,
BERICHTE
A6
B4.-I2,
Wy^ERHANDLUNGEN
ÜBER DIE
DER KÖNIGLICH SÄCHSISCHEN
GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN
ZU LEIPZIG.
PHILOLOGISCH- HISTORISCHE CLASSE.
< 860.
I. II.
MIT 9 TAFELN.
LEIPZIG
BKI S. H1RZEL.
I8G0.
1 4. FEBRUAR.
Vorgelegt wurde ein von Herrn Stark eingesandter Aufsatz
über Antiken in dem Museum Meermanno-Westreenianum im Haag.
Bei einem Besuche der Kunstsammlungen und gelehrten
Anstallen Hollands Ende August 1858 fand ich im Haag leider
die in der königlichen Bibliothek befindliche ausgezeichnete
Münz- und Gemmensammlung durch einen bedeutenden Umbau,
der in dein Gebäude vorgenommen wurde, ganz unzugäng-
lich, aber die überaus grosse Freundlichkeit und Gefälligkeil des
Vorstandes der königl. Bibliothek, des Herrn Holtrop, dessen
Verdienste um die Geschichte des Drucks und Holzschnittes wie
dessen umfassende literarhistorischen Kenntnisse allgemein be-
kannt sind, verschaffte mir den Eintritt in eine, soviel ich weiss,
dem archäologischen Publikum1] bisher gänzlich unbekannt geblie-
bene Sammlung, die von einem reichen Privatmann, dem Baron
Westreenen, in langen Jahren auf vielfachen Beisen gesam-
melt, aber ebenso sehr auch den Augen seiner nächsten Freunde
entzogen, nach dem Tode'des Besitzers mit einem grossen Paläste
und bedeutenden Geldmitteln als Vermächtniss in den Besitz des
Staates übergegangen ist. Auch jetzt noch fehlt es nicht an wun-
derlichen Bestimmungen, wie z. B. dass die Sammlung nur zwei
Donnerstage in jedem Monat dem Publikum zugänglich ist, dass
sie trotz der bedeutenden Geldmittel nicht vermehrt weiden soll
u. dergl. Was innerhalb der einmal gezogenen Gränzen aber zur
würdigen Anordnung und Nutzbarmachung der Sammlung im
Interesse derWissenschaft gethan werden kann, geschieht gewiss
unter der jetzigen Verwaltung, an deren Spitze Herr Holtrop
4) Für das grössere Kunstpublikum in Deutschland ist eine kurze Bespre-
chung der Sammlung im deutschen Kunstblatt 1854, n.42 vonV. in Amsterdam
erschienen, lieber die darin befindlichen Manuscripte mit Miniaturen, die
Holzschnitte und Kupferstiche hat G. F. Waagen einen eingehenden Bericht
gegeben in derselben Zeitschrift Jahrgang 1852 No. 28. 29. 30. 31.
ISfiO. 1
2
sieht. Ein wissenschaftlicher Katalog und Publikationen der
wichtigsten Gegenstände möchten dabei zunächst ins Auge zu
fassen sein. Bedauern inuss man freilich, dass in Holland ausser
dem würdigen und thätigen Vorsteher des Leydener Reichs-
museums keine einzige wissenschaftliche Kraft den antiken
Kunststudien zugewandt ist , dass auf keiner der in streng
philologischer Beziehung so tüchtig ausgestatteten Universitäten
auch nur eine Vorlesung über Archäologie gehalten, geschweige
eine methodische Anleitung zum Studium der antiken Denkmäler
gegeben wird.
Einstweilen erlaube ich mir die archäologischen Notizen,
die ich mir bei einem einmaligen Besuche gemacht habe, kurz
mitzutheilen und dann vier anziehende Denkmäler, deren Zeich-
nung auf meine Bitte Herr Iloltrop von einem sehr geschickten
Künstler ausführen liess , zu veröffentlichen und eingehend zu
besprechen. Die treffliche Ausführung derselben verpflichtet
uns gegen dem Künstler, Herrn Nyhoff, wie die Liberalität
und rasche Fürsorge dabei gegen Herrn Iloltrop zum lebhaftesten
Danke.
Kapitel I. Archäologischer Gesammtbestand der Sammlung.
Es giebt kaum einen Zweig künstlerischer Technik und eine
kunstgeschichtliche Periode, die in den mannigfaltigen Räumen
des Palais Westreenen nicht vertreten wäre: von kleinen ägyp-
tischen Anticaglien zu griechisch-römischen Marmorwerken, Bron-
zen, antiken Thongefässen, Münzen, zu b\zantinischen Gemälden,
Gemälden der altilalienischen wie der nordischen Schulen , zu
Siegeln, Münzen und Medaillen, zu kleinen Werken in Bronze
und Marmor der ersten Benaissance, des Bococo, wie der Neu-
zeit, dann vor allem zu dem kostbaren Schatze im Bibliothek-
saal an Miniaturen der Flandrischen Schule, besonders jenem
ganz bewundernswerthen für Karl V. von Frankreich von Jan
von Brügge 1371 gemalten Miniaturcodex einer französischen
Bibel, an ersten Drucken, an Prachtdrucken, an ältesten Holz-
schnitten und Kupferstichen, wandert man mit immer neuer
Ueberraschung. Verteilen wir etwas länger im Zimmer der An-
tiken, so fallen uns zunächst einige freistehende Köpfe, Statu-
etten, Aschenbehälter auf. Ein kleiner Herkules in Marmor,
ruhig stehend, mit dem Löwenfell über den linken Arm geschla-
gen, in der Boehlen die Keule nach unten angelehnt, ein mann-
3
lieber Kopf von rosso antico , fälschlich als ein römischer
Porlraitkopf bezeichnet, während er vielmehr ein jugendlicher
Idealkopf ist, ein Li via köpf, zwei spätrömische Kaiserköpfe
begegnen uns hier. An einer Ascbenkiste zieht sich rechts und
links von der Inschrift und an beiden Seiten ein Blumen- und
Fruchtkranz hin; vorn zeigen sich dabei zwei pickende Vögel.
Die Inschrift lautet :
D. M.
ATER1AE SAJBINAE
V X O R I P I /ETAT E E T C A STIT ATE
'IN COMP AR ABI LI
VIX. ANNOSXLV
CLODIVSMOERENS
POS.
Zwei Schränke sind mit Anticaglien der verschiedensten
Art angefüllt, besonders kleinen Bronzen , unter denen manche
Fälschung sich befindet, Mercur wie meist in derartigen Samm-
lungen am Rhein eine grosse Bolle spielt, Terracotten, kleinen
Gefässen aus rother Erde, wie sie so massenhaft in Holland selbst,
so im Forum Hadriani gefunden werden, kleinen Gläsern, ein-
zelnen Marmorfragmenten, Mosaiktheilchen. Als das Bedeutendste
und wahrhaft Anziehende zeigten sich mir bei näherer Musterung
sofort das Fragment einer Marmorstatuetle und die zwei Beliefs,
deren Beschreibung un'd Erklärung uns unten naher beschäf-
tigen soll. Alle jenen kleinen Bronzen werden weit übertreffen
an Kunstwerth durch einen grossen Bronzegriff, wie es
scheint eines Spiegels, oder Halter überhaupt, den Herr Hol-
trop mitRechtin einer brieflichen Mitlheilung »d'un modele par-
fait, un chef d'oeuvre« nennt. Auch diesen können wir in einer
Zeichnung vorlegen und einer genauem archäologischen Unter-
suchung unterwerfen.
Wie ist man erstaunt, in einem eigenen Schranke dieses
Zimmers endlich einer ganzen Reibe von Gegenständen zu be-
gegnen, die uns nach der vorherrschenden Menge von Werken
römischer Technik mittleren Werlhes nun in eine ganz grie-
chische Kunstwelt einführt und worunter Stücke erlesenster Art
sich befinden 1 Ich meine die Reihe Vasen aus der Sammlung
Canino, von derder grössteTheil nach München, einiges auch nach
Leyden, gekommen ist. Auch in dervollsländigslen Uebersiehtder
Schicksale der Vasen und ihrer gegenwärtigen Besitzer bei Jahn
(Beschreibung d. Vasensammlung d. König Ludwig. München 1854.
Einleitung p. XVIII. XIX.) finden wir von der Existenz solcher
hier nichts erwähnt2). Wir begegnen Beispielen aller Stilgattun-
gen von der ältesten Gattung von Gefässen mit hellem, gelbem,
auch weissem Grunde und braunen sowie violetten Figuren (A)
zu dem strengen Stile schwarzer Figuren auf hellem , ja auch
weissem Grunde (B), dann zu der Mehrzahl edelsten Stiles mit
hellrothen Figuren auf schwarzem Grunde und glänzendstem
Firniss (C), endlich zu Beispielen der flüchtigen jüngeren Zeich-
nung (D). Folgende sind die Gefässe, über die ich mir bei im-
merhin rascher Durchsicht Notizen gemacht habe.
A. Die älteste Gattung ist durch eine grosse zweihenklige
Amphora glänzend vertreten. Drei Reihen von Thieren umge-
ben den unteren Theil des Gefässbauches : Leoparden , Sirenen
und Stiere, darüber Leoparden und Böcke, Esel und Schwäne.
Der obere Theil des Gefässkörpers zeigt eine Hauptdarstellung
und eine unbedeutendere der Rückseite. Herakles mit Löwen-
feil angethan und mit Schwert bewaffnet greift nach Deianira,
die auf dem Rücken des auf die Vorderfüsse niedergesunkenen
Kentauren Nessos sitzt; davor befinden sich drei weibliche und
eine männliche Gestalt, hinter Herakles eine weibliche und zwei
männliche Gestallen. Auf der Rückseite ist eine erotische
Scene gebildet: 7 nackte Gestalten in begehrlichen Stellungen.
Dabei finden sich auf der Vorderseite folgende wie es scheint
bedeutungslose Inschriften :
NOE*OA NOIr/ NOAOI SOTVT TO^C 1ZOALCH
TVOFCOL und auf der Rückseite TOTVOL TOTOI
TVODIO EIOF HOOI.
2) Durch 0. Jahns Güte erhielt ich folgende katalogische Arbeiten über
die Vasenfunde und Sammlung des Prinzen von Canino: Museum etrusque
de Luc. Bonap. prince de Canino. Viterbe 1 829 ; Descript. d'une collect.
de vases peints etc. par J. de Witte. Paris 1837; Reserve etrusque, Londres
■1838; Notice d'une collection de vases peints tirös des fouilles faites etc. par
feu le prince de Canino, Paris 1843 und 1845. Es ist mir jedoch nicht ge-
lungen, in denselben die hier beschriebenen Stücke mit Evidenz nachzuwei-
sen, sowie es bei dieser vorläufigen Beschreibung durchaus nicht gerathen
schien, sie mit den vielfach sich darbietenden Parallelen zu beschweren.
Der Hais des Gelasses isl mit einer doppelten Palmetlen-
stellung in der an das assyrische Ornament erinnernden Form
verziert.
B. Zur Gattung mit schwarzen Figuren auf hellem Grunde
gehört 2. eine grosse zweihenklige Amphora mit zwei grossen
Darstellungen, Verzierung am Hals und am Fusse. Herakles,
mit Löwenfell und Schwert bewaffnet, weit ausschreitend, hält
in der Rechten die Keule gehoben , mit der Linken fasst er den
Helmbusch einer auf ein Knie Gesunkenen Amazone, die
Speer, Schild und Schwert hat. Hinter ihr schreiten eilig zwei
Amazonen mit gezogenen Schwertern herbei, hinter Herakles
eilt eine Amazone mit Bogen und Köcher und hoher asiatischer
Kopfbedeckung herzu. Die Hinterseile weist eine der bekannten
Abschiedsscenen junger Helden : zwei stehen sich einander ge-
genüber, sich die Hand reichend; der junge Mann mit Helm,
Schild und Beinschienen ausgerüstet; das Zeichen des Schildes
sind drei Kugeln. Daneben zwei Greise, deren einem ein Knabe
etwas darreicht.
3. Ein grosses tassenförmiges Gefäss (oxvcpog) ebenfalls
mit Ileraklesdarslellung : Herakles, gegenüber einer Ama-
zone, zu den Seiten Iolaos und eine andere Amazone.
i. Grosser Lekylhos : Herakles würgt ein in Schlangen-
gestalt ausgehendes Ungeheuer mit bartigem Kopf (Triton).
5. Eine zweihenkligeAmphora mit schwarzen und violetten
Figuren auf weissem Grunde (vgl. über diese Gattung Jahn
Einleitung p. LXXIII). Ein bärtiger Dionysos sitzt auf dem
Pfühl eines Bettes mit darüber sich rankendem Weinstock; vor
ihm kniet ein bärtiger Satyr, die rechte Hand erhebend, wie
erschreckt. Hinler ihm eilt ein Viergespann mit Wagenlenker
fort. Weinstöcke schliessen das Ganze.
6. ZweihenkligeAmphora: bärtiger Dionysos mit Füll-
horn, zwei scherzende Satyrn zur Seite, der eine fort- der an-
dere herbeieilend. Die Rückseite zeict drei Krieger, zwei mit
Schilden bewaffnet , ruhig stehend; Schildzeichen drei Kugeln
und Hintertheil eines Thieres.
7. Kleine zweihenklige Amphora, hellgelb mit bräunlich
schwarzen Figuren flüchtiger Zeichnung: Sitzender bärtiger
Dionysos mit Epheubekränzung, ein Panther und ein zweiler
hinter ihm, daneben ein nackter bärtiger Satyr, vor dem eine
bekleidete weibliche Gestalt forteilt.
8. Kleines schlankes zweihenkliges Gefäss mit flüchtiger
Zeichnung: eine Frau weist einen Satyr ab, während ein
anderer begehrlicher ihr sich naht, Weinranken darüber; zu bei-
den Seiten ein Schwan. Rückseite: eine jugendliche Gestalt mit
Köcher, phrygischer Mütze , Speer, zwischen zwei beschildeten
Kriegern, deren Zeichen ein schwarzes Kreuz und drei Kugeln
sind.
C. Gefässe mit rothen Figuren auf schwarzem Grunde edel-
sten Stiles.
9. Zweihenklige Amphora: einem jugendlichen Krieger
reicht eine weibliche Gesta lt eine Schale, eine andere weib-
liche Gestalt die Hand.
10. Dreihenklige Hydria trefflichen Stiles. Um den Hals eine
Verzierung von Ranken und Palmetten, unten ein Mäanderband.
Von oben schwebt ein Eros herab, rechtshin eilt ein Mädchen
in ärmellosem Chiton fort.
M. Grosse dreihenklige Hydria mit Astragalenband oben,
Blätterverzierung unten. Ein grosses fein ausgeführtes Schiff mit
ausgespanntem Segel, Augen am hohen Hinterbord, schwimmt auf
Meereswellen von springenden Delphinen umgeben; ein Steuer-
mann, zwei Paare sich gegenübersitzender Ruderer und eine
sechste Gestalt (Schiffsherr oder y^levOTtjg) befinden sich
darin. Folgende Buchstaben befinden sich dabei: ICONIV;.
12. Zweihenkliger bauchiger Krater mit Palmetten und
Olivenkranz oben, unten Wellen als Verzierung. Zwei Paare von
je einem Mädchen und nacktem Jün gl ing sind in der Mitte
dargestellt: bei dem einen Paar reicht die weibliche Gestalt
eine Taube, der Jüngling einen Apfel, bei dem anderen reicht
jene einen Ball, dieser, der in der anderen Hand einen Stab hält,
eine Schale. Eine reizende Darstellung von gegenseitiger Liebes-
werbung.
13. Grosser Krater in der vaso a campana genannten Form
mit prachtvollen Doppelhenkeln. Ein Epheukranz umgiebt den
oberen äusseren Rand. Die Vorderseite zeigt einen Eros, ge-
flügelt, mit Bekränzung und Bindenkopfschmuck, der Epheu-
und Olivenzweig haltend an eine Frau herantritt, welche mit
Schmuckkästchen und Spiegel davon eilt. Den Bevers bilden
zwei stehende Mantelfiguren mit runden und kaslenartigen
Gegenständen in den Händen.
14. Zweihenklige Schale mit Fuss (Kylix). Innendarstellung
von einem Epheukranz umgehen : ein nackter geflügelter Eros
mit weihlichem Kopfschmuck, einen Kranz haltend, sitzt auf
einem Felsen; zwei Tänien hängen zur Seite. An der Aussen-
seite zeigen sich zwei sitzende Frauen Kästchen, und Binde
hallend.
15. Zweihenklige Kylix mit trefflichem Firniss. Innen er-
scheint ein nackter Jüngling im Begriff sich zu rüsten, ein
Band umgiebt sein Haar, er ist mit beiden Händen beschäftigt
sich eine Beinschiene anzulegen, die andere liegt daneben, dane-
ben lehnt Schild, Speer, Schwert und Schwertgehänge. An der
Aussenseite rüsten sich sechs Krieger, der eine mit Schwert,
der andere mit Helm, der dritte mit Schild (Schlange als Zei-
chen), der vierte mit Speer und Schild (Ochsenkopf als Zeichen),
der fünfte mit Beinschienen, der sechste mit Schild (Seepolyp als
Zeichen).
16. Grosser Lekythos: zwischen Banken und grossen Pal-
metten vorn eine weibliche Gestalt mit Schwan auf dem
Schoos sitzend, über der ein runder flacher Gegenstand aufge-
hängt ist; ihr in dem Bücken ein nackter Jüngling, die
rechte Hand zurück an einen Stab angelegt; hinten eine weib-
liche Gestalt mit Spiegel und Gefäss.
17. Lekythos mit Darstellung eines Adlers.
D. Gefässe mit hellgelben Figuren in flüchtigem Stile und
Gefässe mit Beliefverzierung.
18. Einhenkliges offenes Gefäss (xva&og oder xotvlrj) : zwi-
schen sehr reichen Palmetten und Banken sind zwei jugendliche
Köpfe flüchtig gezeichnet.
19. 20. Zwei grosse schwarze Kannen [zrQoxovg) mit Belief
von Epheuranken , Beihen von Bären, Hirschen, wieder Bären
und dazwischen gestellte spitze Blätterreihen.
21. Stierköpfiges Bhyton.
Kap. II. Plastische Denkmäler aus dem Museum Meermanno-
Westreenianum.
§1-
Hermes Kriophoros, ein Spiegelhalter von Bronze. Tafel I.
Fassen wir zuerst die tektonische Anordnung dieser im
Ganzen 26Ccntim. hohen, wohl erhaltenen Bronze auf, so zerfällt
8 :
das Ganze in vier Haupttheile: zunächst in einen nach unten als
freiendend charakterisirten knopfartigen Körper, bestehend in
einem nach unten gerichteten Widderkopf mit hervorstehenden
gewundenen Hörnern, zweitens in einer schlanken, nach oben in
zwei Arme sich theilenden, als zum Umfassen und zugleich Halten
nach oben bestimmt charakterisirten Haupltheil, künstlerisch
durchgebildet als nackte hochgezogene, die beiden Arme stützend
zu den Seiten des Kopfes erhebende männliche Gestalt. Drit-
tens schliesst das Ganze ein breiter, durchbrochener getragener
Gegenstand, bestehend zunächst in einem horizontal auf de*m
Kopfe des Trägers vermittelst eines durch den Eierstab charak-
terisirten Polsters aufruhenden Tragbalken , der an beiden En-
den in eine leichte Volute ausgeht. Auf diesem liegen sich den
Rücken zukehrend zwei Widder mit gewundenen Hörnern, die
Vorderbeine eingeschlagen , die Hinterbeine rittlings an den
Seiten angelegt. Diese Widder sind selbst mit ihren Häuptern
wieder Träger eines schmäleren Kastens , der an beiden Seiten
aufwärts und auswärts wenig sich biegt und als einfache dorische
bekrönende Kranzleisle gebildet ist; auch er hängt mit den
unteren Tragbalken durch ein schmales Mitteltheil zusammen,
das durch ein aufrechtstehendes herzförmiges Blatt verdeckt
wird. Wer erkennt hier nicht die tektonisch freie Behandlung
des architektonischen in Hauptbalken, Fries, Kranzgesims zer-
fallenden Gebälkes? Ueber der Mitte der oberen Leiste erhebt
sich endlich viertens eine breite nicht tief gegliederte Palmette.
Die ganze Anordnung des oberen Theiles weist darauf hin, dass
er selbst bestimmt ist einen grösseren runden, eingebogenen,
aber selbständigen Körper aufzunehmen, der durch Nägel oder
Löthen hinter jener Palmelle befestigt war.
Mit dieser teklonischen strengen und wohl durchdachten,
aber ebenso mannigfaltigen Anordnung stimmt der plastische
strenge Charakter der Thier- und vor allem der Menschenbil-
dung. Wir sehen, wie bereits erwähnt, eine nackte, gestreckte
männliche Gestalt im jugendlichen, aber ganz entwickelten
Alter, dem des griechischen Epheben, vor uns, die Füsse neben
einander auf die Vorderballen gestellt, Unter- und Oberschenkel
stark, sehnig, nicht fleischig, kräftig gestreckt; die Weichen
scharf markirt, sowie die Linien zu den Schamtheilen , die in
zierliche Locken gelegte Haare umgeben ; der Unterleib ist
eingezogen und schmächtig, darüber erhebt sich eine breite,
— 9
kräftige, gewölbte Brust mit scharfer Umzeichnung der beiden
Brusttheile. Die zu dem Oberarm führenden Muskeln sind durch
die nach beiden Seiten in gleicher Fläche gehobenen Arme stark
angespannt. Die Ellenbogen bilden einen rechten Winkel, indem
die Unterarme zu beiden Seiten des Kopfes sich etwas schräg
der zu tragenden Last zurichten ; nur die innern Ballen der tra-
genden Hände sind sichtbar. Ein starker Hals trägt den ganz
streng nach vorn geradeaus gerichteten Kopf. Das Gesicht zeigt
unten ein langes Oval , die obere Stirnrundung ist mehr breit
und gedrückt. Die scharfen, fast eckigen Linien, die Stirn und
Augenhölung begränzen , die etwas schräg einwärts gestellten,
langgezogenen Augen, der geschlossene Mund, das markirte
Kinn sind ebenso sehr Beweise des strengen allgriechischen
Stiles, als uns in der edeln langen Nase, der Kleinheit des Mun-
des, dem Lebensvollen der Lippen, der feinen Rundung von
Wangen und Unterkinn die Idealität griechischer Kunst über-
haupt entgegentritt. Um den Kopf ist einer flachen Perrücke
ähnlich das Haar in zierliche parallele, senkrecht auf die Stirne
gerichtete Locken gelegt, zu beiden Seiten des Untergesichts
und des Halses fällt auf die Schulter das Hinterhaar als einheit-
liche Masse mit parallelen Lagen herab.
Fragen wir zuerst nach der unmittelbaren Bestimmung
dieses tektonischen Gegenstandes, so ist zunächst, wie wir bei
der Beschreibung im Einzelnen sahen, das Ganze als Halter oder
Träger eines grösseren, rundlichen Gegenstandes sicher. Es fragt
sich nun zunächst: gehört es zu einem Gegenstande, der auf dem
Boden seinen Stützpunkt hat, diente dieser als Fuss, als Stütze
desselben, als einer allein oder einer unter mehreren? also, haben
wir den Träger zu einem Dreifuss etwa oder einem Candelaber
oder Thronsitz oder dem Fussgestell eines dieser Gegenstände
oder eines Beckens, wie menschliche Gestalten so vielfach und
gerade so mannigfaltig in der Zeit des strengen Stiles gebildet
wurden, wofür es uns an Beispielen aus etrurischen Gräbern wie
Pompeji und Herculaneum nicht fehlt? Zunächst müssen wir
sagen, die ganze Bildung ist der Art, dass wir uns nicht, wie
so vielfach bei Candelabern, mehrere Stücke der Art übereinan-
der angebracht denken können , und doch wieder ist die Höhe
so beschränkt, dass immerhin ein derartiger Träger für einen
vom Boden sich erhebenden Gegenstand zu klein wäre, und
andrerseits ist der Gegenstand so rund und voll ausgearbeitet,
1 0
so reich ausgeführt, dass er nicht als an einein blossen Fussgestell
angebracht gedacht werden kann. Es bliebe also nur ein Ge-
genstand übrig, der bestimmt war , auf einer Tischplatte erst
aufgestellt zu werden. Dem aber widerspricht das untere Ende,
der Widderkopf, weil er das Aufsetzen auf dem Boden oder
einer Basis unmöglich macht. Wer irgend mit griechischer
Tektonik bekannt ist, weiss, dass zu der Gliederung des zum
Aufsetzen bestimmten Theiles ein alter Techniker nie den Kopf
eines Thieres, sondern nur die Risse desselben, also Klauen
aller Art, auch wohl Menschenbeine, etwa auch ein ganzes, an
der Erde kriechendes Thier, wie Schildkröte, Schnecke anwen-
det, dass der Kopf durchaus als ein nach oben Endendes oder
frei Herausragendes, Hängendes und mit vollem Recht gebildet
wird.
Wir können also hier nur an einen Träger eines Gegenstan-
des denken, der Halter ist oder Griff, bestimmt in der mensch-
lichen Hand frei gehoben zu werden.
Es könnte also ein Halter sein zu einer Waffe, einem son-
stigen Instrument, zu einer Schale, endlich einem Toileltenge-
räth. Zu einem Schwert- oder Messergriff eignet es sich wegen
seiner Grösse, Gestrecklheit und den oberen sehr breiten, zur
Aufnahme eines noch breiteren und rundlichen Gegenstandes ein-
gerichteten Theiles nicht. Was Schalen mit Griffen, Schöpflöffel,
siebartige Löffel betrifft, so sind die Halter der letzteren dem
leichten, beweglichen Gebrauche gemäss durchaus schlanker und
einfacher gehalten; die Zahl der ersteren ist unter den Monu-
menten gegenüber der einfach runden Form der Opferschale
(patera) ausserordentlich klein und dabei der Stiel immer gleich-
massig kurz, dick mitTliierkopfenden: so auf einem späteren Bas-
relief zu Pisa bei Inghirami Monum. elruschi Ser.VI. No. 3, so ein
thönernes von Caylus publicirtes Gefäss (Inghirami a. a. 0. Ser.VI.
N.5), so ein bronzenes Gefäss aus Pompeji (Roux und Barre Hercul.
und Pompeji VI. Taf. 69); es ist die Form unsers Tiegels. Was aber
die von Gerhard (Etrusk. Spiegel S. 82. Anm. 80. S. 91.92.95)
für Schalen oder Schüsseln erklärten Denkmäler mit den
kunstreichen unserem Denkmale entsprechenden Griffen betrifft,
so werden wir sie weiter unten durchaus als Spiegel erwiesen
finden, eine Bezeichnung, von der Gerhard für diese Specialfälle
nicht hätte abgehen sollen. Ich will hier schon auf eines auf-
merksam machen: schwerlich würde ein Grieche eine mensch-
1 1
Jiche Ianejseslreckte tragende Gestalt benutzt haben für ein In-
strumenl, das gerade horizontal getragen wird, wie ein derarti-
ger Napf mit Stiel ; für einen Thierkörper ist das natürlich nicht
unpassend.
Alles vereinigt sich zur Annahme des Griffes eines Spie-
gels oder Spiegelbehälters, indem wir dabei die antiken
runden Metallspiegel im Auge haben. Dass jene Spiegelbehältor
oder Spiegelhalter als OTooyyvla XocpEia bereits durch Aristo-
phanes (Nub. 74G) wohlbekannt sind, dass Exemplare mit Bän-
dern (Gerhard Etr. Spiegel, Taf. XX), ausgezeichnet mit Zeich-
nungen im Innern, mit Reliefs auf den convexen Seiten, erhallen
sind, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Sind an den ge-
wöhnlichen kleinen Exemplaren von Spiegeln die Stiele einfach
und in unmittelbarem Zusammenhang mit der Scheibe gearbeitet
(Gerhard a. a. 0. Taf. XXII — XXX), so können wir eine ganze
Scala reicherer Ausschmückung verfolgen: zunächst endet der
Stiel in Thierköpfe von Rehen, Stieren, Widdern (Gerhard Taf.
XXIV, 1—4. 6—10. 13—15. XXIV, 10. 12. 43—19), der
Uebergang in die Mündung des Spiegels oder des Anheftepunktes
wird mit Blumen, Palmetten, Köpfen in Relief, ganzen kleinen
Gruppen in Relief oder Zeichnung geschmückt, ein Querstock
tritt ein in Voluten endend (Gerhard a. a. 0. Taf. XXV — XXIX).
Einen merkwürdigen Uebergang bildet endlich ein Silberspiegel
mit Griff, an dem eine stehende nackte männliche Gestalt mit
Stab in Relief sich befindet (Inghirami Mon. etruschi VI. tav.
C. 2. N. 3).
Wenden wir uns nun zu ganzen Statuetten, deren Ver-
bindung mit einem Spiegel oder Spiegelbehälter unzweifelhaft
ist, so begegnen uns hier weibliche, männliche und mannweib-
liche Gestalten ; die zweiten bieten für uns das grösste Interesse,
da sie die schlagendsten Analogien zu unserem Denkmal an die
Hand geben. Ist die bekannte und publicirte Zahl nicht gross,
so ist daraus auf die Seltenheit solcher Bildungen auch im Alter-
thum kein Schluss zu machen, da unter der grossen Zahl von
kleinen Bronzestatuen, die irgendwie als tragend mit gehobenem
Arm. oder mit Aufsalz, oben schliessender Palmette, oder Blu-
men bezeichnet sind, auch Spiegelhaller sich belinden werden;
so wird dies von einer nackten Venusstaluette mit Blatt oben
in der Dresdener Sammlung (llellner Bildw. d. kön. Anlikens.
in Dresden 1856. S. 93) schon angenommen. Von weiblichen
12
Statuetten haben wir bei Gerhard etrusk. Spiegel Taf. CXVII
und CXXXVIII (Micali Mon. p. serv. alla stör. etc. t. L.3) zwei
interessante Beispiele, dort eine weibliche nackte Gestalt mit
Schmuck um Hals und Arm, den rechten Arm gehoben im rech-
ten Winkel zu dem breiten Kopfaufsatz oder Polster, welches
die Spiegelrundung trägt, in der Venus und Amor als Ein-
zeichnung sich finden, in massiger, fast plumper Arbeit, hier
eine bekleidete weibliche Gestalt in streng derber, nicht idealer
Tracht, den linken Arm eingestemmt, den rechten nach oben
zur Haltung des Polsters gehoben, sichtlich eine Dienerin dar-
stellend; über ihr befindet sich dann ein concaver Spiegelbebäl-
ter mit Relief im Innern; der Stil ist besser, sorgfältiger, als bei
der ersten Gestalt.
Mit dem Spiegel noch verbunden ist in Pompeji als Griff
ein Hermaphrodit gefunden, in Stellung und unterer Bildung
der von uns publicirten Gestalt entsprechend, auf einem Wid-
derkopf stehend , die gehobenen beiden Arme tragen aber nicht
unmittelbar; vom Kopf fällt nach hinten ein Schleier herab
(Roux und Barre, Herculanum und Pompeji VI. Ser. 3 t. 91).
Von noch grösserem Interesse sind für uns die ganz männ-
lichen, hier in Betracht kommenden Gestalten , welche sich
auch durch den mehr oder weniger festgehaltenen archaischen
Stil unserem Denkmale nähern. Es kommen hier in Betracht
zwei bei Gerhard (Etr. Spiegel Taf. XXX und Taf. LX) abgebil-
dete Gegenstände, ferner ein Denkmal aus Pompeji (Roux und
Barre VI. Serv. 3. Taf. 91; Overbeck, Pompeji S. 323), ferner
ein bereits bei la Chausse (Mus. Roman. II, 22), dann bei Creuzer
(Symbolik und Mythologie III. Heft 3. n. 9, Aufl. 3) publicirter
Spiegel mit Griff, endlich die borgianische Erzfigur mit der In-
schrift An I O V M (Sutina) , ebenfalls von Gerhard S. 89. Note 1 3 1
erwähnt, wie es scheint, noch nicht edirt. Die Bildung der ju-
gendlichen nackten Gestalt, die Stellung der Füsse, die Hebung
der Arme scheint bei allen dieselbe zu sein. Nur bei dem vor-
letzten Denkmal ist der rechte Arm gehoben zum Tragen , der
linke dagegen ruhig an der Seite hängend und einen Zipfel der
auf der Schulter und hier sichtbar werdenden Chlamys fassend.
Ueber die Details kann ich nur bei den drei eisten Denkmälern
genau berichten und sie bieten gerade für uns das höchste In-
teresse. Der auf Tafel LX bei Gerhard , vorher von Inghirami
Mon. Etr. Serv. VI. law O. publicirle, aus Etrurien nahe bei
13
Canino stammende Spiegelbehalter mit Griff zeigt wesentlich
unsere Gestalt mit Widderkopf tragender Gestalt, einen Aufsatz
mit zwei ruhenden Widdern und einem Blatt in der Mitte, dar-
über erheben sich zwei' löffelartige Flügel zur bessern Unter-
stützung des runden, ausgehölten oberen Theiles; wie die ganze
Gestalt roher, ungeschickter gebildet ist, z. B. auch die Hände,
die hinter das zu Traciende eeleet sind, so tritt dies an dem obe-
ren Aufsalz besonders hervor; keine Voluten, kein zierliches
Blatt, kein zierlich geschweifter Oberbalken mit hoher Palmette.
Das Bund oder der gehölte schalenartige Diskus ist im Innern
ciselirt und zeigt den Hermesstab und am Bande wechselnde
Widder und Pfauen; die convexe Bückseite ist ganz glatt ; gut
erhalten ist die schnabelartige Ausbiegung des Diskus, falschlich
auch von Gerhard als ein Ausguss gefasst, vielmehr zur
Aufnahme des kurzen Stiles des hineinzulegenden Spiegels
bestimmt.
Weitaus reicher als das eben betrachtete Denkmal und
unseres ist der Spiegelhalter mit Griff auf Taf. XXX bei Gerhard,
campanischen Ursprunges, gebildet, aber durchaus nicht ge-
schmackvoller, vielmehr überreich. Die männliche nackteGestall
steht hier nicht auf einem Thierkopf oder Thier,, sondern einer
Mischgestalt, weiblich, unbekleidet, mit ausgebreiteten Flügeln
und nach unten in einen zur umgekehrten Palmette stilisiiien
Schweif ausgehend. Das obere Stück über dem Kopf zeigt in
seiner Mitte nicht allein zwei Widder, sondern diese mit einer
unter und an ihnen sich bähenden, schwebenden Gestalt, wobei
man sofort des Schafbockes mitOdysseus bei Polyphem sich er-
innern wird. Der untere Tragbalken ist zu zwei Blüthenfüllhör-
nern geworden, der obere schliesst mit bärtigen Köpfen. Der
obere Diskus hat für uns hier durch die Doppelseiligkeit seines
Belief- und Ciselirungschmuckes, durch das doppelt Convexe,
endlich durch die an der Hauptseite hervortretenden kleinen
Halter, in Palmelten umgekehrte Blüthenstengel , drei Bosetten
Interesse, Dinge, die für eine Patera vollständig sinnlos sind,
aber deutlich den Zweck zeigen , einen gewölbten Spiegel auf
der Hauptseite hinter die Halter aufzulegen.
Andere Eigentümlichkeiten bietet das Bronzedenkmal aus
Pompeji. Offenbar ist hier die tragende Gestalt freier, anmulhiger,
beweglicher gebildet als unsere Bronze , so in dem gebogenen
linken Bein, in den auf den Fingerspitzen tragenden Händen;
1 4
iiuch der den noch ganz erhaltenen, glatten Rundspiegel tragende
Querbalken ist nun zum schönen einfachen Volutencapitelle ge-
worden. Während aber der weitere Aufsatz mit Widdern und
oberer Kranzleiste fehlt, ist hier dagegen das untere Ende rei-
cher durchgebildet und zwar zu dem bestimmten Zwecke
des Aufsteilens. Es steht daher jene Gestalt auf einer Schild-
kröte mit hohen Füssen, diese selbst wieder auf einem kleinen
von drei Thierklauen getragenen Diskus. Also hier finden sich
gerade jene Elemente für feste Basis, die wir bei unserem Denk-
male und den sonst beschriebenen vermissen. Die bei Creuzer
a. a.O. publicirte Bronze mit Spiegel trägt ebenfalls einen leich-
ten anmuthigen Charakter. Das linke Bein ist zurückgestellt,
die Biegung der Arme ist graciös, ebenso das reich herabfallende
Haupthaar frei gebildet. Der Kopf tragt mit schmälstem Polster
den Spiegelrand, die Füsse stehen auf einer Platte, unter der
wohl auch ein eigentlicher Fuss sich befand.
Nach alledem kann an der Einreihung unseres Monumentes
in Bezug auf Bestimmung, auf tektonische Anlage kein Zweifel
mehr sein und wir haben dabei bereits interessante Variationen
derselben Grundidee gefunden. Die Betrachtung dieser parallelen
Denkmäler führt uns aber unmittelbar weiter zu der letzten,
bisher noch nicht aufgeworfenen Frage, der nach der idealen,
mythologischen Deutung des Gegenstandes. Ist man
auchoftin der Aufsuchung mythologischer, besonders tiefsinniger
und dunkler Bedeutungen bei Gegenständen, die rein der künst-
lerischen Technik und dann der Sitte des äusseren Lebens ange-
hören, viel zu weit, ja bis zum Absurden gegangen, so tritt doch
in jeder griechischen künstlerischen Darstellung älterer und
guter Zeit, die eine menschliche Handlung zum Mittelpunkt hat,
uns eiue ideale Typik entgegen, die auf einer mythologischen,
allgemein bekannten und wellläufigen Vorstellung beruht. Auch
hier haben wir nach ihr zu fragen und sie lässt sich nicht lange
suchen. Der Gedanke an einen Atlas, der am nächsten liegt,
muss bei näherer Vergleichung der bekannten Atlasbildungen,
wie sie z. B. bei Wieseler Denkmäler alter Kunst II Taf. 64 zu-
sammengestellt sind, wie sie bei Basen von Candelabern z. B.
Musee Napol. T. IV. pl. 17 sich zeigen, dem ganz entsprechend
an dem Postament im kleinen Theater zu Pompeji (Overb. Pom-
peji S. 132. Note MO), ganz abgewiesen werden; er erscheint
alt, bärtig, in der heftigsten Anstrengung, mit gebogenen Knien,
— 1 5
Gebeultem Nacken, mit dem Ausdruck des Duldens: von alledem
ist in unserer schlanken, elastischen, jugendlichen Gestalt nichts
zu finden. Auch die jugendlicheren Beispiele von Atlanten oder
Telamonen (Vitr. VI. 10) an der inneren Attika des Tempels des
Zeus zu Agrigent (Müller Denkm. alt. K. I., Taf. 20. N. 102)
sowie in dem Tepidarium der älteren Bäder zu Pompeji (Over-
beck Pomp. S. 166. Fig. 132) mit ihren tief nach hinten mühsam
gebogenen Armen und vorstehenden Ellenbogen, mit der gewal-
tigen Anstrengung der ganzen Figur, mit ihren gigantischen ,
dabei in Pompeji mit einem Schurze bekleideten Gliedern können
uns zurVergleichung und Erklärung nicht genügen. Dazu kommt
die so markirte Verbindung hier mit dem Widder, als getrage-
nem Gegenstand und auch als stützendem ; bei einem anderen
Denkmal mit der Schildkröte als Unterlage.
Die ganze Körperbildung der Figur ist durchaus die des
Hermes, des eben gereiften Jünglings, des Epheben, in der
jüngeren, in den homerischen Stellen (Od. X, 279. II. XXIV,
347. 348) bereits sich zeigenden Auffassung; ebenso entspricht
ihm durchaus die ovale, volle und reife Bundung des Gesichtes,
die Bildung des Mundes, wie der geöffneten Augen. Nur muss
uns Eins auffallen: die Haarbildung mit der lang auf die
Schulter herabfallenden Ilaarmasse, während die jüngere pla-
stische Kunst ihn streng als Epheben mit rund abgeschnittenen
Ilaaren zeigt. Dagegen ist es bekannt, dass die ältere Hermes-
bildung, die ihn vor allem als Keryken fasst, wie einen Keilbart,
so auch oben um den Kopp zierlich gelegtes Haar und lange auf
die Schultern herabfallende einzelne Haarflechten hat. Ist damit
die allgemeine Begründung auch gegeben , so ist unsre Haarbe-
handlung von jener in Köpfen und Statuen vielfach nachweis-
baren doch wesentlich verschieden , sie entspricht dagegen ge-
nau der Haarbehandlung archaischer Apollostatuen , am alier-
strengsten der des Apollo von Tenea (Overbeck Gesch. d gr.
Plast. I, Taf. 7). Wir müssen also sagen, dass unsere Hermes-
gestalt im Haar mit den ältesten apollinischen übereinstimme.
Was weiter die Stellung des Körpers betrifft, so stimmt sie in
auffallendster und erfreulichster Weise mit älteren Hermesse-1-
stalten überein ; ganz dieselbe', gans en face dem Beschauer
gegenüber gerichtete, gleichsam militärisch fertigeStellung findet
sich an dem Hermes der Ära Borghese (Denkm. alt. K. I
Tafel X; 2), ganz dieselbe an der Marmorstatue der Sammlung
■ IG
Pembroke des Hermes Kriophoros (D. A. K. II, T. 29. n. 321.
0 verbeck Gesch. d. gr. Plast. I, S. 161), wie auf der Münze
von Tanagra, die die Statue des Kaiamis daselbst (Paus. IX, 22. 2)
ohoeZweifel uns vorführt (Gerh. Denkm. u. Forsch. 1849, Taf. IX,
n. 12). Wichtig ist dabei noch, was z. B. Overbeck ganz über-
sehen, dass jene Münze den Hermes uns ganz nackt und jugend-
lich darstellt, nicht mit dem hinten herabhängenden Mantel und
Flügelschuhen, was auch schon aus der Stelle des Pausanias und
der dort geschilderten Sitte in Bezug auf den iyrjßtov tb sldog
adlliOTog zu vermuthen war. Jugendlich auch als ecptjßog mit
nvvrj, mit dem Bock unter dem Arm, in Chlamys, der Strigilis
in der Beeilten ist Hermes in einer Tanagräischen Terracotte ge-
bildet, worin Conze den dort ausser dem Kriophoros verehrten
rtQÖfiaxog erkennt (Annal. Inst, archeol. 1858. p. 347. tav.
d'agg. 0.); eine Strigilis, nicht blos einen Zipfel der Chlamys
zu erkennen, dazu giebt wenigstens die Zeichnung nicht hinrei-
chenden Anlass.
Wir sind hier bereits aber auch an dem Punkt angelangt,
wo die ihierischen Symbole und das Motiv des Tragens
uns an unserer Bronze unmittelbar klar werden, ebenso wie die
Schildkröte an dem pompejanischen Spiegelgriffe. Wie der Wid-
der als Symbol der Heerde überhaupt und des Weidelebens, der
Zeusun" des Beichtbums, des strömenden Bebens und Sesens, des
Sühnopfers alle Seiten fast in der Natur des Hermes berührt, nur
nichtdie musikalische und dieSeite derKlugheit, dieinderSchild
kröte sich offenbart, so hat die bildende Kunst ihn in verschie-
denster Motivirung zum Hermes gestellt, ruhig liegend neben,
auch unter dem auf ihm dann sitzenden, ja reitenden Hermes,
an seine Hand springend, neben ihm stehend, endlich unter dem
Arm und vor allem auf der Schulter dieses guten Hirten getra-
gen ; auch der blosse Widderkopf erscheint bei Hermes als
Opferanrichter. Hier erscheint er doppelt, die Unterlage bietend
als Opferthierkopf, aber vor allem getragen von dem Gott. Und
so ist die Gestalt des Hermes als die des Kriophoros wohl zu
bezeichnen. Es darf uns dabei das, was das tektonische Gesetz
forderte, der Tragbalken , wie die Verdoppelung nicht stören,
ebensowenig haben wir darin eine besondere Bedeutung zu su-
chen. Aber, was jene apollinische Haarbildung betrifft, so dür-
fen wir auf die innere Zusammengehörigkeit und brüderliche
Stellung beider Gottheilen , speciell des Hermes Kriophoros als
17
Heerden- und Sühngottes zu dem Apollo Karneios hinweisen, die
statuarisch im Hain Karnasion bei Stenyklaros ausgesprochen
war (Paus. IV, 33, 5). Mit Recht nennt Creuzer (Symbol, und
Mythol. III, S. 841) die von uns oben näher bezeichnete, bei
ihm publicirte Gestalt geradezu Apolloähnlich, obgleich auch
da an einen Hermes mit Chlamys über der Schulter zu den-
ken ist.
Ist es nun, ganz allgemein betrachtet, ein sehr erfreulicher
und sinniger Gedanke, eine kräftige svelte Ji'inglingsgestalt,
die den Widder seiner Heerde mit gewandten Armen gefasst
hoch trägt, zu einem Träger und Halter eines Gegenstandes in
schöner Frauenhand zu machen, so giebt die mythologische Be-
deutung uns noch einen ganzen Reichthum feiner Beziehungen;
wissen wir doch, wie der Spiegel besonders der Aphrodite zu-
eignet, um ihre Reize zu entfallen und zu gewinnen, wie er als
ein sehr beliebter Gegenstand des Geschenks und Erwerbs in
Handel und Wandel galt und wie nahe der Führer der Chariten,
der in blühendster Anmuth (%ccQi£Ozdrr] rjßrj) stehende, Anmuth
gebende, überall vermittelnde, selbst neckisch lüsterne Götter-
jünglihg zur Aphrodite steht und wie er anderseits im Widder
Reichthum gewährend {noXvQQrjviog), Handel und Wandel in
beweglicher Habe vorstehend auch wohl die Schmucksachen
der Damen mit sich führt.
Somit ist der Kreis der Betrachtungen dieser schönen Bronze
wesentlich erschöpft und sie aber auch in die treffendsten Bezie-
hungen gebracht. Fragen Avir schliesslich noch nach der Ent-
stehungszeit oder richtiger nach der Stilgatlung , in der sie
gearbeitet ist, so dürfen wir wohl sagen, es ist vielleicht absicht-
lich die streng archaische Stilgrundlage festgehalten, aber dar-
über bereits die Anmuth und Schönheit des eben freiwerden-
den Stiles gegossen und wir haben, was die ganze Körperbil-
dung betrifft, vielleicht mehr Recht an jene Ephebengestalt des
Hermes von Kaiamis zu Tanagra zu erinnern, als es in dieser
Beziehung Overbeck für jene Statue der Sammlung Pembroke
in Anspruch nahm. Und so können wir sagen, wie sie an Grösse
alle andern zum Vergleich von uns hervorgezogenen Statuet-
ten, die als Griff von Spiegeln oder Spiegelbehältern dienten,
übertrifft, so nimmt sie in diesem Kreise durch ihren Stil eine
ebenso hervorragende Stellung ein zwischen den Werken roh
altertümlicher, ungeschickler Technik und den andern Werken
4860. 2
18
'einer auf das Anmulhige oder Schmuekreiche gerichteten
Kunst.
§2. Verlassene Ariadne, wachend und schlafend.
Taf. II. Torso einer weibliehen Statue von Marmor im Haag.
Taf. III. Marmorstatue des grossherz. Antiquarium in Mannheim.
Der auf Taf. II. in der Grösse des Originals abgebildete
kleine Marmorlorso Übt auf den aufmerksamen Beschauer einen
eigentümlichen ...Reiz aus. Der Eindruck, den er mir an Ort
und Stelle versteckt unter einer Masse mittelmässigerAnticaglien
machte, hat sich dann bei vielfacher Beschäfttauna mit der treff-
liehen Zeichnung nur noch gesteigert und individualisirt.
Wir sehen vor uns einen jugendlichen weiblichen Oberkör-
per, von dem Beginn des Unterleibes nur erhalten; ebenso ist
der rechte Arm unmittelbar unter dem Ellenbogen abgebrochen;
die Nasenspitze ist verletzt, abgestumpft, sonst Kopf, Körper
und linker Arm wohl erhalten. Die Bückseite ist weniger aus-
gearbeitet, zwischenArm und Körper sind noch Theile von einem
dazwischen befindlichen Körper, Stein oder Gewand sichtbar,
daher das Ganze auch in der Aufstellung für die Vorderansicht
berechnet war. Die Haltung des Körpers ist eine sleilschräge,
nach der linken Seile gesenkte, so dass man unmittelbar erkennt,
die ganze Gestalt ist an einen festen Körper hinten gelehnt oder
steil sitzend und hat zugleich in ihrem oberen Theil einen zwei-
ten Stützpunkt ausserhalb der Körperlinie selbst. Der letztere
ist gegeben in dem Ellenbogen des linken Armes, der unter
einem weniger als halbrechten Winkel gesenkt ist und auf einem
festen Gegenstand aufruhte. Der Unterarm ist senkrecht, ja
etwas rückwärts gebeugt, gehoben, um in der hohlen Hand das
Haupt zu stützen, so dass seine innere Seite uns entgegentritt.
Der rechte Arm ist eng anliegend, ruhend gesenkt, scheint mit
der Hand etwas nach vorn gewendet gewesen zu sein. Ist schon
der schlanke Hals etwas mehr als der Oberkörper nach links
gesenkt , so ist dieses noch bedeutend mehr der Fall mit dem
Kopf, der zugleich mehr rückwärts geneigt ist, so dass dieKinn-
parlieen auch in ihrer Unleransicht hervortreten; er ruht mit
dem vollen Haar seiner linken Seite in der stützenden Hand.
Haben wir uns die einfachen Grundverbältnisse der ganzen
Körperlage vergegenwärtigt, so können wir nun um so schärfer
1 9
die Formen seihst und den in ihnen liegenden Ausdruck
fassen. Die Formen des Oberleibes sind durchaus jugendlich zart
und doch voll behandelt; die Brüste treten wohlgerundet und
doch jungfräulich spitz hervor, trefflich sind die Falten des Flei-
sches nahe der Achsel, mit ausserordentlicher Feinheit Halsgrube
und die Partieen über den Schlüsselbeinen zu der auf der rech-
ten Seite wegen der Biegung nach links weit geschwungenen
Linie, die vom Hals über die Schulter führt, behandelt. Die
Schullern schliessen sich eng, leicht gerundet an den Rumpf an,
die Arme entsprechen durchaus dem Jugendlichen und doch
Fleischigen des Körpers. Am schlanken Hals treten durch die
Senkung leichte Falten auf der linken Seite hervor, während an
der rechten eine straffere Linie die gespannte Muskellage , die
hinter das Ohr führt, zeigt. Wenden wir uns zu dem Kopf, so
wird die ovale Gesichtsform durch das reiche rund angelegte,
wellige Haupthaar erweitert. Das Haar einfach in der Mitte ge-
scheitelt liegt am Hinterhaupt verhältnissmässig glatt an, ein
starkes Band hat die vordere Masse gefesselt, aber doch treten
sie in Fülle über Stirn und an den Wangen bis hinab an den
Nacken als welliger Bausch hervor.
Die die Stirn umzeichnende Linie ist in leichten Biegungen
von den Haarwurzeln überwuchert. Die Stirn ist massig hoch
und wohl gewölbt. Besonders charakteristisch ist die scharf ge-
zeichnete Augenlinie und das Auge mit seiner Umgebung. Hier
spricht sich die innere Stimmung auf das Lebendigste aus. Jene,
leicht geschwungen, erscheint in den Winkeln an der Nasenwurzel
in merklicher Biegung aufgezogen und giebt uns den Eindruck
tiefer Bekümmerniss. Die Augen, dadurch tiefer beschattet, sind
selbst etwas lang gezogen und unter den Augenlidern wie an
der unteren Seite sind die Thränendrüsen gefüllt, die Augen
bekommen dadurch einen schwimmenden Ausdruck und doch
sind sie noch trocken, noch fast gewaltsam geöffnet. Die Nasen-
linie ist scharf und edel, der Steg schmal , die Nasenlöcher sind
breiter geöffnet, wie dies bei starker innerer Bewegung sich
findet. Der feine kleine Mund ist etwas geöffnet, in der mehr
hervortretenden Unterlippe, wie den zuckenden Mundwinkeln
ist sinnliches Verlangen und Schmerz eigentümlich gepaart.
Das kleine zierliche Kinn tritt hervor in der vollen gerundeten
Linie des Untergesichtes, dessen Anblick, wie wir oben sahen,
uns durch die Lage des Kopfes vollständiger gegeben ist. Die
2*
20
Wangenpartieen sind jugendlich voll , von der edelsten Linie
umschlossen. Das feingebildete kleine Ohr ist vor dem hinterge-
strichenen welligen Haar wohl sichtbar.
Fassen wir das Ganze also zusammen , so haben wir eine
an höheren, wahrscheinlich felsigen Hintergrund halbsitzend ge-
lehnte jugendliche weibliche Gestalt vor uns , den Kopf in den
linken Arm gestützt, mit dem Ausdrucke sinnender Bekümmer-
niss, aber zugleich lässt die ganzliche, sichtlich momentane,
nicht habituelle Enlblössung des jugendlich reizenden Oberkör-
pers — für den Unterkörper ist eine Gewandung, die von oben
herabgesunken ist auf das Unterlager, zu vermuthen und das
Haar ist geordnet und zusammengehalten — uns auf eine für
das sinnliche Leben, für Liebessehnen oder schwärmerische,
alle Fesseln der Convention lösende Erregung empfängliche und
davon gerade jetzt mit ergriffene, aber durchaus edle Natur
schliessen.
Sehen wir uns zunächst in den mythologischen Idealkreisen
um in die wir unsere Statue versetzen könnten, so werden wir
in dem Statuenbereich an Nymphen des Ortes oder der Quellen,
bei denen derartige Entblössung des Oberkörpers sowie Ruhen
am Fels vielfältigst bezeugt ist, verwiesen werden; an eine rein
dem Meerleben angehörige Gestall zu denken, daran hindert uns
doch die Ordnung des Haares und tlie nicht eigentlich flüssige
Behandlung der ganzen Gestalt. Aber dabei können wir nicht
stehen bleiben; das ethisch-pathetische Element übt gerade
in der Gestalt seine Anziehungskraft aus: hier ist es aber wie-
der nicht der specifisch aphrodisische Kreis, in die wir sie ver-
setzen könnten, wenn wir sie als Begleiterin der Aphrodite etwa
fassen wollten, es kommt jenes Schwärmerische, einer Stimmung
mit ganzer Seele sich Hingebende hinzu, das der Grieche im
bakchischen Kreise so wunderbar reich durchgebildet hat. Es
ist eine edle bakchische Gestalt, in Liebesschmerz und Sehn-
sucht durch ein besonderes Ereigniss verstärkt, zugleich an eine
felsiae Lokalität geknüpft. Wir werden somit unmittelbar zum
Mythus der Ariadne hingeführt.
Ehe wir uns zur allseitigen Vergleichung unseres Marmors
mit den Darstellungen der Ariadne wenden, freut es mich, zuvor
noch eine zweite ebenso anziehende Antike zum ersten Male
publiciren zu können, die uns bei ganz entgegengesetzter Moti-
virung doch die interessantesten Parallelen bietet und zu der-
21
selben mythologischen Gestalt augenscheinlich führt. In dem
Grossherz. Antiquarium zu Mannheim und zwar in dem grossen
sehr verödeten Bibliotheksaale befindet sich neben der interes-
santen Reihe etruskischer Aschenkisten ein kleines Marmorwerk
von 2 Fuss Länge und entsprechender Breite , mit ungleicher,
geschwundener Grundfläche und einer zwischen Hautrelief und
freier Bildung schwankenden Darstellung. Obgleich in dem
Katalog der Sammlung von Gräff (11,39, S.16) unter den Sculp-
luren von meist geringem Kunstwerlh mit wenig Worten abge-
fertigt erregt es durch das dargestellte Objekt wie den eigen-
tümlichen Fluss der Behandlung, durch den Hauch griechischer
Kunst, der darüber ausgegossen, bei jedem aufmerksamen Be-
obachter das lebhafteste Interesse und jeder neue Besuch in der
Sammlung steigert den Zauber, der immer wieder zu diesem
Marmor hinfuhrt. Die auf Taf. III. veröffentlichte Zeichnung, von
Fratrel in Mannheim gefertigt, giebt den Charakter des Monu-
mentes treu wieder. Lieber die Herkunft desselben scheint nichts
Näheres bekannt; entweder gehört es bereits dem alten seit
Smetius gesammelten Vorralh an oder, was mir wahrschein-
licher, es ist vom Kurfürst Karl Theodor in Rom 1774 nebst
jenen Aschenkisten erworben.
Eine weibliche Gestall auf den Boden gestreckt ist in tiefen
Schlummer gesunken. Die Unterlage ist Fels, über den aber ein
Theil des Obergewandes schützend gebreitet ist. An der Seile
sind Wellen des Meeres angedeutet, aus denen Delphinköpfe her-
vorschauen. Die Grundlage des Kopfes wie der Füsse ist etwas
erhöht, der Marmor in derMitte eingesenkt, wodurch der Eindruck
des in sich ruhig Abgeschlossenen noch gesteigert wird. Eine
jugendliche volle, wesentlich bekleidete Gestalt sehen wir vor
uns ruhen, den rechten Fuss über den eingebogenen linken Fuss
gelegt, mit dem rechten Knie einen stumpfen Winkel bildend.
Der rechte Arm ist zur Seite gehoben und rückwärts in den
Nacken gelegt mit scharf herausstehendem Ellenbogen, der linke
Arm liegt leicht gebogen ruhend an der Seile, mit der Hand auf
einem Stück Gewand. Der Kopf isi nach hinten etwas gesenkt,
ein wenig nach links gewendet. Reiches feingewelltes Haar uni-
giebt das Haupt und fällt auf die Schuller; ein Kranz von Epheu-
blättern und Epheubliithenbüseheln zieht sich durch dasselbe
hin. Das volle, mehr rundliche Gesicht mit breiter, fein gewölbter
Stirne, die geschlossenen Augen, der eigen geschlossene Mund,
22
das zierliche, durch die Lage mehr hervortretende Kinn, hat
mannigfache Verletzungen an der Oberfläche, besonders Ab-
stumpfung erfahren. Der rechte Oberarm ist mit einer Spange
geziert. Die linke Schulter und der Obertheil der linken Brust
ist durch das herabgesunkene Untergewand entblösst. Der linke
Unterarm wie die Hand zeigt sich als aus mehreren gebrochenen
Theilen ergänzt. Das ärmellose Unler»ewand oder Chiton, über
der rechten Schuller befestigt und wie gesagt, von der linken
Schulter herabgeglitten, auf der rechten Brust in schönen Falten
aufgehalten, lässt die edeln Körperformen der vollen und doch
ganz jugendlichen Brust, der Weichen und des Unterleibes mit
eingesenktem Nabel , durch die zarten Faltenhebungen durch-
leuchten. Das Obergewand, um den Oberkörper und Kopf
schützend als Unterlage sich ziehend, ist in starken Fallenmas-
sen über den Unterkörper gebauscht und deckt dann mehr ge-
streckt die unteren Glieder. Die Füsse selbst treten nackt ohne
Beschuhung aus dem Gewände heraus; an dem rechten Fuss
ist die grosse Zehe abgebrochen, an dem linken sind alle ver-
slümmelt.
In der Gesammtmotivirung tritt jenes feine von Griechen
so streng geübte Gleichgewicht der schräg gegenüberliegenden
Theile sehr wohl heraus. Aber vor allen ist der Grundgedanke
tief und glücklich gefasst: ein Schlaf am Meeresstrande unter
der Musik der Wellen, ein Heben und Sinken im Traumleben
einer weiblichen, Liebe erfülllen, schwärmerischen Natur mitten
in der Gefahr, in der grössten Vereinsamung. Auch hier können
wir nicht einfach bei einer Nymphe, bei einer schon äusserlich
durch den Epheu bezeichneten bakchanlischen Nymphe stehen
bleiben, nein wir werden weiter zu einer individuelleren Auf-
fassung geführt, zu Ariadne. Sollen wir schliesslich über die
ursprüngliche Aufstellung dieses anziehenden Marmors etwas
sagen , so erscheint uns durchaus wahrscheinlich ihn sich auf
einer Basis über einem Quell, in einer Grotte, jedenfalls an ein-
samer schattiger Stelle an fliessendem Wasser zu denken.
Unter den so ausserordentlich zahlreichen Modifikationen
des im Alterthum in aller Mund seienden, von Homer bis Nonnos
besungenen und erzählten Mythus von Ariadne auf Naxos3) tre-
3) Hom Odyss. XI, 321-325; Hes. Theos. 94 f.; Pherekyd. in Schol.
Hom. Od. 1. !.; Eur. Hippo). 339; Apoll. Rhod. Arg. III, 997—1007 mit
Scholien; 1097 — 1101; 1107; Arat. Phaenom. 71; Anal. Brunck. ed. Jacobs
23
tcn für die künstlerische, zunächst plastische Durchbildung
wenige sehr bestimmte, herrschende Hauptmotive in den Vor-
dergund4). Lassen wir das älteste bezeugte Bild der Ariadne
neben Theseus auf dem Kasten des Kypselos (Paus. V, -19, 1),
wo uns der Kranz als ihr Symbol gegenüber seiner Leier aller-
dings interessant ist, ferner die Vasenbilder und Spiegelzeich-
nungen und zwar in grosser Seltenheit bei Seite, von denen
jene uns Ariadne neben Dionysos gegenüber Theseus und Athene
zeigen (Gerhard etr. u. kamp. Vasenb. Taf. 56, dazu Jahn arch.
Beitr. S. 277 und jetzt Gerhard über die Antheslerien S. 200,
Note 75), diese Ariadne von Artemis, also nach homerischem Be-
richt, fortgeführt (Gerhard etr. Spiegel Taf. 87, dazu ders. in den
Monatsber. Berl. Akad. d. W. 1859 Juli, S. 510) aufweisen,
auch mit Dionysos und Semele gruppiren (Gerhard Semele und
Ariadne 1859, Taf. I, II). Sehen wir andererseits ab von dem
hochzeitlichen Zug von Dionysos und Ariadne und ihrem legog
yd/nog in der Epheugrotte zu Naxos , die einzeln treffliche Va-
senbilder in bestimmtester Weise auch mit Inschriften uns vor-
führen (Millingen Anc. uned. monum. IL pl. 26, Müller-Wieseler
D.A.K.IL Taf. 36. n.424), die auf den Sarkophagreliefs jedoch
III, p. 215. n. 304; Satyr, bei Theoph. ad Autol. II, p. 94; Diod. V, 51;
Plut. Thes. c. 20; Paus. 1. 20. 8, 22. 5, II. 23. 8, V. 19. 1, IX. 40. 2,
X.29.2; Philostr. Imagg. 1. 15; Luc. deor. conc. 3; Athen. VII. 296, XIII.
557, XV. 689; Long. Pastor. IV. 3; Charit. 1. 6, III. 5, VIII. 1 ; Nonn. Dionys.
XXV.110.XLVII. 265-470, XL V III. 530 ff. 970 ff.; Stepb.Byz. s. v. Jorovaia;
Hesych. s. v. 'AQiSr\kav\ Suid's. v. *A%iädvr\\ Plolem. Heph. in Mythogr.
gr. p.191 ed. Westerm.; Catull. LX1V. 50—268; Ovid. Heroid.10; Metam.
VIII. 175 ff.; Fast. III. 459— 516; Prop. El. I. 3. 1 ff.; Hygin. f. 43; P.A. II, 5.
4) Für archäologische Uebersicht und Behandlung der auf Ariadne
bezüglichen Monumente war zuerst Böttiger archäol. Mus. Heft I. 1801
S. 36 ff. thätig, wichtig dann der Aufsatz von Jacobs zuletzt in verm. Sehr
V. S. 405-444, vergl. dazu Welcker alte Denkm. I. S. 448 ff. Der Versuch
von Raoul Röchelte Monum. ined. d'antiqu. figuree I. p. 1 ff. die meisten
der hierher gehörigen Monumente auf Peleus und Thetis zu beziehen war
zum grössern Theil ein verunglückter, ist auch von ihm selbst beschrankt
worden in Choix de peintures etc. Paris 1846 p. 3 1 , 49, in welchem Werk
zugleich Texte p. 27-58. 301 ff. eine Classification der Denkmäler gegeben
ist. Die vollständigste Behandlung der Denkmäler ist gegeben von O. Jahn
archäol. Beitr. S. 251-300, spcciell für die Situation der Ariadne auf Naxos
S. 280 ff. Daneben vgl. die Ergänzungen von Welcker zu Müller Archäol.
§ 384. 4. 5. Ueber neuhinzugekommene Denkmäler wird im Text die Redo
sein.
__ 24
den allgemeineren Charakter eines bakchischen Festzuges an-
nehmen. Also diesen immerhin interessanten und mannigfal-
tigen, aber für die plastische Kunst wie die grössere Malerei
ganz zurücktretenden Motiven der Darstellung gegenüber handelt
es sich vor allen um die zwei Situationen der auf der Felseninsel
am Meeresstrand schlafenden oder der erwachten, voll
Bekümmerniss vom Felsensitz aus in die Ferne schauenden
Ariadne. Dort gilt es entweder den Moment, wo Theseus Ariadne
verlässt , oder den, wo Bakchos mit seinem Gefolge an die zur
Gottesbraut Erkorene herantritt, oder beide Vorgänge werden
als gleichzeitig gedacht; so zeigte es das berühmte Gemälde im
Dionysosheiligthume zu Athen (Paus. I. 20. 2) und das angeb-
lich in der Halle von Neapolis befindliche (Philostr. I, 15). Dass
drittens auch der Uebergang aus dem Schlaf in das Erwachen,
das Entdecken des Verlassenseins zur Darstellung kam , ist zu
erwarten und wird durch Denkmäler bestätigt; jedoch gehören
diese Darstellungen streng genommen zur zweiten Hauptsilua-
tion. Wir können diese Doppelheit auf die religiöse Grund-
anschauung von Ariadne auf Naxos zurückführen ; wir wissen,
dass ihr daselbst als Göttin, als von Dionysos Entführten und
ihm dann Vermählten ein fröhliches Fest gefeiert ward, dass da-
gegen der Aphrodite als der von Gram über des Theseus Ver-
lassung Gepeinigten und in diesem Gram gestorbenen Opfer
mit düsterer Trauer (dvoiccc rzev&si tlvI v.al OTvyvöti]ti
(iäfiiyfiivai) dargebracht wurden (Flut. V. Thes. c. 20). Dass
die Liebe zu Theseus als ein Vergehen gegen die bereits mit dem
Gotte bestehende Verbindung betrachtet wurde nach kretischer
Sage, hat Preller kürzlich nachgewiesen (Archäol. Zeit. 4 855.
S. 13 ff.).
Für unsern Zweck, die bestimmte und allseitig begründete
Einreihung unserer zwei Statuen in die Beihe der Ariadnebil-
dungen und zwar nach eben diesem Gegensatze der schlafenden
und wachenden Ariadne, haben wir daher die Denkmäler dieser
zwei Hauptgattungen und zwar zunächst die Auffassung der
Ariadne selbst darin näher zu mustern. Die Situation der schla-
fenden Ariadne liegt uns in einer reichen Anzahl zum Theil
auch ausgezeichneter Werke von Statuen, Beliefs, Münzen, ge-
schnittenen Steinen, Wandgemälden und zwar mit interessan-
ten Variationen des Grundthemas vor und ist auch für andere
analoge Mvthen, wie Mars und Ilia in römischer Zeit, verwandt
25
worden (vergl. z. B. Gerhard A. Bildw. CXVIII. 1 — 3) als ein
sehr beliebtes mythologisches Motiv für die Darstellung des Todes
geliebter Frauen. Ich suche hier die mir bekannten sichern Denk-
mäler mit Hinweis auf die ganz verwandten auf, mit Dank darin
den oben angeführten Arbeiten von Raoul Rochette und Jahn
mich anschliessend und auf ihnen weiter fortbauend.
A. Von Statuen in Marmor steht oben an:
1) Die berühmte sog. Cleopatra im Vatikan Mus. Pio Clem.ll.
44. Mus. Napol'. H. 8. Clarac IV. pl. 689. n. 1622. Müller-
Wieseler D. A. K. II. n. 418, dazu vergl. 0. Jahn Archäol.
Beitr. S. 296.
2) Wiederholung derselben in villa Medici nur gekannt aus
Winkelmann W. VI. 1 . p. 222.
3) Wiederholung derselben, früher in Palast Odescalchi in Rom,
dann in Aranjuez bei Madrid Winkelm. W. VII. p. 217 f.;
Mus Odesc. I. p. 23; II. p. 46 nach Raoul Roch. Choix de
peint. p. 31. 2.
4) Wiederholung im Collegio Romano nach Raoul Roch. p. 31 . 2.
5) Statue im Vatikan, als schlafende Bakchantin bezeichnet,
mit derselben Motivirung der Arme, der Füsse, des Gewan-
des, der entblössten Brust, des Felslagers, ein Wassergefäss
dabei ergänzt vergl. Mus. Pio Clem. III. pl. 104; Clarac.
IV. pl. 703. n. 1669.
6) Statue in Galerie Pembroke mit der vollkommen gleichen
Motivirung; das Gesicht scheint portraitartig; interessant die
Muscheln, Eidechsen, Seevögel am Felslager. S. Clarac. IV.
pl. 750. n. 1829. C.'
7) Statue, als schlafende Nymphe bezeichnet, im Louvre, der
rechte Arm über den Kopf gelegt, der linke ruht ruhig zur
Seite; Füsse übergelegt; Untergewand langfaltig, bedeckt
beide Brüste; Arme nackt, Obergewand fast ganz herabge-
sunken. S. Clarac III. pl. 324. n. 1666.
8) Statue in Galerie L a n d s d o w n e mit gfeicher Motivirung
der Arme, bekränztem Kopf, von dem breite Bänder herab-
hängen, aber fast ganz enlblösstem Korper. S. Clarac IV.
pl. 750. n. 1829. A".
Weiter können wir hier in der Besprechung verwandter
Darstellungen schlafender Nymphen nicht gehen: die beiden
Armmotive, die in der Vatikanischen Stalue sieh vereinigt geigen,
schwinden nun ; der eine Arm liegt meist an, der rechte ist zur
26
Seite auf den Fels gelegt oder schrägüber auf die linke Schulter.
Die Lage selbst meist flach oder mit Wnssergefäss. Man vergl.
die Vatikanischen Statuen bei Glarac IV. pl. 703. n. 1668. Mus.
Pio Clem. III. pl. 43 und Clarac IV. pl. 752. n. 1826, ferner in
Gal. Giustiniani Clarac IV. pl. 703. n. 1667, ferner in Samm-
lung Landsdovvne Clarac IV. pl. 750. n. 1829. A und D.
B. Reliefs:
a) die nicht zu Sarkophagen gehören :
1 ) Relief am Fussgestell einer in Megara gefundenen Statue des
Rakchos, nach England gebracht: die schlafende Ariadne
allein dargestellt S. Hughes Travels in Silicy Greece and
Alban. I. p. 224.
2) Fragment eines Terracoltareliefs aus Athen; von Ariadne
nur die Füsse mit Gewand erhalten. S. Bröndsted Voyage II.
p. 276. pl. 60. Müller-Wieseler D. A. K. II. T.36. n.421.
3) Marmorrelief aus Villa Hadriani bei Tivoli, j. im Vatikan:
Ariadne schlafend, Theseus verlassend , Dionysos heran-
tretend, dabei Ortsgottheit. S. de Fabris inlorno ad uno
bassiril. ant. rappres. Arianne etc. Roma 1845. 4.
ß) Sarkophagreliefs, zunächst Vorderseiten :
4) Sarkophag aus Villa Borghese im Louvre Clarac II. pl. 132.
n. 150.
5) Sarkophag aus Rordeaux im Louvre Miliin Voyage All.
pl. 77; Clarac IL pl. 127. n. 148.
6) Sarkophag aus Villa Orta im Vatikan Mus. Pio-Clem. V. 8;
Miliin Gal. mylh.241; Creuzer-Guignaut t. CXX. n. 452.
7) Sarkophag im Vatikan s. Gerhard Ant. Bildw. Taf. HO. 2.
8) Sarkophag in Bolsena s. Gerhard Ant. Bildw. Taf. 112. 3.
9) 10) Zwei Sarkophage, früher im Pal. Mattei, ungenau ge-
zeichnet in Mon. Matteiana III. 7. 1 und 2.
11) Sarkophag in Pal. Giustiniani s. Gal. Giustin. IL 84.
Nebenseiten mit einfacherer Darstellung von wenig Personen :
12) Relief an Villa Medici (V. di Francia): Ariadne wendet dem
Beschauer den Rücken zu. S. Mon. ined. d. inst, archeol. III.
18. 1. Daher auch Zoega Bassir. IL 78. mit Raoul Rochette
vielleicht hierher zu ziehen ist.
13) Relief im Vatikan s. Mus. Pio-Clem. IL t. 13. 5.
1 4) Relief im Campo santo zu Pisa s. Lasinio sculture di Campo
santo 1 18.
27
4,5) Relief an einem Sarkophag im Hofe der Sophienkirche zu
Constantinopel : Ariadne schlafend und Tbeseus sie ver-
lassend mit drei Gefährten. Das angebliche grosse Ruder am
Schiff ist Schiffstreppe. S. Archäol. Zeit. 1857. Taf. C. 2.
S. 34 ff.
16 — 19) Heber die Sarkophagreliefs in Palaste Altemps (Mus.
Pio-Clem.t. IV.p.58a), im Casino Rospigliosi, im Palast
Colonna (Zoega Rassiril. II. p. 206), in Neapel (Raoul
RochetteChoixdepeint.p. 51.) sind wir nicht näher unter-
richtet.
Als ganz verwandte Situationen haben wir die vom Satyr
belauschte schlafende Gestalt auf dem bakchischen Relief in
Neapel (Gerhard Ant. Rildw. Taf. Hl. 2; Müller-Wieseler D.
A. K. II. n. 548) wie einzelne Scenen der Art auf Aschenkisten
(Raoul Rochette Mon. ined. Xa. n. 1. 2. 3.) zu betrachten.
C. Von Münzen kommt die von Jacobs zuerst mit Glück
verglichene Rronzemünze derPerinthier unter Alexander Severus
in Betracht, s. jetzt die beste Abbildung in Müller-Wieseler D.
A. K. II. Taf. 35. n. 417.
D> Von geschnittenen Steinen kenne ich nur zwei Floren-
tiner, s. Mus. Florent. II. 91. 1; 93. 3 und den Cameo aus Man-
tua, der nach England gekommen ist, s. Mus. Worslej. 6. 1 . Aul
die dieser Darstellung durchaus verwandte Behandlung belausch-
ter Hermaphroditen auf geschnittenen Steinen werden wir wei-
ter unten noch zu reden kommen.
E. Für die malerische Darstellung des Ariadnemythus
sind Herculaneum und Pompeji ausserordentlich ergiebig gewesen,
ein Beweis für die grosse Beliebtheit dieses Stoffes in griechisch-
römischer Zeit und speciell dieser Motive der schlafenden wie der
erwachten Ariadne. Das erstere ist dargestellt in folgenden
Denkmälern :
1) Pompejanisches Wandgemälde bei Zahn neuenldeckte
Wandgem. 21; Gell Pompejana II. 49: Theseus verlässt
zögernd die schlafende Ariadne.
2) Ein 1842 in Pompeji entdecktes Bild: Bacchus allein ge-
genüber der schlafenden Ariadne; diese halb entblösst. S.
Bullet. Napol. XI. p. 67.
3) Länger bekannt ein Gemälde aus Herculaneum Pitt. d'Ercol.
II. 16 (damit identisch Mus. Borb. XIII. 7). Dionysos in
reicher Begleitung vor Ariadne, die unter einem zwischen
28 —
Bäumen ausgespannten Tuch auf einem Teppich auf der
Erde ruht.
4) Gemälde in Pompeji im Jahre 1833 aufgedeckt. Eigenthüm-
iich, dass Ariadne mit dem Haupte im Schoose einer reich
bekleideten Flligelgestalt ruht. Ueber diese als Hypnos vgl.
0. Jahn a. a. 0. S. 291 f. S. Zahn Ornam. II. 60 und 51,
Raoul Rochette Choix de peinl. 3; Müller-Wieseler D. A.
K. II. Taf. 36. n. 420.
5) Zu vergleichen ist jedenfalls die ganz gleiche Hauptgruppe
eines viel besprochenen, jetzt meist als Zephyros und Chloris
erklärten Wandgemäldes: Ariadne ruht auch hier gelehnt
an den Schoos einer sitzenden Flügelgestalt; in der Arm-
bewegung unterscheidet sie sich nur von N. 3 (Raoul Ro-
chette Mon. ined. 9. Zahn Ornam. I. 13. Müller-Wieseler
D. A. K. I. Taf. 73. n. 424). Wieseler erklärt es für Ariadne
und Oneiros; dagegen ist doch wohl zu erinnern, dass in
dem herabschwebenden Jüngling nicht blos der Vorbote
des göttlichen Bräutigams, sondern dieser selbst zu erken-
nen ist.
6) 7) Von Mosaiken kenne ich nur aus Jahns (a. a. 0 S.293)
Anführung das Mosaik in der Schweiz bei Schmidt Recueil
rJ'antiquiles de la Suisse I. 4, sowie die Erwähnung eines
andern bei Caylus Rec. d'antiquit. II. p. 399.
Diesem Reichthum von Darstellungen der schlafenden Ariadne
gegenüber tritt die wachende, bekümmert sitzende
Ariadne allerdings in viel sparsameren Beispielen auf. Aber doch
weisen diese Beispiele auf ausgezeichnete Originalcompositionen
hin , eine für die Plastik und eine wesentlich für die Malerei.
Statuarische Werke kennen wir bis jetzt drei:
1) Die Dresdner als sog. Agrippina berühmte Statue aus
der Sammlung Chigi bei Becker August. Taf. 17, Hettner,
Bildw. d. Antikens. zu Dresden S. 87—89. n. 380; über
die sie betreffende Literatur 0. Jahn a. a. 0. S. 282 ff.,
dazu noch E. Braun Bullet, inslit. archeol. 1853. p. 34.
2) Statue auf der Treppe des Palastes Giusliniani in Born s.
Gal. Giuslin. Taf. 112, dazu E. Wo] ff in Bullet. 1831.
p. 65 (f. und E. Braun a. a. 0.
3) Statue in Venedig im Palast Pisani bei Genera] Nusient,
noch nicht gezeichnet, besprochen von E. Wulff a. a. 0.
29 -
Als interessante Bestätigung der Bezeichnung dieser Statuen
als Ariadne dient
4) Das Bild der sitzenden Ariadne auf dem Salzburger Mo-
saik fussboden bei Creuzer Abbild, z. Symbol. Taf. LV,
dazu Böttiger kl. Sehr. II. S. 284 ff. und BaoulRoch. Choix
de peint. p. 33. 7a.
Ein wesentlich verschiedenes Motiv ergeben die Pompeja-
nischen Wandgemälde, ein Motiv der eben erwachten, ihrer
Verlassung erst bewusst werdenden Ariadne; es bildet den
Uebergang von dem ersten zu dem eben betrachteten zweiten.
Wir finden sie daher noch auf ihrem Lager, aber aus dem Liegen
zum Sitzen sich erhebend mit dem aufgestemmten einen Arm. In
fünf Denkmälern (Pitt, d' Ercol. IL 14. 15; V. 26; Mus. Borb.
VIII. 4. 5; Roux und Barre Hercul. u. Pompeji. Ser. IL Taf. 32.
34. 35. 106. 109, vergl. dazu Jahn a. a. 0. S. 284-86) ist ihre
Beziehung zu dem abgesegelten Theseus allein sichtbar; in einem
sechsten (Baoul Boch. Choix de peint. 6) ist bereits Dionysos
mit Gefolge ihr genaht.
Fassen wir nun in den Schriftstellen der Alten, besonders
der römischen Dichter, die dabei wohl auf alexandrinische
Vorbilder gestützt uns ausgezeichnete Schilderungen der Ariadne
in ihren Situationen undGemülhsstimmungen aufNaxos gegeben
haben, und in den Denkmälern die gemeinsamen und bezeich-
nenden Züge auf und vergleichen damit unsere Statue. Es han-
delt sich dabei vor allem um L i egen und Sitzen, um Ent-
blössung und Bek leid u,ng, um Motivirung der A r nie, des
Kopfes, um Haarbehandlung und Schmuck, um Aus-
druck des Gesichtes. Als xccd-evdovoa war Ariadne im Diony-
sosheiligthum zu Athen gemalt (Paus. I. 20. 2); ebenso unter
einer Reihe bakchischer Mythen in einem Dionysosheiligthum
auf Lesbos (Long. IV. 3). Philostralos (Jm. I. 15) weist hin ig
rry erci Ttuv netQÖJv (juq ev f.iaXc(y.(5 xsitcci tt5 vtcvio. Der
Dichterder Anthologieschildert eine berühmte Statue der Ariadne:
ov ßqoroQ 6 yhomug o'iav de oe Bd/.xog sQaooag elöev
vtceq ntTQCcg l'^sos Y.e/.Xi(.iivav . Eine solche hat im Sinne Prop.
(El. I. 3. 1), wenn er beginnt: cjualis Thesea jaeuit cedente
carina languida desertis Cnosia litoribus und fortfährt : talis visa
mihi möllern spirare quietem Cynthia noncerlis nixa caput mani-
bus. Die im Brautgewand, auf goldenem Paradebelte ausgestellte
Kallirrhoe wird von allen verglichen einer schlafenden Ariadne
30
CAQtadvr] v.a&ev öovorj) bei Chariton (II. 3 vergl. auch VIII. 1).
Nach Ovid (Heroid. X. 10) bewegt sie auf dem torus semi-
supina die Hände und springt dann vom Lager auf; nachNonnos
(Dionys. XLYII. 269. 283.295.511) ist sie \nvtöovoa krcalyia-
XoIolVj ist VTrvalerj, rtagä növrcp yJ/Mrai, anb ipa/nad-o7o
wacht sie auf. Also schlafend wird sie durchaus gedacht am
Strande des Meeres, rückwärts gelehnt an den Felsen auf einem
durch Decken, Kissen, auch Fell, oder blos das herabgesunkene
Gewand gebildeten Lager. Dem entsprechen wesentlich die
Denkmäler aller Art, so dass das Motiv des Liegens und das des
gelehnt Sitzens beim Schlafe sich merkwürdig verschmilzt, ein
Felsstück, ja ein Felsensitz mit Lehne (Cameo des Herz, von
Mantua, j. im Mus. Worslej. IL 1), endlich das Bein des Schlaf-
gottes oder der Nacht dabei ausser dem Fels als Stützpunkt
dient (Wandgemälde aus Pomp, bei Zahn Schönst. Ornam.I. Taf.
13. bei Müller-Wieseler D. A. K. I. n. 424. IL n. 420). Für
das gänzliche Liegen im Schlaf auf Felsboden am Meeresufer
haben wir in plastischen Denkmälern eine Bezeichnung in Wel-
len und Seethieren, so an unserer Mannheimer Statue, wie an
der Statue der Galerie Pembroke (Clarac pl. 750. n. 1829. c),
die überhaupt sich am allernächsten stehen. Das Motiv des
Schlafens ist dabei durchgängig in den übereinander gelegten
Füssen gegeben.
Fragen wir weiter nach der Motivirung der Arme und des
Kopfes der Schlafenden, so haben wir nur eine ausführliche
literarische Andeutung darüber bei Philostratos (Im. I. 15): da
wird die Biegung des Nackens, die zarte Halsgrube, die allen
sichtbare Achseihölung des rechten Armes, dagegen das Auf-
ruhen der linken Hand auf dem Gewand, um es vor dem Wind
zu sichern, uns geschildert; wir sehen also, der rechte Arm war
über den Kopf zurückgewendet, der linke Arm lag an. Bei
Properz (a. a. 0.) haben wir den kurzen aber treffenden Aus-
druck non certis nixa caput manibus, das Haupt gestützt an die
nicht sicheren Hände, den die Denkmäler genau erklären. Jahn
weist treffend a. a. O. S. 288 auf den Ausdruck eines Epigram-
mes hin (Anthol. Pal. V. 275. 1): xetro 7ttQi y.QÖta<pov nrj%vv
kXi^af.iivri. Jenes Motiv des über den Kopf zurück geboge-
nen Armes, wie er aus der Naturbeobachtung eines von
Träumen beunruhigten Schlafes entnommen ist, findet sich bei
allen Darstellungen der schlafenden Ariadne, sehr prägnant auch
31 - — -
bei der Mannheimer Statue, auf dem Relief in Constanlinopel
bei dem linken Arme. EineAusnahme macht gerade jenes Wand-
gemälde (D. A. K. I. n. 424), das man meist Chloris und Zephyr
benannt hat. In jenem Wandgemälde hängt der rechte Arm in
einer Biegung leicht über dem Knie der stützenden Gestalt herab.
Was den linken Arm betrifft, so ist das von Philostratos ange-
gebene Motiv nicht das gewöhnliche, aber für unseren Torso
wichtige; jenes eben erwähnte Wandgemälde zeigt genau das-
selbe, dagegen ein anderes (Raoul Roch. Choix depeint. 3. D. A. K.
II. n. 420) den linkenArm leicht über dem Knie hängen lässt, wie
im andern der rechte Arm. Dasselbe weist unsere Statue in der
Mannheimer Sammlung, wie die erwähnte der Galerie Pem-
broke; bei der schlafenden Ariadne des sinnlich wilden Baccha-
nalreliefs in Neapel (Gerh. A. Bildw. Taf. CXI. Müller-Wieseler
D. A. K. II. n. 548) ist der linke Arm mehr senkrecht vom Lager
herabgesunken. Sonst ist eine andere Bewegung die herrschende,
die ebenfalls uns hier speciell interessirt; nämlich der linke mit
dem Ellenbogen aufruhende Arm stützt den Kopf durch die hin-
aufreichende Hand. Hierbei ergeben sich mannigfache kleine
Modifikationen, je nach der steileren oder flacheren Lage, je
nachdem wirklich der Kopf darauf sich stützt oder leise nur be-
rührt wird, je nachdem die Hand mehr vor- oder zurückgelegt
ist, die hohle Fläche geöffnet ist oder die Hand geschlossen ist.
Unserer Statue entspricht hierin die Ariadne auf der Münze der
Perinlhier am meisten. Auch der Kopf ist verschieden gesenkt,
nach rechts und links, mely zu dem übergeschlagenen Arm oder
zu dem stützenden. Es ist keine Frage , dass diese Motivirung
des linken Armes auch geistig ein neues Moment in die Dar-
stellung bringt; sie ist ja nicht Ausdruck des Schlafes, wie
das Herabhängen des Armes, das ruhige Aufliegen, wie das
über den Kopf Zurückwenden, nein sie gehört dem ernsten, sor-
genvollen Nachdenken, dem in sich und seinen Gedanken Versun-
kensein an. Und so erhalten wir den bestimmten Eindruck, als
ob diesem Schlafe der Ariadne bereits solcheZustände vorausge-
gangen sind, als ob sie über diesen Sorgen und Denken eingeschla-
fen ist oder im Traume sie durchlebt. Und so kann wenigstens
in einzelnen Darstellungen diese Auffassung der schlafenden Ari-
adne, vor der Dionysos erscheint, von der schlafend vom Tlie-
seus verlassenen als durch den wachen Zustand des Suchens
und tiefer Bekümmerniss getrennt gedacht werden. Wir haben
32 -
aber dabei für die vergleichende Erkenntniss unserer beiden
Bildwerke in der Motivirung der Arme schlagende Analogien
gewonnen und zwar vollständig für die Mannheimer Statue, für
die Haager, insofern tiefe Bekümmerniss, nicht zugleich Schlaf
in ihr ausgeprägt werden sollte.
Auch die Betrachtung der Gewandung oder ihres Man-
gels wird uns bei der Vergleichung jener Denkmälergruppe
nicht unfruchtbar bleiben. Die literarischen Zeugnisse geben
uns hier auch nur wenige, aber nicht unwichtige Andeutungen.
Philostratos (Im. I. 15) schildert uns in den Worten yvuva
/.tev ig 6f.tcpcclov ozegvcc zccvza, öegr] de vnzla v.ai aTcaXrj
cpdgvy^, (.lao^aXig de rj de^ia cpavegct näoi' fj de ezega %ei(>
eTtUeixcu zfj %kcdvfl f.irj alo%vvrj zi 6 ccvSfiog anschaulich die
Situation; der Oberkörper ist also ganz entblösst, sodass Brust,
Nacken, Achsel, Halsgrube, Arme in ihrer ganzen Schönheit her-
vortreten, dagegen der Unterkörper von dem wollenen Oberge-
wande,der %Xatva, bedeckt und durch die darauf liegende Hand
noch geschützt war, eines Untergewandes, %izwv, wird gar nicht
gedacht. Nonnos (Dionys. XI. VII. 281, 286) weist auf die Be-
kleidung der schlafenden Ariadne entschieden hin ; der Gott fragt
nach dem Namen der schönen Schläferin: ist sie Charis etwa?
doch wer bekleidete in Naxos die unbekleidete Charis? (zig
Xcxqiv e%Xalvtooev av£i[.iovcc, also auch hier eine yXcava) ist sie
Thelis am Meeresufer? aber die rosige Gestalt ist nicht entbiösst
(älV ov yvf-ivbv ejei godösv difiag). Er kann an Artemis und
Athene denken. Es scheint daraus hervorzugehen, dass das Ge-
wand die Gestalt wesentlich bedeckte. Wir finden hier bereits
die doppelle Auffassung angedeutet, die in den Denkmälern
neben einander zu Tage tritt: volle Bekleidung und Zu-
rückschieben des Gewandes bis zu den unteren Theilen.
Die Denkmäler selbst weisen verschiedene Stufen bei bei-
den auf und bringen zugleich in die theilweise oder fast gänz-
liche Entblössung ein dramatisches Moment hinein, indem durch
einen Eros oder einen Pan oder beide das Gewand gehoben und
weggezogen wird. Die volle Bekleidung mit Chiton und dem
grossen, als Schlafdecke herumgezogenen Himation weist doch
schon in dem von der linken Schulter herabgesunkenen Theil
des Chiton, wie auf dem Belief (D. A. K. II. p. 548), der Statue
der Galerie Pembroke (Clarac pl. 750. n. 1829. c.) und an
unserer Mannheimer Statue, und noch mehr in dem Freilassen
33
und sich Hervordrängen beider Brüste, sodass nur auf einer
Schulter der Chiton noch befestigt ist, wie bei der berühmten
Statue des Vatikan und ihrem Vorbild auf der Münze der Perin-
thier und in dem von Fabris bekannt gemachten Relief des
Vatikan auf die aphrodisische und bakchische Natur der Schla-
fenden hin. Dem gegenüber steht jene bereits erwähnte wesent-
liche Entblössung des Körpers oft über das von Philostratos er-
wähnte Mass weit hinaus durch Wegziehen des ringsum herab-
fallenden Himation , wobei ein Chiton überhaupt nicht voraus-
gesetzt wird; sie ist in den Sarkophagreliefs und Wandgemälden
die gewöhnliche Auffassung. In dem Relief zu Conslantinopel
ist die Entblössung eine bis über die Scham herabgehende; in-
teressant ist hier die gespannte Umhüllung des stützenden lin-
ken Armes. Wichtig für uns ist es aber, dass auf der Salzburger
Mosaik (Creuzer Taf. LV. 1; Guigniaut IV. tav. I99b. vgl. dazu
Böttiger kl. Schrift. II. S. 284—291) Ariadne auch in den zwei
Momenten , wo sie Theseus den Faden übergiebt und dann
wo sie zur Flucht in das Schiff geführt wird, mit ganz entblöss-
tem Oberkörper dargestellt wird, indem die Flügel des Chiton
von den Schultern herabgefallen und über einen Gürtel sichtlich
umgeschlagen sind; auch das Himation, welches bei einer Dar-
stellung allein erscheint, hängt nur über einer Schulter und
nach hinten herab. Hier sehen wir also nicht in Folge eines be-
sonderen Aktes neckischen lüsternen Humors, sondern gleich-
sam zur Natur der Ariadne gehörig die Entblössung des Ober-
leibes. Auch auf die Bes'chuhung müssen wir unser Augen-
merk richten ; auf Sarkophagreliefs und in der berühmten Vati-
kanschen Statue erscheint sie regelmässig, dagegen fehlt sie
meist auf den Wandgemälden und auch unsere Mannheimer
Statue prägt in der Entblössung der Füsse den Charakter einer
Nymphe am Wasser schärfer aus.
Was endlich die Behandlung des Haares und etwaigen
Schmuck betrifft, so herrscht hierin allerdings bedeutende
Mannigfaltigkeit, indem jenes bald ringsum wohlgeordnet ist,
bald einzelne Locken nach hinten oder zur Seite herabfallen, auch
in ein Netz eingebunden, aber vor allem mit einer Bekränzung
durchzogen ist, dieses besonders als Armbänder an Oberarm
oder Handwurzel, als Knöchelumfassung der Füsse, als Hals-
schmuck sich zeigt, aber auch gänzlich fehlen kann, wie auf
dem geschnittenen Stein (D. A. K. II. Taf. 35. n. 419). Nur das
1860. 3
34
ist entschieden zu sagen : das Haar ist ein durchaus welliges,
mehr rund um den Kopf aufgefasst und meist von breitem Band,
wo diese Details wie an der vatikanischen Statue genau hervor-
treten, gebunden; alles entschiedene Vergleichungspunkte mit
unseren zwei Denkmälern. An der Mannheimer Statue ist die
Armspange am Oberarm wie der bacchische Schmuck des Epheu-
kranzes besonders bezeichnend.
lieber die Behandlung des Körpers selbst, dann speciell
die Bildung des Gesichtes bei den Darstellungen der schlafenden
Ariadne im Vergleich zu unseren beiden Statuen, bedarf es, inso-
weit bei den vielen hierher gehörigen Denkmälern von einer
künstlerischen Durchbildung die Rede sein kann , hier keiner
besonderen Auseinandersetzung. Da springt das Genieinsame,
volle Jugendlichkeit, nicht schon Fülle selbst, aber Anlage dazu,
Adel der Gesichtsformen , besonders der Stirn, und sinnliche
Empfänglichkeit, endlich der Zauber einer schwärmerisch ange-
legten Natur, einer allerdings in Schlummer gewiegten Schwer-
muth sofort heraus.
So können wir uns von der für uns hier speciell in dem
Mannheimer Marmor repräsentirten, überhaupt am meisten aus-
gebildeten Classe der schlafenden Ariadnen zu der zweiten, der
erwachenden und vor allem der wachenden, verlassen
sich fühlenden Ariadne wenden. Hier kommt uns für deren
künstlerische Auffassung eine sehr bedeutsame und hochpoetische
Schilderung des Catull im epithalamium Pelei et Thetidis zu Hülfe
(c. LXV. 50 — 265), an die sich dann entschieden bewusst Ovid
(Heroid. ep. X; Metam. VIII. 175 ff.; Fast. III. 459—516) an-
schliesst. Catull beschreibt uns eine kostbare Decke von Purpur,
die das pulvinar geniale, das Hochzeitlager von Peleus und The-
tis in Mitle des von Gold und Elfenbein strahlenden Palastes
bedeckte; in diese sind alterthümliche Gestalten gestickt und
darin mit wunderbarer Kunst Heroengeschichten dargestellt.
Dargestellt war die verlassene Ariadne am felsigen Ufer aus-
schauend, das fliehende Schiff des Tbeseus und weiter die
Scene des vom Fels sich stürzenden Aegeus und von der anderen
Seite bereits der blühende Jacchos mit dem ganzen Thiasos von
Satyrn, Silenen, Mänaden. Wir sehen hier V. 52—70 Ariadne
vom Schlafe aufgeschreckt allein am Meeresstrande blickend auf
das Meer mit dem eilenden Schiff; sie blickt hinaus mit düster-
traurigen Augen (moestis ocellis), wie das Steinbild einer
35
Bacchantin (saxea ut effigies bacchantis), im Herzen voll auf-
und niedervvogender Sorgen; nicht hält sie zurück am blonden
Haarscheitel die feingewebte Mitra, das Kopftuch, nicht hat sie
die Brust umhüllt vom leichten Gewand (levi amictu), nicht um-
bunden die milchgebenden Brüste mit zartem Brustband (strophio),
all dieses ist vom Körper herabgesunken, zerstreut, vor den
Füssen und es spielen daran die SalzOuthen. Der Dichter fasst
das Bild noch einmal zusammen in die Worte:
sed neque tum mitrae neque tum fluitanlis amictus
illa vicem curans toto ex te pectore Theseu
toto animo tota pendebat perdita menle.
Ariadne ist bereits (V. 124—131) auf steile Höhen gestie-
gen, ist an die entgegenlaufenden Wogen des Meeres geeilt, das
Gewand hebend von der entblössten Wade, sie hat ihre letzten
Klagen ausgestossen , mit thränennassem Antlitz in Schluchzen
ausbrechend; nun blickt sie nur hin auf das Meer (250), tief in
das Herz verwundet, tausend Sorgen innerlich bewegend. Wahr-
lich eine Schilderung, die uns ganz und gar an die uns vorliegende
saxea effigies bacchantis mahnt in der einzelsten körperlichen Moti-
virung, die uns tief einführt in den Seelenausdruck des Antlitzes 1
Sehen wir noch weiter zu, was sonst aus den Schriftstellern
für diese Situation der Ariadne zu gewinnen ist. Ovid, wie ich
schon erwähnt, unter entschiedenem Einfluss des Gatull, schildert
uns Ep. X, wie Ariadne unter Mondenschein aufgeschreckt vom
Lager zuerst rathlos hin und her eilt am Ufer, Theseus rufend,
wie sie dann auf einen Berg mit wenig Gebüsch und hängendem,
vom Wasser angefressenen Felsslück auf die Spitze hinaufsteigt,
das weite Meer mit ihren Augen ermisst und nachdem alle Worte,
alle Zeichen vergeblich gewesen, weint.
Der Dichter fährt dann fort :
aut ego diöüsis erravi sola capillis
qualis ab Ogygio concita Baccha deo
aut mare prospiciens in saxo frigida sedi
quamque lapis sedes, tarn lapis ipsa fui.
Auch hier wird sie alsBakche charakterisirt, hier sie sitzend
auf Steinsitz , selbst fast zum unbeweglichen Stein geworden,
frostig, weil entblösst in kalter Nacht geschildert. Noch einmal
später nennt sie V. 136 der Dichter haerentem scopulo. Die
ganze Scene wiederholt sich ähnlich bei dem Dichter in den
Fasten (III 459—516), als Ariadne von Bakchos sich verlassen
3*
— 36
und über der irdischen pellex vergessen glaubt, infolge dessen
sie als Libera mit ihm zum Himmel emporsteigt.
Der späteste Dichter des Ariadnemythus Nonnos (XLVII.
295 ff.) lässt Ariadne erwachen als eine övoi/^aoog, liisst sie am
Ufer suchen, klagen wie die Halkyonen, sie scheint eine odvgo-
(.iivrt l4cpQoöizrj, sie ist im Leiden nur noch schöner [cpaeivorigi;
y.cti ev cckyeot' '/.oll jj.iv dvitj dxvv/.i€vi]v "/.öoiu^oe 313. 31 5), sie ist
eine klagende Ariadne [xivvoofievt] 419, xivvorjv dvoeQtoTa MG) .
Für die auf dem Felsen sitzende Ariadne haben wir in
Polygnot den ersten malerischen Darsteller , den wir kennen;
in seiner Nekyia in der Lesche zu Delphi (Paus. X, 29. 2) war
unmittelbar neben der den Strick vergeblich drehenden Gestalt
des Oknos mit dem Esel dargestellt Ariadne : xd&rpat <<£»' ini
7T€TQ(xg, ooä de ig rt)v dÖ£?.(prjv (Dcdögav — auooov(.itvr>v otofxa
iv osiQä — . Die Nähe des Oknos wie dann der hinaus auf die
Schwester, die Nachfolgerin in der Liebe des Theseus und selbst
so unglücklich darin, gerichtete Blick weist uns darauf hin, wie
hier in der Unterwelt Ariadne als die in getäuschter, hoffnungs-
loser Liebe ganz umfangene, versunkene dargestellt war. Die
Schilderung des Catull, sahen wir, bezog sich auf einen Pracht-
teppich mit der Darstellung der auf dem Felsen sitzenden Ariadne
und wies zugleich aber hin auf eine bekannte dem Leser vor
Augen schwebende Statue einer in gleicher Motivirung darge-
stellten Bakchantin. Somit haben wir also aus den literarischen
Quellen nicht allein für die Situationen der schlafenden, sondern
auch der verlassen sitzenden, kummervoll ausschauenden Ariadne
Zeugnisse ihrer malerischen wie plastischen Bildung aus guter
alter Zeil.
Unter den Denkmälern beginnen wir mit jenen 5 Ge-
mälden aus Pompeji, die uns den Uebergangsmoment aus Schlaf
in Erwachen, aus Ruhe in die tiefste Bekümmerniss der Verein-
samung darstellen. DieMotivirun"der Ariadne selbst ist bei aller
Verschiedenheit in den übrigen Theilen des Gemäldes, bei gänz-
licher Einsamkeit, bei Anwesenheit des Eros allein oder mit der als
Hypnos meist gefassten weiblichen Flügelgestalt eine wesentlich
gleiche. Der aufgerichtete Oberkörper durchaus entblösst, der
linke Arm mit der flachen Hand auf die Erde gestemmt, der
rechte Arm meist halb gehoben und den Gewandzipfel ergrei-
fend, doch auch die rechte Hand bis an den Mund gehoben; der
Kopf gehoben und etwas gewendet, das Auge in die Ferne ge-
37
richtet, der Ausdruck des Gesichtes in einem Bild (Bouxu. Barre
Ser. II. t. 109) bis zur äussersten Trauer gesteigert, das Haar
wellig, ja lockig, aber verschiedenartig behandelt, so in ein
Netz gefasst, in kurzen Locken herabfallend, aber auch vollstän-
dig gelöst, herabrollend. In Bezug auf Schmuck, sieht man, hat
mannigfache Freiheit geherrscht; wenn auch ein oder mehrere
Armbänder gewöhnlich sind, so wechseln auch diese, noch we-
niger constant ist der Halsschmuck oder über die Brust uekreuzte
Bänder.
Haben wir in diesen Darstellungen die auf dem Lager eben
sich erhebende, aufsitzende Ariadne mit dem Ausdruck des
schmerzvollen Staunens kennen gelernt, so giebt uns das Salz-
burger Mosaik ein sicheres allerdings spätrömisches Beispiel der
verlassen sitzenden Heroine. Sie sitzt auf einem Felssilz,
das linke Bein über das rechte geschlagen; der linke Arm ruht
auf dem linken Oberschenkel, der rechte Ellenbogen ist gehoben
und die Hand stützt das Kinn des etwas nach links gewende-
ten Gesichtes, also eine sehr den Körper zusammendrängende
Motivirung. Das Gewand deckt nur einen Theil der Beine noch,
fällt aber hinten über eine nicht sichtbare Steinlehne noch von
oben mit einem Zipfel herab. An Ober- und Unterarmen, wie
an den Fussknöcheln fehlt ein Schmuck der Spangen nicht, das
Haar ist bekränzt.
Die bisher bekannten Statuen z.B. die Dresdener Statue
(Hettner n. 386. August. Taf. 17, wahrscheinlich schon abgebil-
det bei Cavalleri ant. stat. urb. Rom t. 50), die in Palazzo Pisani
im Besitz von General Nugent zu Venedig (beschrieben bei
E. Wolff im Bull. 1831. p. 65), die auf der Treppe des Palastes
Giustiniani in Born (Gal. Giust. t. 112; vgl. dazu Braun in Bull,
instit. archeol. 1853. p. 34) zeigen sich durch ihre Colossalität,
durch die ganz gleiche Motivirung, ja endlich auch durch ganz
ähnliche Verstümmelung ajs nahe verwandt , sie führen jeden-
falls auf ein Originalwerk zurück. Die Trefflichkeit der Dres-
dener Statue ist bekannt und wird durch die völlige Ungunst,
mit der Overbeck (die archäol. Samml. d. Univ. Leipzig S. 99)
über sie urtheilt, der sie unter Hadrian hinabschieben will, nicht
geschmälert; die der Venetianer, wie den griechischen Marmor
rühmt der Bildhauer Wolff sehr. Wir sehen in allen eine sitzende
weibliche Gestalt grossartigster Körperbildung vor uns, das
Gewand auf den Schoos herabgesunken und die unteren Theile
38
umhüllend , den einen Zipfel noch um den linken Unterarm ge-
schlagen. Das rechte höher und zugleich zurückgesetzte Bein
giebt der ganzen Gestalt etwas in sich Zurückgezogenes , fast
Stolzes ; es bietet den Stützpunkt für den freilich bei zwei Sta-
tuen ganz neu aber richtig ergänzten rechten Arm, der mit dem
Ellenbogen aufruht und mit der Hand an die Wange reicht. Der
ganze Oberkörper ist nach rechts ein- und etwas vorgebogen ; der
linke Arm hängt leicht gebogen herab, unten ein Stück Gewand
tragend, vielleicht auch einen Gegenstand in der Hand, und be-
rührt so die gehäufte Masse des herabgesunkenen Gewandes am
Oberschenkel. E. Braun (a. a. 0.) will dem linken Arm una
viva azione geben, die entsteht bei dem Anblick eines tragischen
Vorganges, er behauptet, an der Statue Giustiniani Hessen die
über den Rücken hingehenden Falten keinen Zweifel daran.
Aus der Ferne sind wir nicht im Stande, die Richtigkeit der
Bemerkung zu beurtheilen ; aber diese viva azione passt zur
Motivirung des rechten Armes nicht recht. Wenn er dabei die
ganze Benennung als Ariadne in Frage stellt, so kann gegenüber
den innern und äussern Gründen für solche Bezeichnung solcher
allgemein ausgesprochene Zweifel keine Kraft haben. Die antike
Wendung des Hauptes ist nur an der Venetianer Statue noch
unmittelbar erhalten, an den zwei andern Exemplaren ist sie
durch einen modernen Halseinsatz wesentlich modificirt, und
wie jeder Beschauer vor der Dresdener Statue empfinden wird,
über die antike Intention wie die anatomische Anlage hinaus die
Seitenbiegung übertrieben (Hettner a. a.O. S. 89). Mehr einfach
nach vorn gewendet und etwas mehr gesenkt erhält das Haupt
seine richtige Stellung. Die Gesichtsbildung selbst mit dem rund
enganliegenden welligen Haar ist von reifer aphrodisischer
Schönheit, nur mit der die Augen tiefer beschattenden Linie des
Stirnhaares, mit energischerem Kinn ; der Ausdruck im Mund
und Augen ein gemässigter trüber Wehmuth aber edeln Selbst-
gefühls.
Indem wir nun hier schliesslich die Stelle unserer kleinen
Statue im Haag anweisen, können wir uns freuen im Rückblick
auf die ganze Stufenreihe von Ariadnebildungen ihre speci-
fischen Züge im Einzelnen in allen früheren nachweisen zu
können, aber die Verbindung und Gesammtbehandlung in einem
plastischen Werke als eine bisher noch unbekannte neu hinzu-
gewonnen zu haben. Sie ruht sichtlich nicht auf einem Original
39
mit den eben betrachteten Statuen , aber sie stimmt in ihrem
pathetischeren und mehr bakchischen Charakter viel mehr zu
jener von Catull uns gegebenen Schilderung, bei der wir bereits
auf sie direkt hinzuweisen getrieben waren- Sie steht zugleich
der anderen Classe der schlafenden Ariadne näher in dem mehr
Anlehnen auf einen Felsensitz, in der Senkung des Hauptes in
die stützende linke Hand ; auch der rechte gestreckte Arm hat
schwerlich noch ein Stück Gewand getragen , sondern hat wohl
wie willenlos auf dem Schooss oder Schenkel gelegen. Eine
Gewandung hat natürlich den Unterkörper umgeben , ja ich
glaube, dass der Bruch der Statue gerade an dieser Stelle durch
die beginnende Erhöhung des Gewandes mit gegeben war. Welche
Liebe und welcher Jammer ist aber über diesem Antlitz noch
ausgegossen ! In all dieser Beziehung können wir ihr einen indi-
viduelleren Ariadnecharakter noch zuweisen , als jenen gross-
artigeren Statuen.
Ich will zum Schluss noch auf eine Bestätigung dieser Ari-
adneauffassung aufmerksam machen. Es ist eine vonBaoul Boch
(Choix de peint. p. 52) richtig zuerst erkannte Thatsache, dass
ein Hauptmotiv in der Hermaphroditenauffassung, das des schla-
fenden, von lüsternen Satyrn belauschten und entblössten, ganz
und gar der Darstellung der schlafenden Ariadne nachgebildet
ist. Dass die ganz vereinzelte Darstellung der den Bücken keh-
renden, liegenden Ariadne auf dem Belief der Villa di Francia an
diese erinnert, darauf legen wir kein Gewicht, aber man ver-
gleiche nur den geschnittenen Stein bei Müller-Wieseler D. A.
K. II. Taf. 56. n. 715 mit den gewöhnlichen Ariadnebildungen
z. B. Taf. XXXVI. n. 420 oder mit dem Belief in Villa Albani bei
Zoega Bassiril. II. tav. 72. Gleich daneben ist eine antike Paste
der Berliner Sammlung abgebildet n. 714 (Tölken Erklär. Verz.
Kl. III. Ablh. 2. n. 461), die einem florentiner Onyx bei Inghi-
rami (Ser.VI. t.3. n. 1) ganz zu entsprechen scheint. Hier sehen
wir eine weibliche Gestalt gelehnt auf einem Lager sitzend vor
uns, den Kopf zur Linken etwas gewendet und auf den linken
Arm gestützt, dessen Ellenbogen auf einem Pfühl ruht, der rechte
ist zur Seite gesenkt und die Hand berührt gerade das linke Knie;
das Gewand ist ringsum herabgesunken und deckt nur das rechte
Bein und den unteren Theil des linken, um so gerade die männ-
liche Natur des Unterkörpers nicht zu verhüllen. Ein Amor mit
Blattfächer, ein anderer mit Syrinx, ein dritter mit Kithara
40
umgeben ihn. Ueber das Gesicht ist Schwermuth ausgegossen,
ein Versunkensein in Liebe und Unbehagen. Der Oberkörper
und die ganze Motivirung des Kopfes und der Arme entsprechen
durchaus unserem Werke, aber wir erkennen dort sogleich das
Raffinirte der ganzen Position und im Gesichtsausdruck den
gewaltigen Unterschied , dort eine tiefe Erregung einer edeln
durchaus weiblichen Natur, hier das träumerische Unbehagen
eines Androgynen. Die Nachbildung dieser Ariadnedarstellung
auch in den Hermaphroditen ist aber für uns eine interessante
Bestätigung.
Endlich müssen wir hier des merkwürdigen Thonreliefs aus
einem bosporanischen Grab gedenken, das Aschik (Bospor. Alterth.
3 Thl. 1848. Odessa) herausgegeben und Preller in Kiel. Monat-
schr. 1850. S. 276 und Gerhard im Arch. Anz. 1850. S. 198
besprochen ; die auf Felsensitz mit dem Ausdruck der Müdig-
keit sitzende nackte Gestalt, umschlossen von dem Mantel einer
das Haupt auf ihre Schulter legenden Gestalt in bakchischer
Umgebung, ist mit Wahrscheinlichkeit auf Ariadne mit Nyx ge-
deutet, obgleich die Fackel in ihrer Hand für sie nicht Analogien
hat, wenn sie auch ihrem bakchischen Wesen nahe liegt.
§.3. Lehrende Muse.
Taf. IV. Ein Relieffragment.
Das vorliegende Relieffragment griechischen Marmors, 20
Centim. hoch, 17 C. breit, in Villa Hadriani bei Tivoli gefunden
und 1834 in Tivoli erworben, trägt in der zarten und doch so
bestimmten Hebung des Basrelief, in dem einfachen Schwung
der Linien, in der Reinheit und dem Adel der Auffassung des Kör-
pers das volle Gepräge griechischer, ja attischer Kunst an sich.
Eine jugendliche weibliche Gestalt sitzt für den Beschauer von
links nach rechts gewandt ruhig auf einem für uns nicht mehr
näher zu bezeichnenden Sitze mit Lehne, beide Oberarme ähn-
lich anliegend, die blossen Unterarme schräg nach vorn in Thä-
tigkeit gehoben. Ein enganschliessendes Gewand zeichnet falten-
los die Linien der Brust und schliesst sich oben um den Hals:
über den rechten allein sichtbaren Oberarm fällt ein reich gefäl-
teltes Hemd herab, am unteren Ende wenig umgeschlagen, wie
es scheint, gehört es zu dem unter jenem wamsartigen Gewand
erst befindlichen linnenen Chiton. Das Himation fällt hinten an
der Lehne, wie es scheint, herab, und ist reich vorn über den
41
Schoos geschlagen. Von den beiden Beinen ist nur ein Theil der
horizontalen Oberschenkel sichtbar. Auf einem zarten, schlanken
Halse sitzt ein sehr fein profilirter Kopf, wesentlich horizontal
gerichtet, ruhig einen gegenüber sich befindlichen' Gegenstand
anschauend. Die Nasenspitze ist verletzt, seitlich abgestossen.
In der Stirn- und Nasenlinie, dem Augenwinkel, Mund und Kinn
ist der ganze Reiz einer acht griechischen weiblichen , jugend-
lichen Gesichtsbildung ausgeprägt. Das leicht gewellte Haar ist
einfach geordnet; Stirn- und Seitenhaare sind in einen breiten
Streifen zurückgenommen , das Hinterhaar als Wulst hinten
zusammengefasst, sodass der mittlere Theil des Kopfes glatt und
rund sich daraus erhebt. Besonderes Interesse erwecken die beiden
Hände in ihrer Motivirung. Die linke Hand ist steil gehoben mit
gehobenem Daumen und Zeigefinger, die sich aber nicht berühren,
eingebogenen drei anderen Fingern, das Innere dem Beschauer
zukehrend. Die rechte Hand dagegen, leider in ihren Fingern
bereits verstümmelt und auch sonst abgeschabt, mehr schräg
nach vorn gehoben , hat offenbar einen länglichen Gegenstand
umfasst und um den die Finger eingesenkt.
Wird man auf den ersten Anblick auch versucht sein , ein
Grabrelief hierin zu sehen, mit der sitzenden Gestalt der Ster-
benden, der gegenüber der oder die Abschiednehmenden zu
denken seien (vgl. z. B. D. A. K. I. Taf. 29. n. 125. 126), so
muss diese Auffassung doch bei irgend näherem Eingehen vor-
erst zurücktreten. Zunächst ist es schon das ganz herabgesunkene
Himation, dasBedenken erregt, da die Verstorbene sonst wesent-
lich mit dem über das Haupt als Schleier gezogenen und von der
Hand züchtig gefassten oder doch den Oberkörper umhüllenden
Obergewand gebildet wird. Dann aber sind es die Handbewe-
gungen, die von den auf Grabreliefs gewöhnlichen ganz abwei-
chen (man vergl. nur die Zusammenstellung solcher bei Chirac
Mus. de sculpt.II.pl. 152—7161) und uns zu anderer Auffassung
führen. Der Gestus der linken Hand ist der der ruhigen, beleh-
renden, überzeugenden Rede, wie er wesentlich wieder bei Sta-
tuen des Hermes Logios sich findet (z. B. D. A. K. II. Taf. 29. n.318
und der sogenannte Germanicus a. a. 0. 1. T. 50. n.225), auch
bei den in feierlicher Anrufung Gottheilen sich nahenden Personen
(Welcker alte Denkm. Taf. XIII. 25). Mehrfach kommt er z. B.
auf der Atlas- und Hesperidenvase vor (D.A.K.II. Taf. LXIV. 828),
bei Atlas, Hermes, einer stehenden Hesperide mit Kithara, der
_ 42
Eros mit Kranz und Binde zueilt. In der rechten Hand wird man
am ersten eine Rolle, einen runden Stab suchen : an den Griff
eines Spiegels zu denken, verbietet die ganze sonstige Erschei-
nung der weiblichen Gestalt. So wird man unwillkürlich zu dem
Gedanken einer lehrenden Muse oder einer weiblichen, im Sinne
einer Muse gedachten Gestalt geführt, der gegenüber ein hor-
chender, von ihr empfangender Dichter, überhaupt eine männ-
liche Person sich befand, wie Alkäos gegenüber der sitzenden,
in dieMagadis greifenden Sappho auf dem Terracottarelief aus
Smyrna(WelckeralteDenkm.II.Taf.XH. 20); auch ohne Kithara
erscheint, nur mit der Rolle, Sappho auf einem von de Witte
(Gabin. Durand p. 160) beschriebenen Vasenbild der Sammlung
Middleton. Die neuste hierher gehörige Publikation eines Terra-
cottareliefs in den Annali 1858. tav. d'agg. 0 mit Text von Welcker
p. 42. 43 zeigt uns die Dichterin y.cct s^oxrjv, d. i. Sappho sitzend
auf Fels mit herabgesunkenem Gewand, zurückgebeugtem Haupt.
Ihre Linke hält die /ndyadig ganz im Motiv der Linken unseres
Reliefs, die Rechte ist zur Seite herabgesunken. Unter den Mu-
sen wird es sich etwa um Mvrjf.ii] oder Kleio oder Kalliope
handeln. Wichtig ist die volle Entblössung der Unterarme ja über
den Ellenbogen hinaus, die mit Ausnahme der Melpomene allen
Musen eigen ist, bei einzelnen auch zur Aermellosigkeit sich
steigert. Ganz unserem Denkmal ähnlich ist eine als Mnemosyne
bezeichnete Statue aus dem Palast Giustiniani bei Clarac Mus.
de sculpt.III.pl. 497. n. 971. Die gleiche redende Bewegung der
Finger der einen Hand finden wir bei anderen Musenstatuen, so
bei Clarac III. pl. 534. n. 1 122, aber wir legen wegen der Unsicher-
heit in der Ergänzung der Hände darauf kein Gewicht. Jedoch
ziehen wir es entschieden vor, hier eine nur im Charakter der
lehrenden Muse bestimmte Persönlichkeit zu sehen, die mit einer
andern ihr gegenübergestellten, etwa auf einem Stab gestützten
Persönlichkeit in lebendiger, zunächst von ihr ausgehender Rede
begriffen ist. Und dies würde schliesslich die Möglichkeit, das
Ganze als Grabrelief zu betrachten, nicht ausschliessen, wenn
auch die Motivirung von den gewöhnlichen durchaus abweicht.
Wir besitzen hierzu ein schlagendes Beispiel in dem Grabrelief
der Claudia Italia, das ihr Gemahl Hermias ihr geweiht, aus
Villa Albani nach Paris gekommen (Winkelmann Mon. ined. n.1 87,
Clarac Mus. de sculpt. II. pl. 147. n. 330): hier sitzt eine weib-
liche Gestalt auf dem Thronsitz mit einer Rolle in der gehobenen
• 43
Rechten und die Inschrift nennt sie : näorjg /nevexovaa (xov-
oiY.rjg.
§ 4. Eros mit Vogel. 4
Taf. V. Relieffragment. Rr. 19 Centim., Höhe \\ Centim.
Während uns das eben betrachtete Relief in Stil und Ge-
genstand ganz in eine acht griechische Zeit, ja in attische Kunst
zurückversetzt, weht uns aus dem hier publicirten Relieffrag-
ment desselben Fundortes ein ganz anderer Geist an , der Geist
alexandrinisch-römischer Periode, gegenüber dem Ernst und
der feinen Reseelung edler ruhiger Formen ein geistvolles, le-
bendiges Spiel mit mythologischen Gedanken , dabei eine ge-
wandte, in kräftigen Rewegungen, flüssigen, allgemein bekann-
ten Formen, frei sich ergehende Technik.
Wir sehen den Oberkörper eines geflügelten Knaben vor
uns, der in grosser Rreitenentwickelung sehr geschickt in jener
zum Hautrelief bereits überführenden Gattung des Rasreliefs be-
handelt ist, wie sie in den Werken der jüngeren attischen Kunst
zuerst zur Geltung kommt. In lebendiger Rewegung strebt der
ganz en face sich zeigende Körper schräg von der rechten zur
linken Seite; der rechte Oberarm ist gesenkt, der linke schräg
gehoben und daher auch die linke Rrustseite in vollster Muskel-
anspannung. Der Kopf, an dessen hinteren Theil die linke Hand
gelegt ist, sodass durch den linken Arm ein spitzer Winkel ge-
bildet ist, wendet sich rückwärts nach einem Gegenstand, der
auf der rechten Hand ruht, die bis zur Höhe der Schulter etwa
gehoben ist, sodass ein ähnlicher nur entgegengesetzt liegender
Winkel durch den Ellenbogen hier, wie am linken Arm gebildet
wird. Dieser ziemlich grosse Gegenstand mag für den ersten
flüchtigen Anblick als eine Schaale erscheinen, wie der Besitzer
selbst in einer schriftlichen Notiz sich geäussert hat, jedoch dies
ergiebt sich bei irgend näherer Betrachtung als durchaus falsch.
Der flache Theil der scheinbaren Schale ist eine durch Abschlagen
eines oberen Theiles entstandene Fläche, dagegen nur erhalten
der untere geschütztere Theil , um den die Finger sich legen.
Dieser ist nichts weniger als gleichmässig und glatt als Aussen-
seite einer Schale gebildet, im Gegentheil absichtlich mehr
schuppig und giebt in seiner Gestalt sehr bestimmte Anhalte-
punkte für eine richtigere Auffassung; ich mache auf den hals-
artiüen selbständiueu Ansatz, dem Knaben zugekehrt, auf die
44
breiteren volleren Theile der Mitte, dann wieder auf die ent-
schiedenere, ein Hinterlheil einleitende Einbiegung aufmerksam.
Kurz, wir haben hier den unteren Theii eines grossen, hühner-
artigen, oder Wasservogels, der in der Hand des Knaben gehal-
ten wird. Wer eine monumentale Bestätigung wünscht für dies in
hohler Hand Tragen eines Vogels, den verweise ich auf das
Relief bei Clarac Mus. de sculpt. XII. pl. 199. n. 4, wo ein Mann
genau mit derselben Handbewegung einen Vogel vor einem Altar
einer Gottheit darbringt. Nun wird die ganze Situation scharf und
klar: der auf der Hand des idealen Kindes sitzende, verhältniss-
mässig grosse Vogel ist, wahrscheinlich geneckt, dem Kleinen so
zu sagen auf den Leib gerückt; in grössterEile wendet sich der
Körper von der gefährdeten Seite ab, wie der Körper des Lao-
koon dem drohenden Schlangenstich zu entgehen sucht; der
linke Arm ist unwillkürlich an den Kopf gefahren, ein bei den
Griechen sehr treffend und sicher angewendetes Motiv der Hef-
tigkeit, wie der Schlauheit, die rasch sich fasst, so bei Kronos
(Miliin G. M. I. I., Müller-Wieseler D. A. K. II. Taf. LXII. 804,
Tölken Erkl. III. 1 . n. 6. 7), so bei den in die Muschel stossen-
den Tritonen, heftig blasenden Windgöttern (Mon. ann. bull. inst,
archeol. 1855. t. VIII. IX.), endlich bei forteilenden Gestalten,
soder vor Tityos fluchtenden Leto (D. A. K. II. Taf. XIII. 214b.).
Und wie ist in dem zurückgewendeten Kindergesicht in treff-
lichster Weise die Mischung von Besorgniss und Neckerei, die
weiss, dass es nicht so gefährlich ist, gemischt! So ist von dem
Künstler ein reizendes Wechselspiel in der ganzen Situation
ausgedrückt; der Moment der Angst, des Fliehens wird rasch
genug der erneuten liebkosenden Neckerei folgen.
Dass wir den geflügelten Knaben Eros zu nennen haben,
liegt im allgemeinen Habitus hinlänglich begründet. Der Kopf,
mit seinem das Gesicht umgebenden Lockenbausch , den über
der Stirn aufsteigenden Locken, wie dem Haarknoten im Nacken,
dem Kindesprofil, wie dem keck und heiter geöffneten Auge, dem
Zu° um Wange und Mundwinkel , der nackte Körper, die wohl
ausgeführten, gehobenen Flügel zeichnen ihn uns sehr indivi-
duell. Und doch haben wir in dem ganzen Hergang zunächst nur
ein einfaches , dem Kinderleben entnommenes Spiel, dass aber
schliesslich der tieferen Bedeutung des Eros nicht fremd ist.
Durch K. F. Hermann in der Abhandlung : der Knabe mit dem
Vogel. Göttingen 1847 und durch 0. Jahn in den Berichten der
45
K. S. Ges. d. W. hist.-philol. Gl. 1848. S.41— 52 ist die reiche
Zahl hierher gehöriger Denkmäler wissenschaftlich zusammen-
gestellt und besprochen worden (man vergl. auch die grosse
Reihe bei Clarac Mus. de sculpt. pl. 894. C. 876. 877. A. 898),
ebenso die erotische Beziehung der dabei beliebten Vogelgattun-
gen, besonders der Wasservögel, Gans oder Ente, dass ich ein-
fach auf sie hier verweisen kann. In dem Text zu Raoul Roch.
Choix de peint. p. 134 ist neuerdings die Gruppe von einem
Knaben und Mädchen, als Eros und Psyche wohl zu bezeichnen,
publicirt. Das Mädchen im langen Aermelchiton hält vor sich
mit beiden Händen einen langhalsigen Wasservogel, nach dessen
Schnabel spielend und neckend die linke Hand des Knaben greift,
während die Rechte vertraulich auf der Schulter des Mädchens
ruht. Wie gern dieses Motiv zu Grabreliefs für geliebte Knaben
verwendet ward, zeigt auch ein ausLilaea neuerdings nach Athen
gekommenes Denkmal (Bull. inst, archeol. 1858. p. 109). Unser
Relief bietet aber eine mir wenigstens durch sonstige Denkmäler
noch nicht bekannte glückliche Steigerung des Spieles mit dem
Vouel , wie es in dem Reizen des Thieres durch Entgegenhalten
des Fingers zum Picken und Anbeissen in Bronze und Marmor
mehrfach bekannt ist (Jahn a.a.O. S. 49 f. dazu die Tafeln).
Der neckische, lebendige, vor Schmerz heftig zurückschauernde
Charakter des Eros wandelt gleichsam die idyllische Situation
in eine dramatische Scene um.
10. MÄRZ.
Von Herrn Stark wurde folgender Aufsatz über unedirte Ve-
nusstatuen und das Venusideal seit Praxiteles vorgelegt1).
Während die oberflächliche Betrachtungsweise unserer mo-
dernen Gesellschaft wesentlich nur insoweit an einem Kunst-
werke Interesse findet, als dieses durch Neuheit oder die zeit-
gemässen Bezüge des Gegenstandes sich bemerklich macht und
man zu einer ruhigen, eingehenden Würdigung der eigentlich
künstlerischen Behandlung gar nicht gelangt, so besitzt die an-
tike Kunstwelt darin gerade für den ernsten geübten Beobachter
einen so unvergänglichen Reiz , dass der Ideenkreis derselben
sehr umschränkt und verhältnissmässig leicht überschaubar sich
zeigt, aber in demselben alle Richtungen künstlerischer Motivi-
rung durchgebildet sind und hier der Betrachtung eine immer
neue Welt, immer neue und eigenthümliche Variationen Eines
Grundthemas geboten werden. Wir sehen an der Darstellung
derselben Grundideen, wie sie die griechische Götter- und He-
roenwelt enthält, Jahrhunderte hindurch die bedeutendsten
Künstler der verschiedensten Kunstschulen arbeiten. Ist es nun
auch wesentlich Eine künstlerische Persönlichkeit, durch die
endlich das Bild der Idee, das Ideal mustergültig festgestellt
wird, deren Name mit diesem Ideal daher unauflöslich verbun-
den erscheint, so lähmt dieses die Lust und Kraft folgender
1) Die vorliegende Abhandlung war zunächst veranlasst von Seiten des
archäologischen Instituts in Rom, dem drei Zeichnungen von den fünf hier-
bei publicirten verdankt werden. Sie war als einfache Erklärung derselben
vor 2 Jahren vollendet, aber die römische Censur machte die Publikation
von entblössten Venusstatuen in den Schriften des Instituts unmöglich. Aus
jener schon länger ruhenden Grundlage ist diese nun weit umfassendere
Abhandlung erwachsen, die wenigstens den Gewinn ganz erneuerter Be-
trachtung eines schon einmal in engeren Gränzen durchgearbeiteten Gegen-
standes hat.
47
Künstler noch nicht im Mindesten sich auf diesem Gebiete zu
versuchen; nein, freudig wird nun das einmal Gelungene über-
nommen , aber mit freiem Sinne in dem engeren Bereiche die
so vorgebildete Kunstidee immer von neuen Gesichtspunkten
beschaut und verkörpert.
Bei der Lückenhaftigkeit und vielfachen Unbestimmtheit
unserer historischen Nachrichten sind wir allerdings meist nicht
im Stande diese verschiedenen Auffassungen mit Sicherheit be-
stimmten Künstlern zuzuschreiben, aber die Denkmälerkunde
kann und muss überhaupt den Stoff für die kunsthistorische
Fragstellung vorbereiten , sie muss die uns erhaltenen Objekte
scharf nach allen Gesichtspunkten betrachten und so Gruppen
von Denkmälern herausfinden, die nähere oder entferntere Ver-
wandtschaft und Abhängigkeit von einander bestimmen. Auf
solcher Grundlage wird es dann leichter werden den kunsthisto-
rischeu Faden, der durch sie durchläuft, aufzufinden.
Wenn irgend von einem Kunstideal , so gilt dies von dem
der Venus; giebt es doch keine Göttergestalt, die in der jünge-
ren griechischen und in der römischen Zeit — und an diese sind
wir mit den erhaltenen Kunstwerken zum weitaus grösslen
Theile gewiesen — eine gleich grosse Verbreitung und bis in
das Raffinirteste gehende Durchbildung erfahren hätte. Trotz der
überaus grossen Zahl der ihr angehörigen statuarischen Werke
und der grossen Berühmtheit einiger derselben eröffnet doch
jeder neue Zuwachs neue Bezüge und fordert zur wiederholten
Prüfung und Sichtung des vorhandenen Reichthums auf, der
selbst dadurch erst recht zum wissenschaftlichen Bewusstsein
gelangt. Indem ich im Folgenden eine Reihe von vergleichenden
Betrachtungen an die Veröffentlichung mehrerer, noch gar nicht
oder nur ungenügend bekannt gemachter Statuen anknüpfe,
wird die Behandlung dem 'oben Ausgesprochenen gemäss vor
allem darauf zu zielen haben die Stellung dieser Denkmäler in
bestimmten Kreisen von Venusstatuen "enau zu bezeichnen und
dadurch schliesslich auch diese als Stufen der historischen Ent-
wicklung des Venusideals schärfer nachzuweisen. Wir werden
uns dabei neben den Müll er -Wie sei ersehen Denkmälern der
alten Kunst I. Taf. 35. 40. 50. II. T. 24 — 27 vor allem auf die
reichste Zusammenstellung von Venusstatuen beziehen, die in
Clarac Musee de sculptureantique et moderne. T. III. pl. 39-45;
48
T. IV. pl. 591—634. D. Texte p. 68—142 in buntester Reihen-
folge uns vorgeführt ist. Immer noch entbehren wir einer um-
fassenden und künstlerisch wie literarhistorisch eingehenden
Arbeit über das Venusideal; der letzte derartige Versuch ist
von Heyne in seinen Antiquar. Aufsätzen I, S. 115 ff. gemacht,
angegriffen von Voss mythol. Briefe I, S. 237 ff. 265 ff., aber
gerade da dringend der Wunsch einer auf vergleichender An-
schauung möglichst aller bekannten Venusdarstellungen begrün-
deten Behandlung ausgesprochen worden. Die so verdienstliche
Abhandlung von Gerhard über Venus-Proserpina (Hyperbor.
röm. Stud. II, S. 118 ff.) und über Venusidole (Abhdlg. d.
Berl. Akad. d. W. hist.-philol. Kl. 1843. S. 317 ff.) beschäf-
tigt sich ausdrücklich nur mit den bekleideten Cultusbildern
derselben. Dieweitschichligen Recherches sur le culte, les sym-
boles, les attributs et les monumens figures de Venus en Orient
et en Occident par Mr. Felix L aj a rd. 1 837—1 848. 248 S. in 4°
und Atlas von 40 Blättern geben uns allerdings einzelne interes-
sante neue Münztypen und kleinere Figuren , sind aber für die
archäologische Behandlung im Text ganz unfruchtbar. Die best-
geordnete und reichhaltigste Uebersicht enthält der betreffende
Artikel in Müllers Handb. d. Archäol. III. Aufl. S. 576 ff., ne-
ben dem man auch Prell ers kurze Darstellung in der griech.
Mythol. I, S. 234 — 36 gern vergleicht, während der in Paulys
Realencyclopädie Th. VI. S. 2459 ff. archäologisch sehr unge-
nügend gearbeitet ist. Die in Italien vorhandenen Hauptstatuen
der Venus behandelt mit feinem Sinn Burckhardt in seinem
Cicerone S. 448 — 454. Für die Darstellungen auf Münzen ist der
Artikel bei Rasche (Lexic. univ. r. numm. T. V.2. p. 822 — 922)
ebenso reichhaltig, als wenig übersichtlich.
I. Venus mit dem Seeungeheuer.
Die Venusbildung von Praxiteles zu Kleomenes.
Ich beginne mit der Marmorstatue einer nackten
Venus (Tafel VI), über Lebensgrösse, die früher im Besitze des
Principe di Salerno sich befand. Ueber die Ergänzungen ist mir
leider nichts Näheres bekannt, doch macht kein Theil der Ex-
tremitäten der Hauptmasse gegenüber einen störenden Eindruck
der Incongruenz. Der Kopf des daneben befindlichen Thieres
wird modern sein, aber bedingt durch die mit dem Rumpfe des
49
Thieres so nahe verbundenen Füsse. Wir haben eine Venusgestalt
vor uns, die auf den ersten Anblick als eine der mediceischen des
Kleomenes von Athen verwandte sich kundgiebt. Sie ist völlig
unbekleidet, auch jede Andeutung eines abgelegten Gewandes
ist geschwunden. Den Stutzpunkt derselben bildet wesentlich
der linke völlig platt aufgesetzte Fuss, so dass das linke Bein als
das straff angestemmte auch eine nur leicht wellenförmig gebo-
gene, wesentlich gerade Linie bildet, während das rechte mit
seinen geschwungenen grossen Biegungen in einem vollen Ge-
gensatze dazu steht. Das rechte Knie ist etwas voraus an das
linke Knie angeschoben, so dass der rechte Oberschenkel den
Schooss gleichsam verschliesst. Der rechte Fuss berührt nur
mit den Zehen und Vorderballen leicht den Boden. Die Linien,
welche von den Weichen zu den Oberschenkeln führen , sind
weich und wohlgeschwungen. Der leicht eingezogene Unterleib
macht wie der ganze Oberkörper den Eindruck einer reifen
Frauennatur. Auch die runden, verbältnissmässig vollen Brüste
stimmen damit, sowie die starke Bildung des Halses. Der linke
Arm , in der Kugel beweglich hängend ist frei gesenkt , um die
Scham zu decken; der rechte Oberarm schliesst sich dagegen
eng an den Oberkörper an, während der gehobene Unterarm die
ganze linke Brust deckt. Die vom Halse über die Schultern gehen-
den Linien zeigen eine entschieden kräftigere und breitere Schul-
terbildung als die mediceische Venus. Der Kopf, der ein Achtel
der ganzen Höhe der Statue bildet, ist stark nach der linken
Seile gewendet, so dass das Profil mit der linken Schulter und
Arm wesentlich in einer Fläche liegt. Durch diese Biegung ist
natürlich die rechte Halsseite sehr in Spannung versetzt. Das
Gesicht ist ein durchaus ideales, in grösseren Formen gebildet,
■als das der mediceischen. Das Auge ist gesenkt, aber voll ge-
öffnet; der leicht geöffnete Mund, das Kinn zeigt nichts von dem
verführerischen Lächeln oder dem Grübchen der Mediceerin, der
Gesammtausdruck ist ein ernster. Sehen wir uns die Haarbil-
dung etwas näher an , so ist hier Viererlei zu beachten : die
vorderen das Gesicht umgebenden Haare sind stark gewellt zu-
rückgewandt und im Nacken in eine volle Masse vereinigt, welche
breit auf den Rücken herabfällt ; die Vorderhaare unmittelbar
über der Stirn sind aber auf dem Scheitel des Hauptes zu einem
Krobylos aufgebunden , während die übrigen Haupthaare fest
anliegen und am Hinterkopf in ein Nest oder Haarwulst zusam-
4 860. i
50
mengefasst sind. Von einem Schmucke an irgend einem Theile
des Körpers findet sich keine Spur.
Ueberblicken wir noch einmal die ganze Statue , so wird
die Gesammthaltung als eine strengere einheitlichere gegenüber
der mediceischen Venus sich kund geben. Welches raffinirle
Spiel der Bewegung, Drehung, Biegung ist dort von dem Fuss
bis zum Scheitel ausgeprägt, besonders in dem Verhältniss von
Unter- und Oberkörper ! Wir werden unserer Statue gegenüber
ihrer Gesammthaltung und Körperbildung nach vielmehr an die
capitolinische Venus erinnert.
Noch bleibt uns das an die linke Seite sich eng anschlies-
sende Thier zu besprechen: es ist eine in einen Fischschweif
endende Eidechsennatur mit einem aufwärts zur Göttin sich
wendenden Kopf. Auf einer der Windungen sitzt ein kleiner
Eros von der Seite, nicht rittlings, und schaut ebenfalls zur
Herrin empor. Die ganze Bewegung des Thieres zeigt uns das
in der unmittelbaren Nähe der allmächtigen Herrin sich schmei-
chelnd anschmiegende, friedlich sich biegende Wasserunge-
heuer.
Somit haben wir zunächst uns einfach das Angeschaute
klar zu machen gesucht: der Vergleich mit der mediceischen
Venus als der weitaus bekanntesten in dieser Classe von Venus-
statuen sollte uns nur die einzelnen Motive genauer veranschau-
lichen. Gehen wir nun auf eine Classificirung aus , so werden
dabei folgende Gesichtspunkte in Betracht kommen : völlige
Nacktheit, Motivirung der Arme und Hände, sowie der unteren
Extremitäten, Haltung des Oberkörpers, Stellung des Kopfes,
Form und Ausdruck des Gesichtes, Haarbehandlung, sonstiger
Schmuck, das Thierattribut nach Stellung, Gattung und Art,
Zuthat und Situation der Eroten und sonstige Zugaben.
Offenbar ist bei unserer Statue, sowie der ganzen Beihe,
in welche sie eintritt, das Grundmotiv jener unmittelbare Aus-
druck der Weiblichkeit, die in dem Moment, wo sie in voller
un verhüllter Schöne {nav xb -/.dXlog avrrjg a/.aXvn%ov ovöe-
/.näg eo&fJTOS ö-^ntjovor^ y€yvf.iviotai Luc. Amor. 13) sich
zeigt, sich beschaut fühlt, unwillkürlich sich in sich zurückzieht,
leicht sich zusammenbiegt, mit dem vorgeschobenen, gebogenen
einen Bein, mit der Hand das Heiligthum ihres Leibes deckt
(ipsa Venus, quoties velamina ponil, protegitur laeva semire-
ducta manu, Ovid. Art. Am. IL 613. 14) und so gleichsam als
51
eine eben geöffnete und doch bei leichtester Berührung sieh
wieder schliessende Blülhe erscheint. Der Moment selbst war
durch die Beziehung zum Wasserleben, zu dem Element, dem
die Göttin zuert entstiegen, dem sie im Bade immer von Neuem
sich anvertraut, gegeben. Dieses Motiv der griechischen Kunst,
der Kunstwelt überhaupt geschenkt zu haben , ist das unver-
gängliche Verdienst des Praxiteles2). Leider sind wir nur
durch eine einzige Stelle von der Venus nuda des Skopas un-
terrichtet, die in Rom im Tempel des Brutus Cailaecus d. h. des
Mars (gestiftet 132 v. Chr. von D. Jun. Brutus) aufgestellt war
und die der Praxitelischen an Zeit vorausging, jeden andern Ort
berühmt gemacht haben würde, in Rom bei der Fülle der Werke
und bei dem Drängen und Treiben des Geschäftslebens weniger
beobachtet wurde (Plin. XXXVI. 26). Wir haben aber in der
Art, wie über das Werk des Praxiteles berichtet wird, wohl
einen sichern Beweis, dass sein Motiv nicht schon von Skopas
vorweg genommen sein kann und dass wir bei diesem dem Ge-
wand noch einen grössern Antheil an der Gestalt zuschreiben
müssen. Dazu kommt, dass es ein Tempel des Mars ist, in dem
diese Statue geweiht war. Dürfen wir daraus nicht vielleicht
entnehmen, dass wir sie als Hqela, als siegreiche gegenüber
und in Beziehung zu dem sitzenden, von Liebe, wie der Mars
Ludovici, besiegten Ares, den ja auch Skopas gefertigt und mit
dem sie sichtlich zusammen nach Rom gebracht war, gebildet
zu denken haben? Und wohl konnte man jene Entblössung, wie
sie in der Aphrodite von Melos gegeben ist, als ein neues Motiv
des Skopas betrachten, während die Aphrodite Urania eines
Phidias nur vollbekleidet zu denken ist. Ueber eine dritte Ve-
nusstatue, die Plinius als ebenbürtig daneben anführt als anti-
quorum digna fama , die in Rom im Friedenstempel vor Vespa-
sian geweiht war, wissen wir nichts Nähees; es geht nur aus der
Stelle bei Plinius hervor v dass er bei ihr zwischen Praxiteles
und Skopas zunächst geschwankt hat. Doch zurück zur Praxi-
telischen Bildung. Noch war mit ihr nicht zugleich die völlige
Beziehungslosigkeit zu aller Gewandung gegeben, nein wir wis-
sen vielmehr aus den Knidischen Münzen (Müller D. A. K. 1. T. 35.
2) Brunn Gesch. d. gr. Künstler I. S. 346. 349 ff. ; Friederichs Praxi-
teles u. die Niobegruppe S. 28 ff., dagegen Brunn im Rhein. Mus. f. Piniol.
N. F. XI. S. 167 ff., Overbeck Gesch. d. gr. Plast. II, S. 27 ff.
4*
52
n. 146 ab), wie, wahrend die rechte Hand die Scham deckt
(ttItjv oocc xjj etSQCc x€lQl try alöai lelri&ötojg imxQinrsiv
Luc. Am. 13), die linke das auf das Gefäss niedergefallene Ge-
wand am Zipfel noch emporhebt. Also hier haben wir die cor-
respondirende Bewegung beider Arme, die Deckung der Brüste,
überhaupt dieses völlige sich Erschliessen und wieder Zusam-
menziehen noch nicht, sondern noch die unmittelbare Beziehung
zu dem nicht mehr umhüllenden Schutzmittel. Auch der Bewe-
gung der Arme gemäss und gemäss der Stellung des Gelasses
mit dem Gewände ist der linke Fuss gehoben , der rechte ge-
senkt. Wir können jetzt auf eine nicht kleine Zahl von Copieen
dieser Knidischen Aphrodite im Vatikan (Clarac n. 1366, Müller
D. A. K. I. T. XXXV. 146 f. , in Villa Torlonia (Clarac pl. 616.
n. 1366c), auf die Kolossalstalue in Villa Ludovisi (Beschreib.
Borns III. 12. S. 588), auf sehr beschädigte und restaurirte Sta-
tuen im Vatikan (Loggia scoperta s. Beschreib. Borns II. 2. S.194)
und im Palast Valentini zu Born (a. a. 0. III. 3. S. 156), eine
treffliche in München (Clarac pl. 618. n. 1377), sowie eine ganz
übereinstimmende Terracotta aus Tarsos (Barker Lares and Pe-
nates p. 193) hinweisen. Eine vielfach res«aurirte Statue in Nea-
pel (Clarac pl. 606. B. n. 1343 c) hebt mit der Linken das Ge-
wand nicht von einem Gefäss, sondern von dem Stützpunkt eines
Delphins ab, also eine Verbindung des praxitelischen Motivs mit
einer Jüngern Bildung.
Von dieser einzig berühmten Bildung des Praxiteles aus
können wir zwei Wege der Fortbildung in einer grossen Beihe
ausgezeichneter Statuen verfolgen ; der eine ist der der stärkeren
Betonung des Verhältnisses zum Gewand, der andere der
gänzlichen Ablösung dieses Verhältnisses aus dem Grundmo-
tiv. Wir müssen sagen, diese zweite Bichtung ist wie die zahl-
reicher verfolgte, so auch die der mit jenen Grundgedanken ge-
gebenen Stimmung entsprechendere. Die erstere hat aber unter
der Hand trefflicher Künstler eine grosse Zahl neuer und anzie-
hender Motive entwickelt. Bald wird nur ein Zipfel des auf
einem Gefäss oder Kästchen ruhenden Gewandes von der linken
die Scham deckenden Hand herübergezogen, so in der durch
die im Palast Chigi befindlichen Nachbildung des Menophantos
uns bekannten Aphrodite ev TqcoccÖi (Müller D.A.K. II. n. 275;
Ilandb. d. Archäol. S. 580, Welcker Alte Denkm. I, S. 447 — 48,
Brunn Gesch. d. griech. Künstler 1, S. 610), von der ein zweites
53
Beispiel uns noch in Paris (Mus. Napol. \ t. 57; Visconti Op.
var. IV. p. 487), ein drittes im Vatikan begegnet (Clarac pl. 613.
n 13G8). Unter Troas ist hier mit Plinius (H. N. V. 33) Alexan-
dria in Troas zu verstehen, welches durch ovvoi/.iO(.iög der Um-
gegend durch Antisonos gegründet ward als Antigonia , dann
Alexandria umgenannt und von Lysimachos ausserordentlich ge-
fördert wurde, später wird es eine änoi/.ia cPtof.ialcov und gehört
zu den ilkoyi(.iot nöleig (Strabo XIII. I, vgl. dazu Zumpt Com-
ment. epigr. I. p. 378). Dass Aphrodite , die Hauptgöttin des
troischen Stammes in der neuen Gründung neben dem durch
die Münzreihen als Hauptgott erwiesenen Apollo Smintheus vor
allem verehrt ward , ihre-Statue von ausgezeichneter Künstler-
hand gefertigt dort unter Antigonos oder Lysimachos aufgestellt,
in Rom , das die Verwandtschaft mit Troas so lebhaft betonte,
nachgebildet ward , das ist sehr natürlich wenn auch nicht im
Einzelnen näher nachweisbar. Wir haben damit aber für die
Zeitbestimmung dieser Bildung, welche im Anfang der Kaiserszeit
eine berühmte, ausdrücklich nachgeahmte war, ungefähre Grän-
zen, zwischen Ol. 116 — 124: also jedenfalls gehört sie den er-
sten 50 Jahren nach der Aufstellung der Knidischen Venus.
Mustern wir weiter diese Motive, so umschliesst bald das Ge-
wand in einem offenen, fast gebauschten Bogen die Beine und wird
von der Hand über der Scham festgehalten, so in der trefflichen
Syrakusaner Statue (Clarac pl. 608. n. 1844 vgl. dazu Parthey
Wander. durch Sicilien I, S. 177) und mehreren ihr darin völ-
lig entsprechenden Exemplaren z. B. in Neapel (Clarac pl. 632. G.
D.4374A), weniger die in Villa Albani (a.a.O. n. 1374); dagegen
eine treffliche kleine Wiederholung im Braccio nuovo im Vatikan
Beschreib. Roms II. 2. S. 93) ; auf eine vor dem Braccio nuovo
macht aufmerksam Welcker Rhein. Mus. IX. S. 283, die wohl
identisch mit der weniger guten im Vatikan, die berührt ist in
der Beschreib. Roms II. 2. S. 252 ; auch der Unterkörper der Sta-
tue im Mus.Chiaramonti bei Clarac pl. 610. n. 1355 gehört hier-
her. Bald bleibt der eine Schenkel noch völlig entblösst , wäh-
rend über den anderen das Gewand herabfällt, so in einem Torso
des Museums zu Leyden (Janssen griechische etc. monum. n. 91),
ebenfalls einem Torso des Vatikan (Beschreib. Roms II. 2. S. 3).
so in einer Statue der Villa Albani (a.a.O. III- 2. S. 477), so in
einer Statue der Sammlung Torlonia (Clarac pl. 601. n.1332C),
deren rechte Hand vor die Scham den einen Zipfel hält, während
54
der andere über den Unterarm gefallen ist, so in einer kleinen
im Piräus gefundenen Marmorstatue, im Besitz von Rangabe,
wo der andere frei herabhängende Theil des Gewandes Schleier-
artig hochgezogen scheint (Annal. Instit. archeol.XXI. tav. d'agg.
L. p. 165. 169). Das Gewand schliesst sich enger an den Kör-
per an und umgiebt ihn bis an die Oberschenkel in reichen Fal-
ten, so in einer Neapolitaner Statue (Clarac pl. 614. n. 1360),
einer Oxforder (Clarac pl. 631. D. n. 1392. D). so noch in drei
anderen Beispielen , aus Sammlung Giustiniani , aus Venedig
und Dresden, (Clarac pl. 606. n. 1336. 1337.1338}. Auch dieses
Motiv wird umgestaltet, indem der eine Zipfel des Gewandes
von der einen Hand gehalten wird, 60 dass das Gewand sich
öffnet, oder selbst in die Höhe geführt wird, so in einer Statue
im Museo Chiaramonti (Clarac pl. 614. n. 1361), in einer Statue
einst im Besitz von Camuccini (Clarac pl. 614. n. 1363). Ja
endlich hängt das Gewand nur shawlartig mit den Zipfeln über
den Armen und lässt die Vorderseite des Körpers gänzlich un-
bedeckt, so in zwei Florentiner Statuen (Clarac pl. 597. n. 1305
und pl. 606. n. 1335). Im vollsten Gegensatz zu den bisherigen
Motiven wird endlich das Gewand oder Badetuch durch die zu-
sammengeneigten Kniee zwischen den Beinen festgehalten und
die Hände haben selbst gar keine Beziehungen mehr zu ihm, so
in zwei oder drei Statuen , einer im brittischen Museum , und
einer pompejanischen , der eine Zeichnung Millins, die sonst als
drittes Exemplar gelten müsste, wahrscheinlich identisch ist
(Clarac pl. 625. n. 1403.1 404, Overbeck Pompeji S.370. S.259 b).
Bei einem Ueberblick über diese überraschend mannigfal-
tige Reihe, deren Detail wir hier nicht weiter verfolgen wollen,
werden folgende Bemerkungen sich unmittelbar aufdrängen :
das Hauptmotiv der Praxitelischen Aphrodite, die Deckung der
Scham durch die rechte Hand, wechselt hier zwischen der rech-
ten und linken Hand; das andere Hauptmotiv der Medicei-
schen Venus, überhaupt nachpraxitelischer Bildung, die leichte
Deckung der Brüste, begegnet uns grossentheils auch in diesen
Statuen , vor allem schon in der von Troas ; ferner die Kopfbe-
wegung, Haarbehandlung, die Schmucksachen, Thier- und son-
stigen Attribute, auch die beigefügten Eroten zeigen wesentlich
dieselben Formen , als diese an den ganz entkleideten Statuen
uns entgegentreten werden, ja in der Auffassung der meist ab-
sichtlich mehr öffnenden, als deckenden Gewandung zeigt sich
55
ein sehr freies, ja sehr raffinirtes Spiel des Künstlergeistes, der
über das Gewand nach ästhetischen Gesichtspunkten frei schal-
tet. Niemand wird bei solchem Ueberblick daran denken kön-
nen, das Grundmotiv dieser Statuen über Praxiteles hinauf einer
keuscheren, strengeren Auffassung zuschreiben zu wollen.
Wenden wir uns zu der andern Entwickelung, welche von
der Praxitelischen Aphrodite zur gänzlichen Entfernung aller
Gewandbeziebung führt, so haben wir sichtlich die erste wich-
tige, auch im Alterthum in hoher Geltung stehende Weiterbil-
dung in der Ca pitol ini seh en Venus. Allerdings könnte man
noch eine nähere Zwischenstufe in einer kolossalen Statue* der
Sammlung Torlonia finden (Clarac pl. 616. n. 1366 A), an wel-
cher der linke Arm, der dort bei der Knidischen den Gewand-
zipfel emporhebt, sich hier auf das über einer festen Unterlage
niedergelegte Gewand stützt , woneben das Badegefäss steht,
der rechte den Schooss deckt; jedoch sind die Beigaben hier
vollständig modern und in der entschiedenen Richtung der gan-
zen Gestall, die auf einen äusseren Stützpunkt hinweist, ist ein
ganz anderes allerdings auch in Venusstatuen mit Glück weiter
verfolgtes, aber der Praxitelischen Venus fremdes Motiv herein-
gebracht. Dagegen steht eine sehr anmutbige, jugendliche Sta-
tue in Florenz (Clarac pl. 624. n. 1388), die mit der Rechten
den Schooss deckt, die Linke nach vorn hebt, mit einer Muschel
ergänzt ist, das Haar einfach um den Kopf geordnet und nur mit
einem Band befestigt hat, ihr zur Seite Salbgefäss und Gewand,
entschieden der Knidischen noch näher.
Die Capitolinische Venus (Mus. Napol. I, t. 56. Vis-
conti Opere varie IV. t.1 1 . p. 63 — 68. Bouillon Mus. I. 1 0. Müller-
Wieseler D. A. K. II. n. 278. Braun Ruinen u. Mus. Roms S.
220 — 24), zu welcher wir zwölf Wiederholungen kennen, noch
eine im Capitol (Clarac pl. 626 B. n. 1383 D), eine in Villa Ror-
ghese (Beschr. Borns HL 3. S. 246), vier in Neapel (Clarac pl.
617. n. 1371— 1373 incl. ; pl. 623. n. 1393), drei in Dresden
(August. Taf. 59.86; Clarac pl. 61 9. n.1385; pl. 624. n.1389,
vgl. Hettner Katalog n. 239. 242; Leplat T. 58, Hetlner Katalog
n. 354), eine im brittischen Museum (Clarac pl. 619. n. 1389 A),
eine treffliche in Woburn Abbey ohne Kopf und Arme (Müller-
Wieseler D. A. K. IL Taf. 25. n. 277), eine in Petersburg (Cla-
rac pl. 617. n. 1370), wozu jüngst noch ein ausgezeichneter
Fund, wie ich höre, in Rom auf dem Esquilin gekommen ist, hat
5G
in dem Adel der Erscheinung, in der Grösse und Fülle der Kör-
performen , in der beabsichtigten Erhöhung des Hauptes durch
den Krobylos, in dem Ausdrucke des Gesichtes entschieden eine
nähere Beziehung zu dem Venusideal des Praxiteles und seiner
Zeit , als die Venus von Medicis. In ihr ist die Vermittelung
zwischen Gewand und Badegefäss und der Person bereits auf-
gegeben, aber dieses beides schliesst sich für das Auge eng an
die Gestalt durch Nebenstellung an und so ist für die Vorstel-
lung diese Beziehung und Erklärung des Motivs noch ganz le-
bendig. Ein wichtiger Schritt war nun gethan : beide Arme
sindmun völlig frei, beide gehen in jenes Praxitelische Grund—
motiv der nun alles Schutzes entkleideten, die unverhüllte
Schönheit nur durch ein schamhaftes sich in sich Zurückziehen
deckenden Weiblichkeit ein ; nun senkt sich die linke Hand zur
Scham, die rechte hebt sich schützend vor die Brust. Auch der
Oberkörper beugt sich jetzt stärker vor, während der Unterleib
noch mehr eingezogen wird. Auch die Motivirung der Füsse
muss sich nun ändern : nach dem so selten verletzten Gesetze
des Chiasmus, der schrägen Wechselwirkung hebt sich der
rechte Fuss leicht, schiebt sich der rechte Oberschenkel vor;
im linken Bein ruht nun der Schwerpunkt der Gestalt. Keine
Spur des Schmuckes zeigt sich am Körper der dem Bad eben
Entstiegenen. Das Haar ist über dem Scheitel und zwar zu
einem hohen Krobylos aufgebunden, ein breites Haarband be-
festigt die reichen Seitenhaare, die am Hinterkopf einfach in
einer Schlinge zusammengefassten Haare fallen in zwei starken,
sich auflösenden Haarsträngen auf den Nacken herab ; sie ma-
chen entschieden den Eindruck, dass sie in dem Wasserelement
sich eelöst haben, welches die Göttin so eben verlassen hat.
Man fühlt sich wohl versucht für diese herrliche und auf
italischem Boden so vielfach in Copieen verbreitete Bildung
einen Urheber zu suchen. Wenn es erlaubt ist bei dem spärlich
fragmentarischen Zustande unserer Kunslnachrichten, besonders
dem dürftigen katalogartigen Charakter der Berichte des Plinius
über die Kunstwerke in Born Vermuthungen zu äussern, so wird
man zunächst an ein WTerk des Sohnes und Erbens der Kunst
des Praxiteles, an das des Kephisodot denken können, wel-
ches in Born in Asinii monimentis, d. h. dem Atrium Libertatis
mit Bibliothek auf dem Aventin sich zu Plinius Zeit und natür-
lich seit Asiniüs Pollio sich befand (Plin. XXXVI. S. 24). Eine
57
andere Stätte berühmter Venusstatuen in Rom sind bekanntlich
die Porticus oder monimenta Octaviae, eine Gründung des Qu.
Caecil. Metellus Macedonicus (nach 149 v. Chr. vgl. Becker Rom.
Alterth. I, S. 608 ff.) mit ihren Tempeln des Jupiter und der
Juno, von Werken der jüngeren griechischen Kunst um Ol. 195,
aber auch älterer geschmückt. Hier stand eine treffliche Venus
des Phidias (Plin. XXXVI. 4. § . 15), hier eine des Philiskos,
hier die lavans se des Daedalos und dabei eine stehende Ve-
nus des Polycharmos (Plin. I. 1. §. 35). Man wird zunächst
veranlasst sein, an die letztgenannte Statue zu denken, die ent-
schieden Beziehung zum Bad gehabt haben muss, nur dass sie
stehend , nicht kauernd dargestellt war. Aber ich hoffe im Fol-
genden für diese eine bestimmte Bildung mit grösster Wahr-
scheinlichkeit nachzuweisen. So könnte für die capitolinische
Venus unter diesen Künstlern nur Philiskos der rhodische Mei-
ster in Betracht kommen.
Sehen wir auf griechischem Boden uns um , wo eine be-
rühmte Marmorstatue einer Aphrodite Pontia neben Knidos —
und eine solche ist ja die knidische, von den Knidiern selbst
Euploia genannte Aphrodite (Paus. I. 1.3) — erwähnt wird,
so werden wir nach Hermione gewiesen, deren religiöser
Kreis so eng mit dem der knidischen Halbinsel zusammenhängt.
Pausanias (II. 34. 10) rühmt aber gerade das dortige ayak^a
Xev/.ov Xt&ov, was ebenso gross als wegen der künstlerischen
Ausführung schauenswerth sei. Eine Bronzemünze unter Cara-
calla geschlagen von Hermione zeigt, wie Mionnet (Supplem. IV.
p. 262 f.) angiebt Venus debout avec Cupidon , ob ganz unbe-
kleidet, wird nicht bezeichnet, dagegen scheint die nackte Ge-
stalt, die neben Hermes auf Münzen erscheint oder die thro-
nende , mit dem Steuerruder in der Hand bezeichnete *Fyche
der Stadt bekränzt, nicht wie Rasche (Lex. r. numm. V. 2. p. 882)
meint, eine Aphrodite zu sein, sondern eine männliche Gestalt,
etwa der Heros Hermion. Auch der marmorea Venus illa , die
die Bewohner von Rhegion um keinen Preis hergeben würden
und die Cicero neben der knidischen Venus als ein berühmtes
Werk einer griechischen Stadt nennt (Verr. IV. 60. 135), kann
hier gedacht werden , da aller Grund ist auch hier eine Äyqo-
dltrj EiTiXoiu oder Ilovxia zu verstehen. Doch genug der Ver-
muthungen.
Wir bemerken übrigens, dass wir die capitolinische Venus
58
nicht als das Original dieser Bildung hinstellen und alle anderen
als Gopieen , sondern als das hervorragendste, besterhaltene,
bekannteste Exemplar unter vielen Gopieen eines Originals. Ihr
Fundort wird in der Subura angegeben (Beschreib. Roms III. 2.
S. 170); wie es dabei möglich ist auch mit Nibby an einen Fund-
ort am Fusse des Pincio in der Vigna Naro zu denken (a. a 0.
III. 2. S. 567), versiehe ich nicht.
Der weitere grosse Schritt auf dieser Bahn der Darstellung
der nackten Göttin war das Badecefäss und Gewand sänzlich
wegzulassen und statt dessen nur das Element, dem sie einst
entstiegen und aus dem sie gleichsam immer von Neuem gebo-
ren wird, allgemein durch ein Geschöpf zu charakteristiren ;
war doch damit in den Motiven dieses Geschöpfes, in seinen
auch sichtbar heraustretenden Beziehungen zu der alles Leben
im Meer, im Wasserreich beherrschenden Göttin ein neuer
fruchtbarer Gedanke hereingebracht — ein Gedanke so recht
entsprechend der alexandiinischen Epoche, deren Drang nach
allgemeineren , auf verstandesmässigem Wege zu erkennenden
Beziehungen, entschieden an unmittelbarer Fasslichkeit, an in-
dividueller Charakterisiruns des Momentes weit nachstehend
jener einfachen, unmittelbaren Darstellung des Bades. Ja, man
konnte nun noch weiter gehen und das vollendetste Werk dieser
neuen Klasse von Venusstatuen , die Venus des Kleomenes
von Athen zeigt diesen Schritt und die hier publicirte Sta-
tue steht ihr darin besonders nahe : das Geschöpf des Meeres
zur Seite der Göttin erscheint verbunden, geleitet, im Dienst
von dem scherzenden Knaben und Begleiter der Venus, von
Eros oder sogar mehreren Eroten. Es ist gleichsam nun ein
zierliches Epigramm der grösseren Elegie beigefügt und eine
geistreiche Pointe darin ausgesprochen.
Keine Bildung der Venus ist für uns in einer solchen Fülle von
Wiederholungen , von der vollendetsten bis zur flachsten und
handwerksmäßigen Behandlung vorhanden, als diese der voll-
ständig gewandlosen, Brust und Schoos deckenden , von einem
Seelhier begleiteten Göttin. Halten wir von einer jetzt wesent-
lich feststehenden Betrachtungsweise der mediceischen Venus
wie sie durch Heyne, Visconti angebahnt, durch Levezow in sei-
ner Schrift (Ueber die Frage , ob die medic. Venus ein Bild der
knidischen sei? Berlin 1808) umsichtig erweitert, durch Brunn
(Gesch. d. gr. Künstl. I, S. 522 f.) und Overbeck (Gesch. d. gr.
59
Plastik II7 S. 238 ff.) zuletzt scharf ausgesprochen ist. eine Rund-
schau über diese Wiederholungen ! An eine Vollständigkeit da-
bei kann meinerseits nicht gedacht werden , doch ist es schon
wichtig sich acht und zwanzig Exemplare möglichst scharf ne-
ben einander zu vergegenwärtigen.
1) In Rom weist der Vatikan zwei Exemplare auf ; eines
früher im Palast Ruspoli mit Seeross zur Seite (Clarac
pl. 613. n. 1369),
2) ein zweites mit Delphin um einen Stamm, mit Porträtge-
sicht der Manilia (Clarac pl. 623. n. 1391).
3) 4) Zwei im Palast Tori onia, ein Exemplar mit Baum-
stamm zur Seite (Clarac pl. 622. n. 1383 C), ein zweites
mit modernem Delphin (Clarac pl. 622. n. 1383).
5) 6) Zwei im Palast Giustiniani (Clarac pl. 623. n.
1392 A): eins mit Delphin, das zweite mit Delphin und
Amor (Clarac.pl. 632. n. 1398 A).
7) In Villa Massimi (Clarac pl. 634 B. n. 1386A: die Arme
unrichtig ergänzt; Delphin zur Seite.
8) In Villa Pamfili (Clarac pl.626B. n. 1401): mit porträt-
artigem Kopf. Wohlerhaltener Delphin.
9) In Villa Borghese (Beschreib. Roms III. 3. S. 255) : Arme
neu. Delphin mit Amor.
10) Im Palast Valentini aus Gabii (Beschreib. Roms III. 3.
S. 156). Gute Arbeit, aber Kopf und Arme neu.
11) Einst bei Cavaceppi (Clarac pl. 627. n. 1412) nach
England gekommen. Delphin, Stamm, Amor dabei.
4 2) 13) Zwei Exemplare in Neapel im Museo borbonico (n.
294 und 304) : das eine bei Clarac pl. 606 B. n. 1379 A.
mit Delphin und Amor, das andere Clarac pl. 606 A.
n. 1379 B. mit Delphin.
14) In Florenz: Armspangen an beiden Armen , Amor mit
Fackel zur Seite (Cla'rac pl. 620. n. 1386).
15) In Venedig in der Sammlung von S. Marco: Amor auf
Delphin antik, gut gearbeitet (Clarac pl. 620. n. 1382).
v| e — . 4 9) Vier Statuen in Paris im Louvre: eine mit Del-
phin und Amor bei Clarac pl. 344. n. 1398; zweite mit
Delphin, der rechte Arm bis unter den Ellenbogen erhal-
ten (Clarac pl. 623. n. 1392); dritte aus Gabii (Mon. Gabin.
pl. 30) , jetzt im Magazin des Louvre (Clarac pl. 622 B.
n. 1383 E^ mit Delphin um einen Stamm ; vierte aus Villa
60
Borgbese ebendaselbst (Clarac pl. 610. n. 1316) mit Del-
phin und Amor; der rechte Arm über den Kopf gelegt,
linke deckt die Scham, gehört also im strengsten Sinne
nicht hierher.
20) In Paris bei Brun et (Clarac pl. 620. n. 1 380) : mit Arm-
spange und Diadem . Delphin mit Amor und Wellen am
Grunde.
21) Zeichnung bei Miliin, wo das Werk selbst? (Clarac pl.
608. n. 1346) : Delphin und Amor zur Seite.
22) 23) In München in der Glyptothek n. 105 und 134 aus
dem Hause Bevilacqua in Venua (Clarac pl. 618. n. 1375.
1376): die erstere mit linker gehobener Hand, Delphin
zur Seite, treffliche Arbeit von parischem Marmor, bei der
zweiten der Delphin modern.
24) In Dresden berühmte Statue aus Sammlung Albani (Au-
gust. Taf. 26 — 30; Clarac pl. 612. n. 1358): Beine und
Delphin ergänzt.
25) Ebendaselbst grosse Statue (6 F.) aber mittelmässige Ar-
beit (Clarac pl. 620. n. 1379; Katalog v. Hase n. 1 46;
v. Hettner n. 108). Delphin und Amor neu.
26) In England in der Sammlung Grey (Clarac pl. 622 B.
n. 1394): von trefflicher Arbeit und parischem Marmor;
mit Armband; zur Seite Baumslamm mit Eroten.
27) In Oxford (Clarac pl. 634 D. n. 1392 C): jugendliche
Porträtbildung; 7 F. Höhe; Delphin zur Seite.
28) In Madrid (Clarac pl. 634 C. n. 1392 B) : von trefflicher
Arbeit und guter Erhaltung; Delphin. zur Seite.
Kann man in jenem oben herausgehobenen Charakter grös-
serer Allgemeinheit, verstandesmässiger und an das Spiel des
Witzes sireifenden Ausdeutung des Attributes wie auch einer
freien, nur mit sich und ihrem Erscheinen gleichsam beschäftig-
ten Situation der Göttin den Grund für die grössere Verbreitung
gerade dieser Venusdarstellung in griechisch-römischer und
spätrömischer Zeit erkennen, so fühlt man sich daneben immer
zur Frage gedrängt, wie die specifische römische Porträtbehand-
lung, die uns so häufig in der eben bezeichneten Beihe, aber
auch in verwandten Darstellungen einer badenden oder dem
Bade entstiegenen Venus begegnet, anzusehen sei. Es ist ja sehr
leicht mit alicemeinen Gründen, die natürlich existiren, beson-
ders auch mit denen der Entsittlichung der Zeit u. dergl. heran-
61
zukommen: dies genügt aber nicht, um diese Auffassung römi-
scher angesehener Frauen zu erklären. Wir müssen hier gewiss
auf römischen, mit der ältesten Venusverehrung in Rom als
Murcia, die dem Bereiche des latinischen Zuwachses der Bevöl-
kerung angehört und wahrscheinlich von Lavinium aus einge-
führt war , verbundenen Cultusgebrauch zurückgehen , der von
den Matronen ebensosehr als von Libertinen gehalten wurde.
Ovid (Fast. IV. 133 — 157) berichtet uns bei dem ersten April,
dass das Marmorbild der Göttin seines Halsschmuckes entkleidet
und ganz gebadet (tola lavanda) wurde, dann erst der Hals-
schmuck neuumgelegt und sie mit Rosen und Blumen sonst be-
schenkt wurde. Demgemäss badeten an einem bestimmten Ort
sichtlich im Bereiche des Venusheiligthums (sub viridi myrto) in
kaltem Wasser die Frauen, junge und alte, posito velamine mit
völliger Enthüllung unter Gebeten zur Fortuna virilis, gemeinere
später sogar in den Badestuben der Männer. Dies Bad mit Misch-
trank und Gebet zur Venus schien den Matronen Schönheit,
Sitte und guten Ruf zu erhalten. So war es gerade der Begriff
der pudicitia, der damit sich verband. Die hellenisirende Le-
gende Hess Venus am Ufer dem Bade entsteigen, ihr Haar trock-
nen, als sie von Satyrn belauscht durch ein Myrtengebüsch sich
schützte 3) . In dieser Auffassung also der Macht keuscher Schön-
heit in der Ehe, die nur dem Gemahl sich enthüllt, haben rö-
mische Matronen als diese Venus sich gern darstellen lassen, sind
ihre Statuen im Bereiche der Columbarien aufgestellt worden.
Ich muss hier auf einen topographischen Punkt aufmerksam
machen, der genauerer Aufklärung noch bedarf. Das alte Venus-
heilisthum, mit dem obke Cultusbräuche zusammenhalten, be-
fand sich bekanntlich im Thal Murciae oder ad Murcim zwischen
dem Palalinus und den weiten, hintern Abhängen des Aventin,
am südlichen Ende des Circus Maximus ; dort war später und
sichtlich im Bereiche der grossen heiligen Stätte ein Tempel der
Venus Verticordia und Obsequens errichtet4). Nun gränzt diese
Stätte unmittelbar an den Platz der Piscina publica, des ältesten
Schwimmteiches der römischen Bevölkerung, in Augusts Zeit als
3) Vgl. noch Plut. Num. 19; Verr. Flaccus bei Macrob. Sat. I. \±. und
Preller röm. Mythol. S. 395; Marquardt Rom. Allerth. IV. S. 320.
4) Die Stellen bei Becker röm. Alterth. I, 467 f., 472; vgl. dazu Prel-
ler röm. Mythol. S. 393.
62
solcher nicht mehr bestehend und in dieser Gegend zwischen
den Antoninsthermen und dem Tempel der Bona Dea wird uns
ein Clivus Delphini in dem Curiosum urbis Romae (Becker r.Al-
terth. I, S. 715, dazu S. 455) oder Signum Delphini erwähnt.
Es ist gewiss nicht gesucht diesen Delphin , der hier wohl in
Bronze aufgestellt war, mit dem Venusheiligthum und zwar einer
dem Meer entstiegenen, im Meer badenden Venus in Verbindung
zu setzen und ebenso die Piscina publica als die Oerllicbkeit zu
bezeichnen, wo das jährliche Bad der Statue der Göttin statt-
fand.
Wenden wir uns nun zu einer vergleichenden Betrachtung
dieser Reihe von Venusstatuen , in der wir unserem Denkmal
seinen Platz anzuweisen haben.
Unter den Seethieren ist der Delphin die weitaus, häufigste
Beigabe dieser Venusstatuen. Achtzehn Statuen im Motiv der
mediceischen können wir aufführen- mit diesem wirklich erhal-
tenen Attribut , davon eilf, bei denen der Delphin allein ohne
weitere Zugabe erscheint, während die übrigen sieben den
Eros hinzufügen ; zwei dagegen , von denen unsere Venus die
eine ist, die andere früher im Palast Ruspoli , jetzt im Vatican
(Clarac pl. 613. n. 1369), weisen an seiner Stelle eines jener
Seewunderthiere auf, die aus einzelnen wirklichen Anschauun-
gen in freier, phantasievoller Weise herausgebildet sind. In der
oben zuerst besprochenen Reihe von Statuen, die das Praxite-
lische Motiv mit Gewandung so mannigfaltig verknüpft haben,
ist die Zahl jener Attribute des Meerlebens auch eine bedeu-
tende , aber als ein rechter Beweis der grösseren Raffinirtheit
eines guten Theiles derselben ist der Delphin nicht so die herr-
schende Form ; wir haben gegenüber eilf Exemplaren mit Del-
phinen fünf mit anderen Seeungeheuern. Der Delphin war
jedenfalls eine äusserst glückliche Beigabe der Göttin. Wie er
bei heiterem Wetter , bei ruhigem Meer im übermüthigen Spiel
um das Schiff1 in grosser Menge sich tummelt und einen Reigen-
tanz führt5;, wie er als das fürsorglichste und seine Jungen be-
bendste Geschöpf, das wahren Familiensinn besitze, den Alten
5) Eur. Hei. 1456 : xoQttyi rwr xalh/öoiav deXylvwv brav nvoaig ni-
Xayog vrjve/uov y. Ueber Symbolik des Delphin vgl. Creuzer Symb. u. My-
thol. III. S. 267—72. Aufl. III.
63
erschien"), wie seine Menschenfreundlichkeit Lebende und auch
Todte an das Land zu bringen in einer Reihe von Erzählungen
gepriesen ward7), wie er als ein Thier der Venus, ja wohl als
gleicher Herkunft mit der Göttin, betrachtet ward8), ja bei einem
späteren Dichter Aphrodite nach ihrer Geburt nach Kypros
trägt9), als Liebesbote in Mythen eine Rolle spielte10), so musste
seine Springlust "), seine grosse Beweglichkeit, die ihn selbst
über Schilfe sich erheben lässt, seine Art senkrecht in das Meer
hinabzuschiessen ihn ganz besonders eignen als Begleiter der
dem Meere entstiegenen Göttin auch auf das Land zu folgen und
mit dem beweglichen nach oben gerichteten Schweife dem Auge
einen angenehmen und festen Stützpunkt neben den zierlichen
und fein abgerundeten unteren Extremitäten der Göttin zu ge-
ben. Meist erscheint er daher auch ohne alle sonstige Unter-
stützung, was für den mit der oben bezeichneten Natur des
Delphin nicht vertrauten Beschauer zuerst etwas wunderlich
Gezwungenes hat; jedoch in vier Statuen, der mediceischen
(Clarac pl. 612. n. 1357), einer des Louvre (Clarac pl. 622 B.
n. 1383 E), einer vatikanischen (Clarac pl. 623. n. 1391), einer
früher bei Cavaceppi in Rom (Clarac pl. 627. n. 1412) giebt ein
Baumstamm dem Delphin einen Halt oder dieser windet sich
um ihn, in drei anderen , so einer Zeichnung Miilins (Clarac pl.
6I0. n. 1316), der Statue bei Brunet in Paris (Clarac pl. 620.
n.1380), der in der Sammlung S. Marco zu Venedig (Clarac pl.620.
n. 1382), bietet ein Fels einen dem Delphin noch entsprechen-
deren Stützpunkt. Dass auf dem Felsboden neben dem Delphin
hie und da auch ein Tintenfisch oder eine Meerqualle (Aurellia)
6) Ael. H. Anina. V. 6: tf.ilotxtiov loIov dtltfig. X. 7: 6 ätkiflg 6 &fj-
kvg /ucc&iig h/^ti xctTii rüg yvruTxug xui &t]).c<£ti tu ßofrfr) nüvv äfp&ovqi xal
7ToAAf<5 tw yaXaxji — (fiXörixioi xal (fiXoarooyov 6 dtXylg fwof — ötÄ<flg
&rjXvg (fiXortxtiörccjog lg tu ta/mru fw'w»' iari.
7) Plin. H. N. IX. 8. 8 — 10, dazu Welcker Rh. Mus. N. F. I. S. 392 ff.
8) Gell. N. A. VII. 8 : Delfinos venereos esse et amasios non modo
historiae veteres sed receiitiores quoque memoriae declarant. Delphin ist,
wie der no^intlog ein Uoog t%0-vs\ der no/uniXo? dabei als Cwov Ioiotixov
ü>g av xcd uvTog ytyovaig Ix xov ovQuvtov ui[uuTog «fia rfj ^AffooSiTij be-
zeichnet von Athen. VII. p. 2S2.
9) Nonn. Dionys. XII. 434 fgg.
10) So bei Poseidon und Polyphem nachgewiesen von 0. Jahn Arch.
Beitr. S. 417. Note 29.
11) Ael. V. H. XIII. 12 : oi-ÜTctiog xu\ uXrixwTUTog i^Ovoji' 6 Jehftg.
64
erscheint, ja wohl auch eine Andeutung von Wellen, ist nicht
auffallend, so bei vier Statuen, einer in Neapel (Clarac pl. 606 B.
n. 1379 A), nach einer Zeichnung von Miliin, unbekannt wo?
(Clarac pl. 608. 1346), einer Statue aus Villa Borghese, in den
Magazinen des Louvre (Clarac pl. 610. n. 1316). Eine sehr in-
teressante weitere Umgestaltung des Baumstammes finden wir
neben der trefflichen Venus der Sammlung Grey in England (Cla-
rac pl. 622 B. n. 1394) : eine geöffnete Muschel ruht oben darauf
und um den Stamm rankt sich Weinrebe und Apfelzweig; zwei
Eroten pflücken Früchte und reichen sie dem dritten am Boden.
Hier ist die Göttin ihrer Beziehung zum Wasser als Element fast
entkleidet; aber wo sie erscheint, sich enthüllt am Wasser-
becken, da blüht es und reifen die Früchte des vegetativen Le-
bens, da spielen Eroten. Eine interessante Verbindung der Sym-
bole des Wassers und des vegetativen Lebens zeigt uns eine aus
Syrien stammende Bronze: eine nackte Aphrodite mit langen
Haaren, also wohl für oder vom Wasser aufgelöst, versilberten
Augen , und Diadem , die in einer Hand einen Apfel hält , wäh-
rend ein Delphin ihr zur Seite gestellt ist (nach Longperier Arch.
Anz. 1853. S. 45).
Jedoch wir haben neben unserer Statue gerade nicht mit
dem Delphin es zu thun, sondern einem der mythischen See-
ungeheuer. Offenbar liegt hier ein beabsichtigter Contrast zu
Grunde: jene ungeschlachten xwta, jene Seepferde (Clarac pl.
613. n. 1369), Seestiere (Clarac pl. 615. n. 1364, womit man
auch den Cameo des Glykon vergleichen kann bei Müller D. A.
K. I. Taf. 46. n. 175), Seeschlangen (Clarac pl. 614. n. 1363),
fischschwänzigen Eidechsen (Clarac pl. 614. n. 1360), hässlich
und furchtbar zugleich, haben doch Eines, das Element mit Ve-
nus gemein und auch sie beugen sich unter die Macht der Schön-
heit und Liebe12). Wie berechnet ist gerade in unserer Statue
der Gegensatz dieses geschwollenen Leibes mit den kurzan-
12) Vgl. Engel Kypros II, S. 2S8. Auf bithynischen Städtemünzen von
Apamea, Claudiopolis, Prusa wird Aphrodite auf einem Delphin, auch auf
Hippokampen sitzend, oder nackt stehend mit Hippokampen zur Seite dar-
gestellt, vgl. Mionnet t. V. 21 ff. 40. 48. Supplem. t. V. n. 40. 48. 61. 1311.
1318. 1342; ebenso auf Münzen der Bruttier (Rasche lex. n. 10. t. Y. 2.
p. 905; Carelli numm. It. vett. t. 170. n. 1 —5). Auf Hippokampen er-
scheint sie auch auf einem kleinen Goldmedaillon in den Antiquites du Bos-
pore Cimmerien. pl. XXIII. B. Als Venus können wir daher auch die nackte
Co
gesetzten plumpen Füssen, so unmittelbar neben jenem schlan-
ken Bau der Beine, neben jener gerade so bewunderten Schön-
heit der Füsse der Göttin ! Ob der Kopf des Thieres sich in der
Thal so hingebend und liebesehnsüchlig nach oben gewendet,
können wir nicht bestimmen, da die Ergänzungen am Thiere
mir nicht genauer bekannt sind.
Aber ich erwähnte früher bereits, dass wir es nicht allein
mit der Beifügung eines Thierattributes zu thun hätten, sondern
mit der Beziehung desselben auf ein oder zwei Eroten. Und
gerade unter den fünf Beispielen von Seeungeheuern weisen vier
eine solche Begleitung auf, während die Zahl der allein erschei-
nenden Delphine noch einmal so gross fast ist, als die mit Del-
phinen verbundenen. Wie der dem Meere entstiegenen Aphro-
dite sofort Eros als Begleiter im Mythus sich gesellt (Hes. Theog.
201 f., Ael. H. A. XIV. 28), so wird die Macht des Eros über
die ganze Thierwelt, wie über Götter und Menschen geschildert:
speciell über das Meer hin {vneqTtövxLog Soph. Ant. 785) schrei-
tet er als Herr. Was ihm, dem gewaltigen, schönen Ttaiq ur-
sprünglich allein zukam, das zerlheilt sich nun in geistreichem
Spie! auf die Fülle jener kleinen Kindereroten der alexandrini-
schen Zeit, war doch auch in der bildenden Kunst neben Eros
Himeros und Polhos durch Skopas dargestellt worden und die
Venusstatuen zeigen beide den früheren einheitlichen Eros und
die Eroten auf Seegeschöpfen neben sich.
Bei weitem die grösste Zahl der hierher gehörigen Denkmä-
ler führt uns Eros auf dem Delphin reitend vor, wieApion bei
Dikäarchia wirklich einen vom Delphin geliebten Knaben sah
IrtTcrjdov 7t£Qiߣßrj-y.ÖTCc (Gell. N. A. VII. 8), wie auf jenem, in
einem anakreontischen Gedicht (41) geschilderten Diskus um
die im Meere schwimmende Venus vneg ccQyvQ(p d* ö%ovvzai
eni deXcpioLv %OQEVT<x'ig — 'Egog "l/iiEQog ysltovreg, wie antike
Marmordisken , Geräthfüsse, Tenaeottenreliefs , geschnittene
Steine, Mosaiken13) solche reitende Eroten mehrfach zeigen.
weibliche Gestalt bezeichnen, die in einer Gruppe der Villa Albani auf einem
Seepferd sitzt und einen Amor halt; zu den Füsseu im Marmor Angabe
von Wellen mit Delphin und Seeschlangen (Bes°nreib. Roms III. 2. S. 527).
13) So n. 25 unler der von Welcker -Wie Denkm. II. S. 128. 131 auf-
gezeichneten Reihe solcher Disken, in Berlin befindlich, so n. 34 aus dorn
Museo Borbonico. Marmorfuss mit dieser Darstellung eines senkrecht
1860. - 5
66
Auch hierbei giebt es verschiedene Motive. Am häufigsten reitet
ein Eros auf dem abwärts gerichteten Delphin ebenfalls in ab-
wärts gehender Richtung, meist mit der linken Hand sich hal-
tend, die rechte wie zum Antreiben gehoben, seltener beide
Hände in der Freude der Bewegung gehoben, so Clarac pl. G0f> H.
n. 1379 A.; pl. 615. n. 1366; pI.V>20. n. 1379. 1383 A.; pl.
622. n. 1383 A.; pl. 632. n. 1398 A. Unter den zwei Eroten
des Delphins der mediceisehen Venus , die auffallend klein , so
recht in spielender Phantasie gebildet sind, erscheint der eine
auf dem Vorderkörper des Delphines reitend, der andere schwingt
sich kletternd zum hoch geschwungenen Schwanz hinauf. Wie
der erstere nun zur höchsten Steigerung der Verbindung von
Delphin und Eros in dem vorwärts auf dem Delphin liegen-
den, krampfhaft das Thier mit beiden Händen umfassenden
Knaben führt, so in der Gruppe der Sammlung Grey (Clarac
pl. 628. n. 1304A), so leitet dieser weiter zu jenen Darstellun-
gen, in denen der reitende Eros mit dem Oberkörper sich vom
Delphin abwendet. Einmal in einer Statue von S. Marco
zu Venedig (Clarac pl. 620. n. 1382) wendet er sich auch von
der Venus wie jubelnd ab und dem Beschauer entgegen ; die
häufigere und jedenfalls dem inneren Verhältnisse mehr ent-
sprechende Situation lässt ihn aufwärts zu seiner Mutter Kopf
und Hand erheben, also dorthin sich wenden, von wo er jedes
Gebot erhält, in deren Dienst er so eben das Geschöpf des Mee-
res zügelt.
In diese Auffassung gehört auch unsere Statue hinein, wo
Eros nicht reitend, sondern ruhig si tzen d auf d em Delphin-
schwanz erscheint, aber den Kopf nach oben zur Venus gewen-
det hat. Die Beziehung zur Mutter wird aber noch viel lebendiger
ausgeprägt, es wird ihr zugleich ein sichtbares, vermittelndes Ob-
jekt gegeben, indem Eros stehend auf dem Seegeschöpf gebil-
det ist, nach oben sich hebend und beschäftigt etwas hinauf zu
gestellten Delphins, der zugleich einen Polypen erfassl aus Eryllnä in
Smyrna s. Ar eh. Anz. 1S58. S. 230. Zu den Geramen vgl. Müller-Wieseler
D. A. K. IL T. 53. n. 4<»2 ; Taf. 55. n. 643 ; die interessante Gemme mit In-
schrift CVflLOI zuletzt C J. G. n. 7309, eine andere mit Inschrift 01LUJ
a. a. 0. n. 7360b; dazu Creu«u- Symbol, u. Mylhol. III, S. 271. Note. Zu
den Mosaiken ein neues Beispiel aus Ostia s. Monum. ined. d. inst, aicheol.
1857. Vol. V. t. 11 . Zu den Terracotlen vgl. Cainpana Op. in plast. t.
67
reichen, so in einer Statue aus der Sammlung Camuccini (Clarac
pl. 614. n. 1360), wo die Unterlage eine Seeschlange bildet und
die sehr bedeutenden antiken Theile uns den weichen Knaben-
körper in voller Hebung und Spannung zeigen, um mit der ge-
streckten Rechten etwas nach oben zu heben, ob gerade eine
Fackel, wie der Ergänzer gemeint hat, ist schwer zu bestimmen.
In viel reiferer, grösserer Gestalt ist der Amor gebildet, welcher
in einem Werke der Sammlung Pamfili (Clarac pl. 626. n. 1 363 Ä)
leicht und elastisch auf den Delphin tritt, mit der Rechten nach
oben der Göttin einen Gegenstand (gewiss keinen Dolch, wie
ergänzt ist, wahrscheinlicher eine Fackel) reicht, während der
linke Arm gesenkt ist und als auf einer Fackel ruhend er-
gänzt ist.
Eine interessante Verbindung dieses Motivs, den Amor auf
den Rücken des Seegeschöpfes zu stellen, mit dem vielfach und
in so anziehender Weise gebildeten Motiv des eine Gans oder
einen Schwan in seine Arme drückenden Knaben1'*) finden
wir endlich bei einer Venusstatue des Museo Borbonico (Clarac
pl. 614. n. 1360): ein neues Symbol des Wasserlebens, aller-
dings nicht specifisch des Seelebens und zugleich ein der Aphro-
dite geheiligter Vogel 15) war damit dem Eros in die Arme gege-
ben. Ja man möchte versucht sein, wie überhaupt die mehr als
man gewöhnlich glaubt zahlreichen Darstellungen des Genrele-
bens der späteren Kunst, so auch dieses schöne Motiv an die
Abschwächung und Verallgemeinerung eines mythologischen
Motivs zu knüpfen und den Eros zur Grundlage jenes Knaben
mit der Gans zu machen.
Auch die völlige materielle Lösung von Eros und Seethier
ist erfolgt, so dass jener auf die eine, dieser auf die andere Seite
der Göttin gestellt wird , wie ein Relieffragment im Vatikan im
Museo Chiaramonti uns eine Säulenhalle mit einer solchen
Gruppe in derselben zeigt (Beschreib. Roms III. 2. S. 42). Ja
auch hier entwickelt sich ein neues, lebendiges Motiv in einer
interessanten Darstellung der Sammlung Giustiniani (Clarac
14) Unter den von Jahn in diesen Berichten (1848. S. 41 ff.) übersicht-
lich geordneten Denkmälern entsprechen genau die beiden von ihm heraus-
gegebenen Mannorstatuen von Athen unserem Beispiel.
15,1 Vgl. Gerhard Mythologie I, S. 403 und besonders die der Aphro-
dite entsprechend gesetzte (fakrjolg bei Arisloph Av. 565.
5*
G8
p|. tilo. n. 1364) : zur Linken der in den Motiven der Arme der
Meiliceischen wesentlich entsprechenden , aber um den Unter-
körper mit Gewandung bedeckten Venus bewegt sich ein See-
stier an der Erde, den Kopf zur Herrin gewandt; vor ihm ent-
setzt sich der kleine Amor, er steht breit zur Rechten der Göttin,
ängstlich fasst er ihr Gewand, den Kopf auf das Ungeheuer ge-
richtet und doch zugleich in einer Position, die einen kämpf fer-
tigen Helden verrathen soll. Gewiss ein geistreiches, scherz-
haftes Motiv, aber ganz aus dem Mythus in das Kindertreiben
des wirklichen Lebens hin'überführend !
Kehren wir nach diesem Ueberblick der bisher nur allzu-
sehr übersehenen Beigaben der zur Vergleich ung herangezogenen
Venusslaluen , soweit wir dabei auf antiken erhaltenen Theilen
fussen konnten, ich denke nicht ohne allgemeineren Gewinn zu
unserer Venusstatue zurück. Wir haben in ihr also eine Dar-
stellung der dem Meere entstiegenen Göttin, die nicht allein in
völlig unverhüllter Schöne sich zeigt mit der Motivirung beider
Hände zum Schutze von Schooss und Brust, sondern deren Um-
gebung auch nicht mehr an eine umzulegende Hülle erinnert.
Ihr hat sich nicht der gewöhnliche Delphin, sondern ein Seeun-
geheuer als dienendes Geschöpf des Meeres angeschlossen , der
zugleich durch den Eros als der alles überwältigenden Macht
der Liebe unterthan bezeichnet wird. Die Motivirung der obe-
ren und unteren Extremitäten ist in der ganzen Reihe
der hier in Betracht kommenden Statuen eine wesentlich glei-
che : der linke Arm gesenkt, der rechte zur Brust erhoben, der
linke Fuss aufgesetzt, der rechte leicht gehoben. Kleine Schwan-
kungen über die Lage der rechten Hand, die meist die linke
Brust deckt, höher und nieder, weiter links, weiter rechts kom-
men dabei vor, doch sind wir in dieser Beziehung so viel an
Ergänzungen gewiesen, dass es bedenklich ist diese Schwan-
kungen näher zu bezeichnen. Auch unsere Statue sehört durch-
aus dieser herrschenden Motivirung an. Entschiedene Ausnah-
men kennen wir dabei nur zwei und diese beiden sind Werke
in kleinen Dimensionen: das ist die Statue der Sammlung Giu-
stiniani (Clarac pl. 623. n. 1392, 4 Palm. 4 Z. hoch) und eine
Münchner schöne Statuette (Clarac pl. 618. n. 1375, 2 F. 2 Zoll
hoch), aber da weist auch entschieden der Absatz des rechten
Armes darauf hin, dass er nicht zur Deckung der Brust ange-
schlossen und gebogen war, sondern mehr gerad nach der Seite
<;<)
ausgestreckt1, um einen Gegenstand zu halten; bei dieser ist
der ünke hier in Betracht kommende Arm noch deutlicher in
seiner Richtung erhalten ; dass wir allerdings keinen Apfel in
dieser rechten Hand zu denken haben, sondern ein Objekt, wel-
ches zur starken auf die linke Schulter bei beiden Gestalten
herabfallenden Haarmasse, zu der Bewegung der das Haar fas-
senden linken Hand bei der einen derselben passt, höchst wahr-
scheinlich einen Spiegel, werden wir in einer der folgenden Un-
tersuchungen erweisen. Beide Statuetten unterscheiden sich
sonst wesentlich dadurch, dass die Münchner die linke Körper-
seite leicht gebogen hat, während sie bei der andern Statue in
straffer Linie erscheint, was schon auf eine Milderung durch den
zur Scham gesenkten linken Arm hinweist. Bei zwei anderen
nicht eben vorzüglichen Statuen des Vatikan (Clarac pl. 613.
n. 1369 und 623. n. 1 391 ) sind beide Körperseiten ziemlich
gleichmässig belastet und daher eine Hebung des einen Fusses,
dieses sonst nie versäumte Motiv, kaum wahrzunehmen.
Unsere Venusstatue zeigt, wie unsere obige Beschreibung
bereits hervorhebt, wesentlich kräftigere, vollere Formen, als
die Mediceische; sie steht gleichsam in der Mitte zwischen ihr
und der Capitolinischen. Die Haltung ihres Oberkörpers scheint
wenigstens der Zeichnung nach Weniger vorgebogen , nach vorn
gewendet als bei beiden, also dadurch der Knidischen ähnlicher.
Die Spur eines Schmuckes am Körper, zunächst einer oder
zweier Armbänder (ipeklia), Ohrringe ist nicht vorhanden, und
auch hierin folgt unsere Statue der bei weitem grösseren Zahl
der die völlig nackte Göttin darstellenden Werke, und ist hier-
mit auch der wesentlichen Bedeutung der Situation , des Enl-
steigens aus dem Meere treuer geblieben, als das berühmteste
Werk dieser Gattung, die Mediceische Venus, deren Erscheinen
dadurch auch einen auflas Gefallen berechneteren Charakter
erhält. Sechs Statuen, eine im Vatikan (Clarac pl. 613. n.1369,
wo jedoch der ganze Arm modern scheint), zwei in Neapel (Cla-
rac pl. 606 A. n. 1379 B., pl. 617. n. 1373), eine Florentiner
(Clarac pl. 620. n. 1381), die der Sammlung Grey (Clarac pl.
622 B. n. 1398), stimmen mit der Mediceischen in diesem
Schmucke des Armbandes. Viel häufiger un<i mit vollem Becht
kommt dagegen das Armband bei Venusst.ituen vor, die unmit-
telbar mit dem Schmuck ihres Körpers oder doch mit der Ge-
wandung beschäftigt sind.
_ 70
Die Haltung des Kopfes gehört bei den Venusbildun-
gen zu den feinst abgewogenen, das Wesen der Göttin ausprä-
genden Motiven. Wie ihr Überhaupt in allen Darstellungsformen
das feste , breit und ruhig der Welt sich Gegenüberstellen , die
herbe, in sich gesammelte Jungfräulichkeit fremd ist , welches
wir an den Köpfen der Hera und Athene finden, so musste dies
im noch besonderen Grade bei ihrer Auffassung als dem Meer
entstiegenes Wesen , als das völlig wehr- und schutzlose, aber
durch den Zauber der Schönheit und Anmuth allmächtige Weib
zur Forderung werden. Und in der That werden wir unter der
Fülle hierher gehörieer Venusstatuen ein volles en face kaum
finden, immer eine leichte' Biegung und Senkung des Kopfes.
Am meisten zeigt sich die Vorderansicht aber auch in unange-
nehmster Weise in jenen Venusstatuen mit römischen Porträt-
köpfen, sollte doch hier dem Beschauer gerade dieses römische
Damengesicht in unverhohlener Prätension auf einem Venuskör-
per sich darstellen z. B. bei der Manilia als Venus (Clarac pl.
673. n. 1391). Im Gegentheil wird die Biegung und Senkung
des Kopfes bei der kindischen Venus eine Bewegung, die gleich-
sam dem Gewände noch folgt, was besonders auf der knidischen
Münze sichtbar ist, nun bei der oben dargestellten Steigerung
und Verallgemeinerung des Grundgedankens eine gesteigerte
und berechnete; schon die capitolinische Venus, noch viel mehr
die mediceische sind dafür Beweis, die letzlere mit dem ent-
schiedenen Ausdruck des sich gefällig Beschauenlassens. Aber
zwei Arten der Drehung des Hauptes kommen hier gleichmässig
neben einander vor: eine Drehung fast völlig nach links, so dass
das Profil des Kopfes dem Beschauer der Vorderseite sehr scharf
sich zeigt, wie bei unserer Statue, und eine leisere Wendung des
Halses nach rechts und Senkung des Hauptes nach links. Eine
gesammte Wendung des Kopfes nach rechts , während die Mo-
tivirung der Hände und Füsse der der Mediceiscben Statue
gleich ist, kenne ich nur an einer Zeichnung Millins (CJarac
pl. 608. n. 1346).
Form und Ausdruck des Gesichtes lassen uns beim er-
sten Anblick erkennen , dass wir es in der That mit einem Ve-
nusideal, nicht mit einer als Venus behandelten römischen Dame,
etwa einer Marciana (Clarac pl. 617. n. 1371), einer Julia Soae-
mias (Müller D. A. K. I. T.if. 71. n. 402) zu thun h;iben. Die
fein umzeichnete, nicht hoch gewölbte Stirn, die Lage der Augen,
71
die Nase besonders mit den Zügen an den Nasenflügeln herab,
der geöffnete Mund mit den ein wenig herabgezogenen Mund-
winkeln, die Linie des Kinnes, die Wangen gehören ganz dieser
Idealbildung an. Der Ausdruck des Ganzen besonders der Au-
genpartieen ist ernster, fast an Wehmuth grunzend; von der
feinen Koketterie des Kopfes, von den Grübchen im Kinn haben
wir hier nichts.
Eine besondere Aufmerksamkeit in der Verdcichunt* der
Venusstatuen nehmen die Ilaare und deren Schmuck in An-
spruch. Bereits in der Odyssee (Hom. Od. VIII. 267 f.) und im
homerischen Hymnus auf Aphrodite (V. 4 75. 287) kommt ihr
der Beiname ivozscpavog speciell zu und andererseits erklärt
ein spätrömischer Dichter (Auson. Eclogar.) : barba Jovi, crines
Veneri decor. Wie überhaupt die griechische Kunst in der
Ilaarbehandlung der verschiedenen Götterideale ihre bewun-
dernswerthe Auffassung der Natur- und Lebensformen für Dar-
stellung des Geistigen , des Charakters bewährt hat, so hat sie
in den verschiedenen Stadien der Venusbildung gerade im Haar
einen ganzen Reichthum von feinen Unterschieden entwickelt.
Im Anschluss an jenen Ausdruck evöritpctvog haben wir für die
älteren Venusbildungen, wie sie auch auf den Vasenzeichnungen
wesentlich sich zeigen, durchaus eine ozecpavi] , ein niederes
Diadem, zuweilen auch ein mit Blülhen ausgezacktes als vor-
deren Kopfschmuck auf das wohlgeordnete, feingewellle Haar
gefugt anzunehmen , man vergleiche nur die bei Müller Ilandb.
d. Archäol. S. 375. Note 3 angeführten Köpfe, ebenso den der
Venus von Capua , auch den in Citium neuerdings gefundenen
schönen Venuskopf mit Lücke für das Diadem (Rev. archeol. V.
p. 652. pl. 106) , und man wird immer versucht sein auch der
Venus von Melos eine solche, aus Metall bestehende Ergänzung
zuzuschreiben, die Behandlung des Haares vorn weist entschie-
den darauf hin. Die Haare werden dabei hinten sorgfällig auf-
genommen oder in eine acpevdovrj oder y.eKQV(paXog eingefasst,
so hat auch Aphrodite der Ära Borghese (Müller D. A. K. 1 . T. 1 2.
n. 44) neben den Ohrringen (den Xoßoi im Hymnus) und der
GTSifävr] die Haare hinten hinauf wohl geordnet. Mehr bereits
der Sitte des Frauenlebens überhaupt schliesst es sich an wenn
das Haar durch ein breites Band , eine /hitqoc , ein auch meh-
reremal umwickelt ist und dasselbe dann auf die Schulter etwa
herabfällt, doch ist auch hier an die breiten Königsbinden , die
1-2
dtadrj/itata makedonischer und hellenistischer Herrscher zu
erinnern. Sobald aber in der Venusauffassung die Beziehung
zum Wasser, zum Meer und Bad die künstlerisch beliebte und
fruchtbarste, ja der Mittelpunkt der Kunstdarslellungen fast
wurde, so musste nothwendig die Haarbehandlung eine andere
werden. Das Haar konnte nun und ist es auch, wie wir an der
zweiten Statue, deren Publikation hier gegeben wird, näher
sehen werden, in seiner Auflösung, seinem von Wasser triefen-
den Zustande zum Mittelpunkt einer ganzen Motivirung werden.
Jedoch dies war nun ein und für die Plastik nicht unbedenkli-
cher Seitenweg zum vollen Naturalismus ; durchgehends musste
aber nun im Haare die Beziehung zur Entkleidung oder neuen
Schmückung und Anordnung nach dem Entsteigen aus dem
flüssigen Element angedeutet werden. Soweit wir über die
Praxitelische Statue nach den doch immerhin freieren Nachbil-
dungen urtheilen können, war das Haar in einfach schlichter
Weise behandelt: in reicher Fülle waren die Vorderhaare nach
beiden Seiten in wellige Bauschen oder Scheitel zusammenge-
fasst, ein einfaches, nicht breites Band, also ohne arscpdvrj, aber
auch keine [.iItqcc , hielt sie fest; die Haare am Hinlerkopf wa-
ren einfach aufgebunden und durchgesteckt, ihre Enden fie-
len, wie einzelne Statuen zeigen, leicht, doch nicht lief in den
Nacken herab. Hie und da ist diese schlichtere Behandlung bei
der weitem Entwicklung, so bei einer Dresdener Statue im Mo-
tiv der Syrakusaner Statue (Clarac pl. 608. n. 1347) noch bei-
behalten, dagegen die jüngere, durchaus zur Geltung gekom-
mene Auffassung der dem Meer entstiegenen Venus bedient sich
viel reicherer und mehr imponirenderer Formen. Jener Wellen-
scheitel bleibt allerdings, wird nur noch voller, auch wohl ge-
lockerter, spätere Mode ersetzt ihn durch künstliche Locken-
reihen, es bleibt das ziemlich breite Haarband, aber dazu kommt
noch eine sehr bezeichnende Form, die des Kr ob y los. Unmit-
telbar über dem Scheitel sind die obersten Haarlocken zurück-
gebogen, aufgebauscht und zu einer mehr oder weniger hohen
Schleife geworden, also ganz entsprechend der jüngeren Apollo-
bildung. Es ist dies nichts weniger als ein beabsichtigter Ar-
chaismus, sondern ein jüngerer, zur Steigerung des erhabenen
göttlichen Charakters, des oyy.og des Kopfes und zur Darstellung
der Ueberfülle des Haares jugendlicher Gestalten gemachte freie
Umbildung einer älteren , für jugendliches Alter noch vielfach
73
beibehaltenen Haarsitte. Am Hinterkopf finden wir durehechends
die Haare zunächst in einen Knoten oder eine Schleife aufgenom-
men , aber hier treten nun zwei wesentlich verschiedene Be-
handlungsweisen auf, recht scharf repräsentirt durch die Capi-
lolinische und Mediceische Venus. Dort fallen die allerdings
hinten zunächst hinaufgenommenen Ilaare in zwei starken, ganz
gelösten Haarlocken oder Haarstrangen weit auf den Nacken
herab , hier sind sorgfältig und künstlich alle Haare hinten auf-
genommen und in ein Nest zusammengefasst. Also wieder der
Gegensatz : dort noch entschieden die dem Wasser entstiegene
Göttin, deren prachtvolle Haarfülle, entsprechend der überhaupt
kräftigeren, grandioseren Gestalt, allerdings in Krobylos und
hinterem Knoten dem Wesen der Göttin gemäss geordnet ist,
aber doch nach Auflösung gleichsam drängt und das Element,
dem sie entstiegen ist, verrälh , — hier mehr die zierliche, in
feinster Harmonie der Theile durchgebildete Göttin des Liebrei-
zes, die selbst in der Situation der Entkleidung nicht den be-
rechneten Schmuck des Hauptes, wie der Arme vergessen hat !
Das Herabfallen des Haares konnte aber noch mehrfach
motivirt werden, je nachdem es in starker einheitlicher Fülle
hinten auf den Nacken herabfiel , wie es bei unserer Statue der
Fall ist und sonst z. B. Clarac pl. C06 B. n. 1379 A., pl. 615.
n. 1364. 1365. 4 366; pl. 620. n. 1382., oder in zwei Stränge
zeitheilt, wie bei der Gapitolinischen , oder was wir bei acht
Statuen im Motiv der Mediceischen finden und was stehendes
Motiv jener Bildungen ist, die das über die Scham geknotete
Gewand haben, in zwei Locken über die Schultern nach vorn
herabwallte, oder es fiel endlich nur ein starker Haarstrang
über die linke Schulter herab, so Clarac pl. 617. n. 1372; pl
618. n. 1378; pl. 623. n. 1391.
Somit haben wir den Kreislauf der Betrachtungen und Ver-
gleichungen vollendet, durch die wir uns der bestimmten Stel-
lung der publicirten Statue bewusst zu werden strebten. Indem
wir daher an unser oben gegebenes Besultat anknüpfen, wo-
durch ihre Stellung nach Grundmotiv, Attribut, Beziehung zur
Gewandung bezeichnet ward, so können wir jetzt im Bückblick
auf das oben Besprochene sie weiter charakterisiren als eine
nackte Venusbildung, die in ihrer ganzen Körpererscheinun» die
volleren, reiferen Formen offenbart, wie sie uns die capitolioische
aufweist, als völlig schmucklos, im Gesicht idealisch, der feinen
74
Koketterie der Medieeerin fremd , in der Haarbehandlung auch
noch die Bezielmng zur Feuchtigkeit , zu dem Element, dem sie
eben entstiegen, durch die in den Nacken fallende starke Haar-
locke ausprägend, endlich Herrschaft Übend über das sie dienend
begleitende Meeresunaeheuer, welches den scherzenden Eroswil-
lig auf seinem Rücken trägt. Ich hoffe aber auch, dass unsere
Wanderung durch die Venusstatuen, die mehr und weniger von
dem Praxilelischen Grundmotiv aussehen, die Musterung rechts
und links nicht ohne bleibenden Gewinn für die Erkenntniss der
feinen Nuancirungen dieses Ideals für die fortgesetzte Thätigkeit
griechischer Künstler auf diesem scheinbar beschränkten, aber
doch so überaus reichen und anziehenden Gebiet auch nach der
Zeil der srossen Kunslblüthe gewesen ist.
II. Die sich die Haare ausdrückende und da s Haar
ordnende Venus.
In der zweiten hier puhlicirten Abbildung einer Venussla-
lue können wir zwar kein Ineditum dem Beschauer und Leser
vorführen, indem wir bereits bei Clarac (pl. 600. n. 1323) eine
kleine aber nicht genügende Abbildung davon finden und diese
z. B. in Oveibecks Pompeji auch schon übergegangen ist und
ein Gypsabguss davon existirt z. B. als ein Geschenk des Gross-
herzogs Karl Alexander seit fünf Jahren in der archäologischen
Sammlung zu Jena (s. Göltlingdasarchäol. Mus. zu Jena. Aufl. III.
1*854) ; aber weder war jene Zeichnung eine irgend genügende
zu nennen, noch hat diese ganze Bildung bis jetzt eine eingehende
Besprechung gefunden, wozu sie so sehr veranlassen muss. Wir
haben eine Marmor-, keine Bronzestatue vor uns, wie man zu-
erst wohl meinen möchte, von etwas über zwei Fuss Höhe, aus
Pompeji stammend und in dem Museo borbonico aufgestellt, mit
himmelblauer Bemalung des Gewandes. Der Totaleindruck ist
ein sehr befriedigender und fesselnder mitten unter dem Reich-
thum von Bildungen, die das Venusideal aufzuweisen hat. Ein
edler, weihlicher Körper tritt aus der Verhüllung der unteren
Extremitäten frei heraus und entfaltet durch die zu den gelösten
Haaren in thätige Beziehung gesetzten Arme ein reiches Spiel
der Flächen und ihrer Uebergänge ; dazu herrscht in dem ge-
senkten Haupte ein ergreifender Ausdruck wehmüthigen Ver-
75
«.
sunkenseins. Immer von Neuem fühlt sich der Beschauer ange-
zogen von der ganzen Erscheinung, wie sie seihst durch einen
Zauber gebannt ist an einen uns nicht sichtbaren Gegenstand,
dessen Bild allein in ihrem Innern herrscht: es gemahnt uns an
jene Stimmung, die Göthe in seinem Fischerknaben so meister-
haft geschildert hat.
Jedoch treten wir nur recht nüchtern an die Gestalt heran:
die wissenschaftlich treue Aufnahme wird schliesslich jenen
Rindruck, wenn er ein wahrer ist, nicht zerstören, sondern
nur sicherer begründen. Die Gestalt ruht wesentlich auf dem
linken Bein, daher auch die linke Hüfte herausgebogen ist; das
rechte Bein ist im Kniee leicht eingebogen und der Fuss etwas
zurückgesetzt. Nur wenig mehr als die Zehen des linken Fusses
sind sichtbar, wahrend ein reiches, in grosse Falten fallendes
Gewand alles Uebrige der unteren Extremitäten verhüllt. Die-
ses ist unmittelbar unter den Hüften um die Gestalt fest geschürzt,
so dass man den vollen Eindruck hat : es ist dies keine dauernde,
nur für einen kurzen Buhepunkt, für die Zeit während der Ord-
nung der Haare berechnete und zugleich auch nur für so kurz
haltbare Verhüllung; jede weitere Bewegung mussle sie fallen
lassen. Ein Knoten unmittelbar vor der Scham hat die Zipfel
des oben umgeschlagenen Gewandes verschlungen und diese
fallen nach vorn tief herab, wobei zugleich das ganze Gewand
etwas hinaufgezogen ist und dadurch breite Falten bildet. In
schräger Wechselwirkung mit dem Unterkörper ist die linke
Seite des Oberkörpers gesenkt und etwas eingebogen , dagegen
die rechte frei entwickelt. Der linke Arm mit gesenkter Schul-
ter schliesst sich zuerst dem Körper enger an, ist dann scharf
im Ellenbogen gebogen und so fasst die gehobene Hand über der
Schulter das reich herabfallende Haupthaar des rechts gewen-
deten und zugleich gesenkten Hauptes. Dagegen erhebt sich der
rechte Arm mehr als wagrecht vom Körper ab , um dann scharf
zurückbiegend mit der Hand die Ilaare der rechten Seite über
dem Hinterkopfe zu fassen. Leib, Brust, die Arme sind reif aber
sehr fein und massvoll gebildet. Das schräg nach rechts gesenkte
Gesicht tritt leicht in scharfem Profil hervor und zeigt eine sehr
edele Stirn, höher als bei den meisten Venusstatuen, eine scharfe
Augenlinie und dadurch sehr wirkungsvolle Beschattung des
Auges, das tiefer Hegt als wir es z. B. bei der mediceischen Ve-
nus kennen.
76
Nase, Mund und Kinn sind an feinem Schwung ganz einer
Venus würdig; um den Mund spielt ein leiser Zug des Ernstes
und der VVehmuth, wie die Augen vollständig versenkt sind in
einen Anblick, nicht aber fixirt auf einen bestimmten Punkt.
Es kann gar kein Zweifel sein das Wasser selbst, das mütter-
liche und heimalhliche Element (maternis aquis Ov. Tr. II. 528)
hat es der ihr Entstiegenen angethan , sie kann nicht ablassen
hineinzuschauen. Ich erinnere daran , wie häufig Venusstatuen
an dem Ufer des Meeres aufgestellt wurden (Anyte bei Brunck
Anall. ed. Jacobs I, p. 198, Antipater Sidon. ebendas. II, p. 21
und noch das Epigramm III, p. 205).
Die Haare über dem Haupte gescheitelt sind ohne alle Bande
nach beiden Seiten reich herabgewallt, aber sie tragen durch-
aus mehr den allgemeinen Charakter der Venushaare, jene feine
Welligkeit, als die naturalistische Bildung eines triefenden Haa-
res; das Letztere tritt nur in dem langen Ende der von der
Linken gefassten und etwas gehobenen Haarmasse hervor. Es
ist, was das Gewand auch schon bezeugt, nicht der unmittel-
bare Moment des dem Wasser Enlsteigens gewählt, sondern ein
späterer: bereits ist vorläufig das Gewand umgeknüpft, die
Haare sind nur noch an den Enden voll Feuchtigkeit und wäh-
rend die Göttin sie erfassend drückt, versinkt sie in ein sinnen-
des Träumen, mit ihrem Blicke auf dem Wasserelement ruhend.
Der Gedanke, dass die Göttin sich erst entkleide zum Bade, ihre
Haare löse, wie diese zwei Momente uns bei Phryne, als sie an
den Eleusinien und den Poseidonien als Aphrodite erschien, uns
von Alhenaeus (XIII. p. 590) besonders bezeichnet werden:
(X7C0Ti$6[.uvr] Sal[.ictTL0t yai Ivoaoct rag xo/mg ivtßcuve zfj 9a-
Xcctx^j kann wohl kommen, aber ist nicht der richtige.
Sehen wir uns um nach den analogen Bildungen, die Schrift-
steilen und Denkmäler uns an die Hand geben, so haben wir für
jene auf ein Zeugniss für eine beruh mle Statue der Art und
dann auf das berühmte Bild des A pell es uns zu berufen.
Ovid in der Ars amandi (III. 223) führt, um die Umwandlung aus
rohem, oft hässlichem Stoff in eine schöne Form durch die Kunst
zu beweisen, unter anderen Beispielen an:
cum fieret, lapis asper erat, nunc nobile signum
nuda Venus madidas exprimit imbre comas.
Im Vorhergehenden sind die Werke des Myron als Beispiele
für Bronzewerke angeführt, dann das Beispiel der Steinschnei-
77
derei. Es ergiebt sich daraus, dass in der That die von Ovid
bezeichnete Marmorstatue als ein nobile Signum, als ein Meister-
werk der Marmorarbeit den Bronzen eines Myron ebenbürtig er-
schien und dass es in Rom seinen Lesern und Leserinnen gegen-
wärtig war. Dass das nunc nicht etwa auf die Entstehung in
der Zeit des Dichters hinweist, ergiebt sich einfach daraus, dass
es ebenso vorher heisst : cjuae nunc nomen habent operosi
stana Mvronis. Wir können von vornherein nicht bestimmt ent-
scheiden, ob der Ausdruck nuda auf eine gänzliche Gewandlo-
sigkeit, oder auf eine wesentliche Entblössung , wie sie unsere
Statue zeigt, zu beziehen ist. An das Erstere wird man aller-
dings bei der Thätigkeit des Ausdrückens der Haare immer eher
denken und dies im Verlauf unserer Untersuchung sich bestä-
tigen. Dass das madidas imbre comas nicht auf den vom Him-
mel strömenden Regen , sondern die Wassergüsse und Besprü-
tzung des Meeres zu beziehen ist, versieht sich von selbst.
Entschieden müssen wir aber sagen : das Motiv des Haaraus-
drückens ist original in der Plastik gebildet, nicht erst aus der
Malerei auf die Plastik, wie man meist meint, übertragen wor-
den, wie ein derartiger rückläufiger Einfluss von Gemälden auf
die Plastik ein sehr später, in den Sarkophagreliefs z. B. her-
vortretender ist.
Das;esen können wir annehmen, dass dasselbe früher im
Relief ausgeführt ist und erst später in freien Statuen gebil-
det wurde. So hatte ja Phidias am Balhron des Zeusthro-
nes zu Olympia die Aphrodite hervorgehend aus dem Meere
{ävLOvoav ex d-aXdöGTqg Paus. VIII. 3), also bereits als eineAna-
dyomene dargestellt, empfangen von Eros und bekränzt von
Peitho.
Die Frage, welchem griechischen Meister dies nobile Signum,
das also in Rom Ovid und seiner Zeit gegenwärtig war, ange-
höre , können wir, glaube ich, bestimmter beantworten, als es
zuerst möglich scheint. Wir gehen zunächst scheinbar willkür-
lich aus von der Stelle im Plinius über die Statuen im Bereiche
der Porticus Octaviae und der zwei von ihnen umgebenen Tem-
pel des Jupiter und der Juno (XXXVI. 35): dort werden nach
einzeln aufgeführten Werken des Philiskos aus Rhodus, des Ti-
marchides, dessen Söhnen Dionysios und Polykles, des Heliodo-
ros als im Jupilertempel befindlich genannt: Venerein lavantem
78
sese Daedalus at stantem Polycharmus16). Dass unter der sieh
waschenden Venus die im Bade kauernde Venus zu verstehen
sei, im Gegensatz zu einer stehenden, darüber herrscht heutzu-
tage völlige Uebereinstimmung. Dass die stehende Venus des
Polycharmus, die unmittelbar daneben genannt wird, ein Ge-
genstück dazu bilde und nicht sonst eine beliebige vollbeklei-
dete Venus darstelle, ergiebt eben die enge Zusammenstellung,
während andere Venusstatuen in demselben Bereich vorher ge-
nannt sind. Nun aber woher stammen diese Werke und wel-
cher Zeit gehören ihre Künstler an? Wenn auch einiger Zweifel
in Bezug auf die Glieder der Familie des Polykles besteht, so ist
doch sicher, die vorher genannten Künstler gehören der Zeit ge-
gen Ol. i'6'6, der grossen Bauten des Melellus Macedonicus an.
Wenn es auch möglich ist, dass die Statuen der Juno und des
Jupiter von den Künstlern speciell für diese Tempel gearbeitet
sind, obgleich nichts dazu zwingt, so können wir mit Bestimmt-
heitsagen, das symplegma nobile des Heliodoros, ebensowenig als
die drei Venusstatuen des Philiskos, Daedalos, Polycharmos sind
erst in Rom und für diese Anlagen entstanden, sondern als Sie-
«esbeute dorthin eebracht worden. Urlichs (Chrestom. Plin.
p. 386) vermuthet, dass sie aus Kleinasien oder Rhodos entführt
seien. Wer ist nun Daedalus, der Meister eines in vielen und
trefflichen Wiederholungen uns bekannten Werkes? Urlichs hält
ihn für den sikyonischen Künstler aus der Schule des Polykleitos,
der als Sohn des Patrokles jetzt erwiesen ist und dessen zeitlich
bestimmte Werke Ol. 95, dann Ol. 102 fallen. Es muss dies
der zeitlichen Stellung der hier genannten Künstler gegenüber
schon Bedenken erregen , ebenso sehr aber wegen des Stoffes
und vor allem des dargestellten Gegenstandes. Jener Daedalus
ist Erzbildner (Plin. XXXIV. §. 76), dabei inter ficlores lauda-
tus, also ein trefflicher Arbeiter von T hon werken, Thonmo-
dellen; als Marmorbildner ist er dagegen nirgends erwähnt,
ganz entsprechend dem Charakter der Polykletischen Schule.
-16) So liest Urlichs in der Chrestomalhia I'liniana nach dem Vorgang
von Stcphani im Philol. V. \. S. 178, der aber adslanlem hat. Die hand-
schriftliche Lesart des cod. Bamb. : se sed aedelsas stantem, woraus in
anderen Mscr. Daedahim, ad aedem aliam geworden ist, zeigt die volle
Richtigkeit des Daedalus. Wie Sillig trotzdem in seinem Text den Namen
beseitigen und lesen konnte: sed et aliam, ist unbegreiflich.
- 79
\V;is er gebildet, sind Lüufer, Ringer, Reiter, sich mit der Sni-
gilis Abschabende, sind im Bereich eines grossen Siegesweihge-
schenkes der Tegeaten Nike und Arkas (Brunn Gesell, d. er.
Künstl. S. 278 f.). Glaubt man nun, in dem Gedankenkreis
dieser Schule, dieses Künstlers habe es liegen können eine nur
für den Marmor gedachte, nackte, kauernde Venus im Bade dar-
zustellen und zwar noch ehe Praxiteles den Zauber der Aphro-
dite erst vollständig enthüllte/ Nein gewiss nicht: im Gegen-
thcil, diese kauernde Venus kann erst nach Praxiteles und im
Bereiche der Jüngern ionisch -attischen oder kleinasiatischen
Schule entstanden sein. Nun, kennen wir keinen jüngeren
Daedalüs der in dieser Beziehung in Frage käme? Bis jetzt
scheint es noch nicht, aber er existirt auf das Beste bezeugt,
nur hat man seine Werke mit denen des Sikyoniers zusammen-
geworfen, so auch Brunn (a. a. 0. S. 279). *Arrian bei Eusta-
thios17) berichtet von einem Künstler bei den Hithynen , dessen
Werk in Nikomedia die bewundernswerthe Prachtstatue des
Zeus Stratios gewesen sei. Nikomedia ist aber erst von Niko-
medes I. gegründet worden mit den Bewohnern des von Lysi-
machos giinzlich zerstörten Aslakos , die aus Megara und Athen
stammten (Strabo XII. 4), seitdem er im J. 278 n. Chr. Herr
von Bithjnien gegen Zibölas geworden war. Eusebios giebl die
Gründung der Stadt bei 264 v. Chr. an (vgl. Clinton Fasti Hel-
len. III, p. 4^0 — 130 über die bithynische Dynastie). Erst nach
dieser Zeit hat also ein einheimischer berühmter Künstler den
Zeus Stratios. den göttlichen Erzeuger des Bithynos (Steph.Byz.
s. v. Biövvog), für die Hauptstadt Bithyniens gebildet. Demsel-
ben wird auch ein Werk, eine Artemis Monogissene zu Mono-
gissa in Karien (Steph.Byz. s.v. MovöyLOoec) zuzuschreiben sein.,
wenn nicht dies als lögv/^ta bezeichnete Werk, das mit dem Na-
men der Stadt (yioaa karisch, Stein) in Zusammenhang gebracht
wird, von dem mythischen Daedalos abgeleitet ward. Dieser Bi-
thyner ist auch der Künstler der kauernden Venus. Dies ergiebt
sich auf das Entschiedenste aus bilhvnischen Städtemünzen,
17) Commentar. in Dionys. I'erieg. V. 793. p. 25:2 cd. Beinhardy:
y.uliSriutovnyoi' iure iaroQtl tiuihc BiO-uvois dtitdaXov xakovfievov, o(- ?Qyov
Iv Aixo/Jtid'tia ytrt'aOc.i üiu uucsTor ayctXfia Ztqutiov Jiög. Die Stelle
fehlt unter den Fragmenten Arrians in der Ausgabe von Diibner und Müller
Paris 1846.
80
die allein das Bild der kauernden Venus aufweisen: so zeigt
eine Münze von Nicaea unter Severus Alexander (Mionnet Re-
cueil des med. Suppl. V, p. 135) die kauernde Venus milder
einen Hand das Haar fassend, umblickend zu dem Spiegel, den
ein Eros ihr entgegenhält, während ein anderer mit Fackel zur
Seile steht; dieselbe kauernde Venus erscheint auf einer Münze
von Glaudiopolis oder Bithynion mit dem Bild der Julia Domna
(Mionnet Supplem. V, p. 21. n. 11 1), dieselbe auf einer Münze von
Gangra oder Germanicopolis, ebenso unter Julia Domna, wobei
das Stadtzeichen, die Ziege an Stelle des zweiten Eros getreten
ist (Mionnet Supplem. IV. p. 566). War also auch das Original
des Daedalos in Folge der Erbschaft von Nikomedes IV. im J. 74
v. Chr. oder später nach Rom gewandert, die Bithyner haben
das Werk ihres Landsmannes sichtlich vervielfältigt und es als
Stolz ihrer Städte besonders zu Ehren der Julia Domna auf den
Münzen angebracht. Nicaea aber, die Metropolis von Bithynien,
die Gründung des Antigonos und Lysimachos, scheint die Stätle,
wo das Original sich befand, gewesen zu sein.
Ist es aber nun so ganz zufällig, dass wieder eine bilhv-
nische Stadt, Prusa ad Olympum es ist, welche uns unter Julia
Domna auf ihren Münzen eine nackte stehende Venus, ihr Haar
haltend, zur Seite ein oder zwei Hippokampen zeigt (Mionnet II.
p. 480; Suppl. V. p. 227. n. 1311. 1342); auch die nackte,
mit Händen gefesselte Androrneda auf einer Münze unter Tra-
jan ebendaher (a. a. 0. n. 1318) möchte wohl eine A'enus in
dieser Situation sein. Derselbe Typus begegnet uns noch einmal
mit einem Delphin zur Seite in einer Stadt des angränzenden
Phrygiens, in La odi cea (Mionnet IL p. 351 . Suppl. VII. p. 578);
zugleich mit einem Spiegel in dem diesem benachbarten Philo-
melium (Mionn. Suppl. VII, p. 606).
Nach alledem liegt es also sehr nahe, dass die mit der er-
weislich aus Bithynien stammenden kauernden Venus des Dae-
dalus zusammengenannte, zu ihr als stehend in einem gewissen
Gegensatz innerhalb eines und desselben Hauptmotivs gestellte
Venus des Polycharmus gleichzeitig und aus derselben Ge-
gend nach Rom in die Porticus Octaviae oder genauer den Jupi-
tertempel darin versetzt sein wird. Und dann haben wir in ihr
das nobile Signum des Ovid, die nuda Venus, welche madidas
exprimit imbre comas. Diese Werke sind natürlich nicht be-
reits unter Metellus nach Rom gekommen, sondern, wie wir
81
schon gesagt, nach der römischen Erbschaft (74 n. Chr.), zur
Zeit, als man auch mit des Praxiteles Statuen die pc-rticus
schmückte.
Die Anadyomene des Apelles, dieses von Augustus aus
dem Asklepiostempel zu Kos nach Rom übergeführte und in dem
Tempel des Caesar auf dem Forum aufgestellte Bild18), welches
daher die Dichter der augusteischen Zeit aus eigener Anschauung
preisen konnten19), war in dem Moment des Heraustretens aus
dem Meere (exeunlem e mari Plin. IL), daher in völliger Nackt-
heit (nuda Dione pingitur Ov. Am. I. 33), ohne alle Beziehung
zu einem Gewände dargestellt; wir haben sie daher auch nicht
mit dem unteren Theile des Körpers im Wasser geborgen,
schwimmend zu fassen , wie dies allerdings auch Darstellungen
aufweisen , oder auf einer Muschel sitzend emporgehoben uns
zu denken. Welch glückliche Aufgabe für den Maler in einem
solchen den ganzen Glanz und feuchten Schmelz des Wassers
an sich tragenden Körper lag, sieht man leicht ein. Ueber wei-
tere Details der Umgebung erfahren wir nichts, griechische und
lateinische Dichter wetteifern immer nur darin das Motiv der
die Haare haltenden, trocknenden, ausdrückenden
Hände zu schildern20).
Geben uns diese beiden berühmten Werke genau das Motiv
der Handbewegung und Haarbildung unserer Statue, dagegen
nicht das Motiv der Gewandung, so finden wir das letztere in
einer Bronzeslatue, die im Zeuxippos zu Byzanz aufgestellt war
und die Christedoros in seiner Ecphrasis so schildert :
dnb otsqvolo di yv^ivt]
yoivEvo ftsv, cpaqog de avvrjyayev avtvyi f.irjQüjv,
18) Plin. H. N. XXXV. 91; Strabo XIV. 2. p. 657 und dazu Elster Exe.
Plinian. pari. II. Heimst. 1852. p. 6; pari. III, p. 7, sowie Brunn Gesch.
d. gr. Künstler II, S. 204 f.
19) Ov. Amor. I. 33; III. 400; Trist. II. 527; ex Ponto IV. 1. 30; Prop.
El. III. 9. 11.
20) ZvnfMtQTTTtiv und IxüXtfetv («fQöv anb nXoxafiüv, ßoargvxov tx-
mlt,iiv aXa Leon. Tarent. in Brunck Anall. I, p. 231. n. 41, Demokrit.
1. 1. II, p. 260, Antheias 1. I. T. II, p. 95, Jul. Aegypt. 11, p. 500. n. 32. Sic-
cat digitis capillos Ov. Trist. II. 527 ; aequoreo madidas premit imbre co-
mas Ex Ponto IV. 1.30; humenti suslinuisse manu Amor. I. 33 ; complexa
manu madidos salis aequore crines humidulis spumas strinuit utraque co-
mis Aus Epigr. 106.
1860. - 6
8?
aber ihr Haar ist bereits geordnet und in eine goldige Haube zu-
sammengefasst :
Xqvoeirj 7iXoy.af.udag vnoGcpiy^aaa y.aXv7tTQTj.
Wenden wir uns nun zu den erhaltenen Kunstdenkmälern,
welche die Göttin mit den Händen an den Haaren beschäftigt
zeigen, so theilen auch sie sich in zwei Reihen, in solche, die
völlige Nacktheit damit verbinden, also jenem nobile signum
wahrscheinlich streng folgen, und solche, die dabei ein über die
Schenkel geknotetes Gewand zeigen , die also unserer Statue
am nächsten stehen. In beiden Reihen ist wieder entweder der
Ausdruck des Auspressens der Haare oder mehr des Haar-
schmückens gegeben , wobei denn auch auf Salben eine Rezie-
hung sich hinzufügt, das Haar schon oft theilweis geordnet ist
und daher nur die eine Hand unmittelbar mit dem Haar sich
beschäftigt. Die Zahl der hierher gehörigen kleinen Rronzen ist
keine geringe, aber ihre nähere Kenntniss bis jetzt zu mangel-
haft, um sie genau zu classificiren. Von grösseren Rronzen und
Marmorwerken kann ich folgende vergleichen.
Reginnen wir mit den Gewandslatuen, so bietet sich uns
in dem Museo borbonico eine zierliche Bronze aus Hercula-
num von 6 Zoll 5 Linien zur interessantesten Vergleichung
dar. Sie ist bereits abgebildet in den Antichitä di Ercolano t. VI.
Taf. M. n. 1, zuletzt bei Roux und fearre Herculan. und Pom-
peji. Deutsche Ausg. Th. V. Taf. 15. Auf einem runden Posta-
ment steht die Figur ; der Schwerpunkt lie^t. auch hier in dem
linken Fuss, das rechte Bein ist leicht gebogen und zurückge-
setzt, das Gewand etwas unter der Scham zusamtnengeknotet.
An dem Oberkörper ist die linke Schulter und Arm auch gesenkt,
die rechte gehoben und die Rewegung der Arme zu den Hanren
eine demgemässe. Der Kopf, der von besonderer Feinheit und
Zierlichkeit ist, hat durchaus nicht die starke Senkung unserer
Statue, ist vielmehr nur leicht nach rechts gebogen und der
Ausdruck der Trauer ihm fremd. Die Haare haben gar keine fle-
ziehung mehr zu dem Wasser, sondern sollen nur geordnet oder
geschmückt werden ; eine arecpavrj ziert bereits als bester Re-
weis dafür die Stirne.
Von Marmorstatuen kann ich zunächst zwei zur Ver-
gleichung heranziehen : einen sehr verstümmelten Venustorso
von griechischem Marmor und guter Arbeit, von Albacini ergänzt,
im Vatican (Mus. Chiaram. I, pl. 26; Clarac pl. 6!0. n. 1356) und
83 —
eine früher Gavaceppi gehörige auf der Ueberfahrt nach England
untergegangene Statue (Clarac pl. 599. n. 1314). Welcker zu
Müllers Archäol. § 377, 1. erwähnt eine Wiederholung im Hin-
terhofe des Palastes Borghese.
Die erste Statue entspricht in der Molivirung ihrer antiken
Theile sehr genau unserer Figur: Schwerpunkt im linken Fuss,
linke Hüfte etwas ausgebogen, rechtes Bein etwas zurückgesetzt
und leicht eingebogen ; die Linien der rechten Seite des Rum-
pfes sehr entwickelt, der Oberkörper nach links eingebogen und
gesenkt. Aber der ganze rechte Arm vom Deltoides an und die
Hälfte der linken Brust, sowie linke Schulter, mit Hals und
Arm ist neu , der Kopf ist antik, aber ob er dabei gefunden
ward, mir nicht bekannt. In der Ergänzung ist der rechte Arm
bedeutend höher gehoben, als derselbe unserer Statue und das
Haarmotiv auch ein etwas anderes. Jedenfalls ist dieser Torso
ein sehr schlagendes Gegenstück zu unserem Denkmal und
interessant, da er in seiner Ergänzung eine Grösse von 6 Pal-
men 3 Zoll hat , also etwas über Lebensgrösse ist. Ich nannte
noch eine zweite Statue, die man zur Vergleichung heranzie-
hen könnte, aus der Sammlung Cavaceppi, jedoch fehlen mir
über sie alle Details über die wahrscheinlichen Ergänzungen.
Auch hier ist das Gewand unmittelbar unter den Hüften um-
geknüpft und mit dem Knoten vor der Scham befestigt, auch
hier dasselbe Motiv der vorn herabfallenden Zipfel , auch hier
die linke Seite des Oberkörpers eingebogen , die rechte sehr
entwickelt und der Arm gehoben. Aber wie der linke Fuss,
welcher ganz aus dem Gewand heraustritt, vielmehr auf die
Zehen gehoben ist, so ist auch der ganze Oberkörper mehr nach
vorn übergebogen, auch der Kopf links und vorgewendet; die
Arme sind jetzt so motivirt, dass aus der gehobenen rechten
Hand Flüssigkeit in die vorgestreckte linke Hand geträufelt zu
werden scheint, also ein Toilettenmotiv, aber ohne direkte Be-
ziehung zum Haar. Inwieweit dies richtige Ergänzung genannt
werden darf, ist mir unbekannt.
Gehen wir nun auf die andere Reihe von Venusstatuen
ein , welche jenes Motiv der von den Händen gefassten, ausge-
drückten Haare mit gänzlicher Nacktheit verbinden, also
darin dem nobile Signum sich enger anschliessen , so nehmen
zwei Bronzen unter der grösseren Zahl der hier und da er-
wähnten kleinen Bronzefiguren der Art unser Interesse näher
- 6*
84
in Anspruch21): eine florentiner (Gal. reale di Fir. S. IV. t. 2.
pl. 89. Clarac pl. 626. n. 1408) und eine in der Saone zu Pon-
tarlier gefundene, zuerst im Besitz eines Herrn Laoarche be-
findliche (Miliin Monum. ined. t. II, pl. 28. Müller-Wieseler D.
A. K. II. T. 26. n. 284). An Grösse stehen sie sich ziemlich
nahe ; bei der florentiner beträgt sie 1 Palme 2 Zoll , bei der
französischen 9 Zoll 9 Linien franz. Mass. Der Stil der ersteren
ist entschieden der bessere, anmuthigere. Sie entsprechen sich
vollständig bis auf Gesicht, Haarbehandlung und das Detail der
Handbewegung. Bei beiden wieder das Hauptgewicht auf dem
linken Fuss, der rechte leicht gehoben und zurückgesetzt, die
linke Hüfte sehr ausgebogen, dagegen die linke Seite des Ober-
körpers eingesenkt, die ganze Vorderseite breit entwickelt, in-
dem die Arme möglichst in gleicher Ebene mit dem Körper selbst
heraustreten. Der rechte Arm ist nicht über das Wagrechte,
wie bei der von uns besprochenen Statue, hinausgehoben, son-
dern etwas gesenkt, beide Unterarme sind natürlich gehoben,
die rechte Hand zeigt bei der einen Figur die innere Fläche, bei
der andern die Rückseite. Der Kopf hat eine leise Biegung und
Senkung nach rechts, der Blick ist nicht gesenkt, sondern in die
Ferne gerichtet. In den Haaren zeigt sich , wie wir bemerkten,
eine wesentliche Verschiedenheit. Die französische Bronze hat
ein ganz naturalistisch behandeltes , triefendes, daher in zwei
Massen compakt herabfallendes Haar , die florentiner dagegen
sehr leicht und freigebildete Haarlocken, die aber dennoch die
Beziehung zum Wasser sehr unverkennbar zeigen. Auch das
Gesicht jener ist entschieden porträtartig, mit einem übermässig
kleinen Mund, die Pupillen sind scharf angegeben, während
diese durchaus ideal gehalten ist; jene ist römische naturalisti-
sche Arbeit, auf dieser liegt noch der Hauch griechischer Kunst.
Eine etwas verschiedene , feinsinnigere Motivirung dessel-
ben künstlerischen Grundgedankens giebt uns die auf Taf. VIII.
meines Wissens zuerst veröffentlichte Venusstatuette, von wel-
cher ein Gypsabguss in der Heidelberger Sammlung von mir
vorgefunden ward. Das Original ist entschieden Bronze- üeber
ihren Fundort, sowie jetzigen Aufbewahrungsort gelang es mir
nicht eine bestimmte Nachweisung zu erhalten. In Neapel , wo
21) So sah ich in der Houbenschen Sammlung in Xanten eine solche,
10 Centim. hoch mit Armspangen an den beiden gehobenen Armen.
_ 85
man sie zunächst zu suchen geneigt sein wird, erklärte Miner-
vini auf Prof. Gerhards freundliche Vermittelung, sie sei dort
gänzlich unbekannt. Ihre Höhe beträgt ohne Basis 14 Centi-
ineter. Auf einer runden Basis steht die Göttin, zur Seite ein
mit dem abgelegten Gewand überdecktes Gefäss ; auf dem Bo-
den zieht sich ein Zipfel des Gewandes noch hin. Der rechte
Fuss bildet hier den wesentlichen Stützpunkt, daher auch das
rechte Bein angespannt ist, die rechte Hüfte stärker hervortritt,
die Weiche mehr eingesenkt ist. Der linke zurückgezogene Fuss
ruht auf den Zehen, das linke Bein ist leicht gebogen und drängt
sich schützend mit dem Oberschenkel an das rechte Bein an.
Die Körperlinie der linken Seite ist leichter geschwungen und
mehr entwickelt. Der Unterleib ist zart behandelt, die Brüste
voll und jugendlich spitz. Ueber beide fällt das gelöste, feuchte
Haar in grösseren Strängen von dem stark nach rechls und zu-
gleich abwärts geneigten Haupte. Beide Arme sind mit dem
Haar beschäftigt: der rechte ist höher gehoben und greift in den
gelösten Haarbüschel, der als Krobylos geordnet war, der linke
wendet sich niedriger an die Seite des Kopfes und greift hier in
die herabwallenden Haare herein. Die Haare umschatten, um-
wallen tief das feine ovale Gesicht, dessen Blicke mit entschie-
denster Wehmuth schräg nach unten, sichtlich zum feuchten
Element gerichtet sind. Man kann in der That zuerst hier zwei-
felhaft werden, ob es sich um das erste neue Ordnen nach dem
Bade oder um das letzte Lösen vor dem Bade handelt ; man
wird nach sonstiger Analogie für das Erstere sich entscheiden.
Von Marmor werken kann ich zwei dieser Beihe zunächst
angehörige zur Vergleichung heranziehen : eine Statue der
Sammlung Torlonia (Clarac pl. 622 B. n. 1408 A) und eine der
Villa Pamfili (Clarac pl. 626 B. n. 1383 F). Die erstere (Höhe
8 Palmen 7% Zoll), von sehr schmächtiger, ja dürftiger Bildung
des Unterkörpers gegenüber dem Oberkörper ist unterhalb der
Kniee ergänzt, aber hat dieselbe Stellung, die vu'r fast durch-
gehend gefunden, mit dem Buhepunkt im linken Fuss und der
Biegung des rechten Beines. Nur scheint der rechte Oberschen-
kel hier im natürlichen Gefühl der Scham weiter vorgeschoben,
als wir bisher sahen. Die linke Schulter ist wieder gesenkt,
ebenso der linke Oberarm , während der rechte wagrecht sich
streckt. Die linke Hand ist einfach auf die in reicher Fülle herab-
fallende Haarmasse gelegt, die rechte hebt die Fülle der Haare
V
86 - — -
daseien in die Höhe. Der Kopf fast umschattet durch die Mas-
sen des gelösten Haares ist stark nach der linken Seite gesenkt
und hat den entschiedenen Ausdruck der Wehmuth , die Züge
haben dabei etwas Individuelles, was schon in diesem Aus-
drucke leicht gegeben war. Die unteren Enden der herabfallen-
den Haarlocken sind ergänzt. Von dem daneben stehenden
Delphin ist die obere Spitze antik.
Die andere Statue von kleinem Massstabe (3 P. 3 Zoll) aus
griechischem Marmor ist in ihren unteren Extremitäten ober-
halb der Kniee ergänzt , von den Armen ist der rechte am Be-
ginn des Deltoides ergänzt, der linke am Ende desselben; die
Zuthat des Badegefässes ist modern mit der ganzen Basis. Auch
hier gleiche Motivirung der unteren Theile, der Körper selbst
nur wenig nach links eingedrückt, der Kopf etwas rechts ge-
senkt mit jugendlicher Gesichtsbildung, die Haare einfach ge-
scheitelt, feucht und daher compakt, ohne besondere Fülle. Dass
die linke Hand das Haar gefasst, geht aus den erhaltenen Thei-
Jen klar hervor, nicht so auf der rechten Seite, wo eine leichtere
Haarlocke auf die Schulter herabfällt; die Rechte hielt also viel-
leicht einen Toilettegegenstand.
Wir fügen hier noch die Erwähnung einer im Palast Co-
lonna in Rom stehenden Venus hinzu, welche als mit beiden
Armen das Haar fassend bezeichnet wird ; ob sie unterwärts
bekleidet ist, oder gänzlich gewandlos, davon ist mir nichts be-
kannt (Beschreib. Roms III. 2. S. 170).
An dieser Stelle muss ich auf einen trefflichen Venustorso
aufmerksam machen, der auf macedonischem Boden, im
alten B er oea sich findet und erst kürzlich von Delacoulonche
in seinem Memoire sur le berceau de la puissance macedonienne
des bords de l'Haliacmon et ceux de l'Axius in der Bevue des
societes savantes T. V. Juill. 1858. p. 109 ff. beschrieben ist
nebst einer kleinen bildlichen Skizze. Er gehört mit seinen vorn
über die Schullern herabfallenden Locken in diese Beihe, wenn
auch über die Bewegung seiner Arme, ob beide, ob einer das
Haar fasste, man in Zweifel sein muss. Die Worte des Beisen-
den werden am besten selbst für das Werk zeugen (p. 115).
»G'est pres de la maison d'un Türe, que se trouve le der-
nier fragment le plus interessant. C'esl un torse de femme de
grandeur naturelle d'un lies beau style, quoique un peu maigre.
Le corps est completement nu : les seins legerement muliles
— 87 —
laissent voir toule la purele de leurs conlours, ils ne sont pas
tres developpes. G'est une jeune fille plutöt qu'une femuie, ce
n'est pas Ja beaute aecomplie, mais celte gräce delicate qui lutle
et qui rivalise avec eile. La courbe des hanches, le modele de
la poitrine et du ventre sont d'une grande verite et d'une grande
souplesse. Les contours du dos ont dans leurensemble de l'ele-
gance et de la fermele. Aux boucles de cheveux, qui relombent
de chaque cöte sur la poitrine, ä la suavite ideale du corps nu
on reconnoil une statue de Venus. Le mouvement n'est mal-
heureusement pas assez indique pourqu'on puisse deviner l'aclion
de la deesse. II semble pourtant, qu'elle les relevait et peutetre
qu'elle les portait ä sa tete. Elle rappellerait ainsi la Venus Ana-
dyomene nue comme eile sortant de la mer et exprimant Feau
dont sont imbibes ses cheveux. On aimerait ä se figurer que c'est
lä une copie de la Venus peinte par Apelle. Quoiqu'il en soit, ce
fragment appartient evidemment ä une excellente epoque, il date
des rois de Macedoine — c'est le plus beau monument de 1'art
antique que l'on trouve aujourd'hui dans la Macedoine«.
Dass dieses Motiv der entkleideten, mit beiden Händen das
Haar ausdrückenden Göttin auch den Terracottabildungen nicht
fremd blieb, war natürlich. Als ein Fragment schönster Art wird
uns eine aus Syrien gekommene Terracotte der in Paris 1852
versteigerten Sammlung Peretie bezeichnet (Arch. Anz. 1853.
n. 60. S. 403). Auch in die Reliefs der Sarkophage, wo uns
die Beziehung zu gestorbenen Frauen in mythologischen , aus
dem Venusbereiche entnommenen Bildern vergegenwärtigt ward,
ist die aufrechtstehende, nackte, das Haar ausdrückende Göttin
übergegangen , womöglich von Tritonen in einer Muschel in die
Höhe gehoben (Raoul Rochette Choix de peint. Texte p. 301.
n. XVI).
Wir haben oben bereits auf eine wesentliche Modification
der Grundauffassung der mit dem Haar beschäftigten Venus auf-
merksam gemacht; indem wir bisher absichtlich die diese Mo-
dification dabei zeigenden Denkmäler übergingen , müssen wir
sie nun als eine den andern ganz nahe verwandte und doch in
sich besondere Denkmälergruppe ins Auge fassen. Das Wesent-
liche ist also, dass aus dem Motiv des einfachen Haarausdrückens
der dem Bad entstiegenen Göttin nun das des Schmückens und
Ordnens, besonders auch des Salbens hervorgeht und nur eine
Hand mit dem Haar in Berührung bleibt. Es ist mir durch die
88
Güle des Herrn Prof. Gerbard möglich zu dieser Auflassung auf
Taf. VII. B ein kleines interessantes dahin gehöriges Denkmal
zu publiciren.
In den Vordergrund tritt hier eine bekannte Marmorstatue,
die auf dem Forum Praenestinum gefundene spätrömische Por-
trätstatue in einer Venusbildung, die als J u 1 i a Soaeniias von
Visconti erkannt und im Vatikan aufgestellt ward (Mus. Pio Cle-
ment. II, pl. 51. Clarac pl. 607. n. 1339. Müller D. Ä. K. I,
Taf. 71. n. 402). Das Gewandmotiv ist völlig das allgemeine
dieser Art Statuen, speciell der pompejaniscben, von deren Be-
trachtung wir ausgingen, dagegen ist der Schwerpunkt auf die
rechte Seite gelegt und das linke Bein leicht gebogen, aber doch
weiter vorgesetzt. Der starke, wenig erfreuliche Oberkörper ist
fast ganz im Gleichmass beider Seiten gehalten , indem beide
Schultern gleichmässig gesenkt sind. Zwischen ihnen tritt Hals
und Kopf frei heraus, jener etwas nach rechts gewendet, das
Gesicht etwas links gedreht, aber nicht gesenkt. Der Kopf ist
verhältnissmässig klein, aber durchaus Porträt; die Haare sind
einfach gescheitelt, hinter das Ohr gestrichen und fallen dann
zu beiden Seiten mit einer langen Locke auf die Schultern herab,
aber können als Perrücke abgenommen werden bis auf die En-
den der Locken , die mit dem Körper aus einem Stück gebildet
sind. Nur der rechte Arm ist wieder nach oben gebogen und
fasst eine Locke, der linke Arm dagegen ist schräg abwärts ge-
wandt und mit Becht in die Hand ein Balsamar gegeben. Zur
Seite befindet sich ein Delphin mit Amor.
Von einer zweiten Statue im Vatikan , im Museo Chiara-
monti (Mus. Chiaram. pl, 25. Clarac pl. 61 0. n.1355) kommt nur
der Kopf mit seinem reichen , von einem Band durchflochtenen
Haar in Betracht, von dem eine herabfallende und dann gehobene
Locke auf der rechten Seite allerdings eine hebende Hand vor-
aussetzt; schon der nackte Oberkörper mit den Armen gehört
nicht dazu nach dem Marmor, am wenigsten der Unterkörper
mit den Extremitäten , der ganz der oberen Situation fremd ist
und dessen wir bei Erwähnung der Syrakusaner Statue ge-
dachten.
Auf ein bedeutendes statuarisches Werk dieser Gattung
weist ein geschnittener Stein bei Lajard (Becherches etc. pl.
XIV G. n. 15) entschieden hin; drei weibliche Gottheiten er-
scheinen hier vereint, die assyrische Hera mit hohem Kopfauf-
89 —
satz , zwei Stiere zur Seite, Geisel und Aehre in der Hand, zur
einen Seite Athene Nikephoros, zur andern Aphrodite, mit dem
Gewand um die Hüften geschlagen , mit der linken Hand die
lange Haarmasse hebend und drückend , in der rechten einen
Gegenstand, wohl ein Balsamar vor sich haltend, ein Eros reicht
ihr dabei einen Kranz hinauf.
In diese Reihe gehört endlich das kleine, von uns auf
Taf. VH. B. veröffentlichte Denkmal. Die mehrseilig geschliffene
goldene Nadel, ein römischer Damenschmuck, wird von einem
Thierkopf (Löwe oder Luchs?) bekrönt. Auf diesem erhebt sich
die mit einem Trochilus gegliederte Platte mit einer etwas über
7 Gentim. hohen Figur. Sie selbst in einem manierirten Stil
gebildet steht aufrecht auf beiden Füssen; der linke Fuss ist
gerade aufgesetzt, der rechte etwas zurückgezogen und leise ge-
bogen. Ihr Oberkörper ist völlig entblösst bis auf den einen
kurz über die linke Schuller nach vorn übergeschlagenen Zipfel
des Gewandes. Dieses zieht sich unter den Weichen um den
Unterleib mit umgeschlagenem oberem Rand herum und wird
sichtlich an der linken hinteren Seite von der hier angelegten
linken Hand gehalten. Die Beine in regelmässigen Falten ziem-
lich eng umschliessend fallt das Gewand bis auf die Füsse
herab und stösst hier noch schräg sich erweiternd auf den Bo-
den auf. Von den Füssen sind nur die Spitzen sichtbar. Der
Oberkörper erhält seine Hauptmotivirung durch die Hebung des
rechten Armes, der mit einer Biegung des Ellenbogens ziemlich
im rechten Winkel sich zu dem Scheitel des etwas vor- und
rechts gebogenen Kopfes zurückwendet. Die Hand fasst hier
über der Stirne eine starke Haarlocke. Sonst erscheint das Haar
einfach zurückgestrichen. Das Gesicht hat scharfe fast porträt-
artige Züge. Man wird hier auch zunächst an ein Ordnen des
Haares überhaupt , weniger an ein Ausdrücken des feuchten
Ilaares der dem Meere entstiegenen Göttin denken. Gewiss ein
passendes Motiv für ein zum Befestigen des Haares verwendetes
Objekt.
Dasselbe Motiv, die Haarlocke mit der einen Hand allein zu
fassen, finden wir aber auch mit gänzlicher Nacktheit ver-
bunden. In Leyden sah ich in der kleinen Gypsabgusssamm-
lung nach Antiken , welche im Gebäude des Reichsherbariums
sich befindet, einen interessanten Gypsabguss , welcher eine
Uebergangslufe von den eben genannten mit Gewand um den
90
Unterkörper bekleideten Statuen zur Gewandlosigkeit zeigt ;
während die rechte Hand die Haarlocke fasst, zieht die linke das
Gewand vom Bodengefäss herüber zum Schoos, also in der Weise
der Venus von Troas. Wo das Original dazu zu finden, konnte
ich nicht erfahren. Völlige Nacktheit zeigen zwei interes-
sante wenn auch in ihrer Arbeit nicht besondere Marmor-
statuen, eine in München (Clarac pl. 618. n. 1578) und
eine früher in der Sammlung C h a b la is zu Rom (Clarac pl. 626.
n. 1406). Jene ist klein (2 F. 2 Z.) ; in der grössten Unbefan-
genheil, ohne alles Bestreben durch eine Kniebewegung den
Anstand zu wahren steht die Göttin, das Haar ist in einer star-
ken Masse vom Hinterkopf zur linken Schulter herübergefühlt
und wird hier von der Hand gefasst , die etwas gesenkte rechte
Schulter und der diese Richtung fortführende rechte Oberarm
lässt in der Hand einen Gegenstand als gehalten vermuthen.
Die andere Statue von grösseren Dimensionen (5 Palm.), aber
mittelmässiger römischer Arbeit ist durch die gute Erhaltung der
verschiedenartigen Zuthaten interessant; die Häufung derselben,
die uns in das Badezimmer einer römischen Dame gleichsam
einführt, giebt uns zugleich die Endpunkte an, in welche
die Ausbildung dieser Motive bei dem Venusideal führte. Auch
hier eine gleiche völlige Unbefangenheit der Situation, der rechte
Fuss ist ziemlich weit zurückgesetzt, der Schwerpunkt ruht auf
dem linken Fuss. Der rechte Arm hebt leicht die über die Schul-
ter fallende reiche Haarmasse, der linke Arm ist mehr gesenkt
und hält ein Balsamar. Das Haar ist vorn bereits wesentlich ge-
ordnet. Neben ihr befinden sich zwei kleine Eroten , der eine
mit beiden Armen ein Schmuckkästchen emporhaltend, der an-
dere ein grosses Alabastron hinaufreichend ; dazu kommt end-
lich auch das Badegefäss mit dem darüber niedergelegten Bade-
tuch oder Gewand.
So haben wir also die Durchbildung eines glücklichen und
bedeutsamen Grundmotivs, das von einem bedeutenden Künst-
ler auch in der Plastik wie von Apelles in der Malerei aufgestellt
war, durch statuarische Werke in Bronze, Marmor, Thon und
edelem Metall nach allen Hauptbeziehungen, zum Bad, zum
Schmuck, zum Ankleiden, in idealer und porträtartiger Auffas-
sung verfolgt und kehren zu unserem an die Spitze gestellten
Monument zurück. Ihr näherer Kreis in dem weiteren Bereich
ist ihr zugleich schon angewiesen, aber sie übertrifft alle anderen
91
besprochenen Wecke in dem Ausdruck, der schon in der Bewe-
gung des Hauptes, dann aber auf dem Gesicht sich ausprägt.
Diese Stimmung sehnsüchtiger Versenkung, das uns am Rand
eines strömenden, immer sich erneuenden Wassers wohl er-
greift und welches mit dem Wesen der meerentstiegenen Aphro-
dite so tief zusammenhängt, fehlt einzelnen der genannten Werke
nicht ganz, z. B. der Statue im Museo Chiaramonli oder in Villa
Pamfili, aber keine prägt sie so lebendig und tief aus, wie die-
ses anziehende Pompejanische Werk. Wo die Slatue in Pom-
peji gefunden ward, ist mir nicht bekannt, aber wir werden
kaum irren sie uns am Rand eines Wasserbeckens aufgestellt zu
denken.
In dieser Senkung des Hauptes, in dem Ausdrucke der
Wehmuth erhalten wir ein treffendes Analogon zu dem Torso
der sogenannten Psyche von Neapel22), die ebenso wie die be-
rühmte Venus victrix im Amphitheater von Capua gefunden
ward und gleiche Behandlung zeigt. Der Venuscharakter dersel-
ben ward vom Bildhauer E. Wolff schon vor längerer Zeit rich-
tig erkannt (Bull. d. inst, di corr. archeol. 1853. p. 132), aber die
Motivirung der stark gesenkten rechten Schulter und des Oberar-
mes, der gehobenen linken Schuller, des Gewandrestes am Rücken
ist noch nicht genau ins Auge gefasst worden. Sie weist ent-
schieden auf die Hebung des Gewandzipfels mit der linken Hand
und auf die Thätigkeit der rechten Hand an dem wahrscheinlich
in die Höhe gezogenen rechten Fusse hin und führt uns so in den
Kreis von Venusbildungen, der ebenfalls aus dem Grundmotive des
dem Bade Entsliegenseins entsprungen, mit reichen Variationen
durch ausgezeichnete Marmortorsen z. B. in London (Clarac pl.
622 A. n. 1406 C), aus Alexandria in Nimes jetzt (vgl. mein
Städteleben Kunst und Alterthum in Frankr. S. 595), durch
Bronzen und Terracotten vertreten ist und zu einer eigenen Be-
handlung einladet. '
Jn
III. Venus mit dem Spiegel.
Wir haben bei den Untersuchungen, die an die zweite Publi-
kation einer Venusbildung sich anschlössen , den Weg von dorn
22) Ob die von Panofka unmittelbar vor seinem Tode versprochene
Erklärung des Psychetorso durch ein pompejanisches Wandgemälde ver-
öffentlicht ist, ist mir unbekannt; vgl. Archäol. Anz. 185S. S. 183. 193.
- 92
einfachen und so bedeutungsvollen Motiv des Meerentsteigens
und der ersten daran sich schliessenden Thätigkeil des Haarab-
trocknens zu dem des sich Schmückens, des sich mit einem Ge-
genstände der Toilette Befassens in den Denkmälern verfolgen
können. Zu diesen Gegenständen gehört vor allem der Spiegel,
das Salbgefäss, das Schmuckkästchen, dann solche, die wirklich
dem Körper angelegt werden, wie die Brustbinde, schmuckende
Binge an Arm und Bein , Halsschmuck. So sehr die ergänzende
Willkür der Bestauratoren hier oft Ungehöriges hinzugefügt, so
wichtig sind uns die wirklich antiken Beispiele der Erhaltung
solcher Gegenstände und die durch vergleichende Betrachtung
sich ergebende Sicherstellung derjenigen Motive des ganzen Kör-
pers, die durch das Hallen, sich Befassen mit solchen Gegen-
ständen bedingt werden. In dieser Beziehung bietet uns die auf
Taf. IX. publicirte Bronze ein neues und interessantes Bei-
spiel dar. Sie befindet sich jetzt im Besitze des bisherigen hol-
ländischen Gesandten in Born de Meester van Bavestein , stammt
aus dem Königreich Neapel, wahrscheinlich aus Pompeji und die
Zeichnung giebt die Grösse derselben23]. Ein rechteckiges be-
deutend breiter als tiefes Postament , auf vier Thierklauen ru-
hend trägt die aufrecht stehende Statue, die jedoch nicht ganz
in die Mitte der Platte gestellt ist; in der That zeigt sich zur
Bechten derselben noch eine Vertiefung, worin ein anderer klei-
nerer Gegenstand befestigt war, wahrscheinlicher ein Gefäss mit
Gewand als ein Amor, doch ist das Letztere auch wohl möglich.
Die völlig unbekleidete Gestalt steht ruhig auf beiden Füssen,
jedoch so, dass der linke den Hauplruhepunkt bildet, die linke
Hüfte ein wenig mehr ausgebogen ist. Das rechte Bein ist etwas
gebogen und zurückgesetzt. Die Körperformen sind breit und
voll zu nennen, doch weniger fein durchgebildet. Beide Schul-
tern sind heruntergelassen und beide Oberarme senken sich
ähnlich schräg und vom Körper abseits. In den Unterarmen tritt
die verschiedene Motivirung bestimmt hervor : der linke ist rück-
wärts zur Schulter gebogen und die Hand deckt dieselbe für den
Beschauer, da^e^en der rechte Unterarm streckt sich horizontal
und bildet auf seiner inneren Seite den Stützpunkt zu dem in
der gehobenen Hand gehaltenen Gegenstand, welcher sich sofort
23) Vorgezeigt und besprochen ward sie in der Sitzung des archäol.
Institutes am 12. Febr. 1858, s. Aich. Anz <85S. S. 179.
93
als Handgriff eines Spiegels zu erkennen gieht ; noch befindet
sich der Anfang zur Rundung daran. Der etwas rechts gewen-
dete , aber durchaus nicht gesenkte Kopf zeigt eine Porlrälbil-
dung. Das Haar ist vollständig und sorgfältig geordnet, um das
Gesicht zieht sich ein breiter Streif künstlich gemachter Haar-
wellen in einen Bausch über den Ohren endend, wie wir solche
bereits an pompejanischen weiblichen Statuen finden , noch
mehr ihnen in späterer römischer Sitte begegnen. Darüber er-
hebt sich ein breites und hohes Diadem. Von den eng anliegen-
den Haaren des Hinterhauptes fällt ein starker Haarbüschel auf
die linke Schulter herab, während das Ende eines breiten Haar-
bandes auf die rechte Schulter sich senkt. Die Göttin oder die
als Venus dargestellte römische Dame ist also dabei im Spie-
gel die eben vollendete Toilette der Haare zu überschauen , mit
der einen Hand bereit dies oder jenes daran noch leicht zu ver-
ändern.
Mag auch vielleicht bei dem Spiegel, diesem feingewölb-
ten, ehernen Diskus eine dunkle Erinnerung an das eherne Him-
melsgewölbe im Hintergrund gelegen haben , zu welchem die
Aphrodite Urania in so enger Beziehung stand und welches bei
ihr oder der Aphrodite Areia in der Benutzung des Schildes als
Spiegel einen bestimmteren Ausdruck fand24), so ist es doch
gewiss, plastische Künstler und vorher die Dichter sind nicht
von diesem kosmischen Gesichtspunkte ausgegangen, als sie der
meerentstiegenen, aus dem Wasser geborenen Göttin die Bezie-
hung zum Spiegel gaben, man möchte eher dann an den Spiegel
des Wassers denken: nein, entschieden war es der Gedanke,
dass die Göttin alles Liebreizes , aller Anmuth des Naturlebens
besonders in seiner Krühlingspracht sich schmücke in jeglicher
Beziehung mit Gewand, Geschmeide und Kopfputz. So sind es
die Chariten, die sie baden, salben mit ambrosischem Oele
(Hörn. Od. VIII. 364; Hymfi. in Vener. 61 f.), ja sie selbst, die
s'Coriqxxvoq Kv&sqskx reinigt und salbt sich das Antlitz mit
ambrosischem Schönheitsmittel (Hom. Od. XVIII. 492 f.), sie
legt an die von den Chariten gefertigten , blumendurchdufteten
Gewänder, sie flicht sich und ihren Dienerinnen Kränze sie auf
das Haupt zu setzen (Kypria bei Athen. XV. p. 682). War
nun der Spiegel im Leben Bedürfniss für weiblichen Anzug
24) Gerhard gr. Mythol. I, S. 403 ; Preller gr. Mythol I, S. 217.
94
und Schmuck, die Freude der Jungfrauen25) geworden, so trat
er hothwendte auch ein in den Bereich der sich schmückenden
Göttin. So haben wir ihn bereits in der Linken der züchtig be-
kleideten thronenden Göttin, »die Apfel und Hase als Symbol
noch zeigt und vor der ein Altar mit Früchten emporflamml auf
dem archaistischen Relief der Villa Albani (Müller-Wieseler D.
A. K. II, T. 24. n. 257). So erscheint der Spiegel so oft bei
Aphrodite aufgehängt , gehalten von ihr oder ihrer Umgebung;
erinnern wir nur an das Vasenbild freien Stiles (Millingen uned.
monum.I, pl. 13. D. A. K. IL T.26. 287), wo die Göttin sitzend
in zierlicher Bekleidung getragen wird von zwei Eroten , den
Spiegel in der rechten Hand, ein kleines Gefäss in der linken
Hand, oder an das apulische Vasenbild, wo Spiegel und Taube
in Aphroditehänden sich entsprechen (Inghirami Mon. etc. I. 42).
Eine ganz bedeutende Stufe weiter in der unmittelbaren Um-
setzung des Lebens der Göttin in die Sitte und Anschauung der
Gegenwart und zwar des in den sittlichen Grundlagen bereits
gelockerten Frauenlebens war es, wenn es bei Sophokles in sei-
ner Kqioiq heisst (Athen. XV. p. 687 C) : rrjv (.tev JtcpoodiTrjv
fjdovrjv riva ovoav öal/iiova ^ivqo) re dXsiopo/^isvrjv rraoccyei
xai v.axonTQLto(.i€vrivy rrjv d' Ji&rjväv (poövrjoiv ovoav xal vovv,
8Ti tf aQETtjv eXaiq) yQCO/nivt]v xal yv(.ivatof.iavrjV. Hier ist das
Y.cf.%omqiQEO^(xi nicht blos den Spiegel fuhren, sondern sich
gern und oft darin beschauen , damit ein eitles und verlocken-
des Spiel treiben. Eine weitere Ausführung ist es nun, wenn
Kallimachos die Göttin schildert (Lavacr. Pall. 21) : Kvnqiq de
diavysa %uXxbv sXovoa noXXdxt xdv avtdv öig f.me^rf/.a v.o-
f.iav. In diesem Sinne weihen Hetären, wie Lais, der nie altern-
den Aphrodite den Spiegel (Plato und Julian Aegypt. epigr. in
Anal. gr. ed. Brunck et Jacobs I, p. 1 70. n. 7; II, p. 494. n. 3. 4).
Die Gegenüberstellung zu Eros mit Köcher und Pfeil veranlasst
daher auch den Spiegel der Psyche zu geben (0. Jahn arch.
Beitr. S. 164. n. 113). Aus dieser jüngeren Anschauung ist es
nun auch hervorgegangen, wenn Aphrodite mit dem nur den
Unterkörper verhüllenden Gewand oder in völliger Nacktheit,
ohne irgend des Verhüllens ihrer Blosse zu gedenken, mit dem
Spiegel sich beschäftigt, um den Kopfputz zu ordnen oder den
geordneten zu überschauen.
25) Xfjvaicc <F toonTQa nuQ&tvoüv xvQ'tus Eur. Troad. 1095.
9,c;
Unsere Bronze ist nun, so weit mir bekannt, fast das erste
sichere Beispiel einer solchen statuarischen Darstellung,
wo der Spiegel sich noch erhalten hat. Unter den Bronzen
der Sammlung Hertz in London wird eine Venus in den Spiegel
blickend erwähnt, doch ohne nähere Angabe der Art der Erhal-
tung (Archäol. Anz. 1851 . n. 35. S. 117). Auch eine sehr merk-
würdige massiv silberne Venusstatuette, früher im Besitze
von Lajard , abgebildet in desselben Bechercbes sur le culte de
Venus pl. XIX. 15, zeigt uns die Göttin ganz nackend, stehend
mit leicht gebogenem linken Fuss , den linken Arm gestützt auf
ein von einem Delphin umwundenes Ruder, einen Apfel in der
Linken haltend, die Bechte schräg gesenkt und nach vorn vor-
gestreckt hielt einen abgebrochnen Gegenstand , sicher einen
Spiegel.
Auf geschnittenen Steinen ist die Darstellung einer
nackten , im Spiegel sich beschauenden und das Haar ordnen-
den Venus wohl bekannt, z. B. auf einem Karneol der Dresdener
Sammlung (n. 57. Hettner Bildw. S. 101). Dagegen möchte un-
ter Archäologen kaum beachtet sein, dass unter den Glasge-
fässen mit altchrisllichen Darstellungen, die den römischen
Katakomben entstammen, uns eine durchaus hierhergehörige
Darstellung mit anmulhiger Bildung begegnet; sie findet sich*
bei Perret Calacombes de Rome IV. pl. 30. n. 82. Eine nackte
weibliche Gestalt mit geordnetem Kopfschmuck steht in der
Mitte, sie hält mit der linken Hand ein Gewand oder Badetuch
vor die Scham, während die Bechte zur Seile ausgestreckt einen-
runden Gegenstand zeigt, Apfel oder richtiger ein rundes Salb-
gefäss. Von der linken Seite eilt ein Eros herbei, einen grossen
Spiegel ihr entgegenhaltend , von der andern Seite ein zweiter
Eros, eine Blume emporhaltend, die noch an einer hohen Staude
befindlich ist. Blumen trennen die Gestalten und ein einfacher
Kranz umgiebt das Ganze. Die Inschrift lautet:
PartheK)NOPE
Fau]STINA FILIA
ZES
ES
Also hier noch eine unbefangene Benutzung einer antiken Dar-
stellung weiblicher Schönheit und Sitte bei einer Mitgäbe an
eine geliebte Todte.
Von diesen sichern Beispielen aus, besonders auch von
96 — —
einem statuarischen Werke, wie unsere Bronze sind wir nun
auch berechtigt, Statuen der Venus, die in der Motivirung des
ganzen Körpers, des Haares, vor allem des einen Armes dersel-
ben entsprechen, den Spiegel mit grosser Wahrscheinlichkeit als
Attribut in die Hand zu geben. Ich weise z. B. auf die kleine
Münchner Statue hin (Clarac pl. 618. n. 4 378), die bereits be-
sprochen wurde; ich führe eine Marmorstatuelte des briltischen
Museums an (Clarac pl. 622 A. n. 1406 A) : eine Venus steht
zwischen zwei Muscheln, so scheint es, haltenden Kindergestal-
ten, Amor und Psyche, nackt bis auf eine schräg über die Schul-
ter und unter der linken Brust hinlaufenden Binde, ohne mit
einer der Hände den Anstand zu wahren ; das schräg etwas ab-
gewandle Gesicht, das sichtlich einen Gegenstand beschaut, die
Bieeun" des linken Armes können leicht auf Annahme eines
Spiegels in der linken Hand führen.
Immer mehr erweitert sich uns so der Kreis jener jüngeren
Venusbildungen, in denen sie nicht mehr als die schaumgeborne,
dem Meer entstiegene , mit dem Zauber der reinen Weiblichkeit
alles bezwingende, alles Unreine von sich abhaltende Göttin er-
scheint, sondern als ein entkleidetes, helärenhaftes , eifrig mit
ihrer Toilette beschäftigtes Weib, welchem aller Zauber der Be-
fangenheit und Schüchternheit abgestreift ist, das sich nur um-
geben weiss von Sklavinnen oder Mitbadenden im öffentlichen
Bade. Welcher Abstand liegt zwischen diesen Bildungen und
der Schöpfung eines Praxiteles! Und doch hat er den grossen
Schritt zuerst gewagt, von der Darstellung der Göttin den letz-
ten Best religiöser, heiliger Scheu vor einer Himmelsmacht ab-
zustreifen und sie als schutzloses , hilfsbedürftiges Weib frei-
lich in ihrer Beinheit, in ihrem Zagen zu erfassen. Schritt für
Schritt ist die griechische Kunst der alexandrinischen Periode
vor allem, dann noch der der ersten römischen Kaiserzeit die-
sem Wege weiter gefolgt durch alle die Nuancirungen , die das
Grundmotiv selbst, die der Culturzustand , die Sitte der Zeit an
die Hand gab, aber sie ist — und das haben die obigen Betrach-
tungen schlagend gelehrt — doch in ihren Hauptbildungen der
idealen Mitgabe der grossen Kunslzeit nicht untreu geworden.
Erst die spätere römische Kaiserzeit hat von diesen Venusge-
stalten allen Duft einer höhern Abkunft abgestreift und doch
vorzugsweise nur in den kleineren, mehr als Schmuck des Hau-
ses, der Bäder oder auch des Grabgemaches gebildeten Werken.
97
So war es auch möglich, dass wir Werke, die in ihrer Entste-
hung ziemlich in einem Zeiträume von fünf Jahrhunderten aus-
einander liegen, in Vergleich bringen und sie von einem noch
gemeinsamen Standpunkt aus betrachten konnten.
Die vorliegenden Untersuchungen umfassen nicht einmal
das ganze Gebiet derjenigen Venusdarslellungen, die zum Was-
serleben, zum Baden und sich Schmücken in Beziehung stehen ;
wir haben die hier noch fehlenden Denkmälergruppen aber an
einzelnen Punkten näher bezeichnet, für eine Gruppe Urheber
und Zeit der Bildung zuerst bestimmt. Mögen sie wenigstens als
ein Beitrag zu der umfassenden Aufgabe einer Monographie über
das Venusideal nicht unfruchtbar sjewesen sein !
Nachtrag und Berichtigung.
Zu S. 12 sind nachzutragen zwei Griffe mit Spiegelbehäller , an denen
noch die Ringe zum Aufhangen erhallen sind, publicirt im Museum
Gregorianum t. XII. n. 1. 1 a. XIII. n. 4. 1a. Der erste 1834 in Vulci
gefunden zeigt uns eine stehende nackte weibliche Gestalt
mit zwei Armspangen und Halskette geschmückt; in der linken ge-
hobenen Hand hält sie einen Spiegel, die rechte ist in scharfem Win-
kel zum Haare geführt; dieses selbst ist hinten hinauf über die ver-
bindende Klammer gestrichen. Die ganze Motivirung der Gestalt mit
leicht gebogenem rechtem Bein ist schön und edel. Also hier giebt
uns der Griff die unmittelbare Darstellung des Gebrauches.
Der zweite Griff aus Chiusi stammend, in Rom im Vatikan be-
findlich, wird gebildet von einer weiblichen Fl üge I ges ta 1 1,
hinten bekleidet, mit vorn ganz geöffnetem Gewand um den Leib ge-
gürtet; die linke Hand ist zierlich zur Schulter gehoben , die rechte
an die Seite gelehnt. Armspangen, Schuhe und geordnetes Haar feh-
len nicht.
Zu S. 87 Z. 11 v. u. Auf einem Thonrelief bei Campana Opere in plastic.
t. 54. befindet sich eine stehende nackte Venus, mit beiden Händen
an einer herabfallenden Locke der rechten Seite beschäftigt, während
ein Eros mit Apfel oder Spiegel ihr entgegeneilt, in sehr anmuthiger
Bildung, sichtlich das Nachbild eines statuarischen Werkes.
S. 8 Z. 17 v. o. I. Leistens für Kastens.
Auf Taf. VI und VII. A. ist der Zusatz »% nat. Gr.« zu streichen.
18 6 0.
98
Register über beide Abhandlungen.
Adler p. 7.
Amazonen p. 5. *
Alexandria Troas p. 53.
Aphrodite: *A{*tia p. 51 ; EvnXoia p. 57 ; OvQavia p. 51; Jloi'jttt p. 37.
— feste in Rom p. 61 .
— Statuen
A. erwähnte : des Daedalos p. 57. 78.
des Kephisodotos p. 56.
— Kleomenes p. 58.
— Menophantos p. 52.
— Phidias p. 51 . 57.
— Philiskos p. 57.
— Polycharmos p. 57. 80.
— Praxiteles p. 51 .
— Skopas p. 51.
in Alexandria Troas p. 53. 54.
— Byzanz p. 81 .
— Hermione p. 57.
— Knidos p. 51 .
am Meeresufer p. 76.
in Rhegion p. 57.
in Rom ohne Künstlernamen p. 51.
ß. erhaltene :
a. in Bronze p. 64. 82. 83. 84. 95.
1). in Gold p. 89.
c. in Marmor :
in Athen p. 54.
— Beroea p. 86.
— Dresden p. 54. 58. 60. 72.
— England ausser London p. 55. 60. 64. 69.
— Florenz p. 54. 55 59. 63. 69.
— Leyden p. 53. 89.
— London p. 54. 55. 91. 96
— Madrid p. 60.
— München p. 52. 60. 68. 90. 96.
— Nimes p. 91.
— Neapel p. 48. 52. 53. 54. 55. 59. 63. 64. 69. 74.
— Paris: im Louvre p. 53. 54. 59; bei Brunei p. 60 63; nach
Millin p. 54. 60. 63. 64.
— Petersburg p. 55.
99 —
in Rom : im Vatican p 52. 53. 54. 59. 62. 63. 67. 69. 82. 38
— Capitol p. 55. 57. 58.
Samml. Albani p. 53. 65. 94.
— Borghese p. 55. 59. 83.
— Camuccini p. 54. 67.
— Cavaceppi p. 59. 63. 83
— Chablais p. 90.
— Chigi p. 52.
— Colonna p. 86.
— Giustiniani p. 54. 59 67 68.
— Ludovisi p. 52.
— Massimi p. 59.
— Pamfili p. 59. 67. 85.
Torlonia p. 52. 53. 55 59 85
— Valentioi p. 52. 59.
in Syrakus p. 53.
— Venedig p. 54. 59. 63. 66.
d in Silber p. 95.
e. Terracotten p. 52. 87.
Aphroditen-Köpfe p. 71.
—Reliefs p. 65. 66. 67. 77. 87. 97.
— Glasgefäss p. 95.
— Münzen p. 64.
— Steine, geschnittene p. 88. 95.
— Vasenbilder p. 94.
— Gemälde p. 76. 81 .
Apollo Karneios p. 1 7.
Ariadne: Mythus p. 22. 23.
— Cultus p. 24.
— Darstellungen erwähnte p. 23 28. 34. 36.
— — erhaltene :
— — Gemälde p. 24. 27 f. 29. 36 37.
— — Münzen p 27.
^- — Reliefs p. 24. 26. 40.
— — Statuen p. 25. 28 f. 37.
— Steine geschnittene p. 27. 39.
— — Vasenbilcfer p. 23.
Atlanten p. 14. 15.
Bithynische Städlemünzen p. 64. 80 f.
Daedalos aus Sikyon p. 78. 79.
— — Bithynien p. 78. 79.
Delphin p. 61. 62. 63.
Eroten p. 6. 7. 44. 65. 66. 67.
Erotische Scenen p. 4.
Grabreliefs p. 41. 42. 45.
Griffe an Gefässen p. 10.
— an Spiegeln p. 11 ff. 97.
Herakles p. 2. 4. 5.
100
Hermaphrodit p. 12. 39.
Hermes Kriophoros p. 15.
— des Kalamis p. 16.
Inschriften p. 3. 95.
Kopf männlicher p. 3.
Livia p. 3.
Monogissa p. 79.
Muse p. 43.
Nikaea p 80.
Nikomedia p. 79.
Phryne p. 76.
Prusa p. 80.
Psychetorso p. 9t .
Sappho p. 42.
Satyrn p. 6.
Schiff p. 6.
Vasen, griechische p. 4 -7.
Wasservogel p. 44. 67.
Widder p. 16.
Zeus Stratios p. 79.
Tafl.
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LifhJnslwonlfeMry de Cohen in Bonn.
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Stark, über Antiken in dem Museum Meermanno-Westreeuianum
im Haag 1
Derselbe, über unedirte Venusstatuen und das Venusideal seit Pra-
xiteles 46
Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzij