrig, dals jenes rothe Fett eine
secundäre rothe Färbung des Fettes durch Monas prodigiosa
war, von welcher ja einige Lebensformen noch entwicklungs-
kräftig vorhanden waren.
Die luftdicht verkitteten Präparate haben jetzt, beim Druck
der Abhandlung, ihre Farbe so sehr verloren, dals sie kaum noch
zu sehen ist.
Mehrere Schriftsteller haben sich neuerlich Mühe gegeben
den Körper wieder unter den Algen in die Gattung Pälmella
zu stellen, oder gar neue Genus-Namen bei den Algen damit
zu begründen. Ich habe 1849 in den Monatsberichten S. 104
mich schon mit solchen Gründen dagegen erklärt, dals es keiner
neuen bedarf. Den polygastrischen Bau einer Monade habe ich
weder früber ausdrücklich noch bis heut bei ihm erkannt und
wiederhole nur, dals die von mir ihm gegebene Stellung in der
Systematik noch immer eine zweifelhafte bleibt, weshalb ich vor
einiger Zeit in der hiesigen Naturforschenden Gesellschaft den
unentschiedenen Namen Zyria (Monas) prodigiosa vorzog. Den-
694 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
noch kann ich das beobachtete kleine Bewegungsorgan nicht
aufser Acht lassen und da die Palmellen eine Hautbegrenzung
haben und die scheinbar unbegrenzt gallerligen Sarcodermen
festen Zusammenhang und keine zitternde Bewegung allein sie
bildender Körnchen zeigen, so sehe ich mich veranlalst, es bei
der früheren Ansicht zu belassen, bis innere Gründe durch stär-
kere Instrumente zugänglich werden.
Auch die lebende Substanz wurde in kräftiger tief blutfar- 1}
biger Entwicklung wieder vorgezeigt und auf den stark cada-
verösen animalischen Geruch beim Absterben aufmerksam ge-
macht, während sie frisch entwickelt keinen unangenehmen Ge-
ruch hat.
Derselbe gab ferner einige vorläufige Mittheilungen über
ein sehr massenhaftes bisher ungekanntes mikro-
skopisches Leben in Schneelachen des Montblanc-
Gipfels nach Dr. Pitschners Materialien.
Hr. Kummer machte einige Mittheilungen über die fer-
neren Arbeiten des Hrn. Prof. Dr. Reuschle in Stuttgart,
betreffend die Zerlegung der Zahlen in ihre complexen Prim-
faktoren, und legte folgende von demselben ausgearbeitete Tafel
vor, welche die Zerfällung aller Primzahlen innerhalb
des ersten Tausend in ihre aus siebenten Wurzeln
der Einheit gebildeten complexen Primfaktoren giebt.
4. Die Primzahlen » von der Form 7n-+-1 werden in
sechs conjugirte complexe Primfaktoren zerfällt, welche aus den
Wurzeln «, &°, «°, «*, «°, «° der Gleichung «’ =1ı gebildet
sind. Es bezeichnet hier f(«) einen dieser complexen Primfaktoren
in der primären Form und u, v,, 4;, 43, z,, u; die den Wurzeln «,
a?,«?, @', «@’, «° entsprechenden Congruenzwurzeln, für welche die
—)|
primitive Wurzel 3, deren Per Potenz u congruent ist, nach
dem Modul p, in Übereinstimmung mit dem Canon arithme-
ticus von Jacobi gewählt ist.
vom 14.
967
29| —5| 4 9 52 7| -6
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zul] ug ” —67| —63) —12 | 58
239 a a . 100) 24| 44
Pius EN 59 —100| 79; 109
337 —162, a au 9 u 52
3 us un 125) 94 = 86
\ 15 33] —5l| —36 —I7T
a 2 3 3 4
0 - -10 35 18) -5| 176
463 165 —51| 34-177] 118) 230
m 223| 240-105 | 138
547, 9, si, 182 —-3) —27 Par
617 Sl —62 us) 142)—209 '—166
‚sl Ei re 269) 21 | 133
> 14 307 5 21-219 —270
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783-151 Be se 328| 253 310
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7 2 124 400 —337| —20 | 389
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Novernber 1859. 695
| f(«)
2+38 —- 0° +30? — 20" +40?
= 2 4 5 6
a2" HA" — 5%
1+34° +@° +20" 30°
24 +60? + 118° + 100? +50
— Jede. Hi? Be? a?
1-20?’ +58? +50°
24 +60” +90° +70* +30?
10 = 40° +30? #90° 5a? -
A ei
80°
2-2” +30* a? +a°
18 +4 — 124° — 140° — 50? +90°
9. +118? #120 — 108" +2? + 18°
17 + 120 #8? + 18° +50?
6+50? —- a’ ra" +20°
11-48 +90? +30? +80?
-34* +20°
2+20° +34° a +22
8-+40° +20” +30* +34°
1-92] Du: 0? +2?
1+38 —- 0° +0* +20?
10% + 118° + a* +50? +9@°
&? +30 + 20° 30°
10-508? +30? +6? + 150? + 17°
3-40 +24? 5? +40?
ı7@°
5+50 -4@°
6 tr re
a 100° 21°
1-+48 +50? us „ra?
226 | 210 | 6+44 — 38° +40"
2. Die Primzahlen » von der Form 7n — 1 werden in drei
conjugirte complexe Primfaktoren zerfällt, welche aus den zwei-
gliedrigen Perioden
3 4
y=a+ad, y,=a te‘, %
=ua°? ra?
gebildet sind; die diesen Perioden entsprechenden Wurzeln der
Congruenz
ryr —ıy —1
welche mit u, w,, u, bezeichnet
0, mod. p,
sind, sind so geordnet, dals
die absolut kleinste überall als die erste genommen ist; die
complexen Primfaktoren f(«) sind in die primäre Form gesetzt.
696 Sitzung der physikalisch- mathematischen Klasse
p|
13
4
83
97
3. Die Primzahlen p der Formen 7n +2 und 7/n-+4 wer-
den in zwei conjugirte complexe Primfaktoren f(r) zerlegt,
welche aus den dreigliedrigen Perioden
yma+tea’ rer, 1, =’ ra Ha?
gebildet sind; von den diesen Perioden entsprechenden Wurzeln
zu le |
u 7 —=6
mA —Ul 14
—22| — 112 133
—63 | — 134 196
—-8| —5 62
el 221 | — 195
111 144 247
—63 204 | — 142
80 292 | — 213
20 224 | — 245
41 | — 267 225
— 137 | — 175 311
100 262 | — 363
179 221 | — 401
— 125 | — 397 | — 318
— 153 | — 224 376
—-10| —8 98
.105 15 — 221
u und u, der Congruenz
ist diejenige, welche positiv und kleiner als die Hälfte des Mo-
duls ist, als die erste gewählt worden.
y’+HyY+2Z=o, mod. p,
I)
3+Mg
-1-MWı +Ma
13 +79
-4- Ma
13-7 + Ma
-8+7 3
-35— 1
647, —14Ng
—11- Mg
38 + 2194
52 +359, — 281g
3— 2 +79
-30+149y— 2112
-1+M a
—-8+3y+ 2194
_2+794
- 242899, +Ma
76 + 499 — 289 |
59 — 359 +4 2
33+219, — 149g
13 +1, — 9,
17+149, — 1492
5—-M+1Ng
5+7mM, - 14a
—-8—- 791 +149g
33 + 149 — 2194
—4+1Y—- Ma
vom 14. Novernber 1859. 697
plulu | fm) I>lulu | fo
2| o| -ı N ı1| 4| —-5)ı-%,
3] 9) -m|3—-%, 5353| 141) -—513—-
37 8 —=91I 1-4, 6 | 1) - 2) 1 +
9| 2] -ı3Jı-, 1098| 9| —390|7—- 44
1077| 8| -—9|9- 2%, 1377| 16| - 7 1 — 89,
1493| 33) —35)9—- 4, 5| 69) -— 0] 11-2,
1538| 3] -— 17-9, 1719| 53] —54|3+ 10%,
191 | 19| -— 20 Jı +1 1993| 3) -—a4l5-9%
23| 3900| -—3117—- 9 263 | 123 | — 124 | 15 — 29,
37) 3] —84|15— 4 2771| 3] -—4lı + 1%
331 | 156 | — 157 17-29, 3197| 4] -5]5+1M
359 1128| — 1239 13-+ 14Y 39| 2] -—3|ı7 - Mm,
373 | 154 |— 155 |5— 129, 431 | 41] —42 | 11— 109,
401 | 152 | — 153 | 13 — 89 487 | 103 | — 104 5— 149,
43 |157|- 158 3-14, | 557 [1331-1341 21 — 9,
457| 85| —8615+164, | 571 |158|-—159|7 + 184 ,
499 | 151 |— 152 |13—- 104 | 599 | 129] — 13019 — 149
51) #6] -alım—-ım | 6183| 19) —50| 13-124,
569 | 178 | - 19 13 — 16 6,
653 | 169 | - 170 |23— 4 683 |328| - 39 | 5 — My,
709 | 106 | — 107 | 7 + 204 139 | 127] — 128 | 3 — ©
z5ı| 77) —78|19-104 | 809 | 150) - 157) 11 — 169,
821 | 40] —4ı ]1 - 204, | 823 1229| — 230 | 7 — 189
863 | 117) 118 |7 + 224, | so7|as8| —49|9 — 2,
8771367 | 368 |19 -ım | 97) | -—8| 15 — 14
99|36'—-327 |17—ı, | ı| 4| - | ı - 224,
97| 3] —441ı +29
4. Die Primzahlen » der Formen 7n-+3 und 7n +5, wel-
che eine Zerlegung in complexe, aus siebenten Wurzeln der Ein-
‚heit gebildete Faktoren nicht zulassen und darum auch in dieser
‚compiexen Theorie Primzahlen sind, im ersten Tausend sind
folgende:
| a. p=17n-+3
3, 17, 31, 59, 73, 101, 157, 199, 227, 24, 283, 311, 353, 367, 409, 479, 521,
563, 577, 619, 647, 661, 773, 787, 829, 857, ul, 983, 997.
| b p=7n+5
5, 19, 47, 61, 89, 103, 131, 173, 229, 257, 271, 313, 333, 397, 439, 467, 509,
523, 593, 607, 677, 691, 719, 733, 761, 859, 887, 929, 971.
698 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 14. November 1859.
Hr. du Bois-Reymond legte eine Mittheilung des Hrn.
v. Bezold, Professor in Jena, d. d. Berlin, 30. October, über
die Einwirkung des Pfeilgiftes auf die motorischen
Nerven, vor, welche auf Versuchen beruht, die Hr.v. Bezold
im hiesigen physiologischen Laboratorium am Helmbholtz’schen
Myographion angestellt hat.
1. Durch die Einwirkung des Pfeilgiftes auf die motorischen
Nerven des Frosches, wird die Geschwindigkeit, mit welcher die
Erregung sich innerhalb derselben fortpflanzt, herabgesetzt.
2. Diese Verlangsamung der Fortpflanzung durch den Ein-
flufls des Giftes tritt sehr früh ein in den intramuscularen Ner-
ven; bedeutend langsamer und später, und nur bei sehr grofsen
Gaben des Giftes in den motorischen Nervenfasern der Stämme.
3. Die durch den Einfluls des Pfeilgiftes erzeugte Vermin-
derung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung wächst
mit fortschreitender Vergiftung mehr und mehr; sie ist mit einer
stetig zunehmenden Abschwächung der Erregung während der
Fortpflanzung verbunden; sie geht endlich über in eine totale
Unfähigkeit des Nerven, Erregungen, die innerhalb desselben
stattfinden, fortzupflanzen.
4. Als grölste Verminderung der Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit der Reizung im Nerven habe ich in bisherigen Versu-
chen die Herabsetzung der Schnelligkeit, mit welcher der Reiz
sich im Nischiadicus des Frosches bei 15° C. fortpflanzt, von
26 Meter auf 5,5 Meter in der Secunde beobachtet.
5. Der zeitliche Verlauf der Muskelverkürzung nach directer
Erregung wird durch die Einwirkung des Pfeilgiftes nicht ge-
ändert.
6. Der zeitliche Verlauf der Muskelverkürzung nach Erre-
gung des Nerven wird mit zunehmender Verlangsamung der
Fortpflanzungsgeschwindigkeit durch die Einwirkung des Pfeil-
giftes bis um das doppelte verzögert.
Gesammtsitzung vom 17. November 1859. 699
17.Nov. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Haupt las Hrn. Gerhards Abhandlung „über die
Metallspiegel der Etrusker.” Zweiter Theil.
Diese Abhandlung ist bestimmt einer schon im Jahr 1838
über denselben Gegenstand gehaltenen als deren zweiter Theil
zur Fortsetzung und zum Abschluls zu dienen. In jener frühe-
ren war eine Charakteristik der etruskischen Metallxpiegel auf
Grund der Zeichnungen gegeben, aus denen des Verfassers Ge-
sammtwerk „Etruskische Spiegel” (Berlin 1843 ff. 240 Tafeln
in 2 Quartbänden) erwuchs; seitdem ist durch vorgerückte For-
schung und durch erweiterten Apparat eine fernere Darlegung
des jetzigen Materials sowohl als des neu gewonnenen Stand-
punktes seiner Betrachtung nothwendig geworden.
Hinsichtlich des Materials konnte der Verfasser sich auf den
erst neulich in einer Klassensitzung gegebenen und im akademi-
schen Bericht (1859, Juli) ausgezogenen Vortrag berufen, der
auf die Kenntnifs von mehr als 500 in dem Kupferwerk „Etrus-
kische Spiegel” noch richt enthaltenen Zeichnungen sich grün-
dete. Was aber die Würdigung und Erklärung so vieler
schwieriger Denkmäler jener Kunstgattung betrifft, so war es
dem Verfasser noch insbesondere zur Pflicht geworden darüber
sich auszusprechen, seit eine im Jahre 1856 der Akademie zu-
geeignete Abhandlung des Hrn. G@. Rathgeber zu Gotha einen
Erklärungsversuch für 125 Spiegel geliefert hatte, deren Ver-
ständnils dem Herausgeber des von der Akademie grolsmüthig
unterstützten und im Allgemeinen zu lobenden Spiegelwerkes
milslungen sei. Jener gelehrte und scharfsinnig vollführte Er-
klärungsversuch hatte sich über alle bisher bekannten Spiegel
desjenigen Inhalts verbreitet, den man im Gegensatz gangbarer
mythologischer Darstellungen als hieratisch bezeichnen, mehr oder
weniger auch auf vormaligen Geheimdienst beziehen und somit
zu Aufrechthaltung der Annahme „mystischer Spiegel” ge-
brauchen konnte. Eine diesem Sinn im Allgemeinen entspre-
chende Abgrenzung ist auf Taf. 31—60 der „Etruskischen Spie-
gel” befolgt: weibliche Flügelgestalten in einfacher sowohl als
Doppelzahl, ferner die Brüderpaare der zwei Dioskuren und drei
Kabiren, endlich gewisse typisch gewordene Gruppen, in denen
700 Gesammtsitzung
Minerva und Venus mit den Dioskuren verbunden sind, können
als wesentlichster Inhalt ‘jener hieratischen Abtheilung bezeich-
net werden, die mit ausgewählten Merkursbildern schliefst; noch
andere, der letztgedachten Composition nah verwandte und in
typischer Wiederholung häufige Spiegelzeichnungen blieben vor-
läufig daraus entfernt, um nach Herausgabe der zwischen Mystik
und Mythos schwankenden angeblichen Helenabilder darauf zu-
rückzukommen.
Früher als es zu verhoffen stand hat nun Hr. Rathgeber
gerade von diesen schwierigsten Bildnereien Etruskischer Spie-
gel den Mittelpunkt seiner für alle bisher unerklärten Spiegel
durchgreifenden Erklärungsweise entnommen. Die vermeintliche
Helena jener Gruppirungen betrachtet er als eine im Sinn der
Kora und Libera neuerstandene Frühlingsgöttin, welche dem
gleichfalls im Sinne der wieder erwachten Natur neubelebten
dritten Kabiren als mystische Braut, den Theogamieen von Zeus
und Hera oder von Dionysos und Kora vergleichbar, vermählt
worden sei. Die Annahme einer solchen Mysteriengöttin ist an
und für sich nicht abzuweisen, wie sie denn auch vom Heraus-
geber der „Etruskischen Spiegel” nicht ausgeschlossen war; doch
ist die Nachweisung derselben durchaus getrübt durch die phan-
tastische Willkür, mit welcher Hr. Rathgeber seine erste
Vermuthung weiter verfolgt und zu einem um Auskunft nirgend
verlegenen System ausgebildet hat. Die hieratischen Spiegel-
zeichnungen sind hier zu Belegen eines Mysteriendramas ge-
worden, dessen transparentes Schaugepränge in einer vorberei-
tenden Herbstfeier und einem dreitägigen Frühlingsfest die Wie-
derkehr der verschwundenen Naturgöttin und ihrer Vermählung
mit dem neubelebten Kabiren darstellen sollte. Die örtliche und
geschichtliche Nachweisung solcher Feste wird mit Ausnahme
weniger Andeutungen hiebei vermilst; statt dessen sind zur Er-
klärung des Einzelnen Hypothesen befolgt, deren Berechtigung
bezweifelt oder schlechthin verneint werden muls. Wenn Hr.
Rathgeber vielfach annimmt und angeblich nachweist, die Un-
terweltsgöttin Persephone kehre als Aphrodite oder als scenische
Stellvertreterin dieser Göttin aus der Unterwelt erst ins Eiland
der Seligen, dann von dort aus ins Reich des Tages zurück und
werde von auf- und niederwärts reisenden Götterbotinnen dabei
vom 17. November 1859. 701
bedient, oder von dorther zurückgebracht, so ist die durchgän-
gängige Willkür solcher Annahmen keines Beweises bedürftig,
um so weniger wenn jene Götterbotinnen von Hrn. Rath-
geber in den bekannten geflügelten Schicksalsgöttinnen gefun-
den werden.
In der vorliegenden Abhandlung ist nun ein neuer Versuch
gewagt, die fraglichen hieratischen Spiegelbilder eingehender zu
deuten, als neben dem nur bis Taf. 30 reichenden ausführlichen
Text in der Inhaltsangabe der Kupfertafeln geschehen war. Was
zuvörderst die weiblichen Flügelgestalten betrifft, die in mei-
stens verzerrter Bildung in grolser Zahl auf Spiegeln von mei-
stens geringer Grölse sich finden, so sind dieselben durch Grif-
fel und Schreibgefäls dem Begriff einer Schicksalsgöttin, einer
Fortuna oder Lasa, allzu sehr zugeeignet und mit anderen Gott-
heiten allzuwenig gruppirt, als dafs sie der Deutung auf altes
Mysterienwesen anheimfallen dürften, selbst wenn jetzt ein sehr
vereinzeltes Beispiel eine solche Flügelgestalt mit dem Neben-
werk einer mystischen Cista uns vorführt. Die auf Taf. 36 zu-
sammengestellten Bilder einer geflügelten Pallas, die Hr. Rath-
geber auf Unterweltsfahrten Minervas deutet, haben wir gleich-
falls bis jetzt keinen Grund von der sonst genugsam verbürgten
Gemeinschaft des Minerven- und Fortunenbegriffs abzulösen und
ebensowenig bietet für uns die Doppelzahl geflügelter Frauen-
gestalten, deren Begegnung auf unterweltlichen Reisestationen
Hr. Rathgeber fabelt, zwingende Gründe, mehr als die
auch sonst hinlänglich bekannte Verdoppelung der Fortunen und
Lasen daraus zu entnehmen. Dals nun wenigstens für die auf
Taf. XLII ff. folgenden Dioskuren die hieratische Geltung der
ganzen Abtheilung zu einer mystischen gesteigert werden dürfe,
geht aus dem augenfälligen Inhalt ihrer Darstellungen nirgend
hervor, wird aber wahrscheinlich durch die unleugbare Ver-
wandtschaft jener aus Sparta und Samothrake berühmten Brüder
mit den kabirischen Drillingen lemnischen Dienstes. Einen Drei-
verein dieser Brüder in den Gruppirungen anzuerkennen, die
auf Taf. LV zusammengestellt sind, wird nicht nur dadurch uns
nahe gelegt, weil kein ähnliches mythisches Brüderpaar dazu be-
rechtigter ist, sondern auch dadurch, dals nach einer bekannten
Stelle des Clemens (protr. p. 16) das Mysterium der drei Ka-
702 Gesammtsitzung
biren nach Tyrrhenien geflüchtet sein sollte, wie denn auch die
drei Männerköpfe am Thor von Volterra (Micali, storia. tav VII)
kaum anders als auf Kabiren sich deuten lassen. Zu weiterer
Bestätigung dieser Annahme treten nun aber allerdings auch an-
dere Gruppirungen unserer Spiegel hinzu. Dals die auf Taf.
LVI, 1 und LVIII gegebenen Darstellungen dem Morde des
dritten Kabiren durch seine zwei Brüder gelten ist leichter zu
bezweifeln als zu widerlegen, zumal wenn auf Taf. LVH die
satyresk behandelte Wiedererweckung des dritten durch Mer-
kurs Zauberstab sich nicht wegleugnen lafst und ein noch un-
edirtes Spiegelbild einen Jüngling in hephästischer Tracht von
Göttinnen umtanzt uns vorführt. Sind aber jene beiden Spie-
ge! wirklich auf die Kabirensage bezüglich, so tritt aus ihren
Inschriften auch die Gleichsetzung der Dioskuren mit den zwei
kabirischen Brudermördern ins Licht und diese auch sonst nach-
weisliche Gleichsetzung dient dem in andern Spiegeln gesuchten
Zusammenhang der Dioskuren mit der Kabirensage zur Unter-
stützung. Man kann sich entschlielsen die wartende Stellung
der Dioskuren auf ihre Erwartung der Wiederbelebung des
dritten Bruders und manches Nebenwerk architektonischer oder
sonstiger Art auf dessen Heroon oder auf mythische Auffassung
seiner Wiedergeburt (das Aufsprossen aus einer Blume u. dgl. m.)
mit Hrn. Rathgeber zu beziehen. Aus gleicher Erwartung
läfst sich nächstdem auf Taf. LIX die mehrfach wiederholte
Gruppirung der Dioskuren mit Minerva und Venus, denselben
Göttinnen erklären, welche dem, wie es scheint, auf Taf. LVI, 1
angedeuteten Brudermord in bedeutungsvoller Nähe zur Seite
stehen.
Wenn nun zu jener Wiedererweckung des dritten Kabiren
sich auch die Theophanie einer Mysteriengöttin und deren
Theogamie mit dem neuerstandenen Gotte, der mystischen
Hochzeit von Dionysos mit Kora durchaus vergleichbar, ge-
sellte, so darf die dem hieratischen Bilderkreis „Etruskischer
Spiegel” bisher vorenthaltene Anreihung von Spiegelzeichnun-
gen, in denen jene mystische Göttin die Hauptperson ist, nun-
mehr zur Erweiterung dieses Bilderkreises mit grölserer Zuver-
sicht nachgeholt werden. Den auf Taf. LIX gegebnen Grup-
pirungen von Minerva und Venus mit den Dioskuren ist eine
1
=
vom 17. Novernber 1859. 703
seltnere Darstellung nah verwandt, in welcher beide Göttinnen
mit den drei Brüdern, vermuthlich nach Wiederbelebung des
dritten, vereinigt sind; ungleich häufiger aber und in demselben
Sinn zu verstehen ist das in Dutzendarbeit oft wiederholte Bild
einer zwischen drei Jünglinge gestellten Frau, in welcher man
nun mit gröfserer Wahrscheinlichkeit die den drei Kabiren ge-
sellte Mysteriengöttin vor ihrer Theogamie als die Gruppirung
Helenas mit ihren Brüdern und einem ihrer Männer (vgl. Taf.
CCV) oder mit noch andern Personen, (Helena mit Paris, Tan-
talus und Ganymedes sahe Lenormant im Cabinet Durand 1965)
erkennen wird.
Die grolse Menge noch anderer Spiegelzeichnungen, welche
den vorgedachten durch Inhalt sowohl als durch ihren meistens
geringen Kunstwerth, wenn nicht durch geflissentlich rohe Ar-
beit, entsprechen, bietet zum Theil uns Gruppirungen dar, in
denen die neu belebte Mysteriengöttin von göttlichen oder prie-
sterlichen Frauen umringt, oder auch von den Dioskuren umge-
ben erscheint. Manches bisher auf Helena gedeutete Spiegel-
bild kann in solcher Verbindung mit Wahrscheinlichkeit dem
Ideenkreis der Mysterien zugesprochen werden, in welchem je-
‚doch vielleicht auch Helena ihre Geltung hatte. Erwägt man,
welch’ buntes Gewirr mythologischen Stoffes, der in den Kunst-
werken Etruriens uns begegnet, in den Tyrrhenischen Küsten-
strichen erzählt und in Wechselbezug gesetzt werden mulste,
so wird es begreiflich, dals jene dem dritten Kabiren beigelegte
Theogamie mit einer Göttin für die auch der lemnische Name
Malache uns gegeben ist, von einer anderen mythischen Form
begleitet wird, die nicht dem dritten Kabiren, sondern dem einen
der zwei Dioskuren galt; in dieser Voraussetzung, die auf meh-
reren Spiegelzeichnungen guten Schlages beruht, hätte Helena
zugleich als Schwester und als Braut ihr Wiedersehen mit dem
göttlichsten ihrer Brüder zu feiern gehabt. So vereinzelt und
befremdlich eine solche Wendung des Helena-Mythos erscheint,
so wenig scheint man dem Sagenkreis unsrer Spiegel sie ab-
sprechen zu dürfen; Helena, mit deren Person Poesie und Kunst
so vielfach spielten, war durch die häufigen Dioskurenbilder hier
sehr nahe gelegt; durch ihre Entführung und Wiederkehr war
sie der Mysteriengöttin vergleichbar und auch für die Fälle ge-
[1859.] 50
704 Gesammtsitzung
eignet, in denen man vielleicht geneigt war, dem mystischen
Bild statt der geheim gehaltenen Tempel-Sage eine Verkleidung |
durch gangbare Namen anzupassen. Einige Inschriftspiegel, die
Helenas Namen und Sagenkreis uns darbieten ohne bei näherer
Betrachtung ihnen zu entsprechen, treten für jene Vermuthung
bestätigend ein. |
Die Häufung etruskischer Fabeleien über Kabiren und Dios-
kuren neu zu bezeugen, zugleich aber auch den zwischen beiden
gefundenen Zusammenhang kabirisch-samothrakischen Inhalts nach- |
zuweisen, sind neuerdings zwei Inschriftspiegel gefunden wor-
den, von denen der eine im Königl. Museum zu Berlin (Eitr.
Spiegel Taf. CLXVI), der andre im Privatbesitz des Grafen
Ravizza zu Orvieto sich befindet. Obwohl dieser letztere nur
durch H. Brunns (Bull. dell’ Instituto 1858 p. 186 ss.) Be-
schreibung bekannt ist, so ist dieselbe doch genügend als Ge-
genstand jenes merkwürdigen Bildes die Geburt der drei Kabi-
ren unter Merkurs, Minervens und Aphroditens Pflege zu be-
zeichnen, welche letztere als Amathusische Göttin von einer
verschleierten Venus, die Turan heilst, und vielleicht als lem-
nische Mutter der Kabiren gedacht wird, unterschieden ist. Die
räthselhaften, sämmtlich mit Maris beginnenden, Namen der drei
Kinder scheinen verständlich, wenn Tusrnana den in Tyrrhe-
nien wieder aufgelebten dritten Kabir, 7T’halna und Isminthias
aber apollinische Gegensätze (vgl. Tha/lo und Smintheus) be-
zeichnen, welche den Dioskurennamen Aplu und Zaran im Sinne
solarischen und tellurischen Gegensatzes entsprechen. Eben die-
selben Benennungen Thalna und Tusrnana kommen nun aber
auch, mit dem vorgesetzten generischen Maris, als Namen der
zwei Dioskuren auf jenem früher edirten hiesigen Spiegel vor,
wo neben ihnen Minerva und Venus zwei Kinder pflegen, in
denen man Söhne der Dioskuren erkennen wird. Es ergiebt
sich hieraus als mythologische Fassung eines in Etrurien aner- |
kannten und für unsre Spiegel benutzten kabirisch - samothraki-
schen Göttersystems: 1. die Gleichsetzung der drei lemnischen
Kabiren mit den samothrakischen zwei Dioskuren, oder auch die-
ser letzteren mit den zwei mächtigeren Brüdern jenes Dreiver-
eins; 2. Die ihnen beiden gegebene Benennung mit welcher,
dem blühenden und dem Verderber Apoll entsprechend, ein Ge-
vom 17. November 1859. 705
gensatz solarischen und tellurischen Wechsellebens verträglich
ist; 3. die auf- und niederwärts drängende Weise mythischer
Genealogie, die den drei Kabiren das Bild ihrer Lemnischen
Erdmutter, den Dioskuren aber die Persönlichkeit zweier Söhne
zusetzte, wie auch Athen und Argos sie kannten. Die verhält-
nilsmälsig geringe Wichtigkeit, welche der Griechischen Mytho-
logie und ihrer Italischen Entwickelung aus so vereinzelten That-
sachen erwächst, wird beachtenswerther, wenn man das Ver-
ständnils dunkler etruskischer Kunstdenkmäler daraus zu begrün-
den und für noch zahlreiche andere nutzbar zu machen im
Stande ist.
Hr. Braun las eine Mittheilung des Hrn. Dr. J. Han-
stein über ein noch nicht bekanntes System schlauch-
förmiger Gefälse im Parenchym der Blätter und des
Stengels vieler Monocotylen vor.
In einer Anzahl monocotyler Gattungen finden sich, meist
in den äulseren Parenchymschichten nahe der Epidermis, gewisse
langgestreckte Schläuche, die bald klaren Saft, bald aber auch
_ Milchsaft oder Krystalle führen, und unter einander in regelmä-
fsigem Zusammenhange stehen. Dieselben besitzen eine ziem-
liche Verbreitung in verschiedenen Familien, und, wo sie sich fin-
den, meist eine völlig gesetzmälsige Anordnung. Da ich ihrer
‚nirgendwo in der Litteratur als eines zusammenhängenden Sy-
stems erwähnt finde '), erlaube ich mir der Königl. Akademie
eine kurze Mittheilung darüber vorzulegen.
Die Familien, in denen ich diese Organe bisher gefunden
‚habe, sind die Zifiaceen, — und unter diesen besonders die
| "Laucharten, — die Amnryllideen, Commelyneen, Aroideen und
!) Meyen giebt (Phys. II. 386) die Milchsaftgefälse als bei den Li-
liaceen allgemein vorkommend an, ohne dafs es scheint, dafs die hier be-
sprochenen Organe dort gemeint seien. Karsten hat Schläuche mit
"Gummi gefüllt in den Wurzeln der Palmen (Vegetationsorgane der Palmen
p-59 u.a. a. O.) und Gerbsäure führend in Musa (Monatsberichte 1857
p- 74), die aus Zellenreihen entstehen, doch nur vereinzelt, wahrge-
nommen.
50*
706 Gesammtsitzung
Pandaneen, und in den meisten Fällen, die ich beobachtet habe,
treten sie als ausnehmend lange, sehr dünnwandige Röhren auf, die
etwa in der zweiten bis vierten Zellschicht von aulsen, in senk-
rechter Richtung und in ununterbrochenen Linien an einander
stolsend, zwischen den Parenchymreihen verlaufen, und Stengel,
Laubblätter und Zwiebelscheiden der ganzen Länge nach durch-
ziehen. Seltener finden sie sich tiefer im Innern oder unmit-
telbar unter der Epidermis. Sie endigen mit graden oder ge- |
neigten Endflächen, mit denen sie sich fest aneinanderlegen.
Wegen der Dünne ihrer Wände nehmen sie, von den be- |
nachbarten Parenchym-Zellen bedrängt, häufig das Ansehen von
Intercellular- Gängen an, und man kann sie beim ersten Anblick
leicht für solche halten, zumal da ihre eigenen Wände mit den
Nachbarzellen nur seltene und kleine Zwischenzellenräume bil-
den, sich vielmehr diesen eng anzuschmiegen und genau in
ihre Fugen einzudringen pflegen (Fig. 2, 3, 5). Auch nimmt
man auf Schnitten bei ihrer grolsen Länge die quer laufenden
Endwände nicht häufig wahr (Fig. 7). Dieser Umstand erklärt
allein, wie Organe von so charakteristischer Bildung und so
häufigem Vorkommen in theilweis so verbreiteten Pflanzen
bisher haben übersehen werden können. Es sind jedoch diese
- Röhren trotz der Ähnlichkeit nichts weniger als Intercellular-
Gänge, sondern mit wahrer Zellhaut versehene und als selbstän-
dige Zellgebilde deutlich individualisirte Schläuche.
Dies zeigt sich nicht allein schon deutlich genug auf Quer-
schnitt-Ansichteu aus Laubblättern (Fig. 4, 5), sondern es wird
unzweifelhaft dadurch dargethan, dals sich durch die bekannten
Macerations- Verfahren diese Organe alsbald isoliren und in ihrer
selbständigen Gestalt betrachten lassen (Fig. 8, 9, 10). Oft ge-
nügt ein Kochen in verdünnter Kali-Lösung von nur wenigen
Sekunden, sie soweit von dem umgebenden Parenchym zu tren-
nen, dafs man sie nun leicht mit der Nadel unter der Lupe
völlig freilegen kann.
In den Laubblättern (Fig. 4, 7) sind diese Gebilde am auf-
fallendsten. Hier haben sie (s) ihre Stellung in oder dicht ne-
ben dem Chlorophyll führenden Gewebe (pc), und verlaufen
zwischen den Zellen desselben, mit denen sie in vielfacher und
inniger Berührung stehen, und den lufterfüllten Zwischenräumen
vom 17. November 1859. 707
grade oder etwas geschlängelt in der Richtung der Längsaxe des
Blattes, ohne — der Regel nach — seitlich mit einander in Berüh-
rung zu treten. An der Blattspitze hören sie meist mit stum-
pfen Enden auf. Abwärts dagegen setzen sie sich durch Blatt-
stiel und Blattscheide bis in die Rinde des Stengels oder Zwie-
belbodens fort.
Im Stengel habe ich sie bisher bald nur in der grünen
Rindenzellschicht, bald auch im Parenchym des Stengel- Inneren
wahrgenommen; sie sind hier mit denen in den Blättern über-
einstimmend.
In den Zwiebelscheiden endlich, seien sie die unteren Theile
der Laubblätter oder selbständige Blattgebilde, behaupten sie im
Allgemeinen dieselbe Stellung und Anordnung, wie in jenen
(Fig. 2, 3, 6, s.). Gegen die Basis jedoch beginnen sie plötz-
lich seitliche Verbindungen mit einander einzugehen, und endi-
gen beim Eintritt in den Stammtheil der Zwiebel (Zwiebelbo-
den) indem sie sich in zahlreichen Anastomosen rings um die
Blattbasis kranzartig vereinigen (Fig. 1.). Hier allein habe ich
dann auch einzelne kurz verzweigte Schläuche gefunden, wäh-
rend sie sonst überall einfach sind. Nirgends habe ich sie durch
die Rindenschicht des Zwiebelstammes in die Gefälsbündel-Re-
gion desselben hindurchdringen sehen; auch die Knoten gestreck-
ter Stengel durchsetzen sie nicht.
Zu dem Lauf der Gefäfsbündel (Fig. 3, 4, g5) steht die
Vertheilung dieser Organe in keiner nothwendigen Beziehung;
nur wie zufällig treten einzelne ihnen nahe, während die Mehr-
- zahl in der peripherischen Parenchymzone in vielmal geringeren
Abständen als die Gefäfsbündel gleichmälsig vertheilt ist.
Der Inhalt der Schläuche ist in den meisten Fällen ein
mehr oder weniger klarer Saft, in dem bald einzelne bald ge-
häufte Nadelkrystalle befindlich sind (Fig. 10, r), die zuweilen
fast den ganzen Raum erfüllen. In anderen Fällen fehlen diese
jedoch (Fig 6, s), und in noch anderen ist der Saft mehr oder
weniger körnig-schleimig oder durch echten Milchsaft (Fig. 1,
2, 8) ersetzt. So verschieden aber der Inhalt erscheine, so ist
doch die Bildung und Anordnung der Behälter im Allgemeinen
die gleiche.
708 Gesammtsitzung
Über die mannigfaltigen Verschiedenheiten, die diese Or-
gane in den einzelnen Gattungen bemerken lassen, sei mir nur
Weniges anzudeuten gestattet.
In der gemeinen Zwiebel, — Allium Cepa, — in A. fistu-
losum (Fig: 1) und Ascalonicum und hin und wieder in anderen
Arten führen die Schläuche innerhalb der Zwiebeln Milchsaft,
der auf Schnitten zumal in der Nähe des Zwiebelbodens reich-
lich hervorquillt, in Laubblättern und Schaften dagegen meist
klare oder weniger trübe Flüssigkeit. In der Mehrzahl der '
Laucharten habe ich bisher auch in den Zwiebeln eigentlichen
Milchsaft vermilst (Fig. 6, s). Krystalle scheinen sie in den-
selben nirgends zu enthalten; dagegen treten diese (Fig. 6, k)
in besonderer Vollkommenheit, wie bekannt, in einer Zellschicht
dicht unter der Epidermis auf, neben welcher die Schläuche ver-
laufen. Diese sind in den Zwiebeln kürzer, dicker aber dünn-
wandiger als in den Blättern, und endigen bei dieser Gattung
fast stets mit kolbigen Anschwellungen (Fig. 8, 9, g), deren
Flächen, so weit sie einander berühren, in sehr charakteristi-
scher Weise mit weiten auf einander treffenden Poren besetzt
sind (Fig. 5, 6, 9), die den vereinigten Querwänden das An-
sehen von Siebplatten verleihen. Auch auf allen seitlichen Be-
rührungen der Schläuche treten diese Siebporen auf, nicht aber
gegen Parenchymzellen.
Zunächst an die Laucharten schlielsen sich die echten Ama-
ryllideen, deren alle bisher untersuchten Gattungen, nämlich
Amaryllis, Sprekelia, Crinum, Leucoium, Pancratium, Eucharis,
Nareissus und Alstroemeria, völlig die gleichen Schlauchsysteme
besitzen. Nur führen alle Nadelkrystalle darin (Fig. 10, r),
z. B. die Narcissenzwiebeln in aufserordentlicher Menge; doch
die Kolbenform der Enden nebst der Siebplattenbildung treten
zurück.
Unter den Liliaceen haben mir bisher Agapanthus, Orni-
thogalum und Scilla krystallfübrende Schläuche gezeigt, welche
jedoch zumal bei Scil/a mit ebenso ununterbrochenen Reihen
langgezogener Zellen wechseln, die in ihrer Mitte je ein einzel-
nes Raphidenbündel enthalten. Diese Bildung wird in den
Zwiebeln der zwei letztgenannten und der verwandten Gattun-
gen Muscari und Hyacinthus bemerkenswerther Weise die herr-
vom 17. November 1859. 709
schende, während zusammenhängende Schläuche. nicht mehr
deutlich sind. Ja, es treten sogar bald neben diesen Reihen,
bald allein, ohne dieselben, vereinzelte Schläuche oder schlauch-
förmige Zellen mit Raphidenbündeln auf, die einen Übergang
zu den gewöhnlichen bekannten parenchymatischen Raphiden-
zellen vermitteln. Jedoch sind jene langen Zellreihen nach
Stellung und Anordnung den zusammenhängenden Schläuchen
völlig äquivalent, und wo sie vorkommen mit diesen zerstreu-
ten kurzen Raphiden-Zellen um so weniger zu verwechseln, da
sie sich oft mit ihnen zugleich vorfinden.
In den Aroideen-Gattungen Monstera und Pothos habe ich
die Schläuche im Stengel bald mit Krystallen bald mit milchich-
tem Saft angetroffen. Doch reichen meine Beobachtungen hier
noch nicht aus, um die genaueren Verhältnisse anzugeben; sie
bilden jedoch wenigstens in den Blättern, wo sie oft durch
einzelne Schlauchzellen ersetzt sind, keine fortlaufenden Reihen.
Dagegen zeigt Pandanus amaryllidifolius(Hort. Ber.) Schläuche,
die denen der Amaryllideen ähnlich sind, nur scheinen wenig oder
keine Krystalle darin vorzukommen, die sich dafür theils nadel-
förmig in einzelnen sehr grolsen, theils prismatisch in langen
Reihen kleiner Parenchymzellen zeigen. Der Durchmesser der
Schläuche ist hier sehr gering. In anderen Pandanen scheinen
sie nur durch Bastzellen ersetzt zu sein, die sie auch in dieser
Art begleiten.
Eine ausgezeichnete Entwicklung endlich erreichen diese
Organe in der Gattung Tradescantia (Fig. 11), wo sie unmit-
telbar unter der Epidermis der Blätter, und in der Rinde und
dem Markgewebe des Stengels vorkommen, doch auch bier nicht
mit den Gefälsbündeln verbunden.
In anderen Monocotylen-Familien, die ich mannigfach durch-
sucht, ist es mir noch nicht gelungen, gleiche Bildungen nach-
zuweisen. Da ich jedoch noch nicht Zeit genug darauf habe
verwenden können, andrerseits dagegen die Verschiedenheit der
Familientypen, in denen sie gefunden sind, auf noch weitere
Verbreitung schlielsen lassen, so zweifle ich kaum, dals sie bei
fernerer Durchforschung sich noch in vielen anderen Monoco-
tylen vorfinden werden. In den Dicotylen habe ich noch nicht
genug danach suchen könuen.
710 Gesammtsitzung
Von besonderer Wichtigkeit für die vergleichend phytoto-
mische Natur der Schlauchgebilde mufste ihre Entstehung sein.
In vielen Fällen sucht man ihre Anfänge vergeblich im zarten
Urparenchym der jüngsten Blatthügel, deren gleichgestalteten
Zellen man noch keine später verschiedene Bestimmung an-
sehen kann, und man bleibt zweifelhaft, ob der Schlauch eine
einzelne übermäfsig verlängerte Zelle, oder eine Verschmelzung
mehrerer sei. Denn die dritte Auffassung, dafs dergleichen
Dinge aus secundär umwandeten Intercellulargängen entstehen
könnten, wie das vou einem unbekannten Verfasser (Bot. Zeit.
1846. 267.) für die echten Milchsaftgefälse behauptet und auch
von Schleiden angenommen, ist selbst für diese so schlecht
begründet, dafs ich sie in Bezug auf die hier besprochenen so
deutlichen Zellbildungen bei Seite lassen kann.
Um so deutlicher jedoch läfst die Gattung T’radescantia
die Entstehungsart der Schläuche beobachten. Hier finden sich
aulser vollkommnen Schläuchen Reihen krystallfübrender Zellen.
In sehr jungen Blättern und Stengelgliedern bemerkt man nun
dergleichen Reihen (Fig. 11), deren unterste, jüngste Zellen sehr
kurz und krystalllos sind. Nach oben treten allmählich kleine
Raphidenbündel (r) darin auf, die Zellen selbst nehmen stetig
an Grölse zu, ebenso die Krystallbündel. Endlich sieht man zu
oberst die Nadelkrystalle die Zellen, in denen sie liegen, zum
Theil überwachsen, die Querwände (g), welche erweicht schei-
nen, durchbohren und zwischen die Nadeln der folgenden Zel-
len, die ihrerseits dasselbe thun, gerathen. Schliefslich sind die
scheidenden Querwände verschwunden, und die Raphiden zer-
streuen sich in den langgestreckten Schläuchen. In dem jüng-
sten Zustande der Blätter sind nur Zellenreihen bemerklich, da-
gegen in den ausgewachsenen Blättern z. B. von Tr. Selloi
nur zusammenhängende Schläuche, welche jedoch die Spuren der
Verschmelzung noch erkennen lassen. Ähnlich in Zr. discolor.
In Tr. zebrina lassen die alten Blätter noch sehr deutlich die
Einzelzellen jeder Reihe unterscheiden, obgleich es auch hier
erhellt, dafs sie keine festen Querwände mehr besitzen. Diese
Erscheinungen lassen keinen Zweifel, dafs die Schläuche aus
Zellenreihen, die durch Resorption der Scheidewände verschmel-
zen, hervorgehen, mithin den Gefälsbildungen zuzurechnen sind.
vom 17. November 1859. 711
Und dafs diese Entstehung auch für die übrigen Gattungen die
allgemeine sei, lälst sich nicht allein aus Analogie überhaupt,
sondern augenscheinlich aus zahlreichen Übergangsstufen schlie-
fsen, die sich in einzelnen Fällen, deren schon oben Erwähnung
gethan, bei Amaryllideen und Liliaceen finden, wo völlig ver-
schmolzene fertige Röhren neben Reihen noch deutlich geson-
derter und allmählich verschmelzender Zellen vorkommen. Ähn-
liches zeigen ja auch die echten Spiralgefälse. Es mögen daher
diese Gebilde als „Schlauchgefäfse” bezeichnet werden.
Durch die Entstehung aus Zellreihen und den darin vor-
kommenden Milchsaft schliefsen sich nun diese Organe einerseits
den echten Milchsaftgefälsen an, für die Schacht?) in Carica
Papaya und anderen Pflanzen die gleiche Entwicklung nachge-
wiesen hat. Andrerseits zeigt die den Allien eigenthümliche
Form die auffallendste Ähnlichkeit mit den von Hartig und
Mohl beobachteten Siebröhren. Diese nun sind wesentliche
Theile des Bastsystems, und nicht minder hat Schacht durch
Beobachtung vielfacher Übergänge die Zugehörigkeit der Milch-
saftgefälse zu diesem System dargethan. Nimmt man hierzu den
Umstand, dafs selbst echte verdickte Bastzellen nicht allein sehr
oft nahe der Epidermis bald bündelweis, bald zerstreut, — in
Pandanus und den Aroideen sogar zugleich mit den Schlauch-
gefälsen — vorkommen, sondern ebenfalls oft aus Zellenreihen
zu entstehen scheinen’), und dafs die Schlauchgefälse vom Pa-
renchym selbst trotz einzelner Übergänge durch ihre aulseror-
dentliche Länge, (die vermuthlich zuweilen Zolle beträgt) sehr
verschieden sind, so scheint es mir nicht zweifelhaft, dafs die-
selben als abgesondert vorgeschobene Glieder des Bastsystems
zu betrachten sind, die zwischen eigentlichen Milchsaftgefälsen
und Siebröhren die Mitte halten. Dadurch würde dann dies
organische System, dessen Complication erst neuerdings durch
v. Mohl und Hartig mehr ins Licht gestellt ist, aufs neue
vermehrt.
Andrerseits fiele damit zugleich ein Licht auf die etwanige
?) Schacht, Monatsber. 1856 p. 515.
°) Schacht, 1. ce. p. 526, Taf. II. Fig. 10. 11; cf. Karsten, Vege-
tationsorgane der Palmen, p. 61 u. a. a. O., Taf. III. Fig. 2.
712 Gesammtsitzung
Function der Schlauchgefälse, insofern auch sie, wie das von
den Siebröhren immer sicherer wird, zu den rückleitenden Ge-
fälsen zu gehören scheinen. Auch läfst schon die Eigenthümlichkeit
dieser langen dünnwandigen Kanäle, die weit durch die kurzen
Chlorophyli-Zellen ziehen, kaum auf eine andere Thätigkeit, als
auf die des Saftleitens schliefsen. Ob sie freilich den assimilir-
ten Nahrungssaft selbst oder andere zu secernirende Flüssigkei-
ten führen, läfst sich noch nicht feststellen. Die Abscheidung
von Krystallen in ihnen und das Auftreten von Milchsaft in
ihrem Basaltheil könnte für das Letzte sprechen. Doch finden
sich ja auch die Krystalle in der Nebenzellschicht, während die
Schläuche sich andrerseits zwischen die Stärke führenden Zellen
der Zwiebeln drängen. Somit könnten die Krystalle ebenso-
wohl als Sekrete betrachtet werden, die hier der plastische Nähr-
saft auf seinem Wege zur Verbrauchsstätte bin ausgeschieden hat,
bald in seinem eigenen Gefäls, bald daneben. Auch ist noch
keineswegs gewils, ob nicht der Milchsaft selbst, wenn auch
nicht grade der „Lebenssaft”, so doch ein Reserve - Nährstoff
sein dürfte.
Doch müssen hierüber erst fernere Beobachtungen ent-
scheiden. Einstweilen wollen diese Mittheilungen nur der ana-
tomischen Eigenthümlichkeit dieses Gefälssystems allgemeinere
Beachtung zuwenden‘).
Erklärung der Tafel.
In allen Figuren bedeuten die Buchstaben:
s. Schlauchgefälse. sz. Schlauchgefälsz ellen.
q. Querwände derselben oder Spuren, wo diese gewesen.
p: Parenchym, pe. desgl., Chlorophyll führend.
*) Während des Druckes dieser Mittheilung habe ich als erstes Bei-
spiel einer Schlauchgefälsbildung bei Dicotylen dieselbe in den Stengeln
von Mirabilis Jalappa aufgefunden, wo neben vielen zerstreuten verschie-
den gestalteten mit Raphiden völlig erfüllten Zellen, sich einzelneSchlauch-
Gefälse finden, die aus mehreren dergleichen Schlauchzellen verschmolzen
sind, aber nicht lange zusammenhängende Reihen bilden. Sie haben grolse
Ähnlichkeit mit den bei den Aroideen vorkommenden, die oben angeführt
sind, und im vollkommenen Zustande ausnehmend dünne Wände.
vom 17. November 1859, 115
i. Intercellularräume.
e. Epidermis.
gb. Gefälsbündel.
r. Raphiden, A. prismatische Krystalle.
sp. Spaltöffnungen, a. Athemhöblen.
Fig. 1. Aeulsere Schicht eines Stückes der Basis eines Zwiebelblattes
von Allium fistulosum, durch Kochen in Kalilösung erweicht und
von dem inneren Parenchym befreit, die Milchsaft führenden
Schlauchgefälse im Zusammenhange zeigend, besonders die
Netzverbindung derselben am Grunde.
Fig. 2. Querschnitt eines jungen Zwiebelblattes mit zwei Milchsaft füh-
renden Schlauchgefälsen aus Allium Ascalonicum.
Fig.3. Querschnitt aus einem sehr jungen Blatt derselben Art, mit
Schlauchgefälsen, in denen noch kein Milchsaft sichtbar ist.
Fig. 4. Querschnitt der unteren Blattseite von Sprekelia formosissima.
Fig. 5. Perspectivische Ansicht der siebartig porösen Querwände zwi-
schen den Enden zweier Schlauchgefälse aus Allium Scorodo-
Pprasum.
Fig. 6. Flächen-Längsschnitt von der äufseren Seite eines Zwiebelblat-
tes von Allium sphaerocephalum, mit dem "Theil einer Schlauch-
gefälsreihe zwischen krystallführenden Parenchymzellen.
Eig. 7. Flächen-Längsschnitt aus der unteren Seite eines Laubblattes
von Allium Victorialis mit einem Schlauchgefäls.
Fig. 8. Theil einer Milchsaft führenden Schlauchgefälsreihe aus der
Zwiebel von Allium Ascalonicum, durch Kalilösung freigelegt, mit
einigen anhängenden Parenchymzellen.
Fig. 9. Dasselbe aus Allium Cepa; der Milchsaft ist in der Zeichnung
weggelassen, weil er durch das Kali zu stark verändert war.
Fig. 10. Stück eines durch Kalilösung freigelegten Krystalle führenden
Schlauchgefälses aus dem Stengel von Alstroemeria edulis
(Hort. Ber.); q. Ende desselben.
Fig. 11. Junge Schlauchzellenreihe aus dem Inneren eines noch nicht
entwickelten Stengelgliedes von Tradescantia Selloi, deren
oberste Zellen im Begriff sind, zum Gefäls zu verschmelzen.
Anm, Die vollständige Abhandlung wird mit einer grölseren Anzahl von
Abbildungen anderweitig veröffentlicht werden.
714 Gesammtsitzung
Hr. Schott machte eine mitteilung über den kinder-
mord in China.
Nachdem viele Europäer bei ausmalung dieses missbrauchs
elterlicher gewalt die farben offenbar zu dick aufgetragen, hat
der unlängst verstorbene russische mönch Hyacinth Bitschu-
rinski den missbrauch selbst beinahe vollständig geläugnet. Mit
dem wolerworbenen rufe des würdigen mannes sich deckend,
behaupten nun andere, der kindermord der Chinesen sei gera-
dezu eine durch leichtgläubige reisende und dumme missionare
verbreitete fabel. Wir tun jedenfalls am besten, wenn wir,
alle europäischen zeugnisse, mögen sie nun für oder wider lau-
ten, bei seite lassend, an die Chinesen selber unsere frage
richten. Da bietet sich uns denn z. b. in einem sammelwerke,
- Zn 7 z eu .
betitelt He Et KH Ngän se teng (d. i. finsteren hau-
ses leuchte), welches moralische abhandlungen oder tractate und
tractätlein sehr verschiedner aber durchweg heidnischer verfasser
enthält, ein solches erzeugniss mit der überschrift AK Yin %
— RE 2 3 . =
X Kidi ni niü wen d. i. ‘abmahnung vom ertränken der
töchter‘, als dessen autor ein herr Kuei ung fu au Wu
ling in C’ang te fu in der provinz Hu kuang genannt
wird. Diese “abmahnung’ giebt uns nun allerlei aufschluss über
die frage, insonderheit erfahren wir: 1) dass der kindermord
nicht nur keineswegs eine fabel ist, sondern selbst im innern
China ebenso wol, wie in den küstenstrichen practicirt wird,
denn Hu kuang, wo der verfasser geboren war und sein leben
zubrachte, ist eine binnenprovinz; 2) dass die praxis des ver-
brechens auch in Yu kuang stark genug sein müsse, denn der
verfasser sagt ausdrücklich, es seien ihm ‘unzählige fälle‘ vorge-
kommen; 3) dass man die kinder gewöhnlich durch ertränken
oder ersticken tödtet; von einer andern todesart ist wenig-
stens nicht die rede'); 4) dass alle oder doch die ungeheuere
mehrheit der getödteten kinder mädchen sind, da nicht bloss
!) In der Arte China des Pater Gongalves, wo einmal (s. 292—93)
gesprächsweise von einem Chinesen berichtet wird, dass seine ehefrau ir
viertes töchterlein durch ersticken getödtet habe, steht das zeichen xt
tu, welches eigentlich “verstopfen, verschliessen’ bedeutet.
’ g P
vom 17. November 1859. 715
in der überschrift sondern auch im ganzen texte nur von mäd-
chen die rede ist; endlich 5) dass sehr viele tractate über
denselben gegenstand damals schon vorhanden waren '). Über
die zeit der abfassung oder nur der herausgabe erhalten wir
übrigens keinen aufschluss.. Der hauptinhalt lässt sich etwa so
zusammenfassen: Vereinigung der geschlechter ist zur fortdauer
der menschheit notwendig und doch wirken so viele ir gewalt-
sam entgegen, indem sie ire weiblichen kinder tödten. Dies
geschiht bald aus blossem überdruss, weil einer familie mehre
oder viele töchter nach einander geboren sind, bald aus der
faulen besorgniss sie nicht ernähren oder versorgen zu können.
Aber kinder sind immer eine schickung und ein segen des him-
mels, mögen sie söhne oder töchter sein, und keiner wähne er
werde dafür dass er seine töchter getödtet hat, mit söhnen be-
schenkt werden. Seine kinder umbringen ist gleichbedeutend
mit einer auflehnung gegen die beschlüsse des himmels. Was
die versorgung der töchter betrifft, so behauptet der verfasser
kein beispiel zu wissen dass ein armes mädchen je ohne mann
geblieben sei”). Dann hebt er hervor dass, wenn alle men-
schen dem beispiel eines mörders seiner töchter folgten, die
ganze menschheit bald aussterben müsse; wer aber auf den un-
tergang der menschheit hinarbeite, den sollte der himmel bei
zeiten vernichten. Dazu kommt dass niemand vorher wissen
kann, ob er seinen töchtern nicht einst leben und wolergehen
verdanken wird: welch ein schade wär’ es gewesen wenn man
solche mädchen die ob irer geisteskraft, ires heldenmuts, irer
edeln selbstaufopferung geschichtliche personen geworden, als
kinder getödtet hätte, z. b. Mu lan, die statt ires vaters sich
bewaffnete und dem heere folgte, 7/ jung, die mittelst einer
von ir selbst verfassten schutzschrift iren (zum tode verurteil-
ten) vater rettete, und manche andere deren ruhm auf ire
') Diese bemerkung macht der herausgeber in einer note, worin er
zugleich sagt, die arbeit des Äuei c’ung fu sei allen übrigen vorzuzihen.
?) Wirklich mag dies in China viel seltner vorkomnien als bei uns,
da dort (freilich mit gewissen einschränkungen) vielweiberei gestattet ist
und der unvermögende Chinese seine töchter im schlimmsten falle als
kebsweiber verschiedner grade unterbringen kann.
716 Gesammtsitzung
eltern zurückgestralt! Man berufe sich nicht auf das recht der
eltern über leben und tod irer kinder, denn dieses recht kann
den mord nicht beschönigen. Selbst raubtiere und die verach-
tetsten insecten schonen ire brut, und soll der mensch dem
tiere sich sittlich unterordnen? Warum auch unschuldige säug-
linge für die unenthaltsamkeit irer eltern büssen lassen?!) —
Endlich droht noch eine zugabe mit schwerer vergeltung in
einem künftigen leben, einer vergeltung von welcher die stats-
religion nichts weiss, die aber der unter dem volke verbreitete
Buddhismus predigt.
Um dieser “abmahnung’ höhere autorität zu geben, wird
einleitend folgendes berichtet. Der verfasser wollte sein ma-
nuscript in holztafeln schnitzen lassen, um es dann (wie über-
haupt zu geschehen pflegt) durch abdrücke unter das volk zu
bringen; da erkrankte plötzlich sein xylograph (besser xylo-
glyphe) und so schlief die sache wieder ein. Aber der grosse
genius X = en 21 Wen ang ti’ kiun, der schutz-
patron aller gelehrten und schriftsteller, welcher von Kuei
Cung fu’s vorhaben kenntniss genommen hatte, liess ihm
durch einen freund bedeuten dass man etwas gutes nie
halb tun dürfe, und ihm die vollendung der drucktafeln drin-
gend ans herz legen. Als Kuei Cung fu demzufolge sein
schon lange in einen kasten verwiesenes manuscript wieder her-
vor holte, fand er zu seinem masslosen staunen dass Wen
ang höchsteigenhändig (also mit unsichtbarer geisterhand)
einiges hinzugesetzt hatte. Jetzt liess der irdische verfasser
den text vollends in holz schnitzen und in vielen tausend ab-
drücken verbreiten, wofür ihn der himmel nachmals durch eh-
renvolle beförderung eines sohnes und eines enkels belohnte.
1) In einer note erhält das der materie verfallene publicum folgenden
ebenso wolgemeinten als sonderbaren rat: “Man enthalte sich in jedem mo-
nat nur sieben tage seines weibes, und zwar die ersten sieben
tage nach dem aufhören irer monatlichen unpässlichkeit.
An den übrigen tagen ist die öffnung der bärmutier verschlossen und es
findet keine empfängniss statt.’
wu
vom 17. November 1859. 717
Des vorgeordneten Herrn Ministers Exc. benachrichtigt die
Akademie unter dem 9. November, dafs ihrem Antrage gemäls, dem
Hrn. Prof. Rosenhain zu Königsberg, behufs der Herausgabe der
von Hrn. Jacobi unserm verstorbenen Mitgliede hinterlassenen
mathematischen Arbeiten, ein Urlaub für das Wintersemester
18% ertheilt sei. Zugleich genehmigt derselbe den zu den Kosten
der Reise nach Berlin und des Aufenthaltes hierselbst beantragten
Beitrag von 300 Rthirn. aus den akademischen Fonds.
Unser auswärtiges Mitglied Hr. Professor Welcker in
Bonn feierte am 16. October sein Jubiläum. Die Akademie
hatte ihm zu demselben das folgende Beglückwünschungsschrei-
ben übersandt:
„Bei der Feier des Tages, an welchem Sie, hochzuvereh-
render Herr, vor funfzig Jahren in das Amt eines Professors
der Alterthumskunde eintraten, kann die Akademie der Wissen-
schaften es sich nicht versagen, Ihnen, als einem lieben Genos-
sen, die wärmsten Glückwünsche darzubringen. Als die Aka-
demie Sie gleichzeitig mit Friedrich Creuzer am 11. März
1846 als auswärtiges Mitglied ihrer philosophisch-historischen
Klasse in ihre Mitte aufnahm, wollte sie hiedurch ihre Aner-
kennung des Wertbes und der Bedeutung aussprechen, welche
Ihre vieljährige Wirksamkeit für die Entwickelung der Wissen-
schaft gewonnen hatte. Diese Bedeutung vergegenwärtigt sich
die Akademie bei der jetzigen Fesifeier.
Es war Ihnen vergönnt gewesen, schon in der Jugend auf
elassischem Boden zu weilen und unmittelbare Anschauung zu
gewinnen von den Lebensbedingungen, unter welchen die alte
Literatur und Kunst emporwuchs. In Rom, an Zoega’s Seite,
hatten Sie die Reste antiker Kunst schauen und deuten gelernt;
und die Sprache, welche in Wort und Bild der classische Geist
zu uns redet, war Ihnen verständlich geworden. Die ersten
Eindrücke waren für die Auffassung Ihrer Lebensaufgabe ent-
scheidend. Die leere Form, die äulsere Schale konnte dem
nicht genügen, der von dem Kern gekostet. Das innige Erfas-
sen des Alterthums mit dem ganzen Gemüth, die Aufnahme der
classischen Gebilde in die eigene Seele ist es, wodurch Sie in
718 Gesammtsitzung
Forschung und Lehre eine eigenthümliche heilsame Einwirkung
auf die Entwickelung der Alterthumskunde ausgeübt haben.
Stets jugendlichen Geistes der Jugend zugewendet, voll Liebe
zur Wissenschaft wie zum Vaterlande, haben Sie die Blüte der
Rheinischen Hochschule seit ihrem Beginn vier Jahrzehnde hin-
durch gepflegt und gefördert, ihre wissenschaftlichen und Kunst-
schätze bereichert und nutzbar gemacht, und gemeinsamen litte-
rarischen Unternehmungen hingebend sich angeschlossen. In
Ihren zahlreichen Schriften, möge es sich um antike Denkmäler
handeln, die Sie mit feinem Kunstverständnils auslegten, oder
um Epos, Lyrik und Drama, deren inneres Gesetz und organi-
sche Gliederung Sie erforschten, oder um die griechische Göt-
terlehre, welche Sie sinnvoll ergründeten und zusammenfafsten,
immer ist es derselbe warme Lebensodem des classischen Alter-
thums, von dem Sie durchdrungen auf Andere belebend und er-
weckend einwirkten. Hohe sittliche Würde machte es Ihnen
zum Bedürfnils, von Allem, was Sie für schön und edel erkannt,
das Gemeine fern zu halten. So ward Ihnen die Ehrenrettung
der griechischen Dichterin zur Herzenssache.
In diesem Sinne gleich einem Zeitgenossen in Hellas und
Rom lebend, denkend und fühlend, hatten Sie der Erkenntnifs
und Lehre classischer Litteratur und Kunst schon ein Menschen-
alter hindurch Ihre Kräfte gewidmet, als Sie in der Reife des
Mannesalters Athen wie eine Heimat betraten und dort wie in
Rom die Macht der lebendigen Eindrücke auf sich einwirken
lielsen, zur schönsten Vollendung und Belebung der daheim ge-
wonnenen Einsicht. Möge der Jugendhauch, der von jener Hei-
mat des Schönen herweht, Sie noch lange erfrischen und er-
heitern!”
Es wurde heut die Antwort vorgelesen:
„Nachdem die Königliche Akademie der Wissenschaften
schon vor vielen Jahren mir die Ehre erwiesen hatte, mich als
auswärtiges Mitglied in ihre Mitte aufzunehmen, mufste ich
glauben auf die höchste Stufe der Anerkennung meiner wis-
senschaftlichen Arbeiten erhoben zu sein. Anerkennung, aus-
gesprochen oder nur empfunden, wie sie auch ohne gelflissent-
liches Aufsammeln und Deuten ihrer Zeichen wohl immer ge-
fühlt wird, ist wie ein gutes Klima für das wissenschaftliche
vom 17. November 1859. 719
Leben und Thun, da sie zu verfehlen wie drückende trübe Luft
die geistige Thätigkeit und Regsamkeit niederhalten muls. Wel-
chen Ki:druck daher jene nicht gewöhnliche höchste Auszeich-
nung durch den Beschluls der Königlichen Akademie natürli-
cherweise auf mich machen mufste, bedarf keiner Auseinander-
setzung. Es ist mir zugleich seither ein grolser Genuls gewesen,
mit denjenigen ihrer Mitglieder, die mir vorher schon ihre
Freundschaft geschenkt hatten, fernerhin auch durch das colle-
gialische Band verbunden zu sein, und durch dies auch mit
denen welchen ich persönlich fern stand und die ich in An-
sehung ihres wissenschaftlichen Ruhms und Verdienstes nur aus
der Ferne, in patriotischem Stolz und nach dem wissenschaft-
lichen Gerüchte, das zu Draulsenstehenden dringt, verehren
konnte. Jetzo, da mir von wohlwollendsten Fachcollegen, mit
einem ganz ungemeinen und für mich höchst rührenden Eifer
ein Jubiläum veranstaltet wurde, hat auch die Königliche Aka-
demie an diesem ihre Theilnahme in einer Weise gegönnt, wo-
durch nicht blofs die frühere günstige Beurtheilung sanctionirt,
sondern damit eine neue, noch höhere Ehrenerweisung ver-
knüpft wird. Die Art womit dieselbe in ihrer Zuschrift meine
Bestrebungen in Zusammenhang setzt, lälst mich ein wohlwol-
lendes liebevolles Eingehen klar erkennen. Dies Wohlwollen
ist ein Goldgrund, welcher eine lebhaftere Farbe des Ausdrucks
nach sich zieht, und so vermag ich das harmonische Ganze un-
beschämt hinzunehmen mit Freudigkeit und reinster und innigst
ergebener Dankbarkeit.
Bonn, 6. Nov. 1859. F. G. Welcker.”
Hr. Prof. E. H. Weber in Leipzig spricht seinen Dank
für seine Erwählung zum auswärtigen Mitgliede in einem Schrei-
ben unter dem 12. November aus, welches heute vorgelegt
wurde. Sowie in gleichem Sinne sich Hr. Kummer von Sei-
ten des Hrn. Prof. Grunert äulsert für die Bewilligung des
Monatsberichts.
Hr. v. Olfers überreichte mehrere Exemplare seiner bei
der Einweihung des Denkmals von Winkelmann zu Stendal
gehaltenen Rede.
[1859.] 51
720 Gesammtsitzung
Die Preisaufgabe der K. K. Akademie zu Wien: Würdi-
gung Schillers in seinem Verhältnisse zur Wissenschaft, nament-
lich zu ihren philosophischen und historischen Gebieten (Ein-
sendungstermin der 10. November 1860), wird zur Kenninils
der Akademie gebracht.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Atti dell’ Accademia pontificia de’ nuovi Lincei. Anno XII, Sessione 4.
Roma 1859. 4.
Mnemosyne. Vol. VII, Pars 4. Lugd. Bat. 1859. 8.
Madras Journal of literature and science. Vol. IV, no. 7. Madras
1859. 8.
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Vol. XVII. Lon-
don 1859. 8.
Memoirs of the Royal Astronomical Society. Vol. XXVI. London
1859. 4.
Revue archeologique. Annee 16, Livr. 9. Paris 1859. 8.
Memoires de la societe royale des sciences de Liege. Vol. XIV. Liege
1859. 8.
Verhandlungen der physikalisch-medizinischen Gesellschaft in Würzburg.
10. Band, Heft 1. Würzburg 1859. 8.
Oeuvres de Schiller. Traduction nowvelle par Ad. Regnier. Tome 2.
3. Paris 1859. 8. Ueberreicht von Hrn. A. Weber.
Giambattista Massone, Prima relazione quinquennale dell’ Accademia
medico-chirurgica di Genova. Genova 1859. 8.
Henri Martin, Examen d’un probleme de Theodicee. Paris 1859, 8.
Verzeichnifs der zur hundertjährigen Geburtstagsfeier Schiller's im Saale
der Kgl. Akademie aufgestellten Bildnisse, Handschriften, Drucke
und Erinnerungen. Berlin 1859. 8.
24. Nov. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Dove las über die Darstellung der Wärme-
Verbreitung der nördlichen Halbkugel der Erde, mit
Vorlegung von dreizehn Isothermekarten in der Polarprojection.
vom 24. November 1859. 721
Hr. Jacob Grimm las über die lautumstellung.
Die lautverschiebung, wie man weisz, hat es nur
mit den stufen der stummen consonanten zu thun, deren grund-
beschaffenheit dadurch nicht angegriffen wird: die laute jedes
organs schieben sich wie auf den schienen einer bahn fort
und erscheinen, nach fester regel, in bestimmter stellung
hintereinander. flüssige laute kommen dabei in keinen betracht,
sie können fehlen oder vorhanden sein, ohne auf das gesetz der
schiebung einflusz zu äuszern.
Nun erzeigt sich aber in den sprachen etwas anderes, da-
von verschiednes, welches ich lautumstellung nennen will,
wobei gerade liquidae die rolle spielen, indem sie sich selbst
drehen oder um ihren angel andere laute drehen lassen. vor-
zugsweise waltet hier das R, dessen flüssigkeit im sanskrit so-
gar vocalische natur annimmt und zu RI wird, ar scheint sich
erst in ir zu schwächen, dann in ri umzustellen. so sehen wir
noch mhd. die partikel er zu re werden und in der mitte zahl-
loser wörter ar und ra, er und re tauschen, bersten ist gleich-
viel mit bresten, ags. irnan, arn mit rinnen, rann; Adarna mit
Adrana; finnisches parmas, tabanus mit ahd. prämo, unserm
bremse; lit. pirmas mit lat. primus, goth. fruma; unser arm sl.
ramo; unser erbe sl. rab; goth. haurds mit lat. crates; lat. ter-
. . . . ’ . R,
nus mit trınus, tertius mıt gr. Fgtros, unserm dritte; #agÖl,
_goth. hairtö mit zgaöie; finn. varpuinen, ungr. vereb, sperling
mit poln. wrobel; goth. vargs mit sl. vrag, skr. vrka und so
weiter, ja die flexionen eines und desselben worts können um-
gestellt werden, wie gr. ö:gzw in @ögezov. Da nun R und L
sehr oft untereinander wechseln, wird man von selbst ähnliche
‚metathesen auch bei L erwarten, wofür wiederum einige bei-
‚spiele genügen, unser kalt ist sl. chlad, chtod; unser gold, goth.
gulp sl. zlato; lat. calmen, unser holm sl. chlum; ahd. malz,
zart, preusz. maldas, sl. mlad; Elbe, Albis sl. Labe; ahd. alpiz sl.
labud; unser milch sl. mleko u. s. w. Schon seltner zeigt
‚sich umgestelltes N. unser an wird im sl. zu na, man könnte
‚denken, dem alten vollen ana sei das erste a abgefallen, doch
‚dem ist nicht so. aus der alten negation ne entsprang mhd. en
und das verneinende lat. in vor dem nomen, unser un musz
gleichfalls auf ni zurückgehn, denn alle entsprechenden sl. no-
Eh
722 Gesammtsitzung
mina haben das praefix ne, poln. nie. unser minne gleicht dem
gr. porn, folglich unser goth. man, lat. memini dem gr. pvaouaı,
minnen. umstellungen des M scheinen, was werkwürdig ist, gar
nicht vorzukommen, also für am, im kein ma, mi.
Die lautumstellung überrascht dann am meisten, wenn der
anlaut mit dem auslaut wechselt und dadurch die ganze natur
des worts verkehrt scheint. arm und ram, alb und lab fallen
minder auf, weil der auslaut unverändert beharrt, dagegen würde
mar für arm, bal für lab befremden und den sinn der ausdrücke
verdunkeln. gleichwol liegt ein solcher tausch den sprachorga-
nen an sich nicht fern, wie man unter dem volk gewahr wird,
das ihm unverständliche ausländische wörter auf solche weise
umzuwandeln pflegt, z. b. aus locomotiv mocolotiv macht. Wer
nun bei der sprachvergleichung näher oder ferner verwandte
sprachen zusammenhält, dem können und dürfen einzelne fälle
solcher lautumstellungen nicht entgehen, ein jeder derselben ist
gleichsam ein linksgemachter und verkehrter handschuh, der die
natur des worts entstellt.
Bekanntlich sind lat. forma und gr. #oody schon oft zu-
sammengehalten worden und die heutigen etymologen lachen
darüber. in der that läszt sich auch forma gar nicht aus mogdn
herleiten, da es seine genügende abkunft aus fero hat; eher müste
sich das wurzellose und undeutbare gr. wort bequemen, aus dem
lat. forma oder dem ähnlich lautenden ausdruck eines andern uns
jetzt nicht mehr bekannten idioms umgestellt zu sein. denn die
umstellung selbst wird vollkommen durch ähnliche beispiele ge-
rechtfertigt und braucht keine träumerei zu heiszen.
Ich will ihr ein anderes, noch wenig bemerktes, aber auf-
fallendes und unsere sprache unmittelbar betreffendes beispiel an die
seite setzen. zwischen unserm erde, goth. airpa und dem lat. terra,
keltischen tir tritt gleiche umstellung ein, sogar wird sie durch
einstimmende lautverschiebung bestätigt, da lat. tenuis t in goth.
aspirata th, hochdeutsche media übergehen musz, so dasz unserm
erde ein lat. erta, keltisches irt vollkommen entspräche oder um-
gekehrt dem lat. terra ein deutsches dera, das rr wird sich aus ri
deuten. was sich für die deutung der wurzel aus diesen gleichun-
gen entnehmen liesze, musz hier übergangen werden.
vom 24. November 1859. 723
Wie mag man lat. cornu, unser horn und sl. rog, lit. ra-
gas unter einen hut bringen? die lautumstellung gibt mittel und
weg an hand. einmal ist das n als späterer zusatz abzuschnei-
den, cor, hor und rog, rag treten einander nahe, h ist lautver-
schobenes c und auch sl. lit. g müssen dem lat. gutturallaut
gleich sein, rog erscheint = gor = cor.
Die lit. sprache verglichen mit unsrer deutschen gewährt
andere, einleuchtende beispiele. lit. darbas, lett. darbs arbeit ist
nichts anders als das umgestellte deutsche wort, goth. arbaips,
sl. robota und die uralte berührung dieser drei zungen geht
daraus klar hervor. robota, rabota scheint die wahre gleichung
mit arbaip, wie sich rob, rab und arbja, erbe gegenüber stehn,
das sl. t musz goth. th sein, die Littauer haben aus t ein d ge-
macht, und es in den anlaut gestellt. darb und arbeit, arbt ver-
halten sich ganz wie terra und erde, wie Mogbr, und forma.
Das lit. darz’as, lett. dahrs, gen. dahrsa, ist unser garte,
goth. gards, eigentlich eingeschlosznes grundstück, hof. z’ wird
ausgesprochen wie franz. j, also gerade wie in jardin, also wäre
darz’as = darjas, dargas, umgestellt aus gardas. die lit. sprache
bewahrt neben darz’as auch noch das unumgestellte z’ardis in der
“engeren bedeutung eines umzäunten ortes für rosse, wie wir
rossgarten, stutgarten sagen. die gleichung darz’as und garte
unterliegt keinem zweifel.
Aus derselben wurzel des einschlieszens, umgebens, lat.
cingere ist uns das wort gürtel, cingulum hervorgegangen, wel-
chem wiederum das lit. dirz’as und dirz’elas, dirz’elis zur seite
tritt. dadurch wird die von darz’as gegebne erklärung noch
fester. darz’as und dirz’as sind die umgekehrten handschuhe.
Hieran genüge vorläufig. solche umstellungen können frei-
lich in der etymologie gemisbraucht werden, verrathen uns aber
einen eignen trieb oder zug der sprache, dessen wir uns nicht
entschlagen dürfen.
Zufolge des in einem Schreiben des Hrn. Prof. Ritschl
in Bonn vom 16. November ausgesprochenen Wunsches willigt
die Akademie ein, dafs für die Bonner Universitäts- Druckerei
Abgüsse der ihr zugehörigen Matrizen der griechischen und la-
724 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 28. Nov. 1859.
teinischen Inschriften-Schrift, namentlich der in dem Corpus In-
scriptionum Graecarum in Anwendung gekommenen gemacht
werden.
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Süls, Die Wohnsitze der Brachiopoden. Wien 1859. 8.
Jeanjaquet, Phenomenes celestes resultant de la transmission succes-
sive de la lumiere. Neuchatel 1859. 8.
Revue archeologique. A6me annee, livr. 10. Paris 1859. 8.
Transactions of the mining Institute of Victoria. Vol. 1. Melbourne
4859. 8. Mit Schreiben des Hrn. Brache, d. d. Melbourne
16. Juni 1859.
Il nuovo Cimento. Tomo X, Juli— Sept. Pisa 1859. 8.
Turazza, Teoria dinamica del calorico. Venezia 1859. 4.
Heis, Observationes de splendore stellae Mirae Ceti ab anno 1840 ad,
annum 1859 institutae. Monasterii 1859. 4.
Bildliche Darstellung der zu Münster vom 1. Dez. 1857 bis
30. Nov. 1858 angestellten meteorologischen Beobachtungen. Mün-
ster 1859. 4. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers vom 15. October
1859.
A.D. Bache, Maps published at the Office of the Coast Survey, no.
1—13. Washington 1859. folio.
28. Novbr. Sitzung der philosophisch-hi-
storischen Klasse.
Hr. Dirksen las: Römisch-rechtliche Nachweisun-
gen in den Schriften der lateinischen Epistologra-
phen, aus dem Zeitalter der christlichen Römischen
Kaiser.
—IN ES —
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat December 1859.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Encke.
1. Decbr. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Rammelsberg las über die Zusammensetzung
einiger seltneren Mineralien des Vesuvs, und verband
damit Bemerkungen über Isomorphie und Hetero-
morphie bei Silicaten.
Es wurden demnächst die Berichte über die während des
Arbeitsjahrs vom November 1858 bis Ende October 1859 für
das Corpus Inscriptionum Latinarum ausgeführten Vorarbeiten
vorgelegt, nachdem dieselben der philosophisch-historischen Klasse
bereits in der Sitzung vom 28. November vorgelegen hatten. —
Die Hrn. Henzen und de Rossi — der durch eine Reise ver-
zögerte Bericht des Letzteren war nachträglich ebenfalls noch
eingegangen — berichteten über die in Rom während des an-
gegebenen Zeitraums ausgeführten Arbeiten, die, nachdem die
in den Museen vorhandenen Steine fast sämmtlich copirt wor-
den sind, sich hauptsächlich auf den handschriftlichen Ap-
parat wandten und zugleich bereits das gedruckte Material in
Angriff nahmen. Die sehr umfassenden Inschriftenmanuscripte der
Vaticana und Barberina sind ziemlich bis auf die Revision voll-
endet; aufserdem wurden diejenigen der Chigiana, deren Be-
nutzung der Fürst Chigi unter Vermittelung des Hrn. von
Reumont bereits im vorigen Jahre gestattet hatte, durch
[1859.] 52
726 Gesammtsitzung
die aufopfernde Thätigkeit des Bibliothekars derselben, Hrn. An-
tonioFea, grolsentheils für das Corpus abgeschrieben. Von gro-
[sem Interesse war ferner eine von Hrn. P. E. Visconti mit-
getheilte ligorianische Handschrift, die der frühesten Periode
dieser eigenthümlichen Inschriftenfabrik angehört und manche neue
Aufschlüsse über dieselbe giebt, so wie die Zusammenbringung
des freilich mehr massenhaften als inhaltsreichen handschriftlichen
Apparats des Teofilo Gallaccini ven Siena, mit dem Hr. Rossi
unter Anderm sich beschäftigt hat. — Hr. Mommsen erör-
terte die besondren Umstände, die den Beginn des Druckes
hinauszuschieben genöthigt hatten, indem er zugleich anzeigte,
dafs die Hindernisse seit Kurzem überwunden seien und den er-
sten Bogen im Correcturabzug vorlegte. — Die in der Lithographie
vollendeten prisca monumenta Latinitatis waren bereits früher von
Hrn. Ritschl eingesandt und der Akademie vorgelegt worden.
Ein Schreiben des Hrn. Dr. Lucke, Arzt am Stadtkran-
kenhause von Zütphen, meldet unter dem 28. November, dals
er im Dienste der Königl. Niederländischen Regierung im An-
fange des Jahres 1860 als Arzt nach den Holländischen Be-
sitzungen an der Westküste von Afrika gehen werde, und
wünscht Aufträge und Instructionen für naturwissenschaftliche
Zwecke. Es wird der physikal.-mathematischen Klasse zugewie-
sen, damit die Mitglieder derselben die dargebotene Gelegenheit
benutzen können.
An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur-
den vorgelegt:
Leifert, Die heilige Ida. Münster 1859. °8. Mit Schreiben des Hrn.
Verfassers, d. d. Ostinghausen 12. Nov. 1859.
Freiherr von Gabelentz, Sprachwissenschaftliche Fragmente. Zweiter
Theil, Heft 1. Leipzig 1859. 8.
P. Vergilii Maronis Opera. Vol.I. Recensuit Otto Ribbeck. Lip-
siae 1859. 8.
Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge. 3.
Band, 3. Heft. Kronstadt 1859: 8.
DRRe =
vom 8. December 1859. 727
Annales de ghimie et de physique. Octobre. Paris 1859. 8.
Journal für reine und angewandte Mathematik. 57. Band, Heft 2. Ber-
lin 1859. 4.
Jahrbuch der K. K. Geologischen Reichsanstalt. 10. Jahrgang, no. 2,
Wien 1859. 8.
Hörnes, Die fossilen Mollusken des Tertiärbeckens von Wien. II. Band.
Bivalven. Wien 1859. 4.
8. Decbr. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Magnus las über die Veränderung der Flüs-
sigkeit in der Nähe der Elektroden.
Hr. Ehrenberg las über das Leuchten und über
neue mikroskopische Leuchtthiere des Mittelmeeres.
Im Jahre 1834 habe ich der Akademie eine ausführliche
Geschichte und Übersicht des Meerleuchtens vorgetragen und
derselben neue eigene Beobachtungen aus dem Mittelmeere bei
Aegypten, aus dem rothen Meere, so wie der Nordsee und Ost-
see, auch eigene Erfahrungen aus dem caspischen Meere hinzu-
gefügt. Dieser Vortrag ist in den Abhandlungen der Akademie
jenes Jahres gedruckt erschienen. Es ergaben sich aus meinen
damaligen Ermittelungen 505 Arten lichtentwickelnder lebender
Thierformen und 27 Arten leuchtender lebender Pflanzenformen.
Zum Meeresleuchten wirkten 107 verschiedene Thierformen mit.
Ich habe die seit diesen nun 25 Jahren erschienenen vielfachen
späteren Nachrichten stets verfolgt und gesammelt und habe
neuerlich Gelegenheit gesucht und gehabt, auf zwei Reisen nach
Neapel und Triest neue Beobachtungen den früheren hinzuzu-
fügen. Diese Beobachtungen erlaube ich mir mitzutheilen und
das Neuhistorische in einem kurzen Auszuge im Wesentlichen
zuzufügen.
Im Allgemeinen und im Voraus kann ich bemerken, dafs
die von mir vor 25 Jahren vorgelegten Resultate heut noch
überall in ihrer Geltung sind. Das Meeresleuchten wird auch
heut noch in seinen grolsen auffallenden Erscheinungen als von
32r
728 Gesammtsitzung
Lebensformen und zwar von Thierformen bedingt angesehen und
die physikalische oder chemische Vorstellung, obwohl hie und
da noch in Anregung gekommen, hat auch bis heut in keinem
einzigen Falle eine scharfe Begründung erhalten. Ja es hat sich
immer mehr befestigt, dafs die anregendsten Lichterscheinungen
im Meere, welche nicht vereinzelte Lichtfunken, sondern das
Aufblitzen und wiederholte blendende Licht grofser Flächen be-
treffen, ein Produkt fast oder ganz unsichtbar kleiner Organismen
sind. Auch ist die Analogie der Lichtentwickelung bei diesen
kleinsten Lebensformen, wie bei den grölseren, mit electrischen
Entladungen, welche damals von mir hervorgehoben wurden,
noch heut das wahrscheinlichste ursächliche Element.
Vom historischen Nachtrage sei hier nur in Kürze erwähnt,
dafs, obwohl die ältesten Nachrichten der vorchristlichen Zeiten
in Fabeln und allgemeine Ausdrücke gehüllt sind, welche 1834
ebenfalls berücksichtigt wurden, doch auch aus jener Zeit ;
schon das massenhafte Licht unsichtbarer Formen als das auf-
fallendere erscheint. Man hielt zwar nach Aelian im Alterthum
das Meeresleuchten für die Tod bringende Aglaophotis - Pflanze,
kannte aber nach Plinius schon das unschuldige Licht der Me-
dusen (Pulmo marinus). Weit früher war man schon aufmerk-
sam auf den Lichtschein der ganzen Meeresfläche oder das Auf-
blitzen des Meeres gewesen. Schon Hesiods und Homers Ne-
reide Maera hält Alexander von Humboldt neuerlich im
zweiten Theil des Kosmos 1847 p. 104 für einen Ausdruck phos-
phorischen Meeresleuchtens, wie Maig« auch den funkelnden
Hundsstern bedeute. Auf die altgriechischen sonderbar harmo-
nirenden Worte kaum und Aare, Meeresschaum und Leuch-
ten, habe ich schon ehemals aufmerksam gemacht und Livius
führt das grofsartige allgemeine Meeresleuchten schon aus vor-
christlichen Zeiten unter den portentis mit den Worten an:
mare arsit oder: littora crebris fulserunt ignibus. In diesen Fäl-
len ist an Medusen nicht zu denken, vielmehr an häufiges Auf-
blitzen der Flächen beim Luftzug oder beim Ruderschlag. Erst
868 nach Christus ist von den arabischen Reisenden Wahab
und Said auch aus dem chinesischen Meere dergleichen beob-
achtet und berichtet worden. Dafs es bei der Entdeckung Ame-
rikas so wenig zur Sprache gekommen sein sollte, war mir im-
vom 8. December 1859. 729
mer auffallend geblieben. Es liefs sich aber durch die damaligen
Schiffe erklärlich finden, deren hoher Bord ungünstig für den
Gesichtswinkel war und eine zu hohe Stellung gegen die Mee-
resfläche gab, wie gewöhnlich auf den Schiffen die Erscheinung
weniger imponirt als auf Ruderböten. Dennoch fand ich auch
in Washington Irwings Geschichte jener Zeit, dafs es Colum-
bus 1502 auf der vierten Entdeckungsreise bei Puerto bello im
Isihmus von Panama angemerkt hat. Es heilst: Das Meer gohr
zuweilen wie ein siedender Kessel, dazu lief es wieder in schaum-
bedeckten Wogen zu Berge. Nachts glichen die tobenden Wel-
len grolsen Flammen durch die leuchtenden Theilchen veranlafst,
welche die Oberfläche des Wassers in diesen Seen und im gan-
zen Lauf des Golfstromes bedecken. Geschichte d. Lebens und
d. Reisen des Chr. Columbus, deutsch, Bd. 3. p. 208.
Was nun die specielleren auf die lichtgebenden Bedingun-
gen und Gegenstände im Mittelmeere gerichteten Beobachtungen
anlangt, so sind erst seit 1672 dergleichen bekannt gemacht.
Der Jesut Athanas. Kircher verwechselte noch 1640 in
seinem Werke Ars magna lucis et umbrae das Leuchten der
lebenden Thiere mit dem der todten und die von ihm aufge-
zählten Thierarten sind meist ausdrücklich in der Fäulnils leuch-
tend. Imperati 1672 und Boccone 1684 haben erst meh-
rere lebende Leuchtthiere des adriatischen Meeres sorgfältiger
bezeichnet, scheinen aber das Aufblitzen grofser Flächen des
Meeres entweder nicht erfahren zu haben, oder als von ande-
ren Ursachen abhängig angesehen zu haben. Die erste neuere
Nachricht eines grofsen Meeres-Brandes, deren ähnliche offenbar
in den ältesten historischen Zeiten als schwer zu sühnende Göt-
terzeichen, portenta, vorgekommen waren, ist aus der Nähe des
Mittelmeeres vom Jahre 1686 bei Cadix, also noch im atlanti-
schen Meere, doch nahe beim Eingange ins Mittelmeer. Die
Pariser Akademie der Wissenschaften bielt die ihr damals zuge-
kommenen Nachrichten für eine Fabel, publicirte dieselben aber.
Ein Resultat über die Ursachen dieser grolsen Erscheinung war,
ungeachtet der 14tägigen Dauer derselben, nicht gewonnen wor-
den. Man kann jetzt mit grofser Wahrscheinlichkeit daraus
schlielsen, dals es lebende mikroskopische dicht gedrängte Leucht-
Elemente waren. Damals beruhigte man sich wohl mit der
730 Gesammtsitzung
Vorstellung, es sei ein leuchtender todter Schleim von Fi-
schen. ,
Ferrari und Messer di Bibbiena beobachteten den
Wiederschein des Meeres im Finstern, wie sie es nannten, bei
Lucca 1713.
Vianelli und Nollet beobachteten leuchtende Nereiden
bei Venedig 1749 und 1750. Beccari, Monti und Galeati
machten 1724 wichtige und ausführliche Beobachtungen über
das Leuchten der Pholaden im adriatischen Meere. Im Jahre
1766 beobachtete Fougeroux de Bondaroy Leuchthiere bei
Venedig, die er auf Fucus fand. Im Jahre 1785 sagt Joseph
Meyer aus Prag, dals die Bewohner Venedigs das Leuchten des
Meeres nach jedem ruhigen Tage erwarten. Er seihete das
Wasser durch, was das Leuchten schwächte, hielt aber die Er-
scheinung doch für Insolation.
Spallanzani machte 1785 und 1793 viele Beobachtungen
über Meeresleuchten aber nur von Medusen bei Genua und
Messina. Viviani, Professor in Genua, und Ducluzeau von
Montpellier machten 1805 neue Beobachtungen über das
Leuchten im Ligustischen Meere und besonders der erstere hat
14 bisher unbekannte Leuchtthiere erkannt, die jedoch sämmt-
lich noch mit blofsem Auge zugänglich waren. Im Jahre 1810
erwähnt Risso bei Nizza leuchtende Fische. Im Jahre 1821
sah Rudolphi in Neapel nur todte Krebse und Scomber in der
Luft leuchten.
Zuerst 1828 spricht der überaus fleilsige und mannichfach
verdiente Prof. Delle Chiaje in Neapel von leuchtenden In-
fusorien im dortigen Golf, ohne dieselben namentlich zu be-
zeichnen, und hält diese, weniger glücklich sogar für die Ver-
anlassung des Leuchtens der Salpen, spricht auch vom eigenen
Lichte der Pyrosomen und Bero@n. Kurz vorher 1826 und im
selben Jahre waren Bory de St. Vincents gegnerische nicht
mit binreichenden Beweisen unterstützte Streitigkeiten beson-
ders gegen Peron in dem Dictionn. classique d’hist. nat. Art.
Mer et Phosphorescence de la mer bekannt gemacht worden.
Im Jahre 1830 sagt auch Tiedemann, dafs er im adria-
tischen Meere leuchtende Infusorien gesehen, nennt aber eben-
falls weder Arten noch Genera. Im Jahre 1836 sandte mir
vom 8. December 1859. 731
Dr. Foeke in Bremen eine briefliche Nachricht über seine
Beobachtung des Leuchtens der Synchaeta baltica im Meere
bei Venedig, eines von mir 1834 benannten Leucht-Räderthier-
chens, wovon ich der Berliner Naturforschenden Gesellschaft
damals Mittheilung machte, welche auch in dem 1838 erschie- |
nenen Werke: Die Infusionsthierchen, aufgenommen ist.
Im Jahre 1838 berichtete Dunal über die Phosphorescenz
des Meeres bei Montpellier, ohne jedoch die Ursache specieller
zu erläutern. Im Jahre 1841 erklärte auch Nicolucei das
Meeres-Leuchten der lebenden Thiere bei Neapel für eine Wir-
kung der Elektricität. Im gleichen Jahre bemerkt der Reisende
in Afrika Hr. Russegger in seiner Reisebeschreibung, dals das
Leuchten des adriatischen Meeres bei Triest ziemlich erwiesen
thierischer Natur sei, es bedürfe aber dazu der Reibung. Diese
Darstellung ist nur speculativer und relatorischer Art, da spe-
cielle Beobachtungen nicht angezeigt werden. Dr. Well in
Erlangen hat im Jahre 1844 mehrere leuchtende Crustaceen
und Würmer aus Triest beschrieben und zuletzt hat Johannes
Müller in der Berliner Naturforschenden Gesellschaft 1854
und in den Monatsberichten der Akademie 1855 als Haupt-
- Leuchtihierchen bei Messina die freie und encystirte Nocziluoa
miliaris bezeichnet.
Diels sind die wesentlichen mir zugänglich gewesenen bis-
berigen Kenntnisse vom Meeresleuchten im Mittelmeer.
Eigene Beobachtungen über das Meeresleuchten bei
Neapel, Sorrento und Ischia.
Als ich im vorigen Jahre 1858 auf einer Reise in das süd-
liche Italien mich in Neapel befand, nahm ich im August und
September die Gelegenheit wahr verschiedene Beobachtungen
über das Meeresleuchten anzustellen. Leuchtete auch das Meer
nicht immer bei jedem Ruderschlage oder in jedem Glase voll
geschöpften Wassers, so waren doch einige mir dort vorge-
kommene Leucht- Verhältnisse von der auffallendsten und herr-
lichsten Art. In anderen und fast allen Fällen, wo ich Fucoi-
den vom Meeresboden entnahm, waren einzelne hellleuchtende
Lichtpunkte im Dunkeln wahrnehmbar, die oftmals freilich
leicht übersehen worden wären. In Neapel selbst war
732 Gesammtsitzung
das Meer am 22. August so überraschend und in der gan-
zen Zeit meines Aufenthaltes daselbst leuchtend, dafs es eine
der anregendsten Erinnerungen meiner sämmtlichen Erfahrungen
bildet und eine der freudigsten Ergötzungen meiner mich be-
. gleitenden Familie war. Gleichzeitig erfreuten sich mit uns der
Präsident desK. Kammergerichts Hr. v. Strampf, der viel geübte
sehr eifrige mikroskopische Forscher Berlins, samt dessen Gemahlin,
der Justizrath v. Tempelhoff und das Mitglied dieser Akademie
Hr. Rammelsberg. Schon vom Ufer aus in den Promenaden
der Stadt an der Santa Lucia erschien das Meer am späten Abend,
während die feurige Lava in vieltheiligen Lichtmassen vom Ve-
suv her glänzte, stellenweis zuweilen hell aufleuchtend und jeder
Kahn, selbst in weiter Ferne, brachte durch das Rudern höchst
intensive blitzende Erscheinungen hervor, wie sie mir freilich
aus früheren Erfahrungen an anderen Örtlichkeiten bekannt wa-
ren. Namentlich waren die Noctiluken-Schwärme in der Nord-
see bei Ostende und Helgoland nahe vergleichbar, aber doch
war mir die Erscheinung bei Neapel ausgedehnter und anre-
gender als alle früher gesehenen. Ich wünschte die Ausdehnung
des Meeres-Blitzens entfernter vom Ufer kennen zu lernen. Wir
Fremden mietheten daher zusammen am Abend eine Fischerbarke
und lielsen uns im Mondschein im Golf umherfahren bis nahe znr
Punta di Posilippo. Das Resultat war, dafs auf der ganzen Linie
unserer Fahrt dennoch das Meer leuchtend blieb, nur waren die
Intensitäten verschieden nach verschiedenen Strichen. Jede Bewe-
gung des Wassers mit dem Ruder, das Kielwasser des Kahnes, jede
auch die sanfteste, kaum als Frietion in Rechnung zu bringende
Bewegung des Wassers mit einem Stocke, jede Handbewegung
gab sogleich Millionen Funken, die so dicht beisammen aufblitz-
ten, dals sie in einen zusammenhängenden Feuerschein ver-
schwammen. Ich hatte einen Schöpf- und Filtrir- Apparat als
einen an einen ansehnlich zu verlängernden Messingstab ge-
schrobenen Beutel von Leinwand mit mir genommen und fil-
trirte damit geschöpftes Wasser an verschiedenen Punkten. Die
Leuchtsubstanz concentrirte sich in dem Leinwandbeutel und das
abflielsende Wasser war lichtlos. Diesen so concentrirten Leucht-
stoff, welcher ohne Übertreibung allemal geschmolzenem glü-
henden Metalle glich, nahm ich in kleinen Glasflaschen mit nach
vom 8. December 1859. 733
der Wohnung und stellte sofort in der Nacht noch die nöthi-
gen ersten Untersuchungen mit 300maliger Vergrölserung an.
Es ergab sich daraus, dafs die ganze grolse Erscheinung augen-
scheinlich durch unberechenbar zahlreiche mikroskopische Tbier-
chen der Gattung Peridinium gebildet wurde. Zwar gab es
aulser diesen durcheinander rollenden Peridinien noch feinere un-
bewegliche Körnchen und hie und da eine Navicula, allein die
Peridinien waren offenbar überall da am massenhaftesten, wo die
Lichtentwicklung im Wasser am stärksten war. Von massen-
haften der Lichterscheinung adaequaten schleimigen Stoffen war
nichts zu sehen.
Offenbar waren diese Peridinien auch jene Leucht-Infuso-
rien des Meeres, von welchen Delle Chiaje 1828 von Neapel
berichtet hat, die er aber nicht speciell systematisch classifieirt
und nicht benannt hat. Ich fand sie dem Glenodinium tabula-
zum höchst ähnlich, von welchem ich 1838 Abbildungen gege-
ben habe; zumal ich selbst, wie damals bemerkt, im Zweifel ge-
blieben bin, ob der rothe innere Fleck des Glenodinium ein con-
stantes Auge ist. Ich habe gleich gestaltete, gleich grolse, gleich
getäfelte Körperchen zu verschiedenen Zeiten, stets im Süls-
wasser, mit jenen ohne den Augenpunkt gesehen. Kein ein-
ziges der zahllosen Exemplare, welche mir in Neapel unter dem
Mikroskop vor Augen kamen, hatte einen Augenpunkt.
Ich habe die Neapolitanische Meeres-Form daber als eine neue
Art angesehen und sie Peridinium Splendor maris genannt, da wir
sie gleichzeitig mit den feurigen Lavaströmen des damals thätigen
Vesuvs im Golfe das weite Meer erleuchten sahen. Es dürfte
auch wenig Zweifel übrig bleiben, dafs Tiedemanns Leucht-
Infusorien des adriatischen Meeres, wenn diesen, wie es wahrschein-
lich ist, eine eigene Beobachtung wirklich zum Grunde liegt,
derselben Form angehören. Mir war ihre Erscheinung noch
deshalb besonders merkwürdig, weil sich das fossile getäfelte, of-
fenbar dem Meerwasser angehörige Peridinium pyrophorum der
Feuersteine der Kreide bei Delitzsch nun an diese getäfelte jetzt -
lebende Meeresform zunächst anlehnt.
Ich darf auch nicht unbemerkt lassen, dafs vielleicht die
von Johannes Müller 1854 und 1855 für encystirte Nocti-
luken gehaltenen und erklärten Leuchtthierchen bei Messina doch
734 Gesammitsitzung
auch nur diese Peridinien gewesen sein könnten, indem die klei-
nen grünlichen, braunen oder gelblichen Thierkörper sich in ihren
erystallenen Schaalen frei bewegen und beim Druck durch
Platzen der Schaalen aus diesen unbeschädigt frei hervortreten
können, wie in Cysten eingeschlossene Thiere. Die crystall-
hellen getäfelten Schaalen sind überaus durchsichtig, scheinen
zwar, da sie brüchig und durch Säure nicht zerstörbar sind
aus Kieselerde zu bestehen, könnten aber doch als häutige Hül-
len betrachtet und unrichtig beurtheilt worden sein.
Auf Glimmer zahlreich angetrocknete Exemplare des Peri-
dinium konnten noch jetzt unter dem Mikroskop sammt den
Zeichnungen der lebenden vorgelegt werden.
Ich habe mich viel bemüht ein besonderes Leuchtorgan an
den kleinen Thierchen zu entdecken, was aber nicht gelang.
Unter dem Mikroskop entstand bei Reizung der im Tropfen
befindlichen Formen durch Nadeln stets nur ein schwacher, nie-
mals scharf umschriebener, heller fast bläulicher Schein, obschon
das Funkeln dem blofsen Auge als helle gelbliche Lichtfunken
erschien. Dals die einzelnen Thierchen jedes für sich auf-
blitzen, oft aber beim Reiz kein Licht geben, blieb mir aulser
Zweifel.
Aufser diesen höchst wirkungsvollen Leuchtthierchen des
Golfs von Neapel habe ich noch andere bei Sorrento und der
Insel Ischia im Meere beobachtet. In Sorrento liefs ich mich
mit einem Kahne am Ufer hinfahren, nahm selbst verschiedene
Meeresalgen vom Grunde in Gläser und liels von Fischern der-
gleichen herausholen. Das Meerwasser gab im Finstern nur
wenig und nur schwache Lichtfunken. Einigemale schien mir
deutlich an der Stelle des isolirten kleinen Funkens ein Proro-
centrum zu liegen. In anderen Fällen erschien mir eine schei-
benförmige Discoplea? den Lichtschein bewirkt zu haben, deren
zahlreich vorhandene Exemplare aber meist nicht leuchteten.
Die Discoplea? war eine jedenfalls von mir vorher nie gesehene
neue Form und fand sich überaus zahlreich, ich nannte sie D.
sorrentina. Das Prorocentrum ist mir zwar von Pr. micans ab-
weichend, einer grölseren Cryptomonas ähnlicher erschienen,
allein ich habe zu wenig Exemplare davon beobachten und keins
fixiren können.
vom 8. December 1859. 735
Auf der Insel Ischia lies ich mir im August an einem
stillen Abende ebenfalls in meinem Beisein Meeresalgen des
Seegrundes in einem Eimer Wasser vom Strande holen und
bemühte mich selbst das Meeresleuchten zu sehen. Die her-
vorgebrachten Bewegungen des Meeres gaben aber keine deut-
lichen Funken und beim Rudern der Fischer entstand kein Licht.
Dennoch hatte ich in dem Eimer voll Wasser viele recht helle
Lichtfunken. Beim Isoliren derselben fand sich allemal eine
kleine schilderlose Annelide mit sehr langen seitlichen Cirrhen,
die ich für Sylis eirrkigera zu halten geneigt war. Zu einer
Abzeichnung und genaueren Bestimmung der Species fand sich
nicht hinreichende nächtliche Kraft und Ruhe, nachdem der
heilse Tag mit anstrengenden Excursionen vollbracht war. Das
Licht funkelte an einzelnen getrennten Stellen und überzog zu-
weilen allmälig das ganze Tbierchen.
Ich überzeugte mich auf Ischia wie bei Sorrento, wieder, dafs
das beim Stehen eines mit Fucoiden u. s. w. erfüllten Wassers sich
bildende Häutchen der Oberfläche nicht leuchtet, während beim
Bewegen und Umdrehen der Pflanzen die an denselben haften-
den, oder auch nur unterhalb frei schwimmenden Leuchtihiere
funkeln. Jenes Häutchen bestand aber aus lebenden Infusorien
der Gattung Euplotes, aus Bursarien , Encheliden, vielen Bacil-
larien und todten Tbierchen, auch aus erkennbaren aufgelösten
organischen verschiedenen Stoffen. Am dritten Tage war kein
Licht mehr in dem im Freien stehenden Wassereimer zu fin-
den, der Geruch der absterbenden Meeres - Organismen zeigte
aber deren wachsende Auflösung ohne Lichtentwick-
lung an.
Eigne Beobachtungen über das Leuchten im adriati-
schen Meere bei Triest.
Im September vorigen Jahres und vor 5 Jahren, 1854,
ebenfalls im September, fand ich bei kurzem Aufenthalt in Ve-
nedig das Meer an der Oberfläche, obwohl ich Abends spät in
der Gondel fuhr und Wasser filtrirte, gar nicht leuchtend. Zu
specielleren Nachforschungen in der Tiefe war damals keine
Zeit. In diesem Jahre war ich in der Mitte Septembers in
Triest. Auch hier war an der Oberfläche des Hafens kein
736 Gesammtsitzung
Lichtschein bemerkbar, obschon es an zersetzten Stoffen, auch |
todten Fischen samt allem Abgange des Fischmarktes im Was-
ser nicht fehlte. Ich habe an vielen zum Theil ruhigen, theils
durch die Bora-Stürme ansehnlich bewegten Abenden, bei ho-
hem und niederm Wasserstande das Wasser im Hafen ruhig
prüfend beobachtet und auch filtrirt. Es gab weder auf der
Fläche noch auf dem schäumenden Wellenkamme hellen Schein |
und nur vereinzelte feine Lichtfunken. Durch Umhberfabren im |
Boote mit Fangnetzen, Gläsern und Filtrir-Apparat habe ich
alle Hafengegenden und die ruhigen Bassins oft untersucht.
Immer blieb das Leuchten des geschöpften Wassers ein in ver- |
hältnifsmälsig wenigen Funken vereinzeltes Phänomen. Zuweilen
jedoch waren, wie am Bassin der Militair-Badeanstalt, deren mit
Algen in gröfserer Zahl in die Gläser gebracht worden. Immer blieb
es der Vereinzelung der Lichtpnnkte in dem Wasser halber eine f
schwierige Aufgabe im Dunkeln das leuchtende Object selbst zu
isoliren, was da wo viele sind nicht so schwierig ist.
Sehr bald überzeugte ich mich nun, dafs stets in dem Was- f
ser, worin Lichtfunken vorkamen, auch das Peridinium Tripos,
dessen Leuchten Dr. Michaelis in Kiel entdeckt hat und das
von mir scharf bestätigt worden, genau in derselben mir durch
zahllose Formen bekannten Grölse und Gestalt vorkam, wie ich
es 1838 in dem Infusorien-Werk charakterisirtt und so ver-
grölsert abgebildet habe, dafs die Charaktere deutlich hervor-
treten. Ebenso fand ich Prorocentrum micans stets in dem
schwach funkelnden Wasser, aber immer selten zerstreut. So
sah ich auch in einem beim Bewegen durch vereinzelte Licht-
funken erhellten Wasser dem Peridinium Furc« und Fusus ver-A
wandte Formen, deren Leuchtfähigkeit mir aus den frühern
sehr genauen Untersuchungen 1844 aulser Zweifel war. Beil
strengerer Prüfung der Formen und bei öfterer Wiederholung
des Anblicks verschiedener Individuen wurde es mir jedoch im-
mer wahrscheinlicher, dafs die beiden letzten Formen mit den
früher Perid. Furca und Fusus von mir genannten Formen der
Ostsee bei Kiel nicht völlig übereinstimmen und noch zwei]
andere sehr abweichende, völlig unbekannte dreihörnige For-
men, welche gleichzeitig in dem funkelnden Wasser waren,
vom 8. December 1859. 737
zeigten an, dals diese Örtlichkeit besondere Lokalformen ent-
halte, welche genauer zu studiren waren.
Ich babe mich nun bemüht von allen diesen Formen Prä-
parate zu fertigen, die es mir bei der Rückkehr nach Berlin
möglich machen sollten, sie mit den Formen anderer Meere,
welche ich früher fixirt habe, direct zu vergleichen, was denn
auch erreicht wordnn ist. Nur eine der Formen hat der Trans-
port in Trümmer verwandelt. Die Mehrzahl kann wohler-
halten vorgelegt werden und sie lassen sich nun ruhig weiter
beurtheilen und vergleichen.
Leuchtende Acalephen oder Krebse habe ich weder bei
Neapel noch bei Triest in jener Jahreszeit gesehen. Nur auf
der Überfahrt von Genua sah ich des Nachts oberhalb Livorno
eine grolse mondähnliche vermuthliche Meduse als fulsgrolse
Helligkeit im Meere.
Auch in Triest habe ich keine Gelegenheit gehabt, faule
Stoffe des Meerwassers, als leuchtende Haut der Oberfläche, oder
als leuchtenden Grundschleim der Behälter zu beobachten. Wo
die Untersuchung des Wassers am Tage kein lebendes Peridi-
nium oder Prorocentrum der genannten Arten erkennen liels,
war auch Abends kein Licht und wo es Lichtfunken gab fanden
sich jene Peridinien. Übrigens wimmelte das lichtlose und licht-
gebende Wasser gleichartig von Myriaden anderer Polygastern
der Gattungen Paramecium, Bursaria, Enchelys, Kolpoda, beson-
ders von Euplotes und Monas. Diese alle hatten keinen Antheil
am Leuchten, obschon sie doch sich wohl von denselben Stof-
fen wie jene nährten.
Wenn auch die im Jahre 1854 publicirten zu den vorn
erwähnten zuzufügenden Ansichten des Pariser Akademikers Hrn.
Quatrefages über das Meeresleuchten, nach seinen mit Hrn.
Edwards und Blanchard auf einer Reise nach Sicilien ge-
machten Erfahrungen, eine grölsere Verschiedenheit der Ursachen
desselben anzuerkennen geneigt sind, weil der Leuchtstoff der
Pholaden, wie es mannichfach auch früher bestätigt ist, als
Schleim zu Boden sinkend unter Wasser und in der Luft am
Finger eine zeitlang fortleuchtet, so berührt dies doch weniger
die Hauptfrage, die Frage nämlich, ob die ausgezeichneten con-
738 Gesammtsıtzung
creten Fälle des Aufblitzens grölserer Meeresflächen, des allsei-
tigen Feuerscheines beim Rudern u. s. w. durch phosphoresci-
renden todten Schleim auch nur einmal erwiesen worden sind,
oder ob sie stets durch mikroskopisches Leben bedingt sind.
Auch von jenen geübten mikroskopischen Forschern ist kein Fall
des ausgebreiteten Meeresleuchtens als auf todtem Schleime be-
ruhend bezeichnet und erwiesen worden, obschon die Fischer es
ganz gewöhnlich der Wirkung des Fischschleims zuschreiben. ')
Ich selbst habe nun, wie vor 25 Jahren, auch neuerlich, anstatt
des todten Phosphors, nur dem elektrischen Funkeln vergleich-
bare Thätigkeit jenes unsichtbar kleinen aber energischen Le-
bens erkannt und bin auch neuerlich durch Beobachtung der
Annulaten zu der früheren Ansicht hingezogen worden, dals das
oft wiederholte Funkeln der Thierkörper den sie überziehenden
von ihnen abgesonderten Schleim zu einem eine zeitlang unab-
hängig fortdauernden Leuchten, das heilst vielleicht nur zu einem
Erzittern zu bringen vermag. Von Wärme-Entwicklung beim
Leuchten ergab das Gefühl der im concentrirtesten Meeres-Feuer
befindlichen Hand nicht die geringste Spur.
‚ Verzeichnifs der Leuchtthiere im Nachtrag.
‘) Man vergleiche Quatrefages Souvenirs d’un naturaliste, Bd. II.
p- 33. 1854. L’eau puisee dans un seau presenlait en coulant l’aspect du
plomb fondu. Partout sur ce fond brillant d’une lumiere calme s’allu-
maient et s’eteignaient, tour A tour, par myriades, d’eblouissantes etincelles
verdätres, ou des globules de feu. Ces elincelles, ces globes, etaient au-
tant de petits animaux des Crustaces, des Annelides, des Medusaires, —
Der „fond brillant” waren wohl auch hier Peridinien.
Wunderbar ist die extreme mit Volksbüchern verbreitete Meinung
Carl Vogts (Ocean und Mittelmeer. Bd. Il. S. 63. 1848), dals man bes-
ser thue, allen niederen Seethieren das Leuchten zuzugestehen und nur die
Ausnahmen zu notiren. Sie leidet an zwei Schwächen. Erstlich ist der
Ausdruck niedere Thiere für kleine Thiere, obwohl vor der Erkenntnils
ihres Baues viel gebraucht, unzulässig und zweitens ist es der Wissen-
schaft im Prinzip zuwider, eine Eigenschaft Körpern zuzuerkennen, die sie
nicht nachweislich, selbst nicht wahrscheinlich haben. Leuchtende Mee-
vesthiere lassen sich jetzt vielleicht 200 verzeichnen, nichtleuchtende aber
mehr als 10000, Muscheln, Würmer, Polythalamien, Anthozoen u. s. w.
vom 8. December 1859. 739
Hr. Charles Newton, bisheriger brittischer Vice-Consul
zu Lesbos, von wo aus er das brittische Museum mit der Aus-
beute seiner in Halikarnass, Knidos und Milet (vgl. oben S. 659
ff.) ') angestellten Grabungen bereichert hat, verweilte auf sei-
ner Reise nach Rom, wo ihm das brittische Consulat übertra-
gen ist, einige Tage in Berlin und wohnte, von Hrn. Gerhard
eingeführt, dieser Sitzung bei. Drei Griechische Inschriften,
herrührend aus den von Prinz Ghika neuerdings zu Samos
veranstalteten Ausgrabungen, wurden von ihm in wohlausge-
führten Papierabdrücken der Akademie überreicht und demnächst
dem für die Nachträge des Corpus Inscriptionum Graecarum
vorhandenen, dermalen von dem Professor Dr. Kirchhoff über-
'wachten Apparat hinzugefügt. Durch Hrn. Kirchhoff’s Für-
sorge sind die gedachten Inschriften sofort zu einer vorläufigen
Bearbeitung gediehen, in welcher wir sie hienächst folgen lassen.
4:
Drei Papierabdrücke und eine Bleistiftzeichnung, aneinander-
geklebt in der Reihenfolge, welche in dem unten folgenden Ab-
drucke durch die übergesetzten Zahlen angedeutet worden ist.
Die ziemlich regelmälsige, aber mit Schnörkeln verzierte Schrift
zeigt auf allen vier Stücken denselben Charakter und ist augen-
scheinlich von derselben Hand. Hr. Newton hat auf seinen
Abdrücken die einzelnen Buchstaben mit Bleistift nachgezogen;
da die Schrift nur ‘oberflächlich geritzt war und die Eindrücke
deshalb sehr schwach ausgefallen sind, läfst sich in Folge dieser
Manipulation in einzelnen zweifelhaften Fällen die Richtigkeit
der gegebenen Zeichnung durch die ganz undeutlich gewordenen
oder völlig verschwundenen Eindrücke nicht mehr controlliren.
Umstehend folgt zunächst ein genauer Abdruck des Textes nach
einer besseren Anordnung und eine Umschreibung und Ergän-
zung desselben in der Minuskelschrift.
‘) In dem auf diese Inschriften bezüglichen obigen Aufsatz ist $. 661
Z.8 portion für section und S$. 662 in der Anmerkung "Exiönnos für
’Ex:duos zu lesen.
740 Gesammtsitzung
III.
OYPEA
AMPOAAQDNIAHZ AIADBANOY
AONIXAI
ZDIAOZ ZDIAOY
5 ZTAAIDI
IDIAOZ ZADINOY
KYANOYIQNOZTKAITAPATOY PINNOZ
KATAMTAATHI
NEQN AIQNOZ
10 AKONTIAUI
BIQN ZDIANOY
TO=ZAI
ANDZI8EOZE ANZISEOY ANEZANAP[EYZ]
OMAOMAXIAI
45 MENEKAHZ BIAOKPATOY
®YPEAMAXIAI
AIOFENHZ APXINOY
AONIXDI
IQDLIAOZ IQIAOY
20 ZTAAINI
TOINOE ZIQDIAOY
MOZIAENNOZ
KATANAATHI
AHMAINETOZ AHMAINETOY
25 AKONTIA2I
HPAKAEIAHE HPAKAEIAOY
TOZAI
Z. 13. P hart am Rande des Abdruckes, EYZ mit Bleistift
auf dem verbindenden Papierstreifen, vielleicht also nur Ergän-
zung Hrn. Newton’s.
vom 8. December 1859.
TIOZ FOPFIOY
OTAOMAXIAI
30 MENEKAHZ BIAOKPATOY
®YPEAMAXIAI
AMOAARNIAHZAIABANOY
AONIXDI
IQIAOZ INIAOY
35 ZTAAINI
IRNIAOZ IRIAOY
IV. ')
MENEKAHZ 1 AOKP
®ÖYPEAMA
AMTOAARNIAHZ
AONIX RI
5 IQIAOZ [0
AMNOAARNIAHZ
NOE
10 MHTPOAQNP
BIRN
EPMOFENHZ
3 MENEKAHZ
MENEKAHZ
AOAIXRI
2 ZIRIAOE IQINOY
') Bleistiftzeichnung.
[1859.]
742
25
30
39
10
Gesammtsitzung
ZTAAINI
ZIQDIAOZ IQDIAOY
TAYPEQNOZ
KATAMAAT
MENEKAHZ GIAOKPA
AKONTIQI
MEPIFENHZ MEPITENO
TOERI
MENEKAHZ ®IAOKP
OMAOMAXI
MENEKAHZ ®1AOKP
®OYPEAMAX
ENTIFTONOZ ETIFTON
AOAIXDI
AHMAINETOZ AHMAIN
ZTAAINI
AMOAARNIAHZ AIABAN
I:
ATOAARNIAIZ AIABANOY
OYPIAMAXIAI
AMOAARNIAHTZ AIABANOY
AONIXDI
ZDIAOZ ZDIAOY
ZTAAINI
ZDIAOZ IRIAOY
ANHMOYKAIKPONIONOZ
KATAPAAT HI
MENEZ®EYZ MENET®ENZT
AKONTI AI
EPTITONOZ EPITONOY
TOZaI
45
20
25
30
a
vom 8. December 1859.
MHTPOARPOZ AMOAANPANOY
OPAOMAXIAI
MENEKAHZ ®IAOKPATOY
®YPEAMAXIAI
MENEKAHZ ®B1AOKPATOY
AONIXRI
ZNIAOZ ZDIAOY
ZTAAIDI
ZNIAOZ ZDIAOY
EMBOAIMOY
KATAPAATHI
BINRN ZDIAOY
AKONTI.AI
AMTATOYPIOZ MINNIQNOZ
TOZ2I
NEQN AIRNNOZ
OMAOMAXI AI
MENEKAHZ ®B1AOKPATOY
®YPEAMAXIAI
APIZTIMOZ ONAZANAPOY
AONIXRI
ZDIAOZ ZDIANOY
ZTAAINI
ZDNIAOZ ZDIAOY
I.
MENEKAHZ ®1 AOKPATOY
&®YPEAMAXIAI
MENEKAHZ BIAOKPATOY
AONIXRI
INIAOZ IQIAOY
53*
743
744 Gesammitsitzung
ZTAAINI
INIAOZ ZQIAOY
EMBOAIMOYTPITOY
KATAFTAATHI
10 AHMAINETOZ AHMAINETOY
AKONTI2I
AMOAARNIAHZ AIABANOY
TOERI
ANEZANAPOZ IEAIOY
15 OMAOMAXTAI
MENEKAHZ BIAOKPATOY
®YPEAMAXIAI
PNEPIFENHZTEPIITENOYEPEZIOZ
AONIXLRI
.20 ZDIANOZT ZDIAOY
ZTAAINI
ZDIAOZ ZDIAOY
EMBOAIMOYTETAPTOY
KATAPAATHI
255 NERQN DSINNOZ
AKONTIRI
AAEZANAPOZ IZEOY
IDENRI
AHMAINETOZ : AHMAINETOY
30 OPTAOMAXIAI
MENEKAHZ BIAOKPATOY
QOYPEAMAXIAI
AMTOAAQNIAHZ AIABANOY
AONIXRI
35 ZDIAOZ ZDIAOY
ZTAAINI
ZDIAOZ ZRIAOY
vom 8. December 1859.
Erste Tafel (II).
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[zaremerrn]-
[&zovriw]-
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"ArorAwvidys Araıpavou
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745
746
Gesammtsitzung
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Meveriys Piroxgarov
Supeapexia'
"ArorAwviöns Asapavou
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ZwiAog Zwirov
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ZunAog ZuiAov
Zweite Tafel (IV).
[Ayvawvos]‘
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ZwiAos [Zwa]o[v]
[srediw]:
’Amorrwviöns [A:apavov]
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vom 8. December 1859. 747
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Dritte Tafel (I).
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’Arorrwviölr]s Arebavov
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’AroAAuvidng Araıbavou
doriyw*
Zwiros ZwiAov
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ZuiAog ZwiAou
748 Gesammtsitzung
[Mjevsuov zu Kooi[a]vos
Haramarın
MevsorSeüs Mever$wus
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’Ertyovos ’Erıyovou
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Myrgodwgos ’Arorr[o]pavov
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MevezAfs BiAozgarov
Supeauayia:
Mevexrüs BiAoxparou
dorixw*
ZwiAos ZwiAou
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ZwiAos ZwiAovu
Vierte Tafel (II).
[Emßorruev Seursgou]
[zarararrn]'
[&#ovriw]
“nn. a she . 2 ern e
vom 8. December 1859. 749
[ro]
[örronexie]‘
MevezAns BiRozoarov
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MevszAYs PiRozgarov
doriyw"
ZuıAos ZwiAou
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Meverrns Biroxgerou
Dupeapaxyig'
Ilegeyzvns Heguyevou ’Eperios
dorıyw
Zwiros Zuidou
oradın
ZwiAos ZwiAov
zußormov Tereigrou‘
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Ayuaiveros Aymawerou
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Mevs#rHs BiAozgarou
Tupsauayig
"AroArwvidns Arahavou
doriy,w
750 Gesammtsitzung
Zuiros ZuwiAou
oradın
ZwiAos ZwrAou
Es ist zunächst klar, dafs hier ein Verzeichnils vorliegt,
welches die Vorkomnisse eines ganzen Jahres enthält. Obwohl
nun die Tafeln sämmtlich oben, wie es scheint, in ziemlich glei-
cher Höhe, abgebrochen sind und n. IV. bei N. auch am rechten |
Rande sich als stark beschädigt darstelit, so genügen doch die
vorkommenden Monatsnamen combinirt mit dem, was wir sonst
von der Reihefolge derselben im Kalender ionischer Städte, na-
mentlich aus den Inschriften von Kyzikos, wissen, um die Ord-
nung zu bestimmen, in der sie neben einander aufgestellt waren
und zu lesen sind. Zunächst ist klar, dafs II. in der That die
Fortsetzung von I. bildet. Denn da wir auf jener Z. 23 Zußo-
Alnov, auf dieser Z. 8 Zußorinou Tarrou und Z. 23 Zu ßormov TE-
ragrov haben, so fehlt zwischen beiden der Zußormos deursgos
und nur dieser, wodurch sich zugleich die Höhe des von II.
oben verloren gegangenen Stückes bestimmt. Beide Tafeln zu-
sammengehalten geben nunmehr aulser dem letzten Theile des
Verzeichnisses eines zunächst unbekannten Monates, dessen erster
Theil durch den Bruch des oberen Randes von I. verloren ge-
gangen ist, die Listen der Monate Panemos, Kronion und vier
sich an den letzteren anreibender Schaltmonate. Der Kronion
war bisher nicht bekannt; dafs er der letzte Monat des Jahres,
wenigstens bis zur Zeit der vorliegenden Inschrift, war, geht aus
dem Umstande hervor, dals nach ihm eingeschaltet wird; denn
wo man nicht, wie zu Athen, in der Mitte des Jahres nach
dem Posideon einschaltete, kann dies nicht anders als am Ende
des Jahres geschehen sein. Vor dem Panemos ging im Kalender
der ionischen Staaten der Kalamaion her, wie aus der kyzikeni-
schen Inschrift C. I. II. n. 3663 feststeht. Dieser Monat also
war auf dem verloren gegangenen oberen Theile von I. genannt,
und wiederum nur er, schon deshalb, weil es wahrscheinlich ist,
dafs die Tafeln von gleichem Formate, wie nach der Breite, so
auch nach der Höhe, gewesen sind. Von den beiden anderen
Tafeln bietet III. aulser den Resten des Verzeichnisses eines
vorhergehenden, unbekannten Monates die Listen der Monate
vom 8. December 1859. 751
Kyanopsion, Apaturion und Posideon, IV. aufser einem ähnlichen
Reste oben die Listen des Anthesterion und Taureon. Hierdurch
wird zunächst die Stellung des Taureon, welche bisher nicht
bekanut war, bestimmt und zugleich ein Irrthum beseitigt, indem
man früher einer täuschenden Analogie zu Liebe den Artemision
vermuthungsweise hinter den Anthesterion zu stellen pflegte.
Da nun zwischen dem Posideon und dem Anthesterion nur der
eine Lenaion lag (Inschrift von Kyzikos n. 3665), so ist klar,
dafs nicht nur IV. wirklich die Fortsetzung von III. ist, son-
dern auch, dals durch den Bruch des oberen Randes von IV.
eben nur die erste Hälfte des Verzeichnisses des Lenaion und
weiter Nichts verloren gegangen ist. Es ist ferner klar, dafs
IH. und IV. vor I. und Il. gehören und die noch fehlenden
drei Monate vor den Kyanopsion fallen, folglich die Listen der-
selben vor III. gestanden haben. Da auch diese Tafel im For-
mate sich von den übrigen kaum unterschieden haben wird, so
kann am Anfange derselben durch den Bruch nicht mehr als die
Hälfte der Liste des letzten von denselben verloren sein, und
die Listen der beiden übrigen müssen sammt dem einleitenden
Texte, der den Listen nothwendig vorausgeschickt war, auf einer
fünften, verloren gegangenen Tafel, der ersten der ganzen Reihe
überhaupt, gestanden haben.
Hieraus ergibt sich für den samischen Kalender, dafs bis
zur Zeit unserer Urkunde das Jahr, wie in Athen, mit der Som-
mersonnenwende begann, dals die Einschaltungen am Ende des
Jahres und nicht in der Mitte erfolgten, und dafs die Monate
der Samier in Übereinstimmung mit dem Kalender anderer ioni-
scher Staaten in folgender Ordnung den attischen entsprachen:
Athen. Samos
Erna rs eame 201 zeuniuen
D Maayerv 9 een”
3. Bonögo Bader. 1 nn
4. Ilvavalınv Kuavoıvv
5. Mamezrnguv "Ararovgmv
6. Iorsdcwv Tlosıdauv
7. Tamm [Anvawv]
R,, SA vIerrygev "AvSerryguwv
752 Gesammitsitzung
Athen. Samos.
9. ’ErapyBorwv Tavpewv
10. Movvuxuwv [Karaneızv]
11. OnpynAmv IIevruos
12. Szugopogıwv Koovıwv
Einer der fehlenden Monate wird der ’Agrsuisiwv gewesen sein.
Übrigens muls man in dieser Zeit in Samos mit der Zeitrech- |
nung in arger Verwirrung gewesen sein, wenn man sich im
Jahre der Inschrift genöthigt sah nicht weniger als vier volle
Monate einzuschalten. ')
Die Urkunde gehört, nach dem Charakter der Schrift und
anderen Umständen zu schliefsen, der makedonischen Periode,
dem dritten oder zweiten Jahrhunderte vor unserer Zeitrech-
nung, an. Sie gibt ein Verzeichnils der Epheben, welche wäh-
rend des Laufes eines bestimmten Jahres bei Gelegenheit der in
der Regel monatlich veranstalteten Agonen in den Übungen,
welche in den Kreis der gymnastischen Ausbildung nach dama-
ligen Vorstellungen fielen, Preise davon getragen hatten. Wenn
unter den Preisträgern zweimal (II, 17 und IV, 27) ein Ephe-
sier und einmal (III, 13) ein Alexandriner erscheint, so sind diese
als Ausländer zu betrachten, die durch irgend welche Umstände
ihre Ausbildung in den Gymnasien von Samos zu suchen genö-
thigt oder veranlalst waren. Die Gegenstände des gymnastischen
Unterrichtes und der monatlichen Prüfungen, welche in fester
1) Es hält freilich schwer zu glauben, dafs man es in irgend einem
griechischen Staate je bis zu einem solchen Grade von Verwirrung habe
kommen lassen; denn es würde dies voraussetzen, dals eine längere Reihe
von Jahren hindurch jede Einschaltung unterlassen worden war. Ich halte
daher eine Vermuthung für höchst beachtenswerth, welche Hr. Geheime-
rath Boeckh mündlich gegen mich ausgesprochen hat, man habe zu Sa-
mos gerade im Jahre unserer Urkunde, welches zufällig ein Schaltjahr ge-
wesen, aulserordentlicher Weise noch drei Monate eingeschaltet, um auf
den Anfang des makedonischen Jahres zu kommen (24. September), wel-
chem sich in dieser Zeit die kleinasiatischen Staaten allgemein anbequemt
zu haben scheinen. Hieraus würde sich zugleich erklären lassen, weshalb
der erste der Schaltmonate einfach als &ußoXınog und nicht als ZußoAunog
zpürog bezeichnet wird.
vom 8. December 1859. 753
und sich stets gleichbleibender Ordnung aufgezählt werden, wa-
ren I. Übung im Gebrauche der Schulswaffen, und zwar a) der
Wurfgeschütze, b) des Handbogens und c) des Wurfspeeres;
I. Übungen im Gebrauche der Schutzwaffen und im Fechten
mit ihnen, und zwar a) der gewöhnlichen Hoplitenrüstung (&r%c-
M&xXie), b) des grolsen, Sugeos genannten, Phalangitenschildes
(Sypeanayia); II. Übungen im Laufe und zwar a) dem Doli-
chos, b) dem einfachen Stadion. — Neue Namenformen sind
meines Wissens "Agisrıuos (I, 33) und Mwwwv (I, 27). Bemer-
kenswerth ist die Schreibart ’Istov für "Irasov (11, 27).
2.
Papierabdruck. Die Buchstaben sind zwar auch hier mit
Bleistift ziemlich derb nachgezogen, die Zeichen waren aber so
tief gehauen, dafs die Eindrücke auf der Rückseite noch zum
Theil deutlich hervortreten und eine Controlle möglich machen.
OAHMOZOZAMINNFNAIONAOMETION
FNAIOYYIONTOYAOOENTOZYTTOTHZ
ZYNKAHTOYTTATPQNOZTNRIAHMQI
YTTEPTETQRNKATATOIEPONTHZAPTEMIAOZ
5 THZTAYPOTTOAOYAPETHZENEKEN
THZEIZ EAYTON HPHI
BIAOTEXNOZHPRIAOYETTOIEI
- / m ,
‘Oo Ö7uos 6 Zanıwv Tvarov Aoneriov,
’ 4 -» N.@/! 1 6
Tvamoy vicv, Toü doSevros Umo TuS
’ ’ Er ,
FUVAINTOoU Rargwvos FW On um
e ’ n x x [3 x - > ’
Umsg TE FuV Aare Fo lepov TuS Aprenıdos
- !. > Er 4
Ts Tavoomorov, wgerns evexzev
m E) € \ 7
Trs eis eaurov Hon.
’ ’
Biroreyvos') ‘Howdov Eroscı.
&
‘) In den bisherigen Verzeichnissen griechischer Künstler wird dieser
Name vermilst.
754 Gesammtsitzung
Diese Inschrift stand auf der Basis einer Bildsäule, welche
der Demos von Samos dem Gn. Domitius Gn. fil. errichtet
batte und als deren Verfertiger sich am unteren Rande Philo-
technos des Herodes Sohn zu erkennen gibt. Das Denkmal ge-
hört offenbar der letzten Hälfte des zweiten, oder der ersten
des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung an; welcher
aber von den Gn. Domitii Gn. fil., die aus dieser Zeit bekannt
sind, unter dem hier genannten zu verstehen sei, vermag ich
nicht zu sagen. Ebenso ist mir der genaue Sinn der Worte
2.53 Umeg TuV ara TO iepov TuS "Agreudos Ti Tavgomorov') un-
zugänglich. Gemeint scheint das Heiligthum der Artemis Tau-
ropolos auf der benachbarten Insel Ikaros, welche sich wenig-
stens zu Strabos Zeiten im Besitze der Samier befand (XIV, 639
vuvi 1aEvros Asımavdgourav Eamıoı veuovrat Ta Tora Bosznmarwv
egw). Vergl. a. a. O. Earı de mar "Apremıdos iepöv zaAoune-
m ’
vov Tavpomorıov ev ry vnow (Ikaros).
3.
Mit Bleistift nachgezogener Papierabdruck. Die Schrift muls
sehr flach gehauen gewesen oder die Oberfläche des Steines
jetzt sehr angegriffen sein, da die Rückseite keine Spur von Ein-
drücken zeigt, auflser denen, welche die scharfe Spitze des nicht
diskret gehandhabten Bileistiftes hinterlassen hat. Eine Controlle
der Lesart ist deshalb unmöglich; doch ist gewils, was auch
nicht Wunder nehmen kann, dafs Hr. Newton sich mehrfach
geirrt hat. Im folgenden Texte sind auch die Punkte gegeben,
mit welchen Hr. Newton, freilich nicht consequent, die vor-
handenen Lücken bezeichnet hat.
(Den Text siehe auf der folgenden Seite.)
„une rssY]ywvoere "Apgelr ons Kor:...0.,
[EXoenyolo[v maıd jur auryrars "ArzEavölgos].
ERRLR: ro[v, Kar ]asrearos Mae[vSiw]vos-
*) Die Buchstaben PEPTETR (oder O; von dem folgenden N ist
nur der rechte Schenkel noch sichtbar) KATA treten auf der Rückseite des
Abdruckes deutlich hervor und verstatten kaum einen Zweifel an der Rich-
tigkeit der Lesart.
vom 8. December 1859.
10
15
PATQ.NFTN NOOETEIAPXENO AIIKP.
Ya: SBRENBAVAHTNMNEBAELRANZ „I
TO: ”. FERIEIPATDEMERATE. :.NOE
AAEE..APOXZ ANAPQANAYAH.TAIZ
AMIZANAPONIKO . EEAKE ZT ALIKAAIAPRIO
A EEAKEZTAEZ TPATD ARDNKAIKQM RD AQDN
AIOZOITLOYZRZIBIOTZGBIANO EENOY ENIKA
PAFQNAQNNEPFAIDTEKAMR2 AD NENZIBIOE
B2::
.OT@RS BOSEIT,E 1 ARKHAA=.
T.1.Ol..OY XOPH OYNTTAAQN
AYAHTAIZNIFTOAAOZ APTEMQNOZT
IENIAAOZZAT. ..YPOYEN IKAMIKO....
OZANAPNNAY.AHTAIZ BP I AOKAHE
ZDOT 2 NOG23 ETHAINETOZ ZA ET.E-MIAOZ
ENIK AETTAINETOZTPAFR AQD N KAIKNMR
AN NETIFONOZA.ON O ZOE MZE.QDN
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[viz]« "EEazerräs Teaywö
[EoyJaios Oirov, EZwrißıos BiroE
[rkaywssrv "Eoyalos, zuawonv Zurißıos.
756 Gesammisitzung
ER A]lyloJvoSire "Arzıeölrs "Orv]-
[r]r:0[8%2]ov; [E]xoor[yJovv re[: ]Swv
auryTais N:[z]oA@os "Agreuwvos,
[M]sv[e]aos Zw[]vgov ävize [N]ıx0[A@]-
05° avöguv würyrais BırozAns
Surf: Jwvos, "Eraweros "Agremö[wgou]"
dvine ’Eraiveros reaywöav zer zwpw-
düv "Emiyovos ’A..ovos, OsuliJewv [Erex]-
[7]r30s° Zvize ’Eriyovos.
Diese choregischen Titel sind nach dem Charakter der Schrift
im Allgemeinen und dem Fehlen des iota adscriptum im Beson-
deren zu schliefsen in die Kaiserzeit und zwar in das erste Jahr-
hundert oder den Anfang des zweiten unserer Zeitrechnung zu
setzen. Zu Anfang von Z. 1 und 10 stand in der Lücke beide-
male der Eponymos des Jahres, wie es scheint in der Formel
mi roü Öeivos. Von den Namen sind einige Spuren erhalten,
die indessen eine Ergänzung kaum zulassen.
Hr. Kirchhoff schlofs seiner vorstehenden Bearbeitung der
drei Samischen Inschriften noch eine durch Hrn. Samuel
Sharpe neuerdings ihm mitgetheilte gleichfalls unedirte Inschrift |
bei. Die Abschrift lautet folgendermalsen: |
LINNE'OYATPAIANOY
KAICAPOCCEPAETOY
FEPMANIKOFYIOY
CEPACTOYAIOTENHE
5 ACTTACIOYTO : AIBIENOYC
ETTOIHCENTO »CTTPOAON
TOVIEPOYKNTO“OAITOYN
TOYAWMATOCEYCEPINC
XAPI:
vom 8. December 1859. 757
azu die Bemerkung: “Inscription built into a wall over‘a door
of a ruined house in a village near Gezer in Samaria, copied
| \by Joseph Bonomi.
|
L AKY erous A Toaıavou
Kaisegos Beßarrov
| Tepnavızov viou
| Zeßasrov, Aroyevys
Asrarıu rou dıßıevoug
eroimTssv Tov emıloAov
FOU LEg0U zu To morıBouv
Tou Öw Maros, eureßsies
KagıV.
ehe first year of Trajan was 421 of Alexander’s death.’ Dies
ist ein Irrthum, den folgende richtigere Lesart beseitigen wird:
[Er] Ne[o]ova Toxıevoö
Kaisagos 32:[P]e[r]r0V
Tepgnavızoü viod
3:[E]esroo [Al:oyevr[s]
"Asrzasiou roü Arloy]evous
Emoinsev Tov [ea 8]orov
roü ieooü »[aı] 70......
tod [Od ]sueros evre[ß]:[e]s
y
AR.
Für das verlesene Wort am Ende von Z.7 hat sich mir keine
völlig einleuchtende Verbesserung oder Lesung bieten wollen.
Das Bureau des longitudes in Paris zeigt den Empfang des
‚Schlusses der Vorrede zu den akademischen Sternkarten dan-
kend an.
[1859.] 54
758 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 12. December 1859.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Report of the 28. meeting of Ihe British Association for the advancement
of science. London 1859. 8.
Transactions of the zoological Society of London. Vol. IV, Part 5. 6.
London 1858. 1859. 4.
Proceedings of the zoological Society of London. 1857. 1858. 1859,
Januar— March. London 1857—1359. 8.
Münchner Gelehrte Anzeigen. Band 48. München 1859. 4.
von Rudhart, Erinnerungen an Johann Georg von Lori. München
1859. 4.
von Chlumecky, Die Genesis der Corporations - Güter der Bauern-
schaft. Brünn 1859. 8.
Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1862. Herausgegeben von J.F.
Encke. Berlin 1859. 8.
12. Decbr. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Weierstrals las eine Abhandlung: Beiträge zur
Theorie der Gleichungen.
Die Hrn. Braun und Peters werden sich mit dem Hrn.
mn nn u
——.
Dr. Lucke in Folge seines Briefes vom 28. November (Sitzung
vom 1. December) in Verbindung setzen.
15. Decbr. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Ehrenberg las über die mit dem Proteus an-
guinus (Hypochthon Laurenti) zusammenlebenden
mikroskopischen Thierformen in den Bassins der
Magdalenengrotte in Krain.
Zu den gröfsten Merkwürdigkeiten der Lebensformen, wel-
che die jetzigen Erdverhältnisse darbieten, gehören eine schon
Gesammtsitzung vom 15. December 1859. 759
beträchtliche Reihe von Thierformen, welche ganz allein in licht-
losen unterirdischen Höhlen leben und sich durch höchst auf-
‚fallende Besonderheiten ihres Baues sehr auszeichnen.
Ich habe vor 3 Jahren in den Fortsetzungen des Textes
‘zur Mikrogeologie Gelegenheit gehabt, den bekannten Verhält-
nissen der grölseren derartigen Lebensformen auch ein Verzeich-
‚nils der gleichzeitig an denselben Orten vorkommenden mikro-
‚skopischen Formen aus der Mammuthshöhle von Kentucky in
Nordamerika zuzufügen und habe das Verlangen nach Unter-
‚suchung mehrerer, besonders auch der europäischen Höhlen, in
‚denen jene grolsen, meist augenlosen Höhlenthiere leben, bisher
‚nicht befriedigen können. Es lag sehr nahe zu vermuthen, dafs
"in Verhältnissen, worin so wunderbare gröfsere Thierformen sich
‚aufhalten und vermehren, wie der Proteus anguinus sammt ande-
ren Wirbelthieren, und da allein in der Mammuthshöhle von
Kentucky 12 verschiedene zum Theil ganz augenlose, zum
"Theil mit sehr unvollkommenen Augen versehene gröfsere blinde
-Thiere verzeichnet werden konnten, auch mikroskopische Le-
bensformen besonderer Art, vielleicht in um so beträchtlicherer
"Zahl, vorhanden sein möchten.
Die zuletzt von Agassiz und Dr. Tellkampf erweiterte
-Formen-Übersicht aus der Kentucky-Höhle, welche ich am an-
‚geführten Orte 1856 übersichtlich zusammengestellt, betrug 2
blinde Säugethiere, eine Fledermaus und eine Ratte, 2 blinde
‚Fische, worunter eine Karpfen-Art, 2 krebsartige Tbiere, 2 Arach-
"niden, 1 Orthopter, 1 Dipteren-Art, 2 Coleopteren, zusammen
42 Formen, wozu noch 5 mikroskopische weiche Formen ka-
men, welche Dr. Tellkampf am Orte beobachtet hatte. Von |
demselben erhielt ich damals auch einen braungelben Schlamm
der Mammuthshöhle, in welchem ich noch überdiels 15 andere,
darunter 9 organisebe Formen feststellen konnte. Im Ganzen
wurden von mir selbst 20 mikroskopische Formen verzeichnet,
8 Polygastern, 5 Phytolitharien, 1 Steinkern einer Polythalamie,
2 weiche Pflanzentbeile und 4 unorganische Formen. Die 16
organischen Formen waren sämmtlich ohne auffallende Beson-
_derheiten. Sie lielsen sich bekannten weit verbreiteten Gene-
_ ribus und sogar solchen Arten anschlielsen.
re 54*
Go
760 Gesammtsitzung
Da nun auch über die Ernährung und ebenso über die
Fortpflanzung des Proteus anguinus, jenes zuerst bekannt ge-
wordenen augenlosen, Kiemen und Lungen zugleich führenden
Salamanderartigen, sonderbar gespreizten, Geschöpfes noch immer
Ungewilsheiten und Zweifel verschiedener Art obwalten, so habe
ich aus diesen verschiedenen mir wichtig genug erschienenen
Rücksichten im September dieses Jahres Gelegenheit genommen
in der Gegend von Adelsberg in Krain, welche ich auf einer |
Reise von Wien nach Triest und zurück berührte, einen kurzen
Aufenthalt zu machen. Ich beschlofs, nicht sowohl die Adels-
berger Grotte zu besuchen, welche jetzt sehr bequem zugäng-
lich gemacht ist, aber keine Proteus-Formen beherbergt, als
vielmehr jene den Proteus führende etwas entferntere und für
den Besuch des Reise-Publikums nicht bequem gemachte Mag-
dalenen-Grotte und die Lebensverhältnisse des wunderbaren Am-
phibiums kennen zu lernen.
Zwar sind schon und wie es scheint zuerst von Valvasor
in dessen Werke, welches den Titel führt: Die Ehre des Her-
zogthums Krain 1689, Nachrichten vom Proteus anguinus, ge-
geben worden, der solche Thiere „eidechsenartige junge
Lindwürmer” nennt, deren man ein Paar nach starkem Re-
gen am Ursprunge des Bela-Baches eine Stunde von Oberlai-
bach gefunden habe. Auch sind nach Steinbergs Nachrichten
vom Zirknitzer See 1758 bei einer Überschwemmung der Ge-
gend von Kleinhäusl im Jahre 1751 fünf Exemplare eines wei-
[sen spannenlangen Fisches in der Unz gefangen worden, der
4 Fülse, daran aber nur 4 Zehen hatte und dessen Schwanz
ze
dem einer Flufsruthe glich. Ferner wird in Schoenlebens.
Beschreibung des Zirknitzer Sees auch von weilsen Fischen mit
4 Fülsen berichtet. Hr. Schiner, welcher diese älteren Nach-
richten in Dr. Adolph Schmidls Höhlenkunde des Karstes,
Wien 1854, gesammelt hat, erwähnt dafs Michahelles vermu-
ihet, Steinberg habe junge Mäuse oder Ratten vor sich gehabt.')
’) Die Stelle in Steinbergs Werke von 1758 lautet p. 197: „Bei
einer solchen Wasser-Ergielsung und dessen grolsen Ausbruch, hatim Jahre
1751 Primus Sicherle einmals in dem Unziluls 5 unbekannte Fische in
seinem Hamen gelangen, welche einer Spannen lang, von schneeweilser
Haut und ihr Schwanz ist grölser als wie einer Ruthe ihrer gewesen, diese
haben jeder 4 Fülse und an jedem derselben 4 Zöhen mit Nägeln gehabt
vom 15. December 1859. 761
Der erste Schriftsteller, welcher diese Höhlenthiere und
zwar zuerst Proteus anguinus in wissenschaftlicher Form er-
_ wähnt, ist der Naturforscher und Arzt Laurenti in seiner
Synopsis Reptilium von 1768. Er hatte ein lebendes Exem-
_ plar beim Grafen Hochenwarth zur Beschreibung, das
unsicher aus einer Wasserlache oder einem See beim Klo-
ster Sittich stammte. Bis zum Jahre 1772 hat Scopoli,
Professor der Botanik in Pavia, bei seinem Aufenthalt in Krain
- mehrere Exemplare ebendaher zur Untersuchung gehabt und vom
Jahre 1795 an wurden dergleichen durch den Baron Zois
mehrfach lebend gesammelt und beobachtet. Ihre Aufbewahrung
und Versendung mifsglückte jedoch. Nur Exemplare in Spiritus
- konnten dem Director des Kaiserlichen Naturalien-Kabinets von
Schreibers bis 1801 zur Disposition gestellt werden, nach
- welchen im letzteren Jahre von diesem eine Monographie ent-
worfen worden ist, die in den Philosophical Transaction der
Londoner Societät der Wissenschaften gedruckt erschien und
zuerst die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Thiere gelenkt
hat. Hr. v. Schreibers hatte 5 Specimina erhalten, deren
gröfstes 13 Zoll lang war. Über die Fortpflanzung und das
Futter dieser Thiere blieb man im Zweifel. Nur hatte der
Baron Zois bei einem lebenden Exemplare bemerkt, dafs eine
grolse Menge kleiner lebender Muscheln der Gattung Helix im
Glase waren, worin ein lebendes Exemplar einen Tag über ge-
wesen war. Es frals aber weder diese noch andere Muscheln
und starb bald.
° Cuvier erhielt durch Hrn. v. Schreibers ein Exemplar
in Spiritus zur anatomischen Untersuchung und führte diese zur
Vergleichung des ähnlich gebauten sonderbaren Acholotl aus,
‚dessen Exemplare Alexander von Humboldt von Mexico
nach Paris gebracht hatte. Cuviers Abhandlung findet sich
4807 in dem Receuil des observations zoologiques von v. Hum-
boldts Reise, behandelt besonders ausführlich vergleichend das
Skelet und hat zuerst ausgebildete Eierstöcke mit Eiern nach-
‚gewiesen, welche ein weibliches Individuum bezeichneten. Cu-
"und als man sie aus dem Netze in das Schif gebracht, haben sie angefan-
gen zu schreien und zu winseln” Das waren also keine Proteus. Val-
vasors Volkssage vom Lindwurm in jenen Quellen hat auch Steinberg
p- 209. Die dort häufigen Rutten Steinbergs, s. p. 207, sind Aal-
- quappen, Gadus Lota. ,
763 Gesammisitzung
vier sprach aus, dafs der Proteus keine Larve sein könne. In
der Zwischenzeit hatte Hr. v. Schreibers einige dieser Thiere
2 Jahre lang lebend erhalten ohne andere Nahrung als frisches '
Wasser. Er hielt diese Thiere für Albinos oder Cretins. Cu-
vier fand auch diese Bezeichnung dahin zu beschränken, dals sie,
wenn sie Albinos wären, wenigstens es von bis jetzt unbekann-
ten Thierarten sein müfsten, da sie auf keine bekannte sonst
palsten.
Etwas später fand Rudolphi in Berlin bei einem anato-
mirten Exemplare männliche Geschlechtsorgane, was Confi-
gliachi anzeigt.
Im Jahre 1816 war Configliachi, Professor der Phy-
sik in Pavia, in Krain um diese Thiere zu studiren und er sagt
in einer 1819 gemeinschaftlich mit Rusconi veröffentlichten
Monographie, dafs sie sich jetzt nur in der Magdalenen - Grotte
bei Adelsberg finden, in welcher sie von den Bauern gefischt
werden, um sie als Seltenheit auf den Markt von Triest zu brin-
gen, wo man sie für 2—3 Lire (Zwanziger) kaufe. Man hat
sie gegen 1797 zuerst da gefunden. Der Botaniker Kitai-
bel, Professor in Pesth, schrieb an Configliachi, dals auch
in Brunnen in Croatien ihm zweimal bis 5 Zoll lange Thiere
mit Kiemen vorgekommen, die er nur für Proteus halten könne.
Solche Formen der Yelabich in Croatien hat neuerlich Hr. Fitzin-
ger entschieden für Quappen der Salamandra maculosa erklärt.
Die gröfsten von Configliachi beobachteten waren 12 Zoll,
die kleinsten von Dr. Pockels beobachteten 4 Zoll lang. Erz-
herzog Johann hatte in Steyermark eine eigene Grotte ausfüh-
ren lassen, in der 8 Jahre lang dergleichen kräftig lebten. Rück-
sichtlich der Nahrung giebt Configliachi an, dafs die Thiere
Würmer, kleine Bivalven und kleine Schnecken fressen, dafs sie
jedoch 2 Jahre lang ohne Nahrung leben können. Niemals hat
er aber die Thiere fressen gesehen. Aus der spitzeren und
stumpferen Schnautze und aus dem bald gekrümmten bald gera-
den Darme schlols er auf 2 verschiedene Arten, blieb aber un-
gewils und gab die Meinung auf, obschon die Nachrichten von
Kitaibel auch auf verschiedene an verschiedenen Orten leben-
der Arten schon hindeuteten.
0;
2
2
»
ud A nn nn il DM a 0 7 Eu Zu
vom 15. December 1859. 763
Neuerlich hat besonders der verdiente Amphibiolog Dr.
Fitzinger, Custos des Königl. Naturalien- Kabinets in Wien,
4850 sich für die Anerkennung mehrerer Arten bestimmt ent-
schieden, nachdem er allein 479 Exemplare, darunter 140 lebende
von 11 verschiedenen Fundorten zu untersuchen Gelegenheit
gehabt hat. Die gestrecktere oder verkürzte Form des Kopfes,
die breitere und schmälere Schnautze, die hinter der Schnautze
mehr oder weniger ausgebuchteten Seiten des Kopfes, die Form
des Hautkammes des Schwanzes, besondere Bildung und Rich-
tung der Kiemen, samt den verschiedenen Dimensionen der Kör-
pertheile und verschiedenartige Färbung der Haut geben das An-
halten für Artcharaktere, deren Beständigkeit in den verschie-
denen Lokalitäten auffallend war. Solcher Lokalitäten sind bis-
ber 31 bekannt worden, von denen der Director Freyer in
‘Triest, der vieljährige Custos des zoologischen Museums zu
Laibach, allein 19 Örtlichkeiten hinzugefügt hat. Die sämmt-
lichen Örtlichkeiten der 7 Arten des Proteus oder Hypochthon
nach Merrem beschränken sich ganz allein auf die Grolten Krains
und Dalmatiens. Alle anderen angegebenen Fundorte sind als
secundäre Aufenthaltsorte oder als irrige Bestimmungen erkannt
worden. Die 7 Arten werden von Hrn. Fitzinger
1. Hypochthon Zoisiü von Rupa,
2 Schreibersii von Vir,
8: Freyeri von Kumpole und Potiskavz,
4. Haidingeri von der Kleinhäusler Grotte,
5. Laurentii von der Magdalenen-Grotte,
6. xanthostictus (chrysostictus Freyer) von Beden,
7: Carrarae von Sigu und der Nareuta in Dalmatien
genannt und charakterisirt. Wiener Akad. Sitzungsb. 291.
Auch Dr. Freyer, welcher ebenfalls viele Hunderte die-
ser Höhlenthiere lebend gesehen und anatomirt hal, ist, wie er
mir mündlich mittheilte, damit einverstanden, dafs sie als ver-
schiedene an verschiedenen Orten lebende Arten zu betrachten
sind, deren Charaktere an in Weingeist aufbewahrten und durch
Transport gedrückten Formen schwer wieder zu erkennen sind.
Bei einer einzigen Überschwemmung sind in seiner Nähe ein-
mal über 100 solcher Thiere auf den Wiesen in Lachen gefan-
764 Gesammtsitzung
gen worden, die ihm alle zur Untersuchung kamen und grofsen-
theils in seinen Besitz übergingen.
Auch der erste Monograph dieser Thiere, Hr. v. Schrei-
bers, bei dem ich deren selbst schon 1820 beim Antritt mei-
ner Reise nach Aegypten in Wien lebend sah, hat Hunderte
derselben beobachtet und anatomisch untersucht, so wie auch
Configliachi und Rusconi mit vielen Anderen grolse Men-
gen dieser Thiere zergliedert haben.
Dafs schon Cuvier bei seinem Exemplar aus den Quellen
von Vir bei Kloster Sittich glänzende Haut-Pünktchen erkannte,
welche sich an den Charakter des 4. xanthostietus anschlielsen,
ergiebt sich aus seiner Abhandlung.
Entwickelte Eierstöcke sind bei Weibchen schon öfter ge-
sehen worden, aber reife Eier, oder lebend zu gebärende Junge
hat man noch niemals in den Eileitern gefunden. Neuerlich
hat Professor Hyrtl 1850 (S. Fitzinger p. 303) am Ende
des Eileiters eines Weibchens eine Drüse gefunden, wie sie _
nur bei den eierlegenden nackten Amphibien und einigen Fi-
schen vorkommen und ist daher der Meinung, dafs diese Thiere
nicht lebendig gebären, sondern eierlegend sind. Director
Freyer theilte mir mit, dafs man gesehen haben wolle, wie
zwei sehr dünne, nur fingerlange Junge über Nacht todt neben
einem älteren Exemplare im Wasser gelegen, worin man dieses
isolirt hatte. Er bielt es für ausgebrochene Speise und meinte,
die Alten frälsen wohl die Jungen.
Die kleinen Muscheln, welche man ehemals als Helices
und Lumache für die Speise des Proteus hielt, gehören nach
Rofsmälslers und Freyers Bestimmung zur Gattung Cary-
chium, von welcher Hr. Freyer 2 Arten unterscheidet, die in
den Höhlen leben, aber selten sind. Die zuerst bekannt gewor-
dene hat Rolsmälsler Car. spelaeum genannt. Die Führer
nach der Grotte, von denen ich einen lebenden Proteus kaufte,
kannten kein annehmbares Futter für die Tbiere, sondern em-
pfablen nur vou Zeit zu Zeit Brunnenwasser zu erneuern. Der
jetzige Kaufpreis war 5 Gulden (3% Rthlr.), ich kaufte jedoch
für 3 Gulden (2 Rithlr.) ein Stück.
Über die Verhältnisse der Grotte scheint mir Folgendes
vorauszuschicken.
vom 45. December 1859. 765
Ich fuhr am 25. September mit der Eisenbahn von Triest
bis in die Nähe von Adelsberg, nahm daselbst im Gasthofe zwei
Führer mit Fackeln und ging mit diesen nach der etwas über
eine Stunde entfernt im Walde liegenden, nur zu Fuls zu er-
reichenden Grotte in der Nähe der kleinen St. Magdalenen-Ka-
pelle. Ich hatte ein grölseres Fangnetz, eine Flasche zur Auf-
nahme des Fanges und ein Thermometer bei mir, wie schon
Professor Configliachi im Jahre 1816 sich ähnlich einge-
richtet hatte.
Die Richtung des Weges war von Adelsberg nordwestlich
mit nur geringem Aufsteigen, links von der Chaussee abbiegend,
im Walde hin. Der Eingang zur Grotte war eine trichterför-
mige Einsenkung, deren südlichen Rand eine senkrechte Kalk-
steinwand bildete, während im Norden, Osten und Westen der
Trichterrand allmälig abfiel.e. An der senkrechten Felswand im
Grunde des vielleicht 40 Fuls tiefen Trichters war die nach
Norden sehende Mündung der Höhle so hoch, dafs man in ihr
aufrecht stehen konnte. Im Jahre 1819 sollen 50 Stufen zu
ihr hinab geführt haben, die nicht mehr deutlich sind. Eine
eisige Kälte strömte aus ihr entgegen. Das Thermometer war
leider unbrauchbar, da das Quecksilber getrennt war und sich
nicht wieder vereinigte. Die obere Luft am Rande des Trich-
ters mochte wohl dieselbe Temperatur von 12° Reaum. haben,
welche Configliachi 1816 im August fand, aber die innere
Kälte schien eine niedrigere als 9° R., was Gonfigliachi an-
gegeben hat. Nach Schmidl hatte am 16. September 1850
das Innere der Grotte, bei 11° äulserer Lufttemperatur, nur 5,6°
und das Wasser 5,9. Nachdem am Eingange Feuer gemacht
war und die Fackeln angezündet worden waren, wurde unver-
züglich abwärts gestiegen. Der Abfall war sehr steil, schlüpfrig
und auf grobem Geröll. Den Abfallswinkel taxire ich zwischen
30 und 45°. Einer der Führer ging mit der Fackel voraus, der
andere hielt mich am Arme und wir folgten langsam oft aus-
gleitend auf dem thonigen schwarzen und nassen Boden. Bald
hörte ich in der Tiefe das Rauschen eines Wassers. Die Füh-
rer bezeichneten es als das der Poike, welche sich bei Adels-
‚berg in die dortige, die sogenannte Adelsberger Grotte stürzt
und unterirdisch westlich weiter zur Magdalenen-Grotte zu flie-
766 Gesammitsitzung
[sen scheint. Nachdem wir vielleicht 300 Fuls abwärts gestie-
gen, ward das Tosen des Wassers immer stärker und schien
bedeutend näher gerückt, doch war es offenbar noch in ansehn-
licher Tiefe, welche die Fackeln nicht erleuchten konnten.
Tiefer hinab zu gehen schien den Führern nicht rathsam. Wir
bogen rechts, also westlich, ab und gelangten an eine Stelle, wo
die Höhlendecke weniger hoch war und sich ein Wasserbassin
von sehr klarem und ruhigem Wasser erkennen liels. Die
Fackeln vermochten nicht die Ausdehnung zu überleuchten.
Hier sollten sich die augenlosen Höhlenthiere aufhalten. Ich
liefs das Wasser beleuchten, sah aber kein Thier. Die Führer
erklärten, dafs es auch immer für sie nur ein Zufall sei, solche
Thiere zu fangen. Sie gingen wohl zuweilen 4- bis 5mal in
die Grotte. Alles Leuchtens ungeachtet lielsen sich auch keine
anderen Lebensformen erkennen, besonders auch keine kleinen
Muscheln, Würmer, Käfer, Spinnen, nach denen ich suchte. Der
Grund des Wassers war ein sehr feiner schwarzgrauer Schlamm, °
welcher sich sehr leicht aufrühren liefs und das Wasser sogleich
ganz trübte. Die Temperatur des Wassers war noch niedriger
als die der Luft der Höhle, indem es die eingetauchte Hand
noch mehr erkältete.
Von da stiegen wir aufwärts zu einem wohl um 100 Fuls
höher gelegenen zweiten Bassin, wo genau dieselben Verbält-
nisse statlfanden. Es war ebenfalls eine ruhige sehr klare Was-
serfläche mit schwärzlich thonigem Grunde, der in geringer Ent-
fernung so tief wurde, dals er nicht beleuchtet werden konnte,
auch zog sich das Wasser hinter überhangende und buchtige
Felsen so weit fort, dals die Ausdehnung nicht zn beurtheilen
war. Die Führer erklärten beide Wasser-Bassins für vielleicht
stundenweit (?) ausgedehnte Flächen. Es gab noch aufser diesen
beiden rechterseits in verschiedener Höhe vorhandenen Seen einen
linkerseits gelegenen, zu dem ich mich der zu kalten Luft und
Erhitzung beim Steigen halber nicht führen liefs, zumal auch
hier der Fang eines Proteus als sehr unsicher geschildert wurde.
Ich überzeugte mich nun noch durch die vorhandenen Schlamm-
Ablagerungen, dafs das Wasser der Bassins vor Kurzem höher
gestanden hatte als jetzt, mithin veränderlich war und die Füh-
rer erklärten den jetzigen Wasserstand für einen noch ansehn-
vom 15. December 1859. 767
lich hohen, welcher bei weiterem Zurücktreten dem Besucher
tiefer in die Seitenhöhlen einzudringen erlaube und dann auch
leichter Gelegenheit zum Sehen und Fangen des Proteus gebe,
dessen früher gefangene Exemplare sie mir bei der Rückkehr
nach Adelsberg käuflich anboten.
Ich nahm nun wie beim ersten Bassin so auch beim zwei-
ten eine Probe des feinen Bodenschlammes aus dem Wasser und
dem von diesem kürzlich verlassenen Boden und erstieg mühsam,
von den Führern gestützt, den steilen schlüpfrigen Abhang zum
Ausgang der Höhle.
Der Eindruck dieser unterirdischen Wasserbassins in ver-
schiedener Tiefe samt dem in noch gröfserer Tiefe rauschenden
Flusse, welche Gesammittiefe Professor, Configliachi 1816 auf
220 Klafter angeschlagen hatte, ist weder ihm noch mir mels-
bar gewesen. Ich glaube nur etwa 300 Fuls tief eingedrungen
zu sein und schätze den unten rauschenden Fluls für weniger
tief als noch einmal so viel, da die Gewölbe das Getöse offen-
bar verstärken. Sehr auffallend. und bisher nicht hervorgehoben
erschien mir die Etagenbildung. Zwar ist auch von früheren
Beobachtern, namentlich von Steinberg 1758 und Hacquet
(Oryctographia carniolica 1768) schon bemerkt, dals zuweilen 3
Höhleu, wie bei Lueg, über einander sind, jedoch sind diese
Höhlen mehr als Erdstürze betrachtet worden. Mir blieb der
Eindruck als sei das oberste Wasserbassin in etwa 200 Fuls
Tiefe das früheste unterirdische Flufsbett (der Poike?) gewesen,
welches durch einen Einsturz das Wasser in ein tieferes Bett
entleert haben mag, aber selbst noch ausgedehnte Wasserbassins
zurückbehalten bat, die von Zeit zu Zeit durch Tagesgewässer
anschwellen und überflielsen, wobei denn der Prozeus mit sei-
nen Genossen in die Poike und in die Wiesen und Seen der
unteren Ländereien bei Sittich gelangt. Ebenso mag es in der
f
zweiten Etage wieder einen Durchbruch zum jetzigen Flufslauf
gegeben haben.
Ob aber das unten rauschende Wasser wirklich die Poike
ist, darüber sind noch immer die Meinungen getheilt. In
Schmidls neuester Höhlenkunde des Karstes von 1854 ist die
Magdalenen-Grotte als ein in sich zurücklaufendes Höhlensystem
_ abgeschlossen dargestellt, dessen Ausdehnung 260 Klafter be-
768 Gesammitsitzung
trägt. Die Tiefen sind auch hier nicht gemessen und die zum
Messen der Höhe der Grotte mitgenommenen mit Wasserstoff-
gas gefüllten Ballons waren nach p. 206 verdorben. Nach Graf
Hochenwarts Werke Beiträge zur Naturgeschichte von Krain
1838 p. 52 soll das Wasser in der Magdalenen-Grotte aus dem
Zirknitzer See kommen und unter dem Flulsbette der Poike
queerüber laufen (S. Schmidl p. 109). Nach Seite 110 in
Schmidls Buche 1854 war die Magdalenen - Grotte seit 1814
der ergiebigste Fundort für den Proteus. Nach Seite 109 ist
das Wasser der Tiefe stagnirend, aber beim Hochwasser der
Poike ist alles überschwemmt, die tieferen Parthieen sind häufig
ungangbar, alle Gewölbe sind geschwärzt und die Tropfstein-
gebilde unansebnlich. Das letztere konnte ich bestätigen. Im
August 1819 wurde vom Rauschen des Poikeflusses, wie ich es
selbst erfahren habe, in der Tiefe berichtet (Laibacher Zeitung
1829 N. 73.) und dazu fügt doch Hr. Schmidl die zweifelnde
Bemerkung: (sic) p. 110. Schon 1850 hatte Dr. Schmidl in
den Sitzungsberichten der Wiener Akademie p. 470 das Flie-
fsen des Wassers in der Tiefe geläugnet und die Poike als öst-
lich davon im tieferen Niveau vorbeiströmend bezeichnet. Wie
kann es dann aber beim Hochwasser der Poike überschwemmt
sein? Wie kann es rauschen? Auch Steinberg hörte es. p. 203.
Wenn das 1758, auch 1819 vom Erzherzog Ferdinand und
seinen Begleitern gehörte Rauschen des unteren Flusses, wel-
ches auch ich mit der grölsten Deutlichkeit und Heftigkeit in
der Nähe 1859 gehört habe, nur periodisch ist und von dem
höheren, mit. der Höhe einen bestimmten Abzugskanal errei-
chenden Wasserstande der tiefer liegenden Poike abhängt, so
würden die unteren, periodisch stagnirenden, Wasserbehälter eine
dritte Etage über dem jetzigen Flusse bilden und also ein drit-
tes ehemaliges Flufsbett sein, welches durch Einstürze in tie-
fere Räume, in das jetzige vierte Flufsbett durchgebrochen ist.
Man sieht hieraus, dafs die Magdalenen-Grotte auch heut nicht
hinreichend gekannt ist und dals die hier niedergelegten neuen
Erfahrungen nützliche Bestätigungen für bezweifelte auch allge-
- meinere Verhältnisse derselben enthalten.
} vom 15. December 1859. 769
Resultat der Untersuchung des Schlammes in wel-
chem der Proteus anguinus lebt und seine
Nahrung findet.
Hr. Director Freyer in Triest hat mir mündlich erzählt,
dals der Proteus Frosch- und Krötenlaich, Regenwürmer, Kaul-
_quappen und kleine Schnecken der Gattung Carychium fresse.
Derselbe hat früher auch Paludina viridis genannt. Dr.
Schiner, der fleilsige Bearbeiter der Höhlenfauna in Schmidls
Werke von 1854, hat bei Hrn. Türck, der seit vielen Jahren
lebende Olme in Wien hält, den Anblick eines Proteus- Mah-
les genossen. Ein an ein Stäbchen befestigter lange geduldig
dargereichter Regenwurm wurde hastig verschluckt, wieder aus-
gespieen und wieder verschluckt (p. 246). Dennoch fragt man
wohl, wie kommt es, dals man bisher nie einen Regenwurm und
nur so selten Schnecken im Wasser dieser Thiere, auch niemals
Froschlaich oder Kaulquappen fand? so dals man all diese ange-
‚zeigten Nahrungsstoffe unmöglich für die natürlichen halten
"kann. Zu dem kommt, dals, obwohl über Tausend dieser Thiere
| bereits anatomirt worden sind, doch niemals ein bestimmter
- Nahrungsstoff derselben zu bezeichnen gewesen ist.
| Dagegen ist der Leib dieser biassen durchscheinenden
_ Tbiere, wie ich mich selbst überzeugt habe, stets auf der Un-
terseite bläulich wegen des durchscheinenden mit dunkeln Stof-
fen erfüllten Darmes.
Ich hatte daher von 3 Punkten Schlammproben mit mir ge-
nommen und diese selbst von den passendsten Stellen aufge-
nommen, welche ich theils zur Erläuterung der Nahrung des
Proteus dienlich, theils aber auch zur Erkenntnils der bisher
ww ganz unbeachtet gebliebenen, in gleichen Verhältnissen mit
Bir lebenden, mikroskopischen Organismen für geeignet hielt.
Diese 3 Proben eines lehmartigen Schlammes, welcher beim
Fackellichte schwärzlich, am Tageslichte aber schmutzig braun
erschien, sind von mir nach der stets geübten Weise in kleinen
nadelkopfgrolsen Theilchen auf Glimmer ausgebreitet, nachdem
sie mit Canada-Balsam überzogen worden, in allen ihren Ato-
men gemustert worden. Es haben sich aus je 20 solcher Ana-
Iysen, mithin aus 60 von den drei Proben, allmälig 71 organische
EP
770 Gesammitsitzung
Formen erkennen lassen, welche in dem dortigen Schlamm le-
bend oder todt vorhanden sind.
Das vorgelegte Verzeichnils enthält 42 Polygastern, 25 Phy-
tolitharien, 4 weiche Pflanzentheile und 8 anorganische For-
men. Die organischen Formen und Reste betragen mithin 71
Arten und geben somit schon einigen Anhalt zur Vergleichung
der amerikanischen Verhältnisse in der Mammuthshöhle von Ken-
tucky, aus der nur 32, 16 organische mikroskopische Formen zu-
gänglich waren, und den Höhlen von Krain, in denen bisher
im Ganzen 23 Formen bekannt wurden, welche seit 1854 ver-
zeichnet sind und deren Zahl bis jetzt nur um ein Carychium
vermehrt worden ist, welches Hr. Director Freyer vom C,
spelaeum Rolsmälslers für verschieden hält.
Als besonders bemerkenswerth ist hervorzuheben, dafs die
bei weitem überwiegende Formenzahl den jetzt lebenden so
verwandt ist, dals ich sie mit besonderen Namen zu nennen
keine Anregung fand.
Die Hauptmasse des Festen des Schlickes ist ein unorgani-
scher Sand von eckigen Quarztheiichen, als Trümmersand, mit
vielem Glimmer und vereinzelten grünen Pyroxen-Krystall-Pris-
men ähnlichen Krystallen. Überdies ist ein ansehnlicher Fheil aus
weilslichen Rhombenkrystallen von Weitzenkorn oder Spindelform
gebildet, welcher durch Säure mit Brausen verschwindet. Es ist
kohlensaurer Kalk. Ebenso verhalten sich seltene kleine tellerför-
mige Sternchen mit 7, 9 und 11 Strahlen. Ein feinster form-
loser Mulm liegt dazwischen und scheint thoniger Natur zu sein.
Die organischen Formen sind mehr vereinzelt in jene Masse
eingebettet, doch so, dafs in jeder Nadelkopfgröfse der Substanz
mehrere dieser Formen erkannt werden.
Ziemlich zahlreich und in gröberen Verhältnissen sondern
sich beim Schlemmen feine Holztheilchen ab, die sich oft unter
dem Mikroskop als Fichtenholz durch ihre porösen Zellen be-
stimmen lassen. Aber auch Dicotylen-Fragmente verschiedener
Art sind erkennbar und schwimmen auf dem Wasser -Infusum
des Schlammes. Leicht erkennbar und sehr bezeichnend für
Fichten-Substanz ist auch der vorgekommene Fichten - Blüthen-
staub.
Zu pag. 771
Verzeichnifs der Thiere und Pflanzen der Karst-Höhlen und Dalmatiens nach Dr, Fitzinger
Dr. Schiner und Dr. Pokorny. :
1.2 Tähsigeurze.
Klasse. Name
Mammalia Mininpterus Schreibersü Natterer
Hypochthon Garrarae Fitz.
Freyeri Fitz.
Haidingeri Fitz.
Laurentü Fitz.
All Schreibersii Fitz.
xanthostietus Fitz. (chry-
sostictus Freyer)
Zoisü
Anophthalmus Schmidtii
Sphodrus Schmidtüi Mill.
Pristonychus elongatus De;.
Homalota spelaea Erichs.
Quedius fulgidus Erichs.
Leptodirus Hochenwartii Schm. 1832
(Stagobius Troglod. Schiödte)
Adelops byssinus (Bathyscia) Schiödte
montanus(Bathyscia)Schiödte
Khevenmülleri Mill.
Phalangopsis cavicola Kollar
Phora aptina Sch. et Egg.
nz Schmidtü Sch. et Egg.
Coleoptera
Insecta
Orthopt.
Diptera
Thysanura Anurophorus stillicidii Schiödte
Stalita taenaria Schiödte
: Epeira fusca Walk.
Arachnoiaee Blothrus spelaeus Schiödte
Eschatocephalus gracilipes Frauenf.
Polydesmus subterraneus Schm.
Bi niopadz Lithobius spec. incerta Kollar
Niphargus stygius Schiödte
Tithanethes albus Schiödte
I spelaeum Rolsmäsl.
Crustacea
Mollusca n. sp. Freyer
Paludina viridis nach Freyer
I.
Agaricus (Mycena) myurus Hoffm.
(Coprinus) petasiformisCorda
Polyporus velutinus Fr.
Pflanzen, nach
Pilze
Hymenomy- n =,
2 E abietinus Fr.
cetes
Thelephora rubiginosa Schrad.
sanguinolenta Alb. u. Sch.
Typhula erythropus Fries
Gasteromy- Is nigripes Fr.
cetes Perichaena incarnata P.
Dermatomyc. Hypoxylon vulgare Link
Unyollkommene
Formen.
Ceratophora fribergensis v. Humb. (=
Leuzites sepiaria Pers.!)
Hymenomy- | Xylostroma candidum Pers.? (Mycelium
cetes des Polyporus Faillantii F r.?)
Mycelien von unbestimmten Agaricus-
und Polyporus-Arten
Gasteromy- (Stemonitis fusca Pers. als gelbes My-
cetes { celium
Hypha_ argentea Pers. wahrscheinlich
das Mycelium eines Agaricus
Ozonium auricomum Link.
stuposum Pers.
Hyphomy- ) Fibrillaria subterranea Pers.
cetes « subcorticalis
® subterranea
y dichotoma
ö verlicillata
z setacea simplex
ä i ind nach
Diese sämmtlichen Pflanzen sınd na
Proteus vergleichbaren, ausschliefslichen Höhlebrren
achtet. Es sind meist unvollkommene Entwicklungen vo
Ausschliefsl. Zufälli
Höhlenthiere Kindringifage
Ort (Troglobia) (71 roglophila)
Lueger Höhle
Sign u. Narenta, Dalmatien
Kampole u. Potiskavz
Kleinhäusler Grotte
Magdalenen Grotte
Vir
Beden
Rupa
Lueg
Lueg, Adelsb., Magdal.
Lueg, Adelsb., Magdal.
Lueg, Adelsb., Magdal.
Lueg, Adelsb., Magdal.
D
„urn ı
Adelsb., Magdal.
Adelsb.
Lueg
Adelsb.
Lueg, Adelsb., Maggal. n
Adelsb.
Lueg
Adelsb.
Adelsb., Magdal.
Lueg
Adelsb., Magdal.
Adelsb,
Adelsb.
Adelsb.
Lueg, Adelsb.
Lueg, Adelsb., Magdal.
Adelsb. (leere Schaalen)
?
D
.meanmı
? u
Dr. Pockorny.
Adelsb. -
Lueg -
Adelsb. -
Adelsb. -
Adelsb. =
Adelsb. -
Adelsb. -
Lueg 5
Adelsb. r
Lueg, Adelsb. -
PRruenaan m
Lueg, Adelsb. = 1
Adelsb. =
Lueg, Adelsb. B 1
Adelsb. - 1
Lueg, Adelsb., Magdal. >
Lueg, Adelsb., Magdal. =
Lueg, Adelsb., Magdal. =
Adelsb. =
Lueg, Adelsb., Magdal, =
meree
19
Dr. Pokorny’s vorsichtigem und offenbar richtigem Urtheil keine, dem
Andere Pflanzen irgend einer Art sind aber nicht beob-
der Oberfläche eingedrungener Samen und Keime.
Summe aus den Karsthöhlen 51.
Noch andere bis jetzt beobachtete meist augenlose oder schwachsichtige Höhlenthiere u. a.
Klasse,
Marnmalia
Coleoptera
Insecta
Diptera
Mammalia
Pisces
Crustacea K
Il. Europ
Name,
Rhinolophus Hippocrepis
Catops (Adelops?) TroglodytesSchmidt
al. spec. Melly &
Erichson 1844
Adelops Schiödtei Kiesew. Entomolog.
Zeitung 1850
Aubei Kiesew. ibid.
ovata Kiesew. ibid.
Leptodirus angustatus Schmidt
sericeus Schmidt
n. sp. Schmidt
Anophthalmus Scopolü Schmidt
Billimekü Schmidt
hirtus Schmidt
Hacquetii Schmidt
Nycteribia biarticulata Herm. auf Rhi-
nolophus Hippocrepis
I.
Vespertilio?
(a Rattus?
Amblyopsis spelaeus Agassiz
I
pellucidus
Entomostr. \Triura cavernicola Tellk.
2 Phalungodes armata Tellk.
Adrachnoidea 5 =
Antrobia monmouthica Tellk.
Orthoptera Phalangopsis longipes
Diptera Anthomyia —? Tellk.
Anophthalmus Tellkampfü Erichson
Coleoptera
Adelops hirtus Tellk.
Biddulphia —? fossil?
Bodo —?
Chilomonas —?
; Gallionella —? N3
N rear 2
Monas Kol/poda .o
y aL|
socialis R=}
- o°
Synedra Ulna Al
Polythalam. Rothsand Steinkern fossil g
Lithodontium curvatum =
Phytoli- emarginatum &£
ae Lithostylidium oblongum o
quadratum E
©
unidentatum =
r Pflanzenhaar glatt einfach =
Weiche Pflanzentheile { 8 5
gegliedert =
Krystallprismen grün (Pyroxen?) zZ
Unorganische Formen
weils (Quarz?)
Krystallrhomben (kohlens. Kalk)
Krystallkugeldrusen (kohlens. Kalk)
Nord-Amerika
5 Ausschliefslich
Ort. stationär. Eindringling.
Adelsberger Grotte - A
Adelsberg 1 -
Sicilien 4? -
Pyrenäen 1 -
Provence 1 -
Bagneres de Luchon is =
Voleja jama, Inner-Krain, Triest 1 -
Goba dal Grotte, Unter-Krain 1 -
Krainer Grotten 1 =
Grotte bei Setz (Adelsb.) 1850 1 -
Seleer Grotte bei Gottschee 1846 1 -
Podleser u. Krimberger Grotte 1 -
Krimberger Grotte 1 -
Adelsb. >
12 2
1 =
1 =
1 o
1 -
4 u
1 -
1 =
1 5
1 -
1 -
1 =
1 -
1? -
4? -
1? -
A -
Mammuthshöhle bei Bowling- 1? =
green in Kentucky 1? 3
1? -
1? -
- 1
- 1
- 1
- 1
- 1
- 1
- 1
- 1
- 1
- 1
- 1
- 1
Ganze Summe 97. TEN a
u vom 15. December 1859. 771
% Was die 25 Phytolitharien anlangt, so sind es, mit Aus-
nahme von nur 4 Arten, Gras-Kieseltheilchen und unter allen
ist nur eine Form von den bekannten abweichend. Die 4 übri-
gen sind Spongolithen und schlielsen sich ganz den Kieselnadeln
der Flufsschwämme an.
T Von den 42 meist kieselschaligen Polygastern haben sich
nur 3 bis 4 als nicht auf schon bekannte Formen passend be-
trachten lassen, 1 Arcella, 1 Difflugia und 2 Surirellae. Alles
übrige schlielst sich den weit verbreiteten europäischen Wasser-
gebilden so eng an, dals ich Bedenken zu tragen hatte, beson-
dere Namen zu geben.
So erweitert sich denn das aus der Kentucky-Höhle 1856
durch die Höhle von Krain gewonnene Resultat in gleicher
Weise, wonach die mit den Höblenthieren zusammen lebenden
mikroskopischen massenhaften Formen keine so bedeutenden Ei-
genthümlichkeiten zeigen, wie sie wohl erwartet worden sind.
Da ich den hier vorgestellten Proteus der Magdalenen-
‚Grotte lieber noch lebend beobachten als tödten wollte, so habe
ich seinen Darım-Inhalt nicht innerhalb untersucht, ich fand aber
im Glase dunkle schleimige Abgänge von ihm, in denen sich
"mannichfache organische Reste gleicher Art erkennen lielsen.
Es wird leicht sein, an in Spiritus aufbewahrten Exemplaren, dem
bier gegebenen Verzeichnils gemäls, die Formen nun weiter zu
bestimmen, die als Nahrung wirklich verwendet wurden,
F: Wie weit die stets neu hinzutretenden Gewässer der Ober-
Bäche das ganze Leben der unterirdischen, Prozeus führenden
"Seen bedingen, oder gewisse Formen auch hier wiederkehrende
Besonderheit zeigen, muls ferneren Untersuchungen vorbehalten
Bleiben
(Siehe beiliegende Tafel.)
772
Gesammtisitzung
Die mikroskopischen Formen des Schlammgrundes
in den Proteus-Bassins der Magdalenen-Grotte.
Polygastern: 42.
Amphora libyca
ampla?
Arcella Globulus
hyalina (Enche-
lis)
Macrostoma?
Cocconeis oblonga
?
Cocconema Arcus
gracile
lanceolatum
p
Difflugia?
Eunotia amphioxys
Zebra
2
Gallionella crenata
procera
Gloeonema paradoxum
Gomphonema capitalum
clavalum
Meridion Pupula
Navicula affınis
amphioxys
Gastrum
gracilis
Sigma
Silicula?
?
Pinnularia borealis
decurrens
Tabellaria
viridis?
2
Surirella biceps
Librile
Proteorum
splendida?
undata
—
—
+ilı+iıtırrtrirrt iii HI Hrrl I I HH
..
Probe Probe
I 1l.
|
)
el
j
++
|
I +1+
BKEZZEEIEEN
+
a en
Probe
II.
11 121314h11213149 411213
+
+
14
un
vom 15. December 1859. 773
Probe Probe Probe
I. I. II.
1112131491 12]3]4] 1 |213|4
Surirella ? ar zer
‚eapat2==: 30H OR
Synedra acuta era jan isn am da a ii
Ulna + I+-+!+]+ +++
en
119 | 511611112 101 4, 9 8] 819]
Phytolitharien: 25.
Lithodontium furcatum
Platyodon
rostratum
Lithostylidium angulatum
clavatum
Clepsam-
midium
crenulatum
cirrhosum
denticula-
tum
Fusus
irregulare
laeve
obliguum
oblongum
quadraturn
rude
serpenti-
num
Serra
Trabecula
triqueirum
unidenta-
tum
Spongolithis acicularis
amblyotyla
Aratrum
canalicula-
ris
Weiche Pflanzen-
theile: 4.
Fichten-Pollen
Holzfasern
[1859.]
774
Gesammtsitzung
Probe
I.
EHEN ERENE)
Fichten - Holzfasern, poröse
Dicotyle Fragmente
I 7177 4 21 8
Summe des Organischen 71 [26122013520
Unorganische For-
men: 8.
Grüne Krystallprismen
Weilse Weitzenkorn -Kry-
stalle (Kalk) ++ ++]
Sterne Istrahlig (Kalk)
+— +4
7strahlig (Kalk) —_— +
12strahlig (Kalk) —_——i+
Quarzsand +++ Hi+
Glimmer +++ +J+
Mulm (Thon?) ++
| 5| 41 71 4
6| | 8) 4 51 81 6
Probe
II.
1314
Probs
II.
Fir AN ++
16112/16512113,17111
+ [++
++ 44-4 ++
_———-
a
AH BR
+++ ++ +h-|+ +
a ara En
Ganze Summe 79 ]31|16|27|17125j21116]20]1818,21]15
Aus der letzteren Tabelle ergiebt sich dem Auge sogleich
das vereinzelte oder vielfache Vorkommen aller Formen in den
3 Proben des mitgebrachten Schlickes. Von jeder der Proben
sind 20 Analysen gemacht und je
5
sultaten zusammengefalst worden, daher ist bei jeder Probe die
1ste, 2te, Ste, 4te Fünfzahl der Analysen bezeichnet,
zusammen 12 Reihen geben.
5 Analysen sind in ihren Re-
welche
Einige Formen kommen in allen
Reihen vor, andere nicht, das bezeichnet die Massenhaftigkeit
dieses Bestandtheiles oder seine Geringfügigkeit, letztere beson-
ders wenn er in nur einer Reihe angezeigt ist.
Da es ebenso fehlerhaft ist gewisse ursprüngliche Formen
der Höhlenbewohner, weil sie auch zu Tage vorkommen, als
zufällige, auszuschlielsen, als dieselben unter den ursprünglichen
deshalb anzuerkennen, weil sie in den Höhlen vorkommen, so
ist es besser diese Erörterungen über die Ursprünglichkeit für
das mikroskopische, schwieriger zu beurtheilende Leben, als noch
nicht zur Entscheidung reif, zu vertagen, bis erst vielseitigere
i vom 15. December 1859. 775
Untersuchungen stattgefunden haben. Eine Coccionella oder
einen anderen einzelnen, vielleicht auch an sich augenlosen, Kä-
fer trägt man wohl leicht unbewulst an den Kleidern selbst erst
mit in Höhlen, allein so massenhaft und übereinstimmend zahl-
reiche Kieselschalen- Thierchen lassen sich in dieser Art nicht
erläutern und ihre Augenlosigkeit ist dort wie hier. Da bleibt
nur übrig, ihr Eindringen mit den Tagesgewässern als möglich
anzuerkennen.
Der Eingang zur Magdalenengrotte befindet sich aber in
einer wasserlosen hochgelegenen Berggegend mit rauhen aber
sanften Formen. Der Wassermangel bringt in der ganzen Ge-
gend Mangel an Viehfutter und Kulturland hervor. Die Be-
wobner sind meist Fuhrleute oder jetzt Eisenbahn - Arbeiter, die
ihren Erwerb auf entfernten Stralsen suchen. Es hält schwer
und scheint mir bis jetzt nicht nur bedenklich, sondern unmo-
tivirt, alle diese Formen als durch die meteorischen Gewässer
des RKegens, ohne alle Sumpfbildungen, zugeführt anzunehmen.
Ich habe deshalb einige Aufmerksamkeit gleichzeitig auf die
dortige Oberfläche verwendet und bin noch damit beschäftigt
die gesammelten Materialien zu analysiren. Zu seiner Zeit werde
ich diese Art von Controlle ebenfalls vorlegen, gleichviel wel-
ches Resultat ausgesprochen werden kann.
Sehr wünschenswerth wäre es, dals das physiologische auf-
fallende Räthsel der Existenz so besonderer und so vieler ähn-
lich lebender Thiere in den Höhlen des Österreichischen Kai-
‚serstaates vielseitige fortdauernde Unterstützung im Lande fände,
da die bisherigen höchst anerkennenswerthen Bemühungen sowohl
des Hrn. Dr. Fitzinger, als auch der übrigen tbeilnehmenden
Naturforscher, unterstützt durch die bereits stattgefundene Li-
beralität der Regierung, schon so ausgezeichnet massenhafte
neue Kenntnisse in dieser Beziehung zu Tage gefördert haben.
Derselbe las ferner: über das mikroskopische Le-
ben des Montblanc-Gipfels nach Dr. Pitschners Ma-
terialien.
Wenn auch zuweilen früher Schriftsteller ausgesprochen
haben, dafs in dem abflielsenden kalten und trüben Gletscher-
wasser der Alpen unbestimmte organische pflanzliche Theilchen
55°
776 Gesammtsitzung
enthalten seien, so ist doch die Vorstellung von stationären Le-
bensformen in den Gletschern und höchsten Schneeregionen
jüngst erst zum Ausdruck gekommen. Erst seit dem Jahre 1848
sind von mir Beobachtungen eines wirklichen selbstständigen
Lebens der hohen Alpen sowohl, als der Gletscher nach eige-
nen Untersuchungen im Berner Oberlande angestellt und reich-
haltige Verzeichnisse nicht blofs von pflanzlichen Resten, son-
dern von selbstständigen wirklich lebenden Organismen, sowohl
Pflanzen als Thieren, 1849 der Akademie mitgetheilt worden |
(S. Monatsbericht 1849 S. 287— 301).
Durch die Hrn. DDr. Hermann und Adolph v. Schlag-
intweit sind dann ferner im Jahre 1853 sehr dankenswerthe
und umsichtig gesammelte Materialien aus den höchsten Punk-
ten der Centralkette der europäischen Alpen, besonders des
Monte Rosa zur Übersicht gekommen, welche ich der Akademie
damals vorgelegt habe. S. Monatsbericht 1853 p. 315— 333.
Ein Nachtrag dazu ist S. 531 gegeben. Im Jahre 1854 sind in
der Mikrogeologie auf Tafel XXXV.B. die charakteristischen
Formen des höchsten Alpenlebens abgebildet worden und im
Jahre 1855 wurde im Monatsbericht p. 225 eine Mittheilung
über das nach 4 Jahren noch fortdauernde, im Wasser wieder zu
voller Thätigkeit zu bringende Leben der 1851 vom Monte
Rosa aus 11138 Fuls Höhe entnommenen, trocken aufbewahrten
Formen gemacht.
Seitdem sind von den Hrn. DDr. Hermann, Adolph
und Robert von Schlagintweit') jene Materialien aus bis
20000 Fufs Höhe der hohen Pässe des Himalaya zugeführt wor-
den, über deren reichen Lebensgebalt in den Abhandlungen der
Akademie im vorigen Jahre, 1858, Bericht erstattet worden ist.
Das mikroskopische Leben des Montblanc war bisher noch
völlig unbekannt.
Hr. Dr. philos. Pitschner, Lehrer an der Königl. Real-
Schule, hat am 1. August dieses Jahres eine Besteigung des
Montblane von Chamouny aus glücklich ausgeführt und Gele-
genheit genommen für die Feststellung und Übersicht des sta-
tionären, auch des kleinsten Lebens in mehr als 10000 Fufs Höhe
Materialien zu sammeln. Die für die mikroskopischen Unter-
‘) Irthümlich ist 1858 der dritte verdiente Reisende Rudolph v.
Schlagintweit genannt.
\ von 15. December 1859. 7A7
_ suchungen passenden hat er mir zur Feststellung der Arten über-
geben, aus denen sich denn auch ein über die Erwartung rei-
ches Leben hat entwickeln lassen.
Nach den Überschriften stammen die Materialien, welche
ich erhielt, sämmtlich von dem Grand-Mulets-Felsen und ober-
halb desselben bis zum obersten Gipfel des Montblanc her.
Sie sind sämmtlich in festen Gläschen oder neuen Pappschäch-
telchen, zwar nicht in der ursprünglichen Verpackung, aber doch
in offenbar sauberer Behandlung mir zugekommen. Zwei Er-
den aus den höchsten Regionen enthalten viel bunte Löschpapier-
fasern, sind daher zuerst in grauem Löschpapier gesammelt wor-
den, was beim Nachfragen auch bestätigt wurde. Die Höhen-
Angaben sind von Hrn. Dr. Pitschner mitgetheilt.
Ein unzweifelhaft interessantes Resultat ergaben sogleich
die von mir angestellten Nachforschungen bei den geeigneteren
Materialien, ob noch lebende Formen hier in Berlin wieder in
volle Thätigkeit zu bringen wären. Es fanden sich deren bei
allen Moosen, zumeist Callidina redieiva, welche schon nach 5
Minuten unter Wasser zuweilen wieder ganz munter umherkroch
_ und wirbelte. Auch Macrodiotus Hufelandü wurde so bald mit
den Fülsen thätig. Die Callidina sexdentata fand sich nur in
dem Lichen Nr. 19, aber zahlreich mit Callidina rediviva und
wanderte auch nach wenigen Stunden schon kräftig umher.
Von anderen Formen sah ich nur einmal ein einem Euplotes
ähnliches Polygasztrieumn auf Moosresten langsam umherklettern,
es schien aber noch nicht völlig entfaltet zu sein. Anguillulae
lebten nicht wieder auf. Auch sah ich keine umherkriechenden
‘ Bacillarien unter den vielen Tausenden, welche im Innern ganz
wohl erhalten schieneu, indem sie ihre inneren braunen Platten
in Frische und Glätte erkennen lielsen. Diese sämmtlichen un-
_ ter Wasser wieder lebensthätig gewordenen Formen sind aus
Materialien von den Grands Mulets, mithin nach Hrn, Pitsch-
_ mers Angabe aus etwa 10000 Fuls Erhebung.
Die Proben Nr. 1—6 sind von den Grand Mulets, aus gegen
140000 bis 10300’ Höhe, nämlich 1—4 Moose und Flechten, 5
eine Erde, 6 geschmolzener Schnee als Wasser mit trübem Bo-
densatz. Die Nummern 7—9 sind geschmolzener Schnee vom
Dome du Goute aus 10000—11000 Fufs Erhebung, Nr. 10 ist
778 Gesammisitzung
eben solches trübes Schneewasser vom Petit plateau aus 12000
Fuls‘ Erhebung; Nr. 11—12 dergleichen vom Corridor aus
12000—13000 Fuls Höhe; Nr. 14—17 sind von den Petits Mu-
lets aus 14500 Fuls und zwar ist Nr. 15 geschmolzener Schnee
vom höchsten Gipfel und Nr. 16 und 17 sind Erden aus Fels-
spalten der Petits Mulets. Es betreffen also die sämmtlichen
Materialien 1—5: Moose, Flechten und Erde, 6—15: Trübungen
und Absätze geschmolzenen Schnees, 16—17: die höchsten Erd- |
spuren. Die Proben des geschmolzenen Schnees sind theils künst-
lich geschmolzen, theils aber aus trichterförmigen Vertiefungen
der Schneefelder schon als trübes Wasser entnommen. Die
letzteren sind die ganz überraschend reichen an lebensfähigen
organischen Formen.
Von den 17 Proben sind von 1—4 je 10, von 5 und 6 je
5, von 7 sind 20, von 8—14 je 10, von 15 und 16 jeöund von
17 wieder 10 Analysen gefertigt, in der Art, wie ich sie viel-
fach angezeigt habe. Aus diesen 160 Analysen haben sich, bei
300maliger Vergrölserung im Durchmesser, 85 Formen, darunter
81 organische entwickeln lassen. Unter diesen Formen sind 53
Polygastern, nämlich 44 Bacillarinen, 8 Arcellinen, 1 Desmi-
diacee, ferner 14 Phytolitharien, darunter kein Spongolith, wenn
nicht der Amphidiscus dahin gehört. Vielleicht aber beweist
auch dieses Vorkommen, dals Amph. truncatus zu den Lithosty-
lidien gehört, als Passatstaub-Element läfst er es jedoch im Zweifel.
Ferner sind in der Formenzahl 2 lebende Räderthiere, 2 lebende
Bärenthierchen, 2 Anguillulae, 7 weiche Pflanzentheile, darunter
Fichtentheile und Farnsamen. Endlich sind Fasern gefärbter
Wolle (Schaafwolle) dabei, die wohl aus dem zum Einpacken
benutzten Löschpapier, oder durch den Luftstaub dahin gelangt
sind. Anorganische Formen wurden 4 unterschieden, worunter
keine Kalktheile sind, wohl aber granitischer Trümmersand.
Die sämmtlichen Formen des geschmolzenen Schnees sind
in einer Frische der Erhaltung ihrer organischen inneren Struc-
tur, dafs an Luftstaub-Elemente dabei zu denken schwer, ja un-
möglich wird, wenn man dieselben so unverrottet längere Zeit
nach vielmaligem Ausfrieren und Aufthauen erhalten denken soll.
Es sieht das alles dem frischen Leben sehr gleich.
vom 15. December 1859. 779
Allerdings sind viele der verzeichneten Formen den Passat-
staub-Formen gleich und es kann die Ablagerung der Phytolitharien
nur als Staub erfolgen, aber niemals sahen die von mir so zahlreich
untersuchten Passatstaub-Thierchen so frisch und niemals waren
dieselben so überwiegend, wie hier im Alpenschnee.
r Auffallend ist, dals bei dem grolsen Reichthum an verschie-
ü denen Formen, sowohl an Arten als an Individuen, doch so we-
_ nig, eigentlich vielmehr gar keine hochnordischen Charakter-
‘ Formen (gesägte Eunotien, Biblarien u. s. w.) darunter sind.
Höchst auffallend hat mich freilich die zahlreich in 10000 und
- 44000 Fufs Höhe des Montblanc vorkommende .Disiphonia au-
stralis angeregt, welche ich bisher nur aus Kerguelens-Land in
50° $.B. 88°O.L. des Süd-Oceans kannte und in der Mikrogeo-
Ä logie seit 1854 auf Tafel 35.A. II. Fig. 7 publicirt habe. Sie
H palst genau in Form und Grölse auf die Gestalt vom Montblanc.
_ Die Difflugia assulata aus 14500 Fuls Höhe der Petits Mulets
a ist eine elegante auffallende Form. Auch Synedra amphicoryna,
ist neu und massenhaft.
Höchstes Alpen-Leben des Montblanc in 10000’ bis
r. 14500’ Höhe.
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vom 15. December 1859.
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vom 15. Decernber 1859. 783
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Quarzsand — —— — — — — [+] 1 1+
Ganze Sum. 85] 4 3 s e| I 014 Dee) IE
|
Hr. du Bois-Reymond legte eine Mittheilung von Hrn.
_ Prof. Kirchhoff über den Zusammenhang zwischen
_ Emission und Absorption von Licht und Wärme, d.
d. Heidelberg, 11. December 1859, vor.
Vor einigen Wochen habe ich die Ehre gehabt der, Aka-
demie eine Mittheilung über einige Beobachtungen zu machen,
die mir namentlich deshalb von Interesse zu sein schienen, weil
sie Schlüsse über die chemische Beschalfenheit der Sonnenatmo-
_ sphäre ermöglichen. Von diesen Beobachtungen ausgehend bin
ich jetzt durch eine sehr einfache theoretische Betrachtung zu
einem allgemeinen Satze gelangt, der mir in vielfacher Bezie-
hung von Wichtigkeit zu sein scheint, und den ich deshalb mir
_ erlaube der Akademie vorzulegen. Er spricht eine Eigenschaft
_ aller Körper aus, die sich auf die Emission und Absorption von
- Wärme und Licht bezieht.
‘ Wenn man in die nichtleuchtende Flamme der Bunsen-
_ schen Lampe Chlornatrium oder Chlorlithium bringt, so erhält
_ man einen glühenden Körper, welcher nur Licht von gewisser
Wellenlänge aussendet und nur Licht von derselben Wellen-
länge absorbirt. In dieser Weise läfst sich das Resultat der er-
wähnten Beobachtungen aussprechen. Wie derselbe den dun-
784 Gesammtsitzung
keln Wärmestrahlen gegenüber in Beziehung auf Emission und
Absorption sich verhält, weils man nicht; aber es erscheint als
unbedenklich sich einen Körper als möglich vorzustellen, der
von allen Wärmestrablen, den leuchtenden wie den dunkeln,
nur Strahlen einer Wellenlänge aussendet und nur Strahlen
derselben Wellenlänge absorbirt. Giebt man dieses zu und
betrachtet überdies einen Spiegel, der alle Strahlen vollständig
reflectirt, als möglich, so kann man aus den allgemeinen Grund-
sätzen der mechanischen Wärmetheorie sehr leicht beweisen,
dafs für Strahlen derselben Wellenlänge bei dersel- H
ben Temperatur das Verhältnils des Emissionsver-
mögens zum Absorptionsvermögen bei allen Kör-
pern dasselbe ist.
Man denke sich in Gestalt einer unbegrenzten Platte einen
Körper C, der nur Strahlen von der Wellenlänge A aussendet
und nur solche absorbirt; diesem gegenübergestellt sei ein Kör-
per ce in Gestalt einer ähnlichen Platte, der Strahlen von allen
möglichen Wellenlängen aussendet und absorbirt; die äulseren
Flächen dieser Platten seien mit den vollkommnen Spiegem R
und r bedeckt. Wenn in diesem Systeme die Gleichheit der
Temperatur sich einmal hergestellt hat, so muls jeder der bei-
den Körper dieselbe Temperatur behalten, also durch Absorption
so viel Wärme aufnehmen, als er durch Ausstrahlung verliert.
Nun betrachte man von den Strahlen, die c aussendet, zuerst
diejenigen von einer Wellenlänge A, die verschieden von A ist.
Auf diese Strahlen hat der Körper C keinen Einfluls; sie wer-
den von dem Spiegel A so reflectirt, als ob € gar nicht vor-
handen wäre, ein gewisser Theil von ihnen wird dann von e
absorbirt, die übrigen gelangen zum zweiten Male an den Spie-
gel A, werden von diesem abermals reflectirt, von c theilweise
absorbirt u. s. f. Alle Strahlen von der Wellenlänge ?, die der
Körper c aussendet, werden auf diese Weise nach und nach
wieder von ihm aufgenommen. Da dieses für alle Werthe von
? gilt, die verschieden von A sind, so erfordert die Unveränder-
lichkeit der Temperatur des Körpers c, dals dieser von den
Strahlen von der Wellenlänge A so viel absorbirt, als er selbst
aussendet. Für diese Wellenlänge sei e das Emissionsvermögen,
a das Absorptionsvermögen des Körpers c, E und 4 seien die
vom 15. December 1859. 785
entsprechenden Gröfsen für den Körper C. Von der Strahlenmenge
E, die C aussendet, absorbirt dann c die Menge aE und wirft
(1—a)E zurück; hiervon absorbirt C die Menge A(1—a)E und
wirft ((—4) (1—a) E nach c zurück, welches davon a(1—A)(1—a) E
absorbirt. Setzt man diese Betrachtung fort, so sieht man, dafs
ce von E eine Strahlenmenge aufnimmt, die, wenn man der
Kürze wegen
(—A)(1!—a)=k
setzt,
=aE(i+k+k’+k’+..),
d. h.
rn aE
ik
ist. Von der Strahlenmenge e, die c selbst aussendet, absorbirt
ec, wie eine ähnliche Überlegung zeigt, die Menge
ali—A)e
1—k
Die Bedingung dafür, dafs die Temperatur von ec sich nicht än-
dert, ist daher die Gleichung
d.h. die Gleichung
Zu derselben Gleichung gelangt man, wenn man die Bedingung
dafür entwickelt, dals die Temperatur von C constant bleibt.
- Denkt man sich den Körper ce durch einen andern ersetzt von
derselben Temperatur, so findet man durch Wiederholung der
angestellten Betrachtung denselben Werth für das Verhältnils
des Emissionsvermögens zum Absorptionsvermögen dieses Kör-
pers für die Strahlen derselben Wellenlänge A. Die Wellen-
länge A und die Temperatur sind aber willkürlich. Es folgt
also der Satz, dals für Strahlen derselben Wellenlänge bei der-
selben Temperatur das Verhältnils des Emissionsvermögens zum
Absorptionsvermögen bei allen Körpern dasselbe ist.
Die Begriffe des Emissionsvermögens und des Absorptions-
vermögens beziehen sich hierbei zunächst auf den Fall, dafs der
Körper eine unbegrenzte Platte bildet, die auf der einen Seite
786 Gesammitsitzung
mit einem vollkommnen Spiegel belegt ist. Aber die Strahlen-
menge, welche eine frei stehende Platte nach einer Seite hin
aussendet, ist eben so grols als die Strahlenmenge, welche eine
mit einem solchen Spiegel versehne Platte von der halben Dicke
ausgiebt, und diese beiden Platten bringen eine gleiche Ab-
sorption bei auffallenden Strablen hervor. Man kann hiernach
bei dem ausgesprochenen Satze das Emissionsvermögen des Kör-
pers auch definiren als die Strahlenmenge, die eine frei stehende,
aus dem Körper gebildete, unbegrenzte Platte nach einer Seite
hin aussendet, und das Absorptionsvermögen als die Strahlen-
menge, welche dieselbe Platte absorbirt von der Einheit der
Strahlenmenge, die sie trifft.
Das allen Körpern gemeinsame Verhältnils des Emissions-
. .. e . . *
vermögens zum Absorptionsvermögen z Ist eine Function der
Wellenlänge und der Temperatur. Bei niederen Temperaturen
ist diese Function =0 für die Wellenlängen der sichtbaren
Strahlen, von 0 verschieden für grölsere Werthe der Wellen-
länge; bei höberen Temperaturen hat die Function auch für die
Wellenlängen der sichtbaren Strahlen endliche Werthe. Bei
derjenigen Temperatur, bei der die Function aufhört =0 zu
sein für die Wellenlänge eines gewissen sichtbaren Strahls, fan-
gen alle Körper an Licht von der Farbe dieses Strahls auszu-
senden, mit Ausnahme derjenigen, welche für diese Farbe und
diese Temperatur ein verschwindend kleines Absorptionsvermö-
gen haben; je gröfser das Absorptionsvermögen ist, desto mehr
Licht strahlt der Körper aus. Die Erfahrung, dafs die undurch-
siebtigen Körper bei derselben Temperatur erglühen, die
durchsichligen Gase hierzu aber eine viel höhere Temperatur
erfordern, und dals die letzteren bei der nämlichen Temperatur
immer schwächer leuchten als jene, findet bierin ihre Erklärung.
Ferner folgt, dals, wenn ein glühendes Gas ein discontinuirli-
ches Spectrum giebt, und man durch dasselbe Strahlen von hin-
reichender Intensität gehen lälst, die an sich ein Spectrum ohne
dunkle oder helle Streifen darbieten, dunkle Streifen an den
Stellen des Spectrums auftreten müssen, an denen die hellen
Streifen im Spectrum des glühenden Gases lagen. Der Weg,
den ich in meiner früheren Mittheilung als geeignet zur chemi-
vom 15. December 1859. 787
schen Analyse der Sonnenatmosphäre bezeichnet habe, hat hier-
durch seine theoretische Begründung erhalten.
Ich benutze diese Gelegenheit, um einen Erfolg zu erwäh-
nen, den ich auf diesem Wege seit meiner früheren Mittbeilung
gewonnen zu haben meine. Nach den Untersuchungen von
Wheatstone, Masson, Angström und Anderen weils man,
dals im Spectrum eines elektrischen Funkens helle Linien sich
zeigen, die von der Natur der Metalle abhängig sind, zwischen
denen der Funke überspringt, und man kann annehmen, dals
diese Linien übereinstimmen mit denjenigen, die in dem Spec-
trum einer Flamme von sehr hoher Temperatur sich bilden wür-
den, wenn man in diese dasselbe Metall in passender Form
brächte. Ich habe den grünen Theil des Spectrums des elek-
trischen Funkens zwischen Eisenelektroden untersucht und in
diesem eine grolse Zahl von hellen Linien gefunden, die mit
dunkeln Linien des Sonnenspectrums zu coincidiren scheinen.
Bei einzelnen Linien ist die Coincidenz wohl kaum mit Sicher-
heit zu constatiren; aber ich habe dieselbe bei vielen Grup-
pen zu sehen geglaubt und zwar in der Weise, dafs den hel-
leren Linien im Funkenspectrum die dunkleren im Sonnenspec-
_ trum entsprachen; hieraus glaube ich schlielsen zu dürfen, dafs
diese Coincidenzen nicht nur scheinbare waren. Wurde der
_ Funke zwischen anderen Metallen, z. B. zwischen Kupferelek-
EEE u EDER
troden, gebildet, so fehlten diese hellen Linien. Ich balte mich
für berechtigt, hieraus den Schluls zu ziehen, dafs unter den Be-
standtheilen der glühenden Sonnenatmosphäre sich Eisen befin-
det, einen Schlufs, der übrigens sehr nahe liegt, wenn man das
häufige Vorkommen des Eisens in der Erde und in den Meteor-
steinen bedenkt. Von den dunkeln Linien des Sonnenspectrums,
die mit hellen des Eisenspectrums zusammenzufallen scheinen,
kann ich mit Bezugnahme auf die von Fraunhofer gegebene
Zeichnung des Sonnenspectrums nur wenige beschreiben; es ge-
hören zu diesen die Linie E, einige weniger scharfe Linien dicht
neben E nach dem violetten Ende des Spectrums hin und eine
Linie, die zwischen den beiden nächsten der drei sehr ausge-
zeichneten Linien sich befindet, die Fraunhofer bei 2 ge-
zeichnet hat.
788 Gesammtsitzung
Sr. Excellenz der vorgeordnete Herr Minister genehmigt
unter dem 8. December die Rest-Ausgaben zu dem Titel und
der Vorrede der jetzt vollendeten akademischen Sternkarten mit |
109 Rthlrn.
Der Naturforschende Verein zu Riga zeigt dankend den
Empfang der Monatsberichte von September 1858 bis Juni 1859
an. Ebenso Hr. Lichtenberger den Empfang der Schluls-
stücke von den akademischen Sternkarten. 1
Der so eben vollendete Band der akademischen Abhandlun-
gen für 1858 wird vorgelegt und seine Ausgabe in den Buch-
handel beschlossen.
- An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Annales des mines, 1858, Livr. 6. 1859, Livr. 1. Paris 1859. 8.
Correspondenzblatt des naturforschenden Vereins zu Riga. Jahrgang 10.
Riga 1858. 8.
Einladung zur Einweihungsfeier des Museums in Riga. Riga 1858. 4.
Haidinger, Ansprache gehalten in der Geologischen Reichsanstalt in
Wien. Wien 1859. gr. 8.
Woldrich, Die Lagerungsverhältnisse des Wiener Sandsteins. (Wien
1859.) gr. 8.
Verhandlungen des naturhistorisch-med. Vereins in Heidelberg. Band 1.
Heidelberg 1859. 8.
Atti dell’ I. R. Istituto veneto. Tomo IV, Disp. 10. Venezia 1859. 8.
Schultze, Observaliones de relinae structura penitiori. Bonnae
1859. 4.
Historia diplomatica Friderici I], auspicüs A. deLuynes. Vol. Paris 1859. 4.
22. Decbr. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Schott las Etymologische Forschungen im
Gebiete der Altaischen Sprachen.
vom 22. December 1859. 789
2
j Hr. Dove gab folgende briefliche Mittheilung des General
Sabine:
Am 1. September 1859 war W. Corrington damit be-
schäftigt, seine täglichen Beobachtungen über die Gestalt und
Lage der Sonnenflecken anzustellen, als er plötzlich zu seinem
Erstaunen ein intensiv glänzendes weilses Licht, viel heller als
die Oberfläche der Sonne in der Mitte eines grofsen Fleckens
"hervortreten sah, der seit mehreren Tagen allgemeine Aufmerk-
samkeit auf sich gezogen hatte. Die Erscheinung hielt länger
als fünf Minuten an, und nach ihrem Verschwinden erschien der
Flecken unverändert. Dasselbe Phänomen wurde von Hrn.
Hodgson in Highgate, einige Meilen von Redhill dem Obser-
vatorium des Hrn. Corrington beobachtet. Beide Beobachter
geben das Entstehen der Erscheinung übereinstimmend um 11°
48”, das Verschwinden um 11" 23” mittlerer Greenwicher Zeit an.
Als einige Tage später Hr. Corrington die photographische
Aufzeichnung der magnetischen Apparate in Beziehung auf die
drei magnetischen Elemente in Kew zu sehen Gelegenheit hatte,
‚sah er in jedem derselben die Spuren einer sehr grolsen Stö-
rung, so viel sich beurtheilen liefs, vollkommen gleichzeitig mit
dem in der Photosphäre der Sonne gesehenen Phänomen.
Der Vorsitzende erinnerte dann an den grolsen Verlust den
die Akademie durch den am 16. December erfolgten Tod ihres
vieljührigen Mitgliedes, Hrn. Wilhelm Grimm, erlitten hatte,
Die grolse Mehrzahl der Mitglieder der Akademie hatte am vor-
gestrigen Tage seiner Bestattung beigewohnt.
v, Zu dem Schnitte und Gusse eines neuen Alphabets, wo-
Be eine Handschrift der Vaticanischen Inschriften nachgebildet
_ werden soll, um in einer Abhandiung des Hrn. Mommsen zu
erscheinen, hat die Akademie die Summe von 200 Rthlrn. be-
Drilligt.
Yen
f1s59.] 56
790 Gesammtsitzung vom 22. December 1859.
An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Wappäus, Über den Begriff und die statistische Bedeutung der mittleren
Lebensdauer. Göttingen 1860. 4. Mit Schreiben des Hrn. Ver-
fassers, d. d. Göttingen 13. December 1859.
Hornay, Ursprung und Entwicklung der Sprache. Theil 1. 2. Ber-
lin 1855—1860. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers.
Caporale, Ricerche fisiche, stalistiche e topografiche dell’ agre Acer-
rane. Napoli 1859. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers, d.
d. Neapel 21. Sept. 1859.
Carl Bötticher, Der Omphalos des Zeus zu Delphi. Berlin 1859. 4.
Semele und Ariadne. Festprogramm der archäologischen Gesellschaft
zu Berlin. Berlin 1859. 4.
Anacreonte. Al chiarissimo F. T. Welcker strenna festosa offerta
dall’ Instituto archeologico. Roma 1859. folio,
American Journal of science and arts. no. 83, New Haven 1859. 8.
Annales academici. 1855—1856. Lugd. Bat. 1859. 4.
Nachtrag zu Hrn. Ehrenbergs Mittheilung
vom 8. Dechr. 1859.
Verzeichnils der Leuchtthierchen.
Die sämmtlichen neuerlich beobachteten Leuchtformen des
Mittelmeeres sind 10. 1. Peridinium Splendor Maris; 2. Perid.
eugrammum; 3. Perid. Tripos; 4. Perid. Seta; 5. Perid. Candela-
brum; 6. Perid. Trichoceros; 7. Cryptomonas Lima, zweifelhaft;
8. Discoplea sorrentina, zweifelhaft; 9. Sylis cirrhigera? stark
leuchtend, der systematische Name unsicher; 10. Medusa?
ä.
Kurze Diagnostik der neuen Formen.
Perıpınıvm Splendor Maris. Testula ovata aut subglobosa
ecorni, areolata, fragili, erystallina, cribrosa aut granulosa nec
apiculata, sulci medii transversi marginibus elatis, duos
dentes marginales laterales referentibus. Areolae ad sulcum
utrinque 5 et frontales 3 minores. Diameter J;—”'; hinc
sponte dividuum videtur. Minora specimina pulli alius ge-
nerationis modi esse videntur.
In mari neapolitano ad Neapolim splendidissimum Au-
gusto.
Parrrpintvm Trichoceros. Testula longissime tricorni, cor-
pore parvo cornibus setaceis valde singularibus, pedicellari
postremo recto truncato, frontalibus late recurvis obtusis,
omnibus asperis, corpus sexies ad octies superantibus, fronte
obliqua, sulco medio transverso fronteque parallelis, intestinis
flavofuscis. j
Longitudo corporis ovati aut subglobosi „;”, a pedi-
cello ultra sexies, a brachiis ultra octies superatur. Tota
longitudo u—%”.
Tergesti in mari adriatico cum igniculis maris Sep-
tembre.
56°
792
3.
Gesammtsitzung
PeEriDinivm eugrammum. Testula Perid. Furcae et Perid.
lineati habitu, magnitudine hoc majore, illud aequante, su-
perficie longitudinaliter lineata, nec areolata, linearum inter-
vallis cribrosis, apertura ampla sulco transverso a dorso
media cincta. Corpus conicum sensim in cornu pedi-
cellare rectumque attenuatur idque aequat. Cornua fron-
talia recta corpore breviora inaequalia. Longitudo totius
5. A Perid. lineato corpore magis elongato sensim atte-
nuato differt, a Perid. Furca lineis venosis hic illic con-
fluentibus 20—24 in ambitu recedit.
Tergesti in mari adriatico scintillas exhibens Sep-
tembre.
Prrivınıvm Seta. Testula P. Fusi habitu, tenuiore, lon-
giore, setacea, laevi, corpore fusiformi, medio parum turgido,
antica ejus parte excisa, poslica sensim in cornu pedicellare
attenuata. Cornua levius lunato-curvata aut recta, truncala,
asperula, frontali saepe longiore. Longitudo totius ,—%”.
Cornu frontale unicum rectum, saepe ter longius quam
corpus.
In mari scintillante Septembre ad Tergestum.
Prerıvinıvm Candelabrum. Testula Perid. Furcae habitu
simili, areolata, cribrosa, corpore valde dilatato depressoque
in cornua fere subito abeunte, frontalibus cornibus et pedi-
cellari rectis, illis acutis parallelis asperis inaequalibus, sulco
transverso recto, fronte obliqua, apertura late sinuosa media
parte sulco cincta, intestinis flavofuscis. Longitudo 75”,
corporis turgidi longitudo 5,”, cornu frontalis majoris
36 minoris 4o « Cornu pedicellare rectum corpus bis su-
perat.
Cum priori.
DiscorEA sorrentina. Testula orbicuları disciformi laevi
hyalina nec cellulosa nec granulosa, sed integerrima, inter-
aneis virescente fuscis, spatio,medio rotundo late saepe hya-
lino, interdum nucleolo medio virescente insigni. Inter-
dum eliam duo talia spatia, aut etiam quaterna adsunt, ita
ut rotae radios referranti. Nonnunquam radıorum illorum
numerus ad 5 et 7 augetur. Diameter «—#". Involucrum
96 60
gelatinosum non deprehendi, id quod in toto genere non
vom 8. December 1859. 793
raro desideratur; Coscinodisci parvi speciem refert, aut Hya-
lodisci socialem.
In mari neapolitano ad Sorrentum Augusto valde fre-
quens cum algis.
Crrrromonas Lima. A. Testula fragili silicea ovata pun-
ctis asperis raris obsita, flagello simplici, forma ovala, po-
stica parte turgente rotundata, antica breviter sensim atte-
nuata, leviter emarginata. Intestina flavofusca. Diameter
Haec forma cum priori valde frequens, forsan eadem est,
quam pro Prorocentro apud Sorrentum habui et fulgentem
me obseryasse dubitanter censui.
ED pie Tagen
Namen - Register.
Abich, gewählt, 68. 376.
_ Argelander, Plan u. Fortschreiten seines Sternkarten-Werkes, 363.
Barth, Eingehende Erklär. d. Felssculpturen v. Boghaskoei im alten Kap-
padocien, 128.
Beissel, Darstell. künstl. Kieselsteinkerne aus organ. Kalkschalen, 685.
Bekker, Zahlenverhältnisse am homerischen Versbau, 259. — Üb. d. ho-
merischen Gebrauch v. örı, re, 23w u. 871, 0 Te, HiAu, 391. —
Üb. d. Wörter, die bei Homer bald ein e haben bald nicht, 423.
Bernstein, gewählt, 491. 532.
_ Beyrich, Vorkommen d. Goniatiten bei Brilon, 405,
v. Bezold, Wirkung d. Pfeilgifts auf d. motor. Nerven, 698.
Bo eckh, Seine Ansichten üb.d. Kalender des Eudoxus, 186.— Gedächtnils-
rede auf Leibniz, u. Worte d. Erinnerung an Humboldt, 498. 533, 545.
_ Boecking, gewählt, 491. 532.
Borchardt, Ein Problem die Elimination betreffend, 376.
- Braun, Nachträge zur Parthenogenesis bei Pllanzen, 235. — Zur Kennt-
nils zweier Sülswasseralgen, 275.
Brown, R., gestorben, 67.
Buschmann, Systemat. Worttafel des athapask. Fear 220.
Chasles, gewählt, 69.
_ Chlumecky, gewählt, 68.
Chmel, gestorben, 67.
Corrington, Merkwürd. Lichterschein. in einem Sonnenfleck, 789.
Creuzer, gestorben, 67.
„ Dieterici, gestorben, 554.
.
Dirichlet, gestorben, 376.
Dirksen, Röm. rechtl. Nachweise in d. Schriften d. latein. Epistologra-
phen aus d. Zeit d. christl. röm. Kaiser, 724.
. Dove, Jährl. Veränderung d. Temperatur des Meerwassers unter den Tro-
pen, 14. — Temp eraturgegensätze im Winter 1858 im preuls. Staat
796 Namen- Register.
64. — Stereoskop. Darstellung eines durch einen Doppelspath bino_
cular betrachteten Typendrucks, 278. — Anwendung d. Stereoskops
zur Unterscheidung eines Originals von seiner Copie, 280. — Anwen-
dung mit Silber belegter Gläser als Blendgläser, 364. — Beweis, dals
die Tartinischeu Töne objectiv sind, 373. — Die kalten Tage im Mai
d. Jahres 1859, 426. — Darstell. d. Wärmeverbreitung in der nördl.
Halbkugel, 720.
Dubois-Reymond, Verhalten d. Muskelstroms bei d. Zusammenzie-
hung, 56. — Abhängigk. d. Grölse der secundär- elektromotor. Wir-
kung innerlich polarisirbarer Körper von deren Dimensionen, 68. —
Üb. die angeblich saure Reaction d. Muskelfleisches, 288. — Üb. nicht #
polarisirbare Elektroden, 443.
Ehrenberg, Erwiderung auf Reichert’s Antrittsrede, 502. — Gedächtnifs-
rede auf A. v. Humboldt, 505. — Neue massenhafte Polycystinen als
Meeresgrund aus 13200 Fuls Tiefe bei Zankebar, 553. — Proben des
Tiefgrundes im Rothen Meer, 569. — Färbung v. thier. Fett durch
monas prodigiosa, 690. — Massenhaftes bisher unbekanntes mikro-
skop. Leben in Schneelachen des Montblancgipfels, 694. 775. — Üb,
d. Leuchten u. üb. neue mikroskop. Leuchtthiere d. Mittelmeers, 727.
791. — Üb. die mit d. Proteus anguinus zusammen lebenden mikro-
skop: Lebensformen in d. Bassins d. Magdalenengrotte, 758,
Encke, Über d. Ponsschen Cometen, 524. — Bericht üb. d. akademisch.
Sternkarten, 526. — A. v. Humboldt’s Verdienste um d. Geographie,
638.
Ewald, Die jurassischen Bildungen d. Provinz Sachsen, 347. — Fossile
Fauna d. Salzberges bei Quedlinburg, 493.
Gergonne, gestorben, 365.
Gerhard, Zwei neue griech. Inschriften u. üb. d. Museo Campana, 15, —
Paralipomena zu seinen etrusk. Spiegeln, 508. — Üb. d. Metallspiegel
d. Etrusker, 699.
Giesebrecht, gewählt, 491.
Grimm, J, Über d. Göttin Tanfana, 254. — d. Göttin Freia, 413. — d.
Göttin Bendis, 515. — Üb. d. Alter, 564. — Rede zur Schillerfeier,
685. — Üb. d. Lautumstellung, 721,
Grimm, W., Über eine Thierfabel bei Babrius, 564. — gestorben, 789.
Hagen, Beobacht. v. Ebbe u. Fluth an d. Ostseeküste, 526.
Hanstein, Neues System schlauchförm. Gefälse im Parenchym d. Blät-
ter, 705.
Haupt, Üb. d. Apollonius v. Tyrus, 269.
Heintz, Saccharamid u. eine Verbind. v. zuckersaur, Blei mit Chlorblei,
14. — Einwirk. d. Chloracetyls auf oxals. u. bernsteinsaure Salze, des
Namen - Register. 797
Suceinylchlorids auf essigsaure Salze, u. über Ätherbernsteinsäure u.
ihre Salze, 407. — Zwei neue Reihen organ. Säuren, 554.
Heintz u. Wislicenus, Üb. d. Gänsegalle, 560.
_ Henzen, Bericht üb, d. für d. Corpus inscript. lat. im J. 1859 gelieferten
’ Arbeiten, 725.
_ Hermite, gewählt, 564. 668.
Hesse, gewählt, 527.
- Hoffmann, Carl, gestorben, 553. S. Peters.
Hofmann, Zur Kenntnils d. Phosphorbasen, 56. — Zur Theorie d. Po-
lyammoniake, 367.
Homeyer, Genealogie der Handschriften d. Sachsenspiegels, 15. 68.
_ v. Humboldt, gestorben, 376. 390. 404. — Gedächtnifsreden auf ihn,
r 505. 545. — Seine Verdienste um d. Geographie, 638. — Errichtung
seiner Statue in Mexico, 668.
Jacobi, gewählt, 358. 439.
_ Jagor, s. Klotzsch, Peters.
Karsten, H., Florae columbiae specimina selecta, 346.
- Kiepert, Geograph. Stellung der nördl. Länder in d. phönikisch - hebräi-
u schen Erdkunde, 191. — Handelsstralse d. Alten durch Central-Asien,
besonders nach Serica, 271.
Kirchhoff, Über d. Fraunhoferschen Linien, 662. — Zusammenhang zw.
: Emission u. Absorpt. v. Licht u. Wärme, 783.
Klotzsch, Linne's natürl. Pflanzenklasse Tricoccae, besonders üb. d. Ord-
| nung d. Euphorbiaceae, 236. — Üb. zwei v. F. Jagor eingesandte My-
£ ristica- Arten, 325. — Die Aristolochiaceen d. Berliner Herbariums,
| 367. 571.
Knoblauch, Beugung d. Wärmestrahlen, 565.
Kühne, Chemische Reizung d. Muskeln u. Nerven, 186. — Selbständige
Reizbarkeit d. Muskelfaser, 226. — Endigungsweise d. Nerven in den
Muskeln, u. d. doppelsinnige Leitungsvermögen der motorischen Ner-
venfaser, 395. — Üb. d. gerinnbare Substanz d. Muskeln, 493.
Kummer, Allgemeine Reciprocitätsgesetze unter d. Resten u. Nichtresten
d. Potenzen, deren Grad eine Primzahl ist, 367. — Allgemeine Theo-
rie d. gradlinigen Strahlensysteme, 637.
Le Bas, gewählt, 68.
'Lepsius, Chronolog. Untersuchungen üb. d. Kalender des Dionysius und
Eudoxus, 182. — Glückwunsch an d. Akademie zu München zu ihrer
hundertjähr. Stiftungsfeier, 272 (s. auch 364). — Erläuterungen zu sei-
nem Werk üb. ägypt. Denkmäler, 680.
Magnus, Veränderung d. Flüssigkeit in d. Nähe d. Elektroden, 727.
'Manara, gestorben, 67.
v
798 Namen - Register.
Mitscherlich, Metamorphose d. Gesteine durch erhöhte Temperatur,
658.
Mommsen, gewählt zum ordentlich. Mitgl., 67. — Einleit. zu einer Aus-
gabe d. vaticanischen Fragmente, 395.
Mosander, gestorben, 67.
Müller, Joh., gestorben, 67. — Worte d. Erinnerung an ihn, 121.
Neumann, gewählt, 67.
Newton, Charles, Altgriechische Inschriften aus Milet, 659. — aus Sa-
mos, 739. .
Panofka, gestorben, 67.
Parthey, Üb.d. Erdansicht des Geographen v. Ravenna, 259. 627. —
Die iberische Halbinsel d. alten Geographen, 407.
Pertz, Bemerk. zu d. Diario di Fr. Capecelatro, 181. — Bemerk. zur
Denkschrift üb. d. Eröffnung d. Seeweges nach Ostindien, 561. — Üb,
d. Handschrift des Granius Licinianus, 562.
Petermann, Üb. d. arab. Chronik d. Samaritaners Abul Fath, 17.
Peters, Petaurus, ein neues Flugbeutelthier aus d. südl. Neuholland, 14.
— Üb. d. Chiropterengatt. Nyetophilus, 127. — Neue Beiträge zur
Kenntnils d. Chiropteren, 222. — Bericht üb. die v. F. Jagor gesam- ı
melten Schlangen, 269. — Üb. die v. Hoffmann in Costa Rica gesam-
melten Schlangen, 275. — Üb. Plectrurus ceylonieus, eine neue Schlange
u. verwandte, 388. — Eine neue Gattung u. Art v. Fröschen aus Car-
racas, 402. — Üb. Zeptocephalus u. andere neue Fische d. Berliner
Museums, 411.
Radhakante Deva, gewählt, 67.
Rammelsberg, Die Oxyde d. Cers u. die gelben u. rothen Sulfate seines
Oxydoxyduls, 359. — Üb. d. Magnoferrit vom Vesuv u. d. Bildung
d. Magneteisens u. ähnl. Verbindungen durch Sublimation, 362. —
Zusammensetz. seltnerer Mineralien v. Vesuv u. Bemerk üb. Isomor-
phie u. Heteromorphie bei Mineralien, 725.
Ranke, Fortgang d. span. Colonien in Süd- Amerika nach d. Eroberung,
391. — Üb.d. Katastrophe Wallensteins, 558. 658.
Reichert, Antrittsrede, 498. — Beschaffenheit d. befruchteten Eichen v.
Meerschweinchen unmittelbar vor u. nach d. Einkapselung durch d.
Decidua, 529. — Gleichzeit. Vorkommen v. Rippen u. einem von die-
sen ganz getrennten untern Dornfortsatz am letzten Bauchwirbel bei
Lates niloticus, 552.
Renan, gewählt, 491. 527.
Renier, gewählt, 491. 527.
Reuschle, Tafel der aus d. 5ten Einheitswurzeln zusammengeselzten
primären complexen Primfaktoren aller reellen Primzahlen von der
Form 54 +1 in d. ersten Viertelmyriade, 488. — Zeıfällung aller Prim-
Namen - Register. 799
zahlen innerhalb des ersten Tausend in ihre aus siebenten Wurzeln
- der Einheit gebildeten complexen Primfaktoren, 694.
Riedel, Bestrebungen d. brandenburg. Kurfürsten zur Erlangung d. Kö-
- „nigswürde, 221.
Riemann, gewählt, 564. — Anzahl d. Primzahlen unter einer gegebnen
Grölse, 671.
Rie[s, Üb. d. Nebenstrom im Zweige einer elektr. Schlielsung, 1
Ritter, gestorben, 658.
Rose, G., Üb. d. Melaphyr u. die dafür gehaltenen Steine v. Ilfeld, 506.
Rose, H, Üb. Stickstoffniob, 12. — Niobsäure, 439. — niobsaure Salze,
527. — Verbind. des Unterniobs mit Chlor u. Fluor, 549,
Rosen, gewählt, 68.
Rosenhain, gewählt, 564.
de Rossi, Bericht üb. d. für d. Corpus inscript. lat. im J. 1859 geliefer-
ten Arbeiten, 725.
Rost, Neue indische Drucke, 432.
Schiefner, Indische Schriften üb. Vorbedeutungen, 158. — gewählt, 68.
Schott, Üb. d. estnische Sage vom Sohn Kalews u. Reinthal’s deutsche
Übersetz. derselben, 669. — Üb. d. Kindermord in China, 714. —
Etymolog. Forschungen üb. altaische Sprachen, 788.
Secchi, Beobacht,. üb. d. Donatischen Cometen in Rom, 18,
Sharpe, Mittheil. einer unedirten griech. Inschrift aus Samaria, 756,
Sprenger, gewählt, 68.
"Steenstrup, gewählt, 527.
"Steiner, Allgemeine Bestimmungsarten d. Curven u. Flächen zweiter
Ordnnng u. daraus folgende Sätze, 671.
Stokes, gewählt, 358. 439.
vw. Sybel, gewählt, 491. 527.
'Temminck, gestorben, 67.
Thiersch, gewählt, 67.
Traube, Untersuch. üb. Respiration d. Pflanzen, 83.
Trendelenburg, Friedrich d. Gr. u. sein Minister Freiherr v. Zedlitz,
& Rede am Jahrestag Friedrichs II, 67. 95.
Upström, gewählt, 68.
5. Verneuil, Dank für d. Erwählung, 67. 68.
de Wailly, gewählt, 68.
Weber, Das Dagakumdra-Caritam, d. Fahrten d. zehn Prinzen, 18. —
f Nachträge zu seiner Ausgabe des Catapatha Brähmana, 60. — Üb. ein
% "indisches Würfelorakel, 161. — Die Pali-Legende v. d. Entstehung
d. Säkya- u. Koliya-Geschlechts, 328. — Üb. d. Yajrasüci des Agva-
R ghosha, 404.
800 Namen- Register.
Weber, E.H., Dank für seine Erwählung, 719.
Weber, R., Zersetz. der Oxyde durch Fünffach- Chlorphosphor, 229,
der Schwefelmetalle, 325,
Weierstrals, Neue Behandlungsweise des Rotationsproblems, 426.
Beiträge zur Theorie d. Gleichungen, 758.
Welcker, Glückwunsch zu seinem Jubiläum u. Erwiderung, 717.
Whitney, Bemerk. üb. sein Werk, 563.
Wislicenus, s. Heintz.
Wurtz, gewählt, 259.
Sach -Register.
bul Fath, arabische Chronik desselben, 17.
egypten, Schlufs u. Inhalt d. Werkes ägyptischer Denkmäler v. Lep-
sius, 680.
etherbernsteinsäure u ihre Salze, 409.
kademie zu München, Glückwunsch an dieselbe zu ihrer hundertjähr.
- Stiftungsfeier, 272. 364. S. Preisfragen.
Akustik, s. Töne.
lgen, Zur Kenntnifs v. Pleurocladia u. Pleurocarpus, 275.
ltaische Sprachen; Etymolog. Forschungen darin, 788.
Alter, üb. dasselbe, 564.
Apollonius v. Tyrus, 269.
Archäologie, s. Münzwährung, Mythologie, Etrusk. Spiegel.
Aristolochiaceen d. Berliner Herbariums, 367. 571.
Astronomie, Plan u. Fortschreiten v. Argelander’s Sternkartenwerk, 363,
— Abschlufs.der akadem. Sternkarten, 526. S. Comet.
Athapaskischer Sprachstamm, Worttafel dess., 220.
Bast, s. Botanik.
Bendis, Göttin, ihr Wesen, 515.
Bleioxyd, zuckersaures, verbund. mit Chlorblei, 14.
Blendgläser, Anwendung d. Silbers dazu, 364.
Botanik, Einfluls d. Sauerstoffs auf d. Wachsthum u. d. Respiration d.
Pflanzen, 83. — Parthenogenesis u. Polyembryonie bei Caelebogyne,
235. — Neue schlauchförm. Gefälse im Parenchym d. Blätter u. d.
" Stengels der Monocotylen, 705. — scheinen vorgeschobene Glieder d.
Bastsystems, 711. — finden sich auch bei Mirabilis Jalappa, 712. S.
Algen, Aristolochiaceen, Euphorbiaceen, Flora Columbiae, Myristica,
Tricoccae.
Caelebogyne, Parthenogenesis u. Polyembryonie derselben, 235.
Cer, Oxyde dess., 359. — Gelbes u. rothes Sulfat seines Oxydoxyduls,
360.
802 Sach- Register.
Chemie. S.Ätherbernsteinsäure, Bleioxyd, Cer, Chloracetyl, Chlorphos-
phor, Magnoferrit, Polyammoniak, Zuckersäure.
China, Kindermord daselbst keine Fabel, 714.
Chiroptera, Beiträge zu d. Gattungen Artibeus, Megaderma, Nycticejus,
Ötonycteris, Rhinopoma, Spectrellum, 222.
“ Chloracetyl, Einwirk. auf oxals. u. bernsteinsaure Salze, 407.
Chlorphosphor, fünffacher, zersetzt viele Oxyde u. verwandelt sie in
Chlorverbindungen, 229. — Desgl. Schwefelmetalle, 325.
Chronik, arabische d. Samaritaners Abul Fath, 17.
Chronologie, Wiederherstell. der Kalender v. Dionysius u. Eudoxus,
482. — Böckh’s Bemerk. dazu, 186.
Comet, Beobacht. üb. den C. v. Donati in Rom, 18. — Beobacht. üb. den
C. v. Pons 1355 u. 1858; 524.
Ebbe u. Fluth an d. preuls. Ostseeküste, 526.
Eichen, befruchtete, v. Meerschweinchen vor u. nach d. Einkapselung
durch d. Decidua, 529,
Elektricität, In jedem, geraden wie spiralförm. Zweig des Schlielsungs-
bogen wird durch d. Entladungsstrom ein Nebenstrom erregt, 1. —
Regel für d. Haupt- u. Nebenstrom, 11.
Nachweis v. nicht polarisirbaren Elektroden, 443. — Veränder.
d. Flüssigkeit in d. Nähe d. Elektroden, 727. S. Meeresleuchten.
Verhalten d. Muskelstroms bei d. Zusammenzieh., 56. — Ab-
hängigkeit d. Grölse der secundär-elektromotor. Wirkung innerlich
polarisirbarer Körper v. ihren Dimensionen, 68; Ergebnils, 82.
Estnische Sage vom Sohne Kalews u. Reinthal’s Übersetz. dersel-
ben, 669.
’ESEAw u. $SeRo, Gebrauch bei Homer, 391. — Andere Wörter die bei
Homer bald ein e haben bald nicht, 423.
Etruskische Spiegel, Paralipomena dazu, 508. 699.
Euphorbiaceae, Systematik derselben, 2AT.
Fabel, s. Thierfabel.
Felssculpturen v. Boghaskoei in Kappadocien, Erklär. derselben, 128.
Fische, Neue Arten aus den Gatt. Cotylis, Leptocephalus, Lutodira, Poe-
cilia, Scopelus, Sieyases, 411. S. Lates niloticus.
Florae Columbiae, specimina selecta edidit H. Karsten, 346.
Fragmente, vatikanische, Einleit. zu einer Ausgabe derselben, 395.
Fraunhofersche Linien, künstl Erzeugung der Linie D, 663.‘
Freia, Göttin, Wesen derselben, 413.
Gänsegalle, Zerleg. derselben, 560.
Geographie, Stellung d. nördl. Länder in d. phönikisch-hebräischen Erd-
kunde, 191. — Erdansicht d. Geographen v. Ravenna, 259. 627. —
Handelsstralse d. Alten durch Centralasien nach Serica, 271. — Die
Sach - Register. 803
iberische Halbinsel d. alten Geographen, 407. — Versuch zur Eröff-
nung d. Seeweges nach Ostindien durch d. Genuesen Doria u, Gebrü-
der Vivaldo, 561.
Humboldt’s Verdienste um die Geogr., 638.
eloeio, Jurassische Bildungen d. Provinz Silohecn, 347. — Vorkom-
men d. Goniatiten bei Brilon, 405. — Fossile Fauna-d. Salzberges bei
Quedlinburg, 493. — Metamorphose d. Gesteine durch erhöhte Tem-
|
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peratur, 658.
"Geschichte, Bestrebungen d. brandenburg. Kurfürsten zur Erlang. d.
Königswürde, 221. — Fortgang d. span. Kolonien in Süd- Amerika
nach d. Eroberung, 391. S. Wallenstein.
Gesteine, s. Geologie.
Goniatiten, Vorkommen bei Brilon, 405.
"Granius Licinianus, Bemerk. zur Handschrift dess., 562.
"Handelsstral[se d. Alten durch Centralasien nach Serica, 271.
Handschriften, s. Granius, Sachsenspiegel.
Harnstoff, phosphorhalt., 57.
-Höhlenthiere, Übersicht der bekannten, 758.
- Homer, Zahlenverhältnisse im Versbau bei H., 259. — Wörter die bei
Homer bald ein e haben bald nicht, 391. 423.
_ Hydrodipsas, neue Schlangengatt., 270.
Hypochthon, s. Proteus.
Iberische Halbinsel bei d. alten Geographen, 407.
Indische Literatur, Üb. d. Dagakumära-Caritam, die Fahrten d. zehn
L, Prinzen, 18. — Nachträge zu Weber’s Ausgabe des Catapatha
% Brähmana, 60. — Neue ind. Schriften üb. Vorbedeutungen, 158. —
7 Üb. d. ind. Würfelorakel, 161. — Die Päli-Legende v. d. Entstehung
t des Säkya- u. Koliya-Geschlechts, 328. — Die Yajrasüci des Agva-
h ghosha, 404. — Neue ind. Drucke, 432. — Ankündigung d. Übersetz.
‚des Süryasiddhänta, 563.
Inschriften, Zwei neuentdeckte griech. Inschr., 15. — Altgriech. Inschr.
zu Milet, 659. — zu Samos, 739. — in Samaria, 757. — Eıklär. d.
’ Felssculpturen v. Boghaskoei in Kappadocien, 128. — Bericht üb. die
j für d. Corpus inscript. latinar. im J. 1859 gelieferten Arbeiten, 725.
j Isomorphie, bei Silicaten, 725.
Jurisprudenz, Römisch-rechtl. Nachweise in d. Schriften d. lat. Epi-
1 stolographen aus d. ni der christl. röm. Kaiser, 724. S, Sachsen-
hi spiegel.
Kalew, s. Estnische Sage.
Kindermord bei d. Chinesen keine Fabel, 714.
Kolonien, spanische, Fortgang derselben nach d. Eroberung in Süd-
Amerika, 391.
804 Sach- Register.
Kurfürsten, brandenburg., ihre Bestrebungen zur Erlangung d. Königs-
würde, 221.
Lates nilotieus, gleichzeit. Vorkommen v. Rippen u. einem davon ge-
trennten untern Dornfortsatz am letzten Bauchwirbel, 552.
Lautumstellung mit liquidis, 721.
Licht, Zusammenhang zw. Emission u. Absorpt. v. L. u. Wärme, 783.
S. Fraunhofersche Linien.
Magneteisen, Bildung durch Sublimation, 363.
Magnoferrit v. Vesuv, Zusammensetz., 362.
Mathematik, Allgemeine Reciprocitätsgesetze unter d. Resten u. Nicht-
resten d. Potenzen, deren Grad eine Primzahl ist, 367. — Ein Pro-
blem die Interpolation betreff., 376. — Tafel der aus d. ten Ein-
heitswurzeln zusammengesetzten primären complex. Primfaktoren
aller reellen Primzahlen v.d. Form 5u+1 in d. ersten Viertelmyriade,
488. — Anzahl d. Primzahlen unter einer gegebenen Gröfse, 671. —
Zerfällung aller Primzahlen innerhalb des ersten Tausend in ihre aus
siebenten Wurzeln d. Einheit gebildeten complexen Primfaktoren,
694. — Zur Theorie d. Gleichungen, 758.
Allgemeine Bestimmungsarten d. Curven u. Flächen zweiter Ord-
nung u. daraus folgende Sätze, 671.
Theorie d. gradlinigen Strahlensysteme, 637. S. Mechanik.
Mechanik, Neue Behandlung des Rotationsproblenis, 426.
Meerleuchten, Geschichte d. neueren Beobacht. darüber, 727. — Eh-
renbergs Beob. bei Neapel, Sorrent u. Ischia, 731. — bei Triest,
735.—Die meisten Leuchtthiere daselb.d. Gattung Peridinium angehörig,
733. 736. — Zahlenverhältnifs d. leuchtenden u. nichtleuchtenden
Meeresthiere, 738. — Verzeichnils sämmtl. neuerdings beobachteten
Leuchtformen, 7 neue Arten, 791.
Meerschweinchen, s. Eichen.
Meerwasser, Jährl. Veränder. seiner Temperatur in d. Tropen, 14.
Melaphyr u. die dafür gehalt. Steine v. Ilfeld, 506.
Meteorologie, Temperaturgegensätze im Winter 1859 auf d. Gebiet d.
preufs. Staates, 64. — Ausdehnung d. kalten Tage im Mai 1859 in
Europa, 426. — Wärmeverbreit. auf d. nördl. Halbkugel, 720. S.
Meerwasser.
Mikroskopische Organismen, Massenhafte Polycystinen als Mee-
resgrund aus 13200 Fuls Tiefe bei Zankebar, 553. — Proben d. Tief-
grundes im Rothen Meer bis 2766 Fuls Tiefe, 569. — Künstl. Kiesel-
steinkerne v. Polythalamien aus organ. Kalkschalen, 685.
Rothe Färbung v. Thierfett durch Monas (Tyria) prodigiosa, 693.
— Massenhaftes seither unbekanntes mikroskop. Leben in d. Schnee-
lachen v. Gipfel des Montblanc, 694. 775. S. Meeresleuchten.
Sach - Register. 805
Mineralien, seltnere v. Vesuv, Zusammensetzung, 725. S. Magnet-
eisen, Magnoferrit.
onas (Tyria) prodigiosa, Ursache d. blutrothen Färbung v. Thierfett,
690.
München, s. Akademie.
ge rungen, griech.-asiatische, ihr Verhältnilfs zum röm. Geld,
358,
Mu seo Campana, Verzeichnils dess., 16.
Muskel, Reizung der M. durch chemische Mittel, 186. — Der M. kann
unabhängig vom motor. Nerven durch chem. Mittel erregt werden,
226. — Der lebende M. reagirt nicht sauer sondern erst bei beginnen-
der Fäulnils, 288. — Eigenschaften d. gerinnbaren Substanz der M.,
493.
Muskelstrom, s. Elektricität.
Myristica, zwei neue v. F. Jagor eingesandte Arten, 325.
ythologie, Üb..d. Göttin Tanfana, 254. — Freia, 413. — Bendis,
515.
Nerven, Reizung derselben durch chem. Mittel, 186. — Endigungsweise
der N. in d. Muskeln u. doppelsinn. Leitungsvermögen d. motorischen
Nervenfaser, 395. — Wirk. d. Pfeilgifts auf die motor. N., 698.
Niob, Verbind. mit Stickstoff, 12. — Unterniob mit Chlor u. Fluor, 549.
Niobsäure, Darstell. u. Eigenschaften, 439. — Die niobsaur, Salze
527. £
Nyctophilus, Charakterist. d. Gattung, 127.
Ostsee, Beobacht. üb. Ebbe u. Fluth, 526.
“Orı, ö rı, öre, ö re, homerischer Gebrauch, 391.
'arthenogenesis bei Pflanzen, 235.
Peridinium, die meisten Leuchtthierchen bei Neapel und Triest dieser
Gatt. angehörig, 733 (736). — 5 neue Arten, 792.
Petaurus, Neues Flugbeutelthier aus d. südl. Neuholland, 14.
Pfeilgift, s. Nerven.
Phosphor, Phosphorhalt. Harnstoffe, 57. S. Chlorphosphor.
Plectrurus ceylonicus, Neue Schlangenart, 388.
Pleurocarpus u. Pleurocladia, Sülswasseralgen, 275.
Polyammoniake, Theorie derselben, insbesondere d. Phosphorreihe,
567.
Preisfragen, Erneuerung d. Pr. betreffend d. Sammlung d. aristotelisch.
Fragmente, 503. — Pr. der Wiener Akademie über Schiller, 720.
Prosodie, Zahlenverhältnisse im homer. Versbau, 259.
Proteus (Hypochthon) anguinus, Geschichte darüber, 758. — Arten
[1859.] 57 f
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806 Sach- Register.
763. — Bestandtheile d. Schlammes, worin der P. ang. lebt u. sich
ernährt, 769.
Rana affınis, Neue Froschspecies aus Caracas, 403.
Ranula Gollmerii, neue Froschgatt. aus Caracas, 402.
Reden, Zur Feier des Jahrestags Friedr. II. üb. dessen Minister Freiherr
v. Zedlitz, 67. — Zur Erinnerung an Joh. Müller, 121.—Böckh’s
Gedächtnilsrede auf Leibniz, 498. 533. — Antriltsrede v. Reichert,
498; Ehrenberg’s Erwiderung, 502. — Gedächtnilsrede auf Al. v.
Humboldt, 505. — Zur Geburtstagsfeier Sr. Maj. d. Königs über
Humboldt’s Verdienste um d. Geographie, 638. — Rede zur Schiller-
feier, 684. 685.
Rotationsproblem, Neue Behandlungsweise dess., 426.
Rothes Meer, Proben aus d. Tiefe v. 2766 Fuls, 569.
Saccharamid, Darstell., 13.
Sachsenspiegel, Genealogie d. Handschriften desselben, 15. 68.
Schlangen, Verzeichnils der v. F.Jagor für d. Berliner Museum ge-
sammelten Schl., 269. — der v. Hoffmann in Costa Rica gesammel-
ten Schl., 275. — Hydrodipsas, eine neue Gatt., 270. — Plectrurus
ceylonicus u. ähnl. Arten d. Berliner Museums, 388.
Schlauchgefälse im Parenchym d. Blätter u. Stengel vieler Monocoty-
ledonen, 711. — in Mirabilis Jalappa, 712.
Silber, Anwend. dess. zu Blendgläsern, 364.
Silicate, Isomorphie u. Heteromorphie bei denselben, 725.
Sonne, Bestandtheile ihrer Atmosphäre, 664. 787. — Auffallende Licht-
erschein. in einem grolsen Sonnenfleck, 789.
Spiegel, etruskische, Paralipomena dazu, 508.
Sprachen, Worttafel d. Athapaskischen Sprachstammes, 220. — Etymo-
log. Forschungen üb. Altaische Sprachen, 788. S. Indische Literatur,
örı, Prosodie. |
Stereoskop, stereoskop. Darstell. eines durch e. Doppelspath betrach-
teten Typendrucks durch doppelten Typendruck, 278. — Anwendung
des St. um ein Original v. seiner Copie zu unterscheiden, 280.
Sternkarten, s. Astronomie.
Stickstoffniob, Darstell., 12.
Succinylehlorid, Einwirk. auf essigs. Salze, 408.
Tanfana, Göttin, Wesen derselb., 254.
Temperatur, s. Meteorologie.
Thierfabel bei Babrius, 564.
Töne, die tartinischen sind objectiv, nicht subjectiv, 373.
Trieoccae, Systematik derselben, 236.
Tyria, s. Monas.
Vaticanische Fragmente, Einleitung zu ihrer Ausgabe, 395.
Sach - Register. 807
Wärme, Nachweis d. Interferenz derselb., 565. — Zusammenhang zw.
Absorpt u. Emission v. Licht u. Wärme, 783, S, Meteorologie.
- Wallenstein’s Katastrophe, 554. 658.
Zoologie, Verzeichnils d. Thiere, welche in finstern Höhlen leben, 759.
S. Fische, Hydrodipsas, Mikroskop. Organismen, Nyctophilus, Petau-
‘ rus, Proteus, Rana, Ranula, Schlangen, Höhlenthiere,
h Zuckersäure, Saccharamid sowie d. Verbind. v. zuckersaur. Bleioxyd
| mit Chlorblei Derivate derselben, 13,
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