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OCr 5 1886
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BERICHTE
ÜBER DIE
VERHANDLUNGEN
DBR KÖNIGLICH SÄCHSISCHEN
GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN
ZU LEIPZIG.
PHILOLOGISCH-HISTORISCHE CLASSE.
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MIT DREI TAFELN.
LEIPZIG
BEI S. HIRZEL.
1886.
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BERICHTE
Ober die
VERHANDLUNGEN
DER KÖNIGLICH SACHSISCHEN
GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN
ZU LEIPZIG.
PHILOLOGISCH-HISTORISCHE CLASSE.
1886.
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LEIPZIG
BEI S. HIRZEL.
1886.
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BERICHTE
ÜBER DIE
VERHANDLUNGEN
DER KÖNIGLICH SÄCHSISCHEN
GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN
zu LEIPZIG.
PHILOLOGISCH -HISTORISCHE CLASSE.
ACHTUNDDREISSIGSTER BAND.
1S86.
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LEIPZIG
BEI 8. HIRZEL.
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INHALT.
S«it«
Overbeck, Über eloige Apollonstatuen berühmter griechischer
Ktiastler. Mit 8 Tafeln 4
Fleischer, Studien über Dozy's Supplement aux dictionnaires
arabes, V 98
Creizenach, Studien zur Geschichte der dramatischen Poesie im
47. Jahrb. 1 98
H a 1 1 s c h , Über eine Sammlung von Schollen zur Sphärik des
Theodosios u. s. w 4 49
Fleischer, Studien über Dozy's Supplement aux dictionnaires
arabes, VI 4 56
von der Gabelen tz, Über Hans Conen von der Gabelentz . . . 247
Win di seh, Etymologische Beiträge 242 \^^.
/
ÜCT 5 1886 ; ^-^^
\
>v^
SITZUNG AM 13. FEBRUAR 1886.
Herr Overbeck las l/6er einige ApoHonstatuen berühmter
griechischer Künstler.
Von allen griechischen Bildhauern haben für die Gestaltung
des Apollon und die Entwickelung seines Idealbildes nach ver-
schiedenen Richtungen, soviel wir ermessen können, die Mit-
glieder der sog. jungem attischen Schule des 4. Jahrhunderts
bei weitem das Meiste und Beste gethan. Die folgenden Zeilen
sollen sich mit drei ApoHonstatuen aus diesem Kreise beschäf-
tigen und sind bestimmt, darzuthun, daß wir eine dieser
Statuen , welche man zu kennen vermeinte, in der That nicht
kennen, daß dagegen eine zweite desselben Meisters besser
nachzuweisen ist, als man bisher angenommen hat und daß
die Vorstellungen, welche man von einer dritten hatte, sich
wesentlich berichtigen lassen. Das für die anzutretende Be-
weisführung ndthige numismatische Material hat mir die hilf-
bereite Freundlichkeit der Herren v. Sallet und Drossel in
Berlin , Imhoof in Winterthur und Waldstein in Cambridge in
die Hand gegeben, denen auch hier noch ein Mal der herzlichste
Dank ausgesprochen werden soll.
I. Skopas.
4. Der Apollo Palatinus.
Bekanntlich war nach Plinius' Zeugniß ') das Tempelbild
in dem von Augustus nach der Schlacht bei Actium dem Apollon
ajf dem Palatin im Jahre der Stadt 726 geweihten TempeP)
1) PliD. N. H. 86. 2& item (Scopas fecit) ApoUinem Palalinum.
S) Vgl. Becker, Handb. d. rdm. Alterth. I. S. 4 26 f.
4886. \
von der Hand des Skopas und wahrscheinlich aus dem Neme-
seion in Rhamnus entführt ^j. Über diese Statue steht Alles
was wir litterarisch wissen in zwei Versen des Propertius^),
welche bezeugen einerseits, daß Apollon in derselben als lang-
gewandeter Kitharode singend und folglich doch wohl ohne
Zweifel auch die Kithara spielend dargestellt war und anderer-
seits, daß diese Statue zwischen den Statuen der Leto und der
Artemis stand, von welchen nach Plinius^ Zeugniß^) jene von
Praxiteles' Sohne Rephisodotos, diese von Timotheos herrührte.
Daß diese Vereinigung der drei Statuen dem ursprünglichen
Aufstellungsorte, Rhamnus, angehörte und nicht erst bei der
Verpflanzung nach Rom durch ein blosses Zusammenstellen
nicht zusammengehöriger Werke gebildet worden sei ist wahr-
scheinlich^), und für die hier zu behandelnde Frage nicht ohne
Bedeutung.
Mehr als dies bieten uns litterarische Quellen nicht, so daß
die Frage, ob wir Genaueres über die Statue feststellen können
und was dies sei , davon abhangt, ob wir Nachbildungen der-
selben in erhaltenen Kunstwerken nachzuweisen vermögen.
Diese Frage ist von einer ganzen Reihe von Gelehrten ^) bejaht
worden , und zwar mit Verweisung auf von Augu^tus abwärts
unter verschiedenen Kaisern geprägte Münzen, auf welchen
einem mit der Kithara ausgestatteten Apollon die Beisohrift
Acttus, Palatinus oder Augustus gegeben ist und auf die an-
geblich mit diesen Münzen übereinstimmende, zusammen
mit einer Musenreihe in der Villa des Cassius in Tivoli gefun-
4) Vgl. Urlichs, Skopas Leben und W^erke, Greifsw. 4 863, S. 67f,
Stark, imPhilol. 21. S. 421.
3) Propert. II. 81. 15. Deinde inter matremdeus ipse interque soro-
rem Pytbius in longa carmina veste sonat.
3) PÜn. N. H. 36. 24. Romae eius (Cephisodoti) opera sunt Latona in
Palatii delubro etc. und 82. Timotbci manu Diana est Romae in Palatio
Apollinis delubro.
4) Vgl. Urlichs a. a. 0. S. 68. Es darf wohl auch daran erinnert wer-
den , dass Dreivereine gerade für die Periode des Skopas und Praxiteles
überaus gewöhnlich waren, tber die megarische Gruppe des Apollon
zwischen Leto und Artemis von Praxiteles (Paasan. 1. 42, 5) vgl. unten
S. 12, Anro. 2.
5) Soviel ich weiss zuerst von 0. Müller, Handb. d. Arch. d. Kunst
§ 125, 4, Denkm. d. a. Kunst I. Nr. 141 , ihm folgend u. A. von Brunn,
Künstlergesch. L S. 819 f., Urlichs, Skopas S. 69 und zuletzt noch, um von
Anderen zu schweigen, Furtwängler in Roschers Mythol. Lexikon l. Sp. 464.
dene, bekannte Statue des Apollon Kitharodos in der Sala dellf$
Muse des vaticaniscben Museums (Taf. II, Nr. 1 ] .
Hit dem Anspruoh auf ganz besondere Gründlichkeit bat
Stephan! ^] die erwähnten , soweit, nöthig auf der beifolgenden
Tafel I in Lichtdruck abgebildeten Mdnzen behandelt 2) , so daB
es geboten erscheint seinen Erörterungen hauptsHchlich zu
folgen. Dabei ist es jedoch nicht meine Absicht, in die Discus-
sioD der allgemeinen Behauptungen des Petersburger Gelehrten
über das Verhältniss der in Münzsteropeln wiedergegebenen
Kunstwerke zu den Originalen einzutreten, in deren Zusammen-
hang er auch die hier in Frage kommenden Münzen behandelt,
denn das würde Stephani gegenüber vergebens und Anderen
gegenüber zum größten Theil überflüssig sein. Vielmehr sollen
nur die erwähnten Münzen an sich und in ihrem Yerhältniß zu
der gesuchten Statue des Skopas und zu der erhaltenen Statue
im Vatican in's Auge gefasst werden.
Von diesen Münzen nun behauptet Stephani (S. 1 S6) , daß
»d^en Verfertiger, wie der beigefügte Name des Apollo Actius,
Palalinus und Augustus^] vollgültig beweist, eben die
4) Im Compte-rendu de la comm; Imp. arch. de St. Pötersb. pour
Tann^ 4875.
%) Sagt er doch S. 426 : sNumismatiker von Fach, denen noch reichere
Sammlungen zu Gebote stehn, 'werden ohne Zweifel einige untergeord-
neteEinzelnheiten noch genauer bestimmen können.«
8) Was diese verschiedenen Beinamen anlangt sagt Stephan! a. a. 0.
Adhi. 4 : iiDie Beinamen Actius und Palalinus scheinen am frühesten im
-Gebrauche gewesen, der dritte, Augustus, d. h. Beschützer des kaiserlicbßn
Hauses erst später hinzugetreten zu sein«. Wenn sich das auf die Münz-
beischriften gründet — und ich wüsste nicht, worauf es sich sonst gründen
sollte — , so ist es nicht richtig, wenigstens nicht genau, vielmehr steht die
Sache so: Die Beischrift Actius (ApoHini Actio, resp. abgekürzt Act.}
kommt nur auf den in den Jahren 46 — 4 0 v. u. Z. geprägten Alünzen des
Augustus (Stepb. S. 427, Nr. 4 — 8) vor, diejenige Palatinus nur auf
den im Jahr 494 geprägten Münzen des Commodus (Stepb. S. 4 30
Nr. 9 — 48) und zwar, wie schon hier bemerkt werden möge, bei einer Fi-
^r, welche von derjenigen der Münzen des Augustus sehr verschieden ist,
«ndlich die Beischrift Augustus auf den 440^-448 geprägten Münzen des
AntoniDUs Plus (Stepb. S. 428 , Nr. 4 u. 5) und auf den 494 u. 495 ge-
prägten Münzen des Septimus Severus (Stepb. S. 484 , Nr, 42 u. 44).
Dass das Epitheton Augustus den Apollon nicht als »Beschützer des kaiserl.
Hauses« bezeichnet , sondern als »den hehren, erhabenen« , möge hier nur
beiläufig «rwafant werden. Die Analogien, wie Goncordia Augnsta, Felicitas
Augusta, Pax Augusta, Marti Augusto u. s. w. zeigen dies deutlich.
4*
genannte Statue des Skopas wiedergeben woUtena, eine Be-
hauptung , welche noeh zwei Mal in etwas verschiedenen Wor-
ten wiederholt und bekräftigt wird, nämlich S. 432 mit diesen :
))daB ihre Yerfertiger uns grOfitentheils selbst durch beigefügte
Inschriften darüber vollkommene Gewißheit gegeben haben,
daß sie die genannte im palatinischen Apollotempel aufbewahrte
Statue des Apollon im Sinne hattent und S. 442, wo von der
»ausdrücklichen Versicherung« der römischen Münxen die Rede
ist, Ddaß sie die Palatinische Cultus-Statue des Apollon wieder-
geben woliena. An der Absicht der rtfmischen Stempelschneider,
die bewußte Statue wiederzugeben, wird sich freilich aus guten
Gründen noch zweifeln lassen ; nehmen wir jedoch eine solche
Absicht nach Stephanis Behauptung einstweilen einmal an.
Nun lesen wir bei ihm S. 432 nicht nur »daß die Verfertiger,
obwohl sie die im palat. Tempel aufbewahrte Statue im Sinne
hatten, doch .... gar nicht wirkliche Copien derselben
im strengen Sinne, d.h. in allem Wesentlichen treue Nach-
bildungen . . . . , sondern nur freie m. o. w. selbststän-
digeBearbeitungendes ihnen in jener Statue dargebotenen
G rund- Gedankens überliefert habena, sondern auch: »daß
fast allen (den Münztypenj .... eine deutlich bewußte
Absicht selbstständiger Geistesthätigkeit zu Grunde
liegt, welche gar nicht daran denkt, eine genaue Wie-
dergabe, sondern nur eine eigene Bearbeitung eines
gegebenen Themas dem Beschauer darzubieten«, ferner
S. 435, iKlaß die übrigen Münzen keineswegs nur von den
Münzen des Commodus, sondern eben so auch von einander
in den wesentlichsten Elementen abweichen« und
endlich S. 142, »daß die lange Reihe der römischen
Münzen .... gleich vom ersten Anfang an und zu
gleichen Zeiten, so daß auch nicht etwa an verschiedene
Erneuerungen des Gultus-Bildes in verschiedenen Zeiten ge-
dacht werden kann, in den handgreiflichsten Wider-
spruch mit einander, sogar in Bezug auf die wesent-
lichsten Elemente der Composition sich befinden. a
Ja, wenn dem aber so ist, so sollte man doch meinen, daß nach
der allerhausbackensten Logik zunächst diejenigen Münzen
(Sleph. Nr. 6 des Antoninus Pius , Nr. 7 des Marcus Aurelius,
Nr. 8 des Commodus, Nr. 13 des Septimius Severus), welche
»der Namensbeischrift entbehren« oder welche »nie
die Namensbeisehrift des Gottes hinzufttgens aus
der Stepbaniscben Liste bitten fortbleiben müssen, da ihnen
dasjenige feblt, wodurcb ihre Yerfertiger ihre Absicht kondge*
geben haben sollen, die Statue im palatinischen Apollotempel
darzustellen, wSlhrend ihnen nur die auf selbstständiger Geistes-
thatigkeit beruhende eigene Bearbeitung eines gegebenen The-
mas, also nach Stephani die rein zufällige Übereinstimmung
der Typen mit einer Anzahl von Grundzügen anderer Typen die
Ehre der Aufnahme in die Liste verschafft hat, auf welche sie
keinen Anspruch haben , da selbst diejenigen Münzen, welche
die entscheidende Inschrift tragen, sich in den handgreiflichsten
Widersprüchen zu einander, selbst in BeireS* der wesentlichsten
Elemente der Composition befinden. Allein das möge auf sich
beruhen bleiben, denn etwas Anderes ist wichtiger und be-
deutsamer.
Wenn n9mlich die Verschiedenheiten der Münztypen so
groB sind, wie sie im Vorstehenden mit Stephan is eigenen
Worten geschildert wurden , wenn sie nicht auf Einzelnheiten
in Attributen und sonstigen Nebendingen sich beschranken, son-
dern 9Von einander in den wesentlichsten Elementen ab-
weichen« oder sich in Beziehung auf diese »unter einander im
handgreiflichsten Widerspruch befinden«, wenn sie i»gar
nicht wirkliche Copien der Statue, sondern nur eine eigene
Bearbeitung eines gegebenen Themas darbieten«, dann, ja dann
kann man logischer Weise auch weder aus der Gesammt-
beit dieser Münzen, noch ohne die augenscheinlichste Will-
ktthr aus irgend einer oder aus einer Auswahl der-
selben einen Beleg für die Gestalt der skopasischen
Statue gewinnen. Und zwar eben so wenig für die Hand-
lung oder Lage , in welcher der Gott dargestellt war wie für
sein Gostüm.
Und ungefähr so, wenngleich niebt ganz so arg, wie Ste-
phani, den gerade von ihm verfolgten Zwecken gemäß, die
Sachlage geschildert hat , verhält sie sich in der That wie die
auf Tafel I zusammengestellten Münzen^) beweisen, welche
4} Die Bezifferung derselben ist die der Stephanischen Liste, in
welcher die nötbigen Katalogs- und Abbildungsanführungen gegeben sind,
welche ich hier nicht wiederhole. Die in ( ) beigefügte Zahl bezieht sich
auf die Tafel.
6
lediglich darin übereinstimmen, daß sie den Gott als Musiker
und lang gewandet darstellen und ihm die einen eine Kithara
die anderen eine Lyra in den linken Arm geben, wenngleich
diese Instrumente wieder in verschiedener Lage gehalten
werden.
Denn die einen dieser Typen zeigen uns den Gott aus einer
in der mehr oder weniger gesenkten rechten Hand gehaltenen
Schale spendend: 1 (^), 2^) (2. 3), 4 (5), 5 (6), 7 (7), 8 (8),
12 [U], H (12), die anderen mit dem Plektron in eben dieser^
aber durchgehend tiefer gesenkten Hand: (2), 3 (4), 6, 9 (9),
10 (10) (wegen 2 (2. 3) s. Anm. 1); die einen geben ihn ruhig
stehend, und zwar bald auf dem rechten: 1 (1), 2 (2. 3), 3 (4),
12 (11), 14 (12), bald auf dem linken Beine: 4 (5), 5 (6), 8 (8),
andere lebhafter bewegt: 6, 9 (9). Diese letztere (auf einer
Mtlnze des Commodus) ist nach meinem Urtheil eine völlig
verschiedene Figur in einem kOi'zern Chiton, reohtshin (vom
Beschauer) blickend, während die ganze übrige Folge eine
linkshin blickende Figur zeigt, die Kithara (oder Lyra?) trotz
der lebhaften Bewegung ziemlich sinnloser Weise auf einen
Pfeiler gestützt. Auch hat sie, aber, wie schon oben (S. 3 Note 3)
bemerkt, sie ganz allein die Beischrift APOL. PAL und
ich habe sie nur deshalb aufgenommen, weil Stephani sie in
diese Reihe einbezogen hat. Mit ihr stimmt 10 (10) (ebenfalls
Commodus) bis auf die etwas ruhigere Haltung überein« Reine
einzige dieser Münzen aber stellt uns Apolion in
Übereinstimmung mit der Schilderung der pala-
tinischen Statue in den Worten des Propertius, car-
mina sonans, d. h. singend und spielend dar. Und
was das Costüm anlangt zeigen uns die einen dieser Münzen
den Gott in einem einfachen, langen und gegürteten Unter-
gewande (Chiton poderes), so 1 (1), also die früheste und 12
(11) und 14 (12); d.h. diejenigen beiden Münzen (des Septimius
1) Zu Steph. 2 muss ich bemerken; dass während Stephani sagt, der
Gott halte in den ihm vorliegenden Exemplaren eine vollkommen deutliche
Schale, das hier abgebildete Exemplar (2) ein roh geprägter Aureus mit
Imp. X. ihm ein eben so unzweifelhaftes Plektron in die Hand giebt, wäh-
rend der Denar (3} mit Imp. XII. der Stephanischen Beschreibung ent-
spricht. Bei diesem sonst vortrefflichen Exemplar der Imhoof sehen Samm-
lung ist das am unteren Rande stehende Wort : ACT schlecht ausgeprägt
oder abgegrilTen.
Sevenis), welche auch in allen ttbrigen Stttcken mit Nr. 1 am
genauesten übereinstimmen. Das Untergewand aber ist in die-
sen Httnzen zugleich nicht mit einem Cberschlag (einer sog.
Diplois) versehn. Andere geben dem Chiton nicht allein sehr
deutlich einen solchen Überschlag 4 (5), 5 (6), 7 (9), 40 (40),
sondern sie fügen demselben eine auf der Brust gespangte,
über den Rücken lang herabfallende Ghlamys hinzu 2 (2. 3),
3 (4), 4 (5), 5 (6), 7 (7) zweifelhaft nach verschiedenen Abbil-
dungen, 8 (8), welche bald zu beiden Seiten der Gestalt ruhig
herabhängt 2 (S. 3), 3 (4) ; bald in mehr oder weniger beweg-
ten Falten dargestellt ist 4 (5), 5 (6), 8 (8), wahi*end auch bei
diesen Gestalten der Überschlag des Chiton gelegentlich fehlt
2 (2), 3 (4). Alles dieses ohne jegliche Consequenz, wfihrend
der in dieser Beziehung unbestimmte Ausdruck des Propertius,
der Gott sei »in longa vestea dargestellt gewesen^ uns ohne
Willktthr keine Entscheidung darüber möglich macht, in welcher
der verschiedenen in den Mttnztypen dargestellten Trachten die
Statue des Skopas gebildet gewesen sei. Folglich durfte sich
am wenigsten Stephan!, wie er doch S. 4 45 thut, auf das Zeug-
niss der Münztypen und darauf berufen, dass die Mehrzahl der-
selben den ApoUon im Chiton und in der langen Chlamys dar-
stellen, um daraus abzuleiten, daB die skopasisehe Statue eben
so gebildet gewesen sei. Denn daß die Worte des Propertius
hier nichts entscheiden können hat er selbst eingesehn, was es
aber mit den ttbrigen Kunstwerken auf sieh hat, auf welche
Stepbani sich beruft, um sowohl über die Handlung wie auch
über das Gostttm der Statue im palatinischen Tempel »mit Zu-
versicht« zu entscheiden, das wird jetzt zu prüfen sein.
Hier kommt in erster Linie die oben erwShnte vaticanische
Statue (Taf. II. Nr. 4) in Betracht. Es kann nicht nachdrück-
lich genug ausgesprochen werden, weil das Gegentheil mit
einer gewissen Hartnäckigkeit immer wiederholt wird, dass
zwischen dieser Statue und den eben besprochenen
Münzen durchaus keinerlei weitere Ähnlichkeit be-
steht, als die ganz allgemeine, daB alle diese Figuren den
kinggewandeten, mit der Kithara ausgestatteten ApoUon dar-
stellen. Denn die vaticanische Statue zeigt den Gott in der That,
was bei keiner einzigen der Münzen der Fall ist, im
Schwünge musischer Begeisterung und in lebhafter Bewegung
vorschreitend , kitharspielend und singend und trifft in diesem
8
letztem Paokte mit dem «isammen was Propertius von der pa*
latinisehen Statue sagt : earmioa sonat. Aber auch bezeugter-
maßen nur in diesem einen Punkte, nicht auch in der
lebhaften Bewegung. Denn wenn Slephani (S. 143} das Musi--
ciren des Gottes und seine lebhafte Bewegung als etwas gleich-
sam selbstverständlich Zusammengehörendes, die Bewegung als
durch das Musiciren bedingt behandelt^), so werden einige der
demnächst zu erwähnenden Monumente , um von manchen an-
deren zu schweigen, welche hier angefahrt werden könnten,
zeigen, dass er hierin gröblich geirrt hat. Ungleich genauer aber
als mit den Worten des Propertius, ja bis in Einzelnheiten hin-
ein stimmt die vaticanische Statue mit der Apollofigur auf
Mttnzen Neros (Taf. IL Nr. 2 — 6j ttberein^) , welche jedoch
nicht mit der Beischrift Actius oder Palatinus versehen sind.
Schon hierdurch wird die Verbindung dieser Figur mit der pa-
latinischen Statue gelockert; noch ungleich bestimmter aber
trennt beide das bündige ZeugniS Suetons^), daß sie eine der
Statuen wiedergiebt, welche Nero nach seiner griechischen
Virtuosenfahrt sich selbst in Rom errichten lieB. DaB aber
diese neronischen Statuen irgend etwas mit der palatinischen
Apollonstatue zu thun gehabt haben wird nirgends bezeugt oder
auch nur angedeutet. Diesem Mangel sucht Stephani abzuhelfen,
indem er S. 444 schreibt: endlich dürfen wir wohl erwar-
ten, dass Nero, als er sich nicht nur während seiner be-
kannten Reise durch Griechenland und Asien auf Mttnzen von
Apollonia (s. Taf. IL Nr. 4.5), sondern auch nach seiner Rück-
kehr nach Rom auf römischen Münzen (Taf. 11. Nr. 2. 3. 6) als
ApoUon Kitharodos darstellen Hess, eben die Form der im
Palatinischen Tempel .... als Gultusbild verehrten
Statue gewählt haben wird«. Fragt man aber nach den
i) Er sagt: »Es kommt darauf ao, sich zu vergewissern, ob das Werk
des Skopas dem Gott bereits musicirend und demn ach in beweg-
tem Tanzschritt .... darstellte«.
2} Am allergenauesten diejenige auf den römischen Münzen Nr. i u. 3,
denn diejenigen von Apollonia Nr. 4 u. 5 und auf der römischen Nr. 6 zei-
gen die Figur in etwas geringerer Bewegung.
3) Sueton, Nero cap. 25. Sacras Coronas in cubiculis circum lectos
posuit; Item statuas suas citharoedico habitu, qua nota etiam numum per-
cussit. Vgl. die bei Stephani S. 444. Notes angeführte numismatische
Litteratur.
9
Gründen, welche uns berechtigen sollen, dies zu »erwarten«,
so findet man bei Stephani keine andere Antwort als die , daß
Nero nach Suetonä Zeugniß ^) »sich unmittelbar nach seiner
Rückkehr im Kitharoden^Costükn« in den palatinischen Apollo-
tempel begeben hat. Darüber, daß hierin kein Grund gefunden
werden kann, aus dem man auf die Gestalt der neronischen
Statue schliessen kann, braucht wohl kein Wort verloren zu
werden. Aber auch die Bemerkung von Urlichs (Skopas S. 69),
daß Nero , da er als Kitharode aufzutreten sich vornahm nach
Tacitus' Zeugniß (Ann. XIV. i 4) sich auf das Beispiel des weis-
sagenden Tempelgottes (Apollo Palatinus) berufen habe, ge-
stattet offenbar keinen bündigen Schluß auf die Gestalt, in
welcher sidi Nero statuarisch nach Vollendung seiner Fahrt hat
darstellen lassen.
Verbürgt oder bezeugt ist also die Ableitung der neto*
oischen Statue und der dieselbe wiedergebenden MUnzfigur aus
der palatinischen Statue nicht. Allein als möglich muß man
sie dennoch bezeichnen. Für diese M^iglichkeit läßt sich zu-
nächst in die Wagschäle werfen, daß die vaticanische Statue
ganz gewiß nicht Nero darstellt, also mit der von Sueton be-
zeugten und in den Münzstempeln wiedergegebenen neronischen
Statue nichts zu thun hat, während das bis in das 4. Jahrhun-
dert hinaufreichende Alter des in ihr vertretenen Typus durch
das früher Hamilton'sche, jetzt Hope^sche Vasengemälde ^) (Ta(. II.
Nr. 41) verbürgt ist^). Noch einigermaßen verstärken kann
man dies Zeugniß durch eine unter Augustus geprägte Münze
von Metropolis ThessaUae (Taf. IL Nr. 7}^) und durch eine
unter Gallienus geprägte Münze von Thessalonike (Taf. II. Nr. 8)*) ,
deren schreitend singender und spielender Kitharode demjenigen
der neronischen Münzen durchaus entspricht, während die
Wiederkehr dieser Figur an verschiedenen Orten und zu ver-
i) Suet. Nero a.a.O. dehinc, diruto Cjrci maximi arcu, per Velabrum
forumqae Palatium et Apollinem petit.
3) Tischbein, .V^ses d'Haroiiton lU, 5 (Ausgabe Neapel 4701 ff.), Elite
c^ramographique II. 65, Oenkm. d. a. Kunst II. Nr. U9.
8) Das Vasengemäide b. Millingen, V. de.div.coll. 29, Elite cöraro.
II. 97 bleibt besser aus dem Spiele.
4) Aus Imhoofs Sammlung, vgl. Catal. Brit.Mus. fbessaly pl. VII. 8.
5) Aua dem wiener Cabinet a Catal. Brit. Mus. Macedony p. 428.
444.
10
schiedenen Zeiten die Wahrscheinlichkeit größer macht, daß es
sieh in ihr um einen berühmten statuarischen Typus handelt ^) .
Und dennoch bleibt die Frage berechtigt: muß derselbe
von Skopas und dessen palatinische Statue sein? ja steht dem
nicht wenigstens eine Erwägung entgegen?.
Ich habe in meiner Gesch. d. griech. Plastik 2) darauf auf-
merksam gemacht, wie wenig die vaticanische Apollonstatue
ihrer Com Position und Bewegung nach geeignet erscheint, um
mit zwei anderen Statuen gruppirt oder zwischen ihnen, als
mit ihnen zusammengehörig aufgestellt zu werden, während
wir doch aus Properz wissen, daß der palatinische ApoUon
zwischen den Statuen seiner Mutter und seiner Schwester auf-
gestellt war, welche , wie Urlichs (Skopas S. 6^) ohne Zweifel
mit Recht gesagt hat , in Ausdruck und Maßen zu ihm gepasst
haben müssen, wie umgekehrt, habe ich hinzugefügt, er zu
ihnen. Nun will ich gern zugestehn, daß dieser Einwand, so
schwerwiegend er mir auch heute noch, wie seit vielen Jahren,
erscheint , keine durchschlagende und entscheidende Kraft be-
sitzen würde, wenn wir für den singenden KitharcNlen
Apollon, den die Worte des Properz üb^ den Palatinus des
Skopas ein Mal für alle unausweichlich bedingen, auf den einen,
in der vaticanischen Statue, den neronischen Münzen und den
eben genannten Denkmälern gegebenen Typus besdiränkt wä-
ren. Das aber ist nicht der Fall.
Zunächst besitzen wir auf delphischen Münzen, und zwar
autonomen 3) wie unter Hadrian geprägten (Taf. IL Nr. 10)^}
eine sehr schöne Figur eines in völliger Ruhe dastehenden,
4) Die bekannten, archaistischen, sog. kilharodischen Anatheme
(Jahn, Bilderchroniken S. 45 ff.) sind allerdings anzweifelhaft aus diesem
Typus abgeleitet und zeigen dessen Rahm , bleiben aber hier deswegen
besser bei Seite, weil sie den Gott nicht spielend und singend, sondern mit
einer zum Emj fange der Spende vorgestreckten Schale darstellen. Ähn-
liches gilt von anderen Reliefen. Ganz in der in der Statue und in den Mün-
zen dargestellten Handlung zeigt den von Artemis und Leto begleiteten Gott
das ehemals albanische Relief im Louvre b. Jabn a. a. O« S. 48, Fröhner,
Notice I. p. 47. 4«.
8) IiaS. 20, 118 S. 47 f.
8) Millingen, Mäd. gr. in^d. pl. II. No. 40, wiederholt in den Denkm.
d. a. Kunst II« Nr. 184» S. 48«.
4) Exemplar in Gopenhagen, vgl. Sestini, Mus. Fontana II. tav. IV, 42,
Mus. Hedervar. t. X. 3., Brit. Mu?., Central Greece pl. IV. 4 6.
— u
spielenden Kitharoden Apollon, welche als Nachbildung einer
Statue schon an sich, durch ihre Composition und die so gut
wie unveränderte Wiederholung^] zu verschiedenen Zeiten
wahrscheinlich wird und auch von verschiedenen Seiten als
solche angesprochen worden ist. Ob man dabei, wie Millingen ^)
an die Hauptstätue im Tempel au Delphi , oder wie Welcker ^)
an eine »Statue des Apollon Pythios im delphischen Tempel«
oder endlich, wie Wieseler (a. a. 0.] , wahrscheinlich richtiger,
als Beide, an eine im delphischen Theater, wo die musischen
Agonen der Pythien abgehalten wurden, aufgestellte Statue
denkt, ist an sich von untergeordneter Bedeutung.
Vermehrt wird die Wahrscheinlichkeit, dafi es sich in der
delphischen Mttnze um einen statuarischen Typus handelt , da-
durch , daB dieselbe Figur mit ganz geringen Verschiedenheiten
auf einer unter Augustus geprägten thessalischen Mttnze (Taf. II.
Nr. 9]^) und in dem schönen, von Benndorf^) herausgegebenen
Vasenbilde aus Lentini (Taf. II. Nr. \2] wiederholt ist, welches
Letztere so sehr wie irgend eines statuarischer Composition
entspricht. Auch den Apollon der Petersburger Marsyasvase
Nr. 1795*] kann man füglich in diese Reihe einbeziehn, ob*
gleich er ein wenig bewegter ist, als der in den obigen Denk-
mälern vertretene Typus. Aber auch unmittelbar statuarisch ist
uns dieser Typus erhalten, wenigstens gehört nach der cinKigen
bekannten Zeichnung 7] der auf Santorin gefundene Torso mit
dem vaticanischen Apollon nicht in eine Reihe ^), weil er den
Gott ruhig stehend, jener aber ihn lebhaft bewegt darstellt.
4} Wenn man der Abbildung trauen kann ist die Figur auf der von
Millingen pubücirten Münze um ein Geringes bewegter, als diejenige der
hier abgebildeten.
i) A. a. 0. p. 44 sq u. Peint. de vases gr. p. 49.
8) Alte Denkm. IL S. 90.
4) Im Brit. Mus. 9. Catal. Thessaly p. 6. 72. pl. 1. 40 u. 4 1.
5) Griech. u. Sicil. Vasengemälde Taf. 40.
6) Abgefo. AnL du Bosphore Cimm^rien pl.37 und b. Michaelis, Die
Verurtheilung des Marsyas Taf. 1. Nr. 4. Vgl. auch Stephani CR pour 4 862,
S. 4 09.
7) Clarac. pi. 498 E. 968 A.
8) Wie es nach der Liste beijStepfaani CR. pour 4872. S.448 scheinen
könnte i in der aber alle Typen wie Kraut und Rüben durcheinander ge-
worfen sind und nicht nur die Statue in München (s. g. barbenn. Muse),
sondern auch die sitzende Porphyrstatue in Neapel (Bl. 494. A. 926 C) mit
dem vaticanischen Apollon in eine Kategorie gefasst ist, was sich nur dann
12
Wie viel besser nun dieser ruhig stehende, spielende
Ritbarode , dessen Typus auf der delphischen Mflnse Wieseler
(a. a. 0.) als »sicherlich eine Nachbildung einer berühmten, dem
Ideal des Skopas entsprechenden Statue« bezeichnet, sich zu
einer Aufstellung zwischen Leto und Artemis eignet, als der in
heftiger Bewegung vorschreitende vaticanische Apollon braucht
wohl kaum genauer nachgewiesen zu werden^). Und daß auf
ihn gerade so gut wie auf die vaticanische Statue die Worte des
Properz : »Py thius in longa carmina veste sonat« passen, wird
Niemand in Abrede stellen wollen.
Nichtsdestoweniger will ich nicht behaupten, wir besässen
in diesem Typus des in ruhigem Stande spielenden Kitharoden
Apollon denjenigen des Skopas, denn ich weiB sehr wohl, daß,
so würdig diese schöne Composition des großen Meisters ist
und so verwandt sie dessen, wie unten gezeigt werden soll,
nachweisbarem Apollon Smintheus sein mag, sich ihr skopa*
sischer Ursprung nicht erweisen laßt. Was ich aber mit dieser
Auseinandersetzung bezwecke ist dieses. Wenn erstens die
ApoUonfigur auf den Münzen des Augustus,Antoninus Pins u. s. w.
Taf. 1. Nr. 4 — 8 u. 4i. 42, obgleich eine Anzahl derselben (die-
jenigen des Augustus) die als Beweismittel geltende Beischrift:
Actius (denn die Beischrift Augustus sagt nichts über das Ver-
hältniss zu Skopas), den Apollon des Skopas nicht darstellen
kann, weil dem das bestimmte Zeugniss des Properz entgegen-
steht , daB der Apollon des Skopas singend (carmina sonans)
dargestellt war ; wenn zweitens keinerlei Zeugoiß dafür vor-
liegt , daß der von dem eben bezeichneten ganz bestimmt zu
trennende Typus ^) des in der That singenden Apollon, wie er
würde rechtfertigen lassen, wenn es sich lediglich um das Costüm han-
delte, aber unerträglich ist, wo zugleich die Frage nach der Gestaltung des
skopasischen Apollon erörtert wird.
4 ) Nur beiläufig möchte ich auf die Münie von Megara in Imhoofs
und Gardners Ntimism. commentary to Pausantas Taf. A. No. 40 (Journal
of hell, studies 4 885} aufmerksam- machen, -welche Apollon Kitharodos
zwischen Mutter und Schwester stehend darstellt, eine Gruppirung, welche
von den genannten Gelehrten a.a.O. p. 7) auf die von Pausaniasl. 42.5 er-
wähnten Gruppe des Praxiteles in Megara bezogen worden ist.
2) Es ist in keiner Weise zulässig , diese Typen so mit einander zu
verquicken wie diesFurtwängler in Roscber's Mythol. Lex. I. S. 464 Z. 40 f.
thut, indem er schreibt: »Münzen, besonders römischer Zeit, zeigen häufig
denselben Typus (des Apollon der Hope'schen Marsyasvase) ; doch varüreo
13
in der vaticanisdieD Statue und auf den neroniachen Münzen
Taf. 11. Nr. \ — 6 gegeben ist, mit dem Äpollon des Skopas im
Zusammenhange stehen und wenn der Zurttckftthrung auf den-
selben die Angabe des Properz entgegensteht, daß er mit Mut*
ter und Schwester zusammen aufgestellt war; wenn sieh drittens
neben dem Typus des in bewegten Schritten singenden Kitba-
roden Apollon ein anderer des in ruhigem Stande musicirenden
findet, welcher in jeglichem Betracht den Worten des Properz
über den Apollon des Skopas eben so gut entspricht wie der
schreitend musicirende: so wird man nicht mehr mit derjenigen
Zuversicht mit der man es bisher gethan hat, die vaticanische
ApoUonstatue und die ihr im Typus verwandten Monumente auf
den durch Augustus von Rhamnus aus dem Nemeseion nach
Rom in den Tempel des Apollo Palatinus versetzten Apollon
des Skopas zurückführen dürfen. Mag dies ErgebniB erwünscht,
oder mag es unerwünscht sein.
Für die auf den Münzen des Augustus u. s. w. dargestellte
Figur des Apollon aber wird sich möglicherweise ein anderes,
berühmtes Vorbild finden lasisen, auf welches unter 3. zurück-
gekommen werden soll.
2. Der Apollon Smintheus.
Auch das, was wir von der skopasischen Statue des Apollon
Smintheus im Smintheion bei Chrvse in Troas aus litterarischer
Überlieferung wissen , beschränkt sich auf sehr Weniges ^] ja
eigentlich auf die Angabe Strabons^), Skopas habe seinen
Apollon den FuB auf die ihm attributive Maus setzen lassen.
Daß dies nicht unmittelbar geschehn sein könne , sondern daß
die Maus durch irgend einen festen Gegenstand gedeckt ge*
wesen sein müsse, in dem sich ein Loch befand , aus welchem
die Maus hervorschaute wird man mit ürlichs , der sich noch
sie ihn häufig dahin , dass die Rechte eine Schale ausgießt«. Dies hat mir
vor Jahren auch Friedländer brieflich in aller Bestimmtheit ausgesprochen,
s. m. Gesch. d. gr. Plast. IR S. 4 67 Anm. 28.
4) Vgl. Urlichs, Skopas S. H2 f.
2y Strabon XIII. p. 604, m. Sq. No. 4 468. iy drj tj Xqvcji javxfi xal
To xov SfAiyd^iiag j4n6XXniiv6g iauy Uqoy xal to cvfAßoXoy^ ro tfjy irvfjio-
trjta tov oyofiaTog aotCoy, o fJivs , vnoxeiiai np nodl tov ^oayov, £x6nä
(f ictty i(fya tov Unqiov, Excerpiert von Eustalh. ad II. p. 80. 46, SQ.
No. 4 469.
14
auf eine Glosse des Hesychius^) bezieht, als selbstverstündlicfa
anneboien dürfen. Nicht weniger wird man ihm zustimmen,
wenn er mit Verweisung auf Strabon IX. p. 396 , wo Agora*
kritos* marmorne Numesis §6avov genannt wird , ablehnt^ aus
dem gleichen , hier gebraudiien Ausdruck einen Schluß auf
das Material abzuleiten, als welches er das dem Skopas gewöhn-
liche, Marmor, annimmt, wahrend man aus den Phrasen des
Rbetors Menandros^], auf welche indessen kein entscheidendes
Gewicht zu legen ist, auf Goldelfenbein schliessen naüBte.
Wenn man aber diese Phrasen als solche betrachtet, so darf
man sie auch nicht als Zeugniß fttr die Lorbeerbekränzung des
Bildes benutzen, so möglich an sich diese sein mag. Und somit
sind wir auf die Frage angewiesen , ob sich aus den Apolion
Smintheus darstellenden Münzen Etwas für die Statue des
Skopas wird gewinnen lassen.
Von diesen Münzen liegen sowohl silberne autonome (Tetra-
drachmen) wie bronzene Kaisermünzen von Alexandria Troas
vor. Die Tetradrachmen, von denen de Witte ^) eine kleine Reihe
veröffentlicht hat und welche mit Jahreszahlzeichen versehn
sind, die, mit de Witte auf die Seleukidenaera bezogen, die
Prägeperiode von 444 (Prusias II) bis 75 (Xikomedes IV) v. u. Z.
ergeben würden, diese Münzen zeigen ausser einem lorbeer-
bekränzten ApoUonkopfe linkshin (Taf. III. No. 4) auf dem
Av., auf dem Rev. mit der Beischrift AHOLLONOZ IMiecoX
AAEHANAPEON und einem Magistratsnamen ständig den rechts*
hin in's Profil gewendeten Gott mit dem Bogen und dem
auf der Sehne liegenden ffeil in der erhobenen, mehr oder
weniger vorgestreckten linken Hand, bekleidet mit dem Hiroa*
tion , welches die rechte Schulter und den rechten Arm frei läßt,
mit einem Zipfel um den linken Vorderarm und mit dem andern
über den Rücken herabhangt und stets ausgerüstet mit dem
geschlossenen Köcher auf dem Rücken. Das Haar hangt bei
keinem der auf de Wittes Tafel abgebildeten Exemplare soweit
den Abbildungen zu trauen ist auf die Schultern herab, sondern
i) Hesych. v. üfiivd^og Sia ro Inl fAvp»niag tpacl [noalj Jto&if) ße-
ßi^xivai.
8) Menand. Rbet. n. Sfiiyd^taKov in Rbett. Gr. ed. Speogel III. p. 445
SQ. No M70.
3) Revue numismatique N. S. 111. (4858) p. 4. sqq. mit pl. I, wo 6
dieser Münzen abgebildet sind, eine siebente im Text p. 27.
15
ist am Hinterhaupt in einen runden Wulst aufgenommen, ähn*<
lieh wie bei dem ApoUon der westliehen Giebelgruppe von
Olympia und einiger andern Monumente. Hiervon macht nur
das mttnehner Exemplar (Taf. HL No. 2) , bei de Witte p. S7
eine Ausnahme i), denn hier hangt eine dicke Locke auf die
Schulter des Gottes herab und das Haar ist hinten in einen kur^
zen Zopf zusammen gebunden. Bei einigen Exemplaren (d. W.
No. S u. 3} k(mnte man nach den Abbildungen glauben, der
Gott trage eine Stephane^ doch wird dem in der That nicht so
sein. Beki*änzt ist er sicher in keinem Falle. Die rechte Hand
ist in allen übrigen Exemplaren, der Handteller nach oben, leer
abwärts vorgestreckt, nur auf demjenigen des Gabinet des m^-
^ailles in Paris (de Witte No. 4}^) liegt auf derselben eine Maus,
was sich mehr oder weniger sicher auf zwei Golonialbronzen ^)
zu wiederholen scheint. Diese beiden Stücke weichen im Übri-
gen von allen anderen Münzen am weitesten ab , da die erstere
den Gott nackt , und mit einer lang Über den Rtleken herab*
hangenden Chlamys ausgestattet, ohne Bogen und Pfeil in der
Linken und ohne Köcher auf dem Rücken, die zweite ihn vol-
lends ganz nackt , mit Bogen und Pfeil in der herabhangenden
Linken, die Maus auf der erhobenen Rechten darstellt.
Eine andere wichtige Verschiedenheit unter den Figuren
der Tetradrachmen ist, daß während in allen übrigen Exem-
plaren (s. Taf. 111. No. 4 u. 2) der Gott im, wenn auch versc&ie«
den weiten Ausschritt (linkes Standbein) dargestellt ist, er in
dem. frühesten derselben (s. de Witte p. 50), \\^lches aus der
Leake'schen Sammlung in diejenige des Pitzwilliam Museum in
Cambridge übergegangen ist (Taf. IIL No. 3) ^) so gut wie voll-
kommen ruhig, das (rechte) Spielbein nur ganz wenig hinter
4] Anderer Meinung ist Imhoof, welcher mir bei der Übersendung
eines Exemplars seiner Sammlung (Mon. gr. S61. 464) und des mtinchener
«chrieb : »X, mit zwei auf die Schultern herabhängenden Locken, welche
wohl auf allen Exemplaren mehr oder weniger deutlich zu erkennen sind«.
2) Mionnet, Descript 9. 689. «5.
3) 4. Millingen, Receuil de quelques m^d. gr. m6d. Rome 4849pl. S.
No. 20, darnach Denkm. d. a. Kunst II. No. 485«, vergl. Miomet , Suppl. 5.
54 4. 87, de Witte a. a. 0. p. 24. — 2. Sestini, Numi veteres tab. 7. No. 44
«SS ChoiseuUGeuffier, Voy. pitt. 11. pl. 47. No. 4 4, darnach Denkm. d. Kunst
II. No. 435i>, vgl. Mionnet, Descript. 2. 644. 406 (unter Hadrian geprägt.)
4) Nach einem Abguss, welchen ich der Freundlichkeit Charles Wald«
Steins verdanke.
16
dem Standbein zurückstehend, dasteht und eine Schale in der
rechten Hand halt. Der ruhige Stand ist deswegen bemerkens-
werth, weil er sich zunächst auf einer von de 'Witte unter No. 7
(p. 27} mitgetheilten autonomen Bronze des Cabinet de m^dail-
les in Paris 1) wiederholt, auf welcher dem im Übrigen mit der
Figur auf den Tetradrachmen identisch dargestellten Gotte vcht
den FtlBen eine Maus beigegeben ist.
Diese beiden Mtinzen aber führen weiter zu einer Anzahl
von römischen Colonialmünzen von Alexandria Troas mit der
Beischrift COL. AVO.TPOAD2) hinüber (Taf. ill. No. 5 u. 6)3),
welche wiederum wesentlich ganz dieselbe Figur, und
zwar ebenfalls im Profil nach rechts darstellen, nur mit der Ab-
weichung, daß dieselbe, wie schon in dem cambridger Exem-
plare der Tetradrachmenreihe, in der rechten Hand eine Schale
hält und der wichtigem, daB sie mit noch etwas weiter als auf
der eben genannten Tetradraohme geschlossenen Füßen, und
zwar auf einer ziemlich hohen Basis steht, was sie doch
wohl ziemlich sicher als Statue bezeichnet.
Auf anderen Exemplaren derselben Reihe ^) ist diese Basis
weggelassen , dagegen ein vor dem Gotte stehender Dreifuß hin-
zugefügt , dem sich wiederum in anderen ein hinter dem Gotte
stehender Baum (Cypresse?) gesellt (Taf. III. No. 7)^].
Während nun Percy Gardner a. a. 0. p. 476 sq. , wenn-
gleich mit einer gewissen Zurückhaltung ^) in dem Typus der
von ihm publicirten Colonialmünze die Statue des Skopas er-
kennen machte und darlegt, warum uns an dieser Annahme die
einigermaßen archaische Haltung der Figur nicht irre zu machen
braucht, hat Wieseler ^) mit aller Bestimmtheit die Figur auf der
autonomen Bronzemünze , der vor den Füßen die Maus beige-
geben ist, als »eine Nachbildung der berühmten Statue
4; Mioonet, Suppl. 5. 510. 84, die Abbildung wiederholt Denkm. d. a«
Kunst II. No. 435^.
2, Mionnet, Descripl. 2. 648 sq. Suppl. 5. 512 sq.
3; Aus Immhofs Sammlung . mit dem Brustbilde des Commodus auf
dem Avers.
4J Mionnet, Descr. a. a. 0. No. 401, ein Exemplar abgeb. bei Percy
Garduer, Types of greek coins pl. XV. No. 23.
5) In Gotha, der Abdruck durch Imhoof.
6) Im Yerzeichniss zu pI.XV. 23 steht zu den Worten: Apollon
Smintheus; statue by Scopas ein Fragezeichen.
1] Im Text« zu den Denkm. d. a. Kunst 3 s. 189.
— It -^ —
des Skopas« bezeichnet. Ich glaube aber, das bisher Dargelegte
zusammenfassend, behaupten zu dürfen, daß alle bisher er-
wähnten Münzen, mit Ausnahme vielleicht der von Millingen
veröffentlichten (S. 45 Note 3. 4] und sicher mit Ausnahme
der unter Hadrian geprägten (S. 45 Note 3. 2), trotzdem sie in
allerlei Einzelheiten von einander abweichen, auf ein und
dasselbe Vorbild zurückgehn. Denn die Abweichungen
bestehn entweder in Zusätzen, welche mit der Figur selbst nichts
zu thun haben (Dreifuß, Cypresse, Maus vor den Fttßen) bei
diesen und Weglassungen (Basis) bei jenen Exemplaren der-
selben Reihe, oder sie geben Zusätze^ welche von der einen
Reihe in die andere ttbergehn (Schale bei der cambridger Tetra-
drachme und bei den Colonialbronzen] oder sie fallen , wie die
Bildung des Haares (wenn diese Verschiedenheit zeigt, vgl.
S. 45 Note 4) in das Bereich jener Freiheit in der Wiedergabe
einer Vorlage, welche bei den alten Stempelschneidern allge-
mein bekannt ist. Die größte Verschiedenheit aber, nämlich
daß der Gott, und zwar grade auf den Tetradrachmen, den
frühesten Prägungen der ganzen Folge, am wenigsten als Statue,
vielmehr als der lebendige Gott und dennoch in dem überall
festgehaltenen Schema, der statuarischen Haltung nur ange--
nähert in dem cambridger Exemplar, erscheint, darf uns nicht
Wunder nehmen, seitdem wir wissen , daß in athenischen Re-
liefen des 4. Jahrhunderts Athena als lebendige Göttin, nicht
als Statue und dennoch im Typus der Parthenos des Phidias
dargestellt ist^). Man dachte sich an den Orten, wo berühmte
Bilder der Gottheiten standen, diese, die lebendigen Gott--
beiten, nicht anders, als in der Gestalt der Statuen und stellte
sie dem gemäß dar, wie ja auch Dio^) vom Zeus des Phidias
sagt, Niemand der ihn kenne, werde sich den Gott leicht anders
vorstellen. So zeigen auch die Tetradrachmen von Alexandria
Troas Apollon Smintheus als den lebendigen Gott und dennoch
in dem Typus, den Skopas seiner Statue gegeben hat und erst die
späte Periode gab diese Statuen als solche w*ieder und das ist
denn auch auf den Colonialbronzen von Alexandria Troas
geschehn.
4) Vgl. Schöne, Griech. Reliefs aus athen. Sammlungen Sp. 33.
3) Dio Chrysost. Orat.43. 53 p. 344 Emper, SQ. No. 708. Auch Schöne
a. a. 0. weist auf diese Stelle hin.
4886. 3
18
Aber ich kann auch hier noch nicht Bali machen, denn wir
sind mit den Mttnzen dieser Stadt noch nicht zu Ende und ich
muß behaupten, daß abermals dieselbe Gestalt des
Gottes, welche wir in den bisher besprochenen Münzen im
Profil nach rechts abgebildet gefunden haben, auf anderen Co-
lonialmUnzen derselben ^) inderVorderansicht dargestellt
sei (Taf. HI. No. 8 u. 9)^]. Zu dieser Vorderansichtsdarstellung
fuhren diejenigen Profildarstellungen (Taf. 111. No. 5 u. 6) hin-
über, welche dem auf einer Basis stehenden Gotte eine Schale
in die rechte Hand geben (wie schon Taf. III. No. 3) und
einen Dreifuß vor ihn stellen (No. 7). Dieser Dreifuß erscheint
hier zur Seile des als Statue auf einer Basis stehenden Gottes
wieder, welcher seine Schale in der Bechten über denselben
halt, wahrend er seinen Bogen, in No. 9 sogar nebst dem deut-
lich gebildeten Pfeil , in der Linken hat, den geschlossenen Kö-
cher (weggelassen in No. 8) auf dem Rücken trägt und mit
demselben, vom linken Vorderarm herabhängenden, die rechte
Schulter und den Ai*m frei lassenden Himation bekleidet ist,
welches uns die Profildarstellungen zeigen. Wenn ihm in No. 8
anstatt der Maus neben dem Dreifuss ein Vogel , doch wohl ein
Babe, beigegeben ist, so verschlägt ein solcher Zusatz nichts,
hat er doch auch in den Profildarstellungen nur ein Mal die Maus
vor den Füßen. Und wenn ihm in diesen Darstellungen in der
Vorderansicht lange Locken auf die Schultern herabhangen,
welche in den Profildarstellungen derColonialmünzen wenigstens
nicht sicher festgestellt werden können , so ist schon bemerkt,
daß diese sich, wenn nicht auf allen Tetradrachmen (S. 15.
Note 4), so doch jedenfalls auf dem Exemplar in München wie-
derfinden.
Wenn aber die , soviel mir bekannt bisher nicht gemachte
Beobachtung, daß auf den Münzen von Alexandria Troas vom
2. Jahrhundert v. u. Z. bis tief hinein in die römische Kaiser-
zeit der Apollon Smintheus ausser in den erwähnten verein«-
zelten Ausnahmen nur in einer und derselben Gestalt erscheint
und daß diese Gestalt dadurch, daß sie auf den späteren Mün-
zen wenigstens zum Theil auf einer Basis steht, als von einer
4) Mionnet, Descript S. «46. 416, Suppl. 5. 648. 436.
5) Aus der Imhoof scheo Sammlung , beide mit dem Brustbilde des
Commodus auf dem Avers.
19
Statue copirt sich zu erkennen giebt^ so wird es schwerlich zu
kühn sein , dieselbe mit größerer Zuversicht und mit besserer
Begründung, als dies bisher geschehn ist, indem man an ein-
zelne Münzen anknüpfte, auf die Statue des Skopas zurückzu-
führen, von der wir somit wenigstens eine sichere Gesammtan-
schauung gewinnen, ohne diese freilich bis in alle Einzelnheiten
hinein verfolgen zu können.
Sollte diese Gestalt aber für einen Künstler wie Skopas zu
gebunden in ihrer Composition und Bewegung erscheinen , so
hat Percy Gardner a. a. 0. bereits in verständiger Weise be-
merkt , daB dieser anscheinend archaische Zug bei einem streng
gefassten Cultusbilde keinen ernstlichen Anstoss bieten könne.
Es dürfte hinzuzufügen sein , daß was wir von der Anordnung
der Gewandung besonders in den Münzbildern zu erkennen ver-
niögen , welche den Gott in der Vorderansicht geben (s. beson-
ders Taf. III. No. 9} und welche eben hierdurch einen sehr
hohen Werth gewinnen, so schön, so iliessend und frei und so
ganz und gar nicht archaisch ist, daß hierdurch allein der Ge-
danke an ein alterthümliches Bild ausgeschlossen und der Hin-
weis auf die Blüthezeit der Kunst gegeben wird.
Ob wir in dem lorbeerbekränzten Apollonkopfe auf dem
Avers der Tetradrachmen denjenigen der skopasischen Statue er-
kennen dürfen muss wohl dahingestellt bleiben. Der Grund,
welchen Urlichs (Skopas S. 113) gegen die Zurückftthrung auf
Skopas geltend macht, dieser Kopf entspreche «genau« dem-
jenigen auf den chalkidischen Münzen, Denkm. d. a. Kunst I.
183 u. 184, auf deren Rückseite, wie auf einer Münze von Ha-
maxitus (bei de Witte a. a. 0. No. 8) eine Kithara, nur ohne
die hier ersichtlichen Mäuse dargestellt sei, wiegt nicht eben
schwer; denn mit der Genauigkeit dieser Entsprechung ist es
nicht weit her und man kann verschiedene andere Apollonkopfe
auf Münzen nennen , welche im Typus ungefähr eben so genau
übereinstimmen. Bedeutender erscheint schon der Umstand,
dass der Avers der autonomen Erzmünze (de Witte No. 7) einen
recht verschiedenen Apollonkopf zeigt; am meisten gegen die
Zurückführung auf Skopas^ Statue wird aber wohl der Zweifel
sprechen, ob auf autonomen Münzen aus immerhin noch guter
KuDstzeit tlbei*haupt Götterköpfe von StQtu^n copirt worden
sind. Auf die Aussage des Rhetors Menandros aber, der Apollon
2*
20
Sminiheus sei mit Lorbeer bekränzt gewesen , ist , wie schon
bemerkt, schwerlich etwas zu geben.
n. Bryaxis.
3. Der daphneYsche Apollon.
Bryaxis hat unseres Wissens ApoIIon zwei Mal dargestellt.
Von dem einen Werke des Meisters, wegen dessen Urheber-
schaft Clemens Alexandrinus^) zwischen Phidias und Skopas
schwankt, während wir es wohl ohne Bedenken dem Letztern
zuschreiben dürfen ^, einer Gruppe , wie es scheint , des Zeus
und Apollon nebst LOwen in Patara in Lykien , werden wir uns
schwer eine bestimmte Vorstellung machen können, weil alle
näheren Angaben fehlen , es mtißle denn sein , daß wir uns fttr
berechtigt hielten , die Apollonfigur auf einer unter Gordianus
in Patara geprägten Bronzemünze '] auf Bryaxis zurückzuführen,
was wir schwerlich sind. Denn dieser Apollon , welcher mit
vom Himation halb entblößtem Oberkörper; den Bogen in der
gesenkten Linken (?) einen Lorbeerzweig in der erhobenen
Rechten zwischen dem von einer Schlange umwundenen Drei-
fuß und dem Omphalos dasteht, auf dem ein Rabe sitzt, zeigt
nicht allein keine Verbindung mit Zeus und mit Löwen, son-
dem läßt sich in dieser Verbindung und Umgebung auch nicht
wohl denken.
Anders steht es mit dem zweiten Werke, der Tempelstatue
des Apollon in Daphne bei Antiochia ^) , einem kolossalen Akro-
lith ^) , wenigstens wenn wir der Beschreibung der Statue durch
Libanius^) Glauben schenken, was nicht zu thun kein Grund
A) dem. Alex. Protrept. IV. 47. p. 44. Pott.
2) Vgl. Brunn, Künstlergescb. I. S. 384.
3) Abgeb. b. Lenormant, Nouv. gal. myth. p1. 45. No. 42, danach
Denktn. d. a. Kunst II. 186. Mir liegt durch Imhoofs Freundlichkeit der
Abguss eines im Handel befindlichen Exemplars vor. In einer Variante
(in der Bibl. nat. in Paris) fehlt der Dreifuß zur Linken des Gottes.
4) Vgl. O. Müller» AntiquiUtes Antiochenae, Götting. 4839 p. 47 sqq.
Stephan! im CR. pour 4 875. S. 4 46 f.
5) S. Theodoret. Hist. eccles. III. 4 0. ed. Vales., SQ. No. 4824.
6) Liban. Orat. 64. Movi^dia inl t^ ir ^aippff ra^tov jinoXXioro^
ttX. Vol. ill. p. 834. Reiske, SQ. No. 4322.
21
vorliegt. In dieser Beschreibung wird hervorgehoben die Sanftr^
heit der Gestalte die Phiale (in der einen Hand), die Kithara,
der Chiton poderes von Gold , den ein Gürtel um die Brust zu*
sammenschiiesst, so daß die Falten zum Theil dem KOrper nahe
anliegen, zum Theile freier hemiederwallen ; der Gott, sagt der
Rhetor , sei singend erschienen und aus der goldenen Kyathos
spendend , wofür er ein unsinniges, aber längst berichtigtes ^)
Motiv angiebt. Nun zeigen uns antiochenische Münzen , welche
unter den beiden Philippus, Trebonianus Gallus und Julianus IL
geprägt sind 2) (s. Taf. I. No. 44 u. 45) einen ApoUon, welcher,
im lang herabfallenden, gegürteten Chiton poderes, aber nicht,
wie Stephani, durch die mangelhafte Abbildung bei Yaillant-
Müller getäuscht, behauptete, nur in diesem, sondern auch in
der lang hinter dem Rücken herabhangenden Chlamys dastehend,
die Kithara im linken Arm hält und mit der Rechten aus einer
Schale spendet , der also ganz mit den Angaben des Libanius
übereinstimmt , nur daß dieser, obgleich er in dem Gürtel eine
Einzelnheit der Tracht nennt, welche sich eigentlich von selbst
versteht und nur erwähnt wird, um über die Faltenanordnung
des Chiton reden zu können, der Chlamys keine Erwähnung
thut. In dieser Münzfigur die Apollostatue des Bryaxis zu
erkennen hat man demgemäss schon lange kein Bedenken
getragen. Wir haben jedoch ein besseres Mittel uns diese
Statue und ihre Schönheit wenigstens einigermassen zu ver-
gegenwärtigen , und zwar in der im Profil nach rechts dar-
gestellten Figur auf einem sehr schönen Tetradrachmon Antio-
cbos' V. Epipbanes (Taf. I. No. 43)^). Dies Tetradrachmon aber
muß hier erst gegen Stephani vertheidigt werden. Denn dieser
bat, indem er aus dem Schweigen des Libanius über die Chla-
mys und der scheinbaren Übereinstimmung der schlecht abge-
bildeten antiochenischen Kaisermünzen den Schluss zog, die
i) S. stephani im CR. pour <873 S. 207 ff., 4874 S. 457, 465 u. 468.
2) Mionnet, Descr. 5. 209. 494, p. 240. 497, p. 248. 540, p. 244. 54 5,
Suppl. 8. 4 48. 429. Eine derselben abgeb. nach Vaillant, Num. aer. Imp.
in Colon, percussa T. 11. p. 226 bei 0. Müller a. a. 0. tab. 1. k , auch in
den Denkm. d. a. Kunst I. 220. h. Die auf Taf. III. No. 44 u. 45 abgebilde-
ten Exemplare aus Imhoofs Sammlung sind unter dem altern Philippus
geprägt, No. 44 = Mionn. Descr. 5. 209. 494, No. 45 = 5. 244. 515.
3) Mionnet, Descr. 5. 34. 272, abgeb. Suppl. 8. pl. 42. 3. Meine Ab-
bildung nach einem vorzüglichen Exemplar der Imboof sehen Sammlung.
22
Statue in Daphne sei in der Tbat ohne Ghlamys, im bloBen
Chiton dargestellt gewesen, das in dem Tetradrachmon vor-
liegende mit den antiochenischen Bronzemttnzen in der Thal
ttbereinstimmende Zeugniß für das Werk des Bryaxis ablehnen
zu sollen gemeint. Und zwar deswegen, weil der von den
Schultern des Gottes herabhangende lange Mantel in ihr mit
unverkennbarer Deutlichkeit ausgeprägt ist. Dies ZeugniB,
welches ihm in seine Vorstellung nicht passte, suchte Stephan!
aber mit der Bemerkung zu beseitigen , es sei deswegen nicht
erweislich , daB es sich hier um eine Nachbildung der Statue
des Bryaxis handele, weil die Münze sich nicht als in Antiochia
geprägt oder als zum Gebrauche daselbst bestimmt zu erkennen
gebe. Das Letztere kann man als vollkommen gleichgültig bei
Seite lassen; wo sonst aber, als in Antiochia, der Hauptstadt
des syrischen Reiches, die Münze geprägt sein sollte möchte
schwer zu sagen sein. Für jeden Unbefangenen wird sie viel-
mehr in ihrer Obereinstimmung mit den Bronzemünzen in allen
Dingen, auf welche es ankommt, als ein neues, werthvolles
Zeugniss für die Gestalt des daphneYschen Apollon des Bryaxis
gelten dürfen, als ein um so werthvoUeres, als ihr schönes und
wohl erhaltenes Gepräge uns viel mehr, als dies die kleinen,
späten und weniger gut erhaltenen Bronzemünzen vermögen,
von der würdevollen Schönheit der Statue des Bryaxis eine Vor-
Stellung zu geben im Stande ist.
Das ist aber nicht das einzige Interesse, welches diese
Münze bietet. Ein vergleichender Blick auf die Tafel 1. muB
Jeden überzeugen , dass die Figur des Apollon Kitharodos auf
dem Denar des Auguslus No. 3 mit derjenigen auf der Münze
des Antiochos Epiphanes fast bis in alle Einzelheiten überein-
stimmt. Wenn dem aber so ist und wenn die Münze des An-
tiochos die daphneYsche Statue des Bryaxis wiedergiebt, so ent-
steht die Frage, ob nicht anstatt der skopaischen Statue, welche
man bisher verkehrter Weise als das Vorbild der auf den Mün-
zen des Augustus und der späteren Kaiser erscheinenden Figur
betrachtet hat , vielmehr diejenige des Bryaxis dies Vorbild ge-
wesen sei?
Unmittelbar schwerlich. Imhoof hat in einem Aufsatz über
die Münzen Akarnaniens ^) auf Münzen hingewiesen, welche
4) In der (wiener) Numismat. Zeitscbr. X (4878) S. 36 ff.
23
(s. Taf. I. No. 46 u. 47] einen rechtshin ruhig stehenden lang-
gewandeten Apollon Kiibarodos mit dem Instrument im linken
Arm und einer in der rechten Hand vorgestreckten Schale^)
darstellen, neben welcher, wie Imhoof S. \ 79 bemerkt hat, »als
eine beinahe völlig gleichartige Darstellung dasjenige (Bild)
des Apollo-Actius zu stellen ist, welches wir aus römischen
Gold- und SilbermUnzen des Augustus kennen«. »Es ist möglich
und sogar wahrscheinlich« setzt er hinzu, odaB bei der Ver-
fertigung dieser Statue der Künstler mehr oder weniger an einen
bestimmten, schon bestehenden und als Apollon Aktios allge-
mein bekannten Typus, dessen Original sich im aktischen Hei-
ligthum befand, gebunden war. Diese Vermuthung würde sich
zur Gewißheit steigern • wenn nachgewiesen werden könnte,
daß das akarnanische Münzbild als Copie des Cultusbildes in
Aktion aufzufassen sei. Da wir aber einstweilen nicht wissen,
welchem der vier Apoliontypen, die uns die akarnanischen
Münzen vorführen, der Beiname der »Aktischen« zukommt, ....
so ist es besser, sich auf die obige Andeutung zu beschränken«.
Ich bemerke hierzu zunächst , dass wenn Imhoof bei der nach
dem Muster des »schon bestehenden und als Apollon Aktios be-
kannten Typus« verfertigten Statue an diejenige des Skopas ge-
dacht hat, dies nur auf Grund der bisher herrschenden und
durch Stephani , auf welchen Imhoof sich beruft, vergrößerten
Verwirrung geschehn ist« In seiner im Nemeseion in Rhamnus
aufgestellten Statue den Typus eines Apollon Aktios im aktischen
Heiligthume zu wiederholen konnte Skopas nicht die aller-
geringste Veranlassung haben und eine solche Anlehnung ist
um so unwahrscheinlicher, als der in Frage stehende Apollon-
typus (wie die anderen drei) sich auf akarnanischen Münzen fin-
det, welche der Periode der völlig umgestalteten Frftgung etwa
um die Mitte des 3. Jahrhunderts angehören, »als nach dem
Verluste der beiden wichtigsten Städte am Acheloos und dem
Eintritt der Colonialstädte das Heiligthum des aktischen Apollon,
das im Gebiete von Anaktorion lag , zum Bundesheiligthum der
i) Wenn Imhoof (a. a. 0. S. 30 zu No. 33) in der Beschreibung dieser
Figur zu der Schale in d^r R. ein Fragezeichen setzt, so wird w.ohl die Yer-
gleicbung der hier (Taf. I. 46 u. 4 7} abgebildeten Exemplare hinreichen, um
uns zu berechtigen, dies Fragezeichen zu tilgen.
24
Akarnanen geworden wara i) . Daß vor dieser Periode ein Cul«
tusbild des Apollon im aktischen Heiligthum von so hervor-
ragender religiöser oder künstlerischer Bedeutung gewesen sei,
daß ein Meister wie Skopas sich hätte bewogen finden können,
sieh für ein für Attika bestimmtes Bild an diesen Typus anzu-
lehnen ist durch nichts zu begründen.
Sehr anders steht die Sache, wenn es sich um die Nach-
ahmung des aktischen Bildes nicht durch Skopas, sondern durch
einen für Augustus beschäftigten Künstler handelt, dessen
Statue in der Wiedergabe auf den Münzen durch die Beischrift
als Apollo Actius bezeichnet wird, falls man überhaupt an eine
statuarische Reproduction in Rom und nicht etwa an eine Ver-
setzung des Bildes aus dem aktischen Heiligthume nach Rom
denken will. Denn dass Augustus glaubte, seinen entscheiden-
den Seesieg bei Actium hauptsächlich dem Eingreifen des
aktischen Apollon zu verdanken ist eine bekannte Thatsache^).
Wenn man nun auf seinen Münzen einen »Apollo Actius« findet,
welcher mit dem Kitharoden auf den akarnanischen Münzen
übereinstimmt, nicht aber irgend eine Nachbildung der an-
deren drei Apollonfiguren dieser Münzen nachzuweisen vermag,
wie kann man da eigentlich noch zweifeln , daß es sich um ein
und dasselbe Bild (im Originale oder in diesem und einer rö-
mischen Nachbildung) handelt und daß eben dieses das Cultus-
bild des Apollon Aktios im aktischen Bundesheiligthum ge-
wesen sei? Denn durch die Wiederholung derselben Figur auf
den akarnanischen und den römischen Münzen wird auch die
Annahme, es handele sich bei den ersteren um ein selbststän-
diges, für die Münzen erfundenes Gepräge, nicht um die Nach-
bildung einer Statue, wenn nicht ausgeschlossen, so doch gewiß
unwahrscheinlicher gemacht. Daß Nachbildungen von Statuen
auf autonomen Münzen , wenngleich nicht häufig, vorkommen
bedarf keines Nachweises mehr.
Aber war diese Statue im aktischen Heiligthum eine origi-
nale Schöpfung?
Das Motiv des Apollon Kitharodos, welcher entweder die
Schale spendend ausgießt, oder sie zum Empfange der ihm ein-
1) Vgl. R. Weil in der (berliner) Zeitschrift f. Numismatik VII. (4 879)
S. 4 26.
2) Vgl. auch Stephaniim CR. pour 1875. S. 425 f.
25
suschenkenden Spende vorstreckt, während er sein Instrument
im linken Arm halt, geht, wie streng rotbfigurige Vasengemälde
zeigen, in das 5. Jahrhundert hinauf, während dasselbe^ so viel
mir bekannt, in schwarzfigurigen Vasenbildern nicht nachzu-
wei^n ist. Man vergleiche nur z. B. Gerhard, Ant. Bildwerke
Taf. 9 (Berlin alt 837, neu 8206) 58, Auserl. Vasenb. 1. 24, oder,
um auch eine Profildarstellung anzufahren I. 78, oder £lite
cdram. II. 32^). Aber der Apollon erscheint in diesen Dar-
stellungen noch nicht in dem jttngern Kitharodencostüm, d. h.
mit der um den Hals geknüpften, über den Bücken lang herab-
hangenden Ghlamys ; der ihnen zum Grunde liegende Typus ist
also wenigstens nicht das unmittelbare Vorbild der aktischen
Statue, wie sie uns die akarnanischen und die augustischen
Münzen zeigen. In diesem Jüngern Kitharodencostüm stellen
dagegen die auf die Statue des Bryaxis als das älteste Monu-
ment dieses Typus ^ zurückweisenden antlocheni sehen Münzen
und das Tetradrachmon des Antiochos Epiphanes Apollon dar.
Damit ist nicht gesagt und soll nicht gesagt werden , daß die
Statue des Bryaxis in Daphne das Vorbild derjenigen des ak-
lisohen Apollon gewesen sei. Und zwar deswegen nicht, weil
der in Bede stehende Typus auf den Münzen noch anderer Orte
vorkommt, an detien allen ihn aus der Statue des Bryaxis abzu-
leiten, mag es sich um Wiedergabe von Statuen, wie vielleicht
in Argos (s. unten) oder um blosse Münztypen handeln, viel ge-
wagt sein würde. So zeigen den spendenden Kitharoden Apollon
im Profil nach rechts, wie das Tetradrachmon des Antiochos,
der Denar des Augustus und die akarnanischen Münzen , solche
von Kolophon (Taf. I. No. 18) mit dem sitzenden Homer auf
dem Avers; in der Vorderansicht, wie die Münzen von Antiochia,
der Aureus des Augustus (Taf. I. No. 4) und die Münzen der
späteren Kaiser (Taf. I. No. 5—8, 44 , 42) solche von Athen »)
und die mit attischen Typen übereinstimmenden von Imbros ^),
i) Die von Stephan!, GR. pour 4S73 S. 202 aufgemachte Liste ist
kunstgeschichtlich zn nichts zu gebrauchen.
2) Merkwürdigerweise stellen auch Vasenbilder des 4. Jahrhunderts,
so viel ich weiss, den stehenden Kitharoden Apollon nicht wie den musi-
cirenden, in dem jiingern Gostüm dar; vgl. z. B. Stephani a. a. 0. S. 90
und 245.
8) Beuld, Les monnaies d' Äthanes p. S88.
4) Mionnet Descr. I. p. 484. 5; Gat. Brit. Mus. Thrace p. 212. 9.
26
ferner solche von Halikarnass^) und von Argos^j. Dürften hier
die Typen der kleinasiatischen Münzen der Zurttckführung auf
die daphneYsche Statue keine sonderliche Schwierigkeit machen
und diese Zurüokfuhrung bei den athenischen (und damit auch
den abhängigen imbrischen) Typen sich damit rechtfertigen
lassen, dass Bryaxis ein athenischer Künstler war, so wird man
doch kaum angeben können, wie sich das Erscheinen dieser
Gestalt auf den argivischen Münzen in ähnlicher Weise sollte
ableiten lassen. Was aber für diese gilt, das muß man auch
für die akarnanischen Münzen und die diesen etwa zum Grunde
liegende Statue zugeben.
Wenn man demnach einstweilen auch und vielleicht für
immer die Herleitung des Typus des spendenden Ritharoden
Apollon aus der Statue des Bryaxis in Daphne dahingestellt
sein lassen muss , so wird man doch hoffentlich fortan von der
bisher so häufig wiederholten Vermischung und Yerquickung
dieses Typus, wie ihn die Münzen des Augustus und der spä-
teren Kaiser (Taf. I) sowie die weiteren hier behandelten
iceigen mit demjenigen des schreitend singenden und spielen-
den Kitharoden der neronischen Münzen und der verwandten
Monumente (Taf. 11. 1 — 8, 9. 11) zurückkommen, womit schon
viel gewonnen sein würde. Vielleicht überzeugt man sich auch,
daß für den singenden und spielenden Kitharoden Apollon der
-Typus des ruhig stehenden (Taf. 11. No. 9. 10. 12) von dem-
jenigen des lebhaft schreitenden (in den eben genannten Monu*
menten] geschieden werden muß, während eine weitere
Unterscheidung eines dritten Typus, dessen nämlich, in wel-
chem Apollon die Kithara im linken Arme, mit dem in der
rechten Hand gesenkten Plektron dasteht und der sich in einer
grössern Anzahl von Monumenten verschiedener Gattungen und
Zelten nachweisen läßt, einer spätem Untersuchung vorbe-
4) Imhoof, Monnaies grecques p. 344. 62^.
2) Imhoof u. Gardner^ Numism. comment. to Pausen. I. p. 86. pl J.22
u. 24 (Journal of hei), studies 4885). Die Münzen werden zu den bei Pau-
San. II. 4 9. 8 u. 24. 4 erwähnten Statuen des Apollon Agyieus und Deira-
diotes angeführt, aber nicht sie allein, sondern auch Münzen mit einem
links (rechts v. Beschauer) blickenden A. Kitharodos mit dem Plektron in
der R. (pl. J. No. 28) und ein nackter, vorschreitender, nach dem Pfeile
greifender Apollon (der nicht abgebildet ist). Die Beziehung dieser Münz-
figuren zu den Statuen bleibt also ungewiss.
27
halten bleiben mag , da ich gegenwärtig weder im Stande bin
mit Sicherheit aufzuklären, wie sich dieser auf den augu-
stischen Münzen Taf. I. No. 2 u. 4 erscheinende Typus zu dem-
jenigen der Münzen No. 1 u. 3 verhalte noch auch bisher unter
den Werken der berühmten griechischen Bildhauer, um deren
einige es sich hier zunächst handelte , das Vorbild aufzufinden
vermocht habe.
SITZUNG AM 29. MAI 1886^).
Herr Fleischer legte das fünfte Stück von Studien über Dozj/s
SuppUment aux dictionnaires arabes vor (s. diese Berichte v. J.
4885, S. 346—410).
II, 374^ 15 — 17. Wenn »Jbäil ^Lä nichts bedeutet als
»il 6tait du district de Silves«, so ist auch das vorhergehende
,(f 4r m Q ^ •
«Jlalt ^^ »hervorgegangen aus Al-Garb« nur eine allgemeine
Einleitung jener näheren Angabe. In der That war Ibn 'Ammär
(Dozy's 'Abdolwähid, S. Ausg., S. vi, Z. 14) in ^^^J^j einem zu
Silves gehörenden Dorfe oder Städtchen, geboren, und das noch
heute dem Namen nach vorhandene Silves liegt in der stldpor-
tugiesischen Landschaft Algarve, deren Hauptstadt es ehemals
'O "
war. Aber in solcher Nebeneinanderslellung sind ^ioll und
o^
ftJoftll nach Herkunft und Sprachgebrauch sich wechselseitig aus-
schliessende, auf verschiedene Dinge anwendbare Gegensätze,
im Allgemeinen : Ort oder Zeit des Anhebens, Anfangens X Ort
oder Zeit des Abbrechens, Aufhörens, II, 55* u. 56*; als Kunst-
wörter der Poetik insbesondere : Anfang und Ende einer Kaslde,
II, 375% 8 flg. Im Anschluss hieran, mit Beziehung auf Ibn
^AmmÄr's Grösse als Dichter, scheinen mir jene Worte in bild-
licher Weise auszudrücken, dass sein Leben in Al-Garb be-
gann und in Silves endete; ungefähr wie wenn ein Schönredner
unserer Zeit den Ort, wo ein grosser Schauspieler geboren, und
den, wo er gestorben ist, mit Beziehung auf dessen Künstler-
laufbahn so bezeichnen wollte : Er betrat die Bühne des Lebens
4) Die Sitzung am 8. Mai war aus dringlichen Gründen ausgefallen.
29
in der Mark (Brandenburg) und verliess dieselbe in Berlin. —
Im eigentlichen Sinne freilich starb Ibn 'Ammär in Sevilla von
der Hand seines ehemaligen fürstlichen Freundes und Wohl-
thäters, des 'Abbädiden MoHamid ('AbdolwÄhid S. i« Z. 9—1 1 ,
'Abbädiden, II, S. 4i9, Z. 1 — 42), aber die eigentliche wolken-
lose Sonnenhöhe seines Lebens war mit seiner Abberufung von
der Statthalterschaft in Silves zur Übernahme des Vezirats in
Sevilla vorbei. Trotz aller äusseren Grösse und manchem Ein-
zelerfolg ging es von da ab immer entschiedener dem tragischen
Ende zu; s. die lebendige Schilderung davon in Dozy's Histoire
des Musulmans en Espagne, IV, S. 448 — 188.
o «.
II, 375*, 4 u. 7. Das durch dieses «LLo, PI. ^U^^ ausge-
drückte griechische Kunstwort, welches nach Moses ben Esra
und Abulwaltd ibn 6anäh den arabischen ^^^^ und lU^, PI.
.» oft '0£
s^LuiJ und Jü^t, entspricht, ist ohne Zweifel ycofifta. Ein zu Rathe
gezogener klassischer Philolog schrieb mir darüber: »Nirgends,
weder bei den griechischen, noch bei den lateinischen Metrikern
findet sich eine Notiz darüber, dass gerade nur jene von Ihnen
genannten vier kurzen Versfttsse [die zwei Arien des \^.kj^: -
und ^% und die drei Arten des JiJj: ^-, -^ und ^v.^^] xofi-
fiaTO genannt worden seien ; wohl aber steht dieses Wort über-
haupt für die kürzesten, nur zwei oder drei Moren enthaltenden
Versfüsse, im Gegensatze zu denen mit vier Moren, wie der
Dactylus und Anapäst, und denen mit fünf und mehr, wie der
Greticus u. s. w. Wie nämlich die griechischen und lateinischen
Rhetoriker die Periode in nwla und diese in no^fiaza theilten
(Cicero, Orator 62, und Quintilian 9, 4, 22], so theilen auch die
Metriker, wenigstens die lateinischen, die Verse in cola und
commata. Marius Victorinus, Keil, Gramm, latini, Vl^ p. 53,
sagt unter der Überschrift de colis metrorum: »Consideranda
praeterea in metris cola, quae latine membra, item comma, quod
caesum a nobis proprio dicitur, id est extrema et exigua pars
in metris Quorum differentia talis est : colon est mem-
brum quod ßnitis constat pedibus, comma autem in quo vel pars
pedis est [möglicherweise also auch eine einzelne Silbe oder ein
einsilbiges Wort, wie im Arabischen (Adals v..aaü> w^-m^]. Weiter
unten p. 54, 46: ^Ergo versus, cum ea qua conjunctus erat parte
30
dissolviiur, coIa eüGcit; cum vero ea qua coDJunctus erat parte
absciditur, particula quae divulsa ex eo est comma dicitur, ut in
illis versus solvatur, in liis caedatur.« Femer derselbe de metris
Horat., Keil, p. 184, 9: 9 Colon est quaedam pars orationis In-
tegra pedum compositione conjuncta, cujus pars comma dicitur.«
« >
II, 375*, 24 »(j^«f. In Hamaker's /j\> ist nur der Vocal un-
richtig; denn nicht /ä. ist das Gegentheil von Jj>, sondern / äj.
Jenesbedeutet im Allgemeinen gross sein, dieses klein sein;
s. M unter J^ S. rvf * drittl. Z. und Lane unter JJL> S. 437«
und / ^^ S. 896^. Das J^JL> im ersten Halbverse Idsst als Gegen-
satz dazu im zweiten keine andere Lesart zu als /jo.
II, 375*, 36 u. 37 vl«il^ ^b&«« von einem Schaohbrete aus
Ebenholz: mit Elfenbein ausgelegt , marquete d^ivoire, nicht
Dincrustefi,
11, 376*, 6 — 8. Die Bedeutung, welche Dozy dem
nach der angeführten Stelle der Breslauer T. u. E. Nacht bei-
legt, macht es zu einem Synonym des paronomastisch damit ver-
bundenen wA^jü; II, 138^, 4 u. 5; von einer Bedeutungsver-
wandtschaft der Stämme yjthn und ^,hS aber ist nirgends eine
Spur zu finden. Es wiederholt sich hier dieselbe allgemeine
Bemerkung wie zu II, 362*, ii — 7 v. u. im vorigen Stücke
dieser Studien. Dagegen ist v^mü kurze, kleine Schritte machen,
serrer les pas, marcher a petits pas, wovon y,Jykä Äjb , ein kurz
ausschreitendes Reit- oder Saumthier, undv^.! q^ N.j^t (Frey-
tag^s Meidäni, 11, S. 296, Nr. 441), kleinere Schritte machend
als ein (furchtsam vorgehender) Hase, — so auch nach der An-
gäbe des E^müs, dieses ^ami komme von ÄjtJul v^Übd, d. h.
L^fM^ /ffi^» Hiervon, wie ^^^^j ??Orin, sich ergehen, von^^^.Nwuo,
•fbn, gehen, das frequentative Medium v.ÄbÄj, viel kleine Schritte
machen, trippeln, herum oder hin und her trippeln, z. B. um
einen Ausweg zu suchen, wie dort in der T. u. E. N. der von
31
seinem FlUgelpferde auf dem platten Dache eines Schlosses ab-
gestiegene Märchenprinz.
II, 376®, 3 u. 2 V, u. »wftiaiLo — Crible de soie, (Tun tissu
grossier, pour la farine^ M.a M's /äaä^ ist nicht »grossiert, son-
w » ^ 0- f y
dern serr'e, dense. Die ääIäo oder iüysu^ eines solchen Mehlsiebes
besteht nicht in der Dicke {epaisseur, I, 837^, 25) und Grobheit
der sich kreuzenden Faden oder Haare, sondern in der Dichtig-
keit (density) ihres Geflechtes und der Kleinheit ihrer Durch-
gangsdffnungen , gemäss der Bestimmung dieses Werkzeugs,
fein zu sieben, II, 376% \ — 3. Auch Cuche hat »^^äLüj ^tre
blut^ tr^s-fin (farine)«. S. dazu besonders Landberg, Proverbes
et dictons, I, S. 125 u. 126.
II, 377^, 7 V. u. »Ä-otaä legumet der Form nach Relativ-
nomen von fOlp, PI. D'^^DIp, bei Low, Aram. Pflanzennamen,
Nr. 281 , S. 336 u. 337 (Z. 3 yj^ät Di-uckfehler st. ^^1), trockne
Uülsenfirttchte, Samenkörner von Kttchenge wachsen, besonders
Bohnen, Erbsen und Linsen verschiedener Art. In dem Nach-
träglichen zu Levy's chaldaischem Wörterbuche, II, S. 575%
hielt ich das in ÄljLLd Übergegangene hebräisch -aramäische
n'^3l3p, PL tii^Stap, und das gleichbedeutende ^yo^y) des jerusa-
lemischen Targum für eine Zusammenziehung von n'^)D')i]?, '^$19'^^,
Sommerfrüchte, wie das arabische W^ort von Einigen durch
s.AAAaIJ ^Ä>', Sommergrünkraut, erklärt wird (M lvn\ 1).
Aber Geiger in seiner jüdischen Zeitschrift, 6. Jahrg. 1868, S. 154
ersetzte diese unhaltbare Ableitung durch die vom hebr.-aram.
'fDp, klein, schmal, dünn, fein sein, wie trockne Hülsenfrüchte
auch bei den Römern minutae fruges hiessen. S. dazu Low
a. a. 0. und Levy^s Neuhebr. Wb. IV, S. 285*. Auch Hoffmann's
Bar Ali Nr. 3203 übersetzt j^xp^o \£^ durch s^ty^^ (^i^^^
vjjJx^t, wie dort steht] und fügt hinzu: &^t U^ l/'^-^^^ J^
^LbiÜt l^y^*M^. |»UJt ^\y Dem jbo? entspricht ÄäJü^ s. Laue
S. 896». Cuche S. öfK^: »äUaäJI les farinac^s (pbis, haricots,
ffeves),! AUFarälcd S. 11.*: ^\\^ - äIj^ grains farineux, tels
32
A o
qu6 pois, föves, lentilles, etc.c Offenbar sind X^Äto, PI. J^LLd
und iUSLbä, II, 377^ 23 flg. und 368% 7, nur verschiedene For-
men des Wortes mit derselben, etwas anders gewendeten Grund-
bedeutung.
II, 378*, 18 «qLLlö, pl. ^^Li, cordon, lacet^j »iüLLuä
^an^e, cordonnet de soie, d^ora. Über die Ableitung und bei
den Arabern selbst schwankende Aussprache dieses Wortes s. I,
447% 1 — 4, und die Anm. dazu im 4. Stück, dieser Studien v.
J. 4884, S. 37 Z. 43—48. Auch Hartmann, Sprachführer S.
247^: »Schnur tltAn, PI. yjÄtln,a Guche, öft*^: »^liilä cordon,
cordonnet,« Al-Far^l'd, IaI**^: ^^^Cß _. ^^LLjj cordonnet de soie,
etc. >üÜa^ un cordonnet. ff Türkisch dagegen stets wie bei an-
dern Arabern qux^ , ^aitän.
II, 380% 20 Ä^Uä'. oIjüüI j sedentairement, Bc.a Bocthor
selbst giebt dem Worte keinen Vocal, und Dozy hat das Dammah
hier und oben 379% 5, wahrscheinlich dem v>Lit3 der Wörter-
« >
bücher entnommen, in welchem Worte JU», wie in JLium, cIju»
u. a., die besondere Form für Krankheiten und krankhafte Zu-
stände ist. Schlechthin als Infinitiv aber statt öjaÄ^ gehört ^Ui
dem ägyptischen Arabisch an, welches diese Form auch den In-
finitiven anderer intransitiver Zeitwörter giebt. Dasselbe ^Ui,
sitzen, wohnen, bleiben, in der Bresl. T. u. E. N. I, tn, 40, III,
Mi, 5 u. 6, r.., 9, Burckhardt's Arab. Spi-üchwörter Nr. 64,
Spitta-Bey's Contes arabes modernes S. 34 Z. 6: qu'Äd el^la
(^! o\jt!!)^ der Aufenthalt im freien Felde (s. dazu das Gloss.
«-. > > >
S. 205 Z. 42—44); olX*^ st. o^, schweigen, Bresl. T. u. E.
N. l/vA, 4, Burckhardt's Arab. Sprüchwörter Nr. 480, Spitta-Bey's
-, >
Contes S. 464 Z. 4: eltazamt essukät (oIXmJI v:;^^«^^]!] ^ ich legte
mir Stillschweigen auf (s. dazu das Gloss. S. 4 86 Z. 3} ; ^\.^
33
9 >
St. v3y^7 eintreten, besonders in das Brautgemach, Bresl. T. u.
E. N. I, i*»!, 4; ^^^ st. Oyi^ (wie die Galland'sche Hdschr. hat),
brennen, ebendas. f.f, 6.
II, 380% 28—30 »sj^j^d, gemeinarabisch »v>^l§a 380% 40
v.u. Auch nach Seetzen, Reisen, I, S. 381, heisst das junge
Kamel in seinem vierten und fünften Jahre »Raäudff, mit arab.
Buchstaben dort fehlerhaft geschrieben »{joyS(i^.
II, 380% 32 u. 33. Doxy sagt nicht, wie er aüCo SJund ver-
standen hat. De Slane selbst, Histoire des Berbdres, III, S. 376
Z. 24 u. 25, übersetzt die ganze Stelle: »Alors un eunuque se
rendit aupr^s de la reine, ^pouse du däfunt et filie du sultan
Abou-Ishac«: sJUi sJux3 bedeutet aber an und für sich natürlich
nicht die Königin, sondern nach der von Freytag übergangenen
Erklärung des Kämüs *. o^l ^ LPJyüü B|^l sJuaäJI, »seine (des
verstorbenen Königs) Hausfrau«.
II, 380% 34—35 »uX^! HJOJlcff Bresl. T. u. E. N. X, 287, 6,
statt J4JÜI BJu:ld in der entsprechenden Stelle der CaIcuttaer und
Bulaker Ausgabe, und in der Bresl. Ausgabe selbst, überein-
stimmend mit jenen, I, 213, 1. Z., ist nach Dozy »une fautetr,
aber weder ein Druckfehler ( — die dem Bresl. Texte zu Grunde
liegende Gothaische Handschrift hat wirklich BJö^ — ] noch ein
Sprachfehler, sondern eine andere Lesart mit ahnlichem Sinn.
Jenes cX^t H<Acb' ist ein Mädchen mit vollem , straffem, gleich-
sam festsitzendem Busen ( — Freytag*s j>sororiare primum inci-
piens, de mammaa entspricht nicht dem ^Jut ülPLäjI i^^JkxIt q«
^^yUj ä^ des K&müs — ) , dieses J4J0I HJü^ ein Mädchen mit rei-
fendem oder gereiftem Busen, d. h. mit schwellenden oder voll
entwickelten Brüsten; s. H, U8% 21—23, 150% 3—8, Lane
S. 2106% Z. 12 flg. V. u.
II, 380'^, 9 flg. V. u. »vXjet, c. s^ r., plus rapproche de, et
de lä, connaissantmieux«, weiterhin nconvenant mieux d, s^adap-
tant mieux d«. Es liegt hier ein eigenthümlicher Fall vor. In
dem angeführten Artikel des Journal asiatique ersetzte Dozy die
4 886. 8
34
dem Jui»! mit v^ einer Person oder Sache früher von ihm ge-
gebene Bedeutung magis par (ei) durch »plus rapproche de«,
weil er die weiteren Bedeutungswendungen mit jenem magü
par nicht vereinigen konnte. Aber seine Berufung auf die erste
Bedeutung von Jüü»i bei Freytag geht in zweifacher Hinsicht
fehl: erstens ist jenes v^.a^mJüI j^jkäI nicht Comparativ wie dieses
yXki\j sondern absoluter Superlativ (s. meine Ki. Schriften, I, S. 684
Z. 20 flg.] des im Allgemeinen gleichbedeutenden v^^JÜt
[ — der Kam, erklart beide mit denselben Worten: i.^^wMJÜt Jujüü)
wie u-J^*! 0^^\ ist jl^il Jk^t er *Q^' vVjäJ! — ); zweitens
liegt der Begriff des Naheseins weder in dem Zeitworte
Jm an sich, noch in der Verbindung desselben oder eines davon
abgeleiteten Nennwortes mit u^, sondern in derForro Ji^ von
Jujid, entsprechend dem cXxLiu von lAcö, mit jemand zu-
sammen, ihm nahe oder nächst sitzend, wie yj^.j^A&aa
^j«JL^ von ,jnJL>. Diese Particip- und Adjectivformen aber
nehmen ihr Gorrelat nicht durch v^, sondern im Genetiv und,
wenn indeterminirl, durch J zu sich, wie Ju; ^j«.JL> und ^j<..JL>
JuJ, nicht uXüjj ^^;«.JL>^). Dieses \^ö>^ Om erhält also seine
m ••
4) Man bemerke hierbei noch besonders, dass der Genetiv ««.^UMjJt
in ^-^^-NfcAJi O^fjtÜ und w^-m^-U! »AäüI (KÄmüs und M), wie dies schon aus
>
dem doppelten Artikel in der uneigentlichen Genetivanziehung «A^i^jüüf
u^^M^Jt hervorgeht, nicht der oben erwähnte, sondern Stellvertreter des
Accusativs der näheren Beziehung, jä-^t, und somit das logische Subject
ist: lA-JtJ fcAA^o o^ = J^ji tX;^» er ^^:?;* «^l-J^ CT-
35
Bedeutung nicht von jenem O^ = cXaIJL«, sondern von Jsxi
als Aciivparticip von Om mit dem transitiv machenden v^ (^L
ÄjJoüJt): 8^jL»^ = \j Jotd, er hat ihn oder es niedergesetzt, festge-
setzt, — in verschiedener Anwendung. Zunächst in persön>
lieber Beziehung und eigentlichster Bedeutung : j e m and (bei^m
Ringen, Kämpfen) auf den Boden setzen^ dann tiberhaupt
unser volksthUmliches: einen unterkriegen, mit ihm fertig
werden, ihn bewältigen oder bewältigen können, ihm oder einer
Arbeit, Aufgabe u. s. w. gewachsen sein, es mit ihm oder mit
ihr aufnehmen, Bocthor's nsefairefort^ s'engager ä«, U, 379*, 8
u. 7 V. u., M's äI \yS Ji ^\ &3li?l äjJü ^"^is JüeJ, bei Frey tag
die 7. Bedeutung. Nach einer anderen Seite hin: jemand
oder etwas festmachen, in der Bedeutung: für jemand
Sicherheit gewähren, bürgen, und: etwas verbürgen, dafür Ge-
währ leisten, gut sein, gut sagen, Bocthor's »cau^tonner, serendre
caution pour quelqu'un, v^ «AjtStf, und »garantir, se rendre ga-
rant de, s^ Jüü«, II, 379% 7. v. u.; auch schwächer, wie unser
gewähren für bewilligen, genehmigen, zulassen, gutbeissen,
Bocthor's »vJ.-Aa4J <Aje, passer , approuver, aWouer wie depensea,
II, 379*, 6 u. 5 V. u. Die Grundbedeutung des Festsitzens, Fest-
liegens, Feststehens zeigt sich auf das verschiedenste bildlich
angewendet in den Bedeutungen des zum Substantivum gewor-
denen öJu:lS, II, 380*°-^; von derselben erhält v "^^ ^^^^ ^i^
Bedeutung zurechtstellen, in die gehörige Verfassung bringen,
ordentlich einrichten, angemessen gestalten u. s. w. Ohne Be-
ziehung auf ein bestimmtes Correlat läuft sie endlich in die ab-
stracten allgemeinen Begriffe der Gewissheit, Wahrheit und
Richtigkeit aus, wie in »äJwo cXäü! ^ii* ^, rien ti'est plus vraty L«,
II, 381% 2 u. 3 ; »Jüet, plus droit, plus juste; plus conforme aux
rögles« bei Cuche, S. ofr"; Laffal-kimät, Hf, i \ u. 12: Jyjj* X^LäjI
»der gemeine Mann sagt von einem der in Erlernung von etwas
sehr fleissig ist : tefattah (er thut sich auf, entwickelt sich], wie
3*
36
man sagt: teharrag [er macht sich heraus, bildet sich); aber das
zweite ist bekannter und richtiger als das erste«. — Aus dem
bisher Gesagten erklären sich alle von Dozy im Journal asiatique
a. a, 0. und hier im Supplement beigebrachten Beispiele der
Verbindung von Jüt» oder eines davon abgeleiteten Nennwortes
mit v^. Aber davon zu unterscheiden ist v>jkj» mit ^^ Journal
asiat. 1869, S. 150Z. 23 flg. :^^! ^t UTJjLI ^ ^tyJI«ÄPci«3i,
von de Slane übersetzt: «de ces (trois) mondes, celui de Thomme
est le plus pr^s de notre compr^hension,« wogegen der Sinn ist:
»die am sichersten in unserem Wahrnehmungsbereiche Hegende
von den drei Welten ist die Menschenwelt.« £benso tropisch
Ihn Jats vir, 4 : ^i ^ I Ju«ä ^ ^;A«*aÄJl, wörtlich : die Demi-
nutivbildung sitzt im Plural nicht fest^); d. h. sie findet im
Plural nicht durchgängig und gleichmässig statt (vgl. Mufassal
§ ^Ao und dazu Ibn Ja'ts) ; ebendas. 8 u. 9 : jJü^\ ^ Jüi5? ^^*I
(^'o Jt Q^, wörtlich : das dreiconsonantige Nennwort silzt in der
Deminutivbildung fester als das vierkonsonantige, d. h. nimmt
dieselbe durchgängiger und leichter an als das vierkonso-
nantige.
^ » t> ^
II, 38 1^ 28—30. In der Stelle aus Edrlsi ist äjijüu ein-
fach ss= cXjüu als n. loci von iAjiä, und v^ In xj vJm, wie in Jüe
Aj, das transitiv machende, = Jj;ü: »wenn ein Mensch das-
selbe (das beschriebene Abfuhrungsmittel) einnimmt, so nöthtgt
es ihn sofort, seinen Sitz schleunig, ohne Aufschub und Aufent-
halt zu verlassen ,a d. h. zu Stuhle zu gehen. Die Annahme,
»Jüüu bedeute hier y^aniis^ bout du rectum«, kommt von der
Verkennung des äjlX«;^! i-L.
II, 381^, 7 V. u. Dieselbe abstracto Bedeutung wie hier,
4 } Hier ist wX^uü» nicht das oben besprochene (-X^it» =^ lVc^äa, son-
dorn Verstärkung von «AcÜ.
37
J & J
i>no6/es56,« urvSterlicher Stammesadel, hat .>Jüü auch in dem
Verse bei Ma^kart, I, vi**, 6 :
II, 382^ 10 »<£ä pie(i^ das umgekehile /^«^.
II, SSS"*, 4 V. u. »Xwpanter« mit dem Artikel als a/ co/a in
das Spanische (Dozy, Gloss. des mots espagnols u. s. w., S. 92]
und ohne denselben als coufle, couffe und couffin in das Franzö-
sische übergegangen.
II, 383% 14--n Ajä, bäume, asphaltea, eigentlich^, eine
härtere Nebenform von -ä5", nßS, Schiffspech. Das letztere
führt derEämüs als acht arabisch an, M aber, |aI*o^, 4 u. 3 v. u.,
sagt : »Al-kufr ist auch das Pech (jJü') mit dem die Schiffe be-
strichen werden, oder es ist das arabisirte hebräische y^«.
Richtig Yocalisirt bei J^küt, IV, tr, 4 : |«.^t aOuo slls> Hj[ä1\ .
& >
-^1^ ;Ää!L. Aber die Magrebinen sprechen Jü und JtS', s. Dozy,
Gl. £sp. S. 31 u. 32 unter Acafelar.
II, 383», 89 »^, ruche?ia Payne Smith's Angabe wird be-
stätigt durch Guche: »j*Ää ruche d'abeiiles«; ebenso Al-FaräYd,
mit dem PI. q^j«.
II, 383% 6—4 V. u. ^ in L^ jÄäJ ^^ oL> ist nicht usur-
prendren, sondern dasselbe wie in der folgenden Stelle aus dem
nämlichen Werke, Reiske^s aufugit. »Lulu riss die Ringmauern
dieser Plätze nieder, weil er fürchtete, dass man sich hinein
flüchten möchte,« d. h. dass der geschlagene und fliehende Feind
sich hineinwerfen und darin festsetzen möchte.
II, 383^, 45 »jlii, sorte de serpentatj bereits von Bochart im
hebr. TifijJ, Jes. 34, 15, als serpens jaculus nachgewiesen; s.
Gesen. Thes. 1226». Das deutsche »Pfeilschlange« entspricht
genau dem türkischen qX^. (j^^ Ok-jilan, unter welchem Na-
men Seetzen, III, S. 471, eine ihm in der Nähe von Smyrna
vorgekommene Schlange dieser Art beschreibt.
38
II, 384% 5 — 1 V. u. Dozy lehnt die Mitverantwortung für
diese Deutung ab; ich finde sie ebenfalls unzulässig, überdies
aber den ganzen Vers in seiner jetzigen Gestalt sinnwidrig.
Verstandlich wird er durch Umwandlung von / j*)!^^ in (Jf;'^^
und von J^\ in jikSI. (jjL^, eine Wahlstatt, ein Schlachtfeld,
ist mit dem unmittelbar darauf Folgenden schlechthin unverein-
bar, und i^b, eine Krankheit, ein Leiden, kann nicht selbst wie
eine Person Jiü) sein, d. h. an ji^, Trockenheit and Zusammen-
geschrumpftheit der Haut leiden. / 5;!^, logisches Subject mit
vpj.^Y^, ein Irrgläubiger, ist ein vom ^Lifch, dem zum Abstractum
gewordenen iUclX (dem griechischen Kaiser] gegen den Helden
des Dichters gesendeter Heerführer, der im folgenden Verse von
ihm besiegt und gefangen genommen wird: »Auch erscheint
wohl ein Irrgläubiger, dessen Heereshaufen vom Oberhaupte
des Unglaubens abgesandt ist, ein Mann, der sich den Todes-
göttinnen als Zielscheibe hinstellt, während sein Leiden die
Altersschwäche ist,« gerade er also zum Kriege gegen den ge-
feierten Vorkämpfer des Islam am wenigsten taugt.
II, 384^, Kh V. u. »«XwUä? hazt d*une colonne^ nach Payne
Smith, ist im Gegentheil xeq)aXlgj xecpaUdiov, chapiteauy Säulen-
knauf^ Kapital (nach der bei uns gewöhnlichen Aussprache und
Schreibart st. Kapitell), capitellum, capitello.
II, 385*, 5. Besonders auf »/a partie införieure du dos« be-
zieht sich liäjl am Ende der angeführten Stelle Ibn HallikAn^s
nur durch eine unfeine Anspielung im morgenländischen Ge-
schmack; s. die von Dozy selbst anerkannte Berichtigung von
de Slane's Uebersetzung im 1. Stücke dieser Studien v. J.
488^, S. 24 zul, 481», 42 u. 43.
II, 385», 47 j»pers.^^^ Jo«, Zusammenziehung von^ v*^?
noctu fragrans, — so genannt, weil die Tuberose in der Nacht
stärker duftet als am Tage.
II, 385», 40 u. 9 V. u. flg. 3«Ä> in ♦i^äj v>t^ bei (jubair und
in dVlib i§^^, Abbad. II, 225, 3, leitet Wrightim Glossar zu 6ubair
39
S. 29 mit Recht von JJ^! ab: »mit einem Mundvorrathe der sie
(die Mekkapilger} aufrecht erhält,« und: »einen Gnadengehalt
der dich erhält.« Das vom Mmüs ebenfaUs wie J3t mit der Be-
deutung ö^^ vV«i> aufgeführte altarabische, den Accusativ re-
gierende JJJ, Inf. Ji (nicht, wie bei Freytag, Jili), ist nach dem
tttrk. tfjüOjj^, womit 'Asim Effendi es übersetzt, nur auf-
heben und tragen im eigentlichen Sinne und schon deswegen
hier nicht anwendbar. Indem nun Dozy für die beiden Stellen
durch eine hier für den allgemeinen Sinn gleichgiltige Ver-
änderung statt soutenir i^suffire^ setzt, dies aber zu einer wirk-
IM ^
liehen Bedeutung seines Jw'i macht und auf andere Stellen über-
trägt, geräth er in Irrthum. Wäre in der nächstfolgenden Stelle
aus der Bresl. T. u. E. N., III, tt^'v, 3 u. 4, der ursprüngliche
Text überhaupt wiederzuerkennen, so würde Dozy'sVermuthung
«jäLftil äJLä ^ ^A4.a^ allerdings, — nur mit Verwandlung von
isX» in iöi3\, — das Richtige treffen; aber auch dann wäre der
Sinn nicht: »d cette heure ceux ä qui un lit suffit (qui ne de-
mandent rien autre chose) se livrent au sommeihj sondern wört-
lich: es schlafen ruhig die, welche das Lager erhöht,, d. h. die
welche auf weichem Lager hoch gebettet sind. Das wäre aber
im Munde des schlichten Fischers unpassender Schwulst; sein
unverfälschtes Gemeinarabisch hat uns die Galland'sche Hand-
schrift erhalten : (Jä^5 äIS q^ ^y*^ vi>^< tvAP ^ ^äJu*^^ ^'i :
rt denn die Fische sind zu dieser Zeit durch den Wegfall alles
Lärms in voller Sicherheit« und lassen sich daher leicht fangen.
Zu dem acht volksthümlichen ^J^ — im gemeinen Sprachge-
brauche etwa unserem »Spektakel « gleichstehend — s. II, 231*,
\0 flg.; ^Jf^.sü\ bei Habicht ist verschrieben aus uS'ijjiit, der an-
«t
deren a. a. 0. aufgeführten Form. — Ebensowenig hat JJj die
ihm beigelegte Bedeutung in der Dichterstelle bei Mal^Lkart, I,
536, 21, sondern die gerade entgegengesetzte : » Es tränke dich,
o Berglehne, der Thränenstrom in reichlichem Erguss, und noch
zu wenig sei ihm das, wenn der Regen ausbleibt,« d. h. dann
ströme er noch stärker«
40
b o£
II, 385^, -IOmLjj JJläl« Verwunderungsverbum, daher nicht
als Imperativ der 4. Form zu übersetzen: r^pensez que c*estpeu,*
sondern, zusammen mit dem ganzen Verse: »Tausend Gold-
stücke, — und wie wenig ist das für einen Gelehrten der sein
Gesuch überragt!« d. h. der weit mehr verdient als warum er
bittet.
w > O
II, 386% 2 »odiU^t^ a sehr. i^iJJix^\^: » und das Land Jemen
bildete eine besondere Statthalterschaft im hohen sultanischen
(osmanischen) Herrschaftsbereiche.« Dozy hat sich durch den
Vorgang von Rutgers irre machen lassen ; ein ^ L^JIäx^I » il les a
port^es dans, c.-^-d. incorpor^es ä«r giebt es nicht. Erhiittedie
Stelle, richtig geschrieben, unter die von ihm selbst weiterhin
aufgeführten zahlreichen Beispiele des Activums jJiL^l in der
hier stattfindenden Bedeutung setzen sollen. S. besonders 386^,
17 — 21, wo JilÜA-M^t, ganz wie hier, nur administrative Selbst-
ständigkeit, eigene Verwaltung , keineswegs politische Unab-
hängigkeit ist.
II, 387% 24—26. Die aus Edrlsl angeführte Stelle beweist
nichts für ein concretes jdd, »comme coli., iptu nombreuxa] denn
nach Form- und Sinnparallelismus ist f^\o in ^13(> und ÄJ3t
in xio zu verwandeln^ wörtlich : » in ihren Personen ist Wenig-
keit und in ihren Seelen Unterwürfigkeit, c d. h. ihre Kopfzahl
ist gering und ihre Sinnesart sklavisch unterwürfig.
387% 43 »Jwj^^t f\»)i\ les temps de disefte«, angeblich also
= Äljüt «M, sprachlich unzulässig und gegen den Sinn der an-
geführten Stelle, die Amari in seiner italienischen Biblioteca
arabo-sicula, I, S. 77, Z. 15 — 19, übersetzt: »L'abbondanza 6
quivi tanto prodigiosa che tutti i grossi iegni, non ostante il gran
numero che ne approda, possono entro pochi giorni fare lor ca-
richi con le derrate che sopravanzano ne^ mercati.« Er giebt
also Ju^i «li^t richtig mit entro pochi giorni wieder, wenn er
41
auch das uniuitlelbar vorhergehende L^L^^t J^'-?^ ^ nicht
richtig verstanden hat. Sinngetreu übersetzt bedeutet die Stelle :
«Es wird auf alle die grossen Schiffe, welche dahin (nach Gir-
genti) kommen, in Folge des Ueberflusses der dort lagernden
reichen Vorräthe in wenig Tagen mehr (zur Rückfracht) ge-
schafft als ihre mitgebrachten Ladungen betrugen« (wörtlich:
etwas, was über ihre Ladungen hinausgeht}. Die Determination
in J^^Läj! Aii\, an welcher Dozy angestossen zu sein scheint,
drückt aus, dass das hier Berichtete in allen gegebenen Fallen
geschehen ist; s. meine Kl. Schriften, I, S. 457, Z. 43 — 24.
II, 387^ 26 »JjU petü?(i ifuli, in der bezeichneten Stelle
Beiwort der zur Ueberfahrt bereit gehaltenen Nachen, bedeutet,
dass diese die in sie eingeschiffte Henschenzahl wirklich zu
tragen vermochten, stark und fest gebaut waren.
II, 387^, 7 V. u. »/^^ gro^ bagage, Bc.a Kalabalyk,
arabisch -türkischer Zwitter: kalaba, gewöhnliche türk. Aus-
spräche von xJLc, mit dem türkischen Bildungsanhang lyk, von
einem dichten Menschenhaufen (II, 224*, 47 — 20) übergetragen
auf eine grosse Gepäckmasse ; s. Zenker unter / äJ aJLc S. 649^
II, 388*, 3 »ri^rentff Druckfehler st. rirent.
II, 388% 5 u. 6. \ySt bei Macnaghten, gemeinarabisch st.
VjJä)\; s. Landberg, Proverbes et diclons S. 429, Z. 4 flg. Alt-
arabisch wäre allerdings mit Dozy \yjÄ zu lesen, wofür 389*,
24, das gewöhnliche t^JLlüt steht. Zwischen beiden ist jedoch
ein feiner Sinnesunterschied: während das reflexive Activ
l^JlÄJl und das statt dessen stehende t^JLä einfach bedeuten : sie
fielen (vor Lachen) auf den Rücken (indem sie sich selbst hin-
warfen oder vom Lachen gleichsam hinwerfen Hessen), drückt
das Passiv LJLä aus, dass sie von einem wirklich oder gleich-
sam mit Bewusstsein und Absicht wirkenden Agens, ohne innere
oder äussere Mitwirkung von ihrer Seite, auf den Rücken ge-
worfen wurden. Das Agens ist hier das Lachen, anderswo eine
himmlische oder irdische, geistige oder stoffliche, innere oder
42
äussere Kraft. Ein solches Passiv lässt sich oft sprach- und
sinngemäss durch unser unpersönliches Activ mil es wieder—
geben, z. B. Sur. 7 V. K\^\ ^^jjJl>1^ ä^^suJI ij!^ , und es
warf die Zauberer anbetend hin,« wozu Baid^wt sagt:
» sie (die ägyptischen Zauberer) werden dargestellt als auf ihr
Antlitz hingeworfen (nicht als sich selbst hinwerfend), um
bemerklich zu machen, dass die Kraft der Wahrheit (in den
Wundem Mosis) sie ttberwäUigte und zwang, sich anbetend
niederzuwerfen, so dass sie ihrer selbst nicht mehr mächtig
waren.«
' o *
II, 388»», 2. V. u. bis 389», 2. Daso^*, unter, voriL-jm
ti^iAäif^ zeigt, dass diese beiden Substantive nicht von mensch-
lichem Wollen und Können, sondern von der göttlichen Willens-
bestim'mung und Allmacht zu verstehen sind : sie schalteten und
walteten äusserlich nach freiem Belieben, aber (gemäss der
Lehre von der ewigen Vorherbestimmung auch der scheinbar
freien menschlichen Handlungen) unter der Herrschaft und in
Abhängigkeit von Gottes Willen und Allmacht.
II, 389», 3 V. u. v^Jü> bedeutet nirgends, auch nicht in der
hier angeführten Stelle, i^alte'«, sondern, wie gewöhnlich, Herz
als Sitz des Verstandes im gewöhnlichen Sinne; Verstand
aber nach sufischer Redeweise ist höhere (mystische)
Einsicht (Flögers Kitab al-ta'rtfAt, U1 u. Iav), woher die Sußs
vorzugsweise u^^t vWs' heissen. Ein etwas vorwitziger Lehr-
jUnger der Theosophie klagt nun hier seinem alten Meister, er
finde sein »Herz« noch nicht so, wie er es gern haben möchte:
worauf er die zurechtweisende Antwort erhält: sich bin neun-
zig Jahr alt und habe noch kein rechtes »Herz«, und du (Neu-
ling) möchtest schon ein solches haben?«
II, 389*^, 6 u. 5 V. u. »(I. ^}y^ v^^'OOj«. Die Aenderung
ist unnöthig. Dozy selbst hat I, 439% U flg. \5^bce/er, cacher,
obritera, Guche nr» »ti^Jü* j^^^Jü* se cacher; s'abriter«, in der
letzteren Bedeutung als gemeinarabisch.
II, 390», 23 u. 24 »^ .Lkj uji« etwa zu übersetzen mit
boutargue fine, exquise, oder mehr wörtlich, wenn man so
43
X) ^ > c
sagen könnte, Qeur de boutargue. KdmOis: juJ »^^^^ ^}S v^i
) o
II, 390*, 27—32. Gegen die Verwandlung dieses dUlS ^^s
in »dUA5« habe ich das Bedenken, dass die in einzelnen Aus-
drücken von der Tunesischen Handschrift abweichende Gal-
land'sche gerade hier ganz ebenso liest. Nach Landberg's Pro-
verbes et dictons S. 1S9, Z. 8 u. 9 mag dieses gemeinarabische
Q^ v_JL3^s überhaupt ein enges, vertrautes oder geheimes Zu-
sammensein ausdrücken; in volksthümlichem Deutsch: du
steckst mit dem Vermögen unseres Vaters zusammen, oder: es
steckt bei dir.
II, 390^ 40 »«jLJ« sehr. *>I.
II, 391», 27—31. Nach Herrn 'Aide, dem Aegypter wel-
cher mir zu der Diss. de glossis Habichtianis Beitrüge lieferte,
ist t^b' in der angeführten Stelle der T. u. E. N. »eine aus
Mousselinbinden und Tüchern gebildete straffe Haube, auf
welche die Weiber ihren Turban setzen und welche diesem
selbst seine Form giebt und ihn darin erhält. Das Ganze heisst
»'acb^, K^Aoctt.
II, 391*, vorl. Z. flg. In Betreff der Ableitung des Wortes
calibre von aequilibrium, equüibrio, gebe ich meinem sei. Freunde
ganz Recht und bemerke nur noch, dass das pers. vXJiy, mit
"9 '
anderem Vocal der zweiten Silbe \X^\S und mit Abwerfung des
letzten Consonanten wJL/, nicht nur in seinen Bedeutungen,
sondern auch in seiner Herkunft von xako/tödiov das vollkom-
mene Seitenstück zum arab. ^lä ist, wie dies Ahmed Weftk
ausführlich darlegt in LebgeY 'otm^ni S. aaI Z. 5 — 16.
^oOo ^»O «
II, 390, 10 V. u. Ueber ULiu UülÄ s. das dritte Stück
dieser Studien v. J. 1884, S. 13 Z. 17 flg.
H, 392*, 27 »^^JliaoderwieinLehgeTf^otmAnlS. aaI vorl.
Z. zu genauer Bezeichnung der Aussprache mit drei Vocal-
buchstaben QtjLJiä, k ä 1 b ä z ä n , türkische Umlautung des arab.-
pers. Qt uJÖ, Falschmünzer.
44
II 392% 29 ^(^^ et / ^^a Arabisirung des tttrk. au^as
mit Verkürzung und Consonantenumstellung. Seetzen's Reisen,
IV, S. 549 Z. 6 flg.: d Die Schildkröte gilt den Morgenländern
für eine grosse Art Frosch; daher türk. kaply baga, eig. der
in einem Gehäuse steckende Frosch«, wie das deutsche Schild-
kröte, eig. die mit einem Schilde versehene Kröte.
II, 393% 30. Die Verbindung von oJüi mit v^ einer Person
ist grundsätzlich unmöglich ; statt ..au war einfach aI mit Ä^jyiÄi ^^
J^/oUit zu schreiben: »ohne ihm (dem Safe'l} blindlings und in
allen Stücken zu folgen.«
II, 393», 31—37. Auch hier hat die Handschrift der Rijäd-
al-nufüs irregeführt. Statt aus ihrem »jJLäja für jJLä mit dem
Acc. eine neue unbeweisbare Bedeutung : »faire habüuellement
une chose« zu folgern, ist es zu dem unmittelbar darauf Folgenden
zu ziehen und jJLäj oder oJLaäj zu schreiben: »O Wunder über
die Leute! Da fallen sie über N. N. her, weil er sich mit der
und der Handlung versündigt hat, während es unter ihnen selbst
den und jenen giebt, der, ohne dass ihm jemand etwas davon
nachsagt, ähnliche Dinge auf sein Gewissen lädt.«
II, 394^, 15 flg. Der besprochene bildliche Gebrauch von
lXJL&o in dem ven Dozy angenommenen Sinne wird durch Sur.
39 V. 63 und Sur. 42 V. 10 mit den Erklärungen Zama^sarFs
und Baidäwi's bestätigt. Zwar bedeutet lKaJüIq an und für sich
ohne Zweifel ebenso Schlüssel wie das in derselben Redens-
^•B
art Abbad. I, S. 295 Anm. 209 Z. 1 vorkommende JoJiSt, PI.
des unmittelbar aus y.leidlor, xi.€idl gebildeten JuJLdt , aber die
Schlüssel von etwas haben ist im eigentlichen Sinne soviel als:
freien Zutritt zu den mit den Schlüsseln zu eröfl'nenden Räumen,
Vorräthen, Schätzen u. s. w. haben, daher uneigentlich : unbe-
schränkt über etwas verfügen.
11, 394^ 29 »'^jß^ petä pain^ allerdings vom syr. ^ioiiixxr,
dieses aber von xoXlvQa.
II, 395*, 26. Dozy's Fragzeichen hinter M's Erklärung von
45
> o«
^j^^mmJs gilt zunächst dem sinDlosen qv>U!, wofür aber M selbst
tyot% 5. V. u. richtig q3^! hat, d. h. Qi>X^ ro ladapov. Dieses
^Si oder ^,i^, bei Freytag IV, S. 99* Z. 20, ist von Dozy II,
S. 5S4* unter ^^ mit reichlichen Quellennachweisen ausfuhr-
9 <*" 9 0
lieh behandelt ; ij^^y^AS selbst aber ist eine Entstellung von (j^^io^i ,
Tdavog^ wie M Ui., 17 das Wort neben (^M^^^iJlä richtig schreibt.
Eine andere falsche Form hat das griechische Wort im türkischen
Kämüs unter qS^\ bekommen, nämlich ^JMy*^ xtaaog, bestätigt
durch olxi ^ y^ v>a J (jt^^jMÖ qcXai^ / ^^^j>d : »das zur Gattung
£pheu gehörige Gewächs, das man luaabg nennt,« während der
das Ladanum erzeugende Cistusstrauch von dem Epheu grund-
verschieden ist.
II, 395», 27 flg. Unter J^ ist aus M nachzutragen : ji^\S ,
galoche, ^^U!^ ^j}\ ^r ^'«-^' ^J^. «-»^ er ^-^> ^^^^ Halbsliefel
(bottine) aus Federharz, der den Schuh vor Roth und Wasser
schützt t. Bestätigt durch Al-FarMd : «^j^g chaussure en caou-
tcbouc.«
II, 396», 48 »JsjiÄa, diese andere Form für das gemeinara-
bische {joji3 hat die Galland'sche Handschrift statt des letzteren
in der zu 11, 395\ 13 angeführten Stelle der Bresl. T. u. E. N.
II, 396^, 26 » JU^! ^i Vacier tndien«. jjlä ist in dieser Be-
deutung nicht nachweisbar. Wie «^ in dem durch ^ damit ver-
bundenen Q^t #uX Infinitiv von «^ schmieden, so ist ^Ji In-
9 * ^
finitiv von «id losbrechen, in Beziehung auf Mineralien in unserer
Bergmannsspraehe : fördern, txiruire^ tirer. Cuchealsgemeinara-
o^
bisch : »«JLä tirer des pierres. «Jüu carri^re (de pierres]«. Die
Worte bei Ta'^Iibt bedeuten also: Am besten ist ein Säbel,
wenn er (d. h. das Metall dazu) in Indien gefbrdert und In Jemen
geschmiedet ist.
II, 397^ 44 flg. Zur Vervollständigung dieses Artikels
dient ein Nachtrag zu Levy's neuhebr. u. chald. Wörterbuch,
46
I, 276 u. 277: »^nilDba, S. 1»Z. 28, scheint durch Umstellung
aus ^^ItD^lba und dieses durch Erweichung aus "^IMbp entstanden
zu sein, entsprechend dem arab. obJoftid, das selbst wiederum
eineVerderbniss von oli-taäli d. h. (pvkaxri^Qta ist. Bresl. T. u.
E. N. I, l*f1, 4 u. 5: »Sie (die Zauberin) zeichnete auf die Kreis-
linie Namen in kufischer Schrift und olijaaiä.« FltlgePs Kata-
log der arab. pers. u. ttlrk. Handschriften der Hofbibliothek zu
Wien, 2. Bd. S. 56r Z. 16 in der Inhaltsangabe eines Ab-
schnittes des Werkes ^iSA\ äjIc über Zauberei : oii^Lülüit J^^^c
>^ftA^I »die Verfertigung der sieben Phylakterientf. Bist^nfs
f ^ ^ , ^ fi mU f
Muhlt al-Muhlt, IvoP: b,j<=uJÜ oU^Aß oL.hftUII »KalfatriAt sind
Zeichen der Zauberer«. Aber die ursprüngliche Form oljJaüid
oder otjJ;2Ä)L3 hat H^^t Halfa's bibliographisches Wörterbuch,
4. Bd. S. 463, Nr. 9189: ol^^häUJi jJU, Flügel: Doctrina phy-
lacteriorum. Es sind dies, wie es da heisst, »lange beschriebene
Streifen, auf denen Buchstaben und Figuren, d. h. Ringe und
Kreislinien, mit einander verflochten sind und die, wie man
vorgiebt, durch die ihnen innewohnende besondere Kraft ge-
wisse Wirkungen ausüben. Nur einiges davon lasst sich lesen.«
II, 397^, 3. V. u. »/äJLä — veiller, Ma. Wie das bei den
Neueren übliche /^ eigentlich überhaupt ist: sich ruhelos hin
und her bewegen, besonders: sich auf dem Lager hin und her
werfen, nicht schlafen können, so bedeutet auch das Ultere / ä.t,
womit M das / öÜ erklart, nicht im Allgemeinen i^veilleraj son-
dern schlaflos sein, als leidender Zustand.
II, 400*, 5 — 40. Die gemeinschaftliche Bedeutung von
«U/«, kIjJU und Ä^y« in Beziehung auf eine Ziffep ist ihre Rang-
stufe, d. h. die Werthgrösso, welche sie in zusammengesetzten
Zahlen je nach der von ihr eingenommenen Stelle unter den
Einern, Zehnern u. s. w. darstellt; s. das dritte Stück dieser
Studien v. J. 1884, S. 48 zu II, 47% 7—9. Nach M hat nun
auch fji diese allgemeine Bedeutung, womit die besondere An-
wendung auf den yidenominateur^^ den Nenner eines Bruches,
sich um so besser verträgt, da auch der Nenner eines Bruches,
als entweder zu den Einern, oder zu den Zehnern, oder zu den
47
Hunderten u. s. w. gehörend, die bezügliche Rangstufe des
Bruches angiebt.
11, 400% S6 JiK^JLd sacristie, Bc.a In der ersten Ausgabe
von Bocthor steht richtig x^JÜ», d. h. xa^Aä, Schreibstube, inso-
fern in der Sacristei auch die zu kirchenamtlichen Aufzeich-
nungen u. s.w. nöthigen Schreibmaterialien aufbewahrt werden.
II, 401% 44 V. u. flg. Das hier angefochtene Verdopp-
lungszeichen in LP^ wird gerechtfertigt durch die Anmerkung
zu II, 225, 3 — 1 V. u. im vorigen Stücke dieser Studien v. J.
1885, S. 355.
II, 401% 22 u. 23. Golius-Freytag's 'iCh, weit entfernt un-
9 ••
richtig zu sein, ist die dem syr. ]A^\r^ (nicht >]^a!^uJ un-
mittelbar entsprechende ursprüngliche Form , woneben die ge-
wöhnliche mit ä in der vierten Silbe bald 'L'h, bald Kj!^, bald
i 9
Xj^Lä ausgesprochen wird. Das getadelte xj^ hat Wüstenfeld
vollkommen gerechtfertigt zu JA^üt, V, 378, 22 u. 23 ; die Ver-
wandlung des ursprünglichen Kasrah in Dammah ist eine nach
emphatischen Consonanten gewöhnlilche Yerdumpfung des
spitzen Vocals. Cucheofl^: »J.^ ^ KJüL xt^chambre, cellule;
patriarcat,« ohne Untei*scheidung der beiden Formen ; Al-Far^Yd
hingegen, 111*, stellt xJü» voran und giebt äjSüj als gemeinara-
bisch mit dem Plural oj^bb. M hat KJüüt als xjL«yklt lu^ Iv..''
unter J^'i; xi^it als ^.Aiu.!ilt ^^^5L«wQundursprünglich griechisches
• c J
Wort in der Bedeutung von gO^ {vol^ unter ^.
II, 401% 20 »sSä« sehr. sSis, wie M wirklich hat. Die
Form ÄJüe von einem Orte wo ein Erzeugnlss der Natur oder
der Kunst gewonnen, zubereitet oder verkauft wird, ist dieselbe
' ^ ^ ^ m.
wie in x>Xc, x^^bli^, K^Lau^, >U;?iy>, 8^U3-; s. meine Kl. Schrif-
ten, I, 249, 20—27. Diesem Femininum H^', Tiegelei,
48
Tiegel Werkstatt, entsprichtdasMasculinum^^, Tiegl er,
Tiegelverfertiger, ^iLft^t filj^, welche von M angegebene
Bedeutung zu locelui qui früa 401 \ 21 hinzuzufügen ist. — Das
Fehlen des zur Darstellung der richtigen Form nothwendigen
Verdopplungszeichens war schon 11, 244% 6 v. u. bei oiULs? char-
bonnidre« statt x<l^ zu bemerken.
II, 402% 21 »KJLäS'ff eigentlich '»Jji!i, Infinitiv von J^ in
concreter Bedeutung, der aber in der Gemeinsprache den Ae-
Cent auf seine zweite Silbe wirft und diese dadurch verlangen;
s. Spitta-Bey's Grammatik S. 234 Z. 14—18. In Syrien erhebt
sich dieses ij sogar zum aij; s. Wetzstein in Zeilschr. d. D. M.
G. Bd. XI V. J. 1857, S. 507 Anm. 31.
II, 404% 8—10. DasoiyuiderBresl.T.u. E.N.,1, tfl, 13,
wofür Dozy oL^i vermuthet, ist eine wunderliche Entstellung
des oLju^ der Galland'schen und einer ehemals dem sei. Pro-
fessor Gaussin de Perceval angehörenden Handschrift. Diese
»Trichterchen der feinen Leute a sind eine der vielen Arten
morgenländischen , besonders ägyptischen Naschwerks und
haben ihren Namen, wie mir Herr 'AYde sagte, davon, dass sie
von einer breiten oberen Oeffnung nach unten trichterförmig
spitz zulaufen. Wie fruchtbar die Einbildungskraft der morgen-
ländischen Zuckerbäcker in Erfindung witziger und anlockender
Namen für ihre Waaren ist, zeigt die ganze angeführte Stelle
der Bresl. T. u. E. N., deren Text nur leider an manchen Ver-
derbnissen leidet. So steht auch unmittelbar vor j^l3^^{ oLffA4i
als Name eines anderen Gebäckes das in dieser Verbindung
sinnlose y^3 J^^^l) »Essen und Trinken,« statt des artigen
jCäI^ JJ' der obengenannten beiden anderen Handschriften:
»Iss und danke!« In der Calcuttaer Ausgabe ebenso, nur ohne
Verbindungspartikel : j^t ^}S.
II, 405*, 1 u. 2. Als Medium des gemeinarabischen jIä —
Cuche und Al-FarÄld: »i^i faire sauter« — ist das i^jüü der
Tunesischen Handschrift nicht verdächtig. Im Gegensatze «ur
49
ersten Form drückt die fünfte aus, dass der Galan bei diesem
Liebesspiele die Dame wiederholt mit Zärtlichkeiten bestürmte,
so zu sagen Vdssaülit^ von salire.
II, 406^, 13 u. 44. Der zweite Vers, der angeblich gegen
das Metrum ^jLfA7> sündigt, ist vollkommen richtig, und ebenso
das mit g^Uäl, den Stielen der Weinbeeren , ein Wortspiel bil-
dende cLii in ^^LmaJI cUd unverdächtig in der Bedeutung r i n
feine Spitzen auslaufende Finger, qUj, wie es in Mac-
naghtens Ausgabe dafür heisst. «4i oder «4^ lässt sich auf Alles
anwenden, was in der Gemeinsprache g^lS heisst; Cuche: »c^lü
^!^]y^ Z* ^^^^} ^^"^ ^ m^^ s*61^ve en c6ne, en pointe.«
II, 409% 25 Hg. Die richtige Ableitung des Wortes ia^,
i^Jj von TtfovwTcldiov, xowovTtldi, s. im vorigen
Stücke dieser Studien v. J. 1885, S. 394 zu II, 340% 11 v. u.
Mit derselben habe ich die zu Öaw^likl S. 55 versuchte Ablei*
tung von nQafißi] thatsächlich zurückgenommen.
II, 410% 1 flg. Dozy^s Meinung wird bestätigt durch den
Kdmüs: i^AAoüJt yajül.« Die tenuis o geht durch den erwei-
chenden Einfluss der auf sie stossenden liquida ^ in die media
«> über. Der Wortstamm ist jcä, die Quadriliteralform Joud.
II, 410^, 11 flg. Vgl. die andre Schreibart dieser Worte
mit £ statt d II, 229», 4 — 1 t. u. und die Anmerkung dazu im
vorigen Stücke dieser Studien v. J. 1885, S. 356 Z. 1—7.
II, 410% 8 V. u. »Ul J^JUftJU, so auch in der ersten Aus-
gabe mit doppeltem Artikel st. Ul J^JUä.
II, 411% 9 »ikUäc magrebinische Erweichung von s^Ui
oderb^Lid, einem Worte, von dem Öawält^t 8. ()t drittl. Z. nur
weiss, dass es nicht ficht arabisch ist, und das ZamahiaH, Mu^
kaddimat al-adab S. öl Z. 5 v. u. mit wLod ij^t, Haken des
4886. 4
50
Fleischers zum Aufhängen, undjj^l c^^^^j Fleischhaken, über-
setzt; bezeugt durch diese und die allgemeine Bedeutung Fleisch-
bank seine Herkunft von dem ebenso gebrauchten carnariumy
dessen r durch Verdoppelung des n ersetzt worden ist. Hiernach
ist die noch heutzutage auch bei den Türken gewöhnliche Aus-
sprache mit a der ersten Silbe die ursprüngliche. Mit dem se-
mitischen ö^Um» hat das Wort nichts zu schaffen.
n, 442^, 23 u. S4 itsonchevaltombaa^ als Uebersetzung von
K»M^ xj ciJbAÄj, übergeht das &j; mit dessen Hinzunahme: sein
Pferd warf ihn ab, — indem es entweder nach vom hinstürzte,
oder sich nach hinten überschlug.
II, 413% 12 MxewavQlrjt sehr, xevtavfla. /
U, 413% 30 »^^^^^t andere Form für ^^^LbA3 412^ 10.
IT, 414% 4 9/äU3c, so vocalisirt auch Guche ; aber Al-Far^Yd
nach der ursprünglichen Aussprache /^'Uä, 428% 8 v. u. in voller
Schreibart dargestellt durch / ^'iiyi. H bemerkt ausserdem, dass
man bisweilen auch die Strecke so nenne, welche ein Reisender
in einem ganzen Tage (bis zum Nachtlager) zurücklegt , — wie
J^, II, 662% 22.
II, 414», 8 »jJi (ou s^] encens, olibanoi, s.i^ 495», 12,
entstanden aus dem türkischen vüJUi', i^Ui^, Weihrauch, ge-
wöhnlich ausgesprochen günnük; s. über diese Verwandlung
von nl in nn das dritte Stück dieser Studien v. J. 1884, S. 49
Z. 1 — 4. Noch starker ist die Lautverwandlung in dem türk.-
pers. (£f\Ä^, Gazophylacium S. 156 unter Incenso.
II, 414», 7 u. 6 V. u. »[^ percer (lance, öUä)«. Text und
Uebersetzung der Verse Abbad. I, 396, 10 u. 11, und 415, 21
bis 24, sind berichtigt Abbad. III, 179 vorl. u. 1. Z. und 184,
18 — 21 ; nur xhastae ne amplius perfodiant« für Uä ^y^ ^ ist
unverändert geblieben. Dass der Dichter mit dieser Zusammen-
Stellung ein Wort- und Sinnspiel beabsichtigt und v^^aaü nach
51
190> O »,*
dem Parallelismus mit Oa oJü ^ eine Wirkung oder Eigenschaft
der Rohrlanzen bezeichnet, hat Dozy richtig erkannt. Aber ich
kann nicht zugeben, dass ^ als »quasi« von Li abgeleitet per-
cer bedeute. Wäre ein solches vb. denominativum in der e rsten
Form mit transitiver Bedeutung überhaupt möglich^ so würde
es sicherlich nicht ^, sondern ^, also hier im Femininum
0JL3 lauten, die Dreisilbigkeit ist aber durch das Versmass ver-
bürgt. Wahrscheinlich hätte auch Dozy Abbad. I, 445 Anm. 16
nicht gesagt: >In Lexico non commemoratur huic loco apta ver-
hi ^ significatio^a wenn nicht zufällig bei Freytag unter ^
,06
die dem Inf. ÜÄ und dem Adj. ^1 zu Grunde liegende Bedeu-
tung fehlte. M: '^Lm^ v^^J^?^ «^1 ^y Uä ^ ^jSi\ ^
^1 j^ «iy? ^^A^- Freilich im eigentlichen Sinne hat nur die
Nase und der Schnabel von Menschen und Thieren diese Eigen-
schaft, aber die Einbildungskraft des Dichters trägt sie über auf
die Lanze mit der scharfen obern Spitze, den bausehenden Rohr-
» >
knoten in der Mitte und den -. : , der Eisenspitze am untern
Ende des Schaftes. Ebenso erscheinen J>t^l, die adlernäsigen
(Lanzen) Ma^kart II, Hi, 17, in Verbindung mit ^y^l^Il, den
schneidigen (Säbeln).
o oO.
II, 4U^, 8 u. 7 V. u. »^ys I (form6 de ^^l5) c. a. et II
dans le Yoc. sous canon« ohne Bedeutungsangabe, aber jeden-
falls nur eine andre Form von ^^ 428*, 1. Z. npunim, als eigen-
tbümlicher Ausdruck der christlichen Kirchensprache, gebildet
von Q^iü in der besondern Bedeutung kanonische Busse oder
Strafe, »p^nitence impos^e h qqn.c, nach Cuche und Al-Far^Yd.
Beide geben ausserdem: »äJü^ ^^jji imposer ä qqn. une p^ni-
lence (en confession). ^i^' recevoir une p^nilence. ^J^JÄA
auquel on a impos^ une p^nitence.a
4*
52
11, 414*», 6 V. u. »^^ IV c. ^ys 5= ^ L5^'j suppiger j si
Wright a bien corrig6 (Add. et corr.) Maee. I, 474, 5 (Boul. =
texte]«. Ich sehe keinen genügenden Grund zu der von Wright
in den Add. et corr. CIX* Z. 6 versuchten Umänderung des
Kti Oi
durch die Bulaker Ausgabe bestätigten ^^J^u in ^^jLäj ; denn die
Wiederholung des schon in dem ersten Parallelgliede stehenden
Wortes erklärt sich durch die Verschiedenheit des Vorhergehen-
den und Folgenden, und das Fehlen eines andern Beispiels von
einem so absolut wie _c ir^. gebrauchten _£ ic^ mahnt we-
nigstens zur Vorsicht.
II, 41 5^, 44 flg. lieber den verschiedenen Gebrauch von
^Lc^, nach Cuche gewöhnlich ))gouvernante, femme qui a la
Charge de la maison; pourvoyeuse«) handelt auch Lane's An-
merkung zum zweiten Bande seiner Uebersetzung der T. u. E.
N., S. 224, no. 35.
* ' *
II, 41 6*^, 3 ^xi^ dartrea u. s. w. Auch die erste Ausgabe
von Bocthor bat unter Darire und Feu volage diese gemeinara-
biscbe Aussprache statt der altern äj^ und äI^.
II, 416% 10^*0^ I c. a. manger, Macc. I, 138, 6o ist zu
streichen. Durch eine augenblickliche Selbsttäuschung glaubte
Dozy die angeführten Worte xAyj lü^ U ^t «JUc^jX» ^ er« über-
setzen zu müssen : qui non habet nisi quod eo ipso die edat,
während sie bedeuten: qui non habet nisi quod cum eo ipso
alat (sustentet).
II, 44 6^, 4 7 flg. Die Verbindung von ^Üül mit ^Jt einer Per-
son, der man Folge leistet oder sich unterwirft, findet sich auch
Makkari, I, 1.1, 45, IH, 8 u. 9, IH», 4 v. u. Der Verschiedenheit
der Construction mit J und mit _!t könnte eine Verschiedenheit
der ursprünglichen Vorstellung zu Grunde liegen; während
aI oLfiit ohne Zweifel bedeutet : er gab sich ihm zur Führung
hin, Hess sich von ihm führen (meine Kl. Sdiriften, I, S. 84 Z.
4 4 — 47), könnte a^i ^Läil eigentlich bedeuten: er Hess sich zu
ihm hinfuhren, nämlich um sich ihm dienstbar zu machen u. dgl.,
wobei ebenso eine Person wie ein äusserer oder innerer Be-
. 53
weggrund als vXJIä denkbar ist; aber wahrscbeinlioher ist ^\
hier, wie in andern Fttllen, nur eine VersUIrkuiig von J; s. diefi»e
Sitzungsberichte v. J. 1867, S. 181 u. 182, und Kl. Sehr. 1,
S. 669 Mitte.
II, 416^ 21 u. 22 »VIII (SLXsI) c. a. p. se laisser conduire
par qiielqu'un« , unmöglich ; tObcSt ist rein activ, dasselbe wie
{Ol§ oder vielmehr vermöge des reflexiven Zusatzes x^^ tO&,
M twfy 13 u. 14. In der angeführten Stelle des Moslim-Diwans,
n, 15, verkennt das Glossar LXI, Z. 6 v. u. den Gegensatz
zwischen oUil des ersten und ^LääI des zweiten Halbverses : »Er
(der Gepriesene] ist gleich einem Wildbach: stellst du dich ihm
entgegen, so giebst du dich, ihm folgsam, seiner Führung hin;
führst du ihn aber (durch Theilung und Ableitung) nach seinen
y ^ o.» ^0^0
beiden Seiten hin, so folgt er dir.« Zu a£^ oJüüt vgl. Hamä-
sah f.A, 10 u. 11.
> ,ot
II, 417% 19» jy\ celui qui regarde droit devant $oi$. In der
diese Erklärung enthaltenden, im Gloss. Mosl. LXI, vorl. Z. an-
geführten Stelle aus Zamahsari^s As^s ist mit der Ausgabe dieses
> o >
Werkes, Cairo bei Wahbi, statt vJyoj zu lesen m^oj', d. h.
II, 417*^, 14 »peut-6tre faut-il prononcer g^t^«. Im Texte
Reinaud's steht ö.ty) ohne Vocal der ersten Silbe, in seiner Ueber--
Setzung 9C(marr^9j was ein unmögliches 8.1^ oder B.ly» voraus-
setzt. Das H.ty» II, 417^, 11 müsste nach der Formenanalogie be-
deuten: etwas rund Ausschneidendes, einen solchen
Ausschnitt von einem andern Gegenstande Her-
stellendes; man braucht aber nur die von Reinaud dem
Texte S. 11 und seiner Uebersetzung S. 22 aus der Pariser
Handschrift No. 579 beigegebene Zeichnung anzusehen, um sich
4" ,' 9
zu überzeugen, dass mitDozy 8.1^, runder oder halbrun-
der Ausschnitt, zu lesen ist, indem der so genannte
54 .
Meeresarm in sich selbst einen solchen Ausschnitt darslelli, —
Reinaud: »une mer enferm^e de toute part.c
II, 417^ 19 u. 20 90Ü la grammaire exige le pl. .^^t au
lieu du sing. *|^jäJI«, Adjectiv zum pl. fr. |»l3yt ?!^» — wider-
spricht sowohl der Grammatik selbst, als den ebenbier ange-
führten Beispielen dieser ganz gewöhnlichen Verbindung.
II, 447^, 8 V. u. flg. Die Nachträge zu Levy'schald. Wörter-
buch, I, 8. 428», desselben Neuhebr. Wb., II, S. 309*, Guche,
* ^ >
öAö*: » r»|^ -p ä.5^ ruche faite en terre m61ee de menues branches
oü Ton conserve ies denr^es,« Al-Farä¥d, wl^iiylyr . i\^ ruche
faite de terre et de rameaux. ^ Vase oü Ton conservelesdenr^es,«
und Landberg, Proverbes et dictons, I, S. 95 u. 434, machen
es unzweifelhaft^ dass Burckhardt's nKawara^ nicht ^Ijji, son-
dern eben jenes auch hier, II, S. 497^ behandelte B^5>^, der Plural
»Kowari« aber durch eine auch im Altarabischen vorkommende
Umkehrung der beiden letzten Buchstaben aus jA^ entstan-
den ist.
^ » o ••
II, 419% 10 flg. Zu diesem by^y» sei bemerkt, dass Frey-
tag die von ihm selbst III, 454», vor Byo^ aufgeführte und er-
w <• O •>
klärte andre Form *«yö^ S. 515» in einem Verse als »vox dttbiad
hinstellt.
II, 419% 9 u. 8 V. u. »Kb^, chez le vulgaire xb^, M, pl.
Jpyij bannettej panier de petites branches, Bc.« M sagt wörtlich:
oLäJI jL^3 ^ I^JUjü.^' äIUJI^ . }ijf^\ aDi äL^I , wonach
dier gemeine Mann das Wort von den Datteln selbst gebraucht,
es dann aber nicht Kby», sondern xb^ ausspricht. Bestätigt
wird dies durch Ai-Farä'td: j»KI?^ grand panier dans lequel on
met les dattes. ^ idojä dattes en bloc, en p&t^.«
55
II,> 420% 18 u. 49. Die iiLd zerfallt nach KazwtiU, I, rU,
U flg. in zwei Arten: 1) J:iJ^ mU», die Kunst, die nähere oder
entfernlere körperliche und geistige Verwandtschaft zweier
Menschen aus der Bildung ihrer Körpertheile zu erkenneUi 2)
y^l ^Li, die Kunst, die verschiedenen Arten der Fusstapfen
von Menschen und Thieren zu unterscheiden.
II, 420% 25 9/äIS« lautnachahmender Name der Krähe und
des Rabeq, gemeinarabisch statt / ^1^. Hartmann^s Sprachführer
S. 2<6^: »Krähe \k\, pL klkän.t
II, 420^ 8—10. Nach der Erklärung von ji^ und ÄJ^
bei M ist statt i>ent€ksseru und »räunir en grands monceauxt zu
schreiben : reunir en grosses boUes ou gerbes, und statt i^mon-
ceau* ebenso grosse botte ou gerbe. Auch Guohe tibersetzt
Ä4i>, von Getreide gebraucht, durch gerbe.
II, 421 \ 11 u. 10 V. u. Zu diesem ^\^ gehört die Bemer-
kaog in Ztschr. d. D. M. G. XXXII v. J. 1878, S. 269, dass das-
selbe, wie in seiner allgemeinen Bedeutung, so auch in dieser
^ o « \
besondern Anwendung dem pers. hJOj^, Vocalmusiker, ent-
spricht, im Gegensatze zu sJü; Um, arab. jljM, Instrumental-
musiker.
II, 422% 2 ^OyJU anneau sur leqael tourne la bride<i. Die
angeführte Stelle, Wright 8, 2: L*^ ^UnJI^^Ju ^LJÜ! ^LaäUI
^i^ giebt das Wort nur im Dualis, weil das Gebiss eines
Pferdezaums zur Befestigung der beiden Zügelriemen daran
zwei Ringe, auf jeder Seite einen, hat. Aber wie hängt dies
mit den andern bisher bekannten Bedeutungen des Wortes, wie
überhaupt mit dem Begriffskreise des Stammes JiS zusammen?
Man könnte vermuthen, dass, insofern der Reiter durch stärke-
res oder schwächeres Anziehen dieser Ringe vermittelst der
daran befestigten Zügelriemen gleichsam zu dem Pferde
spricht, ihm sagt, was es thun soll, sie davon Sprech-
oder Redewerkzeuge genannt worden seien, ein dem pferde-
liebenden Araber wohl zuzutrauender ^TTOxo^ta/io^, der dadurch
56
noch wahrscheinlicher wird, dass es nicht, wie bei den Übrigen
Stücken des Pferdezeugs in diesem Verzeichnisse, Q^yul, son-
dem wie eine Eigenschaftsbezeichnung ohne den Artikel
^^y^ heisst. Besonders dieser Umstand spricht auch gegen die
etwaige Annahme eines Schreibfehlers statt^byU, Ftthrungs-
Werkzeuge, zumal da S. 9 Z. 4 der Singular mit dem Ar-
tikcl, öyi^ dasLeitseil, in seiner gewöhnlichen Bedeutung
steht.
II, 423^, 5 — 8. Ein »j»IS c. q< 5e niourrir de« würde sich
aus der angeführten Stelle nur dann ergeben, wenn zu über>
setzen wäret von einem einzigen dieser Maulbeerbäume nähren
sich so viel Seidenwürmer, wie sonst nicht von fünfen. Da
aber -jj5^, wie dieselbe Stelle auch bei J^lkiüt, IV, i**, 48 u. 4 9
hat, nie Seidenwürmer bedeutet, so ist der Sinn: aus einem
einzigen dieser Maulbeerbäume entsteht (durch Vermittlung
der sich davon nährenden Seidenwürmer) soviel Seide, wie
u. s. w.
11, 424% 43 — 15. Wenn die Herausgeber von Bat. vi>-«l3j
Leijt L^ijLüj in Beziehung auf Speisereste übersetzen : »ces restes
servirent encore plusieurs jours,« so ist das eine für den Ge-
sammtsinn gleichgiltige Verwandlung des vom Texte gebotenen
»se conservörenta u. s.w. in eine unmittelbare Folge davon;
aber ^lät an und für sich gewinnt dadurch nicht die Bedeutung
i>servir, 6tre (Tusagedy sondern bleibt dasselbe 9se conserver, se
maintenir, tenim wie sein Medium «lÜA^t, II, 424^, 25. Zu voll-
kommener Sicherstellung des Sinnes könnte zu s:>xb1 ein
y o
sü |«J als Verneinung hinzukommen: «sie hielten sich, ohne
zu verderben,« wie bei Abulmah^sin, II, Ivö, 2 u. 3, Vi,jJu ^ zu
Lolit (iNjül] Jö\: »der Schnee hielt sich einige Tage, ohne zu
schmelzen.«
II, 424'', 48 flg. Dieses gemeinarabische ^üül gehört zu der
57
in meinen Kl. Schriften, I, S. 84 behandelten siebenten Form
mittelvocaliger Stamme, die man, wenn die entsprechende erste
Form intransitiv ist, ebenso wie das vorher erwähnte ^m) dem
Sinne nach von Am»! herkommt, von der durch Wegfall des
Bildungs-Hamzah äusserlich mit der ersten Form zusammen-
fallenden transitiven vierten abzuleiten hat. In der Bedeutung
se lever, sich erheben, sich aufrichten, steht ^\sü\ in der erst-
genannten Stelle der T. u. E. N.: /J^^l ^^^ (»1^ >^or steht
auf (und geht] nach dem Harktet ( — ^ic, wie häufig, st. ^t
— ] ; ahnlich in der zweiten : m[sm ^Ut q« ^^5<Aj vi>^<>^ iS^^j o'
»wenn du siehst, dass meine Hand aufgerichtet aus dem Wasser
bervorkommtc; passivisch, 6tre enlev6, aufgehoben, weggenom-
men werden, bei Landberg, Proverbes et dictons, I, S. 16 Z. 15
und S. 480 Z. 40—41: auc Kj^t s^^woüüt \6\ »wenn das Wasser
davon (von den darin eingeweichten Oliven) weggenommen
wird«, Landberg: »si on leur enl^ve l'eau;« möglicherweise in-
dessen auch »wenn das Wasser (durch eine rein mechanische
Ursache) dayon hinwegkommtt.
II, 425", 22 flg. De Slane, Hist. des Herberes, IV, S. 364
Anm. , sagt nicht, warum oder in welcher Hinsieht er seine
eigene Uebersetzung der angeführten Stelle für unsicher halt.
Ich meinerseits sehe keinen Grund dazu. Die hier stattfindende,
1, 236% 25 flg. angegebene Bedeutung dieser o'il^, gleichsam
Tummelplatze, hergenommen vom Wanderleben der in jenen
Gegenden früher herumziehenden Stamme und nach deren fester
Ansiedelung darin beibehalten, wird durch Mehrens Dimisj^l
ff t, 5 — 7, vollkommen bestätigt. Was aber die auf den ersten
Blick vielleicht auffallige Verbindung der Praeposition ^ mit
iU^ betrifft, so entspricht die ganz dem Gebrauche unseres in
bei Quantitats- und Werthangaben, wie : ein Stück in der Grösse
einer Faust, in der Lange einer Elle, im Werthe von zwei Mark.
So Kazwlni, I, ol, 8: sjuoy^, "i jjic ^jy»; H, ttt, 10: er g^
^JJS\ f^ ^ B^vXi jj^yuJüJ ; AbulmaWsin, I, öf, 5: J^LÜ! ^^iS
i^ jmx. Kju.t i}^ ^ <^^^^) ^0 das Französische überall nur
58
de gebraucht: d'une grandeur qui ne peut se decrire^ de la gros--
seur des oranges^ de la longueur de quatorze empans,
II) 425% 6 V. u. »(Türe) hachisfn »^ n. vb. von /S.»i.ö in
kleine Stücke schneiden oder hacken, — hat mit dem arab.
K4m3 nichts gemein und stände daher besser als besonderes Wort
unter ^J.
11, 4S5^, \2 »souvent dans ie Coran« Ist ein aus dem Index
meines Abulfeda anteislamicus S. S58% 3 u. 4, herttbergenom-
mener Irrthum. ^Lä kommt siebenmal im Goran vor, aber fiie
als y^resurrectionv. iULö.
' ••
II, 4S6% 6 u. 5 V. u. >L4J^<K nach ija^ und «1^^, mit
»promptement, brusquementa übersetzt, bezeichnet als ^cXiU o^
nicht eine Beschaffenheit oder Art und Weise jener Hand*
lungen, sondern einen durch sie herbeizuführenden, bezie-
hungsweise herbeigeführten Zustand des Handelnden selbst:
er stand (sprang) auf, um auf die Füsse zu kommen, oder : so
dass er auf die Füsse kam. Das Verhältniss zwischen der Hand-
lung und dem dadurch vorbereiteten Zustand ist dasselbe wie
in dem Roranischen L^ ^^^aJüI^ aJv^ v!>^' t^i3o{ (Sur. 46
V. 31): In träte claustra Gehennae, perpetuo in ea mansuri I Die
verschiedene Zeitdauer des Zustandes kommt dabei grammatisch
nicht in Betracht.
11, 426^, 4—2 V. u. Ä^lÜ bedeutet überdies die in Ztschr. d.
D. M. G. VI V. J. 4852, S. 405 Z. 45 flg., beschriebene Art ver-
traulicher Briefe von eigenthümlichcr Form^ und in neuester
Zeit auch einen osmanischen Beichscassenschein ; Ilartmann^s
Sprachführer S. 347*, Z. 47 u. 48: »KAjmi, türkische Papier-
geldnote.«
II, 428% 42. Dieses arabisirte dKaSU^» convoi^ munüüm,
provisiont ist ein von Zenker S. 724® und von Ahmed Wefik,
LehgeT 'otmÄnl llf, anerkannter italienisch -türkischer Zwitter,
bei Hindoglu und Zenker LoL«^, bei Ahmed Wefi^ ^^^9 >oi
türk. Kämüs «^Lii. Der Yocal der ersten Silbe lautet nach
Hindoglu und Ahmed Wefl^ nicht o, wie bei Zenker, sondern
59
u. — Gegen die von Zenker angenommene Entstehung dieses
kumania aus compagnia spricht erstens der Umstand, dass
letzteres Wort in der Bedeutung von Handelsgesellschaft ohne
Lautveränderung in das Türkische Übergegangen ist (Zenker
a. a. O.), wiewohl Ahmed Weft]^ den Gebrauch von kompania
(so ausdrücklich bei ihm mit o) statt des arabisch -türkischen
Ä als unnütz (v^>wax:) verwirft; zweitens das mit kumania
«o
gieiehbedeutende kumanda, das nach Zenker ebenfalls von
compagnia herkommt, mir aber vielmehr auf die Entstehung
beider aus coniunitä hinzuweisen scheint. »lA^T« sagt der
türk. K^mtis »sind die von Zusammenreisenden, wie zu einer
Zeche, gleichmassig unter einander vertheilten und aufgebrach-
ten Reisekosten, «^U^, und iX^UÄJt bedeutet dass Zusammen-
reisende die Reisekosten gemeinschaftlich bestreiten, ^LÄtoJ^.
t^LiNäiJ^it iuiLoy>.< Dagegen unter jtOuit : »bedeutet dass Zu-
sammenreisende ihre Bedürfnisse in der Weise aufbringen, dass
ein jeder von ihnen seinen bestimmten Beitrag dazu liefert, was
man ^)sJoL«y> nennt,« weiterhin unter b3l1|^ v>tJuit^ »jUuIt:
»alle drei bedeuten dass von Zusammenreisenden ein jeder,
wie zu einer Zeche, seinen Kostenbeitrag liefert, 3)«JüUd ^Sy^^
eKJbJ.c Hieraus hat sich zunächst der Gebrauch von kumania
für so angeschaffte, und Weiterhin im Allgemeinen für Reise -
mundvorräthe entwickelt. Ahmed Weftk: »auJU^i», aus dem
Italienischen, die Mundvorräthe, B^A^'i, dßr zu Schiffe Reisen-
den, auch »Jt^.c Hindoglu: »LiU^ koumanya, viatique, les
vivres.c Derselbe: »«Jt^ n^vale, les frais de voyage; provision,
munition de bouche.a
n, 428», 8 V. u. »(jIj^« s. die Anm. zu H, 4U», *.
II, 428», 4 V. u. »^^« s. die Anm. zu II, 4i4^ 8 u. 7 v. u.
?^*o
II, 498^, \ flg. Nach seiner Uebersetzung von oyoj ^
U^A^ 9^L«{ j^ durch »jeter d Zfm compagnon un cri qui est le
1 ) So hier, mit ». S) So hier, ohne y
60
Signal dn <Upari^ las Dozy die beiden letzten Worte U^JLo hJuA ,
statt U^JU^ B^Lot: ein zwischen ihnen beiden geltendes Zeichen.
Abgesehen von der Unzulässigkeit des dichterischen ^^ als
mlipart^ in lexikalischer Prosa, ist der angegebene Sinn dadurch
verbürgt, dass Asim Effendi die nämlichen Worte des Känaüs
unter der 6. Form v^Uj ebenso versieht : vs^UxIt, von zwei Leuten
gesagt: sichgegeoseitig erkennen, indem sie einander sanifen,
etwa so, dass sie einen zwischen ihnen vereinbarten Schrei
hinüber und herüber ausstossen.« Auch die folgende Stelle lie-
fert für das angebliche i^donner le Signal du ddpartti nur schein-
bar einen Beleg ; denn ^^jso a. a. O. ist ein blosser Druckfehler
St. (c^o^: »also mach dich auf, o Weiblc Leider habe ich ver-
gessen^ denselben gehörigen Ortes im Vorworte zum M, Bande
der Bresl. T. u. £. N. zu berichtigen.
11, 428**, 40 *oÄ-^ couj'sier^ canon ä la proue d'un navire«
tUrk. kowus, von ty^^yS kowmak, vertreiben, verjagen, wie
das gleichbedeutende v'y^l ^>^ ^^^ Bocthor von o^^
II, 428*^, 9 u. 8 V. u. »IV 0. Q^ üre abandonne para. In
dem angeführten altarabischen Verse habe ich ^j3\ von Orten,
mit Q* von Personen, bloss aus Nachgiebigkeit gegen den deut-
schen Sprachgebrauch mit von ihnen verlassen werden
übersetzt, aber in der Anmerkung ausdrücklich gesagt, es be-
deute eigentlich von ihnen leer werden. Also nur ein wei-
leres Beispiel zu dem L^aa^ L« q^ si^Jli^ ^t .tjJI oy^t der Wörter-
bücher.
II, 429^ 46 »^^^1^« sehr, ^^oäl^ i^^^^^]-
II, 429'', 25 »^^^MwAdJ»« in der ersten Ausgabe richtig ^«^
(^lä), U, 409% 8.
II, 430*, 27 flg. In Beziehung auf JuJS', Sidierung des
richtigen Lesens von Geschriebenem, sagt »vocalibus insignivit
libruma bei Golius und Freytag zu wenig; Kämüs: »ujlibüt Juä
61
er hait die Schrift mit Zeichen verseheO) welche Verwechselungen
Terhindern und Ungewissheit (ttber die Aussprache) beseitigen,«
also nicht bloss mit Vocalen, sondern auch mit diakritischen
Consonantenpunkten und andern Lesezeichen. Es ist demnach
gleichbedeutend mit dem in meinen Kl. Schriften, I, S. 28 Z. 4
flg. erklärten Jol^.
II, 431% 44 »jf3 nom d^un Instrument demusique, Casiril,
528»«. Wahrscheinlich Schreib- oder Druckfehler st. lö, d. h.
ij3, Freytag III, 389% türk. j^^, kopuz, nachMeninskitspe-
cies citharae viliorisc. Der türk. K^mds: JxXysJt ist ein Name
für «>yüt, d. h. das musikalische Instrument welches tJoj^"^
(Laute), auf persisch Jgj^ und auf alttUrkisch jj^ genannt
wird.«
II, 432^, 4 »^J5uk^ cuir ä repcissern vom ttirk. yjfcjS kay s,
Riemen.
II, 433, 5 u. 4 V. u. Schon in Lettre ä M.Fleischer S.247^
Z. 34 stimmte Dozy, wie hier, meiner Vermuthung bei, dass
Ma^k. I, trv, 7 statt jii zu lesen sei }^ von j^' JB. Aber ich
selbst zweifle jetzt an ihrer Richtigkeit und glaube jenes jii ^
l>^4^L nach II, 424% 5 flg. so erklären zu müssen: Erkenne die
Kümmernisse nicht (als berechtigt) an, d.h. gieb nicht zu, dass
man überhaupt über etwas, was einmal dahin ist, bekümmert
sein dürfe, dai^ wie gleich darauf folgt, durch Traurigkeit nichts
derartiges zurückkommt.
II, 433% 4 V. u. «LxÄyf^^JLc, so hier richtig statt des I,
409% 9 unerklärt gebliebenen LÄy^'iL: »durch die Eucharistie t
d. h. die demüthige Theilnahme am heil. AbendmahL
II, 434% 4 » J^Ju qui a une descentev, von dem ebenfalls
hei Bc. unter Descente, hernie, stehenden äLä, welches man nach
M tvAf^, 4 5 in dieser Bedeutung, gemäss seiner Entstehung aus
^Ifj (s. das vorige Stück dieser Studien S. 395 Z. 4), besser
äL» als XLI ausspricht.
62
.II, 434% 46—48. Die hier aus dem Index zu meinem
Abulfeda anieisiamicus herttbergenommeue Bemerkung gehört
einer Zeit an, wo ich selbst noch in der gewöhnlichen Ansicht
von d als einer »Praeposition« befangen war. Von Auslassung
einer 0 andern« Praeposition nach ä kann, wie Überhaupt, so
auch in der dort angeführten Stelle strenggenommen nicht die
Rede sein, sondern d) steht virtuell im Adverbial-Accusativ als
Stellvertreter des absoluten Infinitivs vom vorhergehenden vb.
finitum, vollständig ausgeführt: Uas JüUmo ^ 3-1 «U ^;,o q(s
M^\ 8lXP ^IJCL&I^ iSIiAääI JLüüI »es traten zwischen ihnen an-
dere Schlachttage ein, an welchen der Kampf nicht eine Heftig-
keit gewann gleich der (Ilefligkeit) dieser Tage«. Das ist frei-
lich arabisch und nicht deutsch, aber diese möglichst genaue
Wiedergebung der arabischen Gedankenform soll auch nur zei-
gen, dass die angebliche Unterdrückung eines ^ vor f,\ji\ s<AP
bloss eine aus unserem Sprachgebrauche entstandene Selbst-
täuschung ist.
II, 434**, 1. Z. »iuöj.tf « b. Cuche öy/^tJo^S, andere Schreib-
art für äL^^ 456% 28.
II, 435% 49 flg. Die von Vullers gegebene Erklärung des
JiJii in dem arabisch-persischen Compositum i^^^]^ als einer
arabischen Verstümmelung von &>t^ ist aus iwei Gründen
unzulässig. Erstens bewahrt das Arabische im Gegentheil den
ursprünglichen Lautbestand des persischen Wortes in dem drei-
silbigen jo^l^, I, 440*, 3 V. u., oder x:>l^, Cuche (ö.^, wäh-
rend das Persische selbst die beiden ersten Silben schon längst
in eine zusammengezogen hat; zweitens wird x>|^ nie so als
letzter Theil zusammengesetzter Wörter in der Bedeutung von
Vorgesetzter, Verwalter u. dgl. gebraucht. Bis auf Weiteres
halte ich dieses JUS für breite arabische Aussprache des pers.
^JiJ von ^JlJ^ ziehen, beziehen, herbeischaffen, und ^l
^1/ für = ^\jJ'\ ^Slz^j wörtlich: Bedttrfnissbezieher.
63
H, 435*, 6 V. u. i>^3il5« Druckfehler st. (^jh\S'^ wie Bom-
bay wirklich schreibt.
II, 435% vorl. Z. »^^i'lf ghusser (poulejc unser laatnach-
abmeudes gackern , das erweichte ^IS, welches Guche öoö^ als
gemeinarabisch nach »O/Äb'f aufftthrt. Nebenformen des letz-
tem sind ausserdem /ob' med. je, li^ und ^|^.
II, 435^, 5 »lii^ atisst« breite magrebinische Aussprache
des tUrk. »J^ g/'ene, gine.
II, 435% 15 V. u. »n. d'act.« sehr. n. d^nstr.
II, 438^, 3 flg. Das Jüt^^yt ^ U« der HamAsah hat Dozy's
Scbarlsinn getauscht. In dieser Hinweisung darauf, dass der
dreibuchstabige Stamm der dort angeführten fünf Wörter, im
Gegensatze zu Juc und Juc, Bildungszusätze hat, sieht er eine
Erklärung von «jCo, als bedeute dieses etwas durch einen
oder mehrere solche Zusätze Yergrössertes, — gleichbedeu-
tend mit Oui^ oder «ui Juj^ — , und macht es demnach zu einem
Nomen »qtii contient une des lettres serviles, »ASt^JU. Darauf be-
merkt er, zwar habe auch das Verkleinerungswort »une lettre
servile«, aber man unterscheide es eben durch den Namen
yua«. Das Verhältniss zwischen den beiden Wörtern wäre so-
vir
nach folgendes : .ajC« ist jedes einen Servilbuchstaben enthal-
lende Wort, mit Ausnahme des Verkleinerungswortes, das seiner
Form nach zwar ebenfalls ein^^iC« ist, aber nicht so, sondern
m
yua^ h ei sst. — Es leuchtet ein, dass ein solches Begriflsverhält-
niss einen innern Widerspruch enthält. In der That ist der
OT IN
Gegensatz zwischen jJLq und Jüoa ein rein eontradictorischer,
alle Nomina des Arabischen umfassender; jedes Nomen ist ent-
weder Juoa oder ^jCo : jenes das jkjoA des jJit aus welchem
es gebildet ist, dieses das^^ des aus ihm gebildeten yuo^,
mag d^ jjiü selbst Servilbuchstaben haben, oder nicht. Diese
64
durchgehende WecbselbeKiehung liegt schon in der erstange-
führten Stelle der Ham^sah klar vor, und auch Dozy würde sie
sofort erkannt haben, wenn unsere Schullogik und Schulsprache
etwas Derartiges darbdte; aber mit dem entsprechenden Be-
griffe fehlt uns auch das entsprechende Wort. Wir nennen do-
muncula, Häuschen , ein deminutivum oder Verkleinerungs-
wort von domus, Haus, aber dieses nicht ein magnificati vum
oder VergrOsserungswort von jenem, da die ursprüngliche No-
minalform an und für sich weder Grösse noch Kleinheit be-
0^9 o.
zeichnet, und auch nur im Gegensätze zu c;a.aaj heisst c>uu ein
H, 440i>, 2—4 i&ili^ agrafen das erweichte türk. X5\I^
kopöa, Zenker 74 4 ^ 7 flg.
II, 440^, 5. ATs Erklärung von J^\Ls und )kiJS!A durch
^U>^L juJUIt »der Wettkampf vermittelst der Finger« wird
bestätigt durch Cuche ölt^: »K^IXo ^jäul^ joindre les mains; en
venir aox mainsc und AI-Par^Yd W^: »lutter des mains, et
chercher k se toumer mutuellement le bras.« Aus Vereinigung
dieser beiden Angaben geht hervor, dass kibää das süddeutsche
hak e In ist : jeder von zwei einander gegenüber stehenden oder
sitzenden Wettkämpfern verschränkt seine Finger mit denen
des andern und sucht diesen mit Aufwendung aller Kraft aus
seiner Stellung oder von seinem Sitze zu sich herüberzuziehen.
« ^
II, 444% 47 u. 48 »^X^ (pers.)Aanuncu/iif /l«tia4tcitö«,s. M
unter ^^JÜS Waa^ und Löw^s Aram. Pflanzennamen S. 258
No. 499!
II, 444% I. Z. u. 442*, 4. AlsReflexivum von wJ^, schrei-
ben lehren, bedeutet wa^' im Allgemeinen schreiben lernen,
insbesondere: die Kunst den Koran richtig zu schreiben von
einem wü^ oder Lehrer derselben erlernen und ausüben.
..lO^ «>o>
II, 443», 4 » \\>^ et ^iJüsrC^ (pers.) Vhomme de confiance
du vizirfiy eig. Majordomus, Hausmeier, von iX^, Haus, und
65
Ij^, ^5J^, Herr, mit Verwandlung des ^ von Jü' in o wegen
des Znsammenstosses mit dem harten Kehllaut ^; doch auch
\J^s>J<f u. s. w. mit Beibehaltung der media, wie 448^, 20. Die
Übrigen Formen hier und 448% 46 u. 47, sind Zusammenzie-
hungen und Erweichungen der ursprünglichen.
II, 443^, 5 u. 6. Statt der hier gegebenen ungenauen Er-
klärung von ^j^^ ül^l ^2jA^A-m iui ^ erscheint 618*, 3
u. 4, die richtige: »Dteu fit faire les infidtles devant les musul-
mans^t wörtlich: Gott schenkte den Gläubigen die Schulter-
blätter der Ungläubigen, d. h. Hess diese (fliehend) jenen ihre
Schulterblätter zukehren.
II, 444^, 3 u. 2 V. u. »En grammaire -aa>u est indiquer
combien deu. In der dazu angeführten Stelle bemerkt ein Kri-
tiker, der Dichter des Verses vi^wo^-^f /ö^l (:;♦ JJ" Jos (I. tö Ui) üUa
habe das fragende tJU unrichtig in aussagendem Sinne ge-
braucht, wie ^, w^o die einheimischen Sprachgelehrten es als
aussagend, ,j[;a:> oder (^;L^t, in der Bedeutung von y^^ ^ viel,
wir hingegen nach Analogie unseres eigenen Sprachgebrauchs
als exclamatives wie viel! aufzufassen pflegen. Vielleicht hat
dies auch Dozy mit seinem nindiqaer combien dea sagen wollen.
Der Vers bedeutet demnach , in unserer Weise ausgedrückt :
Was für (st. wie viel) Verpflichtungen hat sie also ihnen allen
(oder : einem jeden von ihnen) auferlegt I
II, 446^, 5 nQui se dilate? voyez sous v^hU stellt sich dar
als eine Vermuthung über die ursprüngliche sinnliche Bedeu-
tung von yJuSiS^ in sj^ J^; , als Gegensatz zu sjuhi J^^ ,
wonach jenes eigentlich ein Mann wäre, der sich breit macht
oder breit auflegt. Aber wie \jLfjS in materiellem Sinne nicht
dusserlich breit oder ausgebreitet, sondern innerlich dicht und
derb, so ist auch y^JuSS Jo^. nach M's richtiger Erklärung ein
Mann von derben, groben Umgangsformen, im Gegensatze zu
wft-iJ J^., einem feinen Manne. Al-Farötd W^: » wft-JkT 6pais;
dense, toufl'u ; grossier et incivil (homme) .c
«886. 5
66
II, 446% 9 flg. »ik^S ik^^ mauvais accueil; t^ tc>^h[i:i^\
accueiUir tnalj faire mauvaise mine, faire mauvais visage ä qitel^
qu^una. Der Yermutbung Dozy^s, dass dieses xj^kece aus dem
pers. ^ ke^ entstaBden sei, steht sowohl die Zweisilbigkeit
des Wortes als auch das ^ entgegen. Einsilbige persische Wör-
ter bleiben auch bei ihrem Uebergange in das Arabische ein-
silbig, uad warum sollten die Araber das ihnen mit den Persem
gemeinsame . in das dem semitischen Organe ursprtinglict\^
fremde . verwandelt haben? Das Wort ist das tflrk. kece,
Filz und grober gewalkter Filzstoff zu Zelten , Decken , Tep-
pichen, Mützen u. s. w., in Oesterreich Kotzen genannt. Mit
Anwendung dieses Dialektwortes könnte man t^ i^^ durch
Kotzengesicht übersetzen, d. h. ein Gesicht, so hart und
starr wie jener Stoff. Eine ähnliche bildliche Uebertraguög
liegt in dem türkischen ^^^t^, sich filzen^ d. h. vor Kälte er-
starren, transir de froid.
» * »
II, 446*, 10 V. u. s«Ä^O", nach M: mtourner le quartiei^de
son soulier en dedans^ti mit einem Worte: Heuler, gemein-
deutsch: ausschlappen. Das Gegentheil davon ist \^S^ oder
i 473^, 2fu. 22. Cuche: i>\l<^ a ^^jtSss^ 6culer ses sou-
»oS
# o «
Hers. bLssüu? sjL:5^<i! 6tre 6cule (souliers) . Übsvi" ^^^-ä^o mar-
cher les souliers 6cuI6s.«
II, 446^, 18 » (Jw:5=0') plätrern, oder mit den eigenen Worten
der Gl. Geogr. T»induxit lapides gypsoa, ist nach Cuche ö*\ö^
»mastiquer les jointures des pierres d'un mur«, also auch Mo-
kaddast W, 8, nicht vom äussern Ueberzuge oder Anstriche,
enduit, sondern von der innem Verkittung der Ziegel durch da-
zwischen gegossenen Kalk, wie man dies an alten Bauten auch
noch bei uns sieht.
II, 446^, 27 flg. Ueber Zusammensetzung und Gebrauch
des ,y^\S^ verdiente eine Abhandlung des sprach- und sachkun-
digen Dr. HiUe in Ztschr. d. D. M. G. Bd. V v. J. 1851, S. 236
bis 242, angeführt zu werden.
67
- > o.
II, 448% 45 u. 16 »Li?j<( u. s. w. Vgl. (Jüs^^ 443% 4, und
die Anm. dazu. Nach LehgeY 'otm^nt üf, 4, und Uf., 6 — 43 ist
die gewöhnliche türkische Rechischreibung nach der heutigen
Aussprache L^, Abstr. / ^L^-
II, 448% 4 V. u. > J^ä^l^« ungenaue Schreibart st. ^yaJ-^y
II, 448^, 4 V. u. »Vll devenir trouble, Baidhäwi sur Sour.
84, 2 a. Möglich ist diese Erklärung durch Uebergang der Be-
» ^ « o
deutung von jJOuj in die von tiA5u allerdings, aber von Baid^wl
selbst durch Nachstellung als weniger naheliegend bezeichnet.
Der Verbalstamm .JJ' ist erwachsen aus der Wurzel \Xi mit der
allgemeinen Bedeutung quatere^ percutere, tundere, trudere. Die
erste Form ist zunächst transitiv: i^jvj^ .joCj ^j^, — durch
deren Nichtaufnahme aus den Originalwörterbttchern Freytag
der ganzen etymologischen Entwickelung ihren Grund und Boden
entzogen hat, — schütten, stürzen, giessen, z. B. sUI .SS
er hat das Wasser (aus] geschüttet, (aus] gegossen, (herab] ge-
" ".O
stürzt; daher in der entsprechenden siebenten Form .JüCit, in-
trans. stürzen, herabstürzen, zunächst vom Wasser und andern
flüssigen Dingen, vom Regen der vom Himmel herabgiesst, von
einem Sturzbach u. dgl.; dann von einem Stoss- oder Raubvogel,
der aus der Luft auf seine Beute herabstösst, herabstürzt, her-
abschiesst (so in dem Verse bei Baidäwl a. a. 0.: »der Falke er-
sah Trappen in der Ebene /a'nA'odara, da schoss er heraba); von
einer Kriegerschaar, die sich auf den Feind stürzt, von einem
Pferde, das in schnellem Rennen dahinstürzt, effuso curstt i^it,
endlich von den Sternen, die am jüngsten Tage vom Himmel
herabstürzen: nach Baid^wt^s erster Erklärung der bemerkten
9 > 9 O «
Stelle. Daher nun auch die intransitiven L^Jü" .«aXj . Jd
tt^iAS^, (jjii^ jJ3<j/jJS und ii^jS^ eig. geschüttelt
und gerüttelt sein, zunächst ebenfalls von flüssigen Dingen,
durch heftige Bewegung, Stossen u. dgl. mit dem Bodensatze,
«jtiAxJt, gemischt und getrübt sein ; dann überhaupt turhidum,
5*
68
non limpidum esse (Gegen theil von Im) , mit demselben Bedeu>
tungsttbergange wie in turbare (vgl. deturbare) und trttben
(vgl. traben, treiben, treffen].
£>
II, 452% 16 r^Sa Druckfehler st. «J^, welche Aussprache
für diesen ganzen Artikel Z. 16—33 gilt.
II, 453*, 4 — 6. Nach der durch Landberg's Proverbes et
dictons S. 8 u. 9 empfangenen Belehrung über den wirklichen
««<.
Gebrauch des gemeinarabischen f^J^, — auch bei Cuche oIa*:
»*fioJy5 ^S se contracter; sengourdir; se ratatiner,« — ziehe
ich meine von Dozy wiederholte Deutung des ^^, Bresl. T.
u. E. N. II, f*\, 9, zurück, erkenne die Richtigkeit von Habichtes
Erklärung durch »krumm, schief, ungestaltett an und bereue
den noch sehr jugendlichen Ton des in meiner Diss. de glossis
Habichtianis S. 55 dagegen erhobenen Widerspruchs. Als Tran-
sitivum bedeutet ^^J zusammenschnüren, knebeln, Al-FaräYd
«« *
W^»garotler, Her«, nächst verwandt mit ,jio.y.
11, 454*, 12 — H. ^ji, ^^, i^jo, x^Q^Si nach seiner ur-
sprünglichen Bedeutung mit Pfahl werk, Wall oderMauer
rings umgebener Ort, bezeichnet, wie town [eig. Zaun] und
lOjiO^ (eig. Umzäunung, topodumh umzäunen, iqpodHH Pfahl-
work, Palissade , an sich weder eine grosse noch eine kleine
Suuit; aber die im alten Babylonien liegenden Orte, welche auch
unter der arabischen Herrschaft den aramäischen Namen ^y
mit einem davon regierten specificirenden Genetiv behielten,
waren meist kleinere Städte und Flecken. J^küt leitet das von
Dozy angeführte Verzeichnlss derselben IV, Toi* — i*ov, nach Fest-
ere
Stellung der Aussprache von ^ J'so ein: »Nach meinem Dafür-
halten ist das Wort nicht acht arabisch, sondern nabatäisch.
Man sagt: o^J' das Wasser und Anderes, wie Rinder und
Schafe, nach dem und dem Orte hin, d. h. ich habe das Wasser,
die Rinder und Schafe dahin zusammengeleitel, zusammenge-
trieben. ^ j wird von allerhand Orten gebraucht, die aber alle
69
in ir^k liegen.« In der Einzelaufsöhlung erscheinen sie dann
iheils als ÄJoJu, Stadt, theils als Jjj, Ort, Ortschaft, theils
als9v3uL, Oertchen, theilsalsÄl^, Flecken, Marktflecken,
im K^müs auch als zuy, Weiler, Dorf, ^i" schlechthin ist
im tttrk. KAmüs derselbe Ort, welcher bei J6]küt oIcXju ^^
heisst: ursprünglich eine für Gewerbbetrieb und Handel be-
stimmte und von einer entsprechenden Bevölkerung bewohnte
Vorstadt von Bagdad, die zwar weiterhin mit der eigentlichen
Stadt zusammenwuchs und von andern Stadtvierteln einge-
schlossen wurde , später aber nach dem Verfalle der letztem
wieder einen freiliegenden besondern Flecken bildete. Hiermit
stimmt Uberein Thomas a Novaria S. 297 u. 289: »Civitas
I^^JUr^ ii^^s^'. Civitas parva ^op »jä^aJ! iucvXt?.«
II, 454% 9 V. u. y^ ^c>yi Collier de filscTor, Bc.a Auch Guche
«&>
hat »^bj^ Collier (d'or ou d'argent)« als Wort fremden Ursprungs,
— wahrscheinlich Abkürzung des pers. JUj ^b^, Halsband.
-"^.^
II, 454\ 45 »ti)b^^:f est le pers. ^licy «. Nach dem allge-
meinen Formenverhältniss und der ausdrücklichen Erklärung
^.r O«'
des Farhangi Gihdngiri ist vielmehr ^l^yT die Arabisirung von
<illiJL5 und dieses die ältere Form von ^^iiJy^ und \jöJ: 1) Bra-
tenwender, tourne- breche, 2) eine mit Anwendung desselben
hergestellte Art gefüllter Rostbraten, auch Q^^y und scK^oljy
genannt.
II, 454% 24 v^^^öScapot ou capote, Bc.« vom pers. Q^vy ,
beilfeninski in abgekürzter Form : ^^^ß gerdün, p. n. s. Pi-
leus. iV^".«, nach seiner Abstammung: eine ringsum einschlies-
sende Kappe, Kapuze.
II, 455*, 5 — 3 V. u. »qj/^«, als Benennung eines Bagdadi-
sehen Damenkopfputzes, hergenommen vom pers. qj/^ih der von
Vullers, II, 81 6*^ angegebenen Bedeutung.
70
II, 455^, \S — 20. Beschrieben und abgebildet ist dieser
»koorseea mit der dazu geht^rigen y>seeneeyeh(t in Lane's Manners
and Customs, 1, 175 — 177 der 1. Ausg.
^ o».
II, 456*, 5 — 3 V. u. y>'siXM*Sn verkürzt aus dem bei VuUers
fehlenden pers. iCijJS, Meninski, IV; S. 46*.
So
II, 456*, 5 flg. »iu^y^rÄ, vesce noiret. lieber diese voq
mir und Andern früher verkannte, von Low, Aram. Pflanzen*
namen 105 u. 106, 228 u. 229 endgiltig festgestellte Bedeutung
des aus dem aram. ((J'^t^ gebildeten Wortes und seine wech-
selnde Aussprache s. Weiteres in Levy's Neuhebr. Wörterbuch,
I, 434», II, 450* u. 451*, 458*. Cuche schreibt äIL/, Al-FarÄtd
So £ «> C>
xJumJ^, daneben als gemeinarabisch »J^S, •
II, 456*, 23 u. 24 »(J^yüb c>^^ fXie a congmtj s. das zweite
Stück dieser Studien v. J. 1882, S. 19 u. 20, m. Anm. 21.
II, 457*, 18 ))y>^^(turc. v^.^) golfen. Wie ^o//c aus xoXtto^,
so ist das türk. kürfüz, gewöhnlich körfez ausgesprochen, aus
dem neugriechischen TLoqrpog st. 'AokTtog entstanden. Ebendaher
hat die Insel Gorfu ihren Namen : zum Unterschiede von dem
allgemeinen x6Qq>og neugriechisch xo^tpotg.
II, 458*, 10 )>(KvQiaii6g) f^j^^ f^.« d. h. fj ^fiiga ^ xv-
Qiay^rjj neugriechisch schlechthin ^ xvQiaytri, wie ital. la dorne-
nica, von doroinica (dies], wogegen span. el domingo, franz. le
dimanche, von dominicus (dies).
II, 459*, 11—13 j»^>Cea Makk. 11, 89, 15, ein Denominativ
von xxly', Deckel eines Gefässes, so genannt als etwas dem Ge-
fasse zur Ehre, d. h. zur Zierde, Gereichendes, hier nach dem
allgemeinen Hlliib«, bedeckt, zu näherer Angabe der Art der
Bedeckung.
II, 459*, 13 u. 14 »iUy", esp^ce d*6cnture d6crile Descr. de
TEg. XI, 507«. Wie das französische Prachtwerk in der Recht-
schreibung morgenländischer Wörter überhaupt manches zu
wünschen übrig lässt, so ist auch dieses m^ ein verschriebenes
71
«o
türk. My», kyrmay eig. Gebrochenes, gebrochene, eckige Schrift,
' * -
wie das pers. jJLmXä, sikeste, und unsere Fractur;s.Meninski,
III, 995^.
II, 459^, 29 u. 30 »(iU!/) Paveur sumatureüe (de Slane)«
gehört zusammen mit II, 460% 4 u. 5: »Chez les Soufis, la fa-
culte de vctguer par le monde spirititeLa Den beiden von Dozy
angeführten Textstellen der Prol6gom^nes d^Ebn-Khaldoun ent^
sprechen in de Slane's Uebersetzung III, 92, 41, und I, 227, 5
u. 4 V. u.; besonders verdiente aber noch die Anmerkung 6 zu
I, 490 der Uebersetzung ttber den Unterschied zwischen x/qG',
«' Cr >
Heiligen wunder , und iU.^u^, Prophetenwunder, angeführt zu
werden.
II, 460% 17 9^Ji succin, ambro jaunea Zusammenziehung
des pers. bj^, wie y^l^ und U^l^ II, 434*^, 9 u. 8 v. u.
II, 460^, 1 — 3 ))^j**-y^L«y" (grec, ^ ce qu'on dit), conjonqtive^
membrane muqueuse qui unit le globe de Toeii aux paupi^res«,
d. h. xQSfiaaTrjg, mit Ausfall des t statt ^j»KfX>J^S .
II, 461*, 28 u. 29 »(w^j5') gourde^ courge vide servant de
bouteille, M«. M sagt im Allgemeinen: ^U^ ä^LkÜ JUc v.^yC!t
üUU cji ^jAj wörtlich: »Kerntb ist bei den gemeinen Leuten
ein Gefäss aus Kürbis für das Wasser;« Cuche und Al-FaräYd:
»v.^^ courge vide et s^che dont on se sert pour puiser de
Teau,« also nicht wie ein Flaschenkürbis zur Aufbewahrung
von Trinkwasser u. dgl. Auch die ausMas'üdt angeführte Stelle
weist deutlich auf eine runde oder rundliche Gestalt hin. Im
Neuhebräischen heissen bocken- oder napfartige Gefässe nach
der Lesart b. Buxtorf Sp. 1096 Z. 1 niK33nD, wahrscheinlich
ebenfalls von xiqvixfj^ x^^e/?ov, xtqvlßtov d\yi\x\e\ien\ s. Levy's
Neuhebr. Wörterbuch, II, 457» "• ^•
II, 461^ 5 nnS I c. ^ r., F. Hufassal 58, 17«. Dozy fasst
U nach v^. als Conjunctivpartikel: »wohl manchmal (ge-
72
schiebt es] dass«u. s.w., in Widerspruch mit Zamahsari selbst,
der mit diesem Verse den Gebrauch von L« in der Bedeutung des
indeterminirten thetischen Nennwortes i-^jL = Was,
Etwas, belegt, auf welches «yCj mit Auslassung des Object-
Suffixes St. J^S^ sich zurückbezieht; s. Ibn Ja'ii^ S. fv*1 Z. 23
u. 24, meine Kl. Sehr. I, S. 420 Z. 42 — 47. Diese Auslassung
hat Dozy verleitet, das äusserlich fehlende Object von rtSä in
dem partitiven oder erklärenden, von Lo abhängigen ^^t ^ zu
suchen und so dem « J" eine unbeweisbare Gonstruction mit ^
zuzuschreiben.
II, 464^, 45. Diw. Mosl. M V. r* ist die Bedeutung von
^ * o ^ o _
^yjiu*\ nrendre difforme^ mit de Goeje und Dozy nach Sinn und
Zusammenhang anzuerkennen, daneben aber st. ^«^4^1 — wahr-
scheinlich Druckfehler — zu schreiben j«^4^?, von ^y
II, 462^, 46—24. Ueber den Zusammenhang der geistigen
mit der sinnlichen Bedeutung von ji' s. Levy's Neuhebr. W^örter-
buch, II, 454 »'»•^- Auch Cuche hat S. ovt*^: »BJt^ o^ ^tre sec,
dess6ch^ et se contracter. Avoir du d^goüt pour ... ^ Jlc Js^
«üLUn^ serrer, grincer les dents.«
II, 462\ 42 v. u. »uxUy« stärker arabisirt jjiljs II,
342^, 4 4 .
II, 463*, 40 »/Äj^ 1 amarrer, attacher^ lier^ Ht.« In keinem
acht arabisphen Worte können ^ und /ä zusammenkommen.
Wenn nicht etwa in H^lot^s Algierischem Arabisch berberischer
Einfluss anzunehmen ist, möchte ich dieses rj^ für ein unrich-
tig gehörtes und geschriebenes /jf^ halten.
II, 463*, 40 V. u. »XlJt« im Most, erklärt durch >)^
^jLyJü! «, ist verschrieben aus yClJ!. Man vergleiche die Artikel
73
über ^^\ und yjt^^^mS^S bei Freytag und Lane, um sich zu über-
zeugen, dass die Glosse des Most, nichts ist als einer der zahl-
reichen Versuche, die Frage nach Wesen und Geschmack des
yuM, nsiD, dessen Genuss Muhammed Sur. 46 Y. 69 seinen Glau-
bigen im Paradiese verheisst, durch Zusammenstellung mit einem
irdischen Mischgetränke zu beantworten. S. Low, Aram. Pfl.
S. 425 Z. 3 flg., S. 231 Z. 4 4 u. L Z.
U, 463*, 45—48. Die hier angeführte Erklärung des theo-
logischen Schulwortes w^um^ trifft nicht den eigentlichen Kern-
punkt des bezüglichen Streites zwischen Orthodoxen und MoHa-
zUiten. Dies thut die andere bei M Utt**, 4 u. 3 v. u., wonach
v.;a.%mJü!, die Aneignung, bedeutet: »die Betheiligung des
Könnens und Wollens des Menschen an seinem (von Gott) vor-
herbestimmten Thun,« worauf die sittliche Anrechnung, Ver-
dienst und Schuld, Belohnung und Bestrafung beruhen. Vgl.
Baidäwt zu Sur. 44 V. 27 (I, ff,, 47 u. 4 8): »Mit solchen Stellen
wollen die MoHaziliten ihre Lehre beweisen, dass der Mensch in
seinen Handlungen völlig frei und selbstständig sei; aber es
liegt in ihnen nichts was dies bewiese; da die Annahme, dass
das Können des Menschen an seinem Thun überhaupt irgend
einen Antheil hat, — und dies ist die von unsern Schulgenossen
so genannte Aneignung (^^^^.miX!!), — hinreicht, den wort-
lichen Sinn jener Stellen mit der Wahrheit in Uebereinstimmung
zu bringen.«
o >
II, 463»», 25 »ÄAA*r (pers. äx^) marc^. M's Angabe, U«*»,
O ^ ..0 9
1 , das (jM in v^^, )Umi sei ursprünglich ein ^^ wird schon
durch die weichere Form \^^ widerlegt ; auch die Juden schrei-
ben nur »fiWS, Levy's Neuhebr. Wb. III, 370* u. 454*. Der
persische Ursprung des Wortes aber steht fest durch die ältere
O > ) O 9
Arabisirung ^si^, nicht .ä^j^, wie b. Freytag IV, 33*.
II, 464*, 9 »mUmJ' (gi^c) nmrranj Bc (Syrie)« entsprechend
dem griech. xaataria, lat. castanea, ital. castagna, franz. chÄ-
taigne. Aber gewöhnlicher ist auch in Syrien die kürzere Form
^ o «
74
, 464% 47, gr. Ttaaravor. Cuche ovf*: »iUajm^ cbataigne.«
Al-FarÄYd v.t"^: r^liX^S chataigne.a Hartmann, Sprachführer
9
S. 24 : »Kastanie ka stani« [d. b. XJU.1^ nach nordsyrischer Aus-
spräche], lieber die altere Arabisirung ^b^o^i», J>h.><iü, Joa^oä s.
II, 345% 42 flg.
II, 464% 46 »ii)üUJ' I entraver^ metlre des entraves ä ud
cheval«, türk. i^JDCx^, von i^üJ^j^, koste k, Fussfessel,
arab. JliCä, pers. Jü^L.
II, 465^, 4 9 (^mJ) c. J^ re^ter devant une ville«. Hiernach
wäre q^mo^ in der angeführten Stelle Zeitaccusativ, aus j^uu
oder ^.b : zwei Tage lang; aber weder so noch anders con-
struirt bedeutet ^jm.^ schlechthin bleiben ; jenes ^^^a^. ist viel-
mehr Objectsaccusativ, aj dy^y von y*S verschwenden,
vergeuden, in Beziehung auf Geld 465% 47 — 49 i>dissiperu^
hier auf die Zeit angewendet: »er verlor vor ihr (der von ihm
belagerten Stadt Sevilla) zwei Tage und erkannte, dass ihre Be-
wohner sich nicht ergeben würden. a
II, 465^, 27 n^tt vor &:Ua3-! ist zu tilgen, da das Verbum,
auch nach de Sacy^s Uebersetzung, Äio von p^ ist.
II, 466*, 3 V. u. flg. Die Erklärung von v^^t 11^ durch
»le recoin le plus secret de la maisonn gilt für die ansässigen
Araber; bei den Beduinen istyMJül der umgebrochen j^^^«^
d. h. gefaltet oder gerollt auf dem Boden liegende unterste
Rand der Zeltdecke an den Seiten und dem Hintertheile des
Zeltes. Um jemand unbemerkt in das Zelt einzulassen, wurde
dieser Rand von innen aufgehoben; daher die Redensart «i^
owjJt jmS si ü lui accorda asile et protection ^ 466*^, II, 2 u. 3.
II, 466^, 4 V. u. »j^\ iüLd?« Die beiden Worte, Seiten-
stück zu »Aj^l •r^<3«, aurum obryzum, bedeuten demgemäss
feines, reines Silber. Nach den Lehren der Alchymie hat
75
jedes minder edle Metall nicht nur die Fähigkeit, sondern auch
den Trieb, durch Läuterung auf die nächsthöhere und so fort weiter
endlich auf die höchste Stufe, die des Goldes, zu gelangen ; die
Aufgabe des Alchymisten besteht nur darin, diesen Läuterungs-
process durch sein Zuthun zu Stande zu bringen. Im nächsten
und eigentlichen Sinne ist demnach »Elixir- Silber a dasjenige,
welches von der nächsttiefern Stufe, der des Kupfers (Kazwint,
I, M, 5 — 3 V. u.), vermittelst des »Eiixirsc auf die des Silbers
erhoben worden ist.
II, 467% \h flg. d^jmJLL! w^^, y*Si\ v^JLo«, was einen guten,
festen Bruch, eine solche Bruchstelle hat, d. b. was sich an der
Bruchstelle als innerlich gut, fest, kernig oder gediegen aus-
weist ; von Dingen übertragen auf Personen, die sich durch die
Thai als gut und tüchtig bewähren, was natürlich sehr ver-
schiedene Beziehungen zulässt. Wenn z. B. in Abü-Tammäm^s
Diwan ein gegen Andre sanfter und gefälliger Mann, ein ^^
woL^I, für diese yJut v*I£> ist, so heisst ebenso ein rauher
Krieger bei Leuten, die er mit starker Hand vor Feinden schützt
oder von ihnen befreit.
II, 467^, 5 Ji^yWm.'^ varlope, plane, sorte de rabot« , langer
Schlicht- oder Glatthobel, dasselbe was ^-^^Ja^*^ von )|.j^aia, mit
IM
Verwandlung des p in k wie in der kurzem Form tyUi^; s. das
1. Stück dieser Studien v. J. 1881 S. 13 Z. 3 u. 2 v. u.
II, 468*, 3 j» jnJC^ II s^enfuiru, nach der Grundbedeutung
. o
von ^jtS und (jmXm^: sich zusammendrücken, sich klein machen,
sich ducken, se tapir, wie ein Flüchtling, der seinen Verfolgern
oder den nachgesandten Geschossen zu entgehen sucht. Hier
von flüchtenden Thieren : j» indem sie sich aus Furcht vor ihm
zusammendrückten, mit dem Kopfe zwischen den Vorder- und
mit dem Schwänze zwischen den Hinterbeinen .a
II, 468^, 2 flg. »ä^.j»S II draper, habiller une figure«, De-
nominativ von »j«^« oder »a^mO «, d. h. nicht vom Verbalnomen
76
des arab. A^, sondern vom tttrk. ^^^mJ", Schnitt, Zuschnitt
eines Kleides, coupe, taille^ aber auch in allen hier aus Bc auf-
gezählten weitern Anwendungen, wie nach Lehge'i' 'otm^nt U.v.
40 u. A\ »AiA^a und das gleichbedeutende »^^uja allgemein-
hin für jjl;?, ^j und^jL gebraucht werden. Cuche als gemein-
arabisch mit Umkehrung der Reihenfolge der Bedeutungen :
^f^^ fa^on, mani^re; habit, habillement; costume, livr^e.
i^L^Uäil äi^ J^ par maniäre de plaisanterie.«
II, 469% 7 »^^yu-*r (pers.) glaXeul Bait. II, 379 a (AB);
ie fä dans Bc est une faute ; cf. VuUers«. Im Gegentheil : Q^^jLy>»»y
bei Baitar und VuUers ist verschrieben aus ^yu^y, wie Be
richtig hat, und das Wort nicht persisch, sondern §i(piov, gla-
diolus, syr. . aa^a); s. Levy's Chald. Wörterbuch, II, 570*'»*',
und Low, Aram. Pfl. S. 27« u. «73.
II; 469^, 42 flg. »e^^^, Cuscutan erschöpfend behandelt
von Low, Aram. Pfl. S. 230—232.
II, 470% 6 u. 7 »,x^« erscheint a. a. 0. ausdrücklich nur
als eine Yermuthung Hitzig's statt des urkundlichen ^^xf.
II, '470% 16 u. 47 t ..«Alxci^Xca dasselbe was ...«Jx^^JLo an der
bemerkten Stelle in der Galland'schen Handschrift. Wie _b.A.?
und hJi^ für 3^-^ so sind auch .bi^t und Jb^Vf^l gleichbe-
deutend für s'6ter, sich hinwegheben, sich fortmachen,
statt des altarab. a^^, wie dieses und >.,a.ää! II, 474», 4 — 3 v. u.,
eigentlich: sich von einem Orte hinwegziehen.
> }
II, 470% 29 »X^t I^^JiUschr. XJUiJt I^^Üt, von^^^U, wie
Bocthor unter Combustion : nmettre en combustion ^ äa;:äJI .lj1.(<
II, 474% 5 »xJiJMjy, ich lese ilü^JI iJy^ : er gab die
[bisher beobachtete) vorsichtige Zurück- und Geheimhaltung
auf; s. I, 449% 2 flg.
77
11, 471% 1. Z. j»J^« nachv.ÄA5ut. Dozy selbst findet die
ConstructioQ sonderbar; ich halte sie für unmöglich und sehe
in diesem J^ nur ein verschriebenes ^, — eine Verwechslung
die gar nicht selten ist.
II, 472^, 18 flg. Ueber (^lü^und >äJiS war besonders noch
anzuführen de Sacy, Relation de F^gypte par Abd-allatif, S.
325—327.
II, 472% 10 V. u. »jC^^wJJ^g sehr, x^mw^m».
11, 472*^, 12i>Ä^L^ ceinttire en hrocarU Arabisirung des
tttrk. /^Umä, ('^^^ Gürtel im Allgemeinen; s. die Anm. zu
/ öUxS II, 351*, 2, im vorigen Stück dieser Studien.
- o - - o *
II, 472% 9 V. u. i>uäX^ galoHy Ma. M sagt: U ^j&NmX^I
äI lIujj JaJtyiJ? ^jA 8^3 v>^' J^ -^l^» ^öd Ätij^i ist nach
'- 0>
demselben ({.vt^, 6 u. 7) im Gemeinarabischen ^j^ ^^^JCi ^jt^
Up^3 O^' ^^ y:;^^ ^^^^ ^^^ Seide oder Baumwolle u. dgl.
gewebte Borte (Schnur, Tresse), nachzutragen I, 747* unter
*. O -' > *. o
»hjyii pl. Jiaitj^. Guche als gemeinarabisch: »^JiSJi^^ ^jäX^
-. o
bordure pliss6e; piissüre; draperie.tf Al-Farä'id: i>jSiSJiShor-
dure d'une Stoffe, festons.a
II, 473% i^Vj^UiS (pl.)^« Zur Beantwortung dieser Frage
öffnen sich zwei Wege: das Wort ist entweder arabisch oder
türkisch. Im ersten Falle bietet der E^müs das nächstliegende
nfjJUü\ ^y its^^ jaIüSSU. Wenn auch natürlich nicht unmitiel-
bar von dieser altarabischen Singularform, aber doch von dem
zu Grunde liegenden vierbuchstabigen Stamme gebildet, wären
^Ux5^hä SS liehe Leute, — ganz passend zu der betreffenden
Stelle in Sindbad's sechster Reise, wo er nach abenteuerlicher
Wasserfahrt durch eine dunkle Höhle aus dem Schlafe er-
wachend sich plötzlich von dunkelfarbigen AAbyssiniem und
Indern« umringt und in einer ihm unverstUndlichen Sprache
78
angeredet findet. Im zweiten Falle ist .aaIjS nur ein anders
. o ^
geschriebenes ^Uxd, PI. des arabisirten türk. ^*.^, 11, 354\
H V. u.: Possen rei SS er, Schalksnarren, — ein auf den
ersten Blick allerdings der angegebenen Lage wenig angemesse-
ner Ausdruck, der indessen den flberraschenden faschings-
artigen Eindruck schildern könnte, den die wunderlichen Ge-
stalten und Trachten um Sindbad herum auf ihn machten. Jeden-
falls liefert die Vertauschung des /ä mit e) keinen stichhaltigen
Einwand gegen die Möglichkeit dieser Ableitung. Da die Türken
den emphatischen Laut des semitischen /ä in ihrer eigenen
Sprache ebenso wenig haben wie die Perser in der ihrigen,
dasselbe einfach wie die tenuis k, e) aussprechen und das Schrift-
zeichen /j in türkischen Wörtern nur zur Bezeichnung der
breiten Vocale a, y, o, u vor und nach k gebrauchen, so behal-
ten die Araber in den angenommenen türkischen Wörtern diese
Schreibart theils bei, theils verwandeln sie /j* in das von ihnen
gehörte ^.
b f , O 9 • O
11, 473», 6 u. 5 V. u. »^^jaJLäj , ^^-i.^« u. s. w. = >U^y 11,
456^, 5 flg. mit der Anmerkung dazu.
II, 473^, 27 flg. Weitere Beispiele von diesem Gebrauche
des Wortes w^ ^^ ^^i* Bedeutung von ^Ju:, Ferse, insofern
diese glück- oder unglückbringend ist, d.h. durch Betreten
eines Bodens als nächste Ueberleiterin des Glückes oder
Unglückes gedacht wird, welches die Person, der sie angehört,
einem Orte und seinen Bewohnern bringt, s. bei Burckhardt,
Arabic Proverbs, S. 408, Nr. 409. Für besonders unglück-
bringend gilt eine »runde Ferse«, ^^vX« v^? ^' 6 v. u. So
schon Heidani, T. U, S. 738, No. ow v^.^ai>wl .^Ju mit d. Anm.:
^ O f
^>^AII ii vry^.- (Freytag: »Rolundum talum babensa sehr. Ro-
tundam caicem.)
1 ) 9 C
II, 473^, 6 u. 5 V. u. Bei ^J! s^^ sind zwei Bedeutungen
zu unterscheiden : 1. der Knotenabsatz (nodus) zwischen je zwei
79
^»j^ii (iniernodia) des Rohrsehaftes der Lanze; 2] »le talan
Wune lancetj d. h. der unter ihrer Eisenspitze befestigte Holz-
würfel, durch welchen die Kraft des St03ses gesichert und ver-
stärkt wird ; s. Perron, Voyage au Ouaday par le Scheykh el-
Tounsi, pl. V Fig. 27 und pl. VI Fig. 45, vgl. mit S.434 u.743.
Davon ^^t v^> ^^ ^^^ ^'^ Lanze mit einem solchen Holzwürfel
S ^ 9 O 9
versehen ; „^a«>C« ^j in Kosegarten's arab. Chrestomathie S. 80
vorl. Z., nicht wie U, 474% 47u. 48: ulance faite d^unjonc dont
les noeuds sont forts.v — Die erste Bedeutung findet natürlich
Statt in der aus Diw. Hodz. angeführten Stelle, wo „^amS^\ in
coUectivem Sinne steht : s,;,^^«\j! ^jX^^ cya^ ^^ eine Lanze deren
Rohrschaft mit Einschluss der Rnotenabsätze von unten bis oben
gerade und ebenmässig verlauft, so dass, wie der Gommentator
S. Ifr Z. 2 u. 3 erklärt, ihre Schwingungen, wenn sie geschüttelt
wird, sich über ihre ganze Länge erstrecken.
n, 474^, 46 i>y^g.^^jCiU chaussure qui ne couvre pas le talorij
M«. M sagt: ^^^^ajüGI <JLo ^ (j<«t«Alt, Schuh, der nicht bis an die
Knöchel reicht; denn dass „^.^wid' hier nicht a v^,jic ist, sondern
seine altarabische Bedeutung hat, sieht man aus dem Gebrauche
des Duals.
Uy 475% 6 u. 5 V. u. Entgegen diesem ^constamment fem.^
zeigen nicht nur die in meinen Kl. Schriften, I, S. 262 Z. 4 4
flg., gesammelten Stellen späterer Schriftsteller, sondern auch
zwei Verse von äj» , und . ^ix^^L Mufassal ivo. 4 , und Kämil H ,
48, v^als Masculinum. Die bei M UPv*, 8 u. 9 versuchte Recht-
fertigung des y^^Z^ sjS der beiden altarabischen Dichter ist
nicht überzeugend; denn dass z. B. in dem Verse Ru'bah's sjS
nicht für den ganzen Vorderarm, lA^U», und deswegen im
Masc. steht, ergiebt sich aus der unmittelbaren Verbindung
von N«^ mit pÜJI st. ^ÜJt, den Fingerspitzen.
80
«o^
II, 476^, U ȀX^ (turc)a, nach M's Aussprache; seiner Her-
kunft nach persisch: tfjJSoder, wie in LehgeY otmänt f.r», 45,
iüiyi', nach türkischer Aussprache küfteoder köfte, Hindoglu
und Zenker: Dboulette de viande hach^e;« LehgeT 'otmAnt als
Gattungswort: i^\^\ ^^JiAjih ot q^I; q^^^ »verschiedene
aus Gehacktem (hachis) gemachte Fleischspeisen«.
«•o.
• II, 477», 7 u. 12 »^« und »«^«s.^II, 383% U— 47
m. d. Anm. dazu.
II; 478% 23 u. 24 i^MS^boutoir, instrumentde mar^chal pour
parer le pied d^un cheval«, ist das ttlrk. und ungar. kefe,
tiSy Bürste, bes. Pferdebürste zum Giattreiben der Haut nach
dem Striegeln; dann übergetragen auf das »Wirkeisen a der
Hufschmiede zum Glätten des Hufs.
H, 479», 22 u. 23 »iuLft^CJI J^ U^j» [kürzer iüLi^J^y] un
devoir religieux qui est obligcUoire pour toute la communion a , so
nämlich, dass der den Moslemen in ihrer Gesammtheit obliegen-
den Verpflichtung durch die Erfüllung des betreffenden Ge-
botes von Seiten eines Theiles der Gesammtheit in Stellvertretung
der Uebrigen Genüge geschieht, im Gegensatze zu^^ u^*^,
einem Religionsgebote, welches von jedem einzelnen Moslem
persönlich, iuUju, erfüllt werden moss. ÄjÜbüi ist die Hand-
lung derjenigen Moslemen, welche durch Erfüllung des Gebotes
für die Uebrigen genugthun und sie dadurch von der persOn-
liehen Verpflichtung dazu befreien ; von yS\ jc:^ = ^^L
II, 479», 24 u. 25 »il tua les ouvrlers enmasse. tous en-
semble, en totalüeti , gewiss nicht im eigentlichen Sinne ; denn
eine solche Menschenschlächterei wäre, abgesehen von ihrer
Grundlosigkeit, das Verkehrteste gewesen, was der König in
einem Augenblicke thun konnte, wo zur Wiederherstellung der
Dämme und zur Bekämpfung der Wassersnoth alle verfügbaren
Arbeitskräfte aufgeboten werden mussten. Jedenfalls hat dieses
81
Jj:i die von Dozy selbst II, 308*, 20 flg. nachgewiesene Bedeu-
tung »fatiguer excessivement^. In Uebereinstimmung hiermit
lese ich auch statt KL«b> in derselben Zeile y«^ = |^)Cm, wie
Koddmah in der von de Goeje unter dem Texte angefahrten
Parallelstelle dafür sagt; wJLö aber — l. wJUo — ist nicht kreu-
zigen, sondern statt Kod^mah's allgemeinen «^3 speciell : quer
vorziehen, vorbauen, wie I, 840*, H v. u. flg. Die cLLi^, Be-
ladz. S. 292 Z. 3 v. u., sind in diesem Zusammenhange wahr-
scheinlich starke, zum Verschlusse kleinerer Dammbrttche die-
nende Lederstücke.
£>
II, 480% vorl. Z. In »Alf, boulet, grenade, biUe<t, haben die
» >. Ä»
Araber ihr eigenes hS, gemeinsprachlich B^f (II, 462% 8j, mit
Verwandlung des ^ in J von den Türken zurückbekommen, aber
das von diesen in »gülle, güle« erweichte Wort wieder verhärtet.
Cuche als gemeinarabisch: i>[^S ijoya] JJ^-^ Kb' balle, boulet.«
Ebenso Hartmann, Sprachführer S. 217*: »Kugel, killi küh, pl.
kilal.« Al-FaräYd mit altern Wortformen : »{iS^'i^) jJü' - KtT,
halle^ boulet.«
II, 480", 9 u. <0 »iü^ dormir avant les priores du soir,
Burton 1, 287«, allem Anscheine nach verderbt aus äJ^JUä.
II, 481^ 19 u. 20 »Kl^semble avaricea. Da dieser Be-
o >
griff in dem dafür angeführten Verse schon durch J^k\Jt ausge-
drückt ist, bedeutet das durch 3 damit verbundene Jü^bGt wohl
s >>
allgemein i^iniquitä, m^chancete«, wie Z. 24 >Lj^, eig. Hunde-
natur, hündisches Wesen.
> M#>
II, 482% K\ »u&^« pers. uä^ Ab; wörtlich Schädel-
bedeckung, auch im Türk. gewöhnlich; Hindoglu S. 395*:
ö^^ xVk6116pouch, calotte,« Zenker S. 759*: »jjijj Äj/kelle-
püs, kleine Mütze.«
1886. 6
82
i» 9
II, 48^^ 42 n. 13 »(^) II? Kämil 455, 5: > j ^^ löü
^jlJü, oii un autre man. a A5Cj.c Der Sinn bleibt derselbe, man
lese 2io oder iJo oder in der 5. Form iJu: denn iJuf in der
2. ist transitiv, also hier ohne Object nicht anwendbar. Das
Wort bedeutet Grinsen, eine mit Zdhnefletschen verbundene,
Schmerz, Wuth und Grimm oder Hohn und Spott ausdrückende
Verzerrung des Gesichtes, in schwächerem Grade auch von sar-
donischem Lächeln. Im Kdmil a. a. 0. stellt ein Mann mit seiner
Frau eine gefährliche Probe an; lich wollte wissen,« erzählt er
selbst, »wie ich mit ihr daran wäre: einmal also, da ich mich
eben von ihr abgewandt hatte und aufgestanden war, kehrte ich
mich um: sieh, da grinste sie hinter mir her!« — ob mehr
grimmig, oder mehr höhnisch, erfahren wir nicht: jedenfalls
nicht liebreich.
II, 483*, 26— S8. Herr 'ÄYde, den ich vor sechzig Jahren
in Paris nach der Bedeutung von ^jJ^Co^yü:, olives calcin^es.
fragte, konnte mir nur sagen, es seien »oHtcs conBtes d'aprds
une certaine recette«. Da das eigentliche Calciniren oder Ver-
kalken in der Zersetzung und Auflösung fester Körper in kleine
pulverartige Theile besteht, so ist als sicher anzunehmen, dass
die durch jenen bi 1dl i chen Ausdruck bezeichnete Art des Ein-
machens die Oliven in eine weiche Masse auflöst.
11, 483*, 8 V. u. flg. Qs,jJS enlretenir^ fournir a la sub-
sistance a , » garnir c/e, pourvoir de tout ce qui est n^cessaire «
u. s. w. Mit den angegebenen Bedeutungen wäre dieses ^äJ^
gemeinsprachlich das gerade Gegentheil des gewöhnlichen alt-
wie neuarabischen s.Ab', r>imposer une corv^e, constituer en frais (n
^ ^
u. s. w. Es ist aber in der ersten Form zu lesen \jJS, Guche
CA.*: »(v^U j=^) Läi^ s-aif bien entrelenir, bien soigner, bien
nourrir.« oAt*: »«^i^bCc soign^, bien entretenu,<r nicht, wie Guche
will, durch eine beispiellose Lautverwechselung aus s.jdc ent-
standen , sondern durch Umstellung des zweiten und dritten
J
83
Stammconsonanten aus Ji^ »nourrir qqn., avoir soio de lui«
(Cuche) .
II, 486*, 47 — 49 ))^D'est pas seulement pl. de 'iJS, mais
8'emploie aussi comme sing, masc.«^ ein Rückfall in die von
Laue oft gerügte Umkehrung des richtigen Verhältnisses der ur*
sprünglichen männlichen Gattungs-^ollectivnomina und der dar-
aus gebildeten weiblichen Einheitshomina auf s.; s. meine Kl.
Schr.I, S. 256— 958, über^ und kJU; besonders S. 304 zu de
Sacy, I, 386, 48 u. 49.
II, 486^, 43 — 15. Der Gebrauch des allgemeinen |»^ in
diesem «^^«Aa^i hat nur insofern etwas »Fremdartiges«, als es
für das in solcher Verbindung herkömmliche specielle w9l steht:
il faisait ex^cuter ses paroles, d. h. ses ordres.
II, 486^, 46—24. Hammer -PurgstalFs stehende Ueber-
Setzung dieses M «JL^ durch »der Redner Gottesa gab dem ^^JS
die unbeweisbare Bedeutung von s^^AJas>. Das der richtigen
9 yi-^a ^i.
Erklärung hier zu Grunde gelegte koranische ^^^ aIÜ fJS ist
zwar streng genommen nur: Gott redete zu Moses ^ — mög-
licherweise ohne Antwort von Seiten des letztem, — aber die
überlieferte Deutung ergänzt den rein grammatischen Sinn und
macht aus Gottes Reden zu Moses ein Reden m i t ihm, was durch
die Form von ^Jt^ selbst bestätigt wird. Denn ein von Joe ge-
bildetes J^oii giebt es überhaupt nicht, und da ^JL!" hier nicht
das von ^herkommende passive J^ in der Bedeutung von
^»^JbC« = ^^y^ ist, so kann es nur wie ^j-uJL> = jj-JI^ von
^L:>, als gleichbedeutend mit dem activenJIX« von ^u, collo-
cutus est, abgeleitet w^erden. Diese Erweiterung der Bedeutung
von JL^zu der von ^15" zeigt sich auch in der Erklärung unsers
6
84
-> >".. •«. ... >.-•
f^ bei M Ul"v*, 3 u. 4 : wdJi *«! *ä^ (»W^'i- öJ^^^i ^' <^^
> >-.
aÜI JL^ lö'bi (5w^} WO das koranische ^^y^ /üJI Ji' sogar umgekehrt
} « 5 ,
und in j&\ ^^yA Ai verwandelt ist, wie zum Zeichen, dass
zwischen beiden kein wesentlicher Sinnesunterschied besteht.
II, 487*, 42 ^Ji^onagre^ si Ton peut se fier k Casiri I, 4 Sit,
das ju^ unserer Wörterbücher in besonderer Anwendung auf
den Waldesel, wie schon nach Golius bei Meninski unter JUi'.
II, 487*, 2 V. u. i>2^^ ist das folgende ÜaI^ in verkürzter
Form, wie Dozy selbst Gl. Bsp. 246 bemerkt. Dass übrigens
^lÄ^y in de Jong's Lat^lf al-ma'ärif p. XXXV nur ein Schreib-
fehler St. ^L^wti'ist, erhellt aus dem Artikel desFarhang-iRashidi
über L^w*y. Als Aussprache wird da zuerst \Jsk^ angegeben
[übereinstimmend mit der Schreibart Li^u^j, dann aber als
richtiger [,^\) : Liui', verkürzt (wftÄ^) aus ^|J=U^, und dies zu-
sammengesetzt aus ^, wenig, und ^L^, Wollhaar, duvet,
o * o ,
der Erweichung von v]^, s^L:>. Yullers hat vl^^} P^l^»
plush, napofcloth; aber die auch im Türkischen gewtfhn-
liehe neuere Form des Wortes ist ^L^. Bei der hohen Wahr-
scheinlichkeit des chinesischen Ursprunges von L^ui^ bleibt die
Richtigkeit der angegebenen Zusammensetzung und Erklärung
sehr zweifelhaft; aber soviel geht daraus mit Gewissheit hervor,
dass der Gutturalconsonant zu Anfang und der Lippenconsonant
zu Ende der zweiten Silbe zum ursprünglichen Bestände des
persischen Wortes gehören . Den Wegfall des weichen Schluss-
b oder w in Li^u^ zeigt auch das daraus entstandene oxytonirte
russische Ka.MKa, Damast.
II, 488'', 5 n v^U'« als ^^, 2i(3tad auch in das Aramäische
übergegangen; denn so, mit urlangem a der ersten Silbe, ist
bei Buxtorf S. 1050 und bei Levy (Neuhebr. u. chald. Wb. II,
8. 344^) zu schreiben. Das pers. a^UT, früher ^ÜT, eine säuerlich
85
pikante, Appetit erweckende und die Verdauung befördernde
Zukost y bedeutet vermöge seiner Herkunft von m\S^ oge^ig^
eigentlich im Allgemeinen oQexTixov; und demgemäss ist, nach
dem türk. K^müs unter i^>Ai^ derselbe Name später auch auf
andre an die Stelle des ursprünglichen hJS getretene Dinge,
wie in Essig eingemachte Früchte, Salate und Caviar, überge-
gangen. In Hoffmann's Bar Ali S. \ 84 Nr. 4761 ist i^^ia, er-
klärt durch j^N^LT, ohne Zweifel ein verschriebenes lalaii.
c
II, 488% 40 V. u. D (JL»y /bnc^) — quand il s'agit de blanc,
tr^s^lancj Ju^^j^sajI jü^a. Wie diese Worte Ibn al-Bait^r's
die angebliche Bedeutung beweisen sollen, ist mir nicht klar.
Nach dem Sprachgebrauche ist Jl^ ^J^ vielmehr mattweiss,
im Gegensatze zu glänzend weiss, candidus. Cuche oAt*^: »Ter-
o^
nir, öter le lustre \^l^\ Jui't; alt6ration et p&leur du teint Ju/
t0^4^ \kx!^ sX4^y Triste, afflig^; teme, mat iJuiL«.«
II, 488% 6 V. u. »JJlJl« wohl JJUt? Von dem völligen
Uebergange oder dem Umschlagen einer Farbe in die andre
wäre JJlil am rechten Orte ; aber die angeführte Stelle spricht
doch wohl nur von der Annäherung einer Farbe an die andre,
welche durch i! s^yo und i\ v3^ ausgedrückt wird, — franz.:
tirer sur — , deutsch: fa llen in — .
£ E
II, 490% <7 »^^l^ (vulg.), contraction de ^1 w, M« und,
wie es scheint, nach M auch Spitta-Bey in den Zusätzen und
Verbesserungen zu seiner ägyptisch -arab. Grammatik S. 548,
mit Zurücknahme seines eigenen »Arämdri, Aemdn, pers.-türk.
qU^« S. 474, wo nur ^U^in ^^U^ zu verwandeln war. Denn
in der That ist das auch in das Türkische übergegangene pers.
qUp, desgleichen, ebenso, mit seiner verstärkten Neben-
form üUP im Gemeinarabischen zu^Ui^und GUjTgew^orden. Ein
Uebergang der ihrer Natur nach einen ganzen Satz regierenden
86
Gonjunction ^t Uy, O^ ^> in das rectionslose Adverbium
^Uiaussi, encorej wäre gegen alle Analogie.
o^ >
11, 492*, 45 »c>^^, en Syrie, erSj vesce noire*^ sehr.
epeautrCj Spelt, Dinkel. Die unrichtige Bedeutungsangabe ist
eine Folge der alten Verwechslung von ritSD^ mit KS'HDns, jU^ J'
(Cast.-Mieh. S. 423 unter l^jao), welche Ltfw, Aram. Pfl.,
S. 405 u. 106, endgiltig beseitigt hat; s. Levy's Neuhebr. Wb.
II, S. 450 u. 451.
II, 492*, 16 »«^JU^, pl. ^0^Ul^c, besprochen von deLagarde,
Ges. Abhandlungen S. 61, zu dem daraus gebildeten pTISS.
Nach Farhang-i Rashidi, 11, S. Iw, ist^jJ^, ^^JJS^ .^jo^und
m^JJS »ein grosses Gefäss aus Lehm, welches mit Feld- und
Garten fruchten angefüllt wird«; nach Burhän-i gdmi' ^JJSy
^^JJS und di^jsJS (so) »ein Gefäss, ähnlich einem grossen bau-
O 9
chigen Kruge (^, Kumme) oder einer Truhe ijÄ^OJuoj , das aus
Lehm gemacht wird und in welches Feld- und GartenfrUchte
gefüllt werden. Die arabische Form davon ist ^^OJSm, Offen-
bar ist ^jjS eine Abkürzung des altem «fl^Ju/, und /j-^jüUd eine
andre Arabisirung desselben Wortes, welcher eine mundartliche
Zerquetschung des ersten id) in _ zu Grunde liegen mag. Der
türk.K^müs: n^^JJS, das arabisirte ^ Jüo, ist ein wie eine kleine
Yorrathskammer (q^) gestaltetes Behältniss (xSLÄSL^), in
welchem Gerfithschaften und andre Dinge aufbewahrt werden.
Das Grundwort ^sXjS bedeutet im Persischen ein zur Aufbe-
wahrung von etwas aus Bretern und Lehm in Form einer grossen
Truhe (/ ä* Jüwo) verfertigtes, durch SeitenwUnde geschlossenes
Gefäss (Oj^), tttrk. §arpunj petek und /:oti;ait genannt. Dasselbe
Wort wird auch von einem Speiseschranke (&iL^Lc) und von
einer Tonne, einem Fasse {j>^) gebraucht. In der Provinz
thut man in solche Behältnisse Lebensmittel, Mundvorräthe
u. dgl. Auch einen Bienenkorb nennt man so wegen seiner
87
Aehnlichkeit mit einem kandö.« (Vgl. hierzu die beiden ersten
Bedeutungen von »^^, II, 497"*, 17 flg.) Nach arab. Sprachge-
brauehe als Vorrathsraume, Magazine, Scheunen u. dgl.
steht der^Pl. ^UXJ5 bei Bar Ali S. 18, Nr. 388 mit J'ßhs
(statt ^t^^t) und «IaLJS <^|j^ zusammen zur Erklärung von
]^ .o). Ibn al-At!r, IX, 1*1, 7, gebraucht ^.JO^von einem Be-
hältnisse zur Aufbewahrung von Wohlgerüchen, vLJ?t.
II, 493*, 6 n^jS gibeci^re^, Arabisirung des ital. carnierey
mit Verwandlung von rn in nn.
II, 493*, 19 lijS = ^^ tresor cache, tresor surnaiureU,
So indeterminirt kann dieser an der Spitze der Mystik stehende
Grundbegriff seinem Wesen nach nie sein; jÄxil, qjXJJ, immer
mit dem Artikel, ist das in sich selbst beschlossene Eine
vor seiner Entfaltung zum Ein und All, der Urgrund der
M O ^ O «
Gottheit, — vollständig Jj^U^I, wie bei M, S. Ufl'^jausKitÄb
al-taVlfät: »Der verborgene Schatz, d.h. das in der über-
sinnlichen Welt verborgene, absolut einheitliche höchste Wesen,
das Geheimste von allem Geheimen.« Diese absolute Einheit,
ÄjcX^^!, bildet den Gegensatz zu iÜLX5>!yl, der relativen Ein-
heit; jene ist nprior gradus naturae divinae, ejus involutionem
comprehendens, in quo nulla omnino pluralitas fuit, nee intra
Deum, nee extra«, diese »posterior gradus naturae divinae,
ejus evolutümem comprehendens, in quo Dens in summa multi-
tudine naturarum et rerum creatarum sine essentiae participe
aut virtutum socio solus Dens est«, Catal. libb. mss. biblioth.
Senat. Lips. S. 400 u. 401 in dem Artikel über Kaisari's Er-
klärung von Ibn al-Fdrid's mystischer Wein-Kaf ide.
II, 495% 12 0(äU/ (ou /ÄAd] oliban, encens^, das türk. (^UUi',
Weihrauch, gewöhnlich i^iUlT, günnük; s. oben zu II, 414*, 8.
< ** " • C " '
II, 495*, 19 »pers, ^\ SSS^ sehr. yiJJSy wie auch bei
88
Völlers, 11, S. 904% nach der richligen Angabe aus F: vgl. bei
demselben j^, 11, S. 175^.
II, 495% 40 V. u. BiuJUr serin* nämlich de Canarie, Er-
weichang von «u^lü', Kanarienvogel; vgl. 11, 493, 4.
« 9 «
ll,495%5v.u. »^2j4^, n.d'act. äjL^, itreUUd, difforme*. M giebt
als gemeinarabisch das Adj. ^-«A«XIt mit der Bedeutung g^JUiJ!
iL^^AoIt ^kAAJüt^, und fügt hinzu, bisweilen bilde der gemeine Mann
daraus auch ein Zeitwort jüL^^^«^. Da ich keinen natürlichen
Zusammenhang zwischen dieser und den übrigen Bedeutungen
des semitischen Stammes ^^^ entdecken kann, möchte ich eine
Entlehnung aus dem pers. ^^, alt, annehmen, ungefähr wie
unsere Kinder alles, was ihnen missfällt oder augenblicklich
unbehaglich ist^ alt nennen.
II, 497% 3 V. u. flg. Die von M angegebene Bedeutung von
s.b'wird vollkommen bestätigt von Cuche: »oLli^^ H.Lycoussin
rond sur lequel on dtend des feuilles de p^te, pour les coller
aux parois du four.«
II, 498", 6 — 9. »3^, geweze, Schwätzer, mit dem Abstr.
ülJsj^, gewezelik, Schwatzhaftigkeit, ist ein acht turanisches,
mit dem semitischen :^, n\jS^, kuz^ kuzej in durchaus keiner
Verwandtschaft stehendes Wort, daher auch zu etymologischer
Zusammenstellung mit dem hier besprochenen J^j^^t jj^t in
bildlicher Bedeutung nicht geeignet.
11, 498^, 48 flg. Zur naturgeschichtlichen Bestimmung der
« 9
Lm»^ dient auch Rosen^s Anmerkung im 4. Bande von Seetzen's
Reisen, S. 260 Z. 5 flg. zur Erwähnung dieser Frucht im 2.
Bande S. 33 Z. 5. (Seetzen schreibt nach seiner Weise »Küssa«
nur zur Bezeichnung der scharfen Aussprache des ^ im Gegen-
satze zu ;, wogegen in Rosen's »Kusa, Uo« die Länge des Vo-
cals der ersten Silbe nicht ausgedrückt ist). Rosen nennt die
89
Küs^ eine Kttrbisart, welche bei Jerusalem sowohl auf Sehutt-
abbäDgen als auch auf dem festen Thonboden der Felder viel
gebaut werde, den dortigen Sommer ohne Bewässerung ertrüge
und deren gurkenähnliche Frucht gelblich grün, zart und saftig
sei. — Eine Abhandlung über Ackerbau und Viehzucht in Syrien,
insbesondere in Palästina, von Dr. L. Anderlind, in Zeitschrift
d. deutschen Palästina-Vereins, IX, Heft 1 S. 42, bezeichnet die
«Küsä (engl, vegetable marrow)« als eine der wichtigeren Blatt-
früchte Syriens; sie stehe mitteninne zwischen Melone und
Gurke, ^L^, sei gestaltet wie diese, jedoch grösser, grobkörniger
und weniger fein ; sie werde von den Einheimischen nie roh,
sondern stets gekocht, und zwar oft mit Reis, Hackfleischreis
u. s. w. gefüllt, verspeist.
II, 498^ 10 v. u. »SüLm^ (J^b ^) semelle int^ieurea
vom pers. aILm^, Junges eines vierfüssigen Thieres, besonders
Kalb; dann, wie franz. ve au, gegerbtes Kalbsleder, auchKuh-
und Ziegenleder, Corduan, Sohlenleder, nach türkischer Schreib-
art imd Aussprache jJu^, kösele^ Zenker S. 774*. Vgl. span.
vitela, franz. v61in, engl, vellum, ebenfalls von vi tulus,
vitulinum.
II, 498^, 5 V. u. Wenn das gemeinarabische (j;;l? wirklich,
wie auch ich glaube, aus ^^yJu^;^ entstanden ist, so stimmt die
hier angegebene Bedeutung dieses persischen Wortes, »laborare,
operam darCj studere^^i vollkommen mit der seines arabischen
« o«
SprOsslings überein. Al-FaräTfd vl*f*: » j Lä^ o^LT avoirbeau-
coupd'activit6dans(ses affaires).« Cuche: »iü^ OtJiiS d^ployer
une grande diligence et beaucoup d'activit^ dans ses affaires.
i^ßyf . »j^ diligence, assiduit^ au travail. J^^ actif, tr^s-
diligent.a Das LoJÜt ^^ JiX bei M, ns'adonner aux plaisirs
[oder überhaupt aux biens de ce monde], s'y appliquer avec
chaleur,« ist demnach nur eine durch J^ ausgedrückte Wendung
der Bedeutung nach der schlimmen Seite des ij£>jS> hin.
90
^o . o i*.& ^
II, 500*, 4 V. u. flg. M's Erklärung von Uih ciJiJ^ : » sie
wickelte ihr Kind in die äJIs^, ein Name für ein Ding ivie ein
Kopfkissen, in welches das Kind fest eingewickelt wird,« llisst
in Widerspruch mit Dozy's »explication qui n'est pas bien claire«
keinen Zweifel darüber, dass die kaufalijah der maiUoty der
Wickel oder das Wickelbettchen, kaufalah das emmailloter oder
Wickeln unserer Mütter, Ammen und KinderwUrterinnen ist.
II, 500**, 5 V. u. »Q^U^ genevrier, Bc.« Seetzen's Reisen,
1, S. 446 Z. 5 V. u. nKöklÄn heisst hier [auf und um den Liba-
non] Wachhoiderbeere«; S. 167 Z. 6 flg.: »Der Wachholder heisst
hier Kocklän; er wächst am Libanon häufig; ich habe ihn aber
immer nur unter der Gestalt eines niedrigen Strauches ange-
trofi'en. — Juniperus oxycedrus wächst baumartig und heisst
auch Kokl^n.«
II, 50<*, i »j^VII = JUi« d'aprös M. Wright, mais je ne
le trouve pas ä Tendroit du K^mil qu*il cite«. Auch ich kann
die gesuchte Stelle nicht nachweisen ; aber die sich bis auf ein-
zelne Worte erstreckende Uebereinstimmung der von den Ori-
ginalwörterbüchem gegebenen Erklärung der siebenten Formen
von v3L^ med. ^ und J'j med. ^ führt mich, in Verbindung mit
* ~u
der Unmöglichkeit eines jÖÜt in dieser Bedeutung, auf die Ver-
muthung, J^ VII sei falsch geschrieben oder gelesen statt
J^VII.
II, 504*, 5 u. 6 »jy? (turc :i^) pl. ^^ isabelle, de couleur
jaune-blanchätre«. Das Wort ist eine sprachliche Merkwürdig-
keit, insofern es an einem — für mich bis jetzt einzigen — Bei-
spiele zeigt, wie einem türkischen Farbenadjectiv, neben Bei-
behaltung seiner ursprünglichen Form in !jy» oder lij^ kula,
II, 420, 22 u. 23, vom arabischen Sprachgeiste die den Farben-
adjectiven auf seinem eigenen Gebiete zugewiesene Form Joe!,
fem. i^iUs, aufgenöthigt wird; denn statt »pl.« vor "ijS^ (spr.
!j^) ist, wie in der ersten Ausgabe von Bocthor, «f^m.« zu
schreiben. Die Verwandlung des rj in ^ macht dabei keine
91
Schwierigkeit; denn da die Türken, wie oben zu II, 473, 16
bemerkt wurde, das ihrem Organe fremde semitische rj in acht
türkischen Wörtern nur zur Bezeichnung der breiten Yocal-
klasse anwenden, es aber wie die tenuis k aussprechen, so setzen
die Araber, wenn sie solche Wörter sich völlig aneignen und
nach dem Gehör schreiben, geradezu <i) statt /j.
II, 501», 26 u. 27. Ohne die in Gl. Esp. 381 offen gelassene
Frage über den Ursprung dieses äJU^ oder xJU^, cd6/6, ab-
schliessend beantworten zu können, mache ich darauf aufmerk-
sam, dass dasselbe Wort in der nämlichen Bedeutung wie im
span. gumena auch im ital. gomena, gomonUy gumina und im
franz. gumhie vorliegt, und vermuthe einen Zusammenhang mit
dem gleichbedeutenden altarab. ^j^^ x!U:>.
II, 501% 11 — 8 v. u. Der scheinbare logische Widerspruch
zwischen dem regierenden unverändert in der dritten Person
bleibenden ^ und den davon regierten jCo und o.^ in der
zweiten und ersten Person verschwindet durch die in meinen
Kl. Schleiften, I, S. 765 weiter ausgeführte Anerkennung des
in einem solchen ^^ als 'iA:Li\ qI/ enthaltenen QLäJt rt^\ ^^^
Prol. III, S. 419 Z. 10, im Nachsatze eines durch^ eingeleiteten
hypothetischen Satzes : ^ ^f^ \J^ O^^ ^^^ würdest du weinen
und mich bemitleiden«, wörtlich: »so würde es sein: du weinst
und bemitleidest mich«; S. 423 Z. 1 ein selbstständiger Satz :
o%^ qL^ ^.JLo — (st. sü^-Jiy^ qI^ L^JL«) — «in einen Schönen
hatte ich mich verliebt«, möglichst wörtlich : »in einen Schönen
war es dass ich mich verliebt habe.«
II, 501% 5 V. u. flg. Der Zweifel an der Zulässigkeit seiner
Erklärung, welchen Dozy durch den Vorbehalt »si ie texte est
correct« ausdrückt, ist wohl berechtigt. Wäre das, was der
Vater hier von seinen Töchtern verlangt, ein Sein oder We r d e n ;
so würde ^^Si sprachrichtig die Verwirklichung seines Ver-
langens bezeichnen: «und sie waren oder wurden es,« »et
elies le furent«; in Uebereinstimmung mit dem verlangten
Thun aber könnte es nur wie in der nächsten Zeile heissen
92
^ tt, ,
^^^Uis: iund sie Ihaten es,c wie Dozy selbst nach Sinnesnolb-
wendigkeit, aber gegen Sprachmöglichkeit Rosegarten's ^^i^ er-
klärt, indem er es »per ellipsec bedeuten lässt <ä)üv5 ^ijub ^^^9
— was flbrigens nicht »«/ dUt le firentt wäre, sondern : et dies
le faisaient. Während also dieser Erklärungsversuch unzuläs-
sig ist, bleibt andererseits eine Sinneslücke bestehen, die dem
ganzen Zusammenhange nach durch das unmittelbar auf s^^>^j^
Folgende ausgefüllt sein muss. »Yielleichtt, sagt der Vater zu
seinen sieben Töchtern, »fällt GamtPs Auge auf irgend eine von
euch, dann verheirathe ich ihn«. Hier bricht sein Redefluss
plötzlich ab; es folgt das unverständliche ^^^ Jis. Dass der
Mann bei dem »dann verheirathe ich ihnc nur an seine
eigenen Töchter gedacht hat, ist nach allem Vorhergehenden
selbstverständlich ; aber schwer begreiflich ist, was ihn hier in
vertraulicher Besprechung mit den Töchtern über den von ihnen
auszuführenden Angriff auf des Dichters Herz abgehalten haben
soll, seinen Worten den natürlichen persönlichen Abschluss zu
geben. Dies wird erreicht und zugleich das unmögliche ^^^
beseitigt durch Verwandlung von ^yö J^ iß ^^CäJL, d. h. ^^b:
»dann verheirathe ich ihn mit der freundlichsten von euch«,
d. h. mit der, welche sich ihm am freundlichsten erweisen
wird.
Herr Zamcke legte einen , bereits in der Sitzung vom
10. ApriL zur Aufnahme genehmigten Aufsatz des Hrn. Prof.
W, Creizenach in Rrakau druckfertig vor : Stttdien zur Geschichte
der dramcUischefi Poesie im siebzehntenJahrhtmdert. Erster Beitrag .
Der Verfasser dieser Studien, mit einer Geschichte des
deutschen Theaters im achtzehnten Jahrhundert beschäftigt, sah
es als eine besonders wichtige Aufgabe an , sich auch mit den
verworrenen und unerfreulichen Zuständen vertraut zu machen,
aus welchen heraus sich die ersten Anfänge eines besseren Ge-
schmacks entwickelt haben. Aber während hier eine bis in's
Einzelne gehende Untersuchung eine unabweisbare Nothwendig-
keil war, so verbot es doch das Ebenmass der Darstellung , alle
Ergebnisse dieser Vorarbeit in das von ihm geplante Werk auf-
zunehmen. Er bittet daher um die Erlaubniss, einzelne Capitel,
die in der Gesammtdarstellung nicht den gebührenden Platz
finden könnten, an diesem Orte zu gesonderter Darstellung zu
bringen , in der Hoffnung , den Kennern auf dem Gebiete der
Literatur des siebzehnten Jahrhunderts einen Dienst zu erweisen
und ihnen manche mühsame Nachforschung zu ersparen. Da
dem Verfasser an seinem Wohnorte nur spärliche literarische
Hülfsmittel zu Gebote standen, so war er vielfach auf die gütige
Unterstützung auswärtiger Bibliotheksverwaltungen angewiesen ;
für den vorliegenden ersten Aufsatz ist er namentlich den Bi-
bliotheken zu Breslau, Dresden, Leyden, Weimar und Wien zu
Dank verpflichtet.
I. Die Tragödien des Holländers Jan Vos auf der deutschen
Btthne.
^ Aran en Titus.
Die Geschichte der deutschen Shakespeare -Bearbeitungen
im siebzehnten Jahrhundert ist schon seit längerer Zeit ein be-
vorzugtes Thema der Hterar-historischen Forschung. Es wurde
94
auch bei den einschlägigen Untersuchungen schon wiederholt
darauf hingewiesen , dass eine gleichzeitige Berücksichtigung
der englischen Einflüsse auf das holländische Theater in jener
Epoche zur Aufhellung mancher schwieriger Fragen wesentlich
beiträgt. Um so mehr muss es auffallen , dass das Drama , von
dem ich auf den folgenden Blättern handeln will, bisher von
Seiten der Shakespeare- Forscher so wenig Berücksichtigung
gefunden hat. Es ist dies Thomae's Titus und Tomyris, eine
Tragödie, die auf einer holländischen Bearbeitung des Shake-
speare'schen Titus Andronicus beruht. Der einzige, der, soviel
ich weiss, bis jetzt über dies Drama gehandelt hat, ist Gervinus^],
der in seiner Characteristik der Lobenstein'schen Tragödien
darauf hinweist , wie dieser Dichter wieder in den rohen Ge-
schmack der Ayrer'schen Zeit zurückgesunken sei, »die den
Titus Andronicus liebte, einen Stoff, der auch wieder hervor-
gesucht und (4661) von einem Hieron. Thomä aus Augsburg
(als Titus* und Tomyris) anspruchsvoller behandelt ward«.
Da Thomae seine unmittelbare Quelle verschweigt , so ist auch
Gervinus auf dieselbe nicht aufmerksam geworden.
Das Exemplar, welches mir vorliegt, gehört zu jenen
Dramen der Gottsched'schen Sammlung , die später in den Be-
sitz der grossherzoglichen Bibliothek zu Weimar übergingen.
Es umfasst 104 Seiten in Quart, vorher gehen zwei ungezählte
Blätter mit Titel, Widmung und Inhaltsangabe.
Der vollständige Titel lautet : Titus und Tomyris oder Traur-
Spiel, Beygenahint Die Bachbegierige Eyfersucht. Aufgesetzt
von Hieronymo Thomae von Augstburg. Gedrukt zu Giessen,
bey Joseph Dieterich Hampeln, der Löblichen Universität be-
stellten Buchdruckern. 1664.
Alsdann folgt eine lateinischeWidmung, die an neun Personen
gerichtet ist, mit Ausnahme des vorletzten, eines Frankfurt er Kauf-
manns Wesenbekh, sämmtlich angesehene Augsburger. In dieser
Widmung weist Thomae zunächst darauf hin , welche Personen
er in seinem Drama vorführe : »Tomyrin mulierem ut fallacissi-
mam, ita crudelissimam , cum amatore suo Arane homine scele-
ratissimo. Ut et Octavianum Principem, atfas Optimum; sed in
eo solum vituperandum , quod nimium amori vesano feroellae
nequissimae indulserit, cum Tito Andronico Viro ut integerrimo,
1) Geschichte der deutschen Dichtung, 4. Aufl. Bd. IIT. S. 486.
95
lia ei ßdelissimo, sed ob Virtutes vitiosae mulierculae valde
saspectOy ejusdemque circumstrepeniibus adhortationibus ab
Imperatore abalienato«. Alsdann bringt er die obligaten Dedi-
cationsphrasen vor , wie viel er der Gunst aller der genannten
Manner verdanke, wie wenig der Werth seiner Gabe ihren hohen
Verdiensten entspreche , aber sie rodcbten das Werk doch aus
der Hand ihres demüthigen Clienten entgegen nehmen. »Etenim
et Jupiter exiguum lac et caseum nonrespuit: sed roagis volunta*
tem intuens pro grato suscipit«. Zum Schluss die gleichfalls
obligaten Segenswünsche.
Man sieht, Thomae äussert sich nicht überfeine Quelle; er
lässt überhaupt den Umstand gänzlich unerwähnt, dass schon
andere Dichter vor ihm dieselbe Fabel dramatisirt hatten. Das
Verhältniss zu seinen Vorgängern ergibt sich indess schon aus
der mit kindischer Unbeholfenheit abgefassten Inhaltsangabe,
die keinen Zweifel darüber lässt, dass Thomae die im Jahr 4641
zuerst aufgeführte und gedruckte holländische Tragödie »Aran
en Titus, of wraak en weer-wraak« von Jan Vos ^) benutzt hat.
Vos' Tragödie erregte bei ihrem Erscheinen ungemeines
Aufsehen ; ihre Bedeutung in der Geschichte des holländischen
Theaters ist von den einheimischen Literarhistorikern schon
wiederholt gewürdigt worden. Während bis dahin für die
Tragödie der classicistische Renaissance-Stil Hoofts'und VondeFs
massgebend gewesen war, trat hier ein Dichter auf, der zwar
die äusserlichen Formen des hergebrachten Tragödienstils in
den Hauptzügen festhielt, aber durch die gehäuften Blut- und
Gräuelthaten in den Zuschauem eine fieberhafte Erregung her-
vorrief, wie sie bis dahin auf der tragischen Bühne seines Landes
nicht erhört gewesen war. So gewann er den Beifall der grossen
Menge wie der humanistischen Kritiker, die ja auch sonst
wiederholt kläglich genug an den Tag legten , wie wenig der
Unterschied zwischen wahrer tragischer Rührung und blosser
Xervenerschütterung — zwischen WeinbegeisterungundSchnaps-
rausch, um mich eines Goethe'schen Gleichnisses zu bedienen
— ihnen zum Bewusstsein gekommen war.
4) Die Ausgabe, die mir für meine Untersuchungen zu Gebote stand,
ist gedruckt »te Amsteldam , By de Erfgenaamen van Jacob Lescailje , op
den Middeldam, naast de Visebmarkt. 4 697«. Exemplar in Weimar. Für
den vorliegenden Zweck ist diese Ausgabe jedenfalls genügend.
96
Die Möglichkeit einer Einwirkung der Vos'schen Manier auf
den grössten deutschen Tragiker des siebzehnten Jahrhunderts
ist bereits durch Kollewijn^] angedeutet worden. Gryphius be-
fand sich gerade im Jahre 4644 in Holland und es ist wohl
denkbar, dass er mit durch Vos' Erfolg darauf gebracht wurde,
in seinen Dramen eine reichere, spannendere Handlung zu ent-
falten , als diejenigen holländischen Dichter, die ihm sonst als
Muster vorschwebten.
Wie Vos zu der Titus-Andronicus-Fabel gelangte , darüber
gehen die Meinungen der Holländischen Literarhistoriker sehr
auseinander wenn auch keiner von ihnen , soweit mir be-
kannt ist, seine Ansichten ausftthriicher begründet. Bilderdijk^) ,
der zuerst auf den Zusammenhang zwischen Vos und Shake-
speare aufmerksam gemacht hat, meint, dass Vos das Shake-
speare'sche Drama direct benutzte^ vielleicht aber habe ihm auch
ein managers book vorgelegen , dessen Kürzungen und Ände-
rungen er sich dann angeschlossen habe. Dass Vos das Shake-
speare'sche Drama vielleicht auch in einer jener Umarbeitungen
kennen gelernt haben könnte, wie sie die wandernden Eng-
lischen Schauspieler für ihre Aufführungen auf dem Continent
zurechtstutzten, diese Möglichkeit hat Bilderdijk nicht in's Auge
gefasst, da man sich überhaupt zu seiner Zeit mit den Wander-
zügen jener Comödianten noch sehr wenig beschäftigte. Jedoch
auch in neuerer Zeit behauptet ein so gründlicher Kenner wie
Löffelt'), er habe sich überzeugt, dass Vos direct auf Shake-
speare zurückgehe, die von Bilderdijk hervorgehobenen Über-
einstimmungen halt er mit Recht für noch nicht beweiskräftig,
da dieselben nur die Intrigue, nicht auch den Wortlaut betreffen.
Von einer genaueren Ausführung dieser gelegentlich geäusserten
Behauptung ist mir nichts bekannt. Moltzer^) meint, dass aus
dem Shakespeare'schen Drama ausser der bekannten Bearbei-
tung, die in der deutschen Sammlung englischer Comödien
von 4620 gedruckt ist, auch noch eine andere hervorgegangen
sein müsse , die in Holland aufgeführt wurde und aus welcher
1) Ober den Einfluss des Holländischen Dramas auf Andreas Gr^phiuc.
Amersfoort und Heilbronn o. J. [1880] SS. 8, 82.
2) Bydragen tot de toneelpoezy. Leyden 18i3.
8) Vgl. nederl. Spectalor. 1870. S. 293.
h) Sbakespeare's Invioed op het Nederl. Tooneel der 17. eeuw. Gro-
ningen 1874. S. 37.
97
alsdann Vos den Stoff zu seiner Tragödie entnahm; Worpi}
schliesst sich dieser Meinung an. Dieselbe bedarf aber jeden-
falls insofern einer Modification, als die deutsche Bearbei-
tung und die vorausgesetzte hollandische Bearbeitung un-
möglich auf dem nämlichen englischen Text beruht haben
können. Denn wahrend dem deutschen Titus Andronicus ohne
Zweifel die in Henslowes Tagebuch zuerst im Jahre 1594 er-
wähnte Fassung zu Grunde lag, in welcher Titus' Sohn, der am
Schluss des Dramas die Kaiserwttrde empfängt, den Namen
Vespasianus führte <), heisst dieser Sohn bei Vos ebenso wie
im gangbaren Shakespeare -Text, nämlich Lucius; ebenso
stimmt Vos in mehreren andern Namen, so in dem des Kaisers,
des Marcus Andronicus, des Aaron mit dem gan^aren Text
gegen die Englischen Comödianten überein. Auch sonst be-
gegnen wir bei Vos manchen einzelnen Shakespeare'schen Zügen,
die in der deutschen Bearbeitung fehlen, so z. B. das verzweifelte
Lachen und das wahnsinnige Gebahren des Titus Sh. Act HI.
Sc. I. Damit wäre freilich die Möglichkeit noch nicht ausge-
schlossen , dass Vos eine Bearbeitung benutzte , die eben dem
überlieferten Shakespeare'schen Texte näher stand, als diess bei
der deutschen Bearbeitung der Fall ist. Es finden sich aber
auch unter den von Vos allein beibehaltenen Stellen solche wie
Sh. Act. IV. Sc. 4, wie Lavinia in Ovid's Metamorphosen die
Geschichte von Thereus und Philomela nachschlägt und Sh.
Act H. Sc. 3, die Anspielung auf Diana und Actaeon. Derartiges
wird wohl schwerlich aus einer Bearbeitung zum Gebrauch der
wandernden englischen Comödianten stammen, denn deren Praxis
brachte es im Allgemeinen mit sich, dass solche für distinguirte
Hörer berechnete Zierrathe in ihren grob gezimmerten Repertoire-
stücken wegfielen. Ich bin indess auch auf eine Stelle aufmerksam
gew^orden, in welcher das Vos'sche Drama mit dem alten deutschen
Titus Andronicus gegen die Shakespeare-Texte übereinstimmt.
In beiden ersteren Stücken ist nämlich davon die Rede, dass
Tamora aus Liebe zu Aaron ihren ersten Gemahl ermordet habe.
Diess ist indess ein Zug, auf welchen die Deutsch- Englischen
Comödianten und Vos wohl auch unabhänigig von einander
1j Jan Vos. Academisch Proefschrift etc. etc. Groningen 1879. S.51(T.
4) Vgl. Albert Cohn, Shakespeare in Germany. London 1865, S.CXII.
Auf diesen »Titus und Vespanianuf« gedenke ich später noch zurück zu
koromeD.
4 886. 7
98
geraihen sein können. Auch der Einwand, dass Vos kein
Englisch verstanden habe , ist nicht zwingend , er könnte sieh
ebensowohl wie andere holländische Dichter bei ihren Bearbei-
tungen ausländischer Stücke^) fremder Hülfe bedient haben.
Als die Vos'sche Tragödie 4658 zum Zweck einer Schniauf-
ftthrung vom Holländischen in's Lateinische ttbersetzt wurde,
sagte Vos, nun werde sein Titus auch bei fremden Völkern, bei
den Spaniern, den Briten und den Wälschen Bürger werden^),
aber man kann es dem eitlen Manne wohl zutrauen, dass er das
englische Stück seinem eigenen Meisterwerk gegenüber nicht
für der Rede werth hielt. Im gegenwärtigen Zusammenhange
kann es indess meine Aufgabe nicht sein, die Frage nach den
Quellen des Vos'schen Dramas zu lösen ; ich möchte zunächst
nur das Abhängigkeitsverhällniss Thomae's von Vos etwas näher
beleuchten.
Vor allen Dingen finden wir die zwei wichtigsten Ab-
weichungen des holländischen Dramas von seinem Originale
auch im deutschen Drama wieder. Shakespeare hatte die Ex-
position zu sehr mit Handlung überladen : der Streit zwischen
Saturninus und Bassianus um die Kaiserkrone, dertriumphirende
Einzug des Titus, die Opferung des Alarbus, die Aufstellung
des Titus als Mitbewerber um die Krone und die Übertragung
derselben an Saturninus, die Verlobung des Saturninus mit
Titus Tochter Lavinia, seine plötzliche Liebe zu Tamora, die
Entfuhrung der Lavinia durch Bassianus mit Hülfe der Söhne des
Titus, der Tod des einen Sohnes Marcus, der von seioem eigenen
Vater niedergestochen wird , die Vermählung des Kaisers mit
Tamora, seine Aussöhnung mit Bassianus und den Andronikern
— das alles drängt sich an uns vorüber und lässt uns nicht zu
Athem kommen. Freilich sind etwas complicirte Voraussetzungen
nöthig, wenn die wüsten Greuel der folgenden Acte auch nur
einigermassen erträglich werden sollten. Vos war indess offen-
bar bestrebt, den verworrenen Haufen von Ereignissen, den er
4) So z. B. Isaak Vos bei seinen Dbersetzangen aus dem Spanischen
s. u. S. i05. Anm.
i) Puntd. 642 vgl. Worp, a. a. 0. S. 56.
Myn Titus sprak aan't Y Ne6rduiU, zyn eerste taal
Nu leert hem Tiel Latfjn, voor't oor der vreemde volken
Zoo ^'ordt by borger by de Spanjaart, Brit en Waal.
Wie veer vermaarl wil zijn vereist Latijnsche tolken.
99
vorfand, durch eine ruhigere, klarere, stilgerechtere Exposition
zu ersetzen. Bei ihm tritt uns Saturninus sogleich im unbe-
strittenen Besitz der Kaiserkrone entgegen, Titus Andronicus
kehrt siegreich zurück und bringt die gefangene GotenkOnigin,
Saturnin erblickt sie, wird sogleich von heftiger Liebe ergriffen
und bietet ihr seine Krone an. Sie weist den siegreichen
Herrscher zurück. Da hört sie , dass ihr Geliebter , der tapfere
Feldherr Aran als Opfer auf dem Altar des Mars bluten soll;
sie entschliesst sich, die Gattin des Kaisers zu werden, wenn
dieser ihren Geliebten verschonen will ; trotz dem Widerstände
des Titus und der Priester gewährt der Kaiser die Bitte und
gewinnt die Hand Tamora's.
Diese vereinfachte Exposition finden wir auch im deutschen
Drama wieder; nur wird hier der Hass der Königin wieder
in etwas anderer Weise motivirt. Der Kaiser — hier Octavianus
genannt — klagt dem Titus Andronicus , dass die Gotenfttrstin
seine Liebeswerbungen nicht erhören will; da Titus bald
sieht, dass es vergeblich wäre, ihn von seiner wahnsinnigen
Leidenschaft abzubringen, räth er ihm, er solle Aran an den
Opferaltar des Mars führen lassen und ihm nur unter der Be-
dingung das Leben schenken , dass die Königin seine Liebe er-
widere. Der Vorschlag hat alsdann den gewünschten Erfolg.
Aus dieser Umgestaltung erklärt es sich auch, (Jass bei
beiden Aaron im weiteren Verlauf des Stückes noch mehr als bei
Shakespeare in den Vordergrund tritt und dass im Zusammen-
hang damit die Rachepläne Aarons und seiner Geliebten nicht
nur gegen die Androniker, sondern auch gegen den Kaiser ge-
richtet sind; nur sollen die Androniker zuerst fallen. Es zeigt
sich dies sogleich , als in der Jagdscene die Kaiserin nach ihrer
Vermählung zum ersten Male wieder mit Aaron zusammentrifft.
In beiden Tragödien äussert Aaron zu Anfang dieser Scene die
Besorgniss, Tamora sei ihm untreu geworden und liebe
den Kaiser. Ebenso zeigen sich Übereinstimmungen in der
Tbyestischen Gastmahlscene am Schluss des Dramas. Bei Shake-
speare wird erst, nachdem in dieser Scene fastsämmtliche Haupt-
personen vor unsern Augen hingeschlachtet worden sind und
nachdem alsdann des Titus Sohn Lucius zum Kaiser ausgerufen
ist, noch der Bösewicht Aaron hereingeführt und zu einer grau-
samen Todesstrafe verurtheilt, die aber nicht mehr vor unsern
Augen vollzogen wird. Bei Vos dagegen empfängt auch Aaron
100
noch aof der Bflhoe seinen Lohn; es iiiird veranstaltet, dass der
Fassboden unter ihm zosammenbricht ond er in eine grosse
Feoerflamme hinabstllrxt ; Titos weidet seinen Rachedurst an
den Wehklagen des Sterbenden. Der Tod des Aaron durch den
Sturz in eine Feuerflamme ist Übrigens, beiläufig bemerkt, wobt
aus der Schlussscene eines anderen aitenglischen Dramas, der
tragedy of the rieh Jew of Malta von Marlowe entlehnt^).
Ähnlich wird bei Thomae wahrend des Gastmahls der Vorhang
im Hintergrund der Bohne aufgezogen und man erblickt Aaron
von Flammen umgeben.
Thomae hat indess von seinem Vorbilde nicht nur den Gang
der Handlung, sondern audi den Rnnststil entlehnt, der ja da-
mals in Deutschland bereits durch die Gryphius'schen Dramen
eingeführt war. Sein Titus ist in Alexandirinem gedichtet, die
nur an wenigen Stellen, so z. B. in der Rede des Titus, da ihm
die Nachricht von der Hinrichtung seiner SOhne gebracht wird,
ebenso bei den Geistererscheinungen im letzten Act , bei den
Klagerufen Aarons im Feuer von kürzeren Versmassen unter-
brochen werden.
In den Chören iReyen] waren bei Vos Priester, Krieger,
Jungfrauen aufgetreten, Thomae dagegen führt uns an drei
Actschiüssen Allegorien vor, wie solche durch Gryphius — wohl
nach dem Vorgang des Holländers Hooft (vgl. Kollewijn a. a. 0.
S.67f.) — in der deutschen Tragödie schon angewendet worden
waren. Der Chor am Sdiluss des ersten Actes hat bei dem
Deutschen einen ahnlichen Inhalt wie beim NiederlUnder; er
besingt ein ewig wiederkehrendes Thema der Ghorlieder,
die alles überwältigende Macht der Liebe. Auch darin folgt
Thomae seinemVorbilde, dass ertrotz derclassicistischen äusseren
Form doch die Blut- und Greuelthaten mit Vorliebe behandelt,
ja sogar uns leibhaftig vorführt, ein Umstand, wegen dessen
Gervinus, wie wir bereits sahen, ihn der literarischen Gruppe
1} Vos könnte dies Stück durch die wandernden Engländer kennen
gelernt haben; die in Deutschland herumziehenden Truppen hatten es
jedenfalls in ihrem Repertoire (FUrstenau, Geschichte der Musik und des
Theaters am Hofe zu Dresden. Bd. I. <86l. S. 97; vgl. auch Teuber, Ge-
schichte des Prager Theaters. Th. I. 1883. S. 69.) Die holländische Be-
arbeitung dieses Stoffes durch Gysbert de Sille u. d. T. »de Joodt van Malta,
ofte Wraeck door Moordt« ist nach Angabe der holländischen Bibliographen
erst 1645, also 4 Jahre nach Vos' Aran en Titus erschienen.
101
LohensteiQ's beigesellt hat. Namentlich stellen Vos wie Thomae
die grausame Rache des Titus an den gotischen Prinzen mit
allen widerlichen Einzelheiten vor unsern Augen dar.
Thomae weicht indess auch in mannigfacher Hinsicht von
seinem Vorbilde ab. Manche sehr äasserliche Änderungen er-
klären sich dadurch, dass er, ebenso wie die schlesischen
Dichter seine historische Gelehrsamkeit in der Tragödie zu ver-
wertben suchte. FUr die gotischen Fürstensohne Chiron (bei
Vos Qairo) und Demetrius hat er sich in der Geschichte des
gotischen Volkes nach andern Namen umgesehen , den jüngeren
nennt er Phritigemes, offenbar nach dem kühnen westgotischen
Helden Fridigern, dem alteren dieser barbarischen Wollüstlinge
hat er gar den Namen des Bibelübersetzers Ulfilas beigelegt.
Der GotenkOnigin Tamora (bei Vos: Thamera) gibt er den ähnlich
klingenden Namen der Skythenfürstin Tomyris, die ja in der
That in ihrer grausamen Rachsucht an die Heldin der Tragödie
erinnert und auch bereits von den Sh3kespeare*>Gelehrten mit
ihr in Zusammenhang gebracht worden ist^}. Die Namens-
änderung war übrigens auch dadurch nahe gelegt, dass Titus
bei Vos gleich zu Beginn des Stückes davon spricht , er habe
ausser mit den Goten auch mit den Skythen, Russen und Finnen
gekämpft. Der gotische Feldherr, bei Shakespeare Aaron, heisst
bei Thomae und Vos Aran. Vos hatte ihn gleich Shakespeare als
Mohren auftreten lassen und dadurch dieser Gestalt ihren phan-
tastisch unheimlichen Character gewahrt. Die Scenen mit dem
schwarzen Bastardkind, durchweiche in dem fehlerhaften Jugend-
werk der spätere Shakespeare deutlich hindurchblickt, sind bei
Vos freilich nicht mehr vorhanden. Thomae hat wohl gleichfalls
im Streben nach äusserlicher historischer Correctheit, den Aaron
nicht mehr als Mohren erscheinen lassen. Wohl aus derselben
Ursache heisst die Tochter des Titus nicht mehr wie bei Vos
Rozelyna, sondern Camilla, bei andern Änderungen in den Na-
men der auftretenden Personen, z. B. bei der Umänderung des
Kaisers Saturninus in einen Fürsten Octavianus ist kein rechter
Grund abzusehn. In der Vos^schen Tragödie ergeht sich Aaron
in heftigen Schmähreden gegen die Priester des Mars, welche
das Menschenopfer vollziehen sollen; wir müssen uns diese An-
V, Vgl. Herzberg in : Shakespeare s dramatischeW'^erke, herausgegeben
durch die deutsche Shakespeare-Gesellschaft. Bd. IX. Berl. 1870. S.303.
102
griffe jedoch, wie Bilderdijk a. a. O. S. 26; bereits hervorgehobeD
bat, an die Adresse der triimiphierenden Gomaristisclieii Theo-
logen gerichtet denken, gegen welche auch andere hollündische
Dramatiker jener Zeit in ähnlicher T^'eise eine versteckte Pole-
mik fahrten. Thomae legt seinem Aran dergleichen Reden in
den Mund, jedoch wohl ohne weitere Hintergedanken.
Cbrigens finden wir auch im Gang der Handlung manche
Abweichungen von Yos; keine derselben ist jedoch etwa durch
ein Zurückgreifen auf Shakespeare oder die englischen Gomö-
dianten zu erklären, wir haben es hier offenbar bloss mit Er-
findungen des Bearbeiters zu thun. Bei Vos wird den Söhnen
des Tittts ausser der Ermordung des Bruders des Kaisers auch
noch die Ermordung ihrer eigenen Brttder aufgebürdet, die in-
dess in Wirklichkeit durch Aran selber aus dem Weg geräumt
sind; Thomae setzt an die Stelle dieser Brttder zwei Sohne des
Kaisers, wodurch die crasse Unwahrscheinlichkeit des darauf
folgenden ungerechten Gerichtsverfahrens wenigstens einiger-
inassen gemildert erscheint. Der Process der unschuldig ver-
klagten Androniker ist indess mit der ermüdendsten Weit-
schweifigkeit behandelt ; der Kaiser entschliesst sich erst nach
wiederholten Bitten der verführerischen Tomyris, das ungerechte
Urtheil vollziehen zu lassen. Die Scene bei Shakespeare und
Vos, wie die Kaiserin nach ihrem Stelldichein mit Aaron im
Walde von dem Bruder des Kaisers und dessen Gemahlin über-
rascht wird, fällt weg, anstatt dessen kommt der betrogene
Ehemann selbst dazwischen, ist anfangs natürlich sehr ent-
rüstet (S. 1 7) :
Wie Aran kanstu dich verwegen vnderstehn,
Dass du mit Tomyre so freundlich darfst umgehn ?
Ist das die Dankbarkeit dass wir dir nebst das Leben,
Die Freyheit, vorig Ehr und Gütter wider geben?
u. s. w.
Tomyris aber redet ihm zu :
Ach nicht zu weit, mein Schatz, es ist ja nichts geschehen
Dass sein und unser Ehr dardurch wird jemand schmähen
und weiss ihn von der völligen Harmlosigkeit der Zusammen-
kunft zu überzeugen.
103
Diess ist zugleich auch eine kleine Probe des Thomae^schen
Stils. Er hat sich auch da, wo er inhaltlich von Yos abhängig
ist, doch in Bezug auf die Diction auf eigene Fttsse gestellt.
Von der kräftigen Roheit der Vos' sehen Sprache finden wir bei
ihm nichts mehr. Seine Sprache kriecht trivial und dUrftig da-
hin; von Zeit zu Zeit wagt er einen lächerlichen Versuch, sich
mit Hülfe der gangbaren Schulvorschriften für den poetischen
Stil zu einem höheren Pathos emporzuschwingen, um alsdann
gleich wieder in die frühere Kümmerlichkeit zurückzusinken.
In noch weit geringerem Masse als Lohenstein hat er es ver-
mocht, den Gegensatz zwischen natürlicher Trivialität und
künstlichem Pathos zu bemänteln. Den Alexandriner hand-
habt er in ähnlicher Weise wie der Corneille-Übersetzer Tobias
Fleischer und andere untergeordnete Poeten jener Zeit, die
dem Gryphiusschen Schwung vergeblich nachstrebten. Dabei
zeigt er eine Eigenthümlichkeit des Gryphius'schen Stils, die
bereits von Klopp treffend hervorgehoben wurde , dass er
nämlich oft von einer Sache gar nicht loskommen kann, sie
unaufhörlich hin- und herwendet, bis er sie von allen Seiten
erschöpft hat.
Goethe sagte einmal im Gespräch mit Oehlenschläger (vgl.
dessen Lebenserinnerungen II, 42): »Wenn ich einen Dichter
rasch kennen lernen will, so lese ich einen seiner Monologe,
darin spricht sich sein Geist sogleich aus«. Nach dieser treff-
lichen Vorschrift wollen wir hier nur noch einen Monolog des
Kaisers im fünften Act herausgreifen. Wir finden da ein Motiv
verwerthet, das die Renaissancedramatiker aus der antiken Tra-
gödie entlehnten und sehr häufig verwertheten, dass nämlich
der Dichter den Verlauf der tragischen Handlung für einen Augen-
blick unterbricht und uns den Fürsten vorführt, wie er im Selbst^
gespräch die Last der Krone verwünscht und sich dann schwer-
müthig nach dem stillen Glück der Niedriggeborenen sehnt.
Eine Vergleichung, wie die verschiedenen Dichter sich dieses
Motivs bemächtigen, kann zu manchen anziehenden Betrach-
tungen Anlass geben, wenn auch natürlich Shakespeare in der
berühmten Scene im zweiten Theile seines Heinrich IV. alle an-
dern hoch überragt. Ein Hinweis auf die betreffende Scene in
unserm Drama (S. 94} wird am besten das obige Urtheil über
Thomae bestätigen* können :
104
Ach überschwere CroD ! Du jammerreiches I^ben,
Mit wie viel Sorg und Angst ist diss dein Gold umgeben ;
Du drückst und bist doch leicht, du bringest manche Noth,
Ja gar nach langer Last den kummerreichen Tod.
Was hat uns doch vor Freud in diesem Stand erquiket ?
Wir wissen wenig, seit wir diesen Thron erbliket.
0 selig wer im Feld die kurtze Jahr zubringt,
Wer sich nicht zu dem Gold des schweren Zepters dringt !
Er sitzt in voller Ruh und hört die Vögel singen
In dem begrünten Wald, er kan mit Lust erklingen
Ein jhm beliebtes Lied. Bey Nacht geht er zu Bett,
Ynd schiäfft mit seinem Weib an Morgen um die Wett.
Nicht einer traeht jhm nach^ er kan ja sicher gehen,
Wohin es jhm beliebt, die uos zu Dienste stehen
Stehn oft nach unsrem Kopf. Ein Strauch bleibt unverletzt,
Wann in die hohe Bäum des Donners Macht Stral setzt.
Diess mag zur Characteristik unserer Tragödie genügen;
ein ausfuhrlicheres Eingehen auf dieselbe würde sich höchsteus
etwa im Zusammenhang einer umfassenderen Betrachtung der
gesammten deutschen Kunsttragödien-Dichtung im siebzehnten
Jahrhundert verlohnen. Immerhin verdient sie einige Beach-
tung. Denn wahrend sonst die Einwirkung der englischen Tra-
gödie des elisabethischen Zeitalters auf die Stücke beschränkt
blieb, welche die wandernden Comödianten ohne alle literarischen
Praetensionen zum Zweck ihrer Aufführungen herstellten, haben
wir hier einen der wenigen Fälle, wo diese Einwirkung in das
Gebiet der Literatur im eigentlichen Sinne des
Wortes hineinreicht^). Es ist diess die erste, wenn auch mit-
4 } Der erste Versuch, die englische Kunslform in dentsoher Sprache
nachzuahmen, liegt vor in dem Drama »Speculum aistbeticum« des Casseler
Arztes Johannes Bhenanus, dessen Bedeutung zuerst Höpfner (Refonnbe-
strebungen auf dem Gebiete der deutschen Dichtung des XVL und XVil.
Jahrhunderts. Berlin 1866. 4. $.89 ff.} richtig gewürdigt hat. Bei dieser
Gelegenheit sei indess darauf hingewiesen, dass das speculum aislheticom
keineswegs ein Original werlk ist, sondern vielmehr eine Übersetzung des
englischen Dramas »Lingua or the combat of the tongue and the five senses
for superiorily«, das gewöhnlich unter dem Namen Anthony Brewer's geht
und zuerst 1607 gedruckt wurde (Ein Neudruck in Hazittt's Dodsley vol. IX.
S. 831 fr.) Die anmuthige, geistvolle Spielerei mit den psychologischen Schul-
begrifTen war ohne Zweifel ursprünglich für eine academische Zuhörer-
105
telbare Bearbeitung einer Sbakespeare'schen Tragödie in Versen ;
zugleich ist diess der erste Fall, dass die deutsche Nachbildung
einer niederländischen Tragödie im Druck erscheint, wenn auch
die niederländischen Kunstprincipien und der niederländische
Kunststil natürlich bereits eingebtlrgert waren. VondeFs Gibeo-
niter wurden allerdings schon 4639 von Andreas Gryphius über*
setzt, aber erst nach seinem Tode (4 664) von seinem Sohne Cbri-
stian herausgegeben (4698), nachdem bereits 466S, also ein Jahr
nach dem deutschen Titus Heidenreich's Hache zu Gibeon »meist
nach dem Holländischen Jost's van Vondel« in Prosa erschienen
war.
Eine Übersetzung von i>Aran en Tttus« war indess bereits
vor Thomae von Seiten Greflinger's geplant, denn wenn dieser
in der Vorrede zu seiner Übersetzung des Cid von Corneille
(4650) verspricht^ nunmehr den vbekläglichen Zwang« ^ die
nLaura« und den aAndronicus mit dem Aarona folgen zu lassen,
so ist mit dem letzteren Stücke doch wohl die Vos'sche Tragödie
gemeint^). Dass Greflinger etwa später durch die Thoroae'sche
Schaft besiimnit (vgl. Ward, history of £ng]ish dramaiic literature. vol. II.
London 4875, S. 153 fr.]. Die »Lingua« hat auch sonst noch bei den auswär-
tigen Gelehrten Anklang gefunden ; sie gehört mit zu den englischen Dra-
men, die im siehzehnten Jahrhundert in's Holländische übersetzt wurden.
(Lingua : ofte strijd tusschen de tong en de vyf zinnen om de heerschappy.
gespeelt op de Amsterdamsche Schouburg. t'Amsteldam. 4648.) Als Über-
setzer nennt sich unter der Widmung Lanbert van den Bosch, später Rec-
tor in Dordrecht. Hier ist der Prolog in gereimten fUnffUssigen Jamben,
das Stück selbst in Prosa übersetzt. Auf die englische Vorlage wurde be-
reits von Löffelt im Nederl. Spectator 4868 S. 464 hingewiesen.
4 ) Ein Blick auf die Titel der beiden andern versprochenen Stücke
kann die Wahrscheinlichkeit dieser Angabe nur erhöhen. Bereits Tteck in
der Vorrede zu seinem altdeutschen Theater hat bemerkt, der »beklägliche
Zwang« sei wohl mitLope deVega's fuerza lastimosa identisch. Das Drama
Lope's war indess bereits 4648, also zwei Jahre vor GrefKnger's Vorrede in
Amsterdam in der Übersetzung von Isaak Vos aufgeführt und gedruckt wor-
den. Vgl. te Winkel : De invloed der Spaansche letterkunde op de Neder-
landsche in de zeventiende eeuw. Tljdschrift voor Nederlandsche taal- en
letterkunde. Berste jaargang. Leiden 4884. S. 94. Die holländische Über-
setzung führt den Titel »de beklagelijke dwang«, also ganz entsprechend dem
Greflinger sehen Titel. Ob das Wort »bekläglich« auch sonst im deutschen
Sprachgebrauch des 47. Jahrhunderts eingebürgert war, vermag ich freilich
nicht anzugeben, im deutschen Wörterbuch fehlt es. Möglicherweise hat
übrigens Greflinger seinen Vorsatz doch ausgeführt und seine Übersetzung
an seinem Aufenthaltsort Hamburg den Schauspielern übergeben; 4674
106
Bearbeitung von der Ausführung seines Planes zurttckgehalteD
worden sei, ist kaum anzunehmen ; er würde jedenfalls seine
Sache besser gemacht haben.
Thomae's Arbeit wurde übrigens, wie es scheint, von den
Zeitgenossen gänzlich ignorirt ; auch von einer Aufführung ist
mir nichts bekannt geworden. Die Nachrichten über Aufführun-
gen des Titus Andronicus durch deutsche Schauspieler, die wir
auch noch in der Zeit nach dem Erscheinen des Thomae'schen
Titus finden , beziehen sich ohne Zweifel auf die Bearbeitung
der englischen Comödianten^).
In einem kurzen Schlusswofrt (S. 103) sagt der Verfasser,
dass er »in dergleichen Schriften noch l£lnger aufzuwarten wil-
lens« sei und fügt dann hinzu : »Lebe wohl, hochgeehrter Leser,
bleibe mir gewogen, und erwarte mit nehstem, wann es Gott
gönnt: Den verführten Freyherrn, oder den Laster -Spiegel in
ungebundner Redea. Über diess Drama weiss ich nichts näheres
haben Hamburgische GomödtanleQ in Dresden den »bekläglichen Zwang«
aufgeführt (vgl. Fürstenau a. a. 0. S. 844; »der beklägliche Zwerg«, wie
dort steht, ist offenbar ein Druckfehler). Das in Danzig 1668 aufgeführte
Drama »Der Irrgart der Liebe« stimmt nach der ausführlichen Inhaltsan-
gabe eines Zuschauers (vgl. Hagen , Geschichte des Theaters in Preussen.
Königsberg 4854. S. 187 ff.) mit dem Lope'schen Drama vollständig überein,
nur dass hier die Königstochter nicht wie bei Lope und seinem holländi-
schen Obersetzer Dionysia, sondern Rosalinde heisst. Greflinger's »Laura«
erinnert an Lope's Laura perseguida, von welcher bereits 4645 eine hollän-
dische Übersetzung im Druck erschienen war (vgl. te Winkel a. a. 0. S. 98 f.).
Freilich hatte bereits i 637 Rotrou auf Grund von Lope's Drama seine Laure
pers^cutöe erscheinen lassen. Greflinger hat zwei Jahre nachdem er diese
Dramen in Aussicht stellte, ein anderes Drama Lope's, den palacio confuso
in deutscher Übersetzung erscheinen lassen (Des hochberühmten Spanni-
schen Poeien Lope de Vega Verwirrter Hof oder König Carl. In eine unge-
bundne Hochdeutsche Rede gesetzet von Georg Greflinger. Hamburg 4 658).
Auch diess Drama war bereits 4647 in holländischer Sprache in Amsterdam
aufgeführt worden nach einer Übersetzung Leonard de Fuyter's (vgl. te Win-
kel S. 95). In diesem Falle würde man also durch eine Vergleichung zwi-
schen Lope, de Fuyter und Greflinger zu einem bestimmten Ergebniss dar-
über gelangen können, ob letzterer nach dem Holländischen oder nach dem
Spanischen arbeitete.
4) Noch 4 749 wurde diese Bearbeitung von deutschen Puppenspielern
in Kopenhagen aufgeführt. Rahbeck (Holberg's udvalgte Skrifler VI S.532f.)
bringt auf Grund der Angaben Riegel's (Fjerde Frederiks Historie) einige
characteristische Details über diese Aufführung. Danach waren jedenfalls
in der Gastmahlscene gegen Ende des Stückes die Eigenthümlichkeiten der
Bearbeitung der englischen Comödianten beibehalten.
107
anzugeben; auch sonst habe ich mit den mir zu Gebote stehen-
den literarischen Hülfsmitteln Über Thomae's Leben und über seine
sonstigen literarischen Leistungen so gut wie gar nichts ermit-
teln können. Strieder und Veith in seiner Bibliotheca Augustana
lassen ihn gänzlich unerwähnt. Auf der Giessener Bibliothek
befinden sich von ihm, wie mir Braune freundlichst mitgetheilt
hat, drei lateinische Programme juristischen Inhalts, Gissae 1668,
1670 und s. 1. 4688; ausserdem ein Bändchen geistlicher Ge-
dichte u. d.T. »Teutscher Gedichte Frtt-FrUchten, oder Sonn und
Festtags Andachten aus derselben Evangelien aufgesetzt ....
von Hieronymo Thomae aus Augstburg, LL. stud. Giessen 4 672,
HO (Jöcher beschränkt sich auf die irrthttmliche Notiz : Thomas
[sie] Hieronymus, hat 1 662 [sie] Sonn <& Fest-Tags-Andachten zu
Giessen ia 8 herausgehn lassen) . In den Dedicationen wird er
der Rechte Beflissener genannt. Zedier erwähnt einen
Job. Theod. Hieron. Thomae, der eine »Defensa juris extraord.
justitia. Diss. inaug. Giessen 4693« verfasste; vielleicht ein
Sohn des Hieronymus. Weitere Untersuchungen über Thomae
anzustellen, würde sich kaum verlohnen, höchstens könnte es
etwa von Iqteresse sein, festzustellen, ob er durch Lectttre des
Vos'schen Werkes oder durch eine Aufführung, der er in Hol-
land beiwohnte oder vielleicht auch eine von holländischen Go-
mödianten in Deutschland gegebene Darstellung i) zu seiner
.\rbeit angeregt wurde.
II. Medea.
Der Titus Andronicus des holländischen Dichters steht nicht
wie der Shakespeare's am Eingang einer ruhmvollen theatrali-
schen Laufbahn, in der sich der Dichter von den Mängeln und
Geschmacklosigkeiten seines Erstlingswerkes befreit. Vos war
nach diesem ersten Versuche mit sich selber vollkommen zu-
frieden und empfand die wüste Rohheit seiner Tragödie um so
weniger, da der Bühnenerfolg noch lange Zeit hindurch anhielt.
Der Dichter Hess sich gerne als geniales Naturkind bewundem,
und die Art, wie er sich in dieser Rolle weiter bewegte, war
i ) Die Wanderungen der hoUfindischen Comddianten in Deutschland
im siebzehnten Jahrhundert verdienen noch eine ausführlichere Behand-
lung.
108
nicht frei von kluger Berechnung. Er war sehr darauf bedaclit.
den einmal erlangten Ruf als grosser Tragiker nicht wieder zu
verscherzen und Worp (a. a. O. S. 64] ist gewiss im Rechte,
wenn er es aus dieser Rücksicht erklärt, dass Vos nach seinem
ersten Erfolge eine lange Reihe von Jahren hindurch gar nicht
wieder als Tragiker hervortrat. Indess benutzte er seine Stel-
lung als Regent der Amsterdamer Schauburg (seit 4647), um
»Aran en Titus« möglichst häufig aufführen zu lassen. Erst nach
einer Unterbrechung von 24 Jahren vollendete er die TragOdio
Medea, mit welcher das neue Amsterdamer Theater am 26. Mai
1665 eröffnet wurde ^); in der Vorrede rühmt er sich, dass er
die Geschichte der Medea, die schon von den weisen Griechen,
den hochtrabenden Römern, den klugen Italienern, den sinn-
reichen Spaniern und den artigen Franzosen aufs Theater ge-
bracht wurde — dass er also diese Geschichte in einer durchaus
neuen, eigenartigen Weise dramatisirt habe. Seine Tragödie
soll nämlich zugleich auch ein Ausstattungsstück sein ; es sollte
der Reichthum des neuen Theaters an prachtvollen Decorationen
und kunstreichen Maschinerien sogleidi bei der ersten Vorstel-
lung aufs glänzendste hervortreten. Götter senkep sich auf
Wolken herab, Medea fliegt mit ihrem Drachenwagen durch die
Luft, steigt in die Unterwelt hernieder und führt auf der Rühne
die abenteuerlichsten Zauberkünste vor. Auf das alles wies der
Dichter in dem Vorspiel hin, das der ersten Aufführung voran-
ging ; dort heisst es, dass die Natur die Kunst in diesen neuen
Räumen beneide, dass Griechenland und Rom nichts ähnliches
aufzuweisen hätten. Der poetische Werth des Stückes ist recht
gering, an die Stelle der excentrischen Rohheit des Erstlings-
dramas finden wir hier nicht selten eine dürftige Trivialität,
die unter dem in Scene gesetzten anspruchsvollen Apparat nur
um so unerfreulicher hervortritt. Es mögen daher auch ein paar
kurze Worte übe^en Inhalt genügen.
Die Scene ist Corinth. Medea weiss sich von Jason ver-
lassen und klagt der alten Amme ihr Leid. Sie dringt in den
Königshof ein, die zwei Wächter, die ihr den Eintritt wehren
4) Auch bei diesem Drama konnte ich nur eine spätere, aber doch
jedenfalls für den vorliegenden Zweck vollkommen genügende Ausgabe be-
nutzen : Medea. Treurspel door Jan Vos. Met verscheideno Kunst en Vlieg-
werken, nieuwe Baletten, Zang en Vertooningen. Nooit voor dezen zo ver-
toond. Te Amsteldam. By de Erfg. van J: Lescailje . . . 1698. Met Privilegie.
109
wollen, verwandelt sie in eine Säiile und einen Baum. Jason
und Creusa kommen in verliebtem Gespräch, Medea naht sich
ihnen, aber ihre Klagen und Vorwürfe werden ^— auch von
Creusa — mit rohen Schmähungen beantwortet. Indess erwii^t
sie doch die Erlaubniss, ihre beiden Kinder mit sich nehmen zu
dürfen. Allein gelassen, erklärt sie, sich rächen zu wollen; sie
fährt in die Unterwelt hinab, um mit Proserpina ihren Räche-
plan zu beraihen. im zweiten Act erscheint Jason's erste ver-
lassene Geliebte Hypsipyle mit einem Heer von Lesbischen
Frauen vor den Mauern Gorinths, um Jason zu bekriegen. Jason
fahrt von der Stadtmauer herab mit ihr eine Unterredung,
worauf Hypsipyle den Kampf eröffnet, trotzdem dass Iris als
Botin Juno's vom Himmel herabfährt, um ihr abzurathen. Die
Lesbischen Frauen werden denn auch in der Schlacht besiegt,
Hypsipyle fällt; ein Krieger bringt ihr abgeschlagenes Haupt,
das Creusa mit ihren gewöhnlichen Schimpfreden empfängt. Im
dritten Act erscheint Medea in der Holle, Charön lässt sie erst
in seinen Nachen ein, nachdem sie sich durch allerlei Kunst-
stücke, Verwandlungen des Schauplatzes etc. als Zauberin legi-
tiffiirt hat. Alsdann erscheint Hypsipyle vor den Hollenwäch-
tem, die ihr nach langer Verhandlung den Eintritt in's Elysium
gestatten, ihr aber auch die Erlaubniss ertheilen, noch einmal
in die Oberwelt zurttdLzukehren, um als Geist Jason zu ängsti-
gen. Kurze Unterredung zwischen den beiden verlassenen
Frauen, worauf Medea der Königin des Schattenreiches ihr An-
liegen eröffnet und die Krone empfängt, die durch ihre Zauber^
kunst Creusa's Leib in Brand setzen soll. Der vierte Act führt
uns in den Tempel zur Vermählungsfeier Jason's mit Creusa,
die mit Ballet und allerlei Austattungswerk verbunden ist. Die
Amme bringt im Auftrag Medea's die Krone. Nun häufen sich
die Schreckensscenen , zuerst erscheint Hypsipyle^s Geist und
jagt den Bräutigam in Entsetzen, alsdann geräth die Krone auf
Greusa's Haupt in Brand, alles stiebt auseinander, zuletzt bleibt
nur Jason und nun kommt Medea mit ihren beiden Kindern auf
dem Drachenwagen, sie wirft die Kinder aus der Luft herab
und lässt sie vor Jason's Füssen zerschmettern. Dann verhöhnt
sie noch von oben herab Jason und den wehklagenden Creon.
Der fünfte Act spielt am Aufenthaltsort der seligen Götter; Juno
erscheint in einem Pfauenwagen, Venus in einem Schwanen-
wagen ; Mercur fliegt herbei und berichtet ihnen^ was sich in
110
ConDth ereigDete. worauf Venus die Partei Creosa's, Juno die
Partei Medea's erereift. Sie betrachten vom Himmel herab die
Traoerfeierlichkeiten f&r Crensa, woraof Jupiter erscheint und
den Urtheilsspmch verktlndigt, dass er Medea eine längere
Bnsszeit auferiegen, sie dann aber wieder mit Jason versöhnen
wolle !
So kläglich diess Machwerk ist. hat es doch auf die weitere
Entwicklung des Dramas in Holland einen Einfluss ausgettbt,
der schon mehrfach von den niederländischen Literarhistorikern
beklagt wurde. Viele untergeordnete Dichter benutzten die er-
wachte Liebhaberei für luxuriösen Decorationswechsel und aben-
teuerliche Verwandlungen und so entstand eine Masse von Tra-
glklien »met Kunst en Vliegwerken«. die einen Ersatz für die
Dürftigkeit dieser Erzeugnisse bieten sollten.
Auch diese Tendenzen des holländisdien Theaters wirkten
nach Deutschland hinüber in der Zeit, als die Schauspielkunst
die Fühlung mit der Literatur fast gänzlich verloren halte und
als die Wandertruppen durch die gesteigerte Concurrenz ge-
nöthigt waren, einander in neuen und überraschenden Effecten
zu tiberbieten. Die Schauspieler, von den gelehrten Dichtem im
Stich gelassen, mussten sich ihr Repertoire so gut es eben gehen
wollte, zusammenstoppeln und indem sie dabei plan- und
systemlos zu dramatischen Werken der verschiedensten Nationen
und der verschiedensten Kunststile ihre Zuflucht nahmen, ge-
rietben sie auch auf das holländische Ausstattungsdrama der
Vosschen Manier. Die effectvollen Schaustücke, die für die
Bühne der reichen Handelsstadt berechnet waren, werden wohl
freilich in den Buden der Wandertruppen ärmlich genug aus-
gefallen sein, dafür wusste man aber durch Einfügung der
lustigen Spässe des Harlekins, der sich als Diener des Haupt-
helden einschlich, einen neuen Reiz hinzuzufügen.
Das Musterstück der neuen Gattung, Vos^ Medea, ist uns
noch in einer solchen deutschen Bearbeitung erhalten. Ein
Manuscript dieser Bearbeitung u. d. T. »Die rasende Medea mit
Arlequin einem verzagten Soldaten« befindet sich unter No. 4 3 4 89
in der Handschriftensammlung der Kaiserlichen Hofbibliothek in
Wien. Diess Manuscript war ursprünglich Eigenthum der Elen-
son-Haacke-Hoffniann'schen Truppe, die in der Geschichte des
deutschen Theaters , in der Epoche , die der Gottsched'schen
ßühnenreform voranging, eine so wichtige Stelle einnimmt und
— 111 —
aus welcher alsdann die Neuber^sche Truppe ber\'orging. Die
Hofbibliothek besitzt auch noch die Hanuscripte von mehreren
anderen Stücken des Hoffmann'schen Repertoires ^) . Wiewohl
die Wirksamkeit der Hoffmann' sehen Truppe schon wiederholt
besprochen wurde^ so hat man doch bis jetzt noch nicht auf die
Bedeutung dieser Urkunden hingewiesen, durch welche wir
eigentlich erst eine klare und exacte Vorstellung von den BUh-
nenzuständen erhalten, die der Gottsched'schen Reform unmit-
telbar vorangingen.
Mehrere der Hefte sind mit iiG[arl] L[udwig] Hoffmann
D. C.« oder »Dir. Com.« bezeichnet. In den Personenverzeich-
nissen finden wir mitunter hinter den einzelnen Namen — oft
in schwer zu entziffernden Abkürzungen -r- die Namen der
Schauspieler beigefügt, denen die betreffenden Rollen zugetheilt
waren. In der Medea finden wir im Verzeichniss der »Actoresa
4) lob möchte hier im Vorbeigehn nur noch auf eines dieser Stücice
hinweisen, das gleichfalls holländischen Ursprung verräth. Es ist diess
No.4 3174 »Die närrische Wette oder der geizige Gerhard«, das in den Grund-
zügen der Intrigue mit Lope de Vega's Comödie »et mayor imposible« über-
einstimmt. Diese Comödie wurde zuerst 4664 von Boisrobert unter dem
Titel i»La comtesse de Pembroc ou la folle gageure« in französischer Sprache
und alsdann 4 674 nach dem Französischen zweimal in holllfndischer Sprache
bearbeitet, von Blasius u. d. T. »Malle wedding«, von Mitgliedern der Ge-
sellschaft Nil volentibus arduum u. d. T. »Malle wedding of gierige Geer-
aardt«. Vgl. te Winkel a. a. 0. S. 406. Ich selber habe das holländische
Stttck nicht gesehn, aber jedenfalls findet sich Gerhard als Name des
strengen Bruders weder bei Lope noch bei Boisrobert, so dass also die
deutsche Bearbeitung auf Holland zurückweist. Es gibt auch eine ham-
burgische Oper »Das unmöglichste Ding«, die Gottsched im nöthigen Vor-
rath u. d. J. 4684 anführt und aus der in den Beiträgen zur crit. Historie etc.
Ulf 284 einige Strophen mitgetheilt sind, jedoch vermag ich mit den mir
jetzt zu Gebote stehenden Hülfsmitteln über die Provenienz dieser Oper
nichts näheres zu sagen. Jedenfalls war aber Lope's Comödie, diese »Perle
der Weltliteratur« (Carriere), in jener Zeit nach Deutschland gelangt, wenn
sie auch auf dem langen Umweg gewiss manches von ihrem Glanz einbüsste.
Nach der Theaterreform wurde das Stück von neuem — wohl in einer andern
Bearbeitung — auf die Bühne gebracht; der Bericht über die Neuber'schen
AnfTuhrungen in den »Belustigungen des Verstandes und Witzes« meldet
unter dem 34. Juli 4744 »ein neues lustiges Stück, aus dem Holländischen
eines Ungenannten, die närrische Wette betitelt«. Durch die hier und oben
S. 4 05 angeführten Beispiele, denen noch eine beträchtliche Zahl weiterer
Fälle hinzugefügt werden könnte, bestätigt sich auch, was Koberstetn
(5. Aufl. B. 11. S. 266) über die Vermittlungsrolle der Niederlande ver-
mothungsweise äussert.
112
von bekannteren Namen Kohlhardt als Green, die Neuberin
alsMedea, die Ho ff mannin als Proserpina, Laurens — ver-
muthlich Lorenz, der Vater der Christiane Friederike Lorenz,
die mitunter als Lessing's Jugendgeliebte bezeichnet nvird — in
den Rollen des Jupiter und des Rhadamant, Nenber gleich-
falls in zwei untergeordneten Rollen, als Priester (im Gefolge
der Hypsipyle) und als Minos. Es scheint also, dass man ihn
schon damals nicht fttr einen hervorragenden Schauspieler hielt.
Auf dem letzten Blatt des Manuscripts ist noch eine Rollenver-
theilung angegeben: Kohlhardt erscheint hier vneder als Creon,
ebenso die Hoffmannin wieder als Proserpina. Dagegen finden
wir Laurenz (wie er hier heisst) als Jason und die Neuberin als
Hypsipyle; als Medea figurirt Frl. Angott. Beigeklebt ist ein
Zettel mit den Worten : »Heute Dinstags d. 5 Decemb: in der
letzten Woche Ihres agirens mit einer gantz Neuen, noch nie*
mahls in Bresslau gesehenen und mit Vielen und mancherley
Vorstellungen aussgezierten Haupt- u. Staatsaction aufwarten,
genannt: Die rasende Medea mit Arlequin, einem verzagten Sei-
datenv. Auf diese Worte folgt nochmals das Personenverzeichniss
ohne beigeschriebene Schauspielernamen. Hier ist die Amme
Medea^s, die in der deutschen Bearbeitung den Namen Hetina
führt, offenbar wegen irgend welcher unerwarteter Schwierig-
keiten in der Rollenvertheilung , in einen Pflegevater Hetino
verwandelt.
Zur Bestimmung des Datums dieser Rollenbesetzungen müs-
sen einige Worte über die Geschichte der Hoffmann'schen Truppe
vorausgeschickt werden. Die Wittwe Elenson's, des ersten Prin-
cipals der Truppe, hatte sich in zweiter Ehe mit dem Harlekin
Johann Kaspar Haacke vermählt, welcher 4744 das sächsische
Privileg erhielt. Haacke starb 4722 und nun wurde das Privileg
durch Gabinetsbefehl vom 4 4. März 4723 auf seine Wittwe Über-
tragnen. Bald darauf — das Datum vermag ich nicht anzugeben —
verheirathete sich die Wittwe zum dritten Male mit dem Schau-
spieler Karl Ludwig Hoffmann. Sie starb bereits 4725, worauf
Hoffmann noch im December desselben Jahres durch Gabinets-
befehl diis Privileg vorläufig auf ein Jahr erhielt. Die Gesell-
schaft gerieth jedoch nun in Verwirrung und Verfall, es hatten
sich Schulden aufgehäuft, die nicht getilgt werden konnten, es
entstanden Zerwürfnisse zwischen dem neuen Principal und
seinen Stiefkindern, namentlich mit der Tochter Elenson's, Su-
113
sanna Katharina und deren Ehemann, dem Harlekin Joseph Fer-
dinand Müller. 1726, während sich die Truppe in Hamburg
aufhielt, lief Hofmann mit seiner Magd davon. Neuber's stellten
sich an die Spitze der verlassenen Schauspieler und erlangten
im folgenden Jahre 1727 für sich das sächsische Privileg; der
Harlekin Mttller und seine Gattin gaben jedoch vor, sie hatten
auf dieses Privileg ältere erbliche Rechte, die ihnen das Neuber-
sehe Ehepaar durch allerhand listige Ränke verkürzt hätte;
unter anderm behauptete Mttller, Neuber's hätten den früheren
Principal Hoffmann zur Flucht mit jener Magd beredet, indem
sie ihm fälschlich vorspiegelten, seine Stiefkinder seien gegen
dieses Liebesverhältniss und wollten eine Heirath nicht zu-
geben^]. Es ist bekannt, wie sich der Streit zwischen dem
Mttller'schen und dem Neuber^schen Ehepaar noch eine Reihe
von Jahren durch die Geschichte der reformfreundlichen und
reformfeindlichen dramaturgischen Bestrebungen hindurchzieht.
Jedenfalls geht aus dem obigen hervor, dass Hoffmann, der in
dem Manuscript als Director erscheint, während des Zeitraums,
innerhalb dessen er sich so bezeichnen konnte, nur einmal und
zwar mit der Wittwe Haacke verheirathet war. Mit der Hoff-
mannin, die in der Medea die Rolle der Proserpina spielte, kann
also nur die ehemalige Wittwe Haacke gemeint sein. Es ergibt
sich mithin für die beiden obigen Rollenbesetzungen die Zeit
zwischen dem März 1723, wo die spätere Hoffmannin noch als
Wiltwe erwähnt wird, und dem December 1725, wo Hoffmann
bereits als Wittwer erscheint. Wenn der beigeklebte Zettel aus
derselben Zeit stammt, wie die Rollenvertheilungen, so muss er
sich jedenfalls auf eine Aufführung im Jahre 1724 beziehen, in
welchem der 5. December auf einen Dienstag fiel. In der That
bat sich im December dieses Jahres die Hoffmann^sche Truppe
in Breslau aufgehalten^).
Vergleicht man die deutsche Bearbeitung mit dem Original,
so ergibt sich wenig von Bedeutung. Die hoUändischen Verse
sind sinngetreu, zum Theii auch wörtlich in deutscher Prosa
wiedergegeben. Mit Alexandrinern, wie sie sonst oft in den
Haupt- und Staatsactionen an Act- und Scenenschlüssen einge-
1) Über alle diese Händel vgl. Fürstenau a. a. 0. II. S. 300—813.
2) Vgl. Reden - Esbeck , Caroline Neuber und ihre Zeitgenossen.
Leipzig 4884. 8.54.
4886. 8
114
schoben werden, um den Sdnaspielem effiedvolle »Abgänge«
xn TersdialTen, hat sich der deatscfae Bearbeiter in unserm Falle
nicht allznsehr angestrengt, wir finden zwei Reinueilen am
Schlnss des vierten Actes und ein paar banale Alexandriner am
SdilnsB des ganzen. Eine ausführlichere Betrachtong der Stel-
len, wo der Übersetzer sich nicht genau an sein Original halt,
wurde sich kaum verleimen, dazu sind die Abweichungen lu
unbedeutend und dazu ist auch der Werth des Originals wie
der Cbersetaung zu gering. Lohnende Gesichtspunkte konnten
sieh höchstons etwa ergeben, wenn man zugleich auch andere
Dramen des Hoffa(iann*'schen Repertoires mit ihren Originalen
vei^leicht. Von einer Milderung der Rohheiten des Originals ist
nattlrlieh nieht die Rede. Zur Characteristik des Stils mögen in-
dess ein paar kleine Proben aus Vos und aus der deutschen Be-
arfaeitong folgen.
Act i Scene 3 sagt Medea, als sie Jason mit Greusa kommen
sieht und sich Tomimmt, ihren rachgierigen Hass nicht merken
zu lassen, bei Ves:
Medea. knieldj.
O schrand're Teinzen\ pylaar der wyste Staaten
O hart in gal deursult, en mond vol honingraaten !
Bestiez mm bitt*re ton? en sreef ze een zoote klank ;
Maak dat ik Jazon meek met een Sireene zank.
Staat op)
Hoe! is't geen lafheid? neen! de w^sheid komt my raaden.
iLnield
O eedle Dapperfaeid! gehuld met lauwert)laaden
Die u in \ harrenas op*t Dagtooneel laat zien
Vergeef myn veinzer\\ de nood komt my gebien.
Im Deutschen: ."Bl. 5)
Medea knvet.
O glorwRrdige HencUerey Eine Pyramis der Klugheit,
welcher Hertz mit Galle durchmensset auss Ihrem Munde aber
lauter Honig und Confect hervoi^iebt! regiere meine Zunge,
dass Sie in den obren des Printzen Jasons lieblicher alss eine
Syrene klingen möge [raset; Nein die weissheit wil meyne
115
ratbgeberin seyn (red[ei] wiederumb vernttnfftig) 0 edle Tapfifer«
keit die du wttrdig mit lorbeerblättern gekröhnt zu werden,
verzeihe meiner Heuchlerey alldieweil mir diessesmabl die Noth
die GeseUe vorschreibet.
Oder Jason's Worte, da ihm das Haupt Hypsipyle's gebracht
wird : Act 2 Scene 7 bei Vos :
Zyn dat de lippen, daar ik nektar uit kwam haalen?
Ik zie uw oogen : maar ik vind geen heldVe straalen.
De roos en lely zyn op uwe kaak verdord.
Im Deutschen: (Bl. 48)
Sind dieses die Lippen, auff welchen ich so viel nectar
Küsse gehohlet? 0 ihr nunmehro geschlossene und leyder nicht
mehr helleuchtende äugen Sterne, lasset Ihr keine Sonnen Strah-
len mehr von Euch schiessen; die rosen und lilien sind auff
Euren Wangen verdorret !
Die Hauptänderung ist natürlich die Einführung Harlekins,
dessen Rolle aber wie gewöhnlich in den Manuscripten der
Haupt- und Staatsactionen nieht ganz ausgeschrieben ist. Ihm
ist ein grosser Theil der Rolle des Hauptmanns zugefallen, der
bei Vos den Jason begleitet und dessen Worte nun dem Harle-
kin'schen Character entsprechend umgestaltet erscheinen. Wie
aach sonst öfters in Stücken, die Kämpfe und Schlachten vor-
führen, erscheint Harlekin in der Rolle eines feigen Soldaten.
Versuche, die Furcht zu verbergen, Schild wache stehn, FaUen^
lassen der Waffe , unter lächerlichen Geberden davon laufen,
diess sind die Situationen, an die er seine Lazzi mit Vorliebe
anknüpft. Ähnliches finden wir auch m Haupte und Staats-
actionen wie Karl XII. vor FriedrichshalP) , König Cyrus^) und
anderen. Im ganzen ist aber gerade dieser Harlekin wenig er-
freulieh ; er zeigt uns, wie in jener Zeit des tiefsten Verfalls
alles Gefühl für künstlerisches Mass verschwunden war, wie
namentlich das Comische und das Tragische in der äusserlicb-
sten, rohesten Weise mit einander verbunden wurden. W^enn
Harlekin einmal auf der Scene steht, so lässt er auch die Ver-
4) ed. Lindner. Dessau 4845.
2) ed. Bngel. Deutsche Puppencomödien. Th. III. Oldenburg 4873.
8*
116
treler der ernsten Rollen keinen Angenbli«^ in Rohe ; niemals
sind sie sicher, ob er nieht hinter ihrem Rücken dorch seine
Lazzi die Aofmerksamkeii von ihren verzweifelten Wathaas-
brachen oder von ihren feierlich bombastischen Tiraden ablenkt.
Noch schlimmer musste es freilich sein, wenn er ihnen direct io
die Rede fiel, wenn er etwa im Gespräch zwischen Jason und
Hypsipyle oder in Jason's verzweifelter Rede nach dem Tode
der Kinder mit seinen täppischen, unfläthigen Redensarien da-
zwischen fuhr. Wenn Harlekin in der Unterredung zwischen
Jason und Hypsipyle die Worte dazwischen wirft, man mttsse
es mit den Weibern machen, wie mit den Kalendern, alle Jahr
eine neue, oder wenn er, als das Haupt Hj-psipyle's hereinge-
bracht wird und Jason bestürzt ausruft : >lst dieses Hypsipyle.
meine erste Gemahlina, darauf antwortet : »Nein, Hypsipyle ist
es nicht, sondern ihr Kopfa, so gehört das schon zu seinen bes-
seren Bemerkungen.
Am fatalsten waren indess für Jason diese Einmengungen
jedenfalls in der grossen Raserei -Scene, die wir hier wie auch
sonst öfters in den Dramen des siebzehnten Jahrhunderts gegen
Ende der tragischen Handlung finden. In diesen Scenen, die
gewöhnlich auf die grosse Katastrophe folgen, erscheint der
Schmerz des Helden bis zum Wahnsinn gesteigert, auf diesen
Glanzpunkt wird auch öfters in den Ankttndigungs - Zetteln be-
sonders hingewiesen und man kann sich denken, wie bei dieser
Gelegenheit, um mit Hamlet zu reden, »solch ein handfester,
haarbuschiger Geselle eine Leidenschaft in Fetzen, in rechte
Lumpen zerriss, um sie den Gründlingen im Parterre in die
Ohren zu donnern«. Hat ja doch auch Gryphius in die zweite
Bearbeitung seines Trauerspiels »Ermordete Majestät oder Caro-
lus Stuardus« eine derartige Scene mit allen Geschmacklosig-
keiten der damaligen Theaterpraxis eingeschoben. Aber auch
hier iässt Harlekin in unserm Manuscript die unfreiwillige Gomik
des Tragöden nicht zu ruhiger Entfaltung gelangen. Das Ge-
spräch zwischen Jason und Harlekin umfasst die zehnte und
elfte Scene des vierten Actes ; als Probe, wie sich Harlekin bei
solchen Gelegenheiten eindrängte, möge hier der Anfang von
Scene 40 folgen. Jason betrauert gerade den Tod Creusa's und
seiner beiden Knaben.
Arlequin. Siehe da, quomodo stat, Herr Jason, seyd doch
kein Narr und bekümmert Euch so sehr, komt last unss auss
117
diesem Lande ziehen, denn hier ist der beelzebub mit seinen
7 Geistern etc.
Jason. Ach, ach I meine Sohne, so alhier auff die Erden ge-
stttrtzet haben auch zugleich mein Hertz getroffen.
Arlequin. Eure Söhne? ja wer weiss welchem ehr-
lichen Mann solche gehören.
Jason. Dieses ist Licaons Mord Panquet, Ihr habt zwar
durch euren fall eure lenden gebrochen, aber das brechen eurer
beine. batt eures Vaters heldenmttthiges Hertz zerrissen* Ihr
schwimmet in euren eigen bluthe und in meinen heissen thrä-
nen. also wird zum öfftem das obs ehe es reiff wird, abge-
brochen. Medea hatt mich zugleich mit Euch in das schwartze
Erdreich gesencket, wo wein fliessen soll, sehe ich gantze bäche
vol thränen rinnen ; Ja ich möchte mich selbst darin ersäuffen,
damit leh o liebste Kinder zu Euch kähme. Ach die liebe der
Eltern gegen die Kinder ist so gross, dass sie auch die Gefahr
des Todes nicht scheuet. Ich wii mein bluth mit dem eurigen
vermengen, wil sich erstechen.
Arlequin. Haltet doch ein reit Euch der teuffei, komt last
unss ein mass wein davor trinken wer wolte sterben.
Jason. Du liebest anitzo das leben, ich aber seuff'ze nach
dem tode.
Arlequin. Wer sich selbst ermordet, der muss Erde und
Koth fressen und wird den Canaglien den schlangen zur speise.
Dass lass ich wohl bleiben.
Und in diesem Tone geht es weiter. Der Name des Harle-
kinschauspielers wird nicht genannt, aber natürlich wurde die
Rolle von Müller, dem ständigen Vertreter des Faches gespielt.
Er war das einflussreichste Mitglied der Truppe, der erbitterte
Feind eines jeden Schauspielers, der nach etwas höherem
strebte, als sich bloss zur Folie für die Lazzi des Harlekin ge-
brauchen zu lassen. Auch als die Reformation des Theaters
schon längst im besten Zuge war, als die Neuberin ihm als ge-
fährliche Concurrentin mit ihrer eigenen Truppe gegenüberstand
und das bessere Publicum sich mehr und mehr von den »mit
Harlekins Lustbarkeit untermengten« Stücken abwandte, ver-
stand er sich nur sehr widerwillig dazu, auch einmal ein Stück
118
der neuen Richtung zuzulassen, in welchem seine Persönlich-
keit fiberflüssig war^).
Die Betrachtung der Medea gibt uns auch einen Begriff von
den Aufgaben, an die ein Künstler wie Kohlhardt während des
grOssten Theils seiner theatralischen Laufbahn seine Kräfte ver-
schwenden musste und an welchen die Neuberin in der Zeit,
von ihrem zwanzigsten bis dreissigsten Lebensjahre — von ihrem
Eintritt in den Schauspielerstand 4747 bis zur Aufl^ung der
Hoffmann'Schen Truppe 1 796 — sich heranbildete 3). Wir können
uns noch vorstellen, mit welchem verhaltenen Zorn sie als Medea
auf ihren Todfeind in der bunten Jacke geblickt haben mag, der
ihr die besten Effecte zerstörte und durch seine plumpen SpSisse
den Löwenantheil des Beifalls an sieh riss. Sie hat gewiss mit
einer Art von ingrimmigem Behagen gegen Ende des ersten
Actes sich wenigstens für einen Augenblick dadurch Ruhe ver-
schafft, dass sie in ihrer Rolle als Zauberin den Harlekin in
einen Nachtstuhl verwandelte — ein auch in andern Haupt- und
Staatsaotionen wiederkehrendes Effectstück. Aber doch war
ihr diese Rolle wohl noch eine der liebsten ihres tragischen
Repertoires. Im dritten Acte steigt sie durch die Schauer der
Unterwelt zum Thron Proserpina's hinab ; dahin konnte ihr doch
Harlekin nicht nachfolgen, und hier konnte sie ungestört ent-
falten, was von dem tragischen Pathos des effectkundigen Nieder-
länders in den deutschen Phrasen etwa noch übrig war.
4) Ein ergötzliches Beispiel findet sich in einem Briefe J. E. Schle-
geFs an Hagedorn vom 4. Sept. 4 748. Vgl. Hagedom's Werlce ed.' Eschen-
burg. Th. V. Hamburg 4 800. S. 287. Hier erzählt Schlegel vom »Ulysses«,
einer Tragödie des Leipziger Mediziners Ludwig : »Müller hat ihn zu der
Zeit in Leipzig aufgeführt, da die Neuberin einige Jahre nicht dahin ge-
kommen war. Und dieses ist mit so grossem Zulaufe geschehen, dass nicht
alle Zuschauer haben Platz bekommen können. Müller selbst aber ist über
diesen grossen Zulauf bei einem Stücke, wo man seine harlekinische Per-
son entbehren konnte, so böse geworden, dass er den Hut voll Geld, den
er eingenommen, aus Ärgemiss hin weggeschmissen, sogleich aber wieder
aufgehoben hat«.
a) Vgl. die Bemerkungen des Yerf.'s in den Grenzboten XLP S.79f.
Str. d. K. S. de», d. Wü».
m
Ber. d. K. S. i7m. d. TIVm. I
lief. ti. K. s. Oft, d. mis. issn.
INHALT.
S«ite
Overbeck, Über einige Apollonstatuen berühmter griechischer
Künstler. Mit 3 Tafeln 1
Fleischer, Studien über Dozy's Supplement aox dictionnaires
arabes, V 28
Creizenach, Studien zur Geschichte der dramatischen Poesie
im 17. Jahrb., I 93
Druck Ton Breitkopf & H&rt«l in Leipzig.
( MAY 17 1887
BERICHTE
ÜBER DIE
VERHANDLUNGEN
DER KÖNIGLICH SÄCHSISCHEN
GESEILSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN
ZU LEIPZIG.
PHILOLOGISCH-HISTORISCHE CLA88E.
1886.
IL
-\
^/) LEIPZIG
BEI S. HIRZEL.
1887.
,i\\<0 ri.
N
MAY 17 1887
SITZUNG AM 1 1. DECEMBER 1886.
Herr Hultsch las Über eine Sammlung von Schölten zur
Sphärik des Theodosios und knüpfte daran Eine Untersuchung
über die Frage, ob Autolykos und Euklid als Schriftsteller neben
einander, oder der eine frühei' als der andere thätig gewesen sind.
I. Eine Sammliing Ton Schollen zur Sphärik
des Theodoslos.
Herr Paul Tanne ry in Paris hatte die Güte mir im vori-
gen Jahre eine Abschrift sämmtlicher Scholien zur Sphärik des
Theodosios zuzusenden, welche er aus dem Manuscrit grec 2342
der dortigen Nationalbibliothek entnommen hatte. Schon ein flüch-
tiger Einblick in diese bisher noch unerschlossene Quelle lehrte,
daß sie für die Erklärung des Theodosios von großem Nutzen
und vergleichsweise noch weit werthvoller ist als die vor kur-
zem von mir veröffentlichte Scholiensammlung zu Autolykos.
Es galt daher zunächst, diese neugewonnenen Materialien zu
sichten , an den Text des Theodosios anzupassen und für den
Druck fertig zu machen. Weiter ergab sich im Verlaufe der
Arbeit, daß mit der Herausgabe der Sammlung nicht etwa ge-
wartet werden dürfe, bis einmal der Text des Theodosios auf
kritischer Grundlage erscheine, sondern daß eine baldige Ver-
öffentlichung im Interesse der Forschung auf dem Gebiete alter
Mathematik wünschenswerth sei. Doch waren vorher noch die
Handschriften der Vaticanischen Bibliothek einzusehen, eine
Aufgabe, welcher sich Herr August Mau in Rom auf mein
Ansuchen unterzogen hat. Die von ihm mit bewährter Sorgfalt
ausgeführten Collationen sind mir vor wenigen Tagen zuge-
gangen.
Soweit die Sammlung nach dem Pariser Manuscript bis
jetzt von mir redigirt worden ist, enthält sie 332 Scholien, von
4886. 9
120
denen 78 zu dem ersten Buche der Sphärik, 135 zum zweiten
und \\9 zum dritten Buche gehören. In dem Vaticanus Graec.
204^) ist im wesentlichen dieselbe Sammlung enthalten; nur
zu Anfang fehlen einige Schollen infolge des Verlustes von zwei
Blättern, welche nachtraglich von jüngerer Hand ergänzt sind,
und ferner sind gegen Ende des I. Buches drei Scholien, unge-
wiß aus welchem Anlaß, weggeblieben. Außerdem enthält der
Codex etwa 20 kürzere Scholien mehr, als im Parisinus sich
finden. In dem letzteren Manuscript sind die Scholien von der-
selben Hand, welche den Text der Sphärik geschrieben hat,
und zwar theils mit rother, theils mit schwarzer Tinte am Bande
eingetragen. Mit Becht bemerkt Herr Tannery, daß durch die
verschiedenen Farben auch eine Verschiedenheit des Inhalts be-
zeichnet wird. Zuerst sind mit rother Tinte zahlreiche kleinere
Scholien, die meist nur die Verweise auf andere mathemathische
Lehrsätze oder kurze Winke zur Erklärung enthalten, am Bande
angemerkt worden, und erst nachher hat dieselbe Hand mit
schwarzer Tinte eine anderweite Sammlung nachgetragen,
welche in ausführlicherer Fassung theils Ergänzungen zu der
Beweisführung bei Theodosios, theils Hülfssätze mit eigenen
regelrechten Beweisen enthält.
Da die meisten von den Scholien, die ich in meiner Aus-
gabe des Autolykos veröffentlicht habe , aus derselben Pariser
Handschrift geflossen und dort ebenfalls theils mit rother, theils
mit schwarzer Tinte eingetragen sind; so drängt sich zunächst
die Frage auf, ob und inwieweit bei dieser offenbar nahe ver-
wandten Sammlung die Verschiedenheit der Farben auch auf
eine Verschiedenheit der Quellen schließen lasse.
Betreffs der Scholien zu dem Buche negl xivov/.i€vrjg aq>ai^ag
läßt sich nur berichten, daß zwar die kurzen Citate von Lehr-
sätzen und andere gelegentliche Bandbemerkungen von dem
Schreiber, gerade wie bei der Sphärik, mit rother Tinte ausge-
führt sind, außerdem aber auch andere, längere Scholien ebenfalls
in rother Farbe erscheinen, denen ganz ähnliche, mit schwarzer
Tinte geschriebene entsprechen. So ist das schwarze Scholien ly
zu vergleichen mit den rothen cu und x, das schwarze xd mit dem
rothen ^c, endlich das schwarze Ag mit dem rothen Ay. Außerdem
V, Einige Bemerkungen über diesen Codex theilt H. Menge in den
Jahrbüchern für class. Philologie, hrsg. von Fleckeisen, 1886, S. 183 f. mit.
121
finden sich aber noch zwei schwarze Schollen^ nämlich xß und
XKy welche nach ihrer Fassung mit den Utilfssätzen zu ver-
gleichen sind, die uns in den schwarzen Scholien zur Spharik
in größerer Anzahl begegnen werden.
Wenden wir uns nun zu den Büchern TtsQl iTvctoXwv ymI dv-
üecjv, so zeigt sich zunächst, daß die schwarzen Scholien nicht
bloß in ihrer Ausdehnung, sondern auch der Zahl nach die rothen
übertreffen. Wir geben zunächst eine summarische Übersicht:
Rothe Scholien Schwarze Scholien
(a, (i. e — rj. i. iß. id — iC, ä. S: ta. ly, z. xa. xy. x^*.
^""^ \L&,xß.y,ö — xg.y.}irK&,ly, l—kß. ks — f.i, f,iß — fiö. f/c.
Buch |^<J- /'^- f^^' ^5- y^' ^^' i^'^ — ^y- ve. v^, vrj. | — ^y.
l^c . . . (zusammen 27) ^e, §'C. ^rj (37)
(ß, y, g, C. -9-, i. iß — ig. a. 3. €. rj. la. iC. irj — yß.
xy. xd. A — ?>.ß. i.ö. kg. xe — x^. ky. ke. ktj. fi. f.iß.
* kL. kS". f.ia. f^iy. /<€. firj. ^id. fig. /lu. f.id: va — vy.
V. vd. V'. §ß — Sd. Srj. V€. vl — fcr. Se — -ft
S^. .......' . (32) ../..'. .\ .V .. . (37).
Das sind also zusammen 74 schwarze gegen 59 rothe.
Ferner enthalten die schwarzen, als die ausführlicheren, zu-
sammen 340 Zeilen , die rothen dagegen nur 89 Zeilen, also
durchschnittlich die schwarzen 4Y2 Zeilen, die rothen V/2
Zeilen.
Was die Form der Abfassung anlangt, so ist von vorn-
herein zu erwarten, daß gewisse Wendungen, wie z. B. die
Anknüpfung durch xcr/ oder yöiQj beiden Reihen gemeinsam ist.
Doch treten auch hier Unterschiede hervor. Zwar der Anfans;
mit xa/ ist gleichmüßig auf je 3 rothe und schwarze Scholien
vertheilt^); allein yc^^ ist weit häufiger bei den schwarzen als
bei den rothen verwendet. So findet sich der Anfang eTteidrj yaQ
roth nur einmal 2), schwarz dagegen fünfmal^). Dazu kommen
in den schwarzen Scholien die Anfänge l/rei yaq und ti yaQ
oder iav y«?^), welche in den rothen ganz fehlen. Außerdem
\) Roth: I, e, II, iß, ).ß, schwarz: l, Xß, II, x«. (uO^.
2) 1, jfc.
3) 1, cT. ly. vß, pC, H, e.
4) '£nei y/tQ I, rrj. $ß, II, Xy. f4ß. ya, |e, e« yaQ oder iav ynQ 1 Xd-,
yß. fis. fir.. I«.
9*
122
findet sich yäq in den schwarzen Scholien 49maU), in den
rothen nur 8 mal 2) . Auch einige andere Unterschiede sind
hervorzuheben. Die Anknüpfung durch 8i oAerovv^ kommt nur
in den schwarzen^), diejenige durch &kka^ wg, toate^ olov oder
durch das Relativpronomen nur in den rothen Scholien vor^).
Ebenfalls den rothen Scholien aliein ist vorbehalten das Citat
eines Lehrsatzes mit irtö oder öia^). Etwa gleichmäBig ver-
theilt sind die Fälle der asyndetischen Anfügung^) und die
Einleitung eines Scholions durch tovriatL"').
Ihrem Inhalte nach sind die schwarzen Scholien theils zu
bezeichnen als Erklärungen einzelner Worte oder Wendungen
des Textes, theils als Ergänzungen und Ausfüllungen solcher
Beweisgründe, die im Text nur kurz angedeutet sind, theils
endlich alsErläuterungen und Zusätze, welche zum VerständniB
des Textes zwar nicht unbedingt nöthig, aber doch wünschens-
werth erscheinen mochten. Zu der letzteren Kategorie sind die
Scholien I, xor, und II, Ae, und vielleicht noch einige andere zu
rechnen. Eigentliche Hülfssätze sind von dieser Sammlung
ferngeblieben; gewiß lediglich aus dem Grunde, weil die
Erklärer des hier vorliegenden Werkes des Autolykos alle ein-
schlägigen Sätze bereits in anderen Schriften verwandten Inhalts
vorfanden ^) .
Wenden wir uns nun zu der noch unedirten Scholien-
1] I, i^. A. Xtj» ya. |e. ^C- l*7i H, (f. 17. la, x. xC. xjj. x^. fid, ye, yl^,
2) I, iC, II, xy. xcf. yg. |y. ^<f. Ij;. |*.
3) l'a<pf]y£iaf d£;^ri^ei^ I, xa, dianoqevojbtiyov dk avtov I, xy, deixyv-
Tcu di I, A«, oif duQX^'^ff^ ^^ '» ^^i yiyBxai dl (paysooy I, (Ji&, o}s dl xal
xoito uEi tffiai II, xc, tov ovy 7;Xiov II, xe.
4) j^XXa I, td, wi* I, tß, x&. y&. |c, II, fia. y. yd, äate I, a, H, u,
oloy I, ß, T]Xti I, xc.
5} I, i^. xd, fie. fiC. IcT, li, ^. &. fiy. f4e. Die Wendang diic ro mit
Infinitiv findet sich roth I, e. xr,. Xd, II, e, schwarz I, ye,
6) Roth: I, c. j?. IE. xß. Xy. yg, II, y. C. id, X. Xa. Xd. Xg. Xd-. f^f^.^ß,
schwarz: I, x. y. yy, II, «. «C- try. e^. x^^. Xe. Xij. fd.fÄg, fn^. yy. yd-, ^.
7) Roth; I, C- «^1 IIi ß' iy- tg. XC, schwarz: I, la, xC- Xg, A^. /<.
fAy. fjtd. |. ^y, II, yß.
8) Der Nachweis im einzelnen findet sich in meiner Ausgabe des
Autolykos. Über die Beziehungen der Bücher ne^l initoXtay zu den Phä-
nomena des Euklid wird in der nächstfolgenden Abhandlung zu sprechen
sein.
123
Sammlung zur Sphärik , so ist zunächst zu bemerken, daß die
sehr zahlreichen rothen Schollen nach Form und Inhalt den
gleichfarbigen Scholien zu Autolykos durchaus ähnlich sind.
Die schwarzen Scholien, deren Zahl verhältnißmäßig gering ist,
sind theils ähnlichen Inhalts, wie diejenigen zu den Büchern
TtBQi ijcivolijVj die wir soeben besprachen , theils stellen sie
wirkliche Hulfssätze {ki^^i^uara) dar.
Von der Gesammtzahi von 332 Scholien, welche die Pariser
Handschrift enthält, sind nur 29 mit schwarzer, alle übrigen mit
rother Tinte beigeschrieben. Auf Buch I kommen 6, auf II 7, auf
III 4 6 schwarze Scholien, welche ihrem Inhalte nach folgender-
maßen zu ordnen sind.
1. Zu II, Propos. 21, p. 45,31 der Ausgabe von Nizze,
wird die 6. Definition des XL Buches der Elemente als Sqoq
Tov la angeführt, worauf das wörtliche Citat aus Euklid IniTti-
dov yctQ 7tqoQ kTtlTteöov yMaig u. s. w. folgt.
2. Zu den Worten I, 2, p. 3, 1 4 : xai avfißalkhco rcj) sTtiitidq)
y.axa rh K arjfteloVj wird folgende Erläuterung hinzugefügt :
ov yhq &v etTVOifiev Sri fj ä/cb tov 0 l/ri ro tov
ABF i^vyXov ItcLtcb^ov *AdO^€Tog äyofievr] ItiI to J
avjuelov TteoBlrai^ Y.al ^daopvat ärcb tov avTOV arji^ieiov
T<J> avTii) luLTtidii} ÖJLfO eu&siai TtQog ÖQ&ag äveora-
f.iivai, finsQ ixTOTtov.
3—6. Zu I, 21, p. 18,34 f. wird erklärend bemerkt:
OL yag Jtökot airvov ent Tfjg TtEQLCpeQsLag elal tov ZAQ
Tcv^kov, xofi elal xara diafXETQov b/, tCov deix^ivriov. Ähnliche,
jedoch etwas ausführlichere Erläuterungen finden sich zu
III, 12, p. 80, 1—3, und zu 111, 13, p. 80, 31 f. Auch die
kurze Erklärung zu tqiQv ovoojp TteQupeQsuov b^oyeviov äviacov
III, 9, p. 73, 4: i^elLovog fiiv Tfjg KQ^ eldaaovog de Tfjg 0iT,
log etvxe de Tfjg HQ, mag hierher gerechnet werden.
Wichtiger sind die nun weiter aufzuführenden Scholien,
welche längere oder kürzere Zwischenglieder, die in der Beweis-
führung bei Theodosios ausgelassen sind, ergänzen.
7. Zu den W^orlen I; 21, p. 18,34: TeTfxr^a&u) fj ZA ne-
qifpiqeia dlxcc vLaxh Tb H orjfielov Tb H Sga orjfxelov TcdXog
laxl TOV ABF ycdycXov, fügt der Scholiast einen vollständigen
apagogischen Beweis hinzu:
ijtel yag b Z&A Tbv ABF dia tCjv Ttöhov Tiuvei,
enl Tfig TteqKpeqelag aifTov eariv b Ttökog' Tfxrid'eiarig
124
oifv vavTrjg dixcc, l^l t^jj öixoro^iag iarlv b Ttolog,
el yccQ ^if} To xara rr;y dixoTouiav arnieidv kaxiv b
Ttokog, earai akko ri ziov inrt rr^g TteQicpBQEiag a^-
fieUov 0 Ttökog. eario rb K' al zag KA KZ dviaovg
TtsQupeQeiag eTtuevypvovaat aqa xal avTal &viaol
eiaiv ' ovr. eauv aqa nöXog to K arjueiop. bt.ioi(ag di]
deixO-r^aEzat Sri oude ereQÖy tc arjfieidv laviv b itökog
7tkt]v Tou 'Aaza rrjv dixoTOfiiav.
8. Zu den Textesworten II, 22, p. 53,33: xai a/r avtCjv
iaai TtEQifpiQuai ä7ceikr^^iuevat eiaiv al NyL IIA, ikaTTovg
^ fjiiiaeiat ovoat tvjv (ikiov, ist folgende bemerkenswerthe Er-
gclnzung beigefügt :
tjtel yag ^uyiaroi elaiv ol 31 NS AN^j dixcc TifAvouaiv
äkkr^?.oug' r]^uy.vyMov aqa lavlv f] Nyt -/.al fj avv€xr;g
avrf]' fi aga fiuiaeia avrr^g, rovriariv fj dixoTOf-iia^
TBTaqrr^uoqiov. f] de NA ekaaauv zevaQvriiiOQiov, htei-
drj y.al 6 y.v'/.kog b ENZ ekaaacov tov ^tei^ovog* U
Ttdkov de avTOU' loave roAovy. eaviv fj dixoTOfiiatov
fiuiyvy.kiov ekaaacov IcQa ^ f^f^iiaeia ^ NA,
9 — 12. Ganz ahnlich sind die Ergänzungen zu III, I, p.
57,23 f. und p. 58,8 f., III, 2, p. 60, 37—61, 1 ; III, 12, p.
79,31 f.
13. Das unter 7 angeführte Scholion setzt eine Hülfscon-
struction voraus, welche nach den Worten des Scholiasten leicht
wieder hergestellt werden kann. Ausdrücklich wird eine be-
sondere Gonslruclion vorgezeichnet in dem Scholion zu I, H,
p. 46, 47:
ev yvy.h) yaq iavi to AEHZ TeTqanckevQOV eav yao
Tr^v^JH öLxa Tff.uui.iev y.al yJvvQot tiT) Ttazä t/jv dixoro-
(.liav ar^fteiii), 6iaazi\i.iaTL de b/roTegc') tCov J H yXrAkov
yQaifjioueVj ij^eLyMidta tuv E Z arjueiiov diä to oQd^ag
elvat Tag TtQog Tolg E Z arifieiotg yioviag' üaze to
JEHZ TeTQctitXevQOv evyvyXt') eaziv y.al oijTiogeaTat
fj JEZ ywvia Tfj AHZ lat], ev nT) autcj) T(.iijf.iaTL ovaa
TU) JEHZ.
14. Zu der Beweisführung III, 5, p. 65,34 {.:bf.ioiiügdi]dei^O'
(.lev i)Ti 'Aal fj Q2 Tf^g OH ekdaaiov eariv, bfioiiog eiicövzeg, ist
folgende kritische Bemerkung hinzugefügt:
afieiviov detSig, lav buoiiog Tolg ävco eigr^iUvoig dia
125
tCov A H ygaipiof^iev ^liyiGtov •A.ir.kov Ttai, ajceg ItzI
Tov OKU ei'QrjTai, tavta eXticj^ibv 'Aal ItvI rov NQS-
45. Den Schluß dieser Reihe bildet die kritische Note zu I,
Propos. 22 und 23, welche bereits Dasypodius veröffentlicht hat,
und auf welche Nizze p. 19 sich bezieht:
TÖ Ttagbv ^ecuQrj^ia aal rb /«er adrh ev rtat rtov ävrt-
yqätpwv ovx evQta'xopTai, tovto f.uv log oarpiaraToVy
TO Sh fiev avTO wg Tcp ^' &€(OQri(,iaTi raurbv ov, rfj
TtTioaet 8h f,i6v7j diafpigov.
Es folgen nun unter Nr. i 6 bis 28 diejenigen Scholien der
Pariser Handschrift, welche im eigentlichen Sinne als Hülfs-
Sätze bezeichnet werden können. Sie beginnen — mit einer ein-
zigen Ausnahme , die sich durch den Verweis auf ein früheres
Lemma erklärt — sämmtlich mit einer regelrechten Propo-
sition i), auf welche dann die Beweisführung folgt. Es wird
genügen, lediglich die Propositionen hier zusammenzustellen.
i 6. Kai &7tb TOV J^ cpY]Giv^ kitl rb rifipop kniTtedov xax^e-
Tog fix^^tj fj AE. eQOVfiep Srt TtapTwg Ivrbg TtlTtrei rr^g ygafi-
ufig. Scholion zur Sphärik 1, 1, p. 2,10 f.
17. ^'Earioaav yaq öi/o STtiTteöa Ttagälkr^ka raABF JEZ^
ipl de avTwp rrp ABF Ttqbg öqd'ccg eario fj HQ, Xiyo) Stl yial
T^ JEZ earl Ttqbg ÖQ&üg. Zu II, 1, p. 21,16 f.
18. //£i'/.pvTaL bfioUog oVrcog' savcoGap yaq dio xv'kIoLj (op
ai itqbg tolg -/ApTQOig ycoplac Xoat earcoaap al B F' Xiyco ütl
biiola eorlv fj JE TtSQUpSQeca xfi ZH 7teqi(pBqBi(f. Zu II, 10,
p. 28,27 f.
19. ^ETtiitedop yciQ rb FJ eniTtidt^ r^ AB dq&bp earo),
■AOLpri de avTOJV rof-irj earco \] AA^ zal eilrjrpd-co ItvI tov FA Itzl-
Tteöov Tvxbv ar]f,ielop to E' Xeyco ort ^ a/tb tov E kitl xb AB
iTtiTvedov xäd-BTog äyofuprj inl r^g AA Tteaeirac, Zu II, 11,
p. 29,19—21.
20. ^'EaTcoaap yttq ovo Tjiirj^iaTa 'axtaXwp taa TaABF AEZ,
%al icTteilrjfpO'ioaav laac TiequpeqeiaL al AB AE, ccTtb de tlov
4) Nach dem übereinstimmenden Gebrauche der griechischen Mathe-
mathiker wird jedes Theorem oder Problem zuerst in allgemeiner Form
ausgesprochen und dann mit Bezugnahme auf die dazu gehörige Figur und
unter Beifügung der geometrischen Buchstaben wiederholt. Für ein Xrififia
ist nur die letztere Formulirung erforderlich, wenn es, wie die obigen,
unmittelbar an eine andere Beweisführung sich anfügt.
126
B E %&»Bxoi al BH EG Uyw Sri carj loüv fj fiev BH TfjE9,
fjök^HTfjje. Zu II, 41, p. 29,29— 31.
21. ^'Earcüoav yhq ovo fjfiiKvyikca Xaa %a ABF JEZ, zai
arj^eia bti avvüv tcc B E, xat Si7C avvüv xüd'eroi al BH E&,
xai earioaav Ttqöveqov taai. kiyco Sri xori fj AB rfj JE lar^ ia-
tIv. Nachdem dies bewiesen worden ist, folgt als zweiter Theil:
Tovvcjv ovv TtqocLTtodecxd^ivTiav xai %(üv avvwv VTtOT^ecfiepcjv
ioTü) fj EQ T^ad-STog fieltwv Tfjg BH' Xiyu) Stc xai 7ceQiq}eQ€ia
f} JAE fielKwv iarl rfjg AB TtequpeqBiag, Zu II, 21 , p. 47.12 f.
22. ATtedsl^afiev ycxq ev ri^ ta rov ß' ßißXiov öiä %ov (f
krjf.if.iaTlov' eoTL di xal ex rwv Y.ec^iBvu)v q>aveQ6v (folgt der
Beweis). Zu III, 3, p. 62,13.
23. ^'EoTiooav ovo naQäkkrjkoi al NB AM, xai iTce^evX'
d-iaaav al AB NM, Laq de eoro) fj AA rfj AB' kiyw Sri xai
fjAN ior] iarl rfj AM. Zu III, 4, p. 64,18: lar] ÜQa earl xai
T] NA Tf] AM.
24. *'EaTU) yccQ rb jtQosiQrj^ivov fjfiinvxktop ro ABFJZE.
xal &7teiXri(pd'ioaav ano rfig öiafiSTQOv taai al AK AE. '/.al
fjX^ojoap TtaQakkrjkoL al KB Ad, xori tazta f] filv AKB yiopia
d^ela, fj de EKB äfißkela' kiyio hri f] JZE 7teQcq)€Q€ia iiüZm'
IotI zfjg AB TtBQUpeqBlag. Zu III, 4, p, 64, 22 f.
25. ^'Eatoaav yag aviooi yivukoc ol ABT JEZ, %ai iatio
ikäoowp f) ABF Tcvxkogj xai eig avtovg Sviooi evd-eiac fii] diu
TÜp yJpTQiüp al AF JZ, jiielLWv de fj AF r^g JZ' keycj Sri
xal fj ANF 7teQt(p€Qeia rfjg JSZ TCSQKpsQeiag fielKoiv iauv ^
b^ola. Zu III, 6, p. 68, 1—6.
26. Tgidip ^eyed'CJv VTtoTLei^ivmp bfioioyevojp rufp AB T
JE, xal SpTog fieltopog rov AB rov F, rov de JE wg exv%t,
diov ecTü) evQelp i.Uyed-og rov fikp AB ekarrop, tov di T
^leiCov, rqf de JE avfifieTQov. Zu III, 9, p. 73, 4 — 6.
27. *'Egtü) TQiyiüpov aqS-oyioviov to ABF, %ai Vix^io ti^
fj AJ' del^ac 8ti t] BF ngbg Tr]p BJ ^eltova köyov exet ^j^^Q
^ VTtb AJB ycovia Ttqhg Trjv vtvo AFB. Zu III, 11, p. 78,5 — 8.
28. AHMMA. ^'Earioaav yaq naqakkrikoc vjbvXoi %a\ \ii'
ytaroL ol EM ZA iq)a7tT6fievot rov EZ xara ra E Z arjfieict^
dtic dk TOV Ttokov rov H xai rov F fieyiarog b HFN' kiyco Sn
Xof] eorlv fj AN rfj NM. Zu III, 12, p. 79, 22—26.
Endlich ist in diese Reihe noch ein kürzeres Lemma ein-
geschoben , welches sowohl in seiner Form von den übrigen
abweicht, als auch seinem Inhalte nach zu Bedenken Anlaß
127
gibt. Es ist also wohl späteren Ursprungs als die 4 3 vorher-
gehenden Httlfssätze. Es lautet, zugleich mit dem Beweise,
folgendermaßen:
29. "'EaTü) yixQ ^ ^P xfig PM fielLwv, xal xeio&uf rfj M2
fl Sul iar^' fj ^M Hqa Tf^g M2 iarl diTtkfj' rfjg üga klärrovog
airijg fi6lC(ov J) dmkf}. Zu III, 9, p. 72, 20 f.
Von den unter Nr. 16 bis 28 aufgeführten Hulfssätzen ist
der letzte ausdrücklich als kfi^ifxa überliefert. Ferner wird der
Satz Nr. 20 durch den Verweis in Nr. 22 als krjfijudtiov bezeich-
net, und dabei ist noch besonders bemerkenswerth die Genauig-
keit der Anführung: iv rq) La tou ^ ßißklov dta tov ß'i.i]^fia-
rlov. Die ganze Sammlung hat also wohl den Titel ^ifififiara
eig za Geodociov Gg>aiQt:ia, oder kürzer elg tcx OfpaiQiyM geführt,
und die einzelnen Sätze sind bezeichnet worden als krjfi^ua elg to
a (seil. d^eitjQTj^a) tov a ßißUov (seil. tcHv Qeodoalov orpai-
Qixwv) u. s. w. Waren zu einem Satze des Theodosios mehrere
Hülfssätze beigefügt, so wurden sie als a,ß' Ifjfi/xa und, wenn
nöthig, so weiter unterschieden.
Unzweifelhaft haben wir hier, wenn auch nicht vollständig,
dieselbe Sammlung vor uns, welche im 4. Jahrhundert n. Chr.
von Pappos benutzt worden ist. In seiner Abhandlung über die
isoperimetrischen Figuren (Vp. 310, 4) bemerkt er im Laufe
einer Beweisführung : fj dh AK Trgog riiv KM fieii^ova ).6yov
%Xei fJTV€Q fj VTto AHK Ttqhg vrjv vjtb MHK {tovto yicg Iv Toig
eigrct aq)aiQiiia ktjfifjiaaiv diöetxTai), ein Gitat, das sich
in seiner Fassung genau an den Wortlaut in Scholion Nr. 27
anschließt ^) . Und ähnlich sagt er an einer späteren Stelle des-
selben Abschnittes (p. 338, 11): xai eiki]cpd'(a rig kriqa neQKpi-
Q€ia fj BH Tfjg filv BZ iielCiov^ iffi dh BZE IXaaawVj aifif-U"
TQog de ovaa rfj ABT 7reQiuiTQq) ^ tog eariv kfj^if.iaacpai-
4) Die Abweichung in den geometrischen Buchstaben kommt nicht
in Betracht; denn der griechische Mathematiker wählt die Reihenfolge der-
bleiben für jeden einzelnen Fall , je nachdem der Aufbau der beigefügten
Figur fortschreitet. Vgl. meine Vorbemerkungen zu »Zenodori commen-
tarius« etc. bei Pappos vol. III p. 4i89. — Über das anderweite Vorkom-
men des hier von Pappos citirten Hülfssatzes vgl Vol. III p. 4U2f. 4167.
4 234 f. meiner Ausgabe und Jahrbücher f. class. Philologie, herausgeg. von
Fleckeisen, 4883 S. 445fT., 4884 S. 367f.
12S
Qi'AÜy^ womit offenbar der Salz Nr. 26 der obigen Übersicht
bezeichnet wird. Noch an einer dritten Stelle ist ein A^^/<a
offagQixüv citirt: doch findet sich der hier bezeichnete Hüifs-
salz nicht unter den Schollen zu Theodosios, wohl aber bei
Pappos unter den Lemmata zur Optik des Euklid^).
Sowohl diese zuletzt besprochenen Scholien, als alle ttbrigen,
die zu derselben Sammlung gehören, haben selbstverständlich
zunächst ihren groBen Werth fttr die Erklärung derSphärik des
Theodosios. Außerdem bieten sie auch manchen Beitrag zur
kritischen Behandlunsc der Texte sowohl dieses Schriftstellers
als des Euklid, welcher letztere ja ebenfalls häufig citirt wird.
Weiter führte die Bearbeitung der Sammlung und deren durctt-
gängige Vergleichung mit dem Texte des Theodosios zu neuen
Beobachtungen über jenes ältere, aus dem 4. Jahrhundert v.Chr.
stammende Lehrbuch der Sphärik, von welchem ansehnliche
Reste in der Theodosischen Sphärik eingeschlossen und somit
uns überliefert sind . Endlich schien es auf Grund dieser Er-
gebnisse möglich, die Frage, ob Autolykos und Euklid gleich-
zeitig neben einander, oder der eine früher als der andere, als
Schriftsteller thätig gewesen sind, ihrer Lösung näher zu führen.
Dies ist von mir in der nächstfolgenden Abhandlung versucht
worden.
II. Autolykos und Euklid.
Die Elementarlehre von den Linien auf der Kugelober-
fläche liegt bekanntlich in zwei Schriften des Alterthums vor.
Die UfpaigiTid des Theodosios von Tripolis, welcher im ersten
Jahrhundert v. Chr. lebte, behandeln die Kreise und die Kreis-
abschnitte auf der ruhenden Kugel; doch ist von vornherein
der Fall vorgesehen, dass diese Kugel um eine durch ihr Gen-
trum gehende gerade Linie, d. i. ihre Achse, sich bewegen werde.
Indem nun die Endpunkte dieser Geraden, die Pole, auf der
Kugeloberfläche fixirf werden, ist die sichere Grundlage für
die Unterscheidung aller übrigen Kreislinien auf der Kugel ge-
geben. Welche Elementarsätze nun weiter sich entwickeln,
wenn die Kugel mit gleichmäßiger Geschwindigkeit um ihre
Achse sich bewegt und dabei von einer Ebene, welche nicht
i) Pappi collect. VIII p. 4 052, 2, vgl. mit V p. 570, 6 und 571 adn. 1.
129
an der Bewegung iheil nimmt, geschnitten wird, hat Autolykos
in seiner kleinen Schrift Ttegi '/.ivov(,ievr'g ofpaiQag gezeigt.
Die Sätze von der rotirenden Kugel konnten natürlich
nicht behandelt werden, wenn nicht die Lehre von der ruhenden
Kugel, wie wir sie bei Theodosios finden, vorher abgeschlossen
war, und in der That citirt Autolykos, dessen Epoche gegen
Ende des vierten Jahrhunderts v. Chr. anzusetzen ist, allent-
halben Sätze einer Sphärik, welche zu seiner Zeit, d. i. drei
Jahrhunderte vor Theodosios, bereits vorgelegen haben muß.
Und da der strenge Gedankengang mathematischer Beweisfüh-
rung, für weichen die Griechen auch eine ganz bestimmte , in
allen Epochen sich gleich bleibende Form anwendeten , es er-
möglicht, jene Sphärik in der Hauptsache wieder herzustellen
und zu vergleichen mit der jüngeren Sphärik, welche unter des
Theodosios Namen überliefert ist, so ergibt sich, daß der letztere
nur der Herausgeber, höchstens der Überarbeiter und Erwei-
terer eines um drei Jahrhunderte älteren Werkes gewesen ist.
Nachdem dies schon früher festgestellt worden ist *), tritt
jetzt an uns die Aufgabe heran, diejenigen Sätze der älteren
Sphärik im einzelnen nachzuweisen , welche Autolykos, sei es
unmittelbar, sei es mittelbar, benutzt hat. Denn indem wir von
da aus weiter zurückschließen, welche Sätze der elementaren
Geometrie dem Verfasser der älteren Sphärik bereits als erwie-
sen vorlagen , werden wir eine Grundlage gewinnen , um über
die schriftstellerischen Beziehungen zwischen Euklid und Auto-
lykos mit einiger Sicherheit zu urtheilen.
Wir führen zunächst diejenigen Sätze der älteren Sphärik
der Reihe nach auf, welche von Autolykos nach ihrem Wortlaute
theils vollständig, theils mit Abkürzungen wiederholt werden.
Hierbei hat der Schriftsteller nur ausnahmsweise die allge-
meine Fassung des benutzten Lehrsatzes beibehalten; in der
Regel bedieot er sich der sogenannten angewandten Form,
wobei zwar auch der Wortlaut des benutzten Lehrsatzes zu
Grunde gelegt, aber aus der allgemeinen Fassung umgewandelt
i) Vgl. Berichte der pbilol.-histor. Classe der Leipziger Gesellscb. d.
Wissenscb. 4 885 S. 170 f., Jahrbücher für Philologie hcrausgeg. von Fleck-
eisen 1883 S. 415 f. Die Untersuchungen von Nokk und Heiberg über die-
jenige Gestalt der älteren Sphärik, welche sich aus den Cilaten in Euklid's
Pb&nomena ergibt, werden weiter unten (S. 135 Anm. 1) angeführt werden
130
wird zur passenden Anwendung aof den einzelnen vorliegen-
den Fall ^.
Ältere Sphärik des 4.
Jahrhunderts, cilirt nach
der unter Theodosios'
Namen überlieferten
Redaclion :
I, 7:
litv ff Iv aqaiQ^ y.v'/.Log,
üich dl Tov y,irrQov rrg
OfpaiQag litl ro y.ivTQov
a&fov iTtuevxKHj rig ev-
O-eia, r^ iTti^evxd-eioa dg-
^i; lart nqog tov '/.v/.Xov.
I, 8:
luv ff iv OfpaiQff y.v/J.og,
dno de TOV yivTQov Tf^g
Offaigag e/r' avTfjv KÜd-e-
Togixx^ff^/Mi l/.ßkr^x^fj Itv
afiffÖTSQa TU fiiQr^ . Irti
rovgnöKovg TteaelruL tov
y.v/JMv.
I, ho:
luv Iv Off'Uiqcf ^iyiarog
y.ify.hjg y.i)vXov tivu tCjv
Iv rfj a(pulq(f diuTibv 7t6-
liüv Tfuvf]j öLya ts uvtov
y.ul 7rQog ÖQ&ug Tifivei^]'
Autolykos
^TiQi yuvovuivrg a<faiQag.
Propos. 42, p. 46, 3 — 9: xai iTtel
Iv affaiqq y.vyJ.og larlv b FJB.
an:b di tov xevTQov Tf^g atpaigag
tov G Lil To yJvTQOv tov rJB
y.vy.lov IjtiZivy.Tai ev&eia ^ ©£
^ QE uQa ÖQ&fi loTi TtQog tov
rJB y.vy.Lov.
Propos. 4, p. 4, 47 — 24:
. . . y.aX yQaipei y.v%h>v iv Tf^
OffaiQif, ov xivTQOv ecTai to J
ar^fieiov, fj dk ix tov xivTQov f; FJ,
^qog dqd-ag oiaa tiJ) AB ä^ovi.
y.ai fpavBQOV 8ti tcl A B ar^fisia
Tiokoi eaovrai tov ygatpivrog xir/-
/ov, e7t6tdij7t€Q äicb tov xivTQOV
Tffi aipaiQag xd&sTog ^xtgi xal
Ixßißkr^Tai fj AB %(ag Tfjg iui^a-
velag Tf^g 0(paLQag,
Propos. 6, p. 20, 6—9:
litel Iv a(paiq(f fieyiOTog xvxlog
b AJT xvxl.ov Tiva twv iv rj}
acpuiq(jc TOV ABT dta t(x)v TtöXiav
Tiiiv€ij öixcc TB avTov Tefiei xal
Ttgog ÖQ&dg.
4} Ober diese so sachgemttße und auch bei späteren Mathematikern
beliebte Form des Citirens wird an anderer Stelle ausführlicher zu sprechen
sein.
4; So sind die Worte bei Theodosios überliefert ; allein am Schlüsse
der Beweisführung (p. 14, 20 ed. Nizze) findet sich bei demselben die Wort-
stellung dixa 16 avxoy ri/Ltysi xai nqos oQ&af. Wie die Citate bei Autoly-
kos (und auch bei Theodosios an mehreren Stellen) zeigen, hat die letztere
131
Ältere Spbärik des 4. Jahr-
hunderts nach der unter
Theodosios' Namen über-
lieferten Redaction.
II, 2:
Ol TiBQlxovg avTOvgTtdkovg
üyres sv afpaiqq %in(Xoi
TCUQccXkTjkol lioip.
Autolykos
TtSQi 'Aivov^iivrjg OfpaiQag.
Propos. 7, p. 24, 1 — 4:
lirel Iv a(paiQ<jc fiiyiarog xvyckog
ö HZQ xvxkov Tivtt TOJv iv rfj
acpalQ(jc tbv ABjr diu tCqv tvöIcüp
u. s. w., wie vorher.
Propos. 5, p. 16, 5 — 8:
'/mI eTtel b ABF Avi^Xog top BJFE
'AV'iXov öia Tvjp Ttöliov Tif.iV€Ly diy^a
TB avTOV TSfiei' fif.iiy.v-Ak top ÜQa la~
r\v v/MTBQOv Tiov BEF B^F^).
Propos. 7, p. 26, 3 — 5:
i.rel b HZQ xi^Xog rovg AB FJ
AFJB 'AVTilovg ötcc rCov Ttökcov
TifivBi, vmI TtQog ÖQ&ag avxovg
TBfiei,
Propos. i, p. 6, 1 — 2:
ol dk TtBQl Tohg avTovg Ttökovg ov-
rag iv arpaiQijc rtaQäkkrjkoi xt)xAoe
Fassung in der Sphärik des 4. Jahrb. wahrscheinlich im Lehrsatze selbst
(nicht bloß im Beweise, wie bei Theodosios), gestanden.
4) Von den zwei Folgerungen, welche der links angeführte Lehrsatz
der Sphärik enthält, kommt hier nur die erstere zur Anwendung. In einem
tthnlichen Falle citirt Theodos. Sphar. II, 17 p. 41, 28 ganz angemessen:
xal Jixa aga avrovs^ Te/4sl, Daß Autolykos, wenn er abgekürzt citiren
wollte, das te beibehalten habe, ist schwerlich anzunehmen. Wahrscheinlich
ist die nach te nothwendige Ergänzung xal ngo^ oq&as^ die ich in meiner
Aasgabe zwischen Klammern beigefügt habe, auch von Autolykos mit an-
geführt worden , obgleich sie zu dem folgenden Schluß r^fiixvxXioy aqa
u. s. w. nicht erforderlich war.
2) Die hier überlieferte Wortstellung naqaXXriXoi xvx}.oi eiai beruht
wohl auf dem Versehen eines älteren Abschreibers. Im Codex D (p. XXIV
meiner Ausgabe, ad p. 6, 2] ist die an sich wahrscheinlichere und bei Theo*
dosios überlieferte Fassung xvxXoi naQaXXrjoi elaiy, jedenfalls durch Con-
Jectur, hergestellt.
132
Ältere Spharik des 4 . Jahr-
hunderts nach der unter
Theodosios* Namen über-
lieferten Redaction.
Autoivkos
moi y.trovuivr^ Offaigag,
II. 10:
lay vjOiv Iv Offaiga Tta-
QuÜ.r^Loi y.vyJ.oi. diu de
%Cov 7t6).tjv avTVJV luyiOTOi
y.V'/Xoi yQaffvjaiv, al uiv
TVJV 7iaQa)JJi.(i}v y.v/j.ojv
TTkQiffiQuai al iuraSv
rCov ueyiaTi'jv y,vyJAov
oiioial iiaiv u. s. w.
Propos. 2. p. 8. 3 — 7:
» >
i.Tei iv affciiQct :raQaßJ.r^/.oi y.v/J.oi
liaiv o\ FE JfZ, y.al dia tvjv:i6}.v)v
>
avTVjy luyiOTOi y.v/J.ot yiyQainn*
voi elaiv oi AFJB AEZB, buoia
aoalariy \ FE .leQKffgsia r^ ^^
.reoiffSQÜce,
II, 43:
ilcr vjaiv Iv Offaiga Jta-
Qa/j.r^'/.oi y.vyj.oi.y.al yga-
if vjoi ueyiOTot z vy.koi i ro^
fiiv avribv lffun:r6utvoi.
rovg di loi.rovg TturoyTeg,
ai liiv rvjv 7tuQa}jJ^}.iov
y.ify.kiüv TtiQKfiQuai al ne-
ra^v tCov äavu.rrioTiov
i^nr/.vyMojv tCjv fiayiorcjr
y.v/JMv (iiiouti elaiv, al de
u. s. w.
III, 1 :
elcp elg y.vy.Kov öiaxd^f^ rig
e vS-ela eig aviaa reurovoa
Tr;i' y.vy.lor, y.al in:* avrr^g
Titrjia y.v/.),ov üq&ov i-
TtiataO^y ^Jy fueiZov rjii-
y.vyJuov, diaiqe&f^de i] tov
effeOTWTog Tui[uaTog Tte-
QUfiQua elg uvioa, \ v.rb
Ti^r ekaoaova Ttegicfegeiav
v/roreivovaa ei'O-eia Dm-
Propos. 8, p. 30, 40—46:
1:1 e\ ovv 7TaQdhh^},oi elotv y.vy.'loi
ol AJ ZH('J, /mI yeygauueroi ei-
aiy y.xjyXoi iieyiovoi ol ABF JBEV
erog uev avTVJV eqaTXTüuevoi tov
AJ. TOV de HZQ reiirorreg, /mI
elaiy ueraSv tvjv äoviiJtnjjnov S.m-
• — • ••
yv/JJojv al JKA ZH AE TreQi"
q-egeiai, ouoia aga earlv i\ JKA
TteQKfeQeia rf^ ZH y.al r^ -^^ '^^'
QiffeQeia.
Propos. 6, p. 20, 4 2—25:
y.ijyXov dl] rivog TOvABFe/ri dta-
Herqov Tt]g AF rufjia y.vi^kov oq-
d^hv effeOTr/,ev to AJF^ya) /; tov
effeOTiüTog rur^f^iaTog Ttegitpegeta
elg aviaa Teuverai y,aTa rh J, z«'
eOTiv e'/Moaojv r; AJ (tovvo yctq
(favegov)' i; aga AJ ev&eia Um-
XioTt] lau TtaoCov tojp äno tov J
Ttgbg Toy ABF av/Xov Tigoosn^T"
Tovai'jv ev^euüv üare Dmoolov
133
Ältere Sphärik des 4. Jahr-
hundertS; citirt nach der
unter Theodosios' Namen
überlieferten Redaetion.
Autolvkos
n€Ql y.ivovf.iivfjg (jfpaiQag.
;f/ari; iari jcafjGiVTÜv&Tco
rav avvov arjiLielov TtQog
Tr]V ^ulZova 7t€Ql(p€Q€iaV
%ov el <Jpx^S y.^n^Xov Tcgoa-
jitTCTOvaüv si-S-eiCJv, xai
ael f} eyyiov avrfjg Tfjg
airvjTeQÖv iartv iXdaaiop
u. s. w.
iarlv f} AJ ei&eia rijc,' JA ev-
O-elag.
Propos. 7, p. 24, 6— U:
Avxlov örj TLvog rov ABJF hrl
dixiiieTQov Tfjg H& rfifi^ua xixlov
6q&ov ifpiati^-Aev rb HZG, xai i]
rov itpeOTCJTog rfÄrif.iaTog tovHZQ
7C€Qi(piQ€ia €ig äviaa TiT^irjrav y.a-
Tct ToZarifieioVy ycal eaviv eXaaacop
riZHTtBQKpBQeia' rjZHixQa ei&eia
DMxloTrj earlv naaCov Ttov ärto rov
Zor]f.i€lov TtQog rov ABJrY.i)yXov
TtQoaitLTtrovaojv edd-eiwv 'Aal ij
%yyLOV ciga rfjg ZH ekdaacjv loriv
ikdaacjy Sga eativ ^ 23? rfjg ZB.
Nicht immer hat es Autolykos für erforderlich gehalten —
und die späteren Mathematiker sind hierin seinem Beispiele
gefolgt — die anderweit bewiesenen Lehrsätze an den Steilen,
wo sie in den Gang der Beweisführung eintreten, ausdrücklich
zu citiren. Die mathematische Deduction ist eine streng ge-
schlossene. Wenn also im griechischen Texte mit Sga oder örj
eine Folgerung gezogen wird, ohne daß der Grund hinzugefügt
ist, auf welchem diese Folgerung beruht; so kann es für den
Kundigen nicht zweifelhaft sein , welcher bereits erwiesene
Lehrsatz hier stillschweigend vorausgesetzt ist. Es sind oben
(S. 130 f.) vier Stellen nachgewiesen worden, an denen Autolykos
dasjenige Theorem der Sphärik, welches bei Theodosios 1,15
sich findet, theils vollständig, theils abgekürzt citirte; aber auch
in Propos. 10 p. 36, 13, wo mit den Worten rl^ei dt] y.al öuc
rcjv rov ABF TtöXcov Tialearai ÖQ-O'bg nqog avröv zwei
Folgerungen neben einander gestellt werden , beruht offenbar
der Schluß xai earai, dq^hg TtQog avröv ebenfalls auf Sphärik
I, 15. Auch auf die aus dem II. Buche der Sphärik oben (S.
131 f.) angeführten Propositionen 2 und 10 hat Autolykos noch
134
anderwärts sich bezogen^). Außerdem sind von demselbeD
Schriftsteller noch folgende Sätze der Sphärik an denjenigen
Stellen benutzt worden, die ich unter Verweisung auf meine
Ausgabe in Kürze beifüge:
I, def. 5: 7teQiaq:aiQag6p. 20,25 — iß(äli,a7ialiar] u.s.w.)
und Scholion xg,
- - 6: ebenda 7 p. 22,10; 26,1; 28,13,
1, 4: ebenda 1 p. i, 1 1 [Tcoir^aet drj xo^ir^v tlv-aXov) u. Schol.a,
- ebenda 2 p. 6, 23 {Tcocr^aat ät] {to^ir^y Iv rfj aq>al^<f
TLVnXov),
I, 6: ebenda 12 p. 46, 18 {^uyiazog &Qa kaxlv u. s. w.)
und Schol. rt, vergl. mit p. 47 am Ende,
I, 11; ebenda 2 p. 8, 13 — 16 (xai ItzbI (xeyiaTÖg laxivhA-
T€Qog u. s.w.) u. Schol. g, vergl. mit p. 9 adn. 2,
- - 7t€Qi eTtcToXüJv I, 10 p. 86, 14 — 15 {xal BTttl xata
didfUTQÖv iazt rb H T(p ^, vergl. mit p. 87 adn. 8,
- - ebenda p. 88, 7 — 8, vergl. mit p. 89 adn. 4,
I, 20: TtBQi acpaigag 10 p. 36, 12 — 13 {yeyQarp&w yciQ öia
tCüv A d ar^^elojp f^ieyiavog xvxkog b A^6]j
- - negl iTtirokCjv I, 9 p. 82, 8 — 9 [yeyQÜcp&w yhq dia
Toü H (.leyiavog xöxlog u. s. w.),
II, 3 : TtsQi aifaiQag 6 p. 18, 13 — 15 [(paveqov drj Sri . . .
b ABV y.V'AXog rCov AZU F&K xvxkwy itpan-
TETai) und Schol. za, vergl. mit p. 21 adn. 1,
II, 5: ebenda 10 p. 36, 13 (f,'^€t dri xal dia tCjv rou ABT
TtöXcjv) und Schol. /t?j und vß^
H, 20: ebenda 9 p. 34, 1 — 2 [r] FZ &qa TCCQUpiQeia r\g
EH 7teQup€Q£lag fiei^iop ioTlvtj b fiola)\x. Schol. fid.
Noch ist zu erwähnen , daß im Scholion fid- zu Autolykos
TreQi a<paiQag 10 (p. 38, 1) auf Sphär. III, 3, und von Auria
zu TtiQi ijtLxoKbp 1, 10 (p. 87 adn. 8, p. 89 adn. 4) auf Sphär.
II, 9 Bezug genommen wird; jedoch läßt sich nicht behaupten,
daß Autolykos an den betreffenden Textesstellen, mögen sie
1) Die Anwendung von 1(, 2 ist nachgewiesen in meiner Ausgabe p. 24
adn. 1 vgl. mit Schol. xa, ferner von II, 10 in Scholion Cp. <0, 25 (der Fall
ist analog dem vorher p. S, 3—7 behandelten, über welchen oben S. 4 32 zu
vergleichen ist). Dagegen ist mir nicht ersichtlich, weshalb Auria an den
p. 87 adn. 6 und p. 80 adn. 5 bezeichneten Stellen auf Sphär. II, 43 ver-
weist.
135
auch in VerbiDdung mit den citirten Sätzen der Sphärik gesetzt
werden können, eben diese Sätze zur Beweisführung benutzt
habe.
Wir begnügen uns vielmehr mit denjenigen Sätzen der
Sphärik , welche laut obigem Nachweis sicher von Autolykos
angewendet worden sind, und stellen dieselben zunächst der
Reihe nach zusammen :
I def. 5. 6, propos. 1. 6. 7. 8. H. 45. 20,
II propos. 2. 3. 5. 10. 13. 20,
III propos. I.
In der Beweisführung zu diesen Propositionen werden
voraussichtlich auch andere Satze der SphUrik benutzt worden
sein. Gehen wir beispielsweise von II, 13 aus, so laßt sich
nachweisen die Bezugnahme auf I def. 5, propos. 15, II propos.
5. 9. 40. 11. Ferner werden in II, 5 benulzt I, 11. 20, II, 4,
und wenn wir weiter fragen, welche Sätze wiederum für die
Beweisführung dieser letzteren drei Propositionen vorauszusetzen
sind, so begegnen uns theils solche Sätze, die schon in obigem
Verzeichniß sich finden, theils aber folgende , die in dasselbe
noch einzufügen sind: I, 2. 16. 17. Indem wir so weiter von
jedem ermittelten Satz zurückgehen auf die betreffenden frü-
heren Sätze, sind wir berechtigt, das obige Verzeichniß der
Definitionen und Theoreme, welche der von Autolykos benutzten
Sphärik angehört haben, zu vervollständigen, wie folgt:
I def. 1—6, propos. 1. 2. 6—11. 13—17. 20,
II def., propos. 2—5. 9—11. 13. 20,
III propos. 1.
Soweit also haben wir aus der jüngeren unter Theodosios*
Namen überlieferten Bearbeitung der Sphärik diejenigen Sätze
herausgeschält, welche dem Autolykos vorgelegen, mithin einem
bereits im vierten Jahrhundert bekannten Lehrbuche angehört
haben. Nur beiläufig erwähnen wir, daß mit großer Wahr-
scheinlichkeit auch noch eine Anzahl anderer Sätze desTheodo-
sios vom ersten Jahrhundert v. Chr. zurück auf das vierte Jahr-
hundert datirt werden können ^]; doch haben wir diese Spuren
4 ) Mehrere Sätze stehen zu den oben angeführten in so naber Bezie-
hung, daß sie schwerlich späteren Ursprungs als jene sein können. Dazu
kommt der Vergleich mit den Phänomcna des Euklid. Wie A. Nokk
Über die Sphärik des Theodosius, Programm des Gymnasiums zu Bruchsal,
4847,8.49—22, und J.L. Heiberg Studien über Euklid, Leipzig 4 882,
4886. 40
136
hier nicht länger zu verfolgen, sondern vielmehr der weiteren
Frage uns snzuwenden, welche Sätze der elementarenGeo-
metrie, also Sätze, die uns als Bestandtheile der Elemente
Euklids überliefert sind, dem Verfasser der älteren, dem vierten
Jahrhundert angehörigen Sphärik als schon erwiesen vorgelegen
haben müssen.
In den Schollen zur Sphärik des Theodosios , welche einen
durchaus sachkundigen Commentar zu diesem Werke darstellen,
wird allenthalben auf Sätze der Elemente Euklids Bezug ge-
nommen. Ja viele von diesen Sätzen werden im Text des Theo-
dosios in derselben Weise, theils vollständig, theiis abgekürzt,
citirt, wie es früher bei Autolykos nachgewiesen worden ist.
Nun könnte man sagen, daß diese Beweisstücke erst von Theo-
dosios aus den Elementen Euklids eingefügt worden sind; dann
aber würde sofort die andere Frage sich aufdrängen , welche
Beweisstücke in diesem Falle, anstatt der von Theodosios her-
rührenden, in der älteren Sphärik gestanden haben mOgen.
Gewiß im wesentlichen dieselben, wie wir sie jetzt noch in der
jüngeren Sphärik vorfinden.
In der That hat ja Euklid die nach ihm benannten axoix^la
ebensowenig selbst erfunden, als Theodosios die aq>aiqvKa\ er
hat vielmehr seine große Elementargeometrie aus verschiedenen,
S. 43 — klf nachweisen, hat Euklid in der genannten Schrift aus Buch I der
Spbtthk die Propositionen 4. 43. 48. 45, aus U Propos. 4. 5. 8. 9. 4 3. 4 5.
47 — 49. S2, aus in Propos. 3. 7. 8. theils ihrem Wortlaute nach citirt, theiis
stillschweigend angewendet. Indem wir nun ähnlich, wie oben S. 435 bei
den von Autolykos citirten Sätzen, aus den hier angeführten Propositionen
zurückschließen auf diejenigen Stttze, welche zur Beweisführung erforder-
lich waren, so ergibt sich, daß laut Euklid die altere Sphärik minde-
stens folgende Stttze der unter Theodosios' Namen uns überlieferten
Sphärik enthalten hat: a) die dem I. und H. Buche vorausgeschickten De-
finitionen, h) I Propos. 4. 2. 6—4 7. JO. J4, c) II, 4—6. 8—4 3. 4 5. 47—19.
S4. 22, d) III, 4 — 4. 7. 8, das sind in Summa 7 Definitionen und 40 Pro-
positionen. Dazu kommt die nur von Autolykos benutzte 20. Proposition
des II. Buches (S. 435). Da nun das ganze Werk des Theodosios, abgesehen
von den beiden letzten Sätzen des I. Buches, welche wahrscheinlich unächt
sind (vergl. oben S. 4 25 Nr. 45), 58 Propositionen enthält, so folgern wir,'
daß mindestens zwei Drittel, wahrscheinlich aber ein noch größerer
Bruchtheil der Sphärik des Theodosios von diesem [^Mathematiker aus
einem Lehrbuch entnommen worden sind , welches gegen Ende des
vierten Jahrhunderts dem Autolykos und wenig später dem Euklid vorlag.
137
schon früher vorhandeDen Lehrbüchern zusammengestellt. Und
zwar lagen ihm die Sätze, deren Inhalt er herübernahm, ein-
schHeßlich der dazu gehörigen Beweise, der Hauptsache nach
bereits in derjenigen Form vor, welche unter seinem Namen
bis auf die Gegenwart sich erhalten hat. Seine Thätigkeit war
lediglich eine sichtende, ordnende, ergänzende, und in diesen
Beziehungen zugleich eine so vorzügliche , daB sein Gesammt*
werk in kürzester Zeit alle früheren Lehrbücher, welche nur
einzelne Theiie der Elementargeometrie behandelt hatten, in
Schatten stellte und für spätere Geschlechter in Vergessenheit
brachte ^) .
Wir dürfen also mit größter Wahrscheinlichkeit annehmen^
daß jedem Satze der euklidischen Elemente, welcher in den
oben (S. 435] zusammengestellten Sätzen der jüngeren Sphürik
angewendet worden ist, in der alteren Sphärik ein nach Inhalt
und Form ähnlicher Satz entsprach. Es scheint angemessen
hierüber zunächst im einzelnen Rechenschaft zu geben.
- . , Sätze der Elemente des Euklid, welche in
Th !^ • ^^ den Beweisen zu den aus Theodosios ange-
Theodosios. führten Sätzen benutzt worden sind :
I, 1, corolL 12) . . i^ 47^X1, 11,
K 2 III, 1, XI, 11,
6 I,17.19.47,llldef. 1,XIdef.3,propos.4
7 I def. 10, propos. 8, XI, 4,
9 I, 47,
10 I, *. 8,
11 Idef. 17, XI, 3,
13 XI def. 4,
14 und 15 .... XI, 18,
16 ....... . I, 4, IV, 6,
17 p. 15,20 Nizz. XI, 2 (nach dem Scholiasten zu Theodos.
I, *7),
4) CantorVorlesangen üher Geschichte der Mathematik I,S. 235 — 237,
Heiberg Studien üher Euklid, S. 29~-86.
2) Da das zweite noqiagjia zu dieser Proposition in den Beweisfüh-
ruDgen zu den Propositionen 2. 6. 43, welche ebenfalls als Bestandtheile
der älteren Sphärik nachgewiesen sind , zur Anwendung kommt , so ist
das erste noQiff/Ao^ mit welchem das zweite im engsten Zusammenhang
steht, bereits vor Autolykos vorhanden gewesen.
4 0*
13S
Sätze derElemente des Euklid, weichein
"^ . ^ den Beweisen za den aus Theodosiosange-
Theodosios: führten Sätzen benuUt worden sind:
II, 2 XI, 1 4,
II, 3 III, 16 coroll., XI def. 3, propos. 49,
II. 9 ...;... . lU, 3, XI def. 3, propos. 3. 49,
II, 40 UI def. 4 4, propos. 26. 27, XI, 40. 46,
11,41 1,8.47, in, 26, XI def. 3, propos. 38 vulgo,
III, 4 1,47,111, 4. 7, XI def. 3, propos. 38 vulgo.
Untersuchen wir nun weiter, welche allgemeinen Sätze vor-
auszusetzen sind für die hier angeführten Definitionen, und
welche anderen Lehrsätze erforderlich waren, um die hier ver-
zeichneten Lehrsätze zu beweisen, so ergibt sich eine stattliehe
Reihe von Elementarsätzen , welche dem Verfasser der älteren
Sphärik bereits vorgelegen haben müssen. Heufzutage können
wir alle diese Sätze nur nach der Überlieferung in Euklids
Elementen citiren, aber wir sind zugleich berechtigt, sie sämmt-
lieh als vor euklidisch zu bezeichnen.
Es folgt die summarische Übersicht dieser Sätze :
Elem. I def. 4 % 9—23,
air feuert a 4 — 5,
y.Oivai eryoiai 4 — 4. 7 — 9,
propos. 4— 5.7— 20.22— 2i. 26— 29.31— 3L
44. 46. 472).
III def. 4. 2. 6—9. 44,
propos. 4 cum coroll., 3. 5. 7. !0. 46. 20 — 22.
24. 26. 27. 34,
IV propos. 6,
XI def. 3. 4. 8,
propos, 4—41. 43. 44. 46. 18. 49. 38 vulgo.
4} DaB Definition 4 ihrerseits auch Defin. 4—3 voraussetze, läßt
sich zwar nicht als sicher, aber doch als wahrscheinlich hinstellen.
2; Proposition 47 ist der sogenannte Lehrsatz des Kthagoras. Vergl.
Bretschneider Die Geometrie vor EuklidesS. 79—82, Hankel Zur Geschichte
der Mathem. S. 97 f., Cantor Vorlesungen über Geschichte der Mathem. I
S. 452 — 157, Allman Greek Geometry from Thaies to Euclid, Hermathena
vol. m (Dublin 4877) p. 483. 494—4 94. Die Frage, auf welche Weise P^-
thagoras diesen Satz erwiesen habe, ist vielfach erörtert worden. Wohl mit
Recht weist Bretschneider S. 84 f. darauf hin, daB Proposition 47 nebst
ihrer Umkehr (Prop. 48) den Abschluß des I. Buches der Elemente bildet,
und vermuthet daher, daß Pytbagoras zum Beweise des Satzes keine an-
139
Vergegenwärtigen wir uns jetzt in Kürze den bisherigen
Gang der Untersuchung. Gberliefert sind uns aus dem ersten
Jahrhundert v. Chr. die von Theodosios herausgegebene SphUrik
und aus der Zeit gegen Ende des vierten Jahrhunderts das Buch
des Autoiykos über die rotirende Kugel. Da in dem letzteren
Werke mehrfach auf Lehrzätze Bezug genommen wird, welche
wir jetzt in der weit jtingeren Sphärik des Theodosios vor-
finden , so ist es möglich gewesen, eine Reihe von Sätzen der
jüngeren Sphärik nachzuweisen als entlehnt aus jener schon im
vierten Jahrhundert bekannten Sphärik (S. 429 — 435). Aus-
gehend von diesen Sätzen ist dann weiter ermittelt worden,
welche Bestandtheile der unter Euklids Namen überlieferten
Elemente dem Verfasser jener älteren Sphärik mindestens
bekannt gewesen, also aus Lehrhüchern entlehnt worden sind,
welche der Mitte des vierten Jahrhunderts, wenn nicht einer
noch früheren Zeit angehörten.
Dies also die ältere Sphärik und die älteren Elemente,
soweit sie aus Au toly kos wiederherzustellen waren. In Kürze
ist dabei auch der Beziehungen gedacht worden, in welchen die
schriftstellerische Tbätigkeit des Euklid zu diesen älteren
Werken gestanden hat (S. 435 — 437). Wenn somit nach-
gewiesen ist, daß sowohl Autolykos als Euklid abhängig gewe-
sen sind von den genannten, dem vierten Jahrhundert ange-
hörigen Lehrbüchern, so bleibt noch drittens zu erörtern, ob
Autolykos und Euklid ihrer schriftstellerischen Wirksamkeit
nach einander gleichzeitig, oder ob der eine früher als der
andere anzusetzen ist.
BetreJBFi? des Autolykos liegen uns nur zwei chronologische
Notizen vor, und diese lassen einen sehr weiten Spielraum.
derweiten Mittel verwendet habe, als die im ersten Buche enthaltenen,
Wenn man auf Grund der euklidischen Redaction prüft, welche früheren
Satze im Beweise zu Propos. 47 benutzt worden sind, und weiter rückwärts
die für diese letzteren Sätze wiederum vorauszusetzenden Beweisstücke
verfolgt, so ergibt sich, daß nach euklidischer Auffassung, welche viel-
leicht von derjenigei\ des Pythagoras nicht wesentlich abwich, der pytha*-
^oreische Lehrsatz auf folgenden Stücken des I. Buches der Elemente beruht:
def. 4 (vielleicht auch i — 8: vergl. vorige Anm.), 40 (viell. auch
9. M. 14), 49. 24— J8,
ttiTtjfi, 4, 2. 5, xo^y, Ivv, 4 — 8. 7 — 9,
propos. 4—5. 7—44. 43—46. 48—20. 22. 23. 26. 27. 29. 34. 34.
44. 46.
140
Er führte einen wissenschaftlichen Streit über die Planeten-
bahnen gegen Aristotheros ^) , welcher unter den Lehrern des
Dichters und Astronomen Aratos genannt wird^). Aratos ist
wahrscheinlich um das Jahr 34 5 geboren '); aber da wir weder
wissen, um wie viel älter Aristotheros als sein Schüler Aratos,
noch auch wie altAutolykos gewesen ist, als er gegen Aristotheros
schrieb, so müssen wir uns zunächst mit der ungefähren Ver-
muthung begnügen, daß die Blüthezeit des Autolykos wahr-
scheinlicher gegen Ende des vierten, als zu Anfang des dritten
Jahrhunderts zu setzen ist.
Ebendarauf führt auch eine andere, für unsere Zwecke uoi
ein wenig genauere Tradition. Der Akademiker Arkesilaos hat
von 315 bis 241 gelebt und ist um das Jahr 300 Schüler des
Autolykos gewesen^). Setzen wir den Lehrer mindestens um
4) CWachsmuth Der Mathematiker Aristotheros, Rheinisches Mu$.XX,
1865, S. 455 f., Autolycus ed. Hultsch praef. p. VII f. (wo zugleich der Nach-
weis der einschltfgigen Litteratur sich findet) , P. Tannery Bulletin des
Sciences math^matlques (Paris,GauthierVilIars), X,2,8eptembre 4886,p.495f.
2] Aratus recogn. loim. Bekker. p. 46, Btoy^a^poi ed. A,yfes\^na»
p. 60, 2i: eytoi de (paai toy'^Qaxou MyaoBov naxqos yeyoyiyai, j4qi<tio^
Qov de tiyog fiad^ficetixov diuxovaat,
8) Die verschiedenen Ansichten über des Aratos Zeitalter sind neuer-
dings von Fr. Susemihl Analecta Alexandrina chronologica , Ind. schol.
Gryphisw. hib. 4885,zusaaimengestent und kritisch gesichtet worden. Nach
ihm ist Aratos um 315 (nachCouat zwischen 34 5 — 310, nach anderen später
bis zum J. 300) geboren. Zu Antigenes Gonatas kam er zuerst im J.S76und
kehrte im J. 272 oder wenig sp&ter, nachdem der Kdnig Makedonien wieder
in Besitz genommen hatte, an dessen Hof zurück. Gestorben ist er Tor
Antigenes, also vor dem J. 239 (nach Couat zwischen 245 — 240.)
4) Arkesilaos starb nach Diog. Laert. 4, 59. 61 im 4. Jahr der 134.
Olympiade = 241/40 v. Chr., und zwar im 75. Lebensjahre, wie Diog. 4,44
nach Hermippos meldet. Yergl. E. Zeller Die Philosophie der Griechen 11^,
1, S. 846, III3, 1, s. 491 f., H. Diels Chronologische Untersuchungen,
Rheinisches Museum XXXI, 1876, S. 46 f. Die abweichende Angabe über
die ((XfiTi desselben, welche Diog. 4, 45 aus der Chronik des Apollodor mit-
theilt und Diels a. a. 0. durch Änderung der Olympiadenzabl (ne^l tvf^
l^xrrjy xai eixoarr^y xal Ixatoarr^y statt neql tr,v eixomriy xaX ixatomiy}
mit der übrigen Tradition in Einklang zu setzen vorschltfgt, scheint auf
einem irrthümlichen Synchronismus zu beruhen, incl^m man Arkesilaos zu
einem jüngeren Zeitgenossen von Antigonos I (Monophthalmos) machte.
Aber alles, was bei Diogenes 4,89 — 42 über das Verhalten des Arkiselaos
gegenüber Antigonos überliefert ist, bezieht sich offenbar auf Gonatas
\vgl. besonders 4, 41 , wo Halkyoneus als Sohn des Antigonos genanntwird).
DieWorte desDiogenes 4,89:^e7ft xBjrjyüyriyoyov yavfjiaxifitvnoXX&vnqoC'
lorioty xnl tTnotoXitt naQaxXr^Tixit y^atpoyxiay ahxog laitonr^aey bezieht
141
ein Dritteljahrhundert älter als den Schüler an — und es ist die
wirkliche Altersdifferenz wohl eher größer als kleiner gewesen
— so haben wir von der BlUthe des Arkesilaos, welche um
375 fällt 1), zurttckzurechnen auf das Jahr 340 als die mittlere
Biathezeit des Autolykos.
J. G. Droysen Geschichte des Hellenismus III-, 4, S. 4 91 f. auf die See-
schlacht im J. 278, welche, wie er annimmt, für Antigonos günstig ausge-
fallen ist. Die kmigToXia naqaxXrjxtxa sind also Gratulationsschretben oder,
wie Cobet freier übersetzt, Uterae blanditiarum plenae, nicht epistolae pro
consolatione oder consolatoriae , wie die Übersetzung in den Ausgaben von
Is. Casaubonus und H. G. Huebner lautet, wahrscheinlich mit Bezugnahme
auf Memnon bei Phot. Biblioth. p. 227 a 4, ed. Bekk., der die Niederlage
des Antigonos in einer Seeschlacht erwähnt. Wie alt Arkesllaos gewesen,
als er den Autolykos bOrte, Ittßt sich ziemlich genau bestimmen. Ihre
gemeinsame Vaterstadt war Pitane , und dort traten sie zuerst in Verkehr
mit einander. Dann reiste Arkesilaos mit Autolykos nachSardes, hielt sich
später eine Zeit lang in Chios auf und ging von dort nach Athen, wo er zu-
nächst an den Musiker Xanthos, dann an Theophrast sich als Schüler an-
schloß, zuletzt aber zu dem Akademiker Krantor überging (Diog. 4, 38 — 30.
43). Damals war Arkesilaos noch ratiyicxog und wurde von Krantor, der
ihn schwärmerisch liebte {iQiotix&s Siaje&sig), mit einem Verse des Euri-
pides als »Jungfraua begrüßt. Wir werden also die Zeit, wo er den
Autolykos in Pitane hörte, nicht später als in sein fünfzehntes Lebensjahr,
d. i. in das J. 300, versetzen können.
4) Die aleiandrinischen Gelehrten pflegten für die axfiy eine be-
stimmte Altersstufe, nämlich das vierzigste Lebensjahr, anzusetzen. Vergl.
Tb. Bergk Griechische Literaturgesch. I S. 300 f., H. Diels a. a. 0. S. 42 f.
Hiemach rechnet der letztere S. 47 Olymp. 4 26, 2 = 275 als das mittlere
Jahr der axfi^ des Arkesilaos. Die Vorsteherschaft der Akademie kann er
erst einige Jahre später angetreten heben. Denn Polemo, welcher seinem
Lehrer Xenokrates im J. 84 4 als Vorsteher gefolgt war (Zeller II, 4, S. 844),
starb nach Eusebios Olymp. 426, 4 »278 (Euseb. chronic, ed. A. Schoene
II p. 420, vers. Armen.), während die Überlieferung bei Hieronymus
(ebenda p. 424) statt dessen Olymp. 427, 8 oder 428, 4 setzt. Zeller S. 846
entscheidet sich für Olymp. 427, 8=270. Folgen wir der armenischen
Übersetzung, so bleibt für Polemo noch immer eine Amtsdauer von 44
Jahren. Während dieser langen Zeit haben dem Polemo der etwa gleich-
altrige Krates und der nicht viel jüngere Krantor zur Seite gestanden (Zeller
S. 846 f.). Krantor ist vor Polemo gestorben ; der hochbetagte Krates kann
seinen Altersgenossen nicht allzulange überlebt haben. Wir werden also
von der Summe von 32 Jahren, welche ^nisammen auf die Vorsteherscbaf-
ten d€« Krates und Arkesilaos entfallen, einen verhältnißmäßig nur kleinen
Theü dem Krates zuschreiben, so daß für Arkesilaos , nach annähernder
Schätzung, eine Amtsdauer von etwa 25 Jahren bleibt, mithin der Antritt
des Scholarchats ungefähr in sein 50. Lebensjahr ss 266 v. Chr. zu setzen
ist. Allein auf der Höhe seines Rufes als Lehrer der Philosophie stand er
gewiß schon früher. Die Notizen bei Diogenes 4, 39 f. stellen außer
142
Das wenige, was wir Ober Euklids Zeitalter wissen . hat
bereits Proklos in seiDenn Kommentar znm ersten Bache der
Elemente Euklids in eine passende Formel zusammengefasst^ .
Euklid war jttnger als die unmittelbaren Schiller Piatons (f 347)
und älter als Archimedes ,287-S1 2 und Eratosthenes (276-1 94, .
und seine Blttthe ist etwa gleichzeitig mit der Regierung des
ersten Ptolemäos '306-283^, oder im Mittel um 295 anzusetzen.
Aus den bisher aufgestellten Daten scheint ohne weiteres
hervorzugehen, daß Autolykosund Euklid Zeitgenossen gewesen
sind. Indeß ist zu bedenken , dafi wir nur mit nnsicheren
Näherungswertben rechnen konnten. Im Mittel haben wir
Autolykos um anderthalb Jahrzehnte vor Euklid angesetzt; die
wirkliche Differenz kann aber leicht eine gröBere gewesen sein.
Vergleichen wir die Epochen von Autolykos und Aristotheros
einerseits und diejenigen ihrer Schüler Arkesilaos* und Aratos
andererseits. Jene beiden Lehrer waren vermuthlich um ein
Menschenalter früher anzusetzen, als diese ihre Schüler. Sollen
wir nnn Euklid gleichaltrig mit Autolykos, oder zwischen letzte-
rem und Arkesilaos, oder endlich gleichaltrig mit Arkesilaos
ansetzen? Das erslere ist unwahrscheinlich, das zweite scheint
durch die vorher ermittelten Daten gegeben zu sein, aber auch
das dritte liegt nicht auBer dem Bereiche der Möglichkeit. Wir
setzten im obigen den Autolykos annähernd um 35 Jahre älter
als seinen Schüler Arkesilaos an; niemand aber wird abläugnen
Zweifel, dass er zu seiner axf*^ gelangt ist während der Reihe von Jahren,
in welcher sein Freund Hierokles die makedonische Besatzung im Peirtieus
und in Munychia befehligte, d. i. wtthrend einer Periode, die vor 278 begon-
nen und bald nach 266 geendigt hat (Droysen Gesch. des Hellenismus III ^»
4^ S. 95. 491.. 227), also wahrscheinlich vor dem J. 270, nicht erst nach
demselben. Damit stimmt der Bericht bei Plutarch (adv. Coloten p. 4421
EF) über den Ruf, dessen der Philosoph zu Lebzeilen Epikurs (f 270
sich erfreute. Daß eine solche Blüthe unabhängig von der Vorsteher-
Schaft sein konnte, lehrt ein Vergleich mit Krates und Krantor. Der
letztere, dem Horaz (Epist. i, 2, 4) dieselbe Bedeutung für die Akademie,
wie dem Chrysippos für die Stoa, zuweist, ist zeitlebens nur Lehrer an der
Akademie gewesen. Auch Krates, der bereits hochbejahrt war, als sein
Altersgenosse Polemo starb, hat lange vorher seinen Ruf als Lehrer der
Philosophie begründen müssen ; während der wenigen Jahre, welche im
günstigsten Falle auf sein Scholarchat gerechnet werden können, wäre dam
wahrlich nicht die Zeit gewesen.
4 ) Procl. in I Eucl. elem. ed. Friedleinp. 68, 6--20, Gantor Vorlesungen
über Gesch. der Mathem. I S. 228 f., Heiberg Studien über Euklid S. 25 f
143
wollen, daB er, da er einen Fünfzehnjährigen unterrichtete, auch
merklich Slter gewesen sein kann. Doch wie dem auch sei, jeden-
falls ist es zulässig zu sagen, daß seine schriftstellerische
Thätigkeit vor 300 v. Chr. fiel; andererseits aber steht
nichts der Annahme entgegen, daß Euklid erst nach dem J. 300
mit der Abfassung seiner Werke begonnen habe.
Somit haben wir die Formel gefanden, bei welcher wir
fortan zu verbleiben haben. Die Nachrichten sowohl über die
Lebenszeit des Autolykos als des Euklid sind so unsicher und
dehnbar, dass daraus allein nimmermehr eine klare Entschei-
dung, ob beide gleichaltrig waren oder um wie viel der eine
älter war als der andere, sich wird ableiten lassen. Aber die
noch erhaltenen Werke derselben werden uns vermuthlich Aus-
kunft geben, wer von beiden früher, wer Später geschrieben hat.
Bei dieser Vergleichung kommen von den Schriften Euklids
zunächst die Phänomenain Betracht.
Während Euklid bei der Zusammenstellung seiner aTOix^la
nirgends einen AnlaB hatte, auf die Bücher des Autolykos, welche
doch wesentlich astronomischen Inhalts sind, Bezug zu nehmen,
mußten für ihn in seinen Elementen der Astronomie, welche
er q)aiv6i,uva betitelte, die Berührungspunkte mit Autolykos'
Schrift TtBQi aq>a£Qag nivovpiivrjg um so zahlreicher sein.
Schon ein erster vergleichender Überblick läßt erkennen, daß
das Buch Tte^l aq>alQag älter sein muß als die Phänomena, und
diese Wahrnehmung wird immer mehr bestätigt, je näher man
auf den Inhalt beider Werke eingeht ^) . Alle einschlägigen Sätze
des Autolykos werden von Euklid benutzt, ja zumTheil wörtlich
citirt. Besonders bemerkenswerth ist die Fassung der Worte in
Propos. 2 (p. 564 Gregor.): Src ^iv oiv b 8iht tcov Ttöktov r^g
Ofpaiqag TtQhg rhv BEF bqLCovza dlg dQ&6$ ioTc, dideinrai,
womit auf die 40. Proposition des Autolykos ausdrücklich Bezug
genommen wird 2). Auch die Terminologie des Autolykos behält
Euklid im wesentlichen bei und gestattet sich nur insoweit Ab-
weichungen, als der besondere Inhalt seiner Schrift eineVerein-
4) Vergl. Nokk S. 4 5 and Heiberg S. 41—43 der oben S. 435 Anm. 4
citirten Schrillen.
2) NokkS. 45, Heiberg S. 41. Daß zu ^ideixiai etwa noch hinzu-
gefügt wäre vno ^IroXvxov iu t4> ^egl etpai^ag^ darf niemand erwarten;
denn nirgends führt Euklid die von ihm benutzten früheren Autoren na-
mentlich an.
144
fachuDg der von seinem Vorgänger gewählten Ausdiilckeund da-
mit zugleich eine kürzere Fassung der Sätze desselben ermöglicht.
DennAutolykos setzt ganz abstract eine um ihre Achse sich
bewegende Kugel voraus und bildet demgemäß die mathemati-
schen Kunstausdrttcke. Während er also jede Beziehung auf die
scheinbare Bewegung der Himmelskugel absichtlieh vermeidet,
sind für Euklid alle damit zusammenhängenden Erscheinungs-
formen die Grundlage seines Werkes. Das Buch TteQi aq>aifag
kennt nur Punkte [arjfieia) auf der Kugeloberfläche, keine Ge-
stirne [üaTQa) am Himmelsgewölbe^); ebenso wenig können
darin die Ausdrücke /i<€(JY}ju/^^ii/(}9 (Meridian), larj^eQiPÖg (Aequa-
tor], ^ipÖLaTiögj TQ07ti7coi erscheinen; auch mit bQitcJV hat es,
wie wir sofort sehen werden, seine besondere Bewandtniß.
Euklid deßnirt p. 564* /.lear^fißQirbg dk Ttimkog xakeia&uf b dia
xCiV Ttokwv Tf^g atpaiqag xal dq^og TtQog %hv b^iCowa'^ bei
Autolykos dagegen heißt der entsprechende Kreis lediglich
6 8ui rCiv Ttökiop rf^g a<palQag xvxkog^). Den lari^ie^ivög im
astronomischen Sinne erwähnt vergleichsweise der Scholiast zu
Tteql oipaLqag Proposition 4, der Verfasser selbst aber spricht
nur von einem fiiyiOTog xifTikog nqog öf^ceg wp r(p S^ovt. In
Proposition i\ wird streng mathematisch und ohne Rücksieht
auf den besonderen Fall der Stellung der Erdachse zur Ekliptik
bewiesen, unter welchen Bedingungen ein zur Achse der Kugel
schief stehender größter Kreis in jedem Punkte eines gewissen
Bogens eines anderen schiefen Kreises sowohl auf- als untergeht.
Die Fassung des Lehrsatzes muß, eben wegen der Allgemeinheit
der Voraussetzungen, eine ziemlich umständliche sein. Nachdem
dies aber einmal von Autolykos erledigt worden ist, erwächst
für Euklid in dem Beweise zur 7. Proposition der Phänomena
(p. 570) der Vortheil einer bedeutenden Abkürzung, denn er
schließt einfach in folgender Weise: Set, ^ilv ovv b zatp CtfdLoiV
AV'Akog 'Aanh nävta tütiop tov bfi^opvog top fiera^v vwv tqo-
\) Allerdings bietet die Überlieferung an einer Stelle (p. 34,45}
(iaiQa, wo wir ar^fAtla erwarten, und kurz vorher {p. 84, 18] vnl^ yf/y slalt
vtiIq joy boi^ovxa. Allein der im übrigen durchaus consequente Gebrauch
des Schriftstellers beweist, daß wir hier spätere Umbildungen des ur-
sprünglichen Textes vor uns haben. VergL die adnotaiio eritica p. XXXH
meiner Ausgabe, und den Index unter den betreffenden Wörtern.
3) UbqI a(fuiq€ii Propos. 10. Vergl. R. Wolf Geschichte der Astro-
nomie S. 14 5, Heiberg a. a. 0. S. 42 f.
145
Ttuwv uvarikkei TB y(.al dibvei^ (pavsQÖv, ijtetdrjTteQ ^ui^öviuv
eg>67tr€Tai xvxAwi' -q &v b öqICiov eq)d7tTevat. Hier ist in dem
Schlußsatze (hinter iTtetdrjTteQ) das Citat von neql aq)aiQag 1 1
enthalten, die vorhergehenden Worte aber bedeuten, daß die
astronomischen Begriffe Zodiacus, Horizont, Wendekreise der
Reihe nach denjenigen Voraussetzungen entsprechen, welche
Äutolykos auf rein mathematischem Wege in seiner 4 \ . Propo*
sition construirt.
Nach diesen Vorbemerkungen wird es leicht sein zu zeigen,
wie aus dem Sprachgebrauche des Äutolykos das W^ort bqitiov
zu der uns geläufigen Bedeutung sich entwickelt hat. Äutolykos
gebt von der einfachen Anschauung aus, daß dem Beschauer
einer Kugeloberflache, selbstverständlich unter Voraussetzung
der geeigneten Entfernung, nur die eine Hälfte der Oberflüche
sichtbar, die andere aber unsichtbar ist. Von dem größten
Kreise, welcher die sichtbare Hälfte von der dunklen Hälfte
scheidet, heißt es: b^i^Bi t6 te q)aveQbv Tfjg acpaiqag tloI to
atpavigj oder ähnlich ^j. Wird die Kugel um ihre Achse gedreht,
so bleibt diese Kreisebene unbeweglich, was schon zu des Äuto-
lykos Zeiten gewiß in ganz ähnlicher Weise dargestellt worden
ist, wie es noch heutzutage an jedem Himmelsglobus zu sehen
ist. In dem Buche neQi aq>alQag leitet sich nun hieraus zu-
nächst die participiale Bezeichnung ab: b bqlC(av iv tfj acpa(Q(f
ximlog t6 tb rpavBqbv trjg ocpaiqag %ai rb itpavig; um aber
nicht immer diese umständliche Redeweise zu wiederholen,
läßt der Schriftsteller nicht selten die aus dem Zusammenhang
sich ergebenden Beiftlgungen weg und gebraucht bgiCfop allein,
immer jedoch so, daß 'KixXog aus dem Vorhergehenden zu
wiederholen oder stillschweigend hinzu zu denken ist. Auch in
der Schrift tvbqI iniTokwv xa2 dvoButv wird im wesentlichen an
diesem Gebrauche festgehalten. Noch im 2. Buch (p. 142,21)
finden wir die ursprtin gliche Form fast vollständig erhalten:
laxiü bgl^iov to cpavBQOV xal rb äq)avBg b AB^ xal TQonrAol
fuv earcjoav ol FJ EZ, larjfiBQtvbg dh b HQj b 6k twp ZojdUov
Kvxlog b KHAQ, und bald darauf (p. MO, 4): eariü bQittov b
AB %b (pavBqbv xai to dtpavhg rfig oq)aiqag^ ^([JÖta^bg de b FJ;
dann findet sich kürzer bgl^wv Kvxkog, endlich auch bgiCcov
\) Über diesen und die folgenden Ausdrücke gibt mein Index zu
Äutolykos unter oQiCeiy und oQiCtoy den näheren Ausweis.
146
allein, letzteres vielleicht etwas häufiger als in dem Buche Tte^l
OffaiQag. aber immer gemäB dem dort beobachteten Sprach-
gebrauche. Dies ist um so bemerkenswerther, als in der Schrift
TtiQi iTTiToijbv^ Wie die oben angefohrten Stellen zeigen, der Be-
griff »Horizont« lediglich im astronomischen Sinne vorkommt, fttr
jeden Punkt der Erdoberfläche welche als ruhend zu denken
ist) die durch diesen Punkt normal zur Scheitellinie gelegte
Ebene bezeichnend ^ . Dies hat Euklid in seinen Phanomena von
vornherein festgestellt, und demgemäB ist ihm b^iZtuv nicht
mehr eine Verbal form wie bei seinem Vorgänger, sondern eine
ursprünglich adjectivische und durch die stehende Weglassung
von xir/,Xog substantivisch gewordene Form. Dies zeigt sich
schon in der Definition p. 564 : oouuv de TialeiaS^to rb dt fjutiv
iTtiTvedov IxTtlTtrov tlg %ov y.dauav xal &(poQiZov ro vitlq yfg
oQUßuevor fjuiatpaiQiov [seil, tov y.öauov), und so wird der Aus-
druck gleichmüfiig in der ganzen Schrift gebraucht 2).
Doch wir kehren zu des Autolykos Buch über die Kugel
zurück. Dasselbe ist von Euklid in seinen Phanomena allent-
halben, wo sich AnlaB dazu bot, benutzt worden. Umgekehrt
läßt sich in dem Buche über die Kugel keine Bezugnahme auf
die Phäoomena erkennen. Wollte man nun sagen, daB, wie es
ein griechisches Lehrbuch der Sphärik längst vor Theodosios
gegeben hat, ebenso auch vor dem Buche des Autolykos Tte^i
arpalqag vielleicht eine andere ältere Schrift ähnlichen Inhalts
existirt habe und daß Euklid diese Schrift benutzt haben könne,
mithin der Beweis für die Priorität des Autolykos vor Euklid
immer noch nicht erbracht sei^ so scheint es nicht schwierig,
auch diesen Einwand zu entkräften. Das Buch des Autolykos
gehört seiner ganzen Fassung nach einer Periode der mathe-
matischen Litteratur an , welche um einen Schritt vor Euklid
zurückliegt; der letztere dagegen hat benutzt, was die Früheren,
unter andern Autolykos, ihm boten, er hat in der Nomenclatur,
i; Der Unterschied zwischen dem wahren oder astronomischen und
dem scheinbaren Horizont kommt für die alte Astronomie nicht in Betracht.
2) Daß auch im Sinne Euklids bei o bgiCtov, wie bei b ^^(f<crx<><r, o
fLBürjfji^Qipog u. s. w., jedesmal xvxXog zu suppitren ist, bedarf kaum be-
sonderer Erwähnung. Nach dem älteren Sprachgebrauch erscheint o o^i^tay
xvxXoff noch einigemal zu Anfang der Beweisführungen (Propos.
2. 8. 44. 13. 48. 44); häufiger fehlt xvxXog auch an dieser Stelle (Propos.
3 — 7. 9. 40. 45 — 48); regelmäBig fehlt es in den Propositionen selbst und
in dem Fortgang der Beweisführungen.
147 .
in der Gruppirung der Lehrsätze, in der Abfassung der Beweise
eine höhere Stufe der mathematischen Methode erstiegen. Hätte
Autolykos erst dann geschrieben, als die Phänomena bereits be-
kannt geworden waren, so konnte er diesen Fortschritt nicht
ignoriren, oder er wtlrde, wenn er es doch gethan hätte ^ sich
keinen Namen gemacht haben mit einem solchen, hinter der
Höhe der Wissenschaft zurückgebliebenen Werke. Wenn also
sein Buch tlber die Kugel doch einen Namen sich erworben und
bis in die neuere Zeit sich erhalten hat, so muß es in der
Gestalt, wie es tiberliefert ist, vor Euklid geschrieben und als
ältere Quellenschrift geschätzt worden sein. Gewiß hat auch
Autolykos seinerseits ältere, ihm vorliegende Quellen benutzt,
aber nach dem Befund der auf uns gekommenen Überlieferung
ist sein Buch über die Kugel, als noch im vierten Jahrhundert
geschrieben und der Epoche des Eudoxos möglichst nahe
stehend, diejenige Quelle, über welche hinaus zu gehen wir
keinen Anlaß haben.
Weiter aber ist im Vorhergehenden erwiesen worden, daß,
ebenso wie das Buch über die Kugel, so auch die Schrift Ttegl
iTtiTohüv 'Aal diaewv deutlich den Stempel der voreuklidischen
Epoche an sich trägt. Mag hier auch, besonders im zweiten
Buche^ manche spätere Zuthat hinzugekommen sein, der Grund-
stock des Werkes ist sicher nicht jünger als das Buch über die
Kugel. Und w^enn doch in den Beweisführungen über die Auf-
und Untergänge zwei Sätze benutzt sind, deren Analoga wir
heutzutage in Euklids Phänomena finden, so dürfen wir deshalb
nicht das ältere Werk zu einem nacheuklidischen machen wol-
len. Von des Eudoxos mathematischem und astronomischem
Wissen ist zwar nur eine spärliche Überlieferung auf uns ge-
kommen, aber dieses Wenige reicht hin um außer Zweifel zu
stellen, daß die beiden Sätze, welche wir jetzt als 6. und 41.
Proposition der euklidischen Phänomena kennen, schon zu
Eudoxos Zeit wohl bekannt gewesen und wissenschaftlich er-
wiesen worden sind. Wenn also Euklid hier eine ältere Quelle
benutzt hat, so stand dieselbe auch dem Autolykos offen.
Wir haben nun nachträglich noch die beireffenden Stellen
bei Autolykos nachzuweisen. Jlegl iTttxolwv Y,al dioecov I, 4
p. 62, 15 wird folgender Satz als bereits erwiesen citirt: %al
Irctl xct ItiI tov twv tcpdlcov '/.vy.lou SoTQa rct xata dtafie-
TQOv ivxa xara ovtvyiav ävariXleL re /.al övpec, rou iiqa
148
A d-bvovTog ro y,ai:it diaftiTQov avt^ to F ärariklei u. s. w.
Mit nur unerheblichen Abänderungen wird derselbe Satz auch
I, 6 p. 72, 8 und 42 p. 96, 3 angefahrt i}, während an zwei
anderen Stellen der Znsatz rb Tiara dui^sTQOv genügt, um die
Berufung auf dasselbe Theorem anzudeuten^). Häufiger noch
wird dasselbe stillschweigend als bereits anderswo erwiesen
vorausgesetzt'). Nach allem kann es nicht zweifelhaft erschei-
nen, daß Autolykos diesen Satz in seiner Quelle folgender-
maßen formulirt vorfand:
TU iitl Tov Tcjv tiffdiuiv xvaXov &(jTQa xa xariz äid-
^€TQ0V ovTa xorra av^vylar äyazelXet tb xal dvvu.
während Euklid, indem er den Satz als 6. Proposition seiner
Phänomena aufnahm, zu Anfang eine kleine Abkürzung eintreten
ließ und eine weitere Bestimmung unmittelbar hinzufügte:
TOf Ircl TOV ^(fidiay.ov nimlov Sarqa ra xaror dia^u-
TQov Svra xari avCvyiav ävaTiXkei re xal dvvei'
ofioicjg dk xal ra etvI tov iar^fiUQivov,
Wenn ferner Autolykos II, 1 p. 408, 24 sagt: Tfjg yaq EJ
7teQt(peQelag ävarelloiarjg jj xaira dui^etQOV a^rf} ^ rHdvvu^
Tfjg öeEJ dvvovarjg rj xara d cd fiezQov ivarikkei, so reicht diese
abgekürzte Anfuhrung zwar nicht dazu aus, das Theorem wieder
herzustellen, auf welches, als in einer älteren Quelle vorliegend,
er sich hier beruft; aber wir dürfen mit größter Wahrschein-
lichkeit vermuthen, daß dasselbe ähnlich gelautet habe, wie
in Euklids Phänomena die 4 4. Proposition: rov twv ^(pdiatv
'AVAkov Tiov Xacüv T€ xai äTCsvawlov 7ceQiq)€Q6i(Jjp Iv fy XQ^^I*
fj itiqa ävarilkBi, fj kriqa divet' Iv fii di fj ixiqa dvv€i, i;
IreQa avaxiXXei^),
4) Die Wiederholung des Artikels t« vor xaia ^lafjiexqov unterbleibt
p. 72, 9 und 96, 8; statt inl tov iHv ((^Sitay xvxXov ist kürzer int tov
Ct^diaxov gesetzt p. 96, 3.
2) II, 4 2 p. 140, 4 3: tov 6i 11 livaxi'k'kovxog ro xaia diafABtqov to Z
ffvyeti und 11, 48 p. 458, 4 8: ro ^ it^oy ttyaiiXXeif ib de xaiit StafAetQoy
TO r ItjMy Jvysi.
8) I, 4 p. 66, 4 4 und 68,44; II, 8 p. 430,48; 42 p. 440,6 und 442,24;
44 p. 446, 9; 45 p. 448, 20; 46 p. 452, 3; 47 p. 454, 7 uod 9.
4) Wenn der Scholiast zu der obigen Stelle des Autolykos diä tov ly'
ju}y (paiyofiiytoy anmerkt, so liegt entweder ein Mißverständniß oder der
Fehler eines Abschreibers vor.
149
Wir haben nun ferner die Elemente des Euklid mit den
Schriften des Autolykos zu vergleichen. Daß der Zusammen-
steller der OTOix^ta keinen Anlaß hatte, auf die Sätze des Au-
tolykos Bezug zu nehmen, ist schon oben (S. 443} bemerkt
worden. Umgekehrt finden wir bei dem letzteren einige Lehr-
sätze theiis ausdrücklich citirt, theils stillschweigend benutzt,
welche uns als Bestandtheile der Elemente Euklids tiberliefert
worden sind.
Autolykos schreibt in der 7. Proposition TtsQi a(palQag (p.
^8, 4 — 7): YMi €7rsi ovo litiTteda 7raqakhfiXa ra AB TJ vitö
Tipog intTtiöov tov Z& Tefivetaij al -Kocvai Sqa avrwv TOfAal
al KM ^N ev&elai Ttaq&XXriXoL elotv. Dies ist gerade so,
wie an den früher besprochenen Stellen, wo die Benutzung
einer älteren Sphärik durch Autolykos nachzuweisen war^), ein
Citat in angewandter Form, aus welchem sich das allgemein
gefaßte Theorem, welches der Schriftsteller benutzt hat, fol-
gendermaßen wieder herstellen läßt :
iav ovo BTtiTtBÖa TtaQdckkrjka i)7i6 Tivog iTtcTCidov
Ti^ivrjrai, al xoival ainüv ro^ial Tta^aXkriXoL elaiv.
Diesen Satz nun hat Euklid wörtlich, nur mit einer uner-
heblichen Änderung in der Wortstellung^), als 16. Theorem in
das XL Buch seiner Elemente aufgenommen.
Auf einen Satz der elementaren Lehre vom Kreise, welchen
wir jetzt als 40. Proposition des 111. Buches bei Euklid finden
nxvxXog x{fxkov od vi/Ävei nazä Ttkelova arj^eia ^ dio«^ bezieht
sich Autolykos ttcqI aq>alQag Propos. 8 (p. 32, 2 — 4) mit den
i) Oben2>. 429— 4 S8.
Sj Statt vrto tivos ininidov, ^ie Autolykos citirt, ist bei Euklid so-
>vohl in der Proposition als am Ende der Beweisführung (p. 44, 16 Heiberg)
ino Inmi&ov tivog ohne Variante überliefert. So also hat Euklid die
Worte gestellt, während Autolykos in seiner Quelle vno xivog inmidov
fand. Denn daß der Text des voreuklidischen Lehrbuches, welches diesen
Abschnitt der axoixBia behandelt hat, in der That so lautete, beweisen, die
€itate bei Theodosios, welche aus der Sph&rik des vierten Jahrhunderts
V. Chr. unverändert beibehalten sind und somit zugleich die voreuklidische
Form eines Satzes der Elemente aufbewahrt haben. Vergl. Theodos. sphaer.
€d.Nizze II> 40 p. 28, 48—20; 111, 4 p. 6S, 88—35 und 63, 36—64, 2;
6 p. 67, 49 fg.; 8 p. 74, 42—44; 44 p. 77, 4 0— 12, und den oben S. 435 f. ge-
gebenen Nachweis, daB von den hier aufgeführten Propositionen 11, 40
und III, -4 voreuklidisch sind. Nur einmal, nämlich II, 47 p. 44, 4 0—12,
ist bei Theodosic^s die euklidische Wortstellung vno intnidov xivo^
überliefert.
150
Worten: sl yaq ov/, £fpaQf.i6aei, dio nimkoi TSfiovaip äklrjlovg
xava Ttkelova ar^fxeiay Stccq eatlv üronov.
Wean ferner Autolykos in Propos. 4 (p. 44, 4), nachdem er
bewiesen hat, daß sowohl der Kreis FJ als der Kreis AB nor-
mal zur Achse der Kugel sind, weiter schließt: 7taQ<iiJifji.og
äqa IgtIv b FJ xixkog r(p AB liixXfp, so setzt er dasselbe
Theorem voraus, welches bei Euklid XI , 44 lautet : TtQbg &
liciTteda ^ a^rr/ eid'ua dq&f] iariv, TtaQalXrjXa earai tu
aitlTteda. Ebenso beruht die Schlußfolgerung in Fropos. 7
(p. 26, 7) : i'AaTBQog xGiv AB ABAF xixliov ÖQMg iaziv
Ttqog xov HZQ' xai f] xoipi] liga zofit] fj tCjv AB F^BA
7} AB ÖQ&iij loTiV TtQhg top HZQ TcmXop, auf demjenigen
Lehrsatz, welcher uns als 49. Proposition des XI. Buches der
Elemente tiberliefert ist: eiip dio CTtlTteda rifiPOPTa Skkrila
BTttTtidtfi xipL Ttqhg ÖQ&ag ^, xai fj TLOipr] aitwp TOfiij r(p avrtp
iTtLTtidif Ttqhg öq&ag eavac. Unmittelbar darauf f^hrt Auto-
lykos fort (p. 26, 40): xai ngbg Ttiaag äga xicg oTtzofispag
avvfjg Ip Tf^ HZK& entnidq) ÖQ&fj kaxip fj AB. Dieser
Schluß beruht auf einem Satze, der uns zwar nicht aberliefert,
wohl aber leicht durch Umkehrung der 3. Definition desselben
Buches der Elemente herzustellen ist, wie folgt: eap evx^ela
TtQhg BTtiTtedop ÖQ-d-rj ^, xal Ttqhg Ttaaag zag aTtro^tipag avrijg
ei&elag xai oijoag bp r<J) BTtucidti} d^d-icg Tioisi ywplag^).
In der Beweisführung zur 2. Propos. tzbqI acpaiqag (p. 40,
3 — 5) wird von der Ähnlichkeit zweier Bogen desselben
Kreises auf deren Gleichheit geschlossen, mithin ein Satz
von der Art vorausgesetzt, wie ihn der Scholiastzu dieser Stelle,
der Sache nach richtig, jedoch in einer Fassung von offenbar
jüngerem Ursprung, mittheilt: alipT(^ avri^ ninkft) TteqKpi"
QBiat Sfioiai Xaai bIoL Besser im Ausdruck und mehr im Geiste
der euklidischen Elemente heißt es in den Schollen zu The-
odosios^): rcc yaq Bi^oia ^ ipbg ^{fxXov Spva fj 8io Xaiop %ai
4) Auch in der Sphörik des Theodosios wird mebreremals auf diesen
Satz Bezug genominen, welcher in den Scholienzur Sphärik an zwei Stellen
als ävxiotoqofpri xov oqov, n&n)lich der 8. Definition des 41. Baches der
Elem., bezeichnet wird. In dem obigen Versuche einerWiederherstellung der
umgekehrten Definition ist anstatt nouZ auch die Form novrjoBi zulassig.
2) Jahrbücher für Philologie herausg. von Fleckeisen 4888 S. 448 a.E.
uod ähnlich in der oben (S. 4 49 ff.] besprochenen Scholiensammlung das
Scholion zu Theodos. Sphär. III Propos. 48 p« 80, 38.
151
loa iarlv, nur wird durch die allgemeioe Fassung xhbixoi^a
eine Schwierigkeit umgangen, auf welche wir jetzt etwas näher
einzugehen haben.
Autolykos spricht, wie eben bemerkt wurde, von Kreis-
bogen [7CBQiq>iQeiat^\ allein im dritten Buche des Euklid, in
welchem wir zunächst Auskunft suchen , erscheinen nirgends
Sfioiai TteQKpiQBiai. sondern nur Sfioia r^i^fiara xixliopy
d. i. ähnliche Kreissegmente (vergl. III def. 44, propos.
23 und 24). Deshalb glaubte ich früher^) auf Eiern. VI, 33
zurückgeben zu sollen, wo die Verhältnisse der Bogen gleicher
Kreise gleichgesetzt werden den Verhältnissen der auf den Bo-
gen stehenden Winkel ^j . Was von den Kreisbogen überhaupt
gilt, mußte auch von ähnlichen Kreisbogen gelten; zu ähn-
lichen Kreisbogen aber gehören gleiche Centri- oder Peripherie-
winkel (Eiern. III def. 41); es stehen also zwei solche Winkel zu
einander im Verhältniß des Gleichen zum Gleichen. Also stehen
auch die ähnlichen Bogen zweier gleichen Kreise zu einander
im VerhältniB des Gleichen zum Gleichen, d. h. sie sind ein-
ander gleich. Was aber von den ähnlichen Bogen zweier gleichen
Kreise gilt, das gilt auch von den ähnlichen Bogen eines und
desselben Kreises^]. Doch fürchte ich, daß diese ganze Schluß-
folgerung allzu umständlich und eine einfachere noch zu suchen
ist. Die Schwierigkeit liegt selbstverständlich nicht in der
Sache, sondern lediglich in der Form, wenn anders man an dem
Erfordemiß festhält, daß die Beweise genau nach dem Wort-
1) Autol. p. 4 4 adn. 4.
2) 'Ey Toig Xaoiff xvxXois al ytayiai xoy aitov l/ovfft Xoyoy xais
nEQiq)eQslatf, ig)* iy ßeß^xteaiy, lay te nQos tolg xiytQoig kay xe TtQOf xalg
ne^KpeQBiaiS' ioai ßeßrjxviat.
8) Da Euklid III def. 4 4 nicht von ähnlichen Peripherien, sondern von
mmlichen Tfiti^ma xvxXtay spricht, so verwies ich zu Autol. p. 4 4 adn. 4
noch suppletorisch auf Eiern. III, 28. Denn aus I, 4 in Verbindung mit III
def. 4 geht hervor, daß in gleichen Kreisen die Sehnen gleicher Winkel
einander gleich sind, und nach III, 28 schneiden diese Sehnen gleiche Pe-
ripherien ab, sodaß nun auch die ähnlichen T^^^ara, wie vorher die ähn-
lichen neQi^iqeiaif in diesem besonderen Falle als einander gleich nach-
gewiesen sind. — Anderweit habe ich zu Autol. p. 69 adn. 4 die Schluß-
folgerang von der Ähnlichkeit der Peripherien gleicher Kreise auf deren
Gleichheit angedeutet durch Bezugnahme auf Elem. III def. 44 u. propos.
16; doch war an jener Stelle anstatt der 2. Propos. von Autol. de sphaera
vielmehr die 4 . Definition desselben Buches heranzuziehen, wonach die
Verweise auf Euklid sich erledigen.
4886. 4 4
152
laut der auf uns gekommenen Überlieferung , das ist in diesem
Falle genau nach den Elementen Euklids, geführt werden.
Gegeben sind, wie bereits erwähnt, zwei ähnliche Bogen
desselben Kreises. Es wird nun zu schlieBen sein und nöthigen-
falls auf apagogisehem Wege^) bewiesen werden müssen, daß
ähnliche Bogen auch ähnliche Segmente voraussetzen.
-Hiernach kann man wörtlich auf Elem. III def . \ 4 sich berufen
und dadurch die Gleichheit der auf den gegebenen ähnlichen
Bogen stehenden Winkel erweisen. Dann ist einzuschalten, dafi
es keinen Unterschied macht, ob in einem und demselben Kreise
zwei gleiche Winkel , oder in zwei gleichen Kreisen je einer
genommen werden, und hieraus endlich ist nach III, 26 glatt
auf die Gleichheit der Peripherien zu schlieBen, deren
Ähnlichkeit von Anfang herein gegeben war. Diese ganze Ar-
gumentation war möglicherweise einst ^usammengefasst in einem
Hülfssatz, welcher denselben Sinn hatte wiedie oben (S. 450f.:
aus den Scholien angeführten Sätze, dessen Wortlaut aber nach
Autolykos p. 40,3 — 5 und im Vergleich mit Euklid Elem. III, S7
folgendermafien herzustellen sein würde: ir rolg Xcoig xincloig
al dfxotai TteQupi^euxi Xaai äkXi^laig elalv.
In der Beweisftlhrung zur 42. Propos« TttQl üfpaiQocg (p.
44, 7] hat Autolykos den Diameter eines Kreises ermittelt.
Diesen halbirt er und schlieBt hieraus unmittelbar, daß der Hal-
birungspunkt das Gentium des Kreises ist. Für diesen Fall
kann man sich nicht auf Elem. III, 4 utov do&ivrog xixXov to
TiivxQov evQBiva berufen, da dort eine Gerade als Normale auf
dem Halbirungspunkte einer beliebigen Sehne construirt wird,
während hier bei Autolykos der Diameter bereits gegeben und
auf demselben das Centrum zu suchen ist. Die durchaus ele-
mentare Beweisführung muB auf apagogisehem Wege aus den
Definitionen 45, 46 und 47 des ersten Buches entwickelt worden
sein 2) . Ein Analogon bietet die ebenfalls apagogische Beweis-
führung in Elem. 111, 4.
Endlich ist noch km*z zu erwähnen, daß Autolykos in der
Beweisführung zur 7. Proposition (p. 28, 4 — 4) mit den Worten
4) Dieser Weg ist sicher vorgezeichnet durch den analogen Beweis
Glem. III, 23. Auch III, S4 kann verglichen vrerden.
2} In der Ausgabe des Autolykos p. 45 adn. 2, wo ich auf diese De-
finitionen verwiesen habe, hat sich leider der Druckfehler 4 5. 6. 7 statt
4 5. 4 6. 47. eingeschlichen.
153
fl imo ttar KMQ ytavla fj nklaig iarlv kv fj ^iuXitai b AB
nimlog jtQbg tbv ABJT tAnXov u. s. w. fatfcbst wahrschein-
lich auf denselben Satz Bezug nimmt, welchen wir als 6. Defi-
nition vor dem XI. Buche des Euklid finden.
Soviel über die Lehrsätze der elementaren Geometrie, welche
von Autolykos theils ausdrücklich citirt, theils, wie zu vermu-
(hen, stillschweigend benutzt worden sind.* Einige von diesen
Sätzen sind von Euklid in sein groBes Sammelwerk aufgenom-
men, andere aber wohl um deswillen ausgeschlossen worden,
weil sie als Hülfssätze aus anderen Elementarsätzen sich zu
ergeben schienen und ihre Überlieferung und Begründung dem
lebendigen Unterrichte überlassen bleiben sollte.
Fragen wir nun , woher Autolykos diese Sätze entlehnte,
so haben wir zwischen einer älteren und einer jüngeren Quelle
zu unterscheiden.
Die jüngere Quelle ist uns vollständig erhalten in den Ele-
menten Euklids ; von der älteren Quelle sind nur noch einige
Spuren geblieben, aber diese reichen vollkommen aus für den
hier vorliegenden Zweck. Nach den Citaten bei Autolykos ist
oben (S. 135) eine Reihe von Definitionen und Lehrsätzen zu-
sammengestellt worden, welche einem bereits im vierten Jahr-
hundert verbreiteten Lehrbuch der Sphärik angehört haben,
und es ist von da aus weiter ermittelt worden, welche Sätze der
Elementargeometrie als damals schon bekannt, mithin als vor-
euklidisch zu bezeichnen sind (S. 136—438). Wir werden
diese Reihe, um die Verglelchung zu erleichtern, in der nach-
folgenden Übersicht A wiederholen.
Andervi'eit haben wir oben Gelegenheit genommen, die-
jenigen Sätze der alteren Sphärik zusammenzustellen, welche
von Euklid in seinen Phänomena unmittelbar oder mittelbar
benutzt worden sind (S. 135 Anm. 1). Um aber diese Sätze
tu erweisen, brauchte der Verfasser der älteren Sphärik eine
Reihe von Elementarsätzen, die wir gegenwärtig zwar nur nach
ihrer Fundstätte bei Euklid citiren können, die aber ebenso
sicher als die Reihe unter A als voreuklidisch zu betrachten
sind. Wir werden sie in der nachfolgenden Übersicht unter B
zusammenstellen.
Endlich fügen wir unter C sowohl diejenigen Definitionen,
Vorbereitungs- und Lehrsätze der Elemente hinzu, welche Auto-
lykos nach dem obigen Ausweis (S. 149 — 153) in seinen Schrif-
-14*
154
len benatit hat, als diejenigeD, weldie zum Beweis der ersteren
erforderlich waren:
I def. 4. 9-23,
ahrj flava 1-5,
xoirai ewouiih -4 . ,
7-9. ,
propos. 4-5. 7-20.;
22-24. 26-29.
31-34. 44. 46.!
47,
«
III def. 4.2.6-9.44,
propos. 4 cum co-
roll.,3.0.7. 40. 1
46. 20-22. 24.:
26.27.34,
IV propos. 6,
B
I def. 4. 9-23,
ah f^ flava 4-5, i
xo/rai£yroiai4-4. |
7-9, I
propos. 1-5.7-20. ,
22-24. 26-29.;
34-34. t4. 46.
47,
I def.t4.9.40.43-47,
alrrifia 2,
TLOival irroiaii -4.
7-9,
propos. 4 -5. 7-4 { .
43. 45-47,
HI def. 4.2. 6-9.4 4, III def. 4. 6-9. 44,
propos. 4 cum co- propos. 4 cum co-
roll.,3.5.7.40.i roll., 5. 40.
46. 20-22. 24.
26-29. 34,
IV propos. 6,
XI def. 3. 4. 6. 8,
propos. 4-44. 46.
48.49.38vulgo.
24. 26,
XI def. 3. 4. 8,
propos. 4 . 3. 43.
44. 46. 49.
XI def. 3. 4. 8,
propos. 4-44.4 3.
44. 46. 48. 49.
38 vulgo.
Die Übersichten A und B sind fast identisch, und zwar steht
unter A kein Satz, der sich nicht auch unter B befindet. Als Mehr
enthält B, im Vergleich mit A, nur III propos. 28 und 29 und
XI def. 6, propos. 42. Alles was unter A und B steht, gehört
der voreuklidischen Epoche an. Die Sätze unter C finden sich
alle bereits verzeichnet sowohl unter A als unter B und sind,
wenn auch minder zahlreich, doch offenbar in derselben Weise
gruppirt als die Beihe AB, welche aus der älteren Sphärik er-
mittelt worden war. £s wird hiemach niemand behaupten
wollen, Autolykos könne die oben' S. 449 — 453 behandelten
Sätze aus keiner anderen Quelle als den avoix^ia des Euklid
entnommen haben; sondern es ist daneben eine andere ältere
Quelle nachgewiesen, aus welcher der Verfasser des von Auto-
lykos benutzten Lehrbuches der Sphärik geschöpft hat. Und daB
in der That Autolykos dieselbe Quelle benutzt hat, daraufweist
155
zunächst die Ähnlichkeit der Gruppirung unter G mit jener unter
AB hin. Umgekehrt aber würde nichts unwahrscheinlicher sein,
als wenn wir annehmen wollten, daß Euklid, dessen Phäno-
mena jedenfalls das Buch des Autolykos über die Kugel als
Quelle voraussetzen, seine Elemente um so viel früher heraus-
gegeben habe, daß diese ihrerseits die Quelle für Autolykos
bildeten. Autolykos mußte, um ein in jeder Beziehung so aus-
gereiftes Werk wie das über die Kugel verfassen zu können,
die Elemente der Geometrie schon von Jugend an, jedenfalls
nicht später als die Hauptsätze der Sphärik, sich angeeignet
haben. Die von ihm benutzte Sphärik aber ist älter gewesen
als alle Werke Euklids; also haben auch die Sammlungen von
Elementarsätzen, aus welchen er schöpfte, schon vor Euklid
bestanden, wie ja bereits auf anderem Wege nachgewiesen
worden ist.
Demnach ist mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen,
daß die ganze schriftstellerische Thätigkeit des Autolykos, soweit
wir davon Kenntniß haben, derjenigen des Euklid voraus-
gegangen ist.
156
Herr Fleischer legte das sechste Stück von Studien über
Oozyts Supplement aux dictionnaires arabes vor (s. die Berichte
von diesem Jahre, S. 28—92) .
II, 502% 3. Die üebersetzung von ^j "^ ^)j^ ^^ ^ u
LPl^^N^Mt »je devais de tonte n^oessit^ entendre ses oris« ist ge-
scheitert an dem aus ^ verschriebenen ^, Die Quellen-
werke erklären qU> durch ^^^ als gleichbedeutend ; demnach
ist der Sinn : «es war fttr mich keineswegs eine leichte Auf-
gabe, ihr Weinen anzuhorem. Ausser dieser Bedeutungsver-
wandtschaft verbindet auch die Lautähniichkeit die von den
c^ o.
beiden Stämmen abgeleiteten Adjectiva ^^ ^^^ oder ^wJ ^^
zu einem asyndetischen Wortpaare von der Gattung cLöt, M UrA*^
1. Z. und lin*, 8.
II , 502% 25 flg. Über die neuere Gedichtgattung ^^^ ^^
handelt Dr. Gies ausführlich in seiner Promotionsschrift: q^äaj'»
9^0«««
Xju^i. Ein Beitrag zur Kenntniss sieben neuerer arabischer
Versarten, Leipzig 4879, S. 53—62.
^ «V ^ ^
11, 502^, \ — 4. Dass q^' neben »sc moiivoir«, 504^ 9,
auch ime pas se mouvoirv bedeute, ist an und fttr sich unglaub-
lieh. Wenn M Iaöa^, 43 und 4 4, q^* durch vd^*, sich be-
wegen, sich regen, erklärt, so ist dies soviel als thätig
sein, wirken, eigentlich: sich als seiend bethätigen.
Jenes praegnante sich regen, — wie im Sprttchworte ÄiC^t
* * *
iSß^ Sich regen bringt Segen — , liegt auch den meisten An-
157
Wendungen von ^'^ Supplement, I, STS** und 276* zu Grunde.
— Hier aber entspricht q^^' als Reflexivum von q^^ Im all-
gemeinsten Sinne einfach unserem sich bilden: »Da blieb
an der Ausgussmttndang der Kanne ein Tropfen Wein zurück,
der sich gebildet hatte und nicht abgefallen war«.
o. i
II, SOS**, 83 »Q^' — turc, cuirdevache^ Bca ^^^, gön, im
Türkischen überhaupt Fell, Leder; vom arabischen ^^ zu'
trennen.
II, bOi^, 25 i>'i^ combat, Bc.« gleichbedeutend mit dem
vodBc. selbst daneben gestellten Äie^, Treffen, affaire, action;
nach seiner Form n. vicis von \)]^^ ^ q^ guerre, combat«,
Guche S. oaI^.
11, 505', 6 u. 5 v. u. UoJ^ in der angeführten Stelle
nicht subjectiv -^se figurer, se repräsenteru, wie jyaj, Jud^', son-
dem objectiv »«e realiser, avoir /teu«, von ,^jLfS ^sfaire exister,
faire avoir lieun, i\ u. 40 v.u., eigentlich: auf eine gewisseArt
« o ^
und Weise verwirklichen; verhttlt sich zu ^Ju^ ähnlich wie
Ttouiv zu Tcoiög. Möglichst wörtlich: »Die Geister waren über
die Art und Weise des Zustandekommens seines Glückes in Ver-
wirrung«, d. h. niemand konnte sich erklären, wie der Mann
eigentlich zu seinem Glücke gekommen war. Vgl. hiermit
*aÜLXo evenementsa 505*^, 8 v. u.
II, 505^, 7 — 42 »JfiJi en pensarU qttea. Denken, sich vor-
stellen u. s. w. ist der allgemeine Grundbegriff der regierenden
9
Zeitwörter solcher Sätze, mag das Regierte einfach durch ^\ ^
q\ oder durch \,JuS eingeleitet sein. Durch das letztere aber
kommt zu dem dass ein so hinzu, bezüglich auf die Art und
Weise eines Seins, Thuns oder Leidens, oder auf einen dadurch-
bewirkten persönlichen oder sächlichen Zustand. ^Ji^S w^l J>)
158
vi>.*Ä^, ich wundere mich, wie du geschrieben hast, S'OVfiitw
Sitoßg yiYQag)ag, d. h. dass du so gut; oder so schlecht ge-
schrieben hast. Die von Dozy angeführte erste Stelle : m^^^^S
waPlXj y,juS »sie freute sich, wie er weggehen würdet, d. h.
dass er sie so ganz nach ihrem Wunsch von seiner Gegenwart
befreien würde. Die dritte: ^.^uwxj ^JuS tüJoJL« .i« s^oäLc aJü»
Lpx: Dsein Herz entbrannte vor Sehnsucht nach seiner Residenz,
(wenn er dachte) dass er so fern von ihr sein würde«, nicht
nach S. 552* unter w^t : er brannte vor Verlangen sie zu
verlassen. Die zweite Stelle aber : s JUam^q ^I %^^ s^iuS AL«ij ,
ist einfach : er meldete ihm, wie er an seinen Wohnsitz zurück-
gekehrt war.
II, Q05^, 42 »bien au contraire« giebt die Bedeutung dieses
^ sJuS nur unvollkommen wieder. Es ist eine elliptische Re-
densart : ^JuS statt q^v. v-^ o^^** ^7^* ^^^ * ^^'® konnte
das sein? wie wäre das möglich?« in verneinendem Sinne, —
\yiaS L^ y^3 ^5 mit JU^t ^^ : »da er ja (im Gegentheil)
viele dieser Heiligenwunder selbst erzählt hat.«
n, 507*, 40 »Q^ v^ Q^<^ soll nach der einzigen da-
für angeführten Stelle bedeuten: i^qui me remplacera auprts
dun tel^^ Aber die einheimischen Sprachgelehrten selbst
ergänzen diese oft vorkommende elliptische Redensart rieh-
tig durch ein das v ^^ o^ regierendes JiJu: wer bürgt
mir für den und den? d. h. wer leistet mir Gewähr für Hab-
haftwerdung seiner Person oder für Erlangung irgendwelcher
Ansprüche auf sein Vermdgen, seine Dienste u. s. w., sei es als
wirkliche Frage, sei es als Wunsch, oder als Verneinung in
Frageform; s. Dieterici's Mutanabbt, S. öL V. Iv, Ibn al-Atir,
IX, S. n vorl. Z.; ebenso mit v einer Sache oder mit qIj
und folgendem Imperfect-Conjunctiv, Ibn al-Atlr, X, S. w Z. 2,
AbulmahAsin, II, S. IIa Z. 8. Der gewissenhafte Richter weigert
sich, die Moschee zu verlassen und nach Hause zu gehen, mit
den Worten : Wer steht mir dafür , dass ich die armen be-
159
drängten Beschwerdeführer, wenn sie mich hier suchen und
Dicht finden , jemals zu sehen bekomme ? — Dieselbe Ellipse
in Aussagesätzen, z, B. aj \^ LI » ich mache mich anheischig
ihn dir herbeizuschaffen «, ist nachgewiesen in meinen Kl. Sehr.
I, S. 758 u. 759 zu de Sacy, II, 473, § 853.
I
II, 507*, 17 flg. In derUebersetzung von J^ciJü: t^jeprends
Dieu ätämoina liegt zugleich der Grund der Anwendung des
Perfectunis v^^yilc ^ in der Bedeutung des Futurums. Jenes
^^ aU, Gotte bin ich schuldig, Deo a me debetur, gilt als
Schwur, durch den man sich zur Beobachtung des folgenden
Jiik^ '^ verpflichtet; s. meine KL Sehr. I, S. 446, Z. 44 u. 45.
II, 507^ 48 »^^^4 Nebenform von i',L3,
II, 509% 2 v^Oü^^ »scheint« nicht bloss, sondern ist »Le-
vantin^j von JUi^^, der breitem, arabischen Aussprache des als
\Xiji zu den Persern und Türken gekommenen italienischen le^
vante, franz. levanL Über die vielfachen Bedeutungsttbergänge
dieses Wortes im morgenländischen Sprachgebrauche s. Me-
ninski und Zenker unter Jü^J . Man verwechsle es nicht mit
dem ebenfalls aus dem Romanischen in die vorderasiatischen
Sprachen gekommenen tJü^, M. f1l*f *, 26 u. 27, oder wA3^^^
Zenker 790^, 5, lavanda^ lavande, Lavendel.
II, 509% 4 0 »jJLi^t, d. h. ^jä1>, für ^^ ^% wozu?
warum? gewöhnlich zusammengezogen in (ji^J, 561% 1. Z.
II, 511% 14 »^LAjt^a, nach richtiger Aussprache und Schreib-
art ^Lu!^ ; s. meine Rl. Sehr. I, S. 35.
II, 514% 15 flg. Nach Cuche S. oü^ bedeutet y^ '^^ ^^'
meinarabischen nicht bloss »pulpe d'un fruit a, wie v^, sondern
auch »extr^mit^ d'un rameau«, was durch die aus der T. u.
£. N. angefahrte Stelle bestätigt wird. Vgl. das Yb. nblb und
160
das Nomen (Obab, Ka^ibab bei Levy, Ghald. Wörterbuch, I,
404».
II, 515*, 3 flg. Bei der AIlgemeiDfaeit des Ausdrucks tJJ^
Sauermilchgericht, können die Zuthaten zu dem Grund-
bestandtheile, der säuern Milch, natttriich nach Geschmack und
Gewohnheit sehr verschieden sein, wie denn auch Gucbe S. oll^
als Bedeutung angiebt: »meis fait en grande partie avec du lait
aigre«.
II, 54 5\ 1. Z. »/^U Druckfehler st. /^I ; s. ^jU oben
II, 224^, 26. Cuche, oir, 5 u. 6 »^^^ caisse d'une porte, df une
.fen^tre« als gemeinarabisch, d. h. von einer aus mehrern Plan-
ken zusammengesetzten grosseren Thttre : die diese Theile zu-
sammenschliessende Bandeinfassung, la moulure, le chambranle;
von einem Fenster: der Bahmen, le chAssis.
II, 545^, 9 V. u. 0^« Erweichung vod ^nU. Guche:
o(^n1l! ^^JLbl) ;;Nil salir qqn. d'ordures.tt
11, 520^^, 5 V. u. flg. Den allgemeinen Sinn der Stelle
drückt die Uebersetzung richtig aus, aber nicht das besondere
syntaktische Verhaltniss zwischen <£)l4w^ KU^^ und lu ^jJi^\J q\
o «
mit Auslassung von ^ vor dem letztern : »Meine Mutter nannte
mich Fudail, indem sie deinen Namen (Fadlj zu hoch hielt, als
dass sie mir ihn beigelegt hätte, sondern sie brachte ihn in die
CS m u ^
Verkleinerungsform.« Dieselbe Weglassung wie in ^\ XaaS st
o S (•
Ji ^£ X2a* (meine Kl. Sehr. 1 , 407, 21 flg. u. 430 , 3 flg.]
kann bei jedem ähnlichen Sinnverhaltnisse stattfinden ; so Mat^-
tari, I, ^ö, U: ^Lll\^ ^bSl! L^vX> fl)^ J J^ ^
»seine Schönheit ist zu gross, als dass die Tage und Nachte
ihren frischen Glanz verwischen könnten«; ebendas. v11, 6 :
^L^amJÜ »ich habe diese meine Schrift von beschimpfender Sa-.
. 161
tyre rein und zu hoch in Ehren gehalten, um sie zu einem
Tummelplatze schmSihsUchtiger Leute zu machen«; Ma^kart, II,
fn, 7 : iAyoyA ^-j q! ^L^ J^I »ich ehre meinen Becher
zu hoch, um ihn jemals erniedrigt (weggesetzt) erscheinen zu
lassen«; »daher a, fahrt der folgende Halbvers fort, »sieht man
ihn immer in meiner oder meines Zechbruders Hand.«
II, 520^, 16 u. 47. Die hier nachgewiesene Bedeutung von
/ä>jLj, i>corrigerfi, entwickelt sich wie bei dem synonymen
^j\iXj aus dem ursprünglichen wieder einholen^ wieder ein-
bringen, rattraper; daher dann reparer^ remedier, einen Scha-
den wieder gut machen, einem Uebel abhelfen.
II, 524% 3 V. u. Nach der Uebersetzung »le glaive sevissait^
scheint Dozy ...ä^mJI ^\ im Activum gelesen zu haben ; aber
wie s:;a^u^! im vorhergehenden '\^Ut c^^^^^M^t, so ist
auch 1«^! im Passivum zu lesen: »das Schwert wurde mit
Fleisch gespeist«, d. h. die Heerden wurden geraubt und die
Heerdenbesitzer niedergehauen.
II, 523% vorl. Z. »esp^ce d'absinthe, en allemand Weiss-
krautiij sehr, espdce de choo, choublanc; wie auch unser Weiss-
kraut gleichbedeutend ist mit Weisskohl. »sJ- aber, tttrk. lü^,
ist das griech. Idxcxvov, PI. Xdx^^^-
n, 524^, 9. Wäre dieses oi^tJü der Plural von »äolJü
bon goüt. saveur, succulencefVi so würde es als Substantiv mit
fjMQl\ eine determinirte Genetivanziehung bilden, wört-
li h: »dieAnnehmlichkeiten derGeschmäckea (sit venia verbo),
was aber nach seinem Coordinationsverhältnisse zu dem vorher-
gehenden indeterminirten qU^ grammatisch und nach
seinem Verhältnisse zu (»^^OÜi als zweites Praedicat davon lo-
gisch unmöglich ist. Hat daher der Vf. wirklich o1i3tJü ge-
162
y " T r
schrieben, so muss er ol<3IJü ausgesprochen and dieses als
Verstärkung von olJ^, dem Verbal-Adjecliv von JJ S. 524'
vorl. Z., mit rytbit zu einer indeterminirten Genetivanziehung
verbunden haben : JiDie verschiedenen Arten von Fleisch sind
fett und sehr angenehm von Geschmack.« Wahrscheinlicher ist
mir indessen eine Dittographie statt otJü , vom Adj. JC,
fem. BJü.
II, 524^27 »lyuy (?) dispute, quer eile, Payne Smith 1364«.
Statt hinter dieses Wortungeheuer ein Fragezeichen zu setzen,
hatte Dozy es getrost in i^lyu^l , Inf. von ,^yc^t = (^X^ » ver-
wandeln können. Ich habe mehrmals bemerkt, dass der Artikel
durch Verbindung des Alif an seinem unteren Ende mit dem
etwas gedrtlckten Lftm in neuern , zum persischen und türki-
schen Schriftzuge hinneigenden Handschriften annäherungsweise
die Gestalt eines J annimmt.
II, 5S5^, 7 — 40. Zur Beantwortung der hier gestellten
c.
Frage kommt neben der aus M angeführten Stelle über ÄdjUl
die andere desselben Wörterbuchs über ^|^i^t in Betracht,
lin\ 42— U: ^ vJyÄijl ^KJi Jj^ iCoui! JJ^ j\^\
^\ j^ aL^^^^ ^"^^ *^ oy^-^ • y^5 gJ:^' ^J^ ^j^
\}y^\ vii. Mit beiden zu vergleichen ist Cuche n*t* : » ^yi
\yJiy^ pousser vers lebord, faire aller au bord (les boeufs, lors-
quHls labourent les terres qui vont en amphith64tre]« und ni^ :
D .!^ bord relev6 rfun champ (dans les terres cultivöes en gra-
dins), parapet, talus«. Nimmt man dazu M^s eigene Erklärung
des in der Stelle über Ädjiil von ihm gebrauchten J^l , näm-
lieh : i^^Ijm iA>3 ^IwX:>- otJ Äsbäil {jOj'i\ ^y^ J^l, so gewinnt
* 0 * -
man, wie mir scheint, folgendes Ergebniss : j]y^^ ist der ein
163 V
abschüssiges Ackerfeld am untern Ende wie eine Brustwehr
umschliessende Erdaufwurf, XÄjUt dagegen (im gewöhnlichen
Spracbgebrauche : das Heftpflaster) die sich abdachende Fläche
^ w ^
des Ackerfeldes selbst ; davon die beiden Zeitwörter ^^ und
/ä J für die beiden entgegengesetzten Richtungen, welche der
PflUger auf einem solchen Felde einhält: das erste für die Rich-
tung nach jenem Erdaufwurfe, das zweite für die nach dem
oberen Ende hin.
II, 528^, 5 u. 6 ».«wmJ« ein Unwort, einfach zu streichen;
denn ^wJL« in »a-JL>. . ^t ifuJ. ^ ^wJU armS de pied en cap^
ist nichts als einer der zahlreichen Druckfehler in den späteren
Auflagen von Bocthor's Wörterbuch, wogegen die erste unter
Gap richtig Am^ hat.
II, 530^, 23 — 25 »/äAo^ir nicht ^inspecteur*^ sondern
nachAbleitung und Inhalt der angeführten Stelle Grundstück-
nachbar, Adjacent: »Der Adjacent unseres Grundstücks
wollte sein Grundstück bewässern, schlief aber darüber ein,
worauf das Wasser überströmte und unser Grundstück be-
wässerte, a
11, 534% h\ u. i2. Die Erklärung, welche 'M von ^L^
giebt, zeigt s^yc» in der Bedeutung des Küchenwortes fouetter,
wie fouetter la cr^me, d. h. la faire mousser, deutsch: zu Schaum
schlagen. •
II, 530, 9 »JftJbJ c. V» semble prendre soin de«. Dozy
halte nicht nöthig sich so zweifelnd auszudrücken ; yjlhi mit
V eines Dinges bedeutet auch in der angeführten Stelle, wie
gewöhnlich, es zart und schonend behandeln: »er nahm von
diesen Granatapfelbäumen ein Steckreis, ging damit vorsichtig
um und pflanzte es in die Erde.«
II, 530, 15 — n »v^ibJ, n. d'act. wftJ^, dans le Voc. sous
malus, empirer, devenir pirej Ale. (enpeorar, enpeorar la do-
' 164
leneiac, das entsprecheDde CaQsaiivum sJjW* . 25 u. 26 ^empi-
rtTy rendre pire^ Voc.t, das Reflexi^nin y^hlj 532*, 29 »em-
pireTj devenir pire, Voc.t und das AbsCractum >«äo^, 36 — ^38
MUUriüratUmy degradaiion, Yoc. .maltcia = xJo^, Ss^b^), Ale.
{peoria)ir haben ein Seiteostück in dem gemeinarabischen
fi^'Jal\ ^ yjüo^ Indisposition, lagere maladieo bei Cuche S.*t./.
Den Grund dieser auffallenden Bedeutungswendung finde ich
darin, dass der physische Grundbegriff der Dttnne, tenuitas,
im Gegensatze zum gewöhnlichen Entwicklungsgange in den
der Schwäche und weiter in den der Schlechtigkeit um-
geschlagen ist.
II, 536», 2—5. In ^y^\ ^]^ das zweite Wort nicht
für Thränengefässe, sondern für Thränen selbst und so-
mit die Genetivanziehung nach rhetorisch- dichterischer Weise
9 r
fttr eine erklärende im Sinne von ^s^l^t q^^^^ »^^ larmes
brülant€S9 zu nehmen, liegt weniger nah, als die Erklärung
durch: die brennenden Ergüsse derThränengefilsse.
II, 537*, 5 v.u. »*jy^« Druckfehler in M st. aJ^,
d. h. &JL^, PI. von -^. Dozy scheint es nach seiner Ueber-
O 9
Setzung, ohne weitere Bemerkung darüber, jü.^ gelesen und
dieses s^^ für gleichbedeutend mit J$^ gehalten zu haben;
aber eine solche Singularform giebt es nicht.
II, 538*, 26 »j^ (Iure ^] minen stammt von layiuy.
Kluft, Höhlung; in der angegebenen technischen Bedeutung
aber ist das Wort als kayaö^ior, XayoifAt von den Türken zu
den Griechen zurückgekommen, nicht umgekehrt nach LehgeY
'otmänt S. t.lf zu Anfang des betreffenden Artikels : . ^S fjkj
II, 538*, 7 — 5 V. u. W^ie Amalgama und amalgami-
ren, |«jkLo^ ^^ und A^y}, Salbenpflaster (s. das 2. Stück
165
dieser Studien v. J. 4882, S. 26 u. 27), so kommt auch dieses
v.;,^wA3üb iUxLe, vergoldet, durch Vermittlung eines denomi-
Dativen ^ von ^Akayfia. Im Neugriechischen ist fidkayfia
speciell amalgame d'or, mit Quecksilber versetztes Gold , ^ta-
kayfiaTwvw ich vergolde, ^akayfidTiOfia Vergoldung. Ein
Quadriliterum von demselben Stamm ist das folgende ^-yM.
II, 540^,25 — 28. Nach Beschreibung der durch das Lauten-
spiel und den Gesang der Künstlerin in dem Zuhörerkreise er-
zeugten Begeisterung heisst es weiter : oLAfiUb y;^^ cxX3>l^
jBund die Herzen eroberte sie durch die Wendungena, d. h. die
üDmuthigen Bewegungen des Kopfes, der Arme u. s. w., mit
denen sie ihre musikalischen Kunstleistungen begleitete. Dies
im Hinblick auf Dozy^s »je ne sais pas bien comment il faut
traduire.ff
II, 541^, 43 u. 44. Hätte man in »qU»^ häbleur« ein ara-
bisches y^^JJasü9 zu suchen, so wäre Ht's Schreibart allerdings
»fort Strange«; aber Dozy selbst zweifelt offenbar an jener Ab-
leitung. In derThat stellt q^j^^ die breite türkische Aussprache
lafazan des persischen qij^ dar, von qJK wi^? vana verba
jactare, Zenker S. 789^, Z. 5 u. 6.
II, 544^, 28 — 31. Um das /JLju der Bresl. Ausg. richtig
und vor unnöthiger Verwandlung in das vornehmere \^JüiL
Macnaghtens sicher zu stellen, hat man / ^J^. zu schreiben. Wie
das Reflexivum /5i«J, II, 464**, 5 — 44, s'accrocher, sich an-
haken, sich anklammern, besonders bedeutet : mit Hülfe
von Händen und Füssen oder vermittelst einer um einen Vor-
sprung, eine Ecke geschlungenen Wurfleine, Strickleiter u.dgl.
eine Mauer ersteigen , so ist hier (^l^f accrocheVy absolut ge-
braucht als Kunstwort der Diebssprache : ein solches Werkzeug
zu dem genannten Zwecke anwenden. Möglichst getreu im Volks-
tone übersetzt, würde die Stelle lauten: nih der Mitte bricht er
ein und in der Höhe hakt er an.4(
166
II, 545^, 23 ))*/ÄjlJüe in Uebereinstimmung mit dem ur-
sprünglichen Wortlaute lucanicum, neugriech. lovxAvixoVj
früher auch im Arabischen (jiLäi , r^lÄl u. s. w., männlicher
Collectivsingular; später in die Form und das Geschlecht eines
gebrochenen Plurals übergegangen , / öiLäi u. s. w. ; s. Lev^^^s
Neuhebr. Wörterbuch, III, S. 74 8^. Z. 27 flg. zu K^^?U^3.
II, 546^ 42 u. 43. Das elliptische »^ 'i\ J^i^^ U voilä
que, ne voilä-t-il pas quea bei Bocthor ist gleichbedeutend mit
^^t ouK^ U, I, 762^, 4 flg., und seine Entstehung und eigent-
liche Bedeutung ebenso zu erklären ; s. das 3. Stück dieser Stu-
dien V. J. 4884, S. 40 u. 44.
II, 547% 24 u. 25 r>ät^j^ ^t« dieselbe Ellipse wie in
^ o
j^^ ^^ , nämlich igüCftJI oder ^^1 , I, 560*, 6—2 v. u.
II, 547*, 5—2 V. u. Während Cuche S. \m^ in der Bedeu-
tung Brecevoir, saisir ce qui est jete, ce qui tombe d'en hautf
bloss die regelmässig gebildete zehnte Form £LäLumI ^^J^t hat,
giebt Bocthor daneben auch die aus einer Vermischung von
xLLmI und ^JiJLj entstandene , mit Ausstossung des Reflexiv-
5 ^« O w « O
o aus ^^^äLümI synkopirte Form ^^^üL^f , zu der mir bis jetzt
ein völlig übereinstimmendes Seitenstück fehlt.
II, 550*, 20 u. 24 . Die Bemerkung in den Add. et Corr. zu
Ma^art, II, In, 4 über das gut arabische Juij und seine Con-
struction mit J des Lehrers ist weiter ausgeführt in meinen
Kl. Sehr. I, S. 58, Z. 9 flg.
II, 554*, 6 V. u. »Q^^ÄiJ chaloupe canonnidrey Bc.t Ob in
der heutigen italienischen Schiffersprache lancione diese oder
167
eine ähnliche Bedeotung hat, weiss ich nicht; da es aber vod
lancia, Boot, Nachen, ein Verkleinerungswort lancetta giebt,
SO ist jenes q^^^^ wohl nichts anderes als ein ebendaYcm
gebildetes Yergrösserungswort : 1 a n c i o n e.
II, 552*, 2^—23. Gegen »w^Ji c Ja brüler du ddsir de
quüter,(t s. oben die Anm. zu 505**, 7 — 42. Aber die dort an-
gegebene Bedeutung : über Trennung von einer Person oder
Sache — sie sei bevorstehend, oder schon erfolgt — brennen-
den Schmerz, brennende Sehnsucht nach ihr empfinden, kommt
dem ikJLäj ^ V4^' ^^^^ ^^ ^^^ vorhergehenden Stelle der
der T. u. E. N. zu. Ein erst eintretendes y>s^enflafnmer d^amour
poum ist schon durch das hier geschilderte Verhaltniss der bei-
den Personen ausgeschlossen.
II, 553% 9 — 12. Das in dieser Stelle vorkommende ^ ^
o^b ist oben in der Anm. zu 507", 40 erklärt.
II , 554*, 6 flg. BsXAit in solcher Yert)indung ist gleich
69 > i.
jfl\vü^j die vorausbestimmte Zahl der Lebensjahre
und Lebenstage, wie bei Baid^wi, II, M, 6:
svXoT icf^^ '^' ^y^^ «^Jut 8lX£ J^aXämmo ^^s^ JjT
»Jedes lebende Wesen erfüllt die bestimmte Zahl seiner Lebens-
lage und verschwindet , wenn seine Lebenszeit zu Ende ist.«
Dozy's äaPLuüq ist übrigens das unzweifeihaft Richtige, ob-
gleich er es selbst, dem unverständlichen äa^^Lu der Hand-
schriften gegenüber, nur als Vermuthung aufstellt.
II, 554^, 5 V. u. »Aä^U Druckfehler st« Aä3l.
II, 556*, 6 u. 5 V. u. Schon nach BistAnt's eigener Erklä-
rung: üpLc, 'Q^^ C+?Uft? \jkt? ^p^ 'is>^yiAA Ä3^3 ist die
Bedeutung von i^^ allgemeiner als die inDozy'sUebersetzung
ausgedrückte ; aber die neuere Geschäftssprache dehnt den Be-
1886. 4S
.. — - 168 -. —
griff des Wortes besonders nach der diplomatischen und jour-
ualistischen Seite noch weiter aus. Al-FarÄYd al-durrtjah vol^
als gemeinarabisch: »^^-.ic^^ note diplomatique«. Schlechta-
Wssehrd, Manuel terminologique , S. 446: »Exposd, compte-
rendu x^^. Expose des motifs, ^ ^j4^^iXA ^.xai>^ vU^^
s^:iii [arab. iiU=>y^\ ^l^JÜS 'p^UxcCU x^p^]. S. 230 : »Me-
moire, m^morandum, note, ik^sp^A Zenker S. 790^ : »K^^ —
Aufsatz, Abhandlung, Artikel (in einer Zeitung) , Denkschrift
u. dgl. : <^A^ « x^.^ jj ein offizieller Artikel.« So die arab.
Zeitung v^j^t Nr. vaI Sp. 2 : lJ^LäJI ^^t^p ^^ o^Jüiö tü^'i
ein von dem (russischen) Unterrichtsministerium ausgegangener
Artikel.
II, 558% vorl. u. 1. Z. i>itre foum nach dem K&müs /ä^j,
erklärt durch '^^^ /^, mit dem Adj. /»^i ; hiernach das
vb. fin. nicht »/^j-i«, sondern /Äj-i.
II, 559**, 9 flg. »qUjJ, prison oü Von enferme les grands cri-
minels pour un certain nombre (fannäes ou pour la vie, M.« Mit
einem Worte: les gaUres, die Galeren, Galerenstrafe. AI-
FarÄYd al-durrljah S. vöa*: »oÜU^ - o'^ gal^res. ^y»yi
mettre en gal^res.cc Da hiernach das Wort an sich nicht ein Ge-
fängniss, sondern eine Strafart bezeichnet und die Galeren-
sklaven, les gal^riens, les for9ats, der Natur der Sache nach zur
Verrichtung ihrer Zwangsarbeiten in Seehäfen gefangen ge-
halten werden, so ist der Bedeutungsttbergang nicht so
»starka, wie Dozy meinte. Der LautUbergang aber von Itmäo
zulümän entspricht den türkischen Lautgesetzen und findet
sich z.B. ebenso in-düwär, der gewöhnlichen türkischen Aus-
sprache des pers. dlwÄr, Mauer.
II, 561% 2 u. 3. Diese Anführung hätte unterbleiben sol-
len; sie steht in directem Widerspruch mit der 560**, 35 flg.
aus derselben Schrift beigebrachten richtigen Erklärung von
169
II, 56<*, 13. »J^l bois d'a/oÄÄf, sehr. ^^1, wie I, 35%
29 u. 30, wo das Wort richtig unter Alif steht. Vgl. Low, Ara-
mäische Pflanzennamen, S. S95.
II, 564% 16 — 18. »mulut«, PI. »muluitna, b. Ale. nicht
c > «oC 9 o.
y^«, Activparticip von v^^ sondern i^ji^^j gewunden. Passiv-*
»
' 0
particip von .^^ , mit gemeinarabischer Verwandlung des ur-
sprünglichen a der ersten Silbe in das demVocale der zweiten
näher verwandte u.
II, 561*, 16 flg. Cuche, Itr^-*, hat als gemeinarabisch
sowohl: »yi*J cr6pir, plÄtrer, (j*^aJLj cr6pissure, ,j«JU cr6pi,
plAtr6«, als auch «s'attacher, se coUer äv, bestätigt somit die
fragliche zweite Bedeutung bei M und führt zugleich durch »se
coller« auf den beiden Bedeutungen zu Grunde liegenden Be-
griff des Klobens, Ankleben s, in transitiver wie intransiti-
ver Fassung, — denselben, aus welchem die mannigfachen Be-
deutungswendungen des aitarabischen v^^. v^^ hervorgehen.
II, 563*, 11 u. 12 »qLJ bassin en mdtal, cuvette en m^taU,
gehört dem Buchstaben nach allerdings hierher unter ^^, ist
aber seinem Ursprünge nach die ausserste Erweichung von
^, XstlAvti^ II, 545* u. 546*^, vermittelt durch dieUebergangs-
fonnen ^^Sl und pers. ^^, nach türkischer Aussprache le-
jen, lijen, Zenker S. 795*.
11,563*, 21 »qI^ pour q^^.^U, vielmehr für q^^I ;
denn dass der Anfangsconsonant nicht der Artikel selbst, son-
dern nur ein von ihm zurückgebliebener bedeutungsloser Vor-
schlagslaut ist, erhellt z. B. aus AJu»iy Bresl. IV, 378, 3, —
eine Verbindung , die unmöglich wäre, wenn das Wort schon
durch das Anfangs-1 determinirt würde.
44*
170
11, S63*, 9—6 V. u. Das interrogative und relative U^
o ^
von einer Person gebraucht, steht nie fttr ^, d. h. bezieht
sich nie, wie dieses, auf die durch Namen, Beinamen oder Titel
bezeichnete Individualität, sondern, wie unser was in was
ist er? und was er ist, im Gegensatze zu wer ist er (es)t
und wer er (es) ist, auf innere und äussere Beschatfenheit
und amtliche oder gesellschaftliche Stellung. In Beziehung auf
mehrere Personen wird es ebenso gebraucht, aber auch wie
von Dingen zur Bezeichnung einer unterschiedlosenMenge. Ein
klassisches Beispiel der letzteren Beziehung des Lo ist der Vers
bei Mehren, Rhetorik der Araber^ S. vt Z. 8 :
9 Der Gefangenschaft verfallen die Weiber, welche sie geheira-
thet, der Ermordung die Kinder, welche sie gezeugt, der Plün-
derung die Schätze, die sie gesammelt, dem Feuer die Feld*
fruchte, die sie gebaut haben.«
Grammatisch ebenso richtig und logisch näher liegend
wäre in den beiden ersten Satzgliedern ^ , aber das gleicher-
weise für Personen wie für Dinge gesetzte Le deutet an, dass
beide den unbarmherzigen Siegern gleich galten und gleich
schonunglos behandelt wurden. — Da im Allgemeinen Lc in
solchen Fällen ebenso zulässig ist wie ^, so wechselt biswei-
len in demselben Satze bei verschiedenen Schriftstellern oder
in verschiedenen Handschriften das eine mit dem andern ab; s.
de Goeje, Fragmenta historicorum arabicorum, 11, S.83, Z.2 u.
3. Und so könnte auch in der von Dozy, Abbadiden HI, S. 94,
Z. 2 V. u. angeführten Stelle 1, S. 306, Z. 47, statt U jj'
Äjjö^ Äjjbi ^ xj ^ja^„ gesagt sein ^! ^ JJ^ ; aber nicht,
wie Dozy meint, in aJ{ iul^j» ^t ^ JUamS Uc »j?^ > III|
S. 168, Z. 4 u. 5, ^y4ji statt Ujc; denn recht verstanden, zeigt
171
schon die in xJsJ» jA ^ gegeb«iie Erklttning {^-^^ des L«
in vXJUl Ua» dass dieses in sächlicher Bedeutung steht.
Dozy's Übersetzung, III, S, 472, Z. 16 u. 47 : »nam iis destitp-
tus qpiibus bano illamve partem administralionis (Cordubad) de-
mandaverat, nihil amplius agere poteratc, macht aus dem er-
klärenden ^yo ein partilives, bezieht JUmI auf Ibn Oahwär
statt auf Al-Mo'tamid und » in &J) auf das angeblich für ^
gebrauchte U^ und sieht sich durch dieses. Missverständniss ge-
o ^ o ^
Döthigt, den) ^ l^^ eine praegnante Bedeutung beizulegen,
die es nicht hat. Möglichst form- und sinngetreu übersetzt lau-
ten die Worte: »wegen seinerUntüohtigkeit zur Regierung und
Verwaltung von Cordova, welche er (AI-Mo'taroid) ihm über-
tragen hatte.a — Ebenso wenig steht U für ^ i^ der Abbad.
111, S. 94 Z. 5 u. 4 V. u. hierher gezogenen Stelle I, S. 842
Z. 9, wo Dozy das Lo in dem dreimaligen ^ U früher
für Ä.«^jJt U hielt und daher die beiden Worte S. 262
Z. 4 — 6 mit )iquaindiu vixerat« und »per totam vitam« ttber^
setzte. Nach seiner aptttern Deuiung wäre f>^^ U pro
^ ^« ein von den drei Superlativen Jc>-S, ^^^^l und «^isi
regierter Genetiv: »der eifrigste u. s. w. von denen, die wa-
ren ft, d.h. entweder: von allen, die jemals gelebt haben,
oder : von denen , die damals lebten , oder : von allen Men-
schen, wer sie auch sein mögen. Nun ist qLT Lo aller-
dinge ein von diesen Superlativen regierter Genetiv, aber nach
der in meinen RI. Schriften , I, S. 475 Z. 15 flg. gegebenen
weitern Ausführung der Andeutung in . den Add« et Corr. zu
Ma^ari, II, XIY% 17 flg., ist das U darin eine eigenthümlicbe
Art des jü^JuoJt U zum Ausdrucke des in einer gewissen Dich-
tung oder Beziehung erreichten höchsten Grades der durch den
regierendenSuperlativ bezeichneten Thätigkeit oder Eigenschaft.
iSku^S j qIX U Oc{»t bedeutet demnach, dass der in allen
seinen Bestrebungen eifrige Mann in den auf Erhöhung seiner
172
Stellung gerichteten am eifrigsten war ; ebenso bezeichnen
*SUw it ^\S Lo J; und ^ßj^\ > i^i^i^ti! ^ JS Ia ^\
die Erlangung der Herrschaft, 9 seines (irdischen) Himmels«, als
das höchste Ziel seines Aufstrebens und die Vereinigung der
ganzen iberischen Halbinsel unter seinem Machtgebote als den
Gegenstand seines heissesten Verlangens.
11^ 563^,.6-r-3 v.u. zeigt, dass Dozy »com&ten dec II, 444^
3 u. 2 V. u. nicht j> vielleicht«, wie ich im vorigen Stücke dieser
Studien S. 65 Z. 48 schrieb, sondern gewiss in der sinn-
gemässen exciamativen Bedeutung gebraucht hat.
II, 563^, 9 u. 8 V. u. In der angeführten Stelle BelAdori
S. 1f Z. 9 fSli Lo Q? zu lesen und zu übersetzen: wenn
etwas verloren ginge, ist ebenso unmöglich, wie in der
* ^ ^ m
einfachen Aussage i^U^ Lc, etwas ist verloren gegangen,
statt 9^ i^U^ mit regelmässiger Stellung des indetermi-
nirten Verbalsubjectes nach dem Verbum. Allerdings ist
Äj^LitJt \S^ä ^ viU^ Lo der conditionelle Vordersatz zum Nach-
> > 7
satze aJ q^v^U? J^^^ • »wenn etwas von jenem Geliehenen
verloren ginge, so sollten die Abgesandten dafür einstehen,«
aber das für ^t^ i^und wenn« gehaltene ^^ ist qT^ »und
w S
dassa, im Anschluss an ^t J^ in der vorhergehenden Zeile,
und Lq vor u^JLd> ist als iUbJJt Lq an und für sich si quid,
wenn etwas ; s. meine Kl. Schriften, I, S. 357 Z. 4 4 flg.
II, 563^, 8 — 6 V. u. Auch in den ersten beiden hier aus
Gl. Geogr. S. 354 Z. 4 4 — 44 genommenen Stellen finde ich ,
nicht das indefinite Substantivum Lo; denn obgleich dieses
Was für Etwas als concreter Begriff, = irgend ein Ding,
die ursprüngliche Bedeutung von L« ist, so findet es sich doch
selbst im Altarabischen so selbstständig gebraucht nur sel-
ten und stets in Verbindung mit einer nachtretenden Qualifica-
tion (meine Ki. Schriften, I, S. 706 flg. zu de Sacy II, 356,
§ 640), nie schlechthin wie unser gemeinsprachliches was in :
173 —
gieb mir was. Im Gemeinarabischen aber, soweit es uns
sicher bekannt ist, hat sich bisher ein solches selbstständiges
concretes Lo noch weniger auffinden lassen, und ich wage da-
her die Yermuthung, dass Lo in den betreffenden beiden Stellen
(lo zu schreiben ist als kürzerer Ausdrucl^ für Af>^ s-Ia : in
der ersten v^jXkI aui isU ^ , in der zweiten L^ Qffi^/^ Jf4 ^^
. $u , entsprechend dem Gebrauche des pers. yJ^ in der beson-
deren Bedeutung von ^^ \^)^ ^ß^j EIhre, Ansehen ; s. Vul-
lers, I, 4^, 5. Bed. von v^i. In der dritten Stelle, Z. 14, schreibe
man entweder 91« ^^, |J mit i-U in eigentlicher Bedeur
tung, oder wie im Texte %^ z^" (^* ^^^ kommt kein Wasser
herausa, oder: j»so kommt nichts heraus».
II, 564^, 23 u. 84. In meinen Kl. Schriften steht die ange^
führte Stelle Bd. I, S. 477—479 zu de Sacy l, 543, § 4<87.
II, 564*, 26 u. 27. Die Schreibart Lo ^iU bezeichnet die-
ses L« als ein dem ^^ nachtretendes indeterminirtes en-
m O
klitisches U , Ä^y^L^t U , im Widerspruch mit der Function von
Q^ als durch sich selbst determinirtem allgemeinen
Stellvertreter eines begrifflich determinirten mensch-
lichen Eigennamens. Es ist im Gegentheil da3 schon oft ver-
kannte, zuletzt noch in meinen Kl. Schriften, I, S.479 Z. 5-^4 8
behandelte und von Dozy selbst hier II, 563^, 5 v. u. flg. er-
wähnte Äj^Juill Lo: et (fest Vami de Mr. N, N. que tu as o$6
. traüer ainsi?
II, 564*, 8. Zu »^^Lul^Ua bemerkt M S. MV Z.4— 6 rieh-
lig, dass es aus der vollen persischen Form ^Li^^U-u (bei dem-
selben S. b.* Z. 9—5 v. u.) abgekürzt ist.
II, 565*, 23 »iL« ou ^^Lo vulg. pour iU (pl. iujttun-
174
; richtig nach If , S. Üf t*^ *•, wie dieser selbst nach Freytag, IV,
S. 445*; um so auffallender, da 4} einVerbalstamm if, auf den
liA zurückgehen mttsste, nicht vorbanden ist, 2) beide daneben
das Wort richtig vom pers. aJU ableiten, 3) unter A^ dasselbe,
und unter / öLq die andere Form /jJU, ebenso abgeleitet, ohne
Hamzah schreiben. Jenes lU etwa durch den von M, S. tlft^
angegebenen gebrochenen Plural iU rechtfertigen zu wollen,
Wäre vergeblich, da dieses lU nach aller Analogie die Stelle
des regelmässigen l\yi eingenommen hat. Al-FarftYd al-duirt-
jah S. vAl^:»Truelle de ma^on ^]y^ ^ iUa. Die einheimischen
Quellen werke wissen von einem iU nichts und geben X\j^ und
/^U einstimmig als Arablsirungen des pers. &JLo von der Wur-
zel v3l^i reiben^ streichen, derselben, aus welcher unser
malen, Maler erwachsen ist.
II, 566^ 29—33. Unter äIpU sind zwei ihrer Herkunft
imd Bedeutung nach grundverschiedene Wörter vereinigt : 4)
ikApLt vom arab. U, was, quidditas der Scholastiker: Wesen,
2] Xa^Li vom pers. »Lo, Monat: monatlicher Bezug, dann
überhaupt Gehalt, Besoldung, Löhnung, wie das gleich-
bedeutende ursprünglich arabische B^Umw« (s. das S.Stück die-
ser Studien v. J. 4884, S. 20 Z. 5 flg.], aber nie allgemeinhin
»Geldsumme«, wie denn auch in der ersten Ausgabe von Bc.
unter nSomme, quantit^ d^argenta richtig nur «JL^o steht. Auch
Cuche S. *tiö* und Al-FarÄYd al-durrljah S. vt!^ stellen »Nature,
eondition d'une chose, ce qu'une chose est r^ellement. Traite-
175
ment, appointements« unter iUPu« zusammen, aber AI-FaräYd
bezeichnet die zweite Bedeutung als gemeinarabisch.
II, 567% 4 »äjU a aussi le pl. qaa^, Gl. Mosl.« M, auf
den Gl. Mosl. LXVIII Z. 3 verweist, schreibt nicht nur richtig
^J^AA^, sondern bezeichnet auch das ^ ausdrücklich als ijyj^.
Vgl. in meinen Kl. Schriften I, S. 338 Z. 13 die Zusammen-
Stellung dieses ^^y^^ von Ka^ mit ^^^aJU» von 'iXm. — Ebenso
Z. 41 ^i^^aa^« sehr, ^^jt^'
Ily 567% 25. Der Infinitiv -yu gehört nach seiner Form
(s. Ibn Ja'ts S. a*^ Z. 41 — 45) nothwendig zu dem intransitiven
^, im Gegensatze tu dem transitiven L^ ^, Gl. Geogr.
S. 354 Z. 5 u. 4 V. u. Daher ist in der ebenda beigebrachten
Ueberlieferung nicht zu lesen L^Uct als Object, sondern
4dUc:l als Svbject von v£>.5X^ ; der Sinn in unserer Weise aus-
gedrückt: »Nie sah ich die Hälse der Männer so nach etwas
ausgestreckt, wie nach ihm.a \ J regiert oL>-JI als Object
and verleiht ihm die Fähigkeit, einen 9^1, sei dies ein Einzel-
begriff , oder, wie hier, ein ganzer Satz mit einem auf v3L>jJt
bezüglichen Pronomen, dem LP in L^U^t , zu regieren ; dem-
nach eigentlich : »Nie sah ich die Männer in dem Zustande, dass
ihre Hälse sich nach etwas ausgestreckt hätten, gleich wie
nach ihm.a
II, 567^, 48 i>facüieux, plcusantfn fasst den Begriff von
»at — 1. Kift — etwas zu eng. Von schriftstellerischen Wer-
ken gebraucht, bedeutet das Wort sowohl Belehrung als Unter-
haltung und Genuss gewährend. So heisst bei IbnHallik&n, de
Slane's Ausg. S. v)**f Z. 2, der bekannte Ibn Zafar aus Sicilien
*ty»JI sjLf^l*eui\ vu>L0 ; 'der Verfasser der dann aufgezählten
176
theils schöngeistigen, theils wissenschaftlichen Werke. Gresto-
matia afäbigo-espanola von Lerchundi und Simone! , S. 402
) « « m^*
Z. 2 u. 3, nennt Ihn BaskuwM Jua^ . c^.,Ij n^ lSiL^I. Mit
i^üJL ÄAOd^ oLo^ wird bei Jä^üt, I, S. aIo Z. 5, die unter
^lä^, IV, S. ir Z.3 flg., nachgelieferte gehaltreiche, mit Ver-
sen untermischte Geschichte angekündigt.
H, 569*, 21 u. 22. Als gemeinarabische Bedeutung von
^, — merkwürdig als Gegensatz zur altarabischen, — hat aach
Guche S. *llv* »humer, aspirer, sucera.
> ^
II, 569*^, 7 u. 8 »^^^Lo«, ein Wort von unbekannter Her-
kunft, ist schon I, 10*^, 14 flg. unter y>t ausführlicher be-
handelt.
II, 574^, 15—47. Aus der angeführten Stelle folgt keio
Activum Q^^t mit J oder dem Accusativ (so dass J nach
^L^^^^! nur Jwobüt iy^äx! j.iUt wäre) »avotr cfe Vefficadte sur,
sondern dieses qL^^^I ist seiner Bedeutung nach der Infinitiv
des Passivums ^^j^s^^t, erprobt, bewährt sein, und J, für,
vor ooUJt^ ü^;^^ ^ird gemeinschaftlich von ihm und dem
vorhergehenden lk>^t regiert: D^tre bon et d'une vertu 6prou-
v6e pour le terroir et toutes les plantations.«
II, 572*, 22 flg. De Slane's ^ja^\^ ist richtig ; es bedeu-
tet: sich rein als Ergebniss von etwas — hier von
der angestellten Bora thung — herausstellen, ähnlich dem
von Dozy selbst II, 570^, 16 u. 17 anerkannten se dävelopper
franchement. Wäre seine Vermuthung im Allgemeinen richtig,
.so müsste sowohl die Form als die Gonstruction des Zeitwortes
eine andere sein : ^L^ j»! (^ JL«:cäI oder) ^jLflÄfib f»^
»und so gebar sie (ihre Berathung) ihnen die Gefangensetzung
Abu Zijän'sa, d. h. ergab dieselbe als Beschluss.
II, 572^, 16 u. 17 ȊU? v-^b' teneur^ celui qui tient les
177
livres, les registres, Bc«. So allerdings schon in der ersten Aus-
gabe, aber mit einem offenbaren Druckfehler statt XJL:^, d. h.
II, 573% 44 — 46. Dieses 9 Ausstrecken der Zunge«, JL«
qUJÜI, welches r>etendre la voixa beim Amen-Rufen bedeuten
soll, hat eine bedenkliche Aehnlichkeit mit dem stets in übler
Bedeutung stehenden 9 Lang werden a und d Langmacben der
Zunge«, ^^LJÜJ J^ und ^UJÜJ ÄJLfcl; s. II, 72», 8 u. 7 v. u.
und 72% K Z., Ma^ari, II, r.r, 46, wo statt v:tjLbt zu lesen
ist vJjLbI ^) , und den Vers in der ersten Erzählung der ersten
Abtheilung von Sa'di's GulistAn :
oWenn der Mensch in Verzweiflung geräth, wird seine Zunge
lang, wie eine in die Enge getriebene Katze den Hund anfällt«,
d. h. er ergiesst .sich rücksichtslos in Schmähungen, schimpft
und flucht. — Die von den »reingläubigen Herzen« auf die
»Zungena ausgeübte Wirkung ist geistiger Natur: die aus
ihnen aufsteigenden Gefühle u. Gedanken führen der sich durch
die Zungen aussprechenden religiösen Begeisterung immer
neuen Nahrungsstoff, BoL« , zu^ wie im Anfänge des Gulistän
jeder neue Athemzug oL:> JUl ist. Ich kann daher dieVerr
-• » - - >■
Wandlung von Wright^s Vocalisation ]J>J<^ in L^JliJ nicht gut-
heissen.
i, f
II , 573^, 8 u. 7 V. u. BJwo ist nicht schlechthin ftträve,
Suspension d^armesM, ÄiJ^ , sondern ÄjJ^J! »Ju^ die Dauer des
i) Dieser Berichtigung in Add. et Corr. XIX» hatte ich die Bemerkung
beigefügt: »d.h. du selbst hast dadurch, dass du gerade am Sonnabend
gekommen bist, dem die Vorztiglichkeit dieses Tages gegen den Moslim
behauptenden Juden einen neuen Beweis dafür geliefert und dadurch
'seine Zunge länger*, d. h. seine Ausfälle kecker und beleidigender ge-
macht.«
178
WaffenstiUstaDdeSy die dafür anznberauinende oder anberaninte
Frist, wie besonders deaüidi in dem sweiCen und vierten der
Gl. Geogr. 6. 99 Z. 42 flg. dafttr angeführten Belegstellen.
II, 574*, 6. «^Ua^ 4001 N. Bresl.III, S.256 Z. 42, Druck-
fehler St. «3l«x^l, welcher Infinitir, wie unser Trauer, deuii,
in concreter Bedeutung Trauerkleider bedeutet; vollständig,
wie hier und Jä^üt, IV, H. 45, o\j^] ^Lß oder oVXsl\ v^ •*)
II, 574% 4 u. 3 y. u. ^Article d^un trait^, d'un oootrat«,
besonders auch, was in einem Supplement aux dictionnaires
arabes nicht fiehlen sollte: d'un dictionnaire, d. h. die ganse
von einem Yerbalstamme abgeleitete und unter ihn gestellte
Wortreihe, nach unserem Sprachgebrauche oft geradezu mit
Stamm, Wortstamm zu übersetzen. So der türkische
K^müs unter oit : ^u^iAS^ ^j^ ^^jk^^j ^ ^^wuoU %Xa
jsXiiyoyA tSJu^MAj arabisch: v^>^l ^^jtl äi^^/^ Si\ '^^
Jiatl^, II der Wortstamm madd ist (von den Spracbbildnem)
bestimmt den Begriff des Langaussiehens und Streckens aus-
zudrücken.« Auch in dieser Bedeutung hat das Wort im Plural
II, 575% 4 4 V. u. »,^JL« II, pour JUa steht in Wider-
spruch mit der dazu angeführten grammatischen Regel. Eben-
sowenig als riU, *)tti3lD u. s. w. von einem Stamme "DD, ist
c^oJb«, o-mXq u. s. w. von ^^ßXA abzuleiten und als die zweite
Form davon darzustellen. Die dritten Personen des Perfectums
«- - *
dieser Verbalklasse , Ju, iJu, t^jüo u. s. w., behalten stets
ihre ursprtlngliche einfach synkopirte Form.
II, 576*, 6 »^ — grisAtrea ist das türk. ^, mAr, II,
623*, 4 8 flg. ; bei Meninski »violaceus, paona;sjzo c*(pavonaceus);
bei Bianchi » 1 ] violet. 2) se dit en g^n^ral des couleurs som-
bres«; bei Hindoglu »bleu fonc^c; bei Zenker Bdunkelblau«
veilchenblau, purpurfarben, rostbraun t; endlich bei Vämb6ry.
4) jtj^l im Texte von Jd^üt ist berichtigt V, S. 367 Z. 4.
179
Etymologisches Wörterbuch, S. S06 »osm. boz, mor ss grau,
weisslich (mosmor ss ganz grau)a.
c -^ >
n, 579% Hu. 45 y>}j>-j4^ Stoffe rouge qui se fabriquait k
Samarcand«. Die ausdrückliche Angabe der rothen Farbe
als diesem Zeuge eigenthtlmlich bestätigt mittelbar die Richtig-
^ O . J
keit der Textlesart J^j«^ bei Mokaddast, f^ö, 43, wenn dieses
Wort, nach meiner Yermuthung ein Denominatiy, nicht, wie-
o , y
das altarabtsche Jw^-*^^, von J^yo, sondern mit Verwandlung
des Schluss-n in 1 von QL>y«} rothe Koralle (Baidäwt zu
Sur« 55 V. 28) abzuleiten ist. Die Verwandlung des n in 1
ist ein Seitenstück zu der des r von iMaQyaQltrjg (II, 578^,
vorl. Z.) in das 1 von fiagyHliov j und erscheint auch in
«n'>ba'Tt) neben btTfi^nü, Levy, Chald. Wörterbuch, 11, S. 66.
II, 579^, 4 4 v. u. ^f^)^ (adj.) savant, Gl. Geogr.« aus
einer Randbemerkung zu Mokaddast, tfo, Anm. b, in der ein
Leser sieb über das unklassische «Uit statt der andern Lesart
si^l als über einen »schändlichen Fehler« ereifert, der durch-
aus nicht von «^^UJt -'U^Xt J^UJt, d.h. Mo^addasi selbst, her-
o
rühren kOnne. De Goeje sagt im Glossar über -.t^il: »epitheton
viri docti, copiosusii, Dozy erklärt es durch »savonf«, also im
Allgemeinen gleichbedeutend mit dem unmittelbar darauf fol-
o
genden «t^ , einer Intensivform , die, wenn nicht etwa aus
dem gewöhnlichen *^ verschrieben, der ungenannte Leser
nach Analogie von .t j: auf eigene Hand gebildet zu haben
scheint. Nach seiner Herkunft von -y« ist übrigens ^\ji weder
ficopiostisü noch »savantdj sondern alacer, munter und rüstig.
Sind auch dergleichen epitheta ornantia ihrer Natur nach einer
genauen Begriffsbestimmung am wenigsten bedürftig, so möchte
180
ich doch eine Vertauschung ihrer ursprünglichen Bedeutungen
mit andern besonderen oder allgemeinen nicht empfehlen.
II, 580^, 47 u. 48 »qL^ <;s)JUfit ^L«« ein unsauberes
Wortspiel, dessen Bedeutung Dozy richtig erkannt hat ; es fehlt
nur noch die Bemerkung , dass der paederastische Doppelsinn
von qLjjj^ Auf einer Nebenbedeutung von jyo oder dessen
Verwandlung in das gleichbedeutende lyQ , foramen podicis, be-
ruht. In Uebereinstimmung damit ist statt desf^yJui derBresl.
Ausgabe, Z. 48, »J^y^. zu schreiben : voluit eum sibi sub-
stemere.
II, 584% 26 u. 27. Nach den Quellenwerken bedeutet
A^L« , das Abstractum von ^jA = JuX;];, nur BvXm , wogegen
die ihm durch i^'iLJjA prcUique, routine^ zugeschriebene Bedeu-
tung dem mit derselben II, 584^, 1. Z. aufgeführten ä^,L&, Inf.
von (jM'^Lo, zukommt. Wahrscheinlich ist daher Z. 27 Ji^
*^UII zu schreiben, in synonymer Zusammenstellung mit
bÜbuJt ^jiXü, wie der E^müs auch die bezüglichen beiden
verba finita in der Erklärung von ^^^U verbindet : X^.Ü: au^^u
»LiLc^ ^^\\^ «^Lc LmI^o^.
II, 582*, 42—44 »iLity»« in der angeführten Stelle der
T. u. £. N. gehört nicht als »mot nouveau form6 de la racine
tjÄ^« unter ui^, sondern als Inf. der dritten Form (Jä!. unter
IM ^
(JA, selbst, I, 529**^, wo auch die entsprechende sechste
Form t^G oder ^JiJ^'ß aufgeführt ist,
II, 583% 43 »y**Xja Druckfehler st. ^.-jCj, d. h.^-lxi.
II; 583% 23 9y.^Kji^ii nach Kosegarten ; aber sehr, v'i^^,
grasreich. Der Commentar erklärt damit die Function des
als Beschaffenheitswort mit Jüb in Apposition stehenden
181
gebrochenen Plurals c^f ; s« meine Kl. Schriften, II , S. 34
Z. 5 flg.
II, 583^, 8 v.u. »(jy clair, peu 6pais«, und 584% 6
o^^
D/jf^u liquide vi^ nach Cuche Denominative von /jy, bouillon;
er giebt S. 1)f ^ »clair, d^lay^, semblable au bouillon a als ge-
meinarabische Bedeutungen von /^jl^-
II, 584^. 48. Wahrscheinlich durch Verwechselung mit
der pers. Verkleinerungs-Endung a;^ soll das _. in ^^a^U^o
sein 9 le Suffixe qui indique le diminutif.« Aber 9^ verkürzt
^0
sich nie in . und konnte auch in seiner wirklichen Gestalt
nicht dem Worte j^Lo, Fisch, als Benennung eines Thie-
res, zur Verkleinerung angehängt werden; s. meine pers.
Grammatik, 2. Aufl., S. 99 Z. 17 u. 48. Das _ ist einfach die
Arabisirung der alleren Endung y£ \ s. das 2. Stück dieser
Studien v. J. 4882, S. 53 Z. 43—45 und Levy's Neuhebr. u.
chald. Wb. III, S. 320» Z. 8 flg.
II, 585*, vorl. u. 1. Z. lieber »q5j^ Comus mascula L.,
comouiUerdi s, das Nähere bei Levy,. Chald. Wörterbuch, II,
S. 569»- ^ und Low, Aram. Pflanzennamen, S. 248 u. 249.
II, 586'*, 6 u. 5 V. u. »-L^i« nach Ale. Plural von «.U^, —
formell unmöglich — , ist der Plural von ^ja, wie Js^L^I der
o
von bX^. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauche bedeuten
beide besonders die vier Grund-Humores der mittelalterlichen
Physik ; nur ist Jp und dialektisch jJ^\ (II, 594», 9) sel-
tener als ^SJa. In Dieterici's IhwAn al-safä, S. Ht, Z. 8 ist
JjJl in A^.>Li*:>l -^Wt v^j^ ^^^ Schreib- oder Druckfehler
statt dieses ^U^l*
184
in derBedeutungsentwicklung entsprechen ^^U und ^^Lm dem
hebr. T[üü mit dem causativen nOTan, dem aram. KDtS mit
TT T I • ' T »
den causativen und reflexiven ^"otj und ^üiat^, "^P^^ ^^^
•^Dttig«; s. Levy, Chald. Wb. II, S. 6\^ u. 52*. ' In den Bruch-
stücken arabischer Bibelübersetzungen, welche der sei. v. Ti-
schendorf im Morgenlande zusammengebracht hatte , fand ich
* - c
neben ^^ljr auch ^^^m^ \xnd^^^M^\ in gleicher Bedeutung, z.B.
w^ O
Hieb Cap. 49 V. 20: L**^i ^JJb^ (d. h. ^^^^^\ ^^^Jd») und
Cap. 46 V. 7 : ^^^-^m^^ waü J^PL> lil. — Cuche S. *jfA* : ^^wUj
L^l-ij se gangrener (plaiej ; 6tre pourri, vermoulu (bois).
II, 595**, 25. In der Form "^i^-^i^^ musmula, haben die
Araber das griech. ]U€a/aAoi/, fieaTuka, von den Türken er-
halten.
II, 596% 18—20. Die »dem^L4^- % v^iy ^la im All-
gemeinen gegebene Bedeutung : »die Richter wurden damals
nicht von einem Gefolge zu Pferde und zu Fuss begleitete ist
unzweifelhaft richtig ; aber es fehlt die Bemerkung , dass zur
Darstellung dieses Sinnes beide als Passiva, ^^js und
_ä^Uj, zu lesen sind.
II, 596*, M r)'i\yi^ trotte, espace de chemin, voyage, Bc.«
ist zu streichen. In der 1 . Ausg. von Bc steht sowohl unter
Trotte als unter Voyage richtig j]yi^] s. I, 801% 1 — 4. Cuche
S. n*1* als gemeinarabisch; hJ^yi^A voyage, course« und das
^ c
denominative )) . ^^:;:wQ voyager, marcher, cheminer« ; vgl. 11.
597», 20.
II, 599*, 9 u. 8 V. u. »jc^a^ — c. J^ devorer, Gl.EdrtsU.
widerlegt sieh selbst durch die dafür angeführte Stelle S.fi**, 15:
xJa ;^^«a^S «N^l , da das von dem Drachen in Beziehung auf
einen Menschen gebrauchte xJLc ^^^a^^I mit dem ihm beigeord-
neten \*ÄAit nicht gleichbedeutend sein kann. Auch die Her-
ausgeber übersetzen S. 51 Z. 2 u. 3 : » tue et devore quiconque
185
S6 präsente devant lui et ose l'aUaquer«, sodass in umgekehrter
Ordnung »tue« dem &JLis ^c^^ und ««üxif dem »d^vore« ent-
spricht. Aber schlechthin tödten kann das erste auch nicht
sein; denn in der zweiten angeführten Stelle, Edrist, Clim. I,
Sect. 7 heisst es von den Affen : » einem Menschen, der in ihre
Hände fällt, spielen sie schändlich mit ^dlxäd aJIc c;AiC3Al Lm^^
Lcy«^«, wo das Jjkd als Folge des &JLc ^L^/of erscheint. Ich
vermuthe hiernach , 4 ] dass dieses , in Uebereinstimmung mit
seinen sonstigen Gebrauchsweisen, in solcher Verbindung be-
deutet : jemand so ttbel zurichten^ dass er davon sterben muss.
2) dass in der ersten Stelle ^ vor ^^Aa^t in ^! zu verwan-
deln ist.
II, 599^ 10 u. 11. Dozy sagt, de Slane habe JoL^ Prol.
I, 209, 12, mit r>relaxation (des nerfsja übersetzt; aber eine
nähere Yergleichung der Uebersetzung, I, S. 240 Z. 20 u. 21 :
«elles (les personnes) ^prouvent^ pour ainsi dire, une contraction
et une relaxation (desnerfs)« mit der bezeichneten Textstelle
JalxiJJI^ wi^UaÜ^ — A i,\y^9\ zeigt, dass er die beiden Begriffe in
seiner Uebersetzung umgestellt und dabei das Gähnen, wi^LUit,
als eine besondere Aeusserung der Abspannung oder Erschlaf-
fung, \iyal\ (s. K^müs und M unter w^j zu »relaxation (des
nerfs)ff verallgemeinert hat, während er in «blo^xil die gerade
entgegengesetzte A contraction (des nerfs}« zu finden glaubte.
In dieser Zusammenstellung mit Gähnen aber ist auch JaluXit
nur eine andere Aeusserung körperlicher oder geistiger Ab-
spannung : die Arme ausstrecken und ausdehnen , wie ein
schläfriger Mensch, dasselbe was bei Cuche S. *1H** : »^gh»')'
LLaj etendre les bras en brillant a und dann, mit Verwand-
long des Nebensächlichen in die Hauptsache, sogar schlechthin
n^^öii bftiUement«. Vgl. JaÜuJ ü, 601% 13 u. 12 v.u.
II, 599% 11 u. 12. »^biaiJ« von Naturkörpern ist weder
überhaupt noch in der angeführten Stelle n8'äpaissir,<i sondern
13*
N
186
devenir oder 4tre extensibk, dilatabley dehnbar sein, sich in die
Länge ziehen lassen , ohne zu reissen. Dies setzt eine gewisse
mit Zähigkeit verbundene Dichtigkeit voraus, ist aber nicht
diese selbst. So bedeutet auch »Jata«^^ ^Lzm Ä:>^y «JLi>iv> j«:
in seinem Innern ist eine weisse, klebnge Substanz, die sich
lang ausziehen lässt. J?!^ »lac camelinum crassum acidum-
que« ist kraft seiner Herkunft Milch, die sich in Fäden ziehen
lässt, SClaJa/o »aqua crassa in fundo receptaculi aquaea, dicker,
schlammiger Bodensatz des Wassers, der vermöge seiner Zähig*
keit dieselbe Behandlung erträgt.
II , 600*, 20—31 . Nach den im dritten Stücke dieser Stu-
dien V. J. 4884, S. 52 Z. 47 flg., beigebrachten Zeugnissen ist
» - »• • —
dieses hJxq nicht dasselbe was Jom, f^^Qtjnfig, sondern eine
Synkope von »j^Ia^.
II, 603*, 6 V. u. »^«, unrichtig, von Freytag nun auch
zu M übergegangen, st. ^, neben «^. Der türkische Kämüs
giebt nur diese beiden Formen : »jjtli mit a des Mim und ver-
kürzbarem Alif (^!) und ^^Jt nach der Form von Lä>^ (l^:^^
d. h.^^^t]« ohne Erwähnung der dritten mit i des Mim und ge-
dehntem Alif, i-Lstll, welcher M die Bemerkung beifügt: yasi\
^^\ , die Verkürzbarkeit (des Alif) ist allgemeiner üblich.
II, 603*, 24 ))v3ljuJt« sehr. oUJL.
II, 605*, 47—19. Das ^j.^ der Bresl. T. u. E. N. VII,
S. 43 Z. 42, ist ein verschriebenes ^c^**äa, d.h._^MÜu, be-
trübt, bekümmert, nach der im Gemeinarabischen und Tür-
kischen gewöhnlichen tropischen Bedeutung der Derivate von
L^ ; s. oben II, 347*, 46 flg. und Zenker 704* unter g^Lo.
o
II, 605*, 20 »jj^LiJU« wahrscheinlich fii^a (ra), eine
schleimige, pflaumenähnlicbe Baumfrucht, mit der aus dem Sy-
187
rischen bekannten neugriechischen Pluralendung äs, Nöldeke's
Syr. Gramm. S. 56. Palgrave^s jC^Ju ist wohl jenes fivga selbst,
IMT Bezeichnung des Baums in einen weiblichen Singular ver-
wandelt.
II, 605^, 10 Y. u. »lüJÄA (? sie) nique, signe de moquerie;
de m^pris, B.« Das vonDozy in Frage gestellte Woi't steht auch
in der ersten Ausg. vonBocthor, nur mit Feminin -ä am Ende.
II, 607", 45 »ÄbCo däesse, Bc.« sehr. jüOLo, wie in der 4.
Ausg. unter dem Stamme tä)JU richtig steht. Bocthor hätte übri-
gens besser gethan ; den heidnischen Begriff , wie Ändere vor
ihm (meine Kl. Schriften, I, S. 455 u. 456) ohne religiöse oder
sprachliche Bedenken durch äP^I, PI. oLi>^t , vollständig aus-
zudrücken, statt ihn durch ^uL> und KjCLq nur zu streifen.
11, 608^, 9 flg. Dieses d^« mit ^ des Gegenstandes oder
Inhaltes von etwas Geschriebenem, wie nach v^> gehört mei-
nes Erachtens nicht unter ^, sondern ist das 645% 42 v.u.
unter jL^ U. aufgeführte gemeinarabische Xo oder ^^ statt
^t, das, wie ital. dettare, nicht bloss vom Dictiren im ge-
wöhnlichen Sinne , sondern auch vom eigenen Niederschreiben
gebraucht wird (meine Kl. Schriften, 1, S. 438, Anm. 4} ; vgl.
hiermit das 645^, 4 u. 2 aus Ale. beigebrachte »mtnuter, faire
la minute dun ecrity noter a. Mit demAccusativ der Schrift eines
Ändern steht es auch von deren Beproduction in einem Sammel-
werke, Wright's KAmil S. r.r, Z. 47: Up j L^jus^ j L^^Il
vLÄ)üt- Alc.'s j»J,Lq escritor que compone«, 645^20, zeigt, dass
das spanische Arabisch die erwähnte Bedeutung sogar auf die
erste Form iLo übertrug.
II, 609% 7 »v,;^« noch einmal st. s;^; s. das dritte Stück
dieser Studien v.J. 4884, S. 75, Z. 4—4.
II, 609^, 47—20. ^ ist nie gebrochener Plural von
188
'• — >
»f^, sondern Stets männliches Gattungs-Gollecttvum , Lane^s
»collective generic nouna und •quasi-plnral nouna, von wel-
chem das weibliche Einheitsnomen s^^ gebildet wird; s.
meine Kl. Schriften I, 256—258 zu de Sacy, I, 346, § 805.
II, 6<2**, 7 V. u. Mit n faire toumer Tepee dans fairt wird
dem vju^^ «bJL«, \Jum^\ JaJU-*, eine Bedeutung beigelegt
ausser Zusammenhang mit den bezeugten Anwendungen des
Stammes JaLo. Sollte hierbei vielleicht unbewusst der An-
klang von faire le moulinet mitwirkend gewesen sein? — Nach
Analogie des hebräischen und aramäischen zhlQ und nach Vor-
gang des Arabischen selbst im Gebrauche der achten Form
J^I£ct = (jJli:>f bedeuten iJU und JoLm nichts w*eiter als
leicht und schnell herausziehen, J^, JJC^t.
II, 613% i5 flg. »^jSa, drap€ hat seinen Namen von der
im Mittelalter durch ihre Webereien berühmten Stadt Utlc^
Amalfi in Calabrien; s. Bibl. arabo-sicula S. t. Z. 3 v.u.,
Amari's Uebersetzung S. 24 u. 25, und Jaubert's Geographie
d'Edrisi, II, S. 258 Z. 6 flg.
II, 64 6», 3 u. 4 jp^, ^, ^«, wie ^yxi, Ji (727\
22), altarab. jj^, pers. ^^.^, Lall- und Kosewörter für das
Püppchen Männchen) im Auge, 1ri2:i£i, ijQi^, türk.^^xll ]/
(wie wenn man eye-baby st. eve-ball sagte), pupula^pupilla; s.
Levy's Chald. Wörterb. I, 41 9\ 7 flg.
II, 616% 6 — 4 v.u. Die hier angenommene Auslassung
von <^)uy>ü vor seinem iax^J (meiae Kl. Schriften, I, S. 412 u.
413 zu de Sacy, I, 493, § 1086) wird durch nichts bestätigt.
Es ist dieses ^ das gewöhnliche erklärende, im Anschluss an
die vorhergehenden lobenden Praedicate: »nämlich ein Mann«
U.S. w. (gleichsam: bestehend aus einem Manne), von welchem
189
qLoJÜ ^ das Ju^^pJü ^ bei den arabischen Stilisten eine
^ «•
besondere Abzweigung bildet; s. Dieterici's Mutanabbi und
Seifuddaula, S.74 — 76, Anm., und Mehren's Rhetorik der Ara-
ber, S. 412.
II, 646% 4 — 4 V. u. Woher d\ ^, ^ die Bedeutung er-
halten haben soll ^maudit seit le jour otc«, ist nicht gesagt,
möchte sich auch schwerlich nachweisen lassen. Der Vers be-
deutet einfach: »Von wegen des Tages, wo du mich zu lieben
aufgehört und dich von mir abgewandt hast, haben sich nicht
einmal zwei Ziegen gestos^en «, sprüch wörtlich von etwas Un-
bedeutendem , worüber kein vernünftiger Mensch sich ärgert
oder ereifert ; s. Freytag's Meid^nt, II, S.507, Spr. tn.
II, 646*», 4 — 3. In dem LiuLc dieses Halbverses findeich
kein ns'ü vous platte j sondern eine fttr den Sinn entbehrliche,
aber dem arabischen Sprachgebrauche entsprechende Ortsbe-
Zeichnung, vollständig LjCx^ ^: von dortherwo ihr seid. Die-
selbe Praegnanz in entgegengesetzter Richtung zeigt Krehrs
Buhärt, I, ni**, in ^^ *iiuJt: zu dir hin, weg von mir! S.
Lane unter ^? S. 86* Z. 45 flg.
m
II, 64 6% 4 4 »j:ÜiJI« in Gl. Belädz. S. 400 Z. 20 verschrie-
ben st. i^LäJL , wie in der dort angeführten Stelle von Bat. III,
S. 54 Z. 7 richtig steht.
II, 647% 44 U.45 »j^^Lu et ^Ji^^jJ^ i;to/e^ff türkische Um-
lautung von ijy!^ , u^^ys i ^^^ ^^^ Türken auch «UUJU und
b«"«- ^ (/ ^^
sagen stau aes pers. xCmjuj, arao. ^s^**sü^, magrcD.
__ {II, 649% 47), Veilchen. Gazophyl. 1. pers. S. 276:
»Violet ^JUJu«. Hindoglou, Dict. turc-fran9. S. 466*: » jiy^
ou ji^j^, m6n6vich, violeta.
190
O 9
U, 64 7\ 5 a. 4 v. u. »^< Pbaseolus Mango L. Näheres
bei Levv. Neahebr. Wörteii>. III, S. 305 a. 306 , Low, Aram.
Pfl. S. 2*45.
II, 647*, 3 V. u. flg. In diesem Artikel sind zwei grund-
verschiedene Wörter, ein persisches und ein griechisches, in
mannichfacher Umbildung zusammengeflossen , doch so , dass
die dem einen und die dem andern anc^ehörisen Formen und
Bedeutungen sich noch scheiden lassen. Das pers. Urwort ist
\2iUjy eine becherähnliche Schale, Tasse, coupe. gobdety aus Erz
oder Messing, besonders eine dergleichen mit einem kleinen Loche
im Boden, durch welches sie, auf das Wasser gesetzt, innerhalb
einer bestimmten Zeit sich füllte, untersank und dadurch den
Ablauf dieser Zeit anzeigte. Mit Uebertragung des Namens für
das Messwerkzeug auf den damit gemessenen Zeitraum, — nicht
umgekehrt, wie es nach dem Artikel «2^ beiVullers scheinen
könnte — , sagte man : das beträgt K ^^ {^yi» «dC^^ <^).
Gegen die erwähnte unrichtige Darstellung des Verhältnisses
zwischen den beiden Bedeutungen spricht schon der Umstand,
dass dasselbe Messwerkzeug noch zwei andere gleichbedeu-
tende , ebenso allgemeine Namen hat : ^^^/J^ oder oJ*^ und
ytoH. Nach den einheimischen Lexikographen diente diese ein-
fache Wasseruhr den Indern und Persem besonders auch zur
genauen Abmessung des jedem Theilhaber zur Bewässerung sei-
nes Feldes zukommenden Betrags von einer natttrlichen oder
künstlichen Wasseransammlung, durch Vermittlung einer wäh-
rend einer bestimmten Zeit zum Abflüsse des Wassers geöffne-
ten Leitung. Später wurde für ;^^ sowohl in seiner ursprüng-
lichen allgemeinen, als in seiner besondem Bedeutung das da-
von gebildete Belativnomen qI^ üblich, und dieses übertrug
man auch auf die weiterhin an die Stelle der Wasseruhr, vdpo-
axoTtLov^ vdqiovy xXexpvÖQa, getretene Sanduhr, xXetpdfifiiov.
sablier, sable, unser altmodisches Stundenglas. Ausser-
dem ist aber qIXaj nach Lebge'i' 'otm^ni S. Ha durch eine
andere Besonderung seiner allgemeinen Bedeutung noch heut-
zutage das pers. -türkische Kunstwort für den gemeinhin tJ^,
191
Glad, Glasgefflss, genanDten gläsernen oder auch metallenen
Schröpfkopf, ventouse. Ein vollkommenes Seitenstllck zu
qLxjo als Gefäss schlechthin und als Stundenglas ist das ital.
ampolletta, span. ampollita, franz. ampouiette, eine
sechs oder mehr Stunden laufende Sanduhr, wie sie auf den
Seeschiffen gebräuchlich ist. Aus qÜCü bildeten nun die Ära-
her einerseits JdJ^j andererseits ^Jls^»^ — durch den Sprach-
gebrauch so geschieden, dass jenes Wasser- oder Sanduhr,
dieses Schale, Schälchen, Tasse, insbesondere Kaffeetasse
(Obertasse) bedeutet, in welcher Bedeutung es nicht nur bei
Arabern und Türken , sondern auch bei den Persern selbst in
allgemeinem Gebrauche ist. Das arabisirte «UCo aber wurde
nach dem von Dozy angeführten Zeugnisse HdgiHalfah's später-
hin, mit völligem Absehen von Stoff, Form und Zusammen-
Setzung der dadurch eigentlich bezeichneten Wasser- und Sand-
uhren, auch auf andere Uhren übergetragen und bekam in die-
ser verallgemeinerten Bedeutung den Plural oUIXo. H^gl
Halfah, II, 69, führt als einen besondern Wissenszweig JLc
c^LcÜClJ^ auf und erklärt dies als die Kenntniss der zur Be-
Stimmung stets gleichbleibender Zeittheile anzuwendenden ma-
thematischen Berechnungen, — technisch gewendet: die Kennt-
niss von der Art und Weise der Herstellung solcher Zeitmesser.
Der Endzweck derselben sei : die Bestimmung der richtigen
Zeiten für die fünf kanonischen täglichen Gebete und anderer
wichtiger Verrichtungen, ohne dazu den Stand und die Bewe-
gung der Himmelskörper zu beobachten. Er fährt dann so fort.
»Eingetheilt werden die oLebCo 4) in Sanduhren, ^ULo . , die
aber nicht viel nützen, S) in Wasseruhren, s\i\ oUIXu, von
denen es mehrere Arten giebt , die aber ebenfalls nicht viel
nützen, 3] in Drehuhren, äj.^o oLcbCü, mit Rädern, von
denen die einen die andern in drehende Bewegung setzen.«
Zunächst wohl diese weite Ausdehnung des Begriffs von ^UJo
auf ursprünglich nicht dazu gehörige Dinge hat Dozy bewogen ,
auch die an der Spitze des Artikels stehenden, mit m anlauten-
den Wörter iüL^U, xilÄJU— bei Ale. »menqulnaa — . ÄJLäJU,
192
xJUju, 'iiSJu» und XilX«, die im magrebinisch-spanisehen Ara-
bisch für Uhren aller Art gebraucht werden, durch Lautwechsel
von ^bCo abzuleiten, nicht, wie Wright und Bargds, vom grie-
chischen iiayyavov (neugriech. nayxavov)^ weil dieses weder
Wasseruhr, noch eine andere Art von Uhren bedeute. Dagegen
ist erstens in formeller Hinsicht zu bemerken, dass der ange-
nommene — an sich leicht mögliche — Uebergang des anlau-
tenden b von ^bCjü in m und die — nicht ungewöhnliche —
Verlängerung eines Substantivs durch Anhängung eines aus-
lautenden a oder e gerade bei diesem Worte weder im Per-
sischen noch im Arabischen anderweit vorkommen , während
sich ftlr die verschiedenen Lautttbergänge in den genannten
Wörter als Abkömmlingen von iiayyavov Analogien in Menge
finden. Entscheidend aber ist die begriffliche Entwicklung
dieses Wortes und seines Relativnomens ^ayyavixov nach ihrem
Uebergange in die vorderasiatischen Sprachen. Während näm-
lieh beide, als q^^^ und /^aä^U, beinahe ohne Verände-
rung ihrer Form auch ihre Bedeutung als kriegerische Wurf-
maschinen beibehalten und das erstere ausserdem von einer
Maschine zum Wasserschöpfen gebraucht wurde, bekam der
abgektirzte, zunächst wohl der Pluralform \iayyava nachgebil-
dete Feminin-Singular xlXlo die Bedeutung von Maschine
flberhaupt (Gazophyl. 1. pers. S. 205 unter Machina: instra-
mento), wurde und wird daher von den verschiedenartigsten
mechanischen und technischen Werkzeugen gebraucht , welche
durch Rollen, Walzen, Kloben, Kurbeln, Räder, Spannfedern
und andere mechanische Mittel in Bewegung gesetzt werden.
Ich glaube sogar, dass Dozy selbst auf die Meinung von Wright
und Barg^s zurückgekommen sein würde, wenn er über das
als Derivat von \iayyavov S. 619*» Z. 40 u. 9 v. u. aus Bocthor
angeführte »iüjCu, presse pour exprimer rhumidM y pressoirfi.
hinaus einen Blick auf das Bedeutungsvielerlei unter demselben
Worte bei Meninski und Zenker geworfen hätte. Da würde er
neben Presse, Kelter, Wäschrolle oder Mange, Mangel, Schraub-
stock, Flaschenzug, Kugelzieher, Winde und Drehorgel auch
»Räderwerk, Uhrwerk« gefunden haben. Zur Bestätigung und
Vervollständigung dieses Begriffskreises gebe ich hier noch die
193
Uebersetzung des Artikels tkX^ in LehgeY 'otm^nt: »M en-
ge ne aus dem ital. macchina^), Werkzeug zum Pressen;
Wäschroile, Mange, ital. mangano, franz. ccdandre; Trauben-
und Oelpresse, Kelter ; Schraubstock der Schmiede und Tisch-
ler; verschiedene mit Federn und Radem versehene Werkzeuge;
Schlüssel der Zahnärzte zum Zahnausziehen ; Schnäpper der
Wundärzte zum Aderlassen. c So halte ich denn ftlr bewiesen,
dass, während das persisch-arabische qIXü , «IXo auch in sei-
ner weitesten Begrififsausdehnung nicht über den Begriff Uhr
hinausgekommen ist, jene Mannichfaltigkeit von Dingen mit
Einschluss der Uhren die Einzelheiten darstellt, in welche der
durch das griechische (layYavov und seine morgenländischen
Abkömmlinge ausgedrückte Gesammtbegrifif Maschine sich
erfahrungsmässig zerlegt bat.
11, 619^, 6 V. u. »^JU le cri du jeune Äne, 1001 N. Bresl.
11,57«. Dozy hat übersehen, dass dort überhaupt nicht ein
Esel, weder ein junger noch ein alter, schreit, sondern ein Dae-
mon in Gestalt eines schwarzen Katers, o^l J^ , der sich bis
zur Grösse eines ^x^y \J*^ aufgeblasen hat, um dem unglück-
lichen Buckligen desto grössere Angst einzujagen. Die Katzen
aber schreien im Morgen- wie im Abendlande nicht ^^, son-
dem ^ oder LLo, II, 626^, 17; daher W, !U und tC« mi-
auen, miauler, (ürk. i'ji^l/» und /'jx^lf/> u. s. w. Diesem
Naturlaute entspricht in Galland*s Handschrift die Lesart ^j*^^
s^^yyo 1^^ statt der Bresl. j^ jjLe Jli^ ^^^ r/^^* Dieses
s^^ wird etwa murmiauh auszusprechen sein, — ein durch
brummenden Vorlaut verstärktes, lang ausgehaltenes miau. Es
bleibe jedoch nicht unerwähnt, dass die Gemeinsprache das
naturgetreue m dieses Wortes in n verwandelt, indem sie
statt ]y9f der zweiten Form von sLo, sagt ,^^; s. Cuche, v.«%
4) Ein IiTthum des gelehrten Ahmed Weft^^, der wenigstens die Be-
griffsweite von mengene bestätigen hilft.
194
8 T. o. und Sappl. II, liO\ 25 a. 37. Daher kommi es wohl,
dass Doxy ebend. Z. 20 a. 21, in Widersprach mii U, 619^, 6
T. a. und mii Habicht s Texte, aber mit Yerweisuog auf unsere
Stelle angiebt: »^ le cri du chatc.
II, 6f9\ 5 V. u. »J«^ «• mauvais^ Bc.(Barb.]c spr. mk
minnüs, zusammengezogen aus 9^^ juU ^, unser: es ist
nichts an ihm, nichts daran.
II, 620», 8 V. u. »cyil ^ bianc de baieine, sperma ceti,
Bc.« In der ersten Ausgabe von Bocthor's WOrterbudi ist ^
weder unter Blanc noch unter Sperma ceti vocalisirt, aber unter
Sperme und Semence ^j^ geschrieben, d. h. ^, die durch
Sur. 75 V. 37 gesicherte und von (jrauharl allein anerkannte
Form; eigentlich wohl Ab- oder Ausgesondertes, J^aks
= JyK&4. Das vom KAmiis dem ^^ als gleichbedeutend nach-
gestellte, von Freytag aber mit einem völlig unbeglaubigten
D^« besonders aufgeführte ^ bezeichnet selbst Bist^nt
S. I**!!*^ Z. 13 als unsicher durch ein demselben angehängtes
II, 620», 7 V. u. flg. Ueber die Herkunft dieses iouU von
^ovi\ und seine verschiedenen Gebrauchsweisen handelt er-
schöpfend Gildemeister in der Zeitschrift des deutschen
Palaestina-Vereins, Bd. IV, S. 194—199.
II, 620^, K Ä^Ul« pot^ard, Cherb.« Nebenform des spao.-
arab. ^lL, I, 120^ 6 v. u.
II, 624*, 17 »c;.c>^c 1. vi>^-^; s. die Erklärung des
so berichtigten Verses Jä^LÜt, V, S. 391 Z. 8— 11. U nach
U>X3 ist das II, 563^ 5 v. u. flg. besprochene Äj^Jü^aJl L#.
195
II, 688<>, 42 V. a. »^Lj^U in deJong's LatäYf al-ma'ftrif,
'O.
(ir, 14, ist das gewöhnliche qLj^ oder qIj^, syr. .i^aiD,
Seuche und dadurch — nicht bloss, nach den Wörterbüchern,
unter dem Vieh, sondern auch unter den Menschen — ver-
ursachte Sterblichkeit, Jäküt, IV, til, 2 u. 3; vgl. 622^ 5 u. 4
V. u. Cuche, ffi***, 5, vocalisirt das Wort in der Bedeutung von
mortalite qLj^, als sei es die vomE&müs angeführte, durch
o^ erklärte Infinitivform Q^i«* , das Gegentheil von q|^a>. —
Aus dem Umstände, dass Ibn al-Wardl in der Parallelstelle die
andere Lesart ,X^t tLxT hat, folgert de Jong, dass qLj^ eben-
falls Pluralform von c>wo sei ; aber die Grammatik kennt kei-
Den Singular der Form Jokas mit einem Plural der Form q^Ia3.
II, 623^, 19 flg. »j^ (turc) violett u. s. v*r. Weiteres
über diese schillernde Farbenbezeichnung s. oben S. 178 flg.
zu II, 576^ 6.
o »
II, 624% 3 »Bj^ (pers.) bottet = ^\y^i das arabisirte
- > - >
e)jj^, ältere Form von nyyA.
II, 624% 8 v.u. >v»^wJb iJiyA mauvaisa spr. muä taijib,
-. «
zusammengezogen aus v^^Ji^^y^ Lc ; s. Spitta-Bey, Gramma-
tik u. s.w. S. 414.
11, 624% 12 V. u. »Ji^t vulg. pour ^t^l, M.a Besser,
zur Verhütung von Missverständnissen, Lii^t, da Ji^t nicht
etwa eine Vulgärform für den nächstliegenden gebrochenen
Plural von J^t , sondern die gemeinarabische Benennung der
Versart Lij^t ist, über welche die Zeitschrift der D. M. G.
Bd. VII V. J. 1853 S. 365—373 ausführlich handelt. Nicht er-
wähnt ist dort eine in M t^M* ^ zu findende Sage, nach wel-
eher )^yA oder U]^ der Name einer Dienerin des Barmekiden
196
(jra^far gewesen sein soll, die nach dessen Hinrichtung trotz dem
Verbote des Chalifen seinen Tod in der nach ihr benannten
Versart betrauert habe. In der Mehrzahl nenne man solche Ge-
dichte oUi]^, gemeinhin J»->^t^, PI* von i]yA\ nach einer
andern Ableitung und Erklärung oLit^, Partie. Act. von
^ll^, — in welcher Bedeutung? ist nicht gesagt.
II, 624°, 3 v.u. yiyAyA prunelle de Vceih, s. oben die Anm.
zu II, 616% 3 u. 4.
II, 625% 3 »^wJifi« spr. j-sän, Nebenform von ^Läc, IL
452'^, 3 V. u. flg., als solche, wenn auch nur in der Bedeutung
^^^uc, vom E^müs aufgeführt. S. dazu im dritten Stücke dieser
Studien v. J. 4884 S. 74 das zu ^lic Bemerkte.
II, 626% 4 4 v. u. Rauwolfs npachmatz« ist mit &x^o j^,
*;^:3^^ gleichbedeutend, aber nicht daraus verderbt, sondern
ursprünglich ebenfalls persisch : jUxj in der letzten von Me-
ninski nach Gastel angegebenen Bedeutung : » sucrus uvarum
coctione inspissatustr, von den Türken in jU^, j^Xj verwan-
delt, aber gemeinhin i«^ petmez ausgesprochen, Zenker S. 205'
o
Z. 7 — 1 1 ; arab. ^j»^ , raisine,
n, 629% 23, )>^« Druckfehler st. ^.
11, 629^, 15 »jj-JL« d^cide, d'un caract^re ferme, resolm^
von stolzem Gange, als Zeichen des Charakters, auf diesen
selbst übergetragen. Cuche Iff **, 4: »^Lloj ^u qui marche
» O -
avec fierte «, von »LiL-uij^^ L*Jwo i ^\^ marcher avec fierte el
en se balancant«.
II, 630% 12 »ii^« Druckfehler st. il^.
197
II, 630*, W V. u. »^Jait j^fiiß JL^I ü leur fit donner a
manger üi, wörtlich: er wendete ihnen die Küche (d. h. die Be-
köstigung aus seiner Rüche) zu, wie Abulmahäsin, T. I, rvi
vorl. Z. &JLc LoAH ]^U1, sie wendeten ihm weltliche Güter
und Ehren zu. (Die in T. II, pars poster. S. 46 Z. 4 v.u. vor-
geschlagene Verwandlung dieses I^L«^ in j^LPI nehme ich hier-
mit zurück.)
II , 630*, 9 — 6 v. u. Die Stelle erklärt sich dadurch, dass
J^ JLq mit ^fi überhaupt, besonders aber in feindlicher Ab-
sieht, vom Anrücken und Losgehen auf Orte und Menschen,
auch in der starkem Bedeutung von fondre sur, abattre, assom-
mer gebraucht wird. Calila etDimna S. 1t* Z. i ; Harlrl, I.Ausg.
S. Ha, Comm. Z. 4 u. 5, und S. m Z. 3, wo der Comra. Z. 9
das absolut gesetzte JU des Textes durch aJUsU^t^ ^uic: v3^
erklärt. Die hier stehende causative vierte Form ist entweder
durch ein hinzugedachtes Object wie X^oül zu ergänzen: »sie
Hessen (Truppen) marschiren gegen « — , oder sie ist , wie
jJwo, 630*, 14 v. u., nach neuerer Weise intransitiv gebraucht,
= JLc.
II, 630^, 18 ».äm\ JJLo« in dieser Bedeutung und Ver-
bindung richtig (J^\, Lane S. 1577« Z. 20—26.
II, 631*, 7 V. u. flg. Diese Beschreibung der persischen
Wasserpfeife ist berichtigt in Landberg's Proverbes et dictons,
1, S. 444 u. 445. Vgl. dazu im dritten Stücke dieser Studien
V. J. 1884 S.23 die Anmerkung zu i^i;^, I, SIO*', 6 v. u. und
Lane's Manners and Customs, 1. Ausg. S. 167 u. 168.
II, 632*, 14 u. 15. Zu den mit >üLi, Ali nächstverwand-
ten Lall- und Kosewörtern, Lettre S. 185, gehören auch das türk.
&Äj, nen.e, nine. für Mama und Grossmama . und das itai.
nonna für Grossmama.
t9S
_ » ^ ^ ^
II. 632*, 3 »w^Äj« Dach dem Yersmasse und als Reim wort
zu schreiben.
U, 633\ 28 u. 29 ig^« Bassäm lU, 5r«, nicht ■'"
denn dies ist immer nur Prophetie, nie »Aou/ raiij/«, wie v»Lo ,
tttrk. ^Si^^yi,^ wofür Freitag unrichtig »prophetta« giebt.
Entweder also ist bei Bassäm o»i^ zu schreiben , oder er hat
5^ , — wie o»«Ai und ^J , Hochland, Anhöhe, — uneigentlieh
für 0»^ gebraucht.
II , 635% 26—29. Die Verbindung von ^JiJ^ JuHl mit
dem noch stärkeren ^^y^ , zeigt deutlich, dass Juxit hier als
transitives Medium von Jui die in unsem Wörterbüchern feh-
lende Bedeutung hat: von sich hinweg oder auf die Seite wer-
fen, verächtlich oder schimpflich hinwegstossen, hinwegschaffen
oder schaffen lassen.
11, 635^ 25. Zu sp bemerkt M ^t*T^ 6 u. 5 v. u., auch
die von den Europäern Accent genannte Hervorhebung der
Tonsilbe eines Wortes, wie die von Jj> in J^^ und von ^ö
in ^^Jü' , könne man ganz wohl durch s-J ausdrücken.
11, 636% 6 ««LJLe andouille , saucisse^ das türk. ^Lm«^,
^Lyc^, — auch ^Lj^^ .Lo^ geschrieben, aber mumbär,
bumbär ausgesprochen; Zenker S. 226® und 894^
11, 636*, 26 — 28 1>^Ji,^^a arabisirt aus dem von Ler-
chundi beigebrachten, der ursprünglichen persischen Form
treuer gebliebenen ^sa«^, — wahrscheinlich eine der man-
cherlei Umlautungen von 4^.^.Xa ; s. weiter unten die Anmer-
kung zu ..^^J, II, 655% 9 flg.
199
II, 637^ 20 »^^« sehr. ^jj> oder Jo.
i.9
II, 638^, 21 9xjJJ^ esp^ce de maladie, qui excite, qui tient
reveilU^ J. A. 1853, I, 344.« Um dies zu bedeuten, mttsste es
beissen ^uJU oder 2uJU. In der Form &aaJL>o , Aufwachen-
der, wäre das Wort eine Uebertragung der Benennung des
Kranken auf den krankhaften Zustand , — schwer glaublich
und, meines Wissens, ohne Beispiel. Ich lese ^uäJU, Passiv-
particip in der Bedeutung des Infinitivs: Aufwachen, in
praegnantem Sinne : leichtes und häufiges , einen gesunden,
stärkenden Schlaf unmöglich machendes Aufwachen, — weni-
*3. ,
ger als .^, Schlaflosigkeit.
II, 638^, 24 9'±^\ uÜJA^di Druckfehler st. :iö* \^
II, 640**, 12 »yJgo Uiüe peinte^ M.« Genauer nach M's Wor-
ten (Kj^ u^^ 3v3 ^^mo): ein Gewebe mit verschiedenfarbi-
gen Figuren ; Guche *Iö.^ und Al-FarAtd aI*^ : »couverte de bro-
deries, de fleurs (Stoffe) « ; also wohl überhaupt buntgemuster-
tes Zeug, sei das bunte Muster eingewebt, eingestickt oder auf-
gedruckt.
II, 642*, 8 »jA^^maghribin pour ^y^«. Weiteres über
diese Grasart und ihre anderweiten Benennungen giebt Low,
Aram. Pflanzennamen S. 141 Z. 10 flg.
^ te ^ •>
II, 642^, 3 ^fijfJf^A nom d'un Instrument ä vent, M.<(
Wörtlich nach M (L^jyojj wu^ ^ äii): »ein Instrument aus
Rohr, auf dem man bläst a — eine Rohrpfeife. Cuche *1o\^ :
8jA^ O^ jl^ esp^ce de sifflet, sorte de flute«. Al-FarÄTfd
.o > o
Alt** bat bloss: »B^^l^ esp^ce de sifflet«.
II, 644», 1 »Qtyii^ ^ les versets du Coran, Pt-ol. I, 180,
4886. 14
200
45«. Die Yei^leichoDg der angeführteii Textstelle : ^lybl p^
jubf^ «jL^r^^ ™^ de Slane's UeberselzuDg, I, 205. 20 u. 21 :
»les passages da Coran, sonrates et versets«, zeigt dass er nichl
^f^'t C^9 sondern richtig obt mit »versetst, ^^ dagegen
mit 9 passages a übersetzt hat. — letzteres allerdings unzatref-
9 9
fend ; denn ^^ sind die langem und kurzem, bald aus ein-
zelnen Versen und Versgruppen, bald aus ganzen Suren be-
stehenden Textstücke, in welchen der Koran vom Erzengel Ga-
briel dem Propheten geoffenbart worden sein soll (s. Nöldeke,
Geschichte des Qor&ns, S. 22 u. 23). Diese stückweise erfolgte
Offenbarung des Korans steht nach den moslemischen Lehrern
in directem Gegensatze zu der der altera Offenbarungsschriften.
von denen jede äU:>-, gleich als Ganzes, geoffenbart worden
sei; s. Baidäwt zu Sur. 3 V. 2, wo der Gegensatz zwischen
der zweiten Form in s^üJCt JLi (mit Beziehung von v^U)c(
auf den Koran] und der vierten in Jml^'^I^ Htj^^t Jjjt jene
Verschiedenheit bezeichnen soll.
II, 644^ 28U.29. Dozy giebt »^J:^ c. ^ /*re de« unter
der Bedingung, dass er Abbad. 1, 383, 16 das aller Lesezeichen
bare au^\j der Handschrift richtig ä^ gelesen habe. Ich sehe
mit ihm in dem Worte ein Derivat vom Stamme L^ , glaube
aber ju^ü lesen zu müssen. ^^ bezieht seine verbürgten
Bedeutungen nicht von der ersten, sondern alle von der dritten
Form; hierzu kommt ein, wenn auch nur äusserlicher, aber bei
einem Stilisten wie 'ImAduddtn nicht bedeutungsloser Umstand:
die zwischen K;^>ü und den drei andern parallelen Eigen-
schaftwdrtern äIsLo, ÄlsLb'und jL^U stattfindende, mit i^
aber wegfallende Formgleichheit.
II, 645*, 6 — 8 »vi>;^, t. de gramm., reunir deux mots en
201
un seuh, und 16 u. 47 n)uj^^ liJS mot dans lequel deux mots
sont reunisn. Nach dieser Erklärung wären auch Zusammen-
j^jü<mA und ^LäJü» (meine Kl. Schrif-
ten, I, S. 163 Z. 22 flg.) i:iy^^J^ oULT., was aber nicht der Fall
ist. Wie schon das als Beispiel hinzugefügte ^^.^^Cm^jx, Be-
O , ) ^ o ^
o ^ > V «
Ziehungsnomen von ,j<«w^ «-^} andeutet, fehlt die nähere Be-
stimmung : avec suppression d'une ou de plusieurs consonnes de
Tun des deux mots ou de tous les deux. Dies entspricht auch der
ursprünglichen Bedeutung von si>^ , behauen, wie der tür-
kische Kämüs sagt: »vi^^^t bedeutet aus zwei Wörtern eins
machen, wie der Zimmermann zwei Stücke Holz behaut und
daraus ein Stück herstellt.« Er führt dazu ausser
S ,c
folgende Beispiele an: ^Juc, ^^^^^^y^ und J^', Beziebungs-
£ «« } o •• o ^ &<c »o "•«eye 0»o«
Domina von ^tjJt Jui:, (j«^i ^y>^ und ^V |^' ; /öLi^ und
s.^«i3^^iUM, jenes aus den Stämmen J^^ und t'oX*o^ dieses aus
/j^ und u^oafi» zusammengezogen; ^üü^, aJLm«o, 'i^Os^^ ^
Äl^vM, ^^bb^ und Äiijt:>, Infinitive von ly^^ J^«*^ u. s.w.,
zusammengezogen aus Jflj ^i h^ \ S^ "^ , ^^ i«-^ , «Jui^i
jil, äU^ ^li^**, S^JLaJi J^ [^ und lätvAi vi;^!»^. Die letz-
o «
ten Beispiele zeigen zugleich, dass der Begriff des v^^^ nicht
auf zwei Wörter beschränkt ist, sondern sich auch auf drei und
mehr erstreckt, welche durch Ausscheidung und Zusammen-
fassung ihrer Hauptbestandtheile zu einem umgebildet wer-
den, mit gelegentlichen Verschiedenheiten in Auswahl und An-
Ordnung dieser Bestandtheile. So steht neben J^^^s^ ein gleich-
1, ^ » Q , ^«C' ^^O- *»C*
oeaeutendes ^^m«, neben J*ä«> ein ^,J^*^ und *>ä«5> (Lane
14*
202
S. 430*), neben (jj^ ein JJi^, wozu M S. fM* Z. 9 flg.
bemerkt, das letztere sei wegen der Gleichförmigkeit mit
Jn4^ , jjui^ u. s. w. allgemeiner üblich als /^3^, dieses aber
«'O^ ^■my
richtiger gebildet, weil das J von ^^ dem /j von ö^ vor-
ausgehe.
II, 646^, 26 u. 27 ^es petits de Vabeille a. Der Form nach
— » «- * ^
ist J»^ ein Collectiv-Singular wie ^aüj, tA^^**, v^ 5 jA*^
u. s. w. (meine Kl. Schriften, I, S. 293 u. 294 zu de Sacy, I,
370, 6 flg.). Demgemass haben Cuche %f^ und Al-FarAYd Ma*
als gemeinarabisch : » J^x^* essaim d^abeilles <r ; als entsprechen-
* o >
des Zeitwort Cuche: Ji'iX^' 0 J^' essaimer (abeilles)«, und AI-
FarÄtd: »J^t^ J^ produire un essaim (abeilles)«.
II, 648^, 1 — 4. Nach der von Dozy angenommenen Ver-
muthung de Goeje*s (Gloss. LXXII, 3 — 6) wären w^i^i in Mos-
lim's Diwan S. Hl vorl. Z. soviel als *iüül wd^' rKiiscou7*s choi-
sist, zu welchen das vorhergehende Trinken wohl die Geister
anregen soll. Ich meinerseits sehe in äx^, nach des Commen-
tators jxJü! ^\SJ\ ^^ )U^ m> wJs^ii , eine Nebenform
des v^^dp unserer Wörterbücher, gleichbedeutend mit xiyi,
K»^>.ftr, gleichsam Hochtrunk, d.h. nach dem türkischen K^-
müs : 9 das unter den Theilnehmem an einem lustigen Gelage
übliche Austrinken eines vollen Bechers, wechselseitig auf ihre
eigene oder ihrer Geliebten Gesundheit. Man sagt wo$\it süU.
Auf persisch heisst das J,bC;üw^a; s. VuUers, I, S. 930*. Das
uj^ in Muslim's Verse ist das anfängliche Trinken nach Lust
und Belieben eines jeden, das darauf folgende u^i?' das ge-
203
regelte Gesundheittrinken aus einem grossen, von £inem zum
Ändern gehenden , immer wieder von neuem gefüllten Becher.
II, 650^ 6u. 7 »iülir- rac/wre«. Wo bedeutet [>^ ü a
racl^ ? Nach Zusammenhang und Sprachgebrauch ist xllir
JucXsil inWüstenfeld's Kazwlnl, I, S.239 Z. 6 v.u. ein Schreib-
fehler st. JuJl^I xJL^y, limaüle de fer.
n, 654^, 28 u. 29 ^t^tjj = v^>Jül se mettre en marchCj
^o -
äiJül aJ^ v*^^ O^ ^^ si la lecon estbonno; Gl.Fragm.« Ich
sehe keinen Grund zu dem im Glossar S. 88, 5 u. 6 ausgedrück-
ten Zweifel an der Richtigkeit des Textes S. I^vf 1. Z., wo v«^^
einfach das Imperfectum von ujJü ist : d bevor er das Aufgebot
I^ÄjJüJl) zu diesemFeldzuge erliessa. Die Bedeutung »se mettre
enmarcheQ kann s^Jü nicht haben, weil die Verbalform Jje
überhaupt unfähig ist eine solche Thätigkeit zu bezeichnen;
s. Wright's Grammar, 2. Ausg., I, S. 30 § 38.
II, 654*. 30 — 33. Ebenso wenig wie in der vorigen Stelle
Dozy's Zweifel; finde ich hier die Entschiedenheit gerechtfer-
tigt, mit welcher er das &j \Jias>^ &jJö für » sans doute altere «
erklärt.' Die Stelle, sinngetreu übersetzt, lautet: »er (der
Räuberhauptmann} nahm den Säbel, zog ihn aus der Scheide,
biess ihn brav einhauen und schritt mit ihm vor«, um dem un-
glücklichen Scheintodten nun wirklich den Garaus zu machen.
Die Personification des Säbels in ajcXJ ist acht arabisch ; was
bleibt also da zu bemängeln ?
II, 654% 4 V. u. »^jAJa Druckfehler st. ^jmI.
II, 652% W u. 12 »^(JÜU rebours<i nicht ^jJlo, JL«L»
o >
von ^vXJ, sondern yJU^, Participium von ^tjül, I, 472*, 14 —
46, einer der im fünften Stücke dieser Studien S. 56 u. 57 zu
ji'Jül besprochenen siebenten Formen von mittelrocaligen Stäm-
men.
204
II. 658\ 17 9i>UÄi« sehr. ^JuXi.
II, 652\ 4 v.u. »JlJü miilepieds^ scolopendre* vom syr.
P^c eine Abkarzung von p^ , Casl.-Mich. S. 205 (mit dem
Druckfehler Pp? ] und Low, Aram. Pflanzennamen S. 269 Z. 2
n. 3, so genannt wegen seiner Beweglichkeit.
II , 652*, vorl. Z. flg. Der Begriff des Fremdwortes JJUc
aaf dem Boden gezogener Zauberkreis, ist weiterliin
auf jeden ähnlichen Bannkreis ausgedehnt worden. Kazwlni,
I, S. f^ Z. 22 u. 23 : «Zieht man um eine (im Freien lagernde;
Gesellschaft einen aus Pinienholzasche bestehenden JtJüU , so
ist sie vor Belästigung durch kriechendes Ungeziefer gesichert.«
II, 653*, 3 »y (^.liij) se plaindren, vielmehr exprimer
son repentir, nämlich durch Worte, Mienen, Geberden, Hand-
lungen u. s. w., wie z. B. auch /'jj^^ das Aeussern der
Sehnsucht vor rj\,x^\ voraus hat. Die Erklärung durch se
plaindre hebt den wesentlichen Unterschied zwischen «JUj
und <Jl£j auf, vermöge dessen jenes nach dem Grundbegriffe
von fSj inicht im Allgemeinen bedeutet : sich über etwas be-
klagen , sondern : beklagen und bedauern etwas gethan oder
unterlassen zu haben. Auch «iLoiJü«, 653^,22, ist nicht
schlechthin »chctgrirm oder, wie bei Lane selbst an der bemerk-
ten Stelle, Jisorrowc, sondern Beue über Unterlassung der
gehörigen Verschleierung.
II, 653*, 25 u. 26 »«jlü (pl.) bons motsa, eine Bedeutung,
die ich für unmöglich halte. Das Beiwort x^a-i-c weist auf et-
was ursprünglich Bäumliches hin, wie K>^Jui in j ^i
v-öJÜt ^ is^yJui ^jajij\A\, Lane S. 2012« Z. 28 flg., und
ich glaube wirklich, dass dieses *:>\Xa aus ^\Xa oder i$N:pU4
205
I
verschrieben ist, — jenes Verkürzung von diesem, wie {jOy\jtA
von ^jojXMAy Lane a. a. 0. Z. 21 — 26. Hiemach wäre der
Sinn: »Von artigen Witzen 'stand ihm eine reiche FttUe zu
Gebote«, die ihm gelegentlich, nach Analogie jener ä^^aju
ocXXIt ^, wohl auch als f^tJu^t ^ ä^^OüU dienten, d. h.
als Mittel , einen Tropf oder Hochmuthsnarren ohne Unglimpf
abzuführen.
II, 653^ 28 »»Jü vulg. s= fJü ros4e de Uauroret, wie
hei Hartmann, Arab. Sprachführer, S. 260^: »Tau (der) nidi
|syr.], nide [ägypt.]«, also nicht unter den Yocalstamm »sJu
häer, oppefer« mit wurzelhaftem », sondern unter das folgende
^kXi zu stellen.
U, 654", 18 )>^^5üü calamü^y voy. Abbad. HI, 439 (sur I,
340; 3).<r Richtig verwandelt Dozy an der ersten Stelle das un-
mögliche 8t<Aj im ersten Halbverse der zweiten in stJü , über-
sieht aber, dass dieses Wort mit »tju im zweiten Halbverse
den nämlichen paronomastischen Sinnparallelismus bildet , wie
dijü mit iltcXi in Asäs al-balAgah unter ,^500, Wahbi^s Ausg.
v. J. im, n, S. ^f Z. 45 : jJ;U\ ^^ c- cj)!iAj ^^OLiaü ^
c^«f)tJü »wie oft haben deine Hände mich wieder aufgerichtet
und wie oft deine Spenden mich neu belebt I < Ebenso hier :
j-y^ er* *''^- "^y^ r^ '^^^ <^^ "^^ 5;^
)Und hoffe für seine Wiederherstellung (Wiedereinsetzung in
seine frühepe Würde] auf die Nachwirkung seiner Spenden ;
denn wie manchen Gebrochenen haben seine Hände wieder-
hergestellt I c
Die Deutung von ,^^vJü als icalamitas, infortuniuma, —
wonach «\Jü (j^äa » Ende seines Unglücks « wäre, — geht aus
von einer missverstandenen Glosse zum 77. Verse von Hareth's
Mo'alla^ah, Vullers' Ausg. sl 43 Z. 4 4, vgl. mit S. 42 Z. 47 flg.
206
Allerdings steht dieses Spenden auch in ttblem Sinne, wie AsÄs
al-bal^gah a. a. 0. Z. 18 : 1^ (,s5ü ^^^ s;>ujJ Lo »meine
Hand hat dir nichts Böses gespendet«, und solche schlimme
Spenden sind auch die ^tJüt in den Worten der Mo^allal^ah :
iiJül ]^A> UyJ LäJLc ^jmuJ »unter dem, was sie (an euch) ver-
brochen haben, fallen uns keine Spenden (dazu gelieferte Bei-
trüge) zur Last.«
II, 655^, 7 »aUy cinnamomey Bc.« So schon in der 4.
Ausg., und im guten Glauben an die Richtigkeit des Wortes hat
Dozy dazu einen Stamm y aufgestellt, von dem »«> J ein regel-
recht gebildetes ÄLjii wäre. Aber wer hat je von einem ara-
bischen Verbalstamme J und diesem oder einem andern
SprOsslinge desselben etwas gehört oder gelesen? Indisch, per-
sisch oder türkisch ist ».j J auch nicht, und so wage ich die
Behauptung : es ist überhaupt nichts als ein alter, aus einer
Ausgabe in die andere fortgepflanzter Druckfehler statt H^jO,
ursprünglich jede pulverisirte Substanz, aromatisches, culina-
risches oder medicinisches Pulver, wie ^.o, I, 484^, 8 v.u. flg.
und 485% 2 flg.; dann (Lane S. 957^»°) besonders Pulver von
einem indischen calamus aromaticus. Die Uebertragung der
technischen Benennung dieses Kalmuspulvers auf das dem ge-
meinen Manne bekanntere Zimmtpulver war bei der gemeinsa-
men fremden Herkunft beider sehr natürlich.
II, 655% 9 flg. »^J ou (J^uy» quelques-uns disent
o o o *
f^T^ ^^ iß^j^i ^^^^ ^S ^'^^ [^' ^"^^l ^3'-^^ sämmtlich ara-
w ^
bische Umlautungen des persischen i^%l^, wörtlich Schi an-
gengewinde oder gewundene Schlange, in Ueberein-
stimmung mit dem arabischen x^ bei Bist^nt, der seine Un-
bekanntschaft mit dem Persischen auch hier wieder durch das
207
Uit wJy Z. 16 als angebliche, Bedeutung von j^J verräth.
Vom PI. ^^L^ kommt das gemeinarabische ^^^.Li , Ver-
käufer solcher Pfeifenschläuche, Hartmann's Sprachführer, S. 234
Anm.
> 9 O
II, 655*, 47 u. 18 »jj*Juy portique devant une ^glisev,
nicht »une alt^ration de TtoQTiTcog, la transcription de porticus<ij
sondern, wie Dr. Siegmund Fraenkel in einem Briefe an
mich, Breslau den 20. Febr. 4884, bemerkte, das arabisirte
^iQ&Tj^, viQdrjxag des Kirchenhellenistischen und Neugrie-
chischen.
II, 664% 1. Z. »J.^« Druckfehler st. Jc^, wie 665*,
40 »ÄJLmJ« st. XajmO.
« o
n, 665», 6 flg. L^lJu iÜiJüt Kj-^l — wörtlich: die
durch sich selbst (ihren Gegenstand) bezeichnende Beilegung — ,
ist die beliebte Bedefigur, einen ungenannten Gegenstand bloss
durch die Natur des ihm Beigelegten kenntlich zu machen ; wie
wenn ein Dichter mit Vermeidung eines Gattungs- oder Eigen-
namens bloss durch die einem Gegenstande beigelegten Eigen-
schaftswi^rter und Praedicate ihn als das, was er an und für sich
ist, kennzeichnet. Diese Gegenstände können aber selbst wie-
derum nur bildliche Ausdrücke für andere Begriffe sein, wie
die in den von Dozy unerklärt gelassenen zwei Bäthselversen,
Abbad. I, S. 309 Z.8 u. 9 und S. 346 Z.5 u. 6, auf jene Weise
bezeichneten Kamele die zugesendeten Verse bedeuten, durch
welche der Dichter von seinem hohen Gönner neue Gunstbeweise
zu erlangen hofft -
»Da kommen sie zu ihm, ohne einen andern Führer als das
Versmass — (befrage es nuri) — gesehen und ohne einen
andern Vorsänger als die Dankbarkeit gehört zu haben. Sie
ziehen dahin mit dem Preise der (empfangenen und ge-
hofften] Spenden auf ihrem Kreuze ; — so erwirb sie denn
dir zum Gewinn, Lobpreis (mit deinen Spenden) erkaufend
und (damit) wohl fahrend. cc
Im ersten Verse ist nach Sinn und Metrum das nach ^«mmu aus-
gefallene ^yM* wieder herzustellen, ^^m«^» selbst in ^«m^j und
208
O. Cr 9
im zweiten Verse .eJ^ in icja^iji zu verwandeln, als dich-
terische Synkope fttr ^^ja^Si^^ Zostandsaccosativ mit Nominal-
rection. Die Worte LoL^ ^Jt ^^^ ya^* ^ enthalten einen
J^{ , Mehren's Rhetorik der Araber S. 405. Der sich zunächst
darbietende , den wirklichen Sinn verdeckende Aftersinn ist :
»ohne etwas anderes als das Meer in Ruhe (von kXP] gesehen
zn haben t. Auf dem Kreuze tragen diese phantastischen Ka-
mele die s^Lft>, die Lederbeutel mit Versen zum Lobe des
Gönners, der diese jedoch durch neue Spenden eigentlich erst
erkaufen soll. Die arabischen Dichter halten mit dergleichen
Hoffnungen und Wünschen bekanntlich durchaus nicht hinter
dem Berge und drtlcken sie in einer W^eise aus, deren Unum-
wnndenheit für unser Gefühl der Unverschämtheit nahe oder
gleich kommt.
11, 666% 5 u. 4 v. u. «äj^Uno cocos^e, ridicule, Bc«, mit
dem von Dozy hinzugefügten angeblichen Stamme ^:wMOy ist ein
Seitenstück zu «Uy mit dem Stamme y oben S. 206. Die 1 .
Ausg. von Bc hat richtig Äi^uJ, auszusprechen Xi^uJ, von
o > y u»
^^m^ = ^s.mmo , gleichbedeutend mit Xisu^ft und ^^.mm^ 590%
23 u. 34.
11, 669% 9 »jj-Ji. wJLäJI ^„»j^ oublieux Ale. (olvidadizo, .
— Uthargique^ Ale. (letargico).« Dass Alc.'s »munct« nicht auf
^jmJLo; sondern auf _..mJU zurückzuführen ist, wie oben S. 469
« o^
Z. 4 flg. »mului« auf i^^^ zeigt der bei ihm nächstfolgende
Artikel : »oluidada cosa munci In«. iyasA hier in seiner eigent-
lichen Bedeutung als Passivparticip der ersten Form; in den
beiden ersten Fallen aber nach bekanntem spätem Sprachge-
brauche als Stellvertreter von J^jkax, statt ^e***^'
11,669^,16 »,^L3 aw^ewr ^pwto/atre, Bc.tt Bocthor selbst
209
uDter I^pistolaire schreibt ohne Hamzah »^^U« als gleich-
bedeutend mit dem unmittelbar darauf folgenden »_.mJu4c, —
ein Seitenstttck zu Alc/s »^Le escritor que compone« statt
^^ , II, 6i5^ 20 ; s. oben S. 187 Z. 6—4 v. u.
II, 669^, 24 flg. Das Vollständigere und Genauere über die
Bedeutung des sprachwissenschaftlichen Kunstwortes x^UxjI als
^ o
contradictorischen Gegentheils von j\^s>\ s. in Zeitschrift d.D.
M. G. Bd. XXXI. V. J. 4877, S. 574 Z. 44 flg.
II, 669\ 8 V. u. »ikXJi^ (pers.} docteuVy Gl. Geogr.a De
Goeje, a. a. 0. S. 363, sagt vorsichtiger Weise nur »titulus viri
docti«, nicht schlechthin virdoctus, und setzt hinzu: »Propriam
vim non novi«. Mokaddast zählt das Wort als eine der 36 Be-
nennungen auf, welche ihm auf seinen Reisen beigelegt worden
seien. Wie die beiden unmittelbar darauf folgenden, v^ I.
und dy^ji bezeichnet xä^Uü, breite arabische Aussprache st.
aXmJmJ, ihn nicht als Gelehrten oder Lehrer, sondern als Bei*
senden : sessor, vector, Kamel- oder Pferdereiten
II, 670*, 25—27 »iülij. Le pl. „.^Uj bulles, si la
ie^on est bonne dans les 4004 N. Bresl. XI, 224 : etil ^J :^t^
<n.}i>,^LMi c;AjiJLb^ ^li ,5v>>a. Die Richtigkeit der Lesart wird
mittelbar bestätigt durch die von Cuche und Al-Faräld al-dur-
rljah angegebene gemeinarabische Bedeutung von
»jaillir«.
b - ' "
II, 674'*, 1. Z. » JaAi I, au pass. c. ^, Stre emp^che den.
Tornberg's Uebersetzung der dafür angeführten Stelle S. 335
Z. 44 — 47: «Alfonsus, hujus adventu audito, naves ad tra-
jectum impediendum ornatas in fretum misit. Quum ibi anco-
ram jecissent, Imperator, trajectu dilato, naves jussit omari,
quae Christianis occurrerenta scheint Dozy verleitet zu haben,
JaÄJLS zu lesen und ihm eine unzulässige Bedeutung beizu-
210
legen. Das Riehlige isl J:^--*- »Ohne Zandern stellte darauf
der moslemische Befehlshaber die Yorfoereilongen zur lieber-
fahrt (nach Spanien in Kasr al— gawäz (wo er mit seiner Flotte
lag) ein.« ^ }^f^\ ist das Gegentheil von J J
II, 673^, 26 *^^^^ Xahac d prixer ^ Bc.t so schon in der
4. Ausg. statt des richtigen /rr^ bei Freytag, Cuche und AI-
9 ^ 1 .^ •» ^
FaräYd al-dunijah, wie «b^^ju« , >^y^ , / jy^ ^^^ ^^^ Sub-
stantiva derselben Kategone, eigentlich Passivparticipia der
Form J^. Der tllrk. Kämüs bemerkt zu /J[^AS ausdrücklich,
dass Jujüf, Schnupftabak, ein solches Reizmittel sei.
II, 676% 3 V. u. Dozy schweigt tiber Mttller's unverständ-
liches |«j^v^. Ich halte es für eine Art von Dittographie statt
^»^\j : »unter einer Consteilation, die ein der Stemdeutung Un-
kundiger für glücklich erklärt hatte c , — vielleicht ein Seiten-
hieb des Erzählers auf den damaligen Hofastrologen.
II, 678\ 43 »yai I. c. Q« se venger de« grundsätzlich
unmögliche Bedeutung der 4 . Form , sowohl im Activ als im
Passiv; dafür sagt mao ^y• IaoIüL In der angeführten Stelle
9
Makkart, 11, 698, 4 ist zu lesen yai: »Die Moslemen sind
(durch Gottes Hülfe) nicht eher von der Pein befreit worden,
als bis der Merinide Ja'küb (in Spanien) einzog.
U, 678% 44 u. 15 »II. [ -joi] c. a. p. porter du secours d,
Bay&n I, Introd. 88, n. 3 ir ebenfalls zu streichen und statt der
m m , f
verwegenen Verwandlung von ^y. ^y^yaJ^^ in LaLLq ^iS^
^ mit Hinzufügung eines einzigen diakritischen Punktes zu
schreiben ^y^ ^^^aoä^^ als zweites Object von j^-^^axf: »und
(neben dem jüdischen Obersteuereinnehmer) bestätigte er Steuer-
211
beamte vod dessen Gonfessionsverwandten« , nach Dozy's eige-
Dem Artikel oyoÄ^, h ^30*^, 4 flg. Auch die weiter angeführte
Steile in Weijers' Prolegomena beweist nichts ftlr ein yal =
yaS ; denn ^yaxj , das der Herausgeber vergeblich zu erklären
^. •• *• •' >
sucht, ist offenbar yerschrieben aus <d)yaxi : »nimmer aber
werden wir dich den rechten Weg erkennen lehren « — da, wie
der zweite Halbvers hinzufügt, du selbst in allen Dingen durch
deine eigene Klugheit trefflich berathen bist. Ebenso wenig
kann ich das mit Berufung auf ».Lai^i^or, Abbad. II, 191, 5
&
oS
V. u., aufgestellte yaj\ = yoi anerkennen; 6. hat die rich-
tige Lesart j[M2Xy:i\^, die Dozy selbst, III, 232, U, nachträg-
lich als »bona« bezeichnet.
II, 678^, 17. Dozy's Zweifel an ncombattre quelqu'un« als
Bedeutung von yoü ist ebenso begründet, wie anderseits diese
oder eine verwandte Bedeutung dem bezüglichen Worte durch
den Zusammenhang gesichert. Nur ziehe ich dem von ^yo\^\^
sich weiter entfernenden »i:iLXAoLdt^« das sowohl den Schrift-
zügen als der Bedeutung nach näher stehende (ä)ujoÜl^ vor:
»und ich will mich dir dann an der dir selbst genehmsten Oert-
lichkeit zum Kampfe stellen.«
II, 679*, 15 u. 16. Den bemerkten Druckfehler im Index
zu meinem Abulfeda S. 259^ 1. Z. berichtige ich hiermit dahin,
dass statt 38 zu schreiben ist 138.
II , 680*, 13 V. u. flg. Bei der unendlichen Verschieden-
heit der einschlagenden Fälle und Verhältnisse, besonders aber
der subjectiven Ansichten über das, was j» Recht« ist, ver-
^ ^ ^ o
trägt der Begriff von ^^ q^ v,..ftAaXit, »er hat sein Recht
Dach dem E6müs: sein volles Recht — von einem Andern ge-
fordert oder eingetrieben « , die mannichfachsten Abstufungen
und Anwendungen bis zur Ertrotzung des offenbarsten objeo-
212
tiven Uorechts. Wenn der rothe Socialdemokrat oder Anar-
chist die Abschaffung der zu Recht bestehenden Staats- und
Gesellschaftsordnung, Gütertheilung, Weibergemeinschaft u. s.
w. verlangt, so ist dies von seinem Standpunkte aus ein
oLasäj! , ebenso wie von der entgegengesetzten Seite in der
Erzählung bei Ta'&libt das conservative Trotzen eines arabi-
schen Volksmannes auf Fortbestand der frühern Sitte, den
Ghalifen bloss mit seinem Eigennamen anzureden, als eines un-
antastbaren Rechtes für jedermann. Wieder anders gewendet
erscheint derselbe Begriff, mit J^c verbunden, in der folgen-
den Stelle aus der T. u. £. N. Iblts, der Ginnen -Aeheste,
schenkt der in sein Luftreich entrückten Lautenschlagerin und
Sängerin Tohfah ein unschätzbares Kleinod mit den Worten :
»Nimm dies und erlange dadurch (wenn du wieder auf der Erde
sein wirst) den andern Sterblichen gegenüber die dir gebüh-
rende Stellung«.
II, 680*, 7 v. u. flg. Die angeführten Worte waren nicht
bloss fürDozy unverständlich, sondern werden es fttr jeden An-
dern sein, solange ^LAoJLA^f nicht in ^LoaX^^, Inf. von y^juoyLJ^
verwandelt wird; s. II, 840% 3 flg., wo aus M, S. rrol* Z. 12
u. 13, nachzutragen ist v^uw^Ixi! ^j^^yLJw er Hess sich vom
Arzte ein Recept verschreiben. Bc »Ordonnance, ce que
prescrit un m6decin, ^crit qui le contient, ma^»«. Guche vt^v* :
(I ^
AÄÄAo^ description ; prescription , ordonnance d'un m^decin,
recette«.
II, 680*, vorl. Z. r^a la hauteur de la moitie du mäti<ij
, >
(^j]y^\ oLaoSI q5^ bedeutet: nicht ganz in der angegebe-
nen Höhe.
II, 681^, 3 u. 4 »gsAö-o jj«. Dozy's Uebersetzung »eile
[la chair des hommes blancs] est indigeste«, nämlich nach der
Meinung der menschenfressenden Neger, ist dem Sinne nach
richtig, aber der Wortlaut und die Grammatik rechtfertigen
das »n'est pas mürie« der Herren Defr6mery und Sanguinetti.
da in solcher Verbindung li mit dem Jussiv einen abge-
schlossenen Werdeprocess ausdrückt. Die Neger betrach-
ten die Hautfarbe der Weissen, im Gegensatze zu ihrer eigenen.
213
als äusseres Zeichen unvollkommen er Reife des ganzen Körpers,
besonders des Fleisches, und folgern daraus dessen Unverdau-
lichkeit.
II, 680, 20 >) -Lai^U Druckfehler st. -Uaitit.
II, 682\ 40 u. 41. In dem Verse, Moslim's Diwan S. ^t*
Z. 4, bedeutet ^c':aiij\ mit dem Objectsaccusativ dasselbe wie
in den beiden andern im Glossar LXXIII Z. 43 u. 14 angeführ-
ten Stellen, S. *H* Z. 6 und S. t.t Z. 5, nämlich 1^1 , nicht das
Gegentheil » a faxt disparaitre «, nach de Goeje's » evanescere fe-
citfL. Der Dichter schildert eine in Luftspiegelung flimmernde
Wttste; diese Luftspiegelung vergleicht er mit _bLiüt j^,
Über den Boden hingebreiteten feinen aegyptischen Linnen-
geweben, deren natürlicher Glanz dufch Waschen (1. Jw^aüi
Statt J^dMoüt) erst recht zur Erscheinung gekommen ist.
II, 68S^ 4 4. Das L^ jJtli «JucXs>, womit M ^^^1 '^y:Qi
erklärt, bedeutet nicht 9 Instrument de marechal pour ferrer
les chevauxcr, sondern Hufeisen selbst; Cuche und Al-FaräYd
»fer ä cheval«, woneben Al-Far^Yd auch das jj^ der Quellen-
werke als »fer du morstr hat.
II, 683% 44 »v^^jlft:^« Druckfehler st. ^^^^dsCi.
II, 683% 7 n0hJ^\ = dire J, li, Djob. 454, 2 a f.« nicht
so zu verstehen, als hätte / öLijüt an und für sich diese beson-
dere Bedeutung, sondern die Determinirung durch den Artikel
vertritt, wie oft, die stärkere durch das pronomen demonstra-
p y
tivum, = /mJüt tvÄP: »das Aussprechen dieser Worte«, näm-
•k WM
lieh des unmittelbar vorhergehenden «^^ [t u^^ [>,
II, 684*', 4 »xfßixv^ s^^**- V^X*?'
II, 685% 42. Die Annahme, LLo, regiert von ^laJü, sei
214
hier = Lu», ist grundsätzlich unmöglich. In UebereinsUmmung
mit jjCiU j Jaili Z. h9 und ^\s> ^ ^t Z. 24 schreibe
man getrost |JL3 ^^Ju.
II, 688^^. Der Artikel über fJaXj\ bedarf einiger Nach-
hülfe, um die ungenügenden Angaben der gewöhnlichen Wörter-
bücher über die intransitive und transitive Bedeutung dieser
achten Form und ihr gegenseitiges Yerhältniss zu ergänzen. In
beiden Fällen ist *^l reflexiv -reciprokes Medium und die
Verschiedenheit der Bedeutung beruht nur auf der verschiede-
nen logisch-syntaktischen Stellung des in ihm liegenden re-
flexiven Pronomens. In der ersten, scheinbar passiven Be-
deutung bei Freytag: »ordinatus fuit et certa serie conjunctus
L ^
in filo, de margaritist ist es überhaupt = xmJ6 Jäij von
einem Dinge reflexiv: sich selbst ordnen oder von jemand
ordnen lassen; von zwei und mehr Dingen oder denTheilen
eines und desselben Dinges reciprok: sich geordnet an einander
reihen, an einander schliessen, oder reihen, schliessen lassen.
In der zweiten, bei Freytag nur durch »transfixit cum hasta c,
a. p. et v^ instr.n vertretenen ist x^fexi^ == ^t ^ »^ Jb^
Kmij ^ , andere Dinge in sich, auf sich oder an sich hin auf-
reihen oder an einander schliessen, — von einem Dinge, wel-
ches diese andern mit sich verbindend durchzieht, durchdringt,
oder sich unter ihnen, als gemeinschaftlicher Träger, hinzieht.
Das ^Wi'hAj das mit sich Verbindende, ist dann zunächst immer
dieses Ding selbst, wie im ersten Beispiele bei Dozy iuLi^,
eine Kanzelrede, welche den Thronvers, Sur. 2 V. 256, Wort
für Wort c^.,»hy^t, gleichsam auffädelte, d.h. sich selbst,
erklärend und weiter ausführend , durch die einzelnen Worte
hindurchzog; wie in eigentlichem materiellen Sinne in der
zweiten aus Djob. angeführten Stelle, 449, 4 4, ein Kronleuch-
ter, dessen Arme iUoUt^ K^b^t ^\jal\ c)^l si>w«.^l J^
wörtlich : avaient enfile differentes sortes de. fruits frais el se-
215
Ms, d. h. an denen hin verschiedenartige frische und trockene
Südfrüchte aufgereiht waren; wie ferner in der dritten Stelle,
Djob. 452, 20, runde kupferne Schalen, /j'Ubt : ^ JSiXi] lX5
t.\y^\ ^ L^iÄj Jmm^ c:»^' LfJLo /4^) »von denen eine jede
sich an drei (an ihren Rändern befestigte) Ketten anschloss,
welche sie (die Schalen) in der Luft schwebend erhielten.« Auch
Djob. 493, S, wo Dozy Wright's Lesart ändern möchte, ist
L^to und ä;:^ das Richtige : » und so umschloss das Innere
der Grabstatte (Mohammed's) sechs von den auf den Marmor-
platten (der Grabmoschee) stehenden Säulen.« So auch beson-
ders deutlich Djob. 244, 3: ^\ L^L^ ^..»fety^i J3 ^Uj^
UjL^I jS>fj »und Gärten zogen sich an ihren (der Wasser-
laufe und Bäche) beiden Ufern bis zu ihrem äussersten Ende
bin«. — Aber an die Stelle dieses sächlichen ä^j^iUJA tritt
auch, wie inFreytag's fJ^ x*£iAit, ein persönliches, wel-
ches sich jenes sächlichen als eines Werkzeugs bedient, um einen
oder mehrere Gegenstände mit demselben aufzufädeln, an ein-
ander zu stecken, an- oder aufzuspiessen, wie wenn der Koch
ein oder mehrere Stücke Fleisch an den Bratspiess steckt, les
enfile avec la breche, ^?s^Lj L^^favy.. Diese Beispiele zeigen,
welch verschiedenartige Verhältnisse und Beziehungen dieses
durch kein einzelnes mir bekanntes Wort unserer Sprachen dar-
stellbare transitive JSaXi\ in sich befasst.
II, 689% 18 flg. Meines Erachtens bedeutet L^^tli L^;^'
in der Stelle von de Sacy's Chrestomathie weder » les enseignes
de marchands de caß, ä ceux qui en avoient«, noch nie nom de
preneurs de caß, qü^on donnoit publiquement ä ceux qui en fax-
soientusage^Hj sondern mit dem bekannten Lftm auctoris wört-
lich: »seine (des Kaffees) Qualificative von seinen Trinkerna,
d. h. die von den Kaffeetrinkern zu Ehren des Kaffees gebilde-
ten, seine Eigenschaften und Wirkungen darstellenden epitheta
omantia, von denen die beiden Lobgedichte auf den Kaffee bei
de Sacy \% — Hl eine Vorstellung geben.
1886. 15
216
^ )
II, 689^, I.Z. Aus dem Umstände, dass Al-Mokaddast s.^UJt
durch das allgemeine w^^^JJt erklärt, wird in Gl. Geogr. zu rasch
geschlossen, dass jenes Wort dem »palaestinensischen Dialekte a
nicht eigen sei. Der Jerusalemer Al-Mokaddasi folgt hierin wie
der Beiruter Bist^ni in M Mo, 48, dem EAmüs, und gerade
> ^
in Palaestina und Syrien ist ».jxü für das vonBerggren, Guide
francais-arabe vulgaire S. 694^ beschriebene, vom Wasser selbst
getriebene Schöpfrad das gewöhnliche Wort, wogegen inAegyp-
ten dafür xJ»Lam üblich ist; s. Berggren ebenda; Hartmann,
Sprachführer S. 248*: »Schöpf rad nä'CirasdA^t/e«. DieFranken-
spräche hat nä'üra in noria umgebildet; Cuche Iaö^: "^sy^^
^acI^ ^ '^y^^^ noria, roue a Irrigation, roue hydrauliquet.
II, 694^, 7 flg. Nach dem Zusammenhange ist das wieder-
holte (^ ajuI ohne Zweifel ein ironisch gebrauchtes vb. admi-
rativum = (^)l*jüI Lq : »o wie gütig bist du, junger Mensch!«
Der habsüchtige Wasserträger, mit dem empfangenen Gold-
stücke noch nicht zufrieden, verstärkt den Spott sogar durch
Hinzufügung des sprüch wörtlichen »Manche Leute, klein für
die Einen, sind gross für die Andern «, d. h. für Andere magst
du ein Wunder von Freigebigkeit sein, aber nicht für mich.
II, 692^, 45 — 47. Dozy ersetzt das sinnlose äa3. in der
bezeichneten Stelle der Bresl. T. u. £. N. mit dem richtigen
ÄAd. , fügt aber hinzu, er wisse nicht recht, wie das dazu gehö-
rende Adjectiv KjtÄxJU zu übersetzen sei. Der Verdopplungs-
stamm «Joü hat , wie «j , die Grundbedeutung hin und her-
schwanken, ohne Spannung und haltlos, schlapp, schlaff sein ;
auf den Nacken einer Schönen angewendet, im guten Sinne : bieg-
und schmiegsam sein. (Vgl. »moUitia cervicuma b. Cicero.)
II, 692% 7 u. 6 V. u. »öJü timbale« erweichte Aussprache
von äJü 740% 27 flg., und dieses selbst Verkürzung von ».Läi ,
ö^lii oder einer ihrer Nebenformen, 710^ und 74 1%
Herr von der Gabelents sprach über seinen Vater Hans
Conon von der Gabelentz als Sprachforscher.
Mein Vater ist bisher in fachgenössischen Kreisen mehr als
Sprachkenner und grammatischer Sprachbeschreiber denn als
wissenschaftlicher Sprachforscher anerkannt worden ; wie ich
meine, mit Unrecht und doch mit einem gewissen Scheine Rech-
tens. Die geschichtliche Bedeutung eines Gelehrten bemisstman
nach seinen Schriften und allenfalls nach seiner mündlichen
Lehre, und die Schriften sind in der Regel vollgültige Zeugen
für den Umfange die Höhe und Tiefe seines Wissens^ Denkens
und Strebens. Es wird sich zeigen, dass dies bei meinem ver-
ewigten Vater nicht zutrifft. Wenn nun seine Persönlichkeit
auch in der Geschichte der Linguistik ein Interesse beanspruchen
darf, so bin ich wohl besser als sonst wer im Stande, diesem
Interesse Genüge zu thun. Dies allein berechtigt und verpflichtet
mich eigentlich eine Charakteristik zu versuchen, auf der von
vorne herein der Verdacht der Voreingenommenheit ruhen muss.
Die Pflicht aber, auf die ich deutete, gilt nur zum kleinsten
Theile dem Andenken des Todten. Vielmehr dürfte es für die
Wissenschaft von einigem Belange sein zu erfahren, was ein
solcher Mann ungeschrieben und ungedruckt gelassen, und was
alles im Hintergrunde seiner veröffentlichten Arbeiten ruht.
Nicht nur er, sondern auch diese Arbeiten selbst werden dann
richtiger gewürdigt werden. Ich meinerseits will mich der
Objectivität befleissigen, so gut ich kann, aber mit dem vollen
Bewusstsein, dass diesmal der ernsteste Wille der Aufgabe nicht
gewachsen ist. Jedenfalls wird man es billigen, wenn ich die
wenigen Fälle, wo er von Fachgenossen Angriffe erfahren, mög-
lichst mit Stillschweigen übergehe.
45»
218
Man weiss längst, dass weder Bopp die Vergleichung der
grammatischen Formen erfunden, noch Grimm die Gesetz-
mässigkeit der Lautverschiebung zuerst entdeckt hat. Und doch
mindert dies nichts an der epochemachenden Bedeutung der
Beiden, nicht blos, weil sie ihre Grundsätze in grossen, monu-
mentalen Werken entfalteten, sondern auch, weil sie diese
Grundsätze auf die uns zunächst angehenden Sprachen an-
wandten. Dass sie in ihren Werken Verständlichkeit mit voller
Wissenschaftlichkeit zu vereinigen wussten, hätte ihnen allein
schon den Vorzug vor dem tieferen aber oft dunkelen ü umboldt
gesichert, — selbst in der Blttthezeit unserer Philosophie. Das
war ein Grund mehr, warum weitaus die meisten Sprachforscher
sich der Indogermanistik zuwandten, während sich die Nach-
folger Humboldt's noch heute fast an den Fingern her-
zählen lassen. Und noch ein Zweites kam hinzu: Die Vertiefung
in den Geist fremdgearteter Sprachen setzt eine andere, wie es
scheint seltenere Begabung voraus, als die zerlegende Verglei-
chung todter Wortstämme, Formen und Laute. Wohl gebietet
auch die Gerechtigkeit hinzuzufügen, dass der Bücherapparat
eines Indogermanisten leichter zu beschaffen ist, als eine BiblicH
thek, die den Zwecken der allgemeinen Sprachwissenschaft
auch nur annähernd genügen will.
Noch manches Andere kommt hinzu: der Nimbus, der so
lange das Sanskrit und seine Literatur umgab, das Gefühl ver-
wandtschaftlicher Anheimelung, das uns beschleicht, wenn wir
in der fremden Hülle den heimischen Kern wiederfinden, jene
im tiefsten Gemüthe wurzelnde Neugier, die zuerst nach den
eigenen Vorfahren und Vettern fragt. Kein Wunder, dass diese
Forschung zur bestgepflegten wurde, und dass die Männer von
B 0 p p ' s und Grimmas Schule je länger je mehr sich als aliei-
nige Inhaber linguistischer Wissenschaft und Methode betrach-
teten und wohl meinten von ihrem Standpunkte aus die weite
Sprachenwelt zu beherrschen. Wollten andere bei ihnen als
Genossen anerkannt sein, so mussten sie auf ihren Gebieten
Analoges erstreben, Anatomen und Atomisten sein, wie es der
Zeitgeist zu fordern schien.
Mein Vater ist den raschen Fortschritten der Indogerma-
nistik stets als aufmerksamer Beobachter gefolgt, und er hat die
bedächtige Sicherheit ihrer Forschungsweise auch in seinen
vergleichenden Arbeiten erstrebt. Dass er sie nicht immer
219
erreicht hat, lag nicht an ihm, sondern an der Sache, jetzt an
der Dürftigkeit der vorhandenen Httlfsmittel, jetzt an der Eigen-
art der behandelten Sprachstamme. Wer heute die Wortver-
gleichungen zwischen dem Mandschu und europäischen Sprachen
in der Einleitung zu seiner Mandschu «Grammatik belächelt,
möge sich daran erinnern , dass er die Arbeit eines vierund-
zwanzig-jährigen Mannes vor sich hat, der nachmals als Erster
Bopp^s Methode auf die Bantusprachen , das Formosanische
und das Samojedische anwandte, der die grosse melanesische
Sprachenfamilie entdeckte und wissenschaftlich nachwies.
Aber auch auf dem Gebiete der allgemeinen Sprachwissen-
schaft wird sein Streben und Rönnen wohl von den Meisten
unterschätzt, und dies ist allerdings wesentlich ihm selbst zu-
zuschreiben. Er liebte es mehr, zu forschen als zu Schrift-
stellern, und wenn er schrieb, so theilte er der Welt lieber die
erkannten objectiven Thatsachen als seine allgemeinen Urtheile
und Folgerungen mit. So gleicht sein Wirken gar oft dem des
Entdeckungsreisenden, der scharf und allseitig beobachtet, klar
und vollständig berichtet, aber die Ausbeutung seines Erwerbes
Anderen ttberlässt. Er aber hat der Welt von seinem Wissens-
erwerbe nur einen kleinen Theil in Schriften bekannt gemacht
und in der wissenschaftlichen Welt geschieht es wohl wie in
der bürgerlichen, dass man das Vermögen eines Mannes nach
seinen Ausgaben bemisst.
Die Eigenart eines Gelehrten wird man immer am Besten
aus der Ganzheit seines Wesens und Lebens begreifen, zumal
wo das Wesen so einheitlich und in sich selbst gefestigt ist,
wie hier.
Man muss weit ausholen, wenn man die sprachlichen Nei-
gungen meines Vaters auf ihre ersten Regungen zurück verfolgen
will. Als Kind w^urde er einmal von seiner Grossmutter gefragt,
was er denn werden wolle? Die Antwort war : »Ich möchte gern
alle Sprachen lernen !a Seine Schwestern erinnerten sich, wne
er als Knabe wahrend ihrer Spiele für sich gesessen in's Studium
einer griechischen Grammatik vertieft. Man mag vermuthen,
dass das Völker- und Sprachengewirr des Jahres 4813 in seiner
Vaterstadt die Phantasie des Sechsjährigen erregt hatte. Dann
muss man aber wenigstens zugeben, dass auf nicht viele Kinder
jener Zeit die gleichen Eindrücke ähnliche Wirkungen geübt
haben. Dabei war er ganz anders angelegt, als die vielsprachigen
220
Menschen gewöhDlichen Schlages, die grossen und kleinen Mezzo-
fanti. Solche pflegen zungengewandt, geschmeidigen Gharao-
ters, — zuweilen bis zur Gharacterlosigkeit, — und bei aller
£inpftinglichkeii geistig unfruchtbar, unfähig zur durchdringen-
den Verarbeitung ihres Stoffes zu sein. Er dagegen war,
zumal in der Jugend, von befangenem, schüchternem Wesen,
wortkarg, sein Gehör zum Auffassen, sein sächsisches Organ
zum Nachbilden fremder Laute wenig geschickt, sein Sinn immer
auf das Innere gekehrt. Fragte man ihn, wie viele Sprachen
er spräche, so pflegte er zu antworten: »Kaum eine«. In der
That, ein Redner war er auch in seiner Muttersprache nicht,
und zum flotten Geplauder in andern Sprachen fehlte ihm nicht
nur die geschmeidige Zunge, sondern auch die muntere Unver-
frorenheit, die lieber zehnmal fehl tritt, als einmal inne hält;
er wurde leicht befangen und Hess sich anmerken, wie er nach
dem richtigsten Ausdrucke suchte. Wer ihn mit einem Künstler
wie Mezzofanti vergleicht, thut beiden Theilen Unrecht.
Sprachvirtuosen pflegen einseitig zu sein. Mein Vater da-
gegen war sehr vielseitig, nach Beruf sowohl wie nach Neigung.
Man darf von voraherein annehmen , dass seine verschiedenen
Strebensrichtungen und Begabungen in einem innigen Zusam-
menhange standen , sowohl unter einander als auch mit seinem
Temperamente und Gharacter.
Er selbst bekannte, er sei von Hause aus Gholeriker. Die
heitere, genussfähige Ruhe, der milde Humor, kurz Alles, was
ihn zu dem liebenswürdigen, Behagen um sich verbreitenden
Manne machte, der er nach Aller Urtheile war, entsprang einem
tiefen, liebevollen GemUthe, einem glücklichen Familienleben,
einer kindlichen Bescheidenheit, einem sinnigen, freudigen Ein-
gehen auf die Art der Anderen, bei dem unbeugsamsten
Rechts- und Pflichtgefühle. Wo dies Gefühl verletzt wurde, da
konnte auch noch in späteren Jahren leidenschaftlicher Zorn in
ihm auflodern. Sonst aber war ihm vom Choleriker nur die
Energie der stätigen Arbeit und des folgerechten, zielbewussten
Denkens geblieben. Während er die lärmenden Freuden eines
ausgelassenen Studentenlebens ^durchkostete , fand er genug
Mussestunden zur Weiterpflege seiner Liebiingsstudien, und je
länger je mehr entschied sich sein Geschmack für ein ruhig be-
schauliches Leben und eine zwanglos heitere Geselligkeit. Wo
er in's praktische Leben einzugreifen hatte, that er es mit Liebe,
221
mit Nachdruck und Geschick; wo es einer von ihm gut geheisse-^
Den Sache galt, war er stets auf dem Platze. Sich selbst an die
Spitze zu stellen, lag seiner Bescheidenheit fern ; aber er wich
nicht aus, wo ihn;^das Vertrauen der Übrigen|den Vorsitz zuwies.
So hat er nach seinem Austritte aus dem Staatsdienste Jahre
lang vier bis fünf Präsidien wissenschaftlicher und politischer
Gesellschaften zugleich verwaltet^). Seinen amtlichen Schriften
und Reden wird gründliche Sachkenntniss, strenge Objectivität,
die sauberste Ordnung und überzeugende Klarheit nachgerühmt,
und dasselbe Lob haben sich bekanntlich auch seine linguisti-
schen Arbeiten erworben. Gedrillt wird der Stil auf sächsischen
Bureaus, manchmal werden ihm auch die Flügel gestutzt, ge-
brochen . Mein Vater wenigstens klagte wohl, dass er die trockene
Pedanterie des amtlichen Geschäftsstiles nimmer überwinden
könne. Gesättigtere Formen, frischere Farben, oft leidenschaft-
lichen idealeren Schwung zeigt die Prosa seiner frühren Jahre,
der Jahre, wo er selbst noch gern dichtete.
Die Liebe zur Poesie ist ihm immer geblieben. In der
Jugend hatten ihn wohl nächst Homer Schiller, Walter Scott und
Ossian am tiefsten ergriffen ; er genoss aber auch voll und vor-
behaltlos die kunstvollen Schönheiten der grossen romanischen
Dichter und die naturfrische Mannigfaltigkeit der Volkspoesie
aller Länder. Nicht die ästhetischen Vorzüge allein waren es, die
ihn fesselten, es waren auch die verschiedenen Volksgeister und
die Vielfarbigkeit ihrer dichterischen Gewänder. Frischen
Humor, mochte er auch derb sein wie bei Boccaccio und Cer-
vantes, oder toll wie bei E. T. A. Hoffmann, hatte er für sein
Leben gern; wie hat er über Paul Lindau's Harmlose Briefe ge-
lacht 1 Er selbst besass viel Witz, aber mehr den Witz der
spielend entdeckten und ausgesprochenen Wahrheit, als den-
jenigen, der komische Lebenslagen erfindet oder Lächerlich-
keiten aufdeckt. Dieselbe Gabe rascher, oft überraschender
Gombinationen und Associationen, die sich in seinem Witze
äusserte, kam erst recht seinen sprachwissenschaftlichen For-
schungen zu statten.
Sehr empfänglich war er für Naturschönheiten ; aber die
stille Poesie der Einöde oder des weiten Meeresspiegels schien
4] Die äusseren Daten seines Lebenslaufes hier aufzuzählen, halte ich
nicht für nöthig.
222
er weniger zu empfinden, als die grossartige Vielgestaltigkeit
einer Gebirgslandschaft oder die heitere Abwechselung einer
Parkanlage. Derselbe Sinn für Mannigfaltigkeit und Eigenartig-
keit, der sich hier zeigt, gab lauch seinem sprachwissenschaft-
lichen Streben die Richtung.
Eine gewisse Abneigung gegen die Philosophie war ihm
aus jener Zeit geblieben, wo die Philosophen vermeinten Natur
und Geschichte a priore gesetzlich aufbauen zu können. Von
jenem plattgeistigen vervolksthUmelten Materialismus aber,
dessen trübe Wellen ab und zu auch die Felder der Linguistik
bespülten, wurde er geradezu angewidert. Um so höher schätzte
er die Mathematik wegen ihrer Gewissheit und sicheren Methode.
Auf der Universität hat er Vorlesungen über höhere Lehren
dieser Wissenschaft eifrig besucht und erzählte noch später
gern, wie ihn die Differential- und Integralrechnung entzückt
habe. Ich glaube, was ihn daran anzog, war die Verbindung
der Mathematik mit dem Prinzipe der Allmählichkeit, des na-
türlichen und geschichtlichen Werdens. Sprachwissenschaft-
liche Vorlesungen hat er nie besucht, sondern ausser den er-
wähnten nur solche in den aligemeinen Fächern, juristische und
cameralwissenschaftliche. Juristischen Instinkt und leidliche
juristische Kenntnisse besass'er; dem römischen Rechte aber
konnte er den Verderb, den es in die deutschen Verhältnisse
gebracht, nicht vergeben. Er liebte das Volksthümliche, Boden-
wüchsige, nicht nur im eigenen Vaterlande, sondern auch in
der Fremde und an Ausländern, — und nächst der Sprache
giebt es nichts Nationaleres, als Sitte und Recht.
Mit den Fortschritten der Länder- und Völkerkunde hielt
er sich immer möglichst auf dem Laufenden. Wichtigere Reise-
beschreibungen und Petermann 's Mittheilungen kaufte und
las er regelmässig. Lebendiger als er es je in seinen Schriften
ausgesprochen hat, verquickten sich in seinem Geiste Wohnsitz,
Gesittung und Charakter der Völker mit ihren Sprachen.
Eine Art Gegengewicht gegen seine Sprachstudien schienen
seine historischen Forschungen zu bilden, denen er gleichfalls
immer treu geblieben ist. Verbreiteten jene sich fast über
alle Räume der bewohnten Erde, so beschränkten sich diese
auf das engere Vaterland. Seine zahlreichen hierher gehörigen
Arbeiten sind fast alle in den »Mittheilungen der Geschichts-
und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes« ab-
223
gedruckt. Nttchtern, schmucklos, fast wie amtliche Referate, sind
auch sie, aber auch sie sollen von einer Unvoreingenommenheit
desUrtheils und einer Sicherheit der kritischen und reconstruc-
tiven Gombination zeugen, wie sie, vielleicht in noch höherem
Grade, auch den Sprachforscher auszeichneten. Die Entwicke-
lung des Menschengeistes in den Völkern wie in den Einzelnen
bildete recht eigentlich den Brennpunkt seiner Interessen.
Bedeutendere geschichtliche und biographische Werke gehörten
zu seiner Lieblingslecture, und nun lag es wieder ganz in seiner
Art, neben dem Grossen und Ganzen auch manches Kleine in's
Einzelnste zu verfolgen. Ganz anders, als man es nach der
geschäflsmännischen Prosa seiner Schreibweise vermuthen sollte,
Seelen- und lebensvoll gestaltete sich in seiner Phantasie auch
das örtlich und zeitlich Entfernte.
An dieser Stelle muss ich auch einer Gabe erwähnen, die
nur zur Hälfte dem Kopfe, zur andern Hälfte dem Herzen an-
gehört. Ich meine sein glückliches, verständnissvolles Eingehen
auf das Fühlen, Denken und Treiben der Kinder. Für uns hatte
er immer Zeit, sein Zimmer war die zweite Kinderstube, und
ich wüsste nicht, dass er es je überdrüssig geworden wäre,
wenn wir ihn immer und immer wieder von seinem Stehpulte
wegriefen, um uns bei unseren Spielen oder Arbeiten zu helfen.
Soviel war Gemüthssache. Nun aber die Art, wie er es that:
sein ruhiges, ich möchte sagen unvorgreifliches Verhalten, die
Art, wie er so ganz nur auf uns hörte, mit uns dachte und
empfand, wie er uns zu Willen war, so lange wir nichts Un-
rechtes begehrten, und eben nur unseren Absichten folgte,
scheinbar ohne lenkend einzugreifen, wie er andere Male selbst
unserem Erfindungsvermögen zu Hülfe kam, Neues brachte
und abwartete, wie es Anklang finden würde: — das Alles ver-
langt freilich wohl auch ein selbstlos liebevolles Gemüth, wie
das seine, dann aber auch einen Verstand, der geneigt und be-
fähigt ist, dem Menschengeiste auch auf den untersten Stufen
seiner Entwickelung und in seinen kindischsten Regungen zu
folgen. Der Gedanke, dass er uns Kindern. ein Opfer brachte,
wenn er stundenlang mit uns spielte oder plauderte , ist ihm
wohl so wenig gekommen , wie uns ; und im Grunde trieb er
ja auch nichts Anderes, wenn er sich in eine recht rohe, geistes-
arme Sprache vertiefte : hier wie dort die Freude , sich in eine
fremde, einfach ärmliche Geistes weit einzuleben.
224
Seiner Vorliebe fttr^s Mannigfaltige entsprach eine grosse
Neigung zum Sammeln, mochte es nun der eigenen Bibliothek,
seinen linguistischen und historischen Collectaneen , oder den
Sammlungen Anderer gelten. War ihm ein fader, interesseloser
Mensch in den Weg gekommen, so pflegte er wohl zu sagen:
»Wenn der doch wenigstens KorkstOpsel sammelte 1«
Was ich im Bisherigen aus allen Einzelbestandtheiien seines
vielseitigen Geistes zusammengesucht habe, möchte vereint
schon ohne weiteres den Stoff zu einem recht tüchtigen Sprach-
forscher liefern. Ob aber auch den Stoff zu einem solchen wie
er war? Man bedenke, dass er nicht um^etheilt seiner Lieblincs-
Wissenschaft leben durfte, dass er es auch wohl nicht gemocht
hätte. Öffentliche Ämter und häusliche Angelegenheiten nahmen
selbst bei einem so geschäftsgewandten Manne viel Zeit in An-
spruch; er bedurfte reichlichen Schlaf, gönnte sich gerne körper-
liche und gesellige Erholung und that seinen übrigen vielfachen
wissenschaftlichen Interessen nicht eben Zwang an. So viel
Zeit, als man denken sollte, haben ihn sicher seine linguisti-
schen Arbeiten nicht gekostet. Nach alledem muss ich anneh-
men, dass von Hause aus ein besonderes, nicht näher zu bestim-
mendes Sprachtalent in ihm lag. Dies konnte durch seine
sonstigen reichen Anlagen wohl gefördert, durch Übung wohl
gesteigert, aber weder durch jene noch durch diese ersetzt
werden.
Auf Kinder üben sehr zufällige Eindrücke oft gar nach-
haltige Wirkungen. Mein Vater erzählte gern, wie tief seine
kindliche Phantasie erregt worden, als ihm sein Lehrer in einem
Buche ein chinesisches Schriftzeichen (es war das für luk, Hirsch)
vor^ezei^t. Auch das erzählte er, dass ihn als Knaben und
Jüngling Sprachen mit eigenen Schriften besonders gelockt.
Das Geheimnissvolle reizte die jugendliche Einbildungskraft:
Zahlenmagie und die sogenannten curiösen Wissenschaften frü-
herer Jahrhunderte. Geheimschriften erfand er selbst oder Hess
sie von seinen Geschwistern und Freunden erfinden, um sie
dann zu entziffern. Die Methode dieser Kunst hatte er schon
als Kind ohne fremde Anleitung entdeckt, und seine Meister-
schaft darin gränzte an's Wunderbare. Leichtere Aufgaben löste
und las er fast vom Blatte weg, und alte halbverwischte Münz-
und Steinaufschriften deutete er mit spielender Leichtigkeit.
Mit gleicher Virtuosität löste er Räthsel und Rebusaufgaben.
225
I
Mit einem Worte: er war ein Genie in der Kunst scharf-
sinniger, sicherer Combination. Die Entzifferung der Passepa-
Schrift nach einem gänzlich verderbten, in seinen Theilen ver-
renkten Texte und die endgültige Wiederherstellung dieses
Textes ist sein Verdienst.
Im Jahre 1822 erschienen Abel-Remusat's El^mens de
la grammaire cbinoise. Sein Freund Hermann firockhaus
hatte ein Exemplar davon erhalten, lieh es ihm. Da vertiefte
sich der kaum Sechszehnjährige in das Studium des Chinesi-
schen; und nun war es bezeichnend, dass er für sich aus dem
Lehrbuche alle Beispiele, aber von den Regeln nur die wenigen
abschrieb, die die Grundgesetze des Sprachbaues enthalten.
Im Gegensatz zu den meisten anderen vielsprachlichen Gelehrten
bat er sein Lebtag eine gewisse Abneigung dagegen empfunden,
fremde Sprachen aus Grammatiken zu erlernen. Wo er gute
Lehrbücher vorfand, wie bei Arabisch, Persisch, Türkisch,
Sanskrit, Malaisch und vielen anderen Sprachen, mit denen er
sich in seinen jüngeren Jahren beschäftigte, da benutzte er diese
Hüifsmittel wohl, aber nur, um sich möglichst schnell mit ihnen
abzufinden und sich dann in die lebendige Sprache selbst, in
die Leetüre von Texten zu versenken. Am liebsten erlernte er
Sprachen unmittelbar aus Texten, Sprachen , für die er selbst
Grammatik und Wörterbuch schaffen musste. An die dreissig
Sprachen verdanken ihm ihre wissenschaftliche Bearbeitung
und er bewährte in dieser Art der erratbenden Forschung die
gleiche Meisterschaft, wie in der verwandten Dechiffrirkunst.
Eine grosse Reihe reichhaltiger , sauber geführter Collectaneen
bat er hinterlassen, von denen nur ein kleiner Theil zur literari-
schen Yerwerthung gelangt ist. Leider aber beschränken sich
seine grammatischen Sammlungen auf Rubra und mögliebst
zahlreiche Slellenangaben ; sie sind systematische Register, die
das Ausschreiben und Übersetzen der Belegstellen der letzten
Ausarbeitung vorbehalten. Kein Wunder, dass diese dann ein
sehr lästiges Geschäft war. Ein rechter Genuss aber war es
zu beobachten, wie er eine solche ihm ganz neue Sprache in
Angriff nahm. Der Anfang war wohl meist, dass er. ein paar
Seiten cursorisch überlas, halblaut , um auch das Ohr dem Ge-
dächtnisse dienstbar zu machen. Dabei glitten ab und zu seine
Blicke zurück zu früher Gelesenem, Obereinstimmungen suchend
und entdeckend, nie lange beim Einzelnen verweilend. So gab
226
er sich zunächst möglichst unbefangen dem neuen Eindracke hin,
und dann erst griff er zur Feder, sammelte, zerlegte. Oft schien er
schon nach dem Durchlesen einer Seite eine Art Hauptschlüssel
gefunden zu haben, sich nach wenigen Stunden in der firemden
Gedankenwelt heimisch zu fühlen. Aber sich selbst hatte er nicht
leicht genug gethan, ehe das ganze ihm verfügbare Textmaterial
durchgeprüft war. Wenn man ihn mit anderen Vertretern der
allgemeinen Sprachwissenschaft vergleichen will, so sollte man
das nicht vergessen, dass fast alle seine Urtheile auf dem siche-
ren Grunde des eigenen Erlebnisses beruhen. Dass Bibel-
übersetzungen und andere christliche Religionsschriften nicht
immer das lautere Spiegelbild einer wildfremden Sprache ab*
geben, wusste er natürlich so gut, wie nur irgend Jemand, und
vielen der Worterklärungen, die er solchen Quellen entlehnte,
masste er nur bedingten Werth bei. So mag er wohl manchmal
mit »Brodtf übersetzt haben, was eigentlich Bananen, Taro, Yam,
Maisbrei, Reis oder die sonstige Hauptspeise eines Volkes be-
deutet. Wo aber der Sprachgeist in Frage stand, da dürfte ihn
sein wissenschaftlicher Takt kaum je verlassen haben. Unbe-
holfenheiten, Zwang, der der Sprache angethan war, empfand
er instinktiv und es ist mir kein Fall bekannt, wo er sich
durch die Fehler seiner Quellen zu unrichtigen grammatischen
Schlussfolgemngen hätte verleiten lassen. Eine Bibelüber-
setzung litt in ihrer ersten Auflage an gewissen häufig wieder-
kehrenden Verstössen gegen die Grammatik ; die rügte er, und
sie wurden dann in der zweiten Auflage seinen Andeutungen
entsprechend beseitigt.
R^musat's l^l^mens sollten auf ihn einen sehr nach-
haltigen Einfluss üben. Dieses Buch zeichnet sich durch Kürze,
Klarheit, ein dem gemeinen Verständnisse sehr bequemes An-
lehnen an heimische Sprachbegriffe und doch unbefangenes
Eingehen in die Eigenart der fremden Sprache aus. Das gleiche
Lob haben die grammatischen Arbeiten meines Vaters geerntet,
zum Theile aber auch mit der gleichen Einschränkung, dass sie
den Sprachgewohnheiten des Lernenden etwas zu weit entgegen-
kommen. Die Bequemlichkeit des Neulings verlangt An-
knüpfen an Bekanntes; die Voraussetzungslosigkeit des For-
schers erheischt zunächst energisches Abschütteln alles Über-
kommenen. Mein Vater nun wählte in seinen grammatischen
Arbeiten den Standpunkt des Lehrers und gOnnte dem Forscher
227
nur da das Wort, wo es sich um die EntscheiduDg zweifelhafter
Fragen handelte. Von Neuerungen in der grammatischen Ter-
minologie war er kein Freund ; genug wenn der gebräuchliche
allgemein bekannte Ausdruck der lateinischen oder griechischen
Grammatik die Funktion einer fremdsprachlichen Form an-
nähernd beschrieb, — die besonderen Ausführungen thaten
dann das Übrige. Versieht doch auch z. B. ein deutscher oder
griechischer Genetiv andere Funktionen, als ein lateinischer.
Dagegen lehnte er im Vorworte zur zweiten Abhandlung über
die Melanesischen Sprachen den Vorwurf nicht ab, »dass er bei
Behandlung der einzelnen Sprachen noch immer etwas zu
viel der lateinischen Anordnung gefolgt sei«. (Abh. d. E. S.
Ges. d. Wiss. Bd. VII, I, S. III.)
Von seinem Mathematiklehrer am Altenburger Gymnasium
erzählte er, dieser sei eigentlich ein schwacher Mathematiker,
daftlr aber ein um so besserer Lehrer gewesen ; dass er selbst
mit dem Stoffe zu ringen gehabt, sei den Schülern zu Gute ge-
kommen. Sein eigenes Lehrtalent entsprang aus einer anderen
Quelle. Das Wissen, das er fast intuitiv erworben, setzte sich
schnell in ein zusammenhängendes Begreifen um und wurde
dann leicht und begreiflich dargestellt. Dass er aber so geschwind
auffasste hatte noch eine andere V^irkung, die sich gleichfalls
nicht verleugnete. Die ersten Schwierigkeiten der analytischen
Arbeiten waren schnell überwunden und nun begann von selbst,
vielleicht ihm unbewusst, das synthetische Denken: er schuf
selbst mit, kam seinem Schriftsteller ahnend entgegen. So
rückte in seinem Geiste die Handhabung der Sprache, das
synthetische System naturgemäss in den Vordergrund, und dies
Diusste die Form seiner grammatischen Darstellung bestimmen.
Gleichwohl empfand er den Werth einer rein analytischen
Grammatik vollkommen, und der analytische Gesichtspunkt
war auch bei ihm der erstherrschende, wenn er Sprachen schil-
derte. Hierin nun, in der Sprachschilderung, war er geradezu
ein Meister. Fragte man ihn nach der Eigenart einer Sprache
oder eines Sprachstammes, so wusste er in scharfen, sicheren
Zttgen ein Bild zu entwerfen, so lebensvoll und warm, dass man
sich mitten hinein in den Geist der fremden Sprache versetzt
{glaubte. Dabei verriethen seine Gresten oft ebenso deutlich wie
seine Worte, dass er von Selbsterlebtem sprach. Man sah, er
228
selbst stand nicht der Sache gegenüber, sondern mitten darin.
Darum legte er nie den zufälligen, muttersprachlichen Massstab
an das fremde Idiom, beurtheiite es lediglich aus sich heraus
und im Vergleiche zu der Aufgabe, die der menschlichen Sprache
als Mittel des Gedankenausdruckes gestellt ist, zeigte, von wel-
chen Seiten, mit welchen Mitteln es diese Aufgabe erfasst, und
in welchem Umfange es sie löst, llätte sein Stil gleiche Wärme
geathmet wie seine Rede, hätte er sich entschlossen der Schrift
anzuvertrauen, was er bei solchen Gelegenheiten in leichtem
Gespräche kunst- und mühelos hinwarf: so besässen wir heute
eine Reihe Sprachcharacteristiken, welche die Mehrzahl der vor-
handenen zwar nicht an geistvollen, weitausschauenden Be-
trachtungen, wohl aber stellenweise an Richtigkeit und Gerech-
tigkeit übertreffen sollten. Im Tadeln, auch im Tadeln von
Sprachen, konnte Niemand vorsichtiger sein als er. Nur wenige
Sprachen habe ich ihn als roh bezeichnen hören, — meines Er-
innems waren mehrere Negersprachen wie das Akra und einige
melanesische darunter. Da hatte er nichts gefunden, was
ihn anziehen konnte, — Anderen würde es wohl ähnlich
gehen. Ihm aber war es gegeben und wohl auch Bedürfniss,
die Sprachen die ihn beschäftigten, zu geniessen, wenn anders
sie etwas Geniessbares boten. So kam ihm auch dabei sein
Temperament zu Statten. Wo sich geistige Regsamkeit, bild-
nerische Kraft, reiche, wennschon nach unseren Begriffen ein-
seitige Entfaltung zeigte, da fühlte er sich erwärmt und dann
ging wohl das Kennenlernen und das Liebenlernen Hand in
Hand. Ich entsinne mich, wie frisch, fast entzückt er mir den
Polysynthetismus der einen oder der andern nordamerikanischen
Sprache, das Gongruenzsystem der Bantu , die Conjugation des
Türkischen, die Casus- und Localanschauungen in den finnisch-
ugrischen Sprachen, die wunderbaren drei Passive und sonsti-
gen verbal-nominalen Gebilde im Tagalischen und seinen Ver-
wandten schilderte, wie er dann aber auch wieder die Schatten-
seiten und Schwächen zeigte, etwa Eintönigkeit oder Armuth
des Satzbaues, geringe Fähigkeit der Abstraction u. dgl. Die
weitverbreitete Geringschätzung gegen die verschiedenen Arten
des agglutinirenden Baues theilte er aber keineswegs. Regel-
mässigkeit, etymologische Klarheit und freie Bildsamkeit der
Formen gehörten eher zu den Dingen, die er pries; und die
Schönheiten unserer indogermanischen Sprachen fand er in
229
anderen Stttcken, als in der Mehrheit ihrer Declinationen und
Conjugationen, ihren Defectiven und sonstigen Unregelmässig-
keiten.
Wie angedeutet, liebte er es und verstand es, die Eigen-
thümlichkeiten der Sprachen mit Sinnesart und Lebensweise
der Völker in Beziehung zusetzen; eineAlgonkinsprache, mochte
er sie auch nur aus der Bibelübersetzung kennen, schien seiner
Phantasie Lederstrumpfgeschichten zu erzählen. Ich weiss
nicht, ob er es in dieser Form ausgesprochen hat, aber offenbar
war es auch seine Überzeugung : zwei Dinge (abgesehen von
der Herkunft) geben der Sprache ihr Gepräge, der kulturge-
schichtlich-geographische Standpunkt eines Volkes und seine
Geistesart. Jener bedingt die* geistige Perspective, vermöge
deren gewisse Dinge näher liegen und schärfer unterschieden
werden, als andere; darum ist er zunächst entscheidend für
das Stoffliche der Sprache. Die Geistesart aber äussert sich in
der Art, wie die Vorstellungen verknüpft werden, mithin in
der Sprachform. Nun aber beruht die Geistesart nicht nur auf
innerer Anlage , sondern auch wieder zum Theile auf jenen
äusseren Lebensbedingungen; mithin müssen auch diese die
Sprachform beeinflussen. Ich entsinne mich, dass alles dies
bei seinen Sprachschilderungen zur Geltung kam. Was jüngst-
hin Byrne (The Principles of the Slructure of Language) mit
Kühnheit und Tiefsinn versucht, stand als Aufgabe auch vor
seiner Seele; daneben aber stand ein bedächtiges: Non liquet.
In der Vorrede zu seiner Abhandlung über das Passivum hat er
es ausgesprochen, in dem Buche selbst es nach Kräften ver-
wirklicht, was seiner Meinung nach unsre Zeit in der Richtung
nach der allgemeinen Grammatik bin thun kann : untersuchen,
wie sich die Sprachen des Erdballes den verschiedenen gram-
matischen Kategorien gegenüber verhalten, um so den sprachen-
bauenden Menschengeist in aller Mannigfaltigkeit seiner Äusse-
rungen kennen zu lernen. An wie viele und welche Kategorien
er alles dabei dachte, hat er meines Wissens nie ausgesprochen,
sicher waren es aber ihrer sehr viele. Das Alles nun schliess-
lich zu einem grossen einheitlichen Baue zusammenzufügen, es
inductiv zur Entdeckung gemeingültiger Gesetze zu verwerthen:
das dachte er sich als die Arbeit späterer Geschlechter, — ich
glaube späterer Jahrhunderte.
Wie in staatlichen und kirchlichen, so war er auch in
230
wissenschaftlidien Dingen gemässigt oonservativ. Er hielt
nicht starrglänbig an der Autorität des Oberlieferten fest, ver-
folgte z. B. den Streit über die Arteneinheit oder -Mehrheit des
Menschengeschlechtes mit nnbefangenem Interesse. Neuen The-
orien gegenüber verhielt er sich kritisch, zweifelnd, bis er sie
durch sehr gute inductive Gründe gestützt sah. Als aber die
eben erst als grossartigeHypothese veröffentlichte Lehre D a r wi n's
von geschäftigen, heissspomigen Jüngern schleunigst popularisirt
und wie ein neues Dogma der Welt verkündigt wurde: da war
ihm dies vorlaute Treiben in tiefster Seele zuwider. Und wie
nun gar die Kühnsten das Alter des Menschengeschlechts nach
hunderttausenden von Jahren berechnen wollten, sammelte er
seinerseits Gegengründe. Gleichwohl nahm er vielleicht weniger
an der Sache Anstoss, als an der lärmenden Überhast mit der
sie betrieben wurde. Dass der sprachbegabte Mensch von
sprachlosen Urahnen abstammen könne, war gegen seine wissen-
schaftliche Überzeugung, derzufolge die gegliederte menschliche
Rede und die ihr zu Grunde liegende Vernunft nicht nur dem
Grade, sondern auch der Art nach verschieden wäre von der
sogenannten Sprache und dem Seelenvermögen der Thiere.
Alle solche Fragen konnten ihn lebhaft beunruhigen ; denn die
Linguistik, wie er sie auffasste, musste von jeder Erschütte-
rung auf benachbarten Gebieten mitberührt werden, viel mehr,
als man es nach seinen Schriften vermuthen sollte. Übrigens
kaufte und las er doch ziemlich viele Bücher über den Ursprung
der Sprache. Die spracherzeugende Ri*aft des Menschen, die
physischen und psychischen Vorbedinungen der artikulirten
Rede interessirten ihn aber mehr, als die gewagten Versuche,
den Urzustand der Sprache zu erschliessen. Solche Versuche las
er etwa wie man Romane liest, die man wahr nennt, wenn sie
wahrscheinlich sind. Nur mit der atomistischen Anschauung,
wonach die älteste menschliche Rede aus ungegliederten Natur-
lauten bestanden hätte, konnte er sich nicht befreunden.
So hatte sich denn der Wunsch des Kindes, alle Sprachen
zu lernen, mit den Jahren in ein wohlerkanntes wissenschaft-
liches Ziel verwandelt. Mein Vater erstrebte eine möglichst
umfassende und tiefe Kenntniss der menschlichen Sprache, das
heisst zunächst der verschiedenen Sprachen nach den drei
Hauptrichtungen: ihrer verwandschaftlichen Zusammengehörig-
keit (Genealogie), ihren geschichtlichen Veränderungen in den
231
Lauten, Formen, Wörtern und Bedeutungen; und zuletzt und
zuhöchst galten sie ihm als die mannigfaltigen Äusserungen des
meDschlichen Sprach Vermögens.. Nun war aber sein Verhalten
nach diesen drei Richtungen hin verschieden , und der Gi-und
dieser Verschiedenheit lag vielleicht weniger in seiner Begabung
als in seinen Neigungen. Er arbeitete am liebsten auf unbe-
bauten Feldern, da wo sein entdeckungslustiger Geist erst Bahn
brechen musste. Wo er Andere am Werke sah, verhielt er sich
in der Regel beobachtend, lernend, aber nicht selbstschöpferisch.
Wohl nur zweimal, imMandschu und im Gotischen, hat er hiervon
wissentlich Ausnahmen gemacht, und auch da war, genug Neues
zu schaffen. Sprachen, die er genügend bearbeitet vorfand,
trieb er wohl, sofern sie oder ihre Literaturen einen Reiz für
ihn hatten, bedachte sie auch mit besonderen Collectaneen,
aber ohne die Absicht, sie neu zu beschreiben. Von Polemik
war er kein Freund, und Gegenstand, Inhalt und Form seiner
Schriften haben wohl nie zu heftiger Kritik oder Gegenkritik
herausgefordert. Nur einmal, als er und sein Freund Lobe
sich von Andreas Uppströro ungerecht angegriffen glaubten,
Hess er sich auf einen wissenschaftlichen Kampf ein.
Die wissenschaftliche Feststellung zweier grosser Sprach-
stämme bleibt an seinen Namen geknüpft: er war der erste,
der die längst von Anderen geahnte Existenz der Bantufamilie
auf dem Wege grammatischer Vergleichung bewies, und der die
verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit einiger zwanzig me-
lanesischer Sprachen darthat. Von finnotatarischen (ural-altai-
schen] Sprachen kannte er wohl die grosse Mehrzahl und hatte
zu ihrer Vergleichung reiches Material gesammelt. Da aber
Schott, Castr^n^ Wiedemann, Schiefner und Andere
sich diesen Forschungen zuwandten, zog er sich aus der Arena
in den Zuschauerraum zurück und trat nur noch einmal (Ztschr.
d. D. Morgenl. Ges. V, Heft 1) mit einer Arbeit über die samo-
jedische Sprache auf, deren, wohl schon von Castr^n vermuthe-
ten Zusammenhang mit der finnischen Familie er durch eine
eingehendere Vergleichung nachwies. Ähnlich hat er es mit
den malaio- polynesischen und den Bantusprachen gehalten.
Was er über die ersteren veröffentlicht, war vorwiegend einzel-
sprachlicher Art, die erste Dajak- Grammatik und die einzige
grammatische Untersuchung über das Favorlang-formosanische.
Was ihn in jenen Fällen bewog zurückzutreten, war nicht oder
4886. 4 6
232
doch nicht allein Bescheidenheit, sondern eine richtige Beur-
tbeilung der Sachlage. Er sah sich fast ausschliesslich auf seine
Poschwitzer Privatbibliotbek angewiesen. So gross aber diese
war, so konnte sie ihm doch nicht die Mittel und Materialieo
aufwiegen, die Anderen durch grossartige Staatsinstitut« oder
durch eigene an Ort und Stelle gemachte Sammlungen zu Ge-
bote standen.
Wer gleich ihm sich vorzugsweise mit literaturlosen Spra-
chen beschäftigt, dem bietet sich zu sprächgeschichtlichen Unter-
suchungen wohl manche Anregung, aber wenig brauchbarer
Stoff. Seine gotischen Arbeiten wollten von Hause aus wesent-
lich philologisch sein; in ihnen spielt die Sprachvergleichung
nur eine aushelfende Rolle. Das Zend und Koptische Hess er
liegen, als sich ihnen andere Forscher mit reicheren Httlfsmittein
widmeten. Die Vergleiohung des Mandsohu mit alterthttmli-
cheren tungusischen Dialekten endlich bat er erst kurz vor
seinem Tode begonnen. Lautvergleichende und etymologische
Beobachtungen undVermuthungen finden sich w^ohl in allen seinen
einzelsprachlichen Arbeiten, nur muss man an sie nicht immer
den Maßstab modern indogermanistischer Exactheit anlegen.
Man bedenke: wer auf neuen Pfaden wandelt ist auFs tastende
Ausprobiren angewiesen; er kann vorlaufig nicht wissen, ob
und wo er etwas Verwandtes finden, welcher Art die Verwandt-
schaft sein werde. Ähnlichkeiten im Sprachbaue, in Laut und
Bedeutung der Wörter bieten ihm die ersten Fingerzeige. Die-
sen wird er folgen, einerlei, wohin sie ihn weisen ; jede Gasse,
die sich ihm ijffnet, will durchstöbert sein, auch wenn sie sich
als Sackgasse erweisen sollte. Dass in einer jungen Wissen-
schaft mit dogmatischen Heischesätzen nichts anzufangen sei,
sagte meinem Vater sein besonnenes Urtheil, bestätigten ihm
zum Überflusse so manche Beispiele von Voreiligkeiten, deren
er Zeuge war. Er hatte vorerst zweierlei zu vermeiden: ver-
frühtes Aufstellen neuer angeblicher Sprachfamilien , und vor-
schnelles Verneinen von Möglichkeiten auf Grund apriorisch
gefasster schematischer Anschauungen.
Vor diesen beiden Fehlern war er durch den Umfang und
die Intensität seines sprachlichen Wissens gesichert. In die
achtzig Sprachen der verschiedensten Bauarten und Stämme
hatte er nach und nach getrieben und man weiss nun, was eine
Sprache treiben bei ihm bedeuten wollte. Schien dann und
J
233
wann das Material, das er seinen Forschungen zu Grunde legte,
Eum Verzweifeln dttrftig, so besass dafür sein Geist die Gabe,
»alle vier Zipfel zu fassen, wenn ihm nur einer gereicht wird a,
wie sich Gonfuoius ausdrückt. Diese Gabe ist nur dann er-
klärlich, wenn man annimmt, dass der ahnende Geist denselben
Gesetzen folge, wie die Dinge, die er beurtheilt; es scheint
aber, als wären solche ahnende Geister manchmal geschickter
die Aussendinge zu erklaren, als sich selbst. Dass auch das
Leben der Sprachen von ewigen Gesetzen beherrscht sein müsse,
leugnete mein Vater nicht; das aber leugnete er, dass eine be-
schränkte Sprachenkenntniss genüge, um solche Gesetze auf-
zustellen. Hierzu schien ihm auch sein eigenes Wissen nicht
auszureichen. Dafür hatte er die Erfahrung gemacht, dass man
in der bunten Sprachenwelt so ziemlich auf Alles gefasst sein
müsse. Nil admirari hiess bei ihm fast soviel wie nil negare.
Was jenes Ahnungsvermögen leistete waren nun freilich nichts
anderes, als glückliche, von den Thatsachen bestätigte Aprioris-
men; allein diese vollzogen sich wohl in der Regel naiv, ihm
unbevnisst. Gewiss aber hatte er das Gegentheil, trügende
Ahnungen, oft genug an sich erlebt, und Gegen in stanzen wider
die geistvoll kühnen Axiome so mancher sprachwissenschaft-
lichen Schriftsteller lagerten in den Schatzkammern seiner Er-
fahrung auf Vorrath. So w^ar es denn weder Unfähigkeit noch
Trägheit, noch auch Schüchternheit, was ihn abhielt, selbst-
ständige Theoreme aufzustellen, sondern ein wohlerwogenes
Urtheil über den Stand seiner Wissenschaft. Verallgemeine-
rungen gehören zu den Dingen, die man durch fleissiges Lernen
verlernen kann.
Im Gespräche war er bierin etwas ausgiebiger, äusserte
sich aber auch da nur mit allem Vorbehalte, stellte mehr ver-
suchsweise eine Meinung hin. Von einem grossen Theile meiner
sprachphilosophischen Anschauungen weiss ich nicht, wieviel
im Grunde mir selbst eigen, wieviel mir von meinem Vater
überkommen ist. öfter als ich mir bewusst bin, mag der
Hauptgedanke ihm, die Ausgestaltung mir angehören. Wir
haben zusammen sehr viel von solchen Dingen geredet; er
mochte es gern, und er hatte gerade bei mir oft Gelegenheit,
unreife Heischesätze mit thatsächlichen Gegengründen zu wider-
legen. Meine Ansichten über das Grundgesetz der Wortstellung,
die ich nachmals in der Lazarus-Steintharschen Zeitschrift ver-
40*
234
öffentlicht, schienen ihm einleuchtend, ebenso meine Theorie
von der Zweitheilung der Grammatik in ein analytisches und
ein synthetisches System.
Der Fortschritt seiner Studien von Sprache zu Sprache war
wohl von einem allgemeinen Plane, zugleich aber auch von
mancherlei Zufälligkeiten bestimmt. Ich will nur Einzelnes
hervorheben.
Als Gymnasiast nahm er freiwillig am hebräischen Unter-
richte Theil und trieb für sich Arabisch , dem sich wohl erst
später Türkisch und Persisch anschlössen. Das Chinesische,
das er als Schüler begonnen, setzte er als Student fleissig fort.
Bald aber ward es ihm klar, wie unsicher dies Studium sei, so
lange man nicht bessere Hülfsmittel besässe, als R^musat's
Grammatik, G16mona's Wörterbuch und die Übersetzungen der
alten katholischen Sendboten. Die mandschuischen Übersetzun-
gen chinesischer Werke dagegen durften als authentisch gelten;
allein erst galt es, deren Sprache besser zu verstehen, als es
mit A m y 0 t's grammatischem Abrisse und Wörterbuche möglich
war. Dazu bot dem Göltinger Studenten die dortige Universi-
tätsbibliothek die ersten Hülfsmittel. Das Ergebniss, die j^l^mens
de la grammaire mandchoue, veröffentlichte er erst nach seiner
Heimkehr von der Universität. Die3 Buch, jetzt längst ver-
griffen, hat dem Fünfundzwanzigjährigen viel Lob eingetragen
und zeigt in der That bei manchem Unreifen und Irrigen doch
schon jenes didactische Geschick, das einen Theil seiner Be-
gabung bildete. Der französischen Sprache bediente er sich,
weil sie damals noch fast für die Sprache der Siologen gelten
konnte; war doch Frankreich recht eigentlich das Vaterland
dieser Wissenschaft. — Fast gleichzeitig mit dem Mandschuischen
trieb er mongolisch und magyarisch, und die Verwandtschaft
dieser drei Sprachen leuchtete ihm schnell ein; die finnotatarische
Sprachenvergleichung bildete nun für lange Zeit sein Programm.
Die wichtigeren Cultursprachen Europa's trieb er nebenher,
mehr um ihrer Literaturen willen; sie alle, etwa mit Ausnahme
der slavischen, las und handhabte er ohne Schwierigkeit. Bald
übte auch die rasch erblühte Indogermanistik und Germanistik
auf ihn ihren Reiz. Bopp's und Pottes Werke las er mit
Genuss; Jacob Grimm's grammatisches Riesenwerk mochte
er wohl um seiner grossartigen Anlage, zumal um seiner Laut-
lehre willen bewundern , stiess sich aber an das, was er den
235
colIectaDeenmäßigeD Stil nannte, und selbst an die eigenmächtig
eiDgeftthrte Orthographie. Jedenfalls dürfte den hier empfan-
genen Anregungen seine nachmaligen gotischen undZendstudien
ihren Ursprung verdanken. Zum Gotischen führten ihn über-
dies noch andre Regungen : sein Interesse am germanischen
Alierthume, die Mangel der [ vorhandenen Ulfilas-Äusgaben,
endlich der Wunsch, mit seinem treuen Jugendfreunde, dem
Pfarrer Dr. Julius Lobe in Rasephas eine gemeinschaftliche
Arbeit zu unternehmen. Seine gotischen Collectaneen sind im
Jahre 4834 begonnen; jahrelang haben die Reiden an bestimm-
ten Wochentagen in Poschwitz zusammen geforscht und berathen,
ehe sie das Ergebniss ihrer Forscherarbeit in drei Quartbänden
(4836—4846) der Welt vorlegen konnten.
Eine Zeit lang fühlte er sich auch zur jungen Ägyptologie
hingezogen, studirte Champollion's und seiner Schüler
Werke und wurde Zeuge der tiefgehenden Spaltungen, die so
hald unter den Forschern dieses Faches einrissen. Nun erblickte
er im Koptischen den einzig sicheren Ausgangspunkt für weiter
und tiefer gehende Untersuchungen und verweilte längere Zeit
bei dieser Sprache; seine Collectaneen über sie datiren vom
Jahre 4 838.
Von hier aus kehrte ^er zunächst zu den finno-tatarischen
Sprachen zurück. Im I. Rande der Zeitschrift für die Kunde
des Morgenlandes hatte er »Einiges über die mongolische Poesie«
und die Übersetzung der »mandschu-mongolischen Grammatik
aus dem San-hö-pian-lan«, im zweiten die »Entzifferung einer
aitmongolischen Inschrift«, einen Aufsatz »Über den Namen:
Türken« und den »Versuch einer mordwinischen Grammatik«
veröffentlicht. Daran reihten sich nun weiter in Rand III.:
sMandschu-sinesische Grammatik nach dem San-hö-pian-Iam
und »Sing-li-tschin-thsiuan , die wahrhafte Darstellung der
Naturphilosophie (erster Theil), aus demMandschu übersetzt«,
— in Rand IV. : »Vergleichung der beiden tscheremissischen
Dialekte«. Kurz zuvor, 4844, w^aren seine »Grundzüge der syr-
jänischen Grammatik« als besonderes Ruch erschienen. Mittler-
weile hatte sich in seiner Ribliothek schönes Material für die
Kunde der süd- und westafrikanischen Sprachen zusammenge-
funden. An dessen Durcharbeitung ging er nun, hat aber als
Frucht dieser Forschungen nur den einen sprachvergleichenden
Aufsatz »Über die Suahilisprache«, 4847 (Zlschr. d. D. Morgenl.
236
Ges. Bd. I) herausgegeben. Die folgenden unruhigen Jahre
brachten auch in seine Studien eine Unterbrechung. Wohl das
Erste, was er nach wiedererlangter Muße in Druck gab, war
eine vergleichende Studie »Über die samojedische Sprache«, 4 851
(Ztschr. d. D. Morgenl. Ges. Bd. V), fast gleichzeitig lieferte er
in Hoefer's Zeitschrift Bd. III eine »kurze Grammatik der
tscherokesischen Sprache«, und bald darauf, im Jahre 485S er-
schienen seine »Beiträge zur Sprachenkunde«, Grammatiken der
Dajak-, Dakota- und Kiririsprache , letztere die Übersetzung
eines im Jahre 4699 gedruckten portugiesischen Buches.
Um diese Zeit gab er das familienweise Sprachstudium auf.
Die amerikanischen Sprachen mit ihren wunderbaren Verbal-
systemen hatten schon längst ihren Zauber auf ihn geübt, und
die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaues wurden
je länger je mehr der Gegenstand seines Forschens. So vertiefte
er sich abwechselnd in die Sprachen der Rothhäute, der schwarzen
und braunen Afrikaner, dann wieder derbraunen Bewohner des
indischen und stillen Oceans, kurz, damals, in den fünfziger
Jahren machten eigentlich seine Sprachstudien die Reise um die
Welt. Zu jener Zeit reifte denn auch in ihm der Plan, eine be-
stimmte Kategorie der Grammatik nach Humboldt's Vorgange
durch alle bekannten Sprachen der Erde hindurch zu verfolgen.
Der malaische Sprachstamm, zumal in seinen philippinisehen
Gliedern, für deren Kunde ihm mein lieber, nun auch verstor-
bener Schwager Herr Consul Richard von Carlowitz in
Canton reiche Materialien zugeführt hatte, mochten sein Augen-
merk auf das Passivum lenken, dem er dann eine 4860 in den
Abhandlungen der K. S. Ges. d. Wiss. erschienene sprachver-
gleichende Untersuchung widmete. Diese berücksichtigt zwei-
hundert und einige Sprachen, von denen mehrere noch unbe-
arbeitete erst eigens für diesen Zweck grammatisch bearbeitet
sein wollten. Die Abhandlung »Über die Ibrmosanische Sprache«
(Ztschr. d. D. M. G. Bd. XIII), die »Grammatik und Wörterbuch
der Kassia-Sprache« 4 858 (in den Sitzungsberichten der K. S.
Ges. d. Wiss. erschienen), endlich der erste Theil der »Mela-
nesischen Sprachen« (Abh. d. K. S. Ges.d. Wiss. 4860) gehören
zu diesen Vorarbeiten, sind wenigstens deren Früchte.
Den unermüdlichen Bemühungen seines genannten Schwie-
gersohnes gelang es nun auch bald, ihm eine sehr reiche Samm-
lung mandschuischer Originaldrucke zu verschaffen. Dies
237
fahrte ihn zu der Sprache zurück, an der er sich seine ersten
Sporen verdient hatte. Die Mflngel seiner Jugendarbeit wurden
ihm immer klarer, und die Jugendliebe erwachte von Neuem,
Seine bisherigen grammatischen Schriften hatten selten den Um*
fang von Elementarbachern überschritten; jetzt wollte er ein
philologisch vollständiges dabei nach »cht linguistischen Gesichts-
punkten ausgeführtes Lehrgebäude errichten, ein grosses, end-
gültiges Werk. Er nannte wohl das Mandsohu eine in ihrer
Entwickelung unterbrochene Sprache. Freier hatten sich die
verschwisterten tungusischen Dialekte entfaltet, für deren Kunde
ihm sein Freund Anton Schief ner in St. Petersburg schätz-
bares Material lieferte, und unter den Mandschubüchern seiner
Sammlung zeichnete sich wenigstens eines, die Übersetzung des
berüchtigten realistischen Romanos Ein-p'ing-mei in 47 Bänden,
durch freie, elegante Behandlung der Sprache aus. Dies und
noch eine Reihe andrer hat er im Laufe seiner Leetüre für den
eigenen Gebrauch übersetzt, aber nur eine dieser Arbeiten, die
»Geschichte der grossen Liao« , von meinem Bruder, stilistisch
redigirty ist 1877 als hinterlassenes Werk von der Kais. Russ.
Akad. d. Wissenschaften herausgegeben worden. Fortan hat
ihn mit längeren und kürzeren Unterbrechungen das Mandschu
beschäftigt bis an sein Ende. Hierher gehörige Arbeiten sind
die Beiträge zur mandschuischen Conjugationslehre [Z. d. D. M.
G. 1864], die Ausgabe der Sse-schu, Schu-king, Schi-king mit
Wörterbuch, 2 Bände, 1864 und noch zwei Aufsätze über die
Ausdrücke für »sterbena und für »Könnena im Mandschu. Vor
derendgültigenAbfassungderGrammatikwolltendieCoUectaneen
ausgearbeitet, die gesammelten Beispiele ausgeschrieben und
übersetzt sein, — ein zeitraubendes, lästiges Geschäft. Er ist
damit nur etwa bis zur Hälfte gediehen, und was er so hinter-
lassen, würde schon einen starken Quartanten füllen.
Mehr als man denken sollte hat meine Mutter seine Studien
befördert. Viele lästige Schreibereien und geschäftliche Be-
sprechungen nahm sie ihm ab um ihm für seine Wissenschaft
Müsse zu verschaffen, und wo sie es konnte, bereicherte sie seine
schöne Bibliothek. Sie hatte darin soviel Glück wie Geschick ;
viele der werthvollsten Manuscripte und Drockwerke verdankt
die Poschwitzer Sammlung ihr. So machte sie im Jahre 1862
meinem Vater einige dreissig mongolische Originalhandschriften
aus Alexander Castr6n's Nachlass zum Geschenke, und das
238
führte ihn auf längere Zeit zum Mongolischen zurück. Ein Theil
der Bücher wurde gelesen, übersetzt, in die Gollectaneen ver-
arbeitet ; druckfertig in seinem Sinne ist aber davon nichts ge-
worden, denn mein Vater gab nicht gern eine Oberseztung
heraus, ehe nicht das letzte Fragezeichen am Rande ausgestrichen
war. Vom Mongolischen aus gelangte er zu der Untersuchung
»Über die Sprache der Hazaras und Aimak« (Z. d. D. M. G. 4866 ,
deren verwandschaftliche Beziehungen zum Mongolischen er
nachwies.
Einen Förderer seiner melanesischen Studien hatte er an
seinem Freunde Edwin Norris in London. Nach dessen Tode
ijchien es ihm eine Pflicht der Dankbarkeit, das weitere Material
das er von ihm erhalten, in einem zweiten Theile der »Mela-
nesischen Sprachenc (Abh. d. K. S. Ges. d. Wiss. 4873) zu ver-
einigen.
Dies ist in den wesentlichsten Zügen der Entwicklungsgang
seiner linguistischen Arbeiten, die nach der Natur der Sache
sehr oft auch philologische sein mussten. Man wird zugeben,
dass seine veröffentlichten Schriften bei aller Vielseitigkeit und
Gediegenheit doch ein sehr unvollkommenes Bild liefern von
seinem Streben und Können. Die Zahl der Sprachen, die er
getrieben, habe ich vorhin auf etliche achtzig angegeben. Dies
stützt sich einerseits auf seine in Poschwitz verwahrten Gollec-
taneen, andrerseits auf das, was er uns selbst gelegentlich ge-
sagt, als wir ein Verzeichniss dieser Sprachen aufnehmen wollten.
Ausdrücklich führte er dabei nur solche auf, deren Kenntniss er
an der Leclüre von Texten erprobt hatte. Ich will das Ver-
zeichniss hier nicht raittheilen, hebe aber hervor, dass es u. A.
4 8 uralaltaiscbe. 4 S malaisch-polynesische, 6 kongo-kaffrische,
5 indochinesische und 1 2 amerikanische Sprachen aufweist.
Forschungen wie die seinigen erforderten einen entsprechend
umfänglichen Bücherschatz , und die Poschwitzer linguistische
Bibliothek ist denn auch]zu einer sehr ansehnlichen angewachsen,
— qualitativ fast noch mehr als quantitativ. Seinem lieben
jüngeren Freunde, dem allverehrten Reinhold Rost und dem
unermüdlich gefälligen Schiefner hatte er, wie so mancher
Fachgenosse, dabei sehr viel zu verdanken. Mein Vater mochte
lieber Bücher verborgen als borgen und hat mit seiner Frei-
gebigkeit hierin viel Dank geerntet. Auch davon hat man er-
239
zählt, wie gern er jüngeren Forschern mit Rath und Auskunft
behülflich war.
Bedeutsam für die Beurtheilungl eines Mannes von so aus*
gesprochenem Lehrtalente dürfte die Art sein, wie er meine
linguistischen Neigungen förderte und lenkte. Er versicherte
mir nachmals, er habe nie diese Neigung in mir erregt, und das
entsprach auch ganz seiner sonstigen Art. Als ich in meinem
achten Jahre Englisch lernte, fragte ich ihn einmal, ob nicht im
Englischen immer th für deutsches d stünde? Das bejahte er
natürlich, und nun sagte er mir, was man Lautverschiebungen
nenne; dann führte er »one, two, threea sächsisch »eens, zwee,
drei« und »house, mouse^ beam, leaf«, sächsisch »Haus, Maus,
Boom, Loob« an und zeigte mir daran, wie die Dialekte doch
gar nicht so willkürlich und verderbt seien. Bald zog er auch
das Lateinische herbei, verglich dessen Wörter und Formen mit
französischen und deutschen und eröffnete mir einen ersten Aus-
blick auf den grossen indogermanischen Sprachstamm. Das
gab auf Jahre Stoff zu unseren Gesprächen. Zwölf oder drei-
zehn Jahre alt mochte ich sein, als er mir erlaubte Eichhoffs
Vergleichung der Sprachen von Europa und Indien zu lesen, ein
Buch das ich halbwegs verstehen und namentlich recht gemessen
konnte. Etwa ein Jahr später gab er mir Bo p p' s vergleichende
Grammatik in die Hand, und ich habe wohl den grössten Theil
davon mit Wonne gelesen. Eine eigentliche Anleitung zum Ver-
ständnisse gab er mir nicht, eher dann und wann auf Befragen
einzelne Erläuterungen. Überhaupt liess er mir immer die
Initiative, ging nur mehr oder weniger auf meine Wünsche und
Interessen ein und gab ihnen höchstens die Richtung, die ihm
dienlich schien. So mochte er es gern, wenn wir Geschwister
einander und ihm selbst spielweise Dechiffriraufgaben stellten,
und als ich eine Sprache nach seiner Methode aus Texten zu er-
lernen wünschte, gab er mir die Genesis in Grebo und einige
Anleitung zur Anlage von Collectaneen, — das Weitere über-
liesser mir. Später, etwa in meinem sechszehnten Jahre, liess
er mich zu meiner Übung und Unterhaltung einige Seiten neu-
seeländische Texte mit Übersetzung lesen und darnach einen
Abriss der Grammatik verfassen. Da ich Cbinesich zu lernen
wünschte, schenkte er mir zu meinem sechszehnten Geburtstage
Remusat^s l&lemens. Als ich diese durchgearbeitet hatte, gab
er mir St. Julien 's Ausgabe und Übersetzung des Meng-tsi
240
zurLectUre, fast gleichzeitig aberauch dessen Exercices pratiques.
Schottes Chinesische Sprachlehre war damals noch nicht er-
schienen, nnd ich weiss nun, dass Niemand mein Selbststudium
des Chinesischen hätte methodisch richtiger lenken können. Er
selbst hatte diese Sprache nie ganz liegen lassen, unterschSitzte
aber sein Wissen in ihr, da ihm doch thatsdchlich nur die
nöthigen lexikalisdien Httlfsmittel mangelten.
Von sprachphilosophischen Büchern gab er mir Heyse*s
System der Sprachwissenschaft, dann Humboldt's Kawiwerk,
endlich SteinthaTs Charakteristik der hauptsächlichsten Typen
des Sprachbaues in die Hand. Von anderen neueren Bttchern
über allgemeine Sprachwissenschaft nach denen ich ihn fragte,
rieth er mir ab: »In derselben Zeit, wo Du die lesen würdest,
kannslDu eine neue Sprache lernen, unddahastDu mehrdavonU
Unter Anderem empfahl er mir zumal das Arabische, dessen
innere Stamm- und Formbildungen, zweierlei Plurale, seltsam
doch hoch entwickelte Syntax er mir wohl in seiner lebendigen
Weise schilderte, aber zu den Dingen rechnete, die man selbst
erfahren haben müsse. »Du wirst es vermissen, wenn Du diese
Sprache nicht treibst«, sagte er wohl zu mir. Es war das da-
mals, als ich mich mit vergleichender Syntax beschäftigte. Die
Kuhn-Sehlei cber'schen Beiträge aber und die Lazarus-
Stein t ha Tsche Zeitschrift theilte er mir regelmässig mit.
Die einzige gemeinschaftliche Arbeit, die wir unternommen
haben , galt der Entzifferung einer Niütschi-lnschrift , die er
sammt chinesischen, uigurischen und mongolischen Parallel-
texten in photographischer Aufeahme aus China erhalten hatte.
Jeder dieserTexte besteht aus zw^elTheilen, einem transcribirten
buddhistischen Gebete in Sanskrit nnd dann, in kleineren Schrift-
zeichen, einer noch ungelesenen längeren Aufzeichnung in der
betreffenden Sprache. Der Sanskrittext ermöglichte es, den
Lautwerth der unbekannten, willkürlich erfundenen complizir-
tenSylbenzeichen festzustellen; der Inhalt deskleingeschriebenen
nur mittels des Vergrösserungsglases erkennbaren Schriftstückes
sollte zunächst aus den Paralleltexten thunlichst festgestellt,
dann in das Mandschuische übersetzt und darnach in dem ver-
wandten Niütschi wiedergefunden werden, — eine mühsame,
zeitraubende Arbeit, zumal sie nur während meiner kurzen Be-
suche im Elternhause vorgenommen werden konnte. Als ich
im August 4874 auf vier Wochen nach Lemnitz kam, wollten
r
241
wir diese Entzifferung thunlichst vollenden. Da erkrankte mein
Vater und starb den 3. September.
So still war sein Gelehrtenleben verlaufen, dass Viele erst
aus den Nekrologen in den Zeitungen erfahren haben^ welchen
Platz er in der Wissenschaft eingenommen ; und so innig war
sein wissenschaftlicher Verkehi' mit mir gewesen, dass ich erst
nach seinem Tode bemerkte, wie ich bisher; ohne es zu ahnen,
immer sein Wissen zu dem meinen hinzugerechnet, mir ein-
gebildet hatte, was er besässe brauchte ich mir kaum erst zu
erwerben ;-. — wieviel ist da noch zu erwerben, aber wie leicht
hat er mir auch den Erwerb gemacht I Das Beste was mir in
meinem Fache gelingen mag, ist mittelbar immer sein Werk.
Herr Windisch legte vor Etymologische Beiträge : ^)
1 . Altir. ßil F. Fest, ßed F. Fest.
Altir. feil wird nur von den kirchlichen Festen gebraucht,
die auf bestimmte Tage im Jahre angesetzt sind. Im Welsh
entspricht gwyl, PI. gwyliauy Fest, Gramm. Celt.^ p. 968 (aus
einem dem Taliesin zugeschriebenen Gedichte). In dem unter
dem Namen F^lire bekannten Heiligenkalender lautet der No-
minativ immer feil, was auf eine Grundform *veili oder *veill
hinweist. Die gelegentlich vorkommende Schreibweise fel^]
ist wohl nur ungenau für feil, obwohl ich für meine Etymologie
einen Stamm auf a noch besser brauchen könnte, aber ein
solcher würde wohl *fial im Nominativ lauten müssen. Ir. feil
ist nämlich zu stellen zu skr. velä F. Zeitgrenze, Zeitpunkt.
Von feil ist abgeleitet felire Kalender, wie im Lateinischen von
ccdendae das entsprechende calendarium.
Für die Festschmause und Festgelage der Kämpen dagegen
in den alten Sagen wird das Wort ßed gebraucht. Im Welsh
entspricht gwledd, Gramm. Gelt. 2 p. 53. Beide Wörter gehen
auf eine Grundform *vledä zurück, in der die Vocalisation le
dem skr. r oder l entspricht. Das davon abgeleitete Adjectiv
fledach bedeutet feslivus. Da in diesem Worte unverkennbar
die Festfreude ihren Ausdruck gefunden hat; liegt es nahe an
die skr. W'urzel vrdh zu denken, die nicht nur »wachsen«,
sondern auch »freudig erregt werden« bedeutet.
i)^ Einen ersten Artikel dieser Art veröffentlichte ich in Kuhn's Ztschr.
Band XXVII. S. 168 ff. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit zu Artikel^
daselbst, dass lit. smakrä schon von Bezzenberger zu skr. QmoQru gestellt
worden >\ar, Bezz. Beitr. II, S. 4 52.
2) Vgl. fei Martain, festum MarUni, Sg. 70a (Gr. Celt.2 p. XII).
243
2. Altir. toi F. Wille.
An einen Zusammenhang mit lat. volo, so dass etwa die
Partikel do vor *volä getreten wäre, ist nicht zu denken, wir
tnüssten dann * töl erwarten, wie aus der Verschmelzung der
Präpositionen do und for bekanntlich tör-j tuar- entstanden ist.
Vielmehr geht ir. toi zunächst auf eine Grundform *tolä zurück.
Im Irischen ist ursprüngliches st im Anlaut stets durch t ver-
treten. Ergänzen wir *tolä zu *stoläj so ergibt sich der beste
Zusammenhang mit gr. azdlog in der Bedeutung von Zug,
Antrieb, z. B. in 8xwg ikd-ouv ^TtaQTirjriujv üvdQeg eire ldl(fi
atöXiffäxB drjiioalfißy Herod. V 63. Das Verbum atellio sen-
den, rüsten, nähert sich im Medium dem Begriff des Wollens,
z.B. in vavrai atilXovrav tcivbIv xw/tag Eur. Troad. \Si.
Besonders genau entspricht dem. ir. toi das gr. - ovolrj in i/rt-
OTolifl Auftrag, Befehl.
3. Altir. trögj trüag elend, unglücklich.
Der Geschichtsschreiber Trogus Pompeius stammte aus
einer gallischen Familie. Sein Name ist identisch mit dem oben
genannten irischen Adjectiv, im Welsh entspricht tru, Gramm«
Gelt. ^ p. 144. Ergänzt man auch hier im Anlaut ein s, so
ergibt sich eine Grundform *strougos oder *streugos, wie kotfcög
oder wie levxög gebildet, und diese stellt sich vortrefflich zu
dem homerischep Verbum OTQeiyea-d'ai aufgerieben werden,
hinschmachten, z. B. Od. XII 354.
ßoijXofjL Sjta^ rcqog Tcvfjia xavii)v &nh Svfibv dkioaai
4. Altir. mrath n. Betrug, Verrath.
Im Mittelalter tritt dafür die Form brath ein, im Welsh
entspricht brad »treachery«. Auf dem griechischen Gebiet ist
schon in den ältesten Quellen anlautendes mr zu ßQ geworden
ißQOTÖg), wenn ein Vocal vorausgeht ist das vermittelnde ^ßQ
bewahrt. Als Grundform für altir. mrath ergibt sich *mraia-m.
Ich vermuthe, dass dieses Wort zu gr. afxaQzdyw verfehlen,
fehlen, Aor. fjftßQOTe, afiagrla Fehler, Sünde gehört. Der
celtischen Grundform *mrata kommt am nächsten das afiaQto^
in: ^lav afiaQToeTtig y ßovydie, Ttolov %Bt7teg II. XIII 824.
244
Der Spiritus asper io diesen griechischen Wörtern scheint un-
organisch zu sein, jedenfalls hat ihn Ij^ßgote nicht. Das erste
a von afj,aQTO' aber ist einer jener protbetischen Vocale des
Griechischen, deren Natur immernoch nicht ganz aufgeklairt ist.
Ich glaube, dass viele derselben nicht vorgeschlagen, sondern
letzter Rest einer vollsten Wurzelgestalt sind.
5. Ir. eblim ich erziehe.
Ein merkwürdiges Verbum, dessen Wurzel zweisilbig zu
sein scheint. Ausserdem PrKsens sind Perfect und Futur belegt.
s. mein Wtb. Das Präsens lautete vielleicht in der Grundform
*ebalidj wenn nSmllch die 3. Sg. eblai als eine Form der irischen
t-Classe angesehen werden darf. Vielleicht findet hier das gr.
itpiXXto vermehren, vergrössern, eine Anknüpfung.
6. Altir. ret M. Sache.
Nach dem Gen. Sg. reto zu urtheilen geht dieses viel-
gebrauchte Wort auf eine Grundform ^rantu-^s zurück. Es ist
ein Seitenstück zu altir. ät M. Eifer, Eifersucht, Gen. Sg. eoilt,
das den irischen Lautgesetzen entsprechend vom ein j verloren
hat, und als dessen Grundform *janta^8 anzusetzen ist. Das
Adjectiv Stmar eifersüchtig. Gl. zu zelotypus, hat schon Stokes
Ir. Gl. 635 mit dem gallischen Eigennamen lantumarus identi-
ficirt, dessen erster Theil wohl für lanto- steht, wenn nicht auch
hier ein Stamm auf u vorliegt. Wie nun schon Stokes dieses
celiische ^jantasmiiskr. yatnas^ Anstrengung, Eifer, zusammen-
gestellt hat (Bqkz. Beitr. XI HO), so entspricht jenes oeltische
*rantus dem skr. ratnam Habe, Gut, Kleinod. Ir. r^t bedeutet
Sache im Allgemeinen, wie tat. res dem skr. rayis und räs^
Besitz, Habe, Kostbarkeit, gegenüber. Den Nasal inx Innern der
Wurzelsilbe im Verein mit dem Latein gegenüber einem n hinter
der Wurzelsilbe im Sanskrit zeigt das Irische auch in band
Fasssohle, lat. fundus, gegenüber skr. budhnas^ Grundlage.
7. Altir. cluche Spiel.
Dieses Wort wird von den Spielen bei den Festen der alten
Iren gebraucht, seien es Kampfspiele oder Spiele nach Art der
Jongleurs. Es entspricht dem lat. ludus und Joeus. Die vor-
245 '.
historische Grundform des Stainines m\xs8*clocia gelautet haben.
Wir haben hier den schönsten Anschluss an got. hlcAjan lachen
(altsdchs. 3. Plur. Praet. hlögun, Hei.). Lachen, Scherz, Spiel
sind Vorstellungen, die in* einander übergehen, es sei nur an
das Verhältniss von franz. jeu zu lat. jocus erinnert. Fick
Wtb. III 87 stellte got. hlahjan zu gr. Klwaaw und zu skr.
ikark, karkati lachen«. Letzteres ist eine sogenannte Sräuta-
Wurzel, d. h. eine Wurzel, die nur zum Zwecke einer Etymologie
von den Grammatikern angeführt wird, vgl. Westergaard,
Rad. p. 333 ^karka häse. Ridere. karkata^^karka^ahn; für kar-
kaiah wird sie z. B. Unädis. IV 81 angeführt. Gegen xZaiaacci,
das auch mit lat. ^bct'o verbunden wird, ist nichts einzuwenden,
nur dass ir. cluche und got. hlahjan auch der Bedeutung nach
genauer zusammenstimmen.
8. Lat. lüdus Spiel.
«
Bei dieser Gelegenheit möchte ich meine Vermuthung über
den Ursprung von lat. lüdos äussern, altlat. loidos, loedos^ ludos,
Corssen P 708. Fick WHb. I 754 stimmt der Vermuthung
Bugge's, loidere stehe für *loigdere und habe Beziehung zu gr.
ileU^Uy nicht unbedingt zu. Meines Wissens ist es noch nicht
versucht worden, was herauskommt, wenn man das anlautende
l auf ursprüngliches d zurückführt. Lat. levir entspricht be-
kanntlieh dem skr. devara, devar, und dieses haben die indi-
schen Etymologen von div, dlvyati abgeleitet, s. Unädis. 11 100.
Mit dieser Sanskritwurzel , die ein gewöhnliches Verbum für
»spielen« ist, vermag ich lat. ^/oi'dere, loidos in einer befriedi-
genden Weise lautgesetzlich nicht zu vermitteln. Setzen wir
aber ein ursprüngliches *doidos an, so würde sich dieses, wie
mir scheint, sehr gut zu altnord. teitr froh, teiti F. Freude, ahd.
Zeil zart, anmuthig, angenehm, stellen lassen, denn das ger-
manische Adjectiv lässt gleichfalls einen Stamm *daida oder
^doido erschliessen. Im ferneren Hintergrunde könnte sehr wohl
skr. didt glänzen, scheinen, stehen, wozu Fick III 445 die
deutschen Wörter stellt.
9. Altir. dar M. Tafel, Brett.
Die Zusammenstellung dieses Wortes mit gr. x^^^og, dor.
tXa(f{kQ liegt so nahe, dass sie gewiss auch schon von Andern
246
vorgenommen worden ist, aber sie fehlt noch in Curtius' Grund-
Zügen, ebenso bei Stokes, Beiträge YlII 351 ff. Man muss auch
für das griechische Wort von der Bedeutung j» Täfelchen a aus-
gehen, aber schon bei Homer ist es speciell das Loostäfelchen,
das Loos, und an diesen) Begriff hat sich die inhaltsreiche Ge-
schichte dieses griechischen Wortes weiter angeknüpft. Das
Irische besitzt in cUrechj dem entlehnten lat. dericus einen
Abkömmling von gr. ulfjQog, der allerdings nicht mehr zu dem
einheimischen Worte dar passen will. Dieses bezeichnet über-
haupt alles Flache, Ebene, aber ich würde nicht mit Stokes,
Index zum Saltair na Rann, dar geradezu in der Bedeutung
»a piain« ansetzen: aus Gompositis wie ddr-ma^ (Tafelebene)
folgt dies nicht. Auch im Welsh bezeichnet clawr ursprünglich
nur tabula, s. Gramm. Gelt. 2 p. 94. Stamm *clära oder *düro.
10. Ir. dam Gefolgschaft, Schaar.
Dieses Wort, das Schaar im Allgemeinen bedeutet, aber
besonders von der Gefolgschaft eines Königs gebraucht wird, ist
das einzige Wort, das mit dem wichtigen griechischen Worte
öfjfiog, dorisch däfiog verglichen werden kann, wie auch Stokes
gesehen hat. Auch diese Zusammenstellung fehlt noch in
Curtius' Grundzügen. Stamm von dam ist *däma oder *dämOj
wie es scheint ursprünglich Neutrum.
«
H. Ir. sieg F. Speer.
Grundform des Wortes ist *slegä, mit le entsprechend dem
skr. r oder f. Unverkennbar gehört es zu skr. srj, srjati
schleudern.
12. Altir. rand F. Theil.
Welsh rhan Theil, in den Luxemburger Glossen rannou
partimonia, Gr. Gelt. ^ 1064, Rev. Gelt. I 363. Zusammenhang
mit lat. rapere oder lat. rädere^ wie am letztgenannten Orte
vermuthet wird, ist sehr unwahrscheinlich. Als Grundform
ergibt sich *randä oder '^'randhä. Wir müssen uns für das
letztere entscheiden, denn das Wort gehört zu der vedischen
Wurzel randhj Präs. randhayati »überantworten, ausliefern»,
in intransitiven Formen mit der Bedeutung »in die Gewalt
247
Jemandes gerathen«. Rigv. 1 50, 43 veranschaulicht den ge-
wöhnlichen Gebrauch derselben : üd agäd aydm ädityö vi^vena
sdhasä Sdhd \ dvishdntam mdhyatii randhdyan mö ahdm dvishatS
radham »Aufgegangen ist dieser Sonnengott mit aller seiner
Kraft, den Feind mir überliefernd, nicht will ich dem Feinde
in die Hände gerathena. Dass altir. rand etymologisch das in
die Gewalt gegebene oder überantwortete Stück bezeichne, ist
gewiss keine starke Zumuthung an den Glauben. Das Verbum
rannaim, ich theite, ist nicht das vedische randhayati, sondern
Denominativ von ir. rann.
y 13. Altir. dair bespringen.
Auf dieses Yerbum dair ^inire vaccam vel ovem' hat schon
Stokes, Beitr. z. Vergl. Sprachf. VIII S. 329 aufmerksam gemacht.
Der Infinitiv findet sich im Täin b^ Aingen (im Gelben Buch von
Lecan) : iarna dair don Dünn Chuailngey nachdem sie der Donn
Cuailnge (ein berühmter Stier) besprungen hatte. Von dem-
selben Stier heisst es im Buch von Leinster, Facs. p. 69 a, lin.
34: cöica samaisce no daired cach Idij fünzig Kühe pflegte er
jeden Tag zu bespringen. Diese Form des Präs. sec. scheint auf
ein Präsens dairim, nach der III. Series, hinzuweisen. Das
T-präteritum dart findet sich im Täin bö Regamna: con-dor-ro-
dart in Dub Cuailnge lim, so dass sie der Dub Cuailnge durch mich
besprang. Vgl. auch bei O'Glery: dart .i. dair (das Länge-
zeichen ist wohl nicht berechtigt) gur dhart hhoin .t . go n-dearna
bö do dhäirj so dass er eine Kuh bespringen Hess (?) . Wahr-
scheinlich hängt auch die Bezeichnung dartaid für eine junge
Kuh mit diesem Verbum zusammen. Stokes stellte dasselbe zu
gr. dag&iva}, indem er an den deutschen Ausdruck »beschla-
fena erinnert. Allein bei Thieren wäre dies ein sehr unpassender
Ausdruck. Vielmehr haben wir hier das griechische 'S'ÖQWfiai,
&Q<l}ax(Oj das in gleichem Sinne gebraucht wird, heranzuziehen,
nebst d'OQÖg und d-o^ij (der männliche Saame j . Das Celtische
hat auch mit dem Griechischen sehr viele besondere Berührungen.
4886. 17
Protector der Königlich Sächsischen Gesellschaft
der Wissenschaften
SEINE MAJESTÄT DER KÖNIG.
Ehrenmitglied.
Seine Excellenz der Staatsminister des Cultus und öffentlichen
Unterrichts Carl Friedrich von Gerber.
Ordentliche einheimische Mitglieder der philologisch-
historischen Glasse.
Geheimer Hofrath Friedrich Zarncke in Leipzig, Secretär der
philol.-histor. Classe bis Ende des Jahres 4888.
Professor Ado^ Ebert in Leipzig, stellvertretender Secretär der
philol.-histor. Glasse bis Ende des Jahres 4888.
Wirkl. Geheimer Rath Otto Bdhtlingk in Leipzig.
Professor Berthold Delbrück in Jena.
Georg Ebers in Leipzig.
Alfred Fleckeisen in Dresden.
Geheimer Rath Heinrich Leberecht Fleischer in Leipzig.
Professor Hans Georg Conon von der Gabelentz in Leipzig.
Gustav Hartenstein in Jena.
1886.
II
Hofrath Max Heinze in Leipzig.
Professor Friedrich Otto Hullsch in Dresden.
Oberbibliothekar Reinhold Köhler in Weimar.
Geheimer Hofrath Christoph Ludolf Ehrenfried Krehl in Leipzig.
Professor August Leskien in Leipzig.
Hermann Lipsius in Leipzig.
Wilhelm Maurenbrecher in Leipzig.
Geheimer Hofrath Johannes Adolph Overbeck in Leipzig.
Professor Friedrich Ratzel in Leipzig.
Geheimer Hofrath Otto Ribbeck in Leipzig.
[Professor Erwin Rohde in Leipzig, gewählt am 2. Mai 1886,
nach Heidelberg beinifen Michaelis 1886.]
Geheimer Rath Wilhelm Röscher in Leipzig.
Geheimer Hofrath Anton Springer in Leipzig.
Johann Ernst Otto Stobbe in Leipzig.
Georg Voigt in Leipzig.
Professor Moritz Voigt in Leipzig.
Geheimer Hofrath Gurt Wachsmuth in Leipzig.
Professor Ernst Windisch in Leipzig.
Frühere ordentliche einheimische, gegenwärtig auswärtige
Mitglieder der philologisch-historischen Glasse.
Professor Hermann Alfred von Gutschmid in Tübingen.
Theodor Mommsen in Berlin.
Geheimer Hofrath Erwin Rohde in Heidelberg.
Geheimer Regierungsrath Hermann Sauppe in GOttingen.
Kirchenrath Eberhard Schröder in Berlin.
Ordentliche einheimische Mitglieder der mathematisch-
physischen Glasse.
Geheimer Hofrath Carl Ludwig in Leipzig, Secrelär der mathem.-
phys. Glasse bis Ende des Jahres 1887..
Professor Adolph Mayer in Leipzig, stellvertretender Secretär
der mathem.-phys. Glasse bis Ende des Jahres 1887.
Professor Rudolf Böhm in Leipzigs
Christian Wilhelm Braune in Leipzig.
III
Professor Heinrich Bruns in Leipzig.
Oberbergrath Hermann Credne^* in Leipzig.
Oebeimer Ralh Moritz Wilhelm Drobisch in Leipzig.
Professor Gustav Theodor Pechner in Leipzig.
Paul Flechsig in Leipzig.
<jeheimer Rath Wilhelm Gottlieb Hankel in Leipzig.
Professor Axel Harnack in Dresden.
Wilhelm His in Leipzig.
Johann August Ludwig Wilhelm Knop in Leipzig.
-Geheimer Hofratb Rudolph Leuckart in Leipzig.
Professor Sophus Lie in Leipzig.
Carl Neumann in Leipzig.
Wilhelm Scheibner in Leipzig.
Geheimer Hofrath Aitgust Schenk in Leipzig.
Geheimer Ratb Oskar Schlömilch in Dresden.
Professor Johannes Thomae in Jena.
Gebeimer Hofratb August Töpler in Dresden.
Gustav Wiedemann in Leipzig.
Professor Johannes Wislicenus in Leipzig.
Wilhelm Wundt in Leipzig.
Geheimer Ratb Gustav Anton Zeuner in Dresden.
Geheimer Bergrath Ferdinand Zirkel in Leipzig.
Ausserordentliche Mitglieder der niathemalisch-physischea
Classe.
Professor Edmund Drechsel in Leipzig.
Frühere ordentliche einheimische, gegenwartig auswärtige
Mitglieder der mathematisch-physischea Classe.
Professor Heinrich Richard Baltzer in Giessen.
Geheimer Hofratb Carl Gegenbaur in Heidelberg.
Professor Felix Klein in Göttingen.
Adalbert Krüger in KieL
Ferdinand Freiherr von Richthofen in Berlin.
Geheimer Hofratb Wilhelm Weber in Göttingen.
Verzeichniss
der bei der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissen^
Schäften im Jahre 1886 eingegangenen Schriften.
i . Von gelehrten Gesellschaften, Universitäten und öffentlicbei>
Behörden herausgegebene und periodische Schriften.
Deutschland.
Abhandlungen der Kgl. Akademie d.Wissensch. zu Berlin. Aus d.J. 4883.
Berlin 4 886.
Sitzungsberichte der König). Preuss. Akad. d. Wisseosch. zu Berlin. 1883,
No. 40—52. 1886, No. 1—39. Berlin 1886.
Politische Correspondenz Friedrichs d. Gr. Bd. 14. Berlin 1886.
Richter, Otto, lieber antike Steinmetzzeichen. 45. Progr. z. Winckelmanns-
feste der Arcbaeologi sehen Gesellschaft zu Berlin. Berlin 1885.
Hülsen, Ch., Das Seplizonium des Septimius Severus. 46. Progr. z.Winckel-
mannsfeste d. Archaeolog. Gesellschaft zu Berlin. Berlin 4886.
Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrg. XVill,
No. 48. 49. Jahrg. XIX, No. 4 — 47. Berlin 4885. 86.
Dobbert, Ed., Die Kunstgeschichte als Wissenschaft u. Lehrgegenstand. Rede
in der Aula der Königl. Technischen Hochschule zu Berlin am
24. März 4 886 g^alten. Berlin 4 886.
Jahrbücher des Vereins von Alterlhumsfreunden im Rheinlande. H.78-8t.
Bonn 4 884—86.
Veith, C. von, Das römische Köln. Nebst einem Plane der röm. Stadt Im
Auftr. des Vorstandes des Vereins v. Alterthumsfr. im Rheinl. ver-
fassl. Festprogramm zu Winckelmanns Geburtstagsfeier. Bonn488S.
Dreiundsechzigster Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterlän-
dische Cultur. Enthält den Generalbericht über die Arbeiten and
Veränderungen der Gesellschaft im J. 4885. Breslau 4886. Nebst
Ergänzungsheft: Stenzel, K. G., Rhizodendron Oppoliense Göpp.
Breslau 4 886.
Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. N. F. Bd. 6, U. 9-
Danzig 4886.
Göppert, H, R,, u. A, Menge, Die Flora des Bernsteins u. ihre Beziehungen
zur Flora der Tertiörformation u. der Gegenwart. Fortgesetzt von
H. Conwentz. Mit Unterstütz, d. Westpreuss. Provinzial-Landtafzs
herausg. von der nalurforschenden Gesellschaft zu Danzig. Bd. 2.
Danzig 4 886.
VII
Förstemann, E.j Erläuterungen zur Mayahandscbrift der Königl. öflfenU.
Bibliothek zu Dresden. Herausgeg. auf Veranlassung der General-
Direction der Königl. Sammlungen f. Kunst u. Wissenschaft. Dresden
Zeitschrift des k. sächsischen statistischen Bureaus. Aedig. v. V« Böhmert.
Jahrg. 34 (4885), H. 4 — K u. Beilage: Zeuner, G., Zur mathematischen
Statistik. Dresden 4 886. Jahrg. 32 (4886), Suppiementheft. Dresden
4886.
Jahresbericht der Gesellschaft für Natur- u. Heilkunde in Dresden. Sitzungs-
periode 4 885 — 86. Dresden 4886.
Sitzungsberichte und Abhandlungen der naturwissenschaftl. Gesellschaft
Isis in Dresden. Jahrg. 4885. Jahrg. 4 886, Jan — Juni. Dresden
4886.
Kgl. Sächsisches Polytechnikum zu Dresden. Ergänzung zumProgramm f.d.
Studienjahr 4 885/86, enthalt, d. Verzeichniss d. Vorlesungen f. d.
Sommersem. 4886. — Programm f. d. Studienjahr, bez. Wintersem.
4886/87.
Codex diplomaticus Saxoniae Regtae. Im Auftrag des Königl. Sachs. Staats-
ministeriums heraasg. von 0. Posse u. H. Ermisch. II. Haupttheil.
Bd. 4 3 (Urkunden buch der Stadt Freiberg in Sachsen. Herausg. von
H. Ermisch. Bd. S). Leipzig 4 886.
Sitzungsberichte der physikal.-medicinischen Societät in Erlangen. Heft
47. Erlangen 4885.
Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a/M. f. d. Rech-
nungsjahr 4 884>-85. Frankfurt a/M. 4 886.
Monatliche Mittheilungen aus dem Gesammtgebiete der Naturwissenschaf-
ten. Organ des Naturwissenschaftl. Vereins des Reg.-Bezirks Frank-
furt. Hsg. V. E. Huth. Jahrg. 4, No. 4. Frankfurt a/0. 4886.
Jahrbuch für d. Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen auf d. Jahr
4886. Freiberg 4886.
24. Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde.
Giessen 4886.
Neues Lausitzisches Magazin. Im Auftrag d. Oberlausitz. Gesellsch. d.
Wissensch. herausgeg. von Prof. Dr. Schönwälder. Bd. 64, H. 2.
Görlitz 4885.
Abhandlungen der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu G ötti n ge n.
Bd. 32, aus d. J. 4 885. Göttingen 4885.
Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften und der
Georg- Augusts-Universität aus d. J. 4885. Göttingen 4885.
Bericht über die im Jahr 4885 den Herzog]. Sammlungen zugegangenen
Geschenke. Gotha 4886.
Nova Acta Academiae Carolinae Leopoldinae Caesareae German. naturae
curiosorum. T. 47. 48. Halis 4885. 86.
Leopoldina. Amtl. Organ d.. kals. Leopold! nisch-Carolinisch-deutschenAkad.
der Naturforscher. H.XXI,No. 24— 24. XXIl.No. 4— 20. Halle4886.
Zeitschrift für Naturwissenschaften. Originalabhandlungen u. Berichte.
Hrsg. vom Naturwiss. Verein f. Sachsen und Thüringen in Halle.
4. Folge, -Bd. 4, 4885 (d. ganzen Reihe 58. Bd.), H. 5. 6. Bd. 5, 4886
(d. ganzen Reihe 59. Bd.)> H. 4-~ 3. Halle 4885. 86.
Verhandlungen des nnturhistor.-medicin. Vereins zu Heidelberg. N. F.
Bd. 8, H. 5. Heidelberg 4 886.
Till
Festschrift zur Feier des SOOjäbrigen Bestehens der Ruperto-Carolina
dargebr. voo d. naturhistor.-medicin. Verein zu Heidelberg Heidel-
berg «886.
Veröffentlichungen der Grossberz. Sternwarte zu Karlsruhe. Hrsg. von
W. Valentiner. H. 2. Beobachtungen am Meridiankreis. Karisnihe
4886.
Chronik der Universität zu Kiel f. d. J. 4884/85. F. d. J. «885/86; Vcr-
zeichniss d. Vorles. Winter «884/85, Sommer «885, Winter «885/86
Sommer «886; Personal verz. Sommer «884, Winter «884/83. BUss,
Frdr., De Phaethontis Euripideoe fragmentis Claromontanis. Den '.
Die socialen Zustände Athens im 4. Jhd. v. Chr. Brockhaus, Friedr,,
Nikolaus Falck. Förster, Rieh,, De Polemonis Physiognomicis. Ders.\
Die klassische Philologie der Gegenwart. Ders., Lucian in der Re-
naissance. Klostermann, Äug,, Die Gottesfurcht als Hauptstück der
Weisheit. WaUz, Geo., Friedrich Christoph Dahlmann. Weyer, G
D. E.y Heinrich Ferdinand Scherk. — S9 Dissertationen v. J. «884''85
78 Dissert. v. J. «885/86. ' '
Ergebnisse der Beobachtungsstationen an den deutschen Küsten über die
physikalischen Eigenschaften der Ostsee u. Nordsee u. die Fischerei
Jahrg. «885, H. «— «t. Berlin «886.
Schriften der physikal .-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg. Jahre
26 («885). Königsbeng «886.
Vierteljahrsschrift der astronom. Gesellschaft. Jahrg. 20, H. 4. Jahrg. 2«
H. «—4. Leipzig «886.
Bomberg, H,, Genttherte Oerter der Fixsterne, von welchen in den Astronom.
Nachrichten Bd. 67 — ««2 selbständige Beol>achtungen angeführt
sind, für die Epoche «855 hergeleitet u. nach d. geraden Aufsteig,
geordnet. Publication der astronomischen Gesellschaft, XVIII.
Leipzig «886.
Sitzungsberichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Leipzig. Jahrg «I
(1884). «2 ;«885). Leipzig «885. 86.
Zeitschrift des Vereins ftir Lübeckische Geschichte u. Alterthumskunde
Bd. 5, H. «. Lübeck «886.
Jahresbericht u. Abhandlungen des Naturwissenschaftl. Vereins in Magde-
burg. «885. Magdeburg « 886.
Jahresbericht der Fürsten- u. LandesscbnIe Meissen vom Juli «885 — Juli
«886. Meissen «886.
Abhandlungen der historischen Cl. d. k. bayer. Akad. d. Wissensch, Bd. « 7
(in d. Reihe d. Denkschr. d. 58. Bd.), Abth. 3. München «886.
Abhandlungen d. philosoph.-philoiog. CL der k. bayer. Akad. d. Wissensch.
Bd. «7 ^in d. Reihe d. Denkschr. d. 59. Bd.), Abth. 8. München
«886.
Sitzungsberichte der mathem.-physikal. Cl. der k. bayer. Akad. d.Wiss.
EU München. Jahrg. «885, H. 4. Jahrg.«886, H. «. München «886. —
Inhaltsverzeichniss f. Jahrg. «87« — 85. München «886.
Sitzungsberichte der philos.-philol. u. histor. Cl. der k. bayer. Akad. d.
Wiss. zu München. Jahrg. «885, H. 4. Jahrg. «886, H. «. 2. Mün-
chen «886. — Inhaltsverzeichniss f. Jahrg. «87 «—85. München «886.
Siebenundzwanzigste Plenarversammlung der histor. Commission bei der k.
bayer. Akad. der Wissensch. Bericht des Secretariats. München
«886.
IX
Jahresbericht der naturhistorischeD Gesellschaft zu Nürnberg. 4885
(oebst AbhaDdlungen, Bd. 8, Bogen 3). Nürnberg 4886.
Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. Bd. 4, H. 2 (Jahrg. 4885).
— Mittheilungeo aus dem Germanischen Museum. Bd. 4 , H. 2
(Jahrg. 4885). — Katalog der im Germanischen Museum befindlichen
Gemälde. Nürnberg 4885.
Zeitschrift der historischen Gesellschaft für die Provinz Posen. Jahrg. 4,
H. 8. 4. Jahrg. 2, H. 4. 2. Posen 4 885. 86.
Publica tionen des Astrophysikalischen Observatoriums zu Potsdam.
Bd. 5. Potsdam 4886.
Württembergische Viertel jahrshefte für Landesgeschichte. Hsg. v. d. Kgl.
Statist. Landesamt. Jahrg. 8 (4885), H. 4 — 4. Stuttgart 4885. 86.
Jahrbücher des Nassauschen Vereins für Naturkunde. Jahrg. 38. 89.
V^iesbaden4885. 86.
Sitzungsberichte der physikal.-medicin. Gesellschaft in Würzburg.
Jahrg. 4885. Würzburg 4888.
Verbandlungen der physikal.-medicin. Gesellschaft in Würzburg. N. F.
Bd. 4 9. Würzburg 4 886.
Oesterreich-Üngarn.
Viestnik Hrvatskoga arkeologiikoga Druitva [Agram]. Godina VIII, Br.
4—4. U Zagrebu 4886.
•Glasnik Hrvatskoga naravoslovnoga Druitva. God. 4, Br. 4 — 3. U Zagrebu
4886.
Magyar tndom. Akad^miai Almanach, 4886-re. Budapest 4885.
A Magyar tudom. Akademie Emldkbesz6dek. Köt. 3, Sz. 4. 2. Budapest
4885.
A Magyar tudom. Akadämia Ert^sitöje. Evfoly. 4 9 (4885), Sz. 4. 2. Buda-
pest 4885.
A Magyar tudom. Akad^mia EvkOnyvei. Köt. 4 7, D. 4.2. Budapest 4888.84.
Väzlatok a Magyar tudom. Akadämia 4834—81. Budapest 4 884.
Mathematische u. naturwiss. Berichte aus Ungarn. Mit Unterstützung der
Ungar. Akad.d. Wissenscb. herausgeg. Bd. 2. 3. Budapest 4884. 85.
llDgarische Revue. Mit Unterst, d. Ungar. Akad. d. Wiss. herausgeg. 4 885,
H. 4—7. Budapest d. J.
Ertekezösek a nyelv-6s sz6p tudomanyok köröböl. Kiadja a Magyar tudom.
Akadömia. Köt. 42, Sz. 4—5. Budapest 4 884. 85.
Archaeologiai £rtesitö. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Uj folyam, Köt. 4 — 5,
4.2. Budapest 4884— 85.
Mathematikai €s termöszettudomänyi Ertesitö. Kiadja a Magyar tudom.
Akad Köt. 4. 2. 3, 4—5. Budapest 4 882—85.
Legtüneti Eszleletek. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Köt. 4. 2. Budapest
4866.84.
Nemzetgazdasägi 6s Statist. Evkönyv. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Ev-
folyam 4. 2. Budapest 4883. 84.
Mathematikai 63 termöszettudomänyi Közlemönyek. Kiadja a Magyar tudom.
Akad. Köt. 4 8. 49. Budapest 4 883. 84.
NyelvtudotDiinyi Közlem^nyek. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Köt. 18,
Füz. 4— 3. 49, i. Budapest 4883. 84.
Codex diplomaticus Hungaricus Andegavensis. T. 4. Budapest 4 884.
Monumeota comitialia regni Transsylvaniae. T. 4 0. Budapest 4884.
Monumente Hungariae juridico-bistorica. Corpus statutorum üungariae
municipalium. T^ 4. Budapest 4 885.
Nyelveml^ktär. R^gi magyar codexek. Kiadja a Magyar tudotn. Akad. Köt.
4 4. 4i. Budapest 4884.
Epistolae Pauli lingua hungarica donatae. Budapest 4883.
Az Jceresztyensegnec Fondamentomirol. 4562. Budapest 4 884.
Abel, J., A Bärtfai sz.-Egyed temploma Kdnyvtäränak tört^nete. Kiadja a
Magyar tudom. Akad. Budapest 4 885.
Lipp, K, A Keszthelyi sirmezök. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Budapest
4884.
Marczalif H., Magyarorszäg törtönete II. Jöszef koräban. Kiadja a Magyar
tudom. Akad. KOt. 2. Budapest 4 884.
P^ch, A., Also Magyarorszäg bänyamiveles^nek tört^nete. Kot. 4^ Kiadja a
Magyar tudom. Akad. Budapest 4 884.
Szahö, K., R6gi magyar könyvtär. Köt. 4. 2. Budapest 4879. 85.
Szilägyi, 5., Bethlen Gabor 6s a sväd diplomäczia. Budapest 4882.
Ssinnyei, 7., Hazai 6s külföldi folyöiratok Magyar tudomänyos Repertö-
riuma. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Osztöly I : Tört^nelem 6s se-
g6dtudomänyai. Köt. 2, 4. Budapest 4885.
V^csey, T., Aemilius Papinianus pälyäja.6s müvei. Kiadja a Magyar tudom.
Akad. Budapest 4 884.
Personalstand u. Ordnung d. öflentl. Vorlesungen an der k. k. Franz-Josefe-
üniversitttt zuCzernowitz im Sommer-Sem. 4886, Winter-Sem.
4 886/87.
Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschlchtsquellen. Herausgeg. vom
histor. Vereine für Steiermark. Jahrg. 2f. Graz 4 886.
Mittbeilungen des histor. Vereines für Steiermark. Heft 84^ Graz 4 886.
Abhandlungen der k. böhmischen Gesellschaft d. Wissenschaften. S.Folge»
Bd. 42, V. J. 4883/84. Jubelband. Prag 4885.
Jahresbericht der k. böhmischen Gesellschaft d. Wissenschaften, von 48S1
83. 84. 85. Prag d. J.
Sitzungsberichte der k. böhmischen Gesellschaft d. Wissenschaften. Jahrg.
4 882. 83. 84. Prag 4 883—85.
Wegner, G. , Generalregister zu d. Schriften der k. böhm. Gesellschaft d.
Wissenschaften 4784 — 1884. Prag 4884.
Die k. böhmische Gesellschaft d, Wissenschaften 4 784—4 884. Verzeichniss
der Mitglieder. Prag 4884.
Kalousek, /., Geschichte der k. böhm. Gesellschaft d. Wissenscb., sanimt
einer krit. Uebcrsicht ihrer Publikationen aus d. Bereiche d. Philo-
sophie, Geschichte u. Philologie. H. 4. 2. Präg 4884. 85.
Studnicka, F. J., Bericht über die malhemat. u. natura iss. Publikationen
der k. böhm. Gesellschaft d. Wissensch. während ihres hundert-
jährigen Bestandes. H. 4.2. Prag 4 884. 85.
Jahresbericht der Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag.
Vereinsj. 4 885/86 (37. Jahrg.;. Prag 1886.
XI
Magnelisohe and -meteorologische Beobachtungen an der k. k. Sternwarte
zu Prag im J. 4885. Jahrg. 46. Prag 4886. — Astronomische Beobach-
toiigen, entfa. Originalzeicbnungen des Mondea. Appendix zum 45.
Jahrg. Prag 4 886.
Personalstand der k. k. Deutschen Carl-Ferdinands-*Universitöt in Prog zu
Anfang d. Studienjahres 4 88iS — 87.
S8. Jahresbericht des Vereins f. Geschichte der Deutschen in Böhmen. Für
d. Vereinsjahr 4 884—85. Prag 4.885.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen.
Jahrg. 24, No. 4 --4. Prag 4 885. 86.
Bulletino di archeologia e storia dalmata. Anno 8 (4 885), No. 4 2. Anno &
(4886), No. 4— 44. Spalato4886.
Almanach der kaiserl. Akad.d. Wissenschaften in Wien. Jahrg. 35 (4 885).
36 (4886). Wien 4 885. 86.
Anzeiger der Kaiser!. Akad. d. Wissensch. in Wien. Math.-phvs. Gl. Jahrg.
22 (4885), No. 25—27. Jahrg. 23 (4886), No. 4—24.
Archiv für Österreich. Geschichte. Herausg. von der zur Pflege valerlönd.
Geschichte aufgestellten Commission der kaiserl. Akad. d.Wissensch.
Bd. 66, 4. u. 2. Hälfte. Bd. 67, 4. u. 2. Hälfte. Bd. 68, 4. Hfilfte.
Wien 4 884—86.
Denkschriften der kaiserl. Akad. d. Wissensch. Mathem.-naturw. Gl. Bd.
48—50. Wien 4 884. 85.
Denkschriften der kaiserl. Akad. d. Wissensch. Philos^-histor. Gl. Bd. 35.
Wien 4885.
Fontes rerum Austriacarom. Oesterreich. Geschichtsquellen, heraus;;, von
der histor. Gommission der kaiserl. Akad. d. Wissensch. Abth. U.
Diplomata et Acta. Bd. 44. Wien 4 885.
Monumenia conciliorom generalium geculi XV. Ediderunt Gaes. Academiae
scientiarum socii delegati. Goncilium Basileense. Scriptorum T. III,
P. 4 . Vindobonae 4 886.
Feierliche Sitzung der kaiserl. Akademie d. Wissensch. anlässlich dos
25jShrigen Jubiläums des Hohen Curatoriums am 4 0. März 4886.
Wien 4886.
Sitzungsberichte der kaiserl. Akad. d. Wiss. Mathem.-naturw. Gl. Bd. 89
(4884), Abth. III, Heft 3—5. Bd. 90 (4884), Abth. I, Heft 4—5.
Abth. II, Heft 4—5. Abth. HI, Heft 4—6. Bd. 94 (4885), Abth. I,
Heft 4—5. Abth. II, Heft 4—5. Abth. HI, Heft 4—5. Bd. 92 (4885),
Abth. I, Heft 4—5. Abth. II, Heft 4— 5. Abth. JU, Heft i— 5. Bd. 98
(48&6), Abth. I, Helft 4—8. Abth. II. Heft 4. 2. Wien 4884—86. —
Register XI, zu Bd. 86-^90. Wien 4 885.
Sitzungsberichte der kaiserl. Akad.d. Wissensch. Philos.-histor.Gl. Bd. 4 07
(4884), Heft 4. 2. Bd. 408 (4884), Heft 4. 2. Bd. 409 (4885), Heft 4. 2.
Bd. 440 (4885), Heft 4. 2. Bd. 444 (<885). Heft 4.2. Wien 4884—86.
— Register XI, zu Bd. 404—4 40. Wien 4886.
Mittbeilungen der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien. 4885. Bd. 28
(N.-F. iBd. 48). 'Wien 4885.
Verhandlungen der k. k. zoologisch- botanischen Gesellschaft in Wien.
Jahrg. 4885 (Bd. 85), II. Halbjahr. Jahrg. 4886 (Bd. 36), I. y. IL
Quartal. Wien 4886. — Geschäftsordnung der k. k/ zool.-botan. Ge-
sellschaft in Wien.
xn
Annalen des k. k. naturbistonschen Hofmuseums. Bd. 4, No. 4^4. Wieo
4886.
Abhandlungen der k. k. geologiscben Reichsanstalt. Bd. 42, No. 4— 3.
Wien 4886.
Jahrbuch d. k. k. geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 4885 (Bd. 35), No. 4.
Jahrg. 4886 (Bd. 36), No. 4—8. Wien 4885. 86.
Verhandlungen d. k. k. geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 4885, No.8— 48.
Jahrg. 4886, No. 4—42.
Belgien.
Annales de l'Acad^mie d^archöologie de BeUique. T. 88 (III. S^r. T. 8). 39.
40. Anvers 4882—86. — Bulletin (IV. S6r. des Annales), No. 4—7.
Anvers 4 885. 86.
Annales de la Soci6t6 entomologique de Belgique. T. 29, P. 2. Braxelles
4885.
Extrait des Annales de la Soci6td mödico-chirurgicale de Liöge. T. 24,
4 885. Compte-rendu des travaux de la Society pendant Tannäe 4885,
par Schiffers. Li^ge 4885.
Dänemark.
Oversigt over det Kong. Danske Videnskabernefi Selskabs Forhandlinger i
aaret 4885, No. 8. 4886. No. 4. 2. Kjebenhavn d. J.
Det Kong. Danske Videnskabernes Selskabs Skrifter. Naturvid. og matbe-
mat. Afd. 6. Rskke. Bd. 2, No. 8—4 4. Bd. 3, No. 2. 4. Bd. 4, No.
4.2. Kj0benhavn 4 885. 86.
Skrifter fra Reformationstiden. No. 2. Cbrysostomus , Oluf, Lameotatio
ecclesiae. Kirkens klagemaal. Paa ny udg. af H. F. Rerdam. Kjebeo-
havn 4886.
England.
Prooeedings.ofthe Cambridge Philosophical Society. Vol. 5, P. 5. Cam-
bridge 4 886.
The scientific Proceedings of the R. Dublin Society. N.Ser. Vol. 4, P. 7—9.
Vol. 5, P. 4. 2. Dublin 4885. 86.
The scientific Transactions of the R. Dublin Society. Ser. U. Vol. 3,
No. 7—40. Dublin 4885.
Journal of the R. Geological Society of Ireland. Vol. 46 (N. Ser. Vol. 6},
P. III. 4882—84. Vol. 47, P. I. 4 884/88. London etc. 4886.
Astronomical Observations made at the R. Observatory, Edinburgh.
Vol. XV, for 4 878 to 4 886, containing only the remainder of the Star
Catalogue, Discussion, and Ephemeris, for 4830 to 4890. By C.
Plazzi Smyth. Edinburgh 4886.
Proceedings of the R. Physical Society. Voh 9, P. 4 (Session 4885—86).
Edinburgh 4886.
Proceedings of the R. Institution of Great Britaln. Vol. XI, P« 2 (No. 79).
London 4886. — List of the members, 4885. London, July 4885.
Catalogue of the Greek coins in the British Museum. WrGthf W., Catalogue
of the Greek coins of Crete and the Aegean Islands. Edit. by R. St.
Poole. London 4886.
XIII
Proceedings of tbe R. Society of London. Vol. XXXIX, No. 140--44. Vol.
XU, No. 142—245. Vol. XLI, No. 246. 47. London 4886.
Philosophical Transactions of the R. Society of London. For the year 4 885.
Vol. 476, P. 4. 2. London 4886. *- The R. Society, 30. Nov. 4885
(List of tbe members).
Proceedings of tbe London Matbematical Society. Vol. 47, No. 253—274.
London 4886.
Journal of tbe R. Microscopical Society, containing its Transactions and
Proceedings. Ser. IL VoL 5, P. 6». Vol. 6, P. 4—6. London 4885. 86.
Observations of the International Polar Expeditions 14882— 83. Fort Rae.
London 48S6.
Report on the scientific results of the exploring voyage of H. M. S. Cbal-
lenger, 4878—76. Zoology, Vol. 4 4—4 6. London 4 886.
The Electrician. A weekly Journal of theoretic and applied electricity and
«hemical physics. Vol. 47, No. 3. London 4886.
Memoirs of the Literary and Philosophical Society of Manchester.
111. Ser. Vol. 8. London 4884.
Proceedings of tbe Literary and Philosophical Society of Manchester. Vol.
23 iSess. 4883/84). 24 (Sess. 4884/85). Manchester 4884. 85.
Frankreich.
M^moires de la Soci6t6 des sciences physiques et naturelles de Bordeaux.
III. Sorte. T. 2, Gab. 4. Avec Append. 4. 2. Paris 4884. 85.
Bulletin de la Sociötö des sciences de Nan c y (ancienne Soci^tä des sciences
naturelles de Strasbourg). Sör. II. T. 7, Fase. 4 8. Annöe 48 (4885).
Paris 4 886.
Travaux et M^moires du Bureau international des poids et inesures, publ.
sous l'autorit^ du Comit^ international. T. 5. Pa ris 4886.
Comitä international des poids et mesures. Proc^-verbaux des s^ances de
4884. 4885. Paris 4885. 86.
Journal de TEcole polytechnique, publ. p. le Conseil d'instruction de
cet ötablissement. Cah. 55. Paris 4 885.
Catalogue de la Bibliothäque de TEcole polytechnique. Paris 4884.
Institut de France. Cinquiäme centenaire de l'üniversitö de Heidelberg, le
2. aoüt 4886 (Discours prononce p. M. Jules Zeller). Paris 4 886.
Mission scientifique du Gap Hörn, 48S2— 83. T. 2. M6t6oroIogie, par J.
Lepbay. I'aris 4885.
Bulletin de la Soci6td mathömatique de France. T. 43, No. 6. T. 4 4»
No. 4—4. Pari$4885. 86.
Holland und Luxemburg.
Jaarboek van de Kon. Akad. v. Wetensch. gevestigd te Amsterdam»
voor 4884.
Register op den Gatalogus van de Boekerij der Kon. Akad. v. Wetensch.
gevestigd te Amsterdam. Amsterdam 4 885.
Verhandelingen d. Kon. Akad. v. Welenschappen. Afdeel. Letterkunde.
DeelXVi: Amsterdam 4886. — Afdeel. Natourkunde. Deel XXIV.
Amsterdam 4886.
xiy
Verslagon en Mededeelingen der Kon. Akad. v. Wetensch. Afdeel. L«tler-
kunde. III. Reeks^ Deel S. Amsterdam 4885. — Afdeel.Natuaitande.
III. Reeks, Deel 4. Amsterdam 4 885.
Venite ad me. Ad Vergiltum. De Alarico. Carmioa in certamlne poet. io-
dicto ab Acad. Reg. disciplinarum Neerlandica praemio et lande
ornata. Amstelod. 4885.
Annales de TEcoIe Polytechnique de Delft. T. 4 (4885), Livr. 8. 4. 4886,
Livr. 4. 2. Leide 4 885. 86.
Archives nöerlandaises des sciences exactes et naturelles, publites pir
la Soci6te HoUandaise des sciences ä Harlem. T. 20, Livr. 4. o.
T. 24, Livr. 4. Harlem 4 886.
Liste alphabötique de la correspondance de Cbristiaan Uuygens, qui sera
publice p. la Sociötö HoUandaise des sciences ä Harlem. Harlem
4886.
Archives du Mus^e Teyler. S6r. II. Vol. 2, P. 8. 4. Harlem 4885. 86.
Fondation Teyler. Catalogue de la biblioth^ue, dress6 p. C. Ekama. Livr.
4—4. Harlem 4 885. 86.
Handelingen en Mededeelingen van de Maatscbappg der Nederlandsche
Letterkunde te Leiden over bet jaar 4885. Leiden 4885.
Levensberigten der afgestorvene roedeleden van de Maatschappij der Neder-
landsche Letterkunde te Leiden. Bijlage tot de Handelingen van 4885.
Leiden 4 885.
Nederlandsch kruidkundig Archief. Verslagen en Mededeelingen der
Nederlandsche botanische Vereeniging. Ser. IL Deel- 4 , St. 3.
Nijmegen 4885.
Aanteekeningen van bet verhandelde in de seclie-vergaderingen van bet
Provinc. Utrechtsche Genootschap van kunsten en weteDSChappeo,
ter gelegenheid van de algem. vergaderingen gebenden d. 24. Juni
4884; d. 30. Juni 4885. Utrecht 4884. 85.
Questions mises au concours par la Sociötö des arts et des sciences
dtablieä Utrecht, 4886.
Verslag van bet verhandelde in de algem. vergader. van bet Provinc. Ut-
rechtsche Genootschap van kunsten en wetensch. , geboudeo d.
30. Juni 4885. Utrecht 4885.
Hubrecht, A. A. W. , Proeve eener ontwikkelingsgeschiedenis van Lineas
obscurus Barrois. Prijsverhandeling roet goud bekroond en uitg.
door bet Provinc. Utrechtsche Genootschap v. kunsten en welen-
scbappen. UtreQbt4885.
Bijdragen en Mededeelingen van bet Historisch Genootschap gevestigd te
Utrecht. Deel 9. UU'eGht4886.
Werken van bet Historisch Genootschap gevestigd te Utrecht. N.S. 40 — 4S.
Utrecht 4 885.
Recueil des m^moires et des travaux publiös par la Sociölö Botanique do
Grand-Duch6 de Luxembourg. No. 4 4 (4885 — 86). Luxembonrg
4886.
Italien.
Bollettino delle pubblicazioni italiane ricevute per diritto di stampa. 4886,
No. 4—23. Firenze 4886.
Bollettino delle opere moderne straniere aequistate dalle bibUoteche pub-
bliche governative del regno d'Italia. 4886, No. 4—4^ Roma'4886.
XV
Pubblicaziont del R. Istituto di studi superiori pratjci e di perfezionamentO'
in Firenze. Sezione di fiiosofia e filologla. MorosiyG., L'iavito di
Eadossia a Gensepico. Studio critico. Fireoze 4 882. Scaduto, Fr,,
Statd e cbiesa negli scritti politici 4 422—1347. Studio storico. Fi-
renze 4882. — Accademia Orientale. Nocentinif L., 11 primo sinologo
P. Matteo Ricci. Firenze 4882.
3Uemorie del R. Istituto Loröbardo di scienze e leltere. Classe di lettere
e scienze mor. e pol. Vol. 4 6 (Ser. III, Vol. 7), Fase. 8. Milano
4886. — Classe di scienze matem. e natural!. Vol. 45 (Ser. 111, Vol. 6),
Fase. 4. Milano 4 685.
Reale Istituto Lombarde di scienze e lettere. Rendiconti. Ser. II, Vol. 48.
Milano 4885.
Memorie della R. Accademia di scienze, lettere ed arti di Mode na. Ser. II.
Vol. 3. Modena 4 885.
Atti della Societä Toscana di scienze naturali residente in Pisa. Memorie,
Vol. 7. Pisa 4886.
Processi verbal! della Societä Toscana di scienze naturali residente in Pisa.
Vol. 5, adunanza del 45. Nov. 4 885, 4 6. Genn., 4 4. Marzo, 2. Maggie,
4. Luglio 4886.
Annuario della R. Accademia de' Lincei.' 4886. Roma 4886.
Atti della R. Accademia de' Lincei. Serie III. Memorie della Classe di scienze
fisiche, matemat. e naturali. Vol. 4 8. 4 9. Roma 4 884. — Memorie
della classe di scienze morali, storicfae e filologiche. Vol. 43. Roma
4984. — Serie IV. Memorie della Classe di scienze fisicbe, matemat.
e naturali. Vol. 2. Roma 4885. — Rendiconti. Vol. 4, Fase. 28.
VoL 2, Fase. 4 — 4 4. IL Sem., Fase 4— 9. Roma 4886.
Bullettino dell' Instituto di corrispondenza archeologica per l'anno 4885,
No. 42 [und Elenco de' participanti alla fine dell' anno 4 885). Roma
4883.
Mittbeilungen des Kais. Deutseben ArchaeoloRischen Instituts. Römische
Abtbeilan^ (Bullettino deir Imp Istituto Archeologico Germaoico.
. Sezione Romana}. Bd. 4, H. 4 — 3. Rom 4 886.
Alti della R. Accademia delle scienze di Torino. Vol. XXI, Divp. 4—7.
Torino 4886.
• • •
Memorie della R. Accademia delle scienze di Torino. Ser. II, T. 37.
Torino 4 886.
BoUettino meteorologico ed astronomico dell' Osservatorio della R. Univer-
Sita di TorioQ.. Anno 20 (4 886) .■ Parte meteorologica. Torino 4886.
Temi di premio proclamati dal R. Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti
• nella solenne adunanza del 4 5. Agosto 4886. Venezia 4886.
Russland.
Bidrag tili kännedom af Finlands natur och folk, utg. af Fioska Vetenskaps-
SocieL Haftet 43. Helsingfors 4886.
Öfverslgt af Finska Veteoskaps-Societetens Förhandlingar. XXVII (4 884—85).
Helsingfors 4885.
Exploration internationale des rögions polaires, 4882/83 et 4883/84. Expe-
dition polaire finlandäise. T. L Mätöorologre. Observations faites
aux Bte(tions de Sodankylä et de KuUala p. S. Lemström etE. Biese.
Helsingfors 4886.
XTI
Universitetskija Izvestija. God S5 (4885), No. 40—42. God 26 (4886), No.
4—9. Kiev4886. 86.
Annales de robservatoire de Moscou, publ. p. Tb. Bredichin. IL S^rie.
T. 4, Livr. 4. Moscou 4886.
Bulletin de la Sociötd Impör. des Naturalistes de Moscou. T. 60 (Ano^
4884), No. 4. T. 64 (Ann6e 4885), No. 8. 4. T. 6i (Annöe 4886),
No. 4—3. Moscou 4885. 86.
Nouveaux .Mömoires de la Soci^tö Impör. des Naturalistes de Moscou. T.XV
(s= T. XXI de la collection), Livr. 4—3. Moscou 4884. 85.
Meteorologiscbe Beobachtungen, ausgeführt am Meteorol. Observatonam
d. Landwirthschaftlicben Academie zu Moskau von B. E. Bacbme«
tiefr. 4885, 3. Hälfte (Beilage z. Bulletin de la Soc. Imp. des Natural,
de Moscou, T. 64). Moscou 4886.
Bulletin de l'Acadämie Imperiale des sciences de St.-P6tersbourg.
T. XXX, No. 3. 4. T. XXXI, No. 4. 8. St.-P^tersbourg 4886.
Mömoires de TAcadömie Imperiale des sciences de St.-P6tersbourg.
VILS^rie. T.38,No.4— 8. T.84, No.4— 6. St. -P^tersbourg 4885.86.
Repertorium für Meteorologie, hsg. v. d. kais. Akademie d. Wissenscb.,
redig. v. H. Wild. Bd. 9. St. Petersburg 4885.
Annalen d. physikalischen Centralobservatoriums , herausg. von H.Wild.
Jahrg. 4 884, Th. 4. S. St. Petersburg 4885.
Acta Horti Petropolitani. T. 8, Fase. 2. 3. T. 9, Fase. 4. Pelropoli 4883.84.
Catalogus systematicus bibliothecae Horti Imper. bolanici Petropolitani.
. Editio nova, cur. Ferd. ab Herder. Petropoli 4886.
Jahresbericht am 25. Mai 4886 dem Comitö der Nicolai-Hauptstemwarte
abgestattet vom Director der Sternwarte. Aus d. Rusa. übersetzt.
St. Petersburg 4 886.
Trudy S.-Peterburgskago Obacestva estestvoispytatelej. T. 45, 2. 46, 1. 2.
St. Peterburg 4884—85.
Juridioeskaja Btbliografija izdav. Jurid. Fakultetom Imp. £. Peterburgskaga
Universileta. God 4 (4 884), No. 2. 8. God 2 (4 885), No. 4—6. S. Pe-
terburg 4884. 85.
Protokoly zas^danij soveta Imperat. S.-Peterburgskago Universiteta. No.
29—32. S. Peterburg 4 884. 85.
Zapiski Istoriko-philologiceskago Fakulteta Imp. S.-Peterburgskago Uni-
versiteta. aast 45. St. Petersburg 4885.
Eßmov , K. V. , Ocerki po istorii drevne-rimskago rodstva i naslMovaoija.
S. Peter bürg 4 885. — Eksner, S,, Rukovodstvo k mikroskop. izl^o-
vaniju zivotnych tkanej. S. Peterburg 4875. — MereÜeovsk^, K, S.,
Materialy k poznaniju zivotnych pigmentov. S. Peterburg 4888. —
Nikolskij, D. , 0 vydaci prestupnikov po naialam meSdunarodnago
prava. S. Peterburg 4884. — Timiryaxev, /., Ob usvoenil sv^ta raste-
niem. I. Kritika i melod. S. Peterburg 4 875. — ZHinsk^\ Th,, 0 do-
rijskom i ionijskom stiljach v drevnej atti^eskoj komedii. S. Peter-
barg 4 885.
Correspondenzblatt des Naturforscher- Vereins zu Riga. Jahrg. 29. Riga
4 886.
Schweden und Norwegen.
Bergeus Museum. Nansen, Fr., Bidrag til Myzostomernes anatomi og histo-
logi. Bergen 4885.
XVII
Forhandlinger i Videoskabs-Selskabet i Christi ania. Aar 1885 u. 1885,
No. 2. 4. 9. 14— -S3. Cbristiaoia 1886.
Den Norske Nordhavs-Expedition 1876 — 78, XV. Zoologi. Sars, G. 0.,
Cnistaceall. XVI. Zoologi. Friele, H., Mollusca II. Christiania 1886.
Acta Universitatis Lundeosis. Lunds UniversitetsÄrs-Skrift. T. 21 (1884 —
85), I— III. Lund. d. J.
Lands Üniversitets-Biblioteks Accessions-Katalog. 4885. Lund 4886.
Kongl. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademieos Manadsblad. Arg. 14
(1885). Stockholm 1885— 86.
Entomologisk Tidskrift, pä fOranstaltende af Entonoologiska Föreningen
i Stockholm utg. af Jac. Spängberg. Irg. 6 (1885), H. 1 — 4. Stock-
holm 4885.
Tromse Museums Aarshefler. 9. Tromse 1886. — Troms« Museums
Aarsberetning for 1885. Troms0 4886.
Nova Acta Reg. Societatis scieotiarum Upsa Mensis. Ser. III. Vol. XIII,
Fase. 1 . Upsaliae 4 886.
Bulletin m^töorologique mensuel de l'Observatoire de Tüni versitz d'Upsal.
VoL 47 (4885). Cpsal 4884—85.
Schweiz.
Neue Denkschriften d. allgem. Schweizerischen Gesellschaft für die ge-
sammten Naturwissenschaften. Bd 29, Abth. 2. Basel 1885.
Beiträge zur vaterländ. Geschichte. Hrsg. v. d. Historischen u. Antiqua-
rischen Gesellschaft in Basel. N.F. Bd. 2 (der ganzen Reihe 12. Bd.),
H. 2. 3. Basel 1886. 87.
Mittheilungen der Historischen u. Antiquarischen Gesellschaft zu Basel.
N. F. Bd. 3 {Burckhardt, A., u. R, Wackemagel, Das Rathaus zu
Basel). Basel 1886.
Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. Tb. 8, H. 1.
Basel 1886.
Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern aus d. J. 1885,
H. 2. (No. 4 419—32). Bern 1885.
Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündens. N. F. Jahrg.
29 (Vereinsjahr 1884/85). Chur4886.
Vierteljahrsschrift d. naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Jahrg. 30.
31. Zürich 1885. 86.
Spanien.
Discursos leidos ante la Real Academia de ciencias morales y politicas en
la recepcion publica de A. Groizard y Gömez de la Serna 1885.
Franc. Gömez Salazar 1885. Franc. Romero y Robledo 1886. Conde
deTorreänaz 1886. Servando Ruiz Gömez 1886. Madrid 1885. 86.
Real Academia de ciencias morales y politicas. Ano de 1886. Madrid d. J.
Real Academia de ciencias morales y politicas. Resümen de sus actas y dis-
cursos leidos en la Junta publ. 27. die. 1885. Madrid 1885.
Reglamento ititerior de la Real Academia de ciencias morales y politicas.
Madrid 1885.
Aller, D. E. , Las huelgas de los obreres. Memoria premiada con accessii
per la R. Academia de ciencias mor. y pol. Madrid 1886.
2
XVIII
Danvila y Colkido, M., El poder civil en Espana. Memoria premiada por 1»
R. Acad. de cieoc. mor. y pol. T. 4 — 5. Madrid 4 885. 86. — Pi-
zarro, G., EI Ausenteismo eo Espana. Memoria premiada por h R.
Acad. de cienc. mor. y pol. Madrid 4 886. — Hodriganez, C, La vida
del campo. Memoria premiada por la R. Acad. de cienc. mor. y poi.
Madrid 4 886.
Anales del Institute y Observatorio de roarina de San Fernando, pabl.
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San Fernando 4885.
Nordamerika.
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ciation held in New Haven, Conn.. July 4885. Cambridge 4 886.
Proceedings of the American Oriental Socieiy> at New York, Oct. 4S85 ; at
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No. 52. 58. Baltimore 4885. 86.
American Journal of Mathematics pure and applied. Publ. under the
auspices of the Johns Hopkins üniversity. Voi.VUI, No. 2 — 4. Vol. IX,
No. 4. Baltimore 4 886.
Johns Hopkins Üniversity Studies in historical and political science.
IV. Ser.,.!— 42. Baltimore 4 886.
Memoirs of tbe American Academy of arts and sciences [Boston]. N. S.
Vol. 4 4 (Centennial Volume), P. 8, N. 2. 3. P. 4, No. 4. Cambridge
4886.
Proceedings of the American Academy of arts and sciences. N. S. Vol. XIII
(WholeSer. VoI.XXI), P. 4. 2. From May 4 885 to May 4 886. Selected
from tbe Records. Boston 4 886.
Memoirs of the Boston Society of Natural History, Vol. III, No. 41 — 43.
Boston 4 885. 86.
Proceedings of the Boston Society of Natural History. Vol. XXII, P. 4 (Od.—
Dec. 4883). Vol. XXUI, P. 4 (Jan.— March 4884j. 2 {March 4884-
Febr. 4886). Boston 4 886.
Bulletin of the Buffalo Society of Natural Sciences. Vol. V, No. 4. Bof-
falo 4886.
Bulletin of the Museum of comparative Zoölogy, at Harvard College, Cam-
bridge, Mass. Vol. XII, No. 3—6. XIII, No. 4. Cambridge, Mass.
4 886.
Memoirs of the Museum of comparative Zoölogy, at Harvard College. Cam-
bridge, Mass. Vol. X, No. 2. Cambridge, Mass. 4885.
Annual Report of the Curator of the Museum of comparative Zoölogy, at
Harvard College, Cambridge, Mass., for 4885/86. Cambridge, Mass.
4886.
Annual Report of the Geological Survey of Pennsylvania for 4885. Witb
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Second Geological Survey of Pennsylvania. Grand Atlas. Division I, 4. II,
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XIX
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bistory Society of Montreal and replacing the Canadian Naturalist.
VoL 2, No. I-— 4. Montreal 1886.
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Haven1885). For the year 1885—86. (New Haven 1886.)
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Transactions of the New York Academy of sciences. Vol. III (1883—84).
Vol. V, No. 2—6. New York 1883. 86.
Bulletin of the American Geographical Society. 1882, No. 6. 1883, No. 7.
1884, No. 5. 1885, No. 2. 3. 1886, No. 1. New York 1886.
Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadelphia. 1886,
P. 3 (Aug.— Dec). 1886, P. 1 (Jan.— March). 2 (April— Sept.). Phila-
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for promoting useful knowledge. Vol. XXII, No. 120. Vol. XXllI,
No. 121—123. Philadelphia 1885. 86.
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Memoirs of the Peabody Academy of science. Vol. 2. Salem, Mass. 1886.
18^^ Aonual Report of the Trustees of the Peabody Academy of sciences.
Salem 1886.
Büllelin of the California Academy of sciences. No. 4. San Francisco
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de 1887 (Ano VlI). Mexico 1886.
Proceedings of the Canadian Institute, Toronto, being a continuation of
the Canadian Journal of science, literature and history. III. Ser.
Vol. 3, Fase. 3. 4. Vol. 4, Fase. 1. Toronto 1886.
Memoirs of the National Academy of sciences. Vol. 3, P.1. 1884. Washing-
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National Academy of sciences. Proceedings. Vol. 1, P. 2. Washington 1884.
Report of the National Academy of sciences for the year 1S83. 1884.
Washington 1884. 85.
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1884.
Annual Report of the ComptroIIer of the Currency to the first Session of the
forty-ninth Congress of the U. S., Dec. 1, 1885. Washington 1885.
Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Institution for
the year 1884. Washington 1885.
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meteorological Observations Vol. 28). Year 1882 (Wash. Astron. and
met. Observ. Vol. 29). Washington 1883.
2»
XX
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ü. S. Naval Observatory, Washington, by E. Frisby, 4885.
Observations of the first contact of the Partial Solar Eclipse of March 4 5 —
46, 4 885, made at the U. S. Naval Observatory, Washington.
Programme of work to be pursued at the U. S. Naval Observatory at
Washington during the year 4885. 4886.
Report of the Superintendent of the U. S. Naval Observatory for the year
endtng June 80, 4885. Washington 4885.
Professional Papers of Ihe Signal Service, U. S. War Department. No. 46.
48. Washington 4885.
Annual Report of ihe Chief Signa 1-0 fficer to the Secretary of war for the
year 4 884. Washington 4 884.
Report of the Superintendent of the U. S. Coast and Geodetic Survey,
showing the progress of the work during the fiscal year ending with
June 4884. P. 4. 2. Washington 4885.
Bulletin of the U. S. Geological Survey. No. 7-— 29. Washington 4884—86.
Monographs of the U. S. Geological Survey. Vol. IX. Washington 4885.
Fourth Annual Report of the U. S. Geological Survey to the Secretary of
the Interior 4882—83, by J.W.Powell. Fiflh Annual Report, 4883—
84. Washington 4 884. 85.
U. S. Geological Survey. Mineral Resources of the United States. Calendar
years 4 883 and 4 884. By Alb. Williams. Washington 4 885.
Report of the International Polar Expedition to Point Barrow, Alaska.
Washington 4 885.
Südamerika.
Annales de la Sociedad cientifica Argentina. T. 24, Entrega 4 — 6. T. 22,
Entr. 4 — 4. Buenos Aires 4886.
Actas de la Academia nacional de ciencias en Cördoba. T. V, Entrega 2.
Buenos Aires 4884.
Boletin de la Acadömia nacional de ciencias de la Republica Argentina.
T. VIII, Entrega 2>-4. Buenos Aires 4885.
Verhandlungen des deutschen wissenschaftlichen Vereins zu Santiago.
H. 2. 3. Valparaiso 4886.
Asien.
Notulen van de algemeene en bestuurs-vergaderingen van het Bataviaasch
Genootschap van kunsten en wetenschappen. Deel 28 (f885), No.
2—4. Deel 24 (4886), No. 4. Batavia 4885. 86.
Tijdschrift voor Indische taal-, land- en volkenkunde, uitge^. door hct
Bataviaasch Genootschap van kunsten en wetenschappen. Deel 30,
Afl. 5. 6. Deel 34, Afl. 4 en 2 (Eerste Helft). Batavia 4 885. 86.
Nederlandsch-Indisch Plakaatboek 4602—4844, door LH. van der Chijs.
Uitgeg. d. het Bataviaasch Genootschap van kunsten en weten-
schappen. Deel 2. 3. Batavia, 's Hage 4886.
Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch-Indiö, uitgeg. d. de Kon.
Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch-Indi^. Deel 45 (VIU. Ser.,
D. 6). Batavia 4 886.
XXI
Verbeekf R. D. M., Krakatau. P. II. Pabl. p^ ordre de son Exe. le Gouver-
neur-G6n6raI des Indes N^erlandaises. Batavia 4886. — Album,
coateoant 25 planches chromolith. Bruxelles (1886}. — Cartes,
plans. Bruxelles (4886).
Boletin de la R. Sociedad Econömica de amigos del pais. Revista Filipioa
de ciencias y artes. Ano 4 (1885), No. 4. 5. Manila 4885.
Journal of the China Brauch of tbe R. Asiatic Society, for the year 4 884.
N. Ser. Vol. 49, P. 2. Shanghai 4886.
Australien.
Journal and Proceedings of the R. Society of New South Wales. Vol. 46
(4882). Sydney 4883.
2. Einzelne Schriften.
Ashburner, CA., The geology of natural gas in Pennsylvania and New York
(S.A.). o. 0. 4 885.
The product and exhaustion of the oil regions of Pennsylvania and
New York (S. A.). o. 0. 4 885.
Blasius, W., Beiträge zur Vogelfauna von Celebes. I. II (S.A.). Budapest
4 885. 86.
' Die Raubvögel von Cochabamba (S. A.). Wien 4 884.
Osteologische Studien (Messungs- Metboden an Vogel -Skeletten).
(S. A.). o. 0. 4885.
Ueber die neuesten Ergebnisse von H. Grabowsky's Forschungen in
Süd-Ost-Borneo (S. A.). Naumburg 4 884.
üeber einen vermuthlich neuen Vogel von Bolivia (S. A,). o. 0. 4884.
Ueber einige Vögel von Cochabamba in Bolivien (S. A.). o. 0. 4885.
Ueber Vogel-Brustbeine (S. A.). o. 0. 4884.
Borch, Leopold Frhr, i;.. Zur Absetzung des Königs der Deutschen. Inns-
bruck 4886.
€asUUo, A. del, y M. Bdrcena, El hombre del Penon. Noticia sobre el hal-
lazgo de un hombre prehistörico en el valle de Mexico. Mexico 4 885.
Dante AUghieri, La Commedia. Col commento inedito di Stefano Talice da
Ricaldone. Pubbl. p. c. di F. Promis e di C. Negroni. Torino 4886.
Darbotix, G., Sur le mouvement d'un corps pesant de r^volution, fix6 par
un point de son axe (Extrait du Journal.de mathäm. pures et appli-
quöes). Paris 4 885.
Hermite, Ch,, Sur quelques applications des fonctions elliptiques. Fase. 4.
Paris 4 885.
Sur une application de la th6orie des fonctions doublement p6rio-
diques de seconde esp^ce (Extr. des Annales de l'Ecole normale su-
pärieure). Paris 4 885.
Huergo, L, A., Examen de la propuesta y proyecto del puerto del Sr. D.
Ed. Madero. P. 4. 2. Buenos Aires 4886.
Die neu entdeckte Schrift »Lehre der zwölf Apostel an die Völker«. Deutsch
herausg. u. in Kürze erklärt v. G. Volkmar, 2. Aufl. Zürich 4885.
XXII
Löffelholz von Colberg, C. Frhr., Die Drehung der Erdkruste. Eine neae
geologisch-astronomiscbe Hypothese. München 4886.
LukaieviCf Plat., Izloienie glavnych zakonov estestvennoj i nabljudatelno-
mikroskopi^eskoj astronomii a takie astronomiceskoj meteorologü.
T. 1. 3. Kiev 4884. 85.
Malortiet Ernst v., Nachtrag zu den Historischen Nachrichten der Familie
von Malortie. 4872 — 1886. Hannover 4886.
Morse, E. S., Ancient and modern methods of arrow-reiease (S. A.). o. 0.
4885.
Mühry, A,, Ueber den kosmischen Dualismus (S. A.]. Cassel 4886.
Die Process-Ordnung für Böhmen v. 23. Jan. 4753. Herausg. von Jf. Frir.
V, Maashurg. Wien 4886.
Polycarpi Smyrnaei Epistula genuina. Rec. G. Volkmar, Zürich 4885.
Prusik, Fr,, äeskö glossy latinsköho rukopisu Roudnicköho z XV. stoleti.
vPraze (4886).
Weihrauch, K,, Ueber die Berechnung meteorologischer Jahresmittel (S.A.).
Dorpat 4886.
Ueber Pendelbewegung bei ablenkenden Kräften, nebst Anwendang
auf das Foucault'sche Pendel (S. A.). München 4886.
Ueber die dynamischen Centra des Rotations-Ellipsoids, mit Anwen-
dung auf die Erde (S. A.). Moskau 4886.
Willems, P,, Les 61ections municipales ä Pompäi. Bruxelles 4 886.
Winkler, Clem., Mitlheilungen über das Germanium (S. A.). Leipzig 4 886.
INHALT.
Beiia
HuUsch, Über eine Sammlnng von Scbolien znr Sphärik
des TheodosioB u. b. w 119
Fleischer j Studien über Dozy's Supplement aux diction-
naires arabes, VI 156
von der Qabelentz, Über Hans Conon von der Gabelentz . 217
Windisch, Etyniologiscbe Beiträge 242
Drnclc ron Breitkopf k H&rt«l in Leipsig.
BERICHTE
1JBBK DIE
VERHANDLUNGEN
DER KÖNIGLICH SÄCHSISCHEN
GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN
zu LEIPZIG.
PHILOLOGISCH - HISTORISCHE CLASSE.
NEUNUNDDREISSIGSTER BAND
J887.
MIT FÜNF TAFELN.
LEIPZIG
BEI S. HIRZEL.
INHALT.
Seite
Creizenach, Studien zur Geschichte der dramatischen Poesie im
47. Jahrhundert. 11 4
Zarncke, Weitere Mittheilungen über Christian Reuter, den Ver-
fasser des Schelmuffsky 4^
Köhler, Herders Legenden »Die evge Weisheit« und »Der Friedens-
stifter« und ihre Quellen 105
Schnippel-Zarncke, Über das Runenschwert des Königlichen
Historischen Museums in Dresden. Mit 3 Tafeln 4t5
Fleischer, Studien über Doz>'s Supplement aux dictionnaires
arabes. Vn 471
B ö h 1 1 i n g k , Bemerkenswerthes aus Rdmdjana, ed. Bomb. Adhj. I — IV. 24 3
Ratzel, Die geographische Verbreitung des Bogens und der Pfeile
in Afrika. Mit 4 Tafel 233
Zarncke, Weitere Mittheilungen zu den Schriften Christian Reuter's 253
Lipsius, Nachtrag zu den Bemerkungen über die dramatische
Choregie. Mit 4 Tafel 278
Zarncke, Zum Annoliede 283
Zarncke, Christian Reuter als Passionsdichter 306
Wachsmuth, Neue Beiträge zur Topographie von Athen .... 369
Fleischer, Eine Stimme aus dem Morgenlande über Dozy's Supple-
ment aux dictionnaires arabes 406
V. d. Gabelentz, Über das taoistische Werk W6n-tsi 434
Btthtlingk, Nachtrag zu der S. 227 fgg. besprochenen Inschrift . 443
JUN 15 la;/
BERICHTE
ÜBER DIE
VERHANDLUNGEN
DER KÖNI6UCH SACHSISCHEN
GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN
ZU LEIPZIG.
PHILOLOGISCH-HISTORISCHE CLASSE.
18S7.
i.
y 1 V LEIPZIG
BEI S. HIRZEL.
1887.
» ß
/ \'UN 15 1837
SITZUNG AM 12. FEBRUAR 1887.
Herr Zarncke legte den zweiten Beitrag der Studien zur Ge-
schichte der dramatischen Poesie im siebzehnten Jahrhundert des
Hrn. Prof. W. Creizenach in Krakau vor. Vergl. Jahrg. 1886.
S. 93 fg.
IL Die Tragödie »Der bestrafte Brudermord oder Prinz Hamlet
aus Dänemark« nnd ihre Bedeutung für die Kritik des Shake-
speare^schen Hamlet.
Die erste ausführlichere Mittheilung über das deutsche
Drama, von welchem die folgenden Blatter handeln sollen,
stammt von dem Bibliothekar H. A. 0. Reichard in Gotha (4754
— 4 828) . Derselbe hat im Jahrgang 4 779 seines Theaterkalen-
ders S. 47 ff. in einem Aufsatz u. d.T. »Erster deutscher Hamlet,
im Auszug« eine ausführliche Inhaltsangabe nebst Proben ver-
öffentlicht. Er sagt bei dieser Gelegenheit, er habe den deutschen
Hamlet »aus Eckhofs Handschriften noch bey seinen Lebzeiten
[Ekhof starb in Gotha am 4 6. Juni 4778] erhalten, wo er mit
vielen andern Manuscripten des entferntesten Zeitalters unseres
Schauspiels verwahrt lag.« Weiter sagt er: »Die Abschrift, nach
der ich arbeite, ist Pretz*) den 27. Oktober 4740 unterschrie-
ben, das Original aber kann man füglich noch ein Dutzend Jahre
weiter hinaussetzena.
Was inzwischen aus der Handschrift geworden ist, vermag
ich nicht anzugeben. In der herzoglichen Bibliothek zu Gotha
befindet sie sich nicht; auch unter den Papieren Reichard's
ist sie nach gütiger Mittheilung des Herrn Majors von Goch-
hausen in Gotha, eines Enkels Beichard's, nicht mehr vor-
4) Vennath]ich entweder Preetz in Holstein oder Pretzsch in der Pro-
vinz Sachsen.
1887. 4
banden *j. Möglicherweise ist die Handschrift aus dem Nachlass
von Ekhofs Schwiegervater Spiegelberg, der in den ersten
Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts Prinzipal einer wandernden
Schauspielertruppe war, in den Besitz des Schwiegersohnes ttber-
gegangen. Da die Spiegelberg-Denner^sche Familie sich im Jahre
4740 als selbständige Bande von der Velten'schen Gesellschaft
abzweigte, und da die Handschrift die Jahreszahl 4710 trug,
so ist es sehr wohl möglich, dass sie für die Bibliothek der neu-
gegrUndeten Truppe angefertigt wurde. Die Angabe Reichards,
dass man das Original «fttglich noch ein Dutzend Jahre weiter
hinaussetzen« könne , ist ohne jede nähere Begründung vorge-
tragen , und es ist auch , wie sich aus dem Folgenden ergeben
wird, auf diese Angabe weiter kein Gewicht zu legen. Übrigens
hat es Reichard nicht bei den Mittheilungen im Theaterkalender
bewenden lassen ; zwei Jahre später hat er in der von ihm her-
ausgegebenen Zeitschrift »OUa potrida« (4784 Th. II S. 48—68)
das ganze zum Abdruck gebracht, ohne zu dem, was er früher
schon über die Provenienz bemerkt hatte, noch etwas näheres
hinzuzufügen. In welchen literarhistorischen Zusammenhang
dieser deutsche Hamlet zu stellen sei, darüber vermochte Rei-
chard natürlich nichts anzugeben, er sagt bloss im Theater-
kalender: »Wenn auch nicht die Mittheilung solcher Auszüge
schon durch das Licht und den Fingerzeig wichtig würden, den
sie über den Ton, die Sitte und den Geschmack der Schauspie-
ler und des Publicums dieser ersten theatralischen Epoche
durch die Schlüsse verbreiten , die sich daraus folgern lassen ;
80 würde mich doch schon der Gedanke zu seiner Einrückung
bewogen haben, dass er nie willkommener als zu einer Zeit sevü
kann, wo Hamlet in Deutschland so berüchtigt ist und wo seine
Gegeneinanderhaltung mit der Schröder'schen Verdeutschung
nothwendig den Lesern viel Vergnügen verursachen muss«, und
am Schluss seiner Inhaltsangabe fügt er hinzu : jßo sah es vor
80 Jahren mit dem Geschmack der deutschen Bahnen und der
deutschen Parterren ausi«
Es war in der That zur Zeit von Reichard's Publicationen
noch nicht möglich, eine Erklärung zu finden für den uuleug-
i; Reichard's Selbstbiographie, herausg. von Hermann Uhde, Slattgart
4 877, giebt gleichfalls keine Auskunft.
baren Zusammenhang zwischen Shakespeare und einem deut-
schen Drama aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, also aus
einer Epoche, in welcher man sich sonst in Deutschland um
Shakespeare gar nicht kümmerte.
Eine richtige Würdigung dieser auffallenden Thatsache
konnte natürlich erst eintreten , nachdem sich in neuerer Zeit
die Aufmerksamkeit der Literarhistoriker den Wanderungen der
englischen Comödianten zu Ende des 16. und Anfang des 17.
Jahrhunderts zugewendet hatte. Alsdann war es leicht zu er-
kennen, dass der deutsche Hamlet von 1740 aus einem Reper-
toirestück der englischen Comödianten hervorgegangen sein
müsse und dass die Unterschiede von dem Stil der englischen
Gomödien, die im Jahre 1620 in deutscher Bearbeitung im Druck
erschienen, dadurch zu erklären seieU; dass eben das Stück sich
von einer Truppe zur andern fortpflanzte und dabei im Lauf ei-
nes Jahrhunderts mannigfachen Umgestaltungen unterlag. Dass
in der That die englischen Comödianten in Deutschland einen
Hamlet auf ihrem Repertoire hatten, ergab sich aus einem hand-
schriftlichen Yerzeichniss der Aufführungen der ))Engelender((
in Dresden im Jahr 1626. Dort heisst es u. a. : »Junius 24 — Ist
eine Tragoedia von Hamlet einen printzen in Dennemarck ge-
spielt worden«*). Cohn hat daher in seinem Werke »Shakespeare
1) Vergl. Fürsienau, Gesch. d. Musik und des Theaters in Dresden,
Bd. 1, Dresden 4 861, S. 96 und das unten citirte Werk von Cohn, S. CXV.
— Elise Mentzel in ihrer Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt a. M.,
Frankfurt a. M. 1882, S. 65, sagt, dass Adam Gottfried Uhlich in einer AD-
imndlung »Über die deutsche Schaubühne« von einem leider verlorenen An-
schlagezettel spreche, auf welchem englische Comödianten ungefähr 4 628
oder 4 630 in Frankfurt als Abschiedsspiel eine in hochdeutscher Sprache
gegebene Vorstellung des Hamlet ohne Angabe des Verfassers angezeigt
haben sollen. Dieser Aufsatz Uhlichs ist mir unbekannt und auch die Ver-
fasserin sagt nichts darüber, wo sie denselben gefunden hat und an welcher
Stelle sich die Angabe über die Hamlet- Aufführung befindet. Ferner be-
richtet sie S. 420 nach den Mittheilungen einer ungenannten dritten Person,
dass sich »noch vor 4 0 Jahrenn im Besitz eines inzwischen verstorbenen
Sammlers drei Theaterzettel der bekannten Velten'schen Schauspielertruppe
aas dem Jahre 4 686 befunden hätten. Einer dieser Zettel habe die Ankün-
digung eines Dramas: »Der bestrafte Brudermord oder Prinz Hamlet aus
Dänemark« enthalten. Die Zettel aber seien nach dem Tode jenes Samm-
lers spurlos verschwunden. Demnach wöre also der deutsche Hamlet da-
mals genau unter demselben Titel und vermuthlich auch in derselben Fas-
sung aufgeführt worden wie er in der Handschrift von 4 74 0 vorliegt. E*
4*
in Germanya *) dem deutschen Hamlet mit Recht eine ganz be-
sondere Beachtung zu Theil werden lassen; er hat ihn S. 244 ff.
zum Abdruck gebracht und eine englische Übersetzung von Miss
Archer beigefügt. Ebenso hat Furness in seinem grossen Ya-
riorum Hamlet^} Bd. H S. 4SI ff. eine von ihm selber angefer-
tigte wörtliche Obersetzung mitgetheilt. Prutz in seiner Ge-
schichte des deutschen Theaters 3] und Gen^e in seiner Gesdiichte
der Shakespeare'schen Dramen in Deutschland ^) brachten aus-
führliche Mittheilungen und Auszüge.
Durch alle diese Publicationen wurde die Aufmerksamkeit
der Shakespeareforscher auf unser Drama gelenkt und man hat
schon mehrmals versucht , die deutsche Bearbeitung zur Auf-
hellung der mancherlei schwierigen Punkte in der Geschichte
und Kritik des Shakespeare'schen Hamlet zu verwerthen. Es
ist bekannt^ dass die Quartausgabe von 4604 — auf den folgen-
den Blättern als B bezeichnet — im wesentlichen den gangba-
ren Text des Hamlet enthält^}, dass aber neben dieser Aus-
gabe in unserm Jahrhundert noch eine frühere Quarte von 4603
— auf den folgenden Blattern als A bezeichnet — entdeckt
wurde, welche nicht nur im Wortlaut, sondern auch tbeilweise
in der Beihenfolge der Scenen von dem gangbaren Text ab-
weicht, eine ganze Scene enthält, die wir dort nicht finden und
auch stellenweise den Charakter der auftretenden Personen,
namentlich den Charakter der Königin, in einem anderen Lichte
erscheinen lässt. Der Sprachausdruck und der Versbau in A ist
sehr nachlässig, die reflectirenden Partien des Dramas sind oft
bis zur Unkenntlichkeit entstellt <^).
Über die Entstehung von A sind nun die verschiedenartig-
wäre diess an und für sich sehr wohl möglich, aber auf eine so unbestimmt
gehaltene Angabe dürfen wir natürlich keine weiteren Schlüsse bauen.
0 London 4 865.
2} A new variorum edition of Shakespeare edited by U. H. Furness.
vol. III. (Hamlet, vol. 1.) vol. IV. (Hamlet, vol. II.) London und Philadel-
phia 4 879.
3) S. 356 fr.
4) Leipzig 1870. S. 445 0.
5} Von den Unterschieden , die zwischen B und den Folioausgabeo
obwalten , kann vorerst abgesehen werden , sie werden an einer anderen
Stelle dieser Untersuchung zur Sprache kommen.
6) Ich citire im folgenden A nach dem Abdruck bei Furness Bd. U
S. 37 fr., B nach dem Griggs'schen Facsimile. London s. a.
sten Ansichten laut geworden. Die einen meinen, dass zu der
Zeit, als Shakespeare's Hamlet noch nicht durch den Druck, son«
dem bloss durch die Bühnendarstellung bekannt war, ein ge-
winnsüchtiger Buchhändler sich auf betrügerische Weise in den
Besitz der Handschrift habe setzen wollen und zu diesem Zweck
einen oder mehrere Handlanger ins Theater geschickt habe, um,
so gut es gehen wollte, das Stück während der Vorstellung
nachzuschreiben. Solche Machinationen kamen notorisch zu
Shakespeare's Zeit in London nicht selten vor, zumal da die
Scbauspielergesellschaften ein erfolgreiches Stück gern so lang
wie möglich ungedruckt Hessen. Die Abschreiber hätten als-
dann nach der Theatervorstellung die Lücken ihrer Nieder-
schrift theils nach der Erinnerung ergänzt, theils von einem
untergeordneten Literaten durch willkürliche Erfindungen aus-
füllen lassen. So sei dann das Druckmanuscript von A entstan-
den und ein Jahr früher erschienen als B, das »according to the
true and perfect Goppiea gedruckt ist. Die namhaftesten Ver-
treter dieser Ansicht sind in England Collier , in Deutschland
Tycho Mommsen und Tanger, in neuerer Zeit auch Delius, der
sich früher mehrderentgegengesetzten Ansicht zugeneigt hatte ^) .
Andere wieder wollen die Abweichungen von A dadurch erklä-
ren, dass dieser Ausgabe eine frühere Redaction zu Grunde ge-
legen habe , wenn auch dieselbe im Druck arg verstümmelt er-
scheine. Die Vertreter dieser Meinung weichen aber wieder von
einander ab je nach ihrer Stellung zu einer anderen Frage , die
für die Entstehungsgeschichte des Shakespeare'schen Dramas
von Bedeutung ist. Noch ehe nämlich Shakespeare^s Hamlet in
der gangbaren Fassung vorlag, deren Entstehung wir aus äus-
seren und inneren Gründen in die Zeit um 1 600 , in Shake-
speare's reifste Zeit verlegen müssen, gab es schon auf der eng-
\] Coliier's Argumentation im Auszug bei Furness 11 S. 24. Momm-
sen hat seine Ansichten niedergelegt tn einer Besprechung der Delius'schen
Hamlet-Ausgabe in den neuen Jahrbüchern für Philologie/ und Pädagogik,
Bd. 7i, Leipzig ^ 855. Erster Artikel S. 57 ff. Zweiler Artikel S.^ 07 ff. Drit-
ter Artikel S. 459 ff. und in einem Briefe an die Redaction des Londoner
Athenaeums 7. Febr. 4857, abgedruckt bei Furness II, S.25f. Tanger's Auf-
sätze in »The new Shakespeare Society's transactions« 1880—82, S. 4 09 ff.,
und in »Anglia. Zeitschrift für englische Philologie«, Bd. IV. Halle 4 881,
S. 214 ff. Delius hat seine frühere Meinung im Vorwort zu seinen Abhand-
longen über Shakespeare, Elberfeld 4 878, S. IX, zurückgenommen.
6
lischen Bühne eine Hamlettragödie, die zuerst in Thomas Nash's
Vorrede zu Robert Greene's Menaphon — spätestens 1 589 —
erwähnt wird. Mehrere Shakespeare-Forscher behaupten nun,
dieser ältere Hamlet sei von Shakespeare in den ersten Jahren
seiner dramatischen Laufbahn verfasst worden, A sei aus dieser
früheren Shakespeare'schen Fassung hervorgegangen und die
ästhetischen Mängel von A fänden zum grössten Theil ihre Er-
klärung in dem jugendlichen Alter des Verfassers. Diese An-
sicht wurde vor allem durch Knight vertreten, wird aber ge-
genwärtig allgemein als unhaltbar betrachtet und ich glaubte
auch , auf den folgenden Blättern von einem Eingehen auf die-
selbe Abstand nehmen zu dürfen. Es wird sich indess zeigen,
dass das Hauptergebniss meiner Untersuchung sieh auch mit
der Knight'schen Hypothese vertragen würde. Elze , der übri-
gens geneigt ist, mit Knight den älteren Hamlet als ein Shake-
speai-e'sches Werk zu betrachten, meint, man brauche deshalb
doch noch nicht zu glauben , dass A auf diesem älteren Hamlet
beruhe, Shakespeare habe vielleicht sein Werk mehrmals um-
gearbeitet und man könne nur soviel mit Sicherheit sagen,
dass B die letzte Redaction repräsentiere, während A Bestand-
theile der vorletzten enthalte^). Andere, wie z. B. Furnivali^ ,
meinen, dass das ältere Drama nicht von Shakespeare herrühre,
dass Shakespeare seinen Hamlet nicht früher als in den ersten
Jahren des 17. Jahrhunderts gedichtet und bald nach der ersten
Fassung einer neuen Redaction untei*zogen habe. Die erste Fas-
sung sei in der verstümmelten Raubausgabe A von (603, die
zweite in der Ausgabe B von 4604 erhalten. Grant Wählte ^i
meint, der Söldner des räuberischen Buchhändlers habe in ei-
ner Aufführung der gangbaren Redaction des Shakespeare'schen
Hamlet seine Notizen zu Papier gebracht und dann die Lücken
1) Vgl. Elze's Einleitung zum Hamlet in »Shakespeares dramatische
Werke nach der Übersetzung von Schlegel und Tieck . . . herausg. durch
d. Deutsche Shakespeare-Gesellschaft«, Bd. 6, Berlin ^869. Ferner Shake-
speare's tragedy of Hamlet edited byK. Elze, Halle 1882. Dazu die Recension
von Tanger im Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd. XVIII,
S. 218flf.
2] In den Vorworten zu den Griggs'schen Facsimiles von A und B.
8) Introduction to Hamlet, S. lOfT., abgedruckt bei Furness, U,
S. 26flf.
aus dem älteren Hamlet ergänzt. Herford *) vertritt die Ansicht^
Shakespeare habe um das Jabr 4600 seinen Hamlet im Anschlnss
an das altere Drama verfasst — ähnUeh wie z. B. sein Lustspiel
«The taming of the shi*ew« nur die Überarbeitung eines älteren
Dramas ist. Dieser Shakespeare'sche Hamlet sd die Grundlage
der unrechtmässigen , entstellten Ausgabe A , während B das
Ergebniss einer Umarbeitung durch den Dichter selber sei.
Nun drängen sich aber noch weitere Fragen auf, zu deren
Lösung uns jeder bestimmte Anhaltspunkt fehlt, die Frage, wer
wohl sonst der Verfasser jenes älteren Hamlet sein könne, wenn
Dicht Shakespeare, und die Frage, wie viel Shakespeare aus
dem früheren Werke in seine Dichtung ttbernommen habe. Nur
so viel geht aus den zeitgenössischen Anspielungen mit Be-
stimmtheit hervor , dass schon in dem älteren Drama der Geist
von Hamlet's Vater erschien und seinen Sohn zur Rache auffor-
derte, ein Zug, den Shakespeare nur von dort her, nicht etwa
aus den Prosaerzählungen von Hamlet entlehnen konnte. Meh-
rere englische Gelehrte haben auf Sbakespeare's älteren Zeit-
genossen Ryd als den Verfasser des ersten Hamlet gerathen.
Von den Sbakespeareforsehern nun , welche das deutsche
Drama (D) in die Discussion über die Hamletfrage hereingezo-
gen haben, sind mehrere der Ansicht, dass D eine von den
deutsch-englischen Schauspielern far ihre Zwecke zurechtge-
stutzte Bearbeitung des älteren Hamlet sei. Unter den bisherigen
Vertretern dieser Meinung sind vor allem zu erwähnen Bern-
hardy^), Latham^) und Widgery^). Alle drei schlagen zur Be-
gründung ihrer Ansicht denselben Weg ein. Sie heben Einzel-
heilen hervor, in welchen D von Shakespeare abweicht, und
suchen nachzuweisen, dass diese Einzelheiten im Geist und
Stil der dramatischen Dichter gehalten sind, die gegen Ende der
80er Jahre des i6. Jahrhunderts, als die alte Tragödie nach
Nash's Angabe schon existierte, die Londoner Bühne beherrsch-
1) The First Quarto Edition of Hamlet, 1603. Two Esseys to which
the Harnessprize was awarded i 880. I. By C. H. Herford. II. By W. H. Wid-
gery. London 1880. Ähnlich schon früher Clark u.Wrights. Fumess II, 8.32.
3) Shakespeare's Hamlet. Hamburger Hterarischkri tische Blätter,
<837. Nr. 49 — 103. Seine Argumentation ist in den Hauptzügen wieder-
gegeben bei Cohn, a. a. 0. S. CXX.
3) Two dissertations on Hamlet. London 1872.
4) S. 0. Anm. 1. • •
-— 8
ten. Latbam will in einer dieser abweichenden Stellen auch
eine Anspielung auf ein Ereigniss finden, das 4589 in England
die öffentliche Meinung bewegte (s. u. S. 28). Keiner von den
erwähnten Gelehrten hat jedoch mit hinlänglicher Präcision
auseinandergesetzt, wie er sich die mit Shakespeare Überein-
stimmenden fiestandtheile von D erklärt, ob dadurch, dass
Shakespeare das alles schon in dem alteren Hamlet vorgefun-
den habe oder dadurch, dass die wandernden Englischen Co-
mödianten auf dem Gontinent sowohl das Drama Shakespeares
als auch das seines Vorgängers auf ihrem Repertoire halten und
dass alsdann D durch Gontamination aus beiden Dramen en\r
standen sei.
Mehrere Vertreter der erwähnten Ansicht werden dann
auch durch einige augenfällige Übereinstimmungen zwiscben
D und A zu der Meinung gebracht, dass Shakespeare, wenn er
den älteren Hamlet nicht selbst verfasste, ihn doch jedenfalls fttr
die erste Redaction seines Dramas als Grundlage benutzte, dass
also die ältere Hamlettragödie nicht nur die Grundlage von D,
sondern auch die Grundlage derjenigen Redaction des Shake-
speare^ sehen Dramas bilde, aus welcher A hervorging, wogegen
Shakespeare sich dann später in der letzten vollendeisten Re-
daction von der älteren Tragödie viel weiter entfernt habe. Dies
scheint z. B. auch die Meinung von Furness^) zu sein und würde
sich mit der oben vorgetragenen Herford'schen Hypothese sehr
wohl vereinigen lassen.
Wieder andere halten es fttr das wahrscheinlichste , dass
A selber dem deutschen Drama zu Grunde liegt, so Elze*) und
Koch').
Dyce ^) meint gleichfalls, dass D sich an keine andere Fas-
sung des Shakespeare'schen Textes so nahe anschliesst wie an
A, da er jedoch in D auch unleugbare Spuren von B erkennen
will, vermuthet er, dass der deutsche Bearbeiter neben A auch
noch den gangbaren Text benutzt habe. Eine ähnliche Ansicht
äussert auch Gen6e^), er meint, dass die englischen Gomödian-
4) a. a. 0. II. S. 420.
2) In der oben citirten Vorrede zu Schlegels Hamletüberseizung S.U.
5) Shakespeare's dramatische Werke , nach der übersetzuqg von A.
W. Schlegel etc. herausg. v. M. Koch. Bd. VIII. Stuttgart o. J. S. 23.
4) Citirt bei Furness IL S. 4 4 6.
5) a. 8.0. S. 497.
ten in Deutschland in der ersten Zeit bei ihren Aufführungen
A lu Grunde legten und späterhin einiges aus dem gangbaren
Text nach der Folio-Ausgabe einfügten.
Um in diesem Widerstreit der Ansichten zu einem Ergeb-
niss zu gelangen , wird es sich empfehlen , dass wir uns zu-
nächst vergegenwärtigen, inwiefern D mit dem Shakespeare-
schen Drama übereinstimmt. Ich hebe vorläufig nur solche
Punkte der Obereinstimmung hervor, in welchen auch A und B
untereinander keine Verschiedenheiten zeigen.
Act I. Die Schildwachen am Schloss des Königs von Däne-
mark bemerken das Gespenst des verstorbenen Königs, sie
setzen Horatio von dieser Erscheinung in Kenntniss und Ho-
ratio übermittelt die Nachricht dem Prinzen Hamlet. Dieser er-
hält darauf vom Geiste in der Nacht Enthüllungen über seinen
Tod, der genau so wie bei Shakespeare erzählt wird. Er lässt
darauf seine Freunde schwüren, sie sollten ihm bei seinen wei-
teren Plänen behülflich sein und äussert den Entschluss, seinem
Oheim »verstellterweise aufzuwarten«, bis er Gelegenheit zur
Rache finden werde. — Der König und die Königin bereden
Hamlet in einer ceremoniellen Staatsscene , mit seiner Trauer
über den Tod des Vaters aufzuhören und die beabsichtigte Rück-
kehr an die Universität Wittenberg zu unterlassen ; ausserdem
gibt der König seine Zustimmung zur Abreise des Leonhardus
(Laertes) nach Frankreich.
Act. U. Während Corarobus (Polonius) dem König und der
Königin die Nachricht von Hamlets Tollheit bringt, kommt Ophe-
lia und berichtet, wie Hamlet ihr nachstelle, Corambus erklärt
nun , diese Liebe sei offenbar der Grund zu der Geistesstörung
des Prinzen , und um den König von der Richtigkeit dieser Be-
hauptung zu überzeugen, veranstaltet er sofort eine Zusammen-
kunft Ophelias mit Hamlet, welche er mit dem König zusammen
in einem Versteck belauscht. Ophelia leitet das Gespräch ein, in-
dem sie Hamlet auffordert, ein geschenktes Kleinod wieder zu-
rückzunehmen, Hamlet erwiedert ihr mit einer barocken Rede,
in der er auseinandersetzt, wie die Mädchen mit erborgten und
künstlichen Reizen die Männer berücken. Alsdann geht er ab,
der König und Corambus erscheinen wieder, der König schenkt
der Meinung des Corambus über die Tollheit Hamlets keinen
Glauben. Nach einem kurzen Zwiegespräch Hamlets mit Horatio
kommtCorambus wieder und meldet die Ankunft der Comödian-
— ^ 10
ten. Bald darauf erscheint der Comödianten-Prinzipal. Hamlet
hat mit ihm eine längere Unterredung , in welcher er ihn xu-
nUcbst als alten Bekannten begrUsst, sich nach den Schicksalen
der Truppe erkundigt, seine Meinung über einzelne Missstände
des Bühnenwesens äussert und sodann anordnetVaass die Co-
mödianten noch an demselben Abend die Tragödie jivou dem
grossen König Pyrroa auffuhren sollten , in welcher ein Bruder
den andern in einem Garten dadui'ch ums Leben bringt, dass
er ihm Gift ins Ohr giesst. Nachdem der Prinzipal sich enifemt
hat y bleibt Hamlet mit Uoratio zurück , erzählt diesem eine Ge-
schichte, wie schon früher einmal durch eine Theateraufführung
ein verborgenes Verbrechen ans Licht gekommen sei und bittat
Horatio, während der Aufführung den König scharf zu beobach-
ten. Hierauf erscheint der König mit seinem Hobtaat, das
Schauspiel im Schauspiel beginnt, bei der Vergiftungsscene
bricht der König plötzlich auf, Hamlet ist nun seiner Sache
sieher, und beschliesst, wenn er den König allein finde, ihm
das Leben zu nehmen.
Act lU. Zu Beginn finden wir den König in einem Tempel
vor dem Altar knieend und die Götter um Vergebung seiner
Sünden bittend. Hamlet tritt ein «mit blossem Degen a, er
schickt sich schon an , den König zu durchbohren , besinnt sich
dann aber wieder anders und will »ihm sein Gebet thun lassen
und vor diesesmal von hier gehen und das Leben schenken. Zur
andern Zeit aber will ich schon meine Rache ausüben^. Sodann
finden wir die Königin mit Corambus in Erwartung der An-
kunft Hamlets. Corambus versteckt sich hinter die Tapete.
Hamlet tritt ein und erhebt gegen seine Mutter heftige Vorwürfe
wegen ihrer zweiten Ehe, indem er dal^ei das Bild des verstor-
benen und das Bild des jetzigen Königs miteinander vergleicht.
Er ersticht den Corambus, der sich hinter der Tapete bemerk-
lich macht. Gleich darauf erscheint der Geist seines Vaters,
nur dem Sohne , nicht aber der Mutter sichtbar. Der Rest des
dritten Actes wird ausgefüllt durch zwei Scenen, in denen die
wahnsinnige Ophelia auftritt, und eine Scene zwischen dem
König , Hamlet , Horatio und zwei Dienern. Der König ordnet
an , dass der Leichnam des Corambus weggebracht und begra-
ben werden solle und eröffnet seinem Neffen den Entschluss,
ihn nach England zu schicken ; die zwei Diener sollen ihn da-
hin begleiten. Sodann nimmt er die Diener bei Seite und for-
— 11 —
dert sie auf, Hamlet sogleich nach der Ankunft in England zu
tödten, i>wo aber dieser Anschlag nicht möchte von statten gehn,
so nehmet diesen Brief und bringet ihn nebst dem Prinzen an
aufgeschriebenem Ort; derselbige wird wohl dahin bedacht
seyn, dass er nimmer wieder aus England kommen soll«.
In Act IV wird zunächst in einer von Shakespeare durchaus
abweichenden Art dargestellt , wie Hamlet auf der Reise den
Anschlägen auf sein Leben entgeht, sodann werden wir wieder
nach Dänemark geführt, wohin Leonhardus aus Frankreich zu-
rückgekehrt ist, um den Tod seines Vaters zu rächen. Nachdem
der König ihm entdeckt hat, dass sein Vater von Hamlet ermor-
det worden sei , kommt die Nachricht von Hamlets Rückkehr
und der König bestimmt sogieich den Leonhardus. seinen Feind
bei einem Fechtspiel mit einem untergeschobenen vergifteten
Rappier zu tödlen. Gegen Ende dieser Unterredung erscheint
wieder die wahnsinnige Ophelia auf der Bühne.
In Act V berichtet zunächst Hamlet dem Horatio, durch
welche List er glücklich entkommen sei, zu ihnen tritt ein
Höfling (in D Phantasmo genannt) , um Hamlet von dem ge-
planten Kampfspiel und der Wette des Königs in Kenntniss zu
setzen. Hamlet lässt dem König seine Bereitwilligkeit erklären,
aber sobald der Höfling sich entfernt hat, wird Hamlet von trü-
ben Ahnungen befallen« Trotzdem befolgt er doch nicht die
Mahnung Horatio's, die Theilnahme am Kampfspiel zu unter-
lassen. Hierauf kommt die Fechtscene, in welcher ganz unter
denselben Umständen wie bei Shakespeare die Königin, der
König, Leonhardus und Hamlet vom Tode ereilt werden.
Aber nicht nur der Gang der Handlung in den oben wie-
dergegebenen Hauptzügen ist in D derselbe wie bei Shake-
speare, auch in einer grossen Anzahl von characteristischen
Einzelheiten zeigt sich Übereinstimmung, So ist, um nur einige
besond^s augenfällige Punkte hervorzuheben, in der nächt-
lichen Scene des ersten Actes der Lärm des Gelages auf der
Schlossterrasse hörbar; in der Schwurscene lässt sich die
Stimme des unsichtbaren Geistes vernehmen; vor der Unter-
redung Hamlets mit Ophelia entfernt sich die Königin ; Hamlet
sagt gegen Ende dieser Unterredung »Geh in ein Kloster« ; als
Corambus die Ankunft der Comödianten meldet, unterbricht
ihn Hamlet mit der Erwähnung des Schauspielers Roscius (Ma-
rus Russig) und der Anspielung auf Jephtha und seine Tochter ;
12
als der Hof zum Schauspiel versammelt ist, fragt der König, oh
denn im Stttcke nicht vielleicht etwas ungehöriges vorkomme
und Hamlet erwiedert, dass diejenigen , die ein gutes Gewis-
sen hatten, ruhig sein könnten ; der König unterbricht die Vor-
stellung mit dem Ruf nach Lichtern ; Corambus will die Gomö-
dianten »tractiren wie sie es verdienen«; die wahnsinnige
Ophelia verschenkt Blumen ; Hamlet vor der Abreise nach Eng-
land redet den König an »Mutter« anstatt »Yaterc, weil ja doch
Mann und Weib nur ein Leib seien ; im letzten Act bringt er
den Höfling dazu , dass er es in dem Saale erst sehr heiss und
gleich darauf wieder sehr kalt findet.
In dem Obigen sind nur solche Übereinstimmungen mit
Shakespeare berücksichtigt, in Bezug auf welche zwischen A
und B kein Unterschied besteht , nun haben wir noch die Falle
zu untersuchen, wo uns Stellen in D begegnen, die bloss in A
oder bloss in B vorhanden sind. Ich will im folgenden alle von
mir bemerkten Übereinstimmungen aufzahlen, von denjenigen,
die nothwendig auf einem Zusammenhang irgend welcher Art
beruhen müssen bis zu denjenigen , die auch rein zufällig sein
könnten und also zu keinen weiteren Schlüssen berechtigen.
Natürlich ist der Übergang von den Übereinstimmungen der
einen Art zu denen der anderen Art ein ganz allmählicher, die
Übereinstimmungen, bei welchen der zufällige Charakter sofort
erkennbar ist und keinem Zweifel unterliegen kann , habe ich
mit einem * bezeichnet.
1. Übereinstimmungen zwischen D und A.
4) Im Personen verzeichniss fällt es auf, dass wir in D die
£igenthümlichkeit wiederfinden, die gewöhnlich als das charac-
teristischste äusserliche Merkmal von A hervorgehoben wird.
Dort führt nämlich Polonius den Namen Corambis, in D finden
wir denselben Namen mit einer kleinen Änderung wieder: »Co-
rambus«. Der Diener Reynaldo, der in A Montane heisst, kommt
in D nicht vor.
5) In A werden bei Beginn von Act I Francisco und Ber-
nardo nicht mit Namen genannt ; es heisst bloss : »Enter two
centinels«. In D werden die beiden bezeichnet als : Erste und
zweite Schildwache. Über den Namen Francisco inD. s. u.S.36.
3*) In D I, 5 sagt der Geist zu Hamlet: »Also bin ich mei-
13
nes Reichs, meines Weibes und meines Lebens von diesem
Tyrannen beraubte ; in A 520 :
Thus was I sleeping by a brothers band
Of Crown e, of Queene, of life of dignitie
At once depriued.
Dagegen in B I, 5, 74 :
Of life, of Growne, of Queene at once dispatcht,
also in anderer Reihenfolge der Worte als in D, wogegen in BD
das Wort dignity fehlt.
4) Nachdem Hamlet den Horatio aufgefordert hat, während
des Schauspiels seinen Oheim scharf zu beobachten , erwidert
Horatio in DU, 7: »Ihro Durchlaucht, ich werde meinen Augen
eine scharfe Aufsicht anbefehlen«, in A,4S40 ff. :
My lord mine eies shall still be on his face,
And not the smallest alteration
Tbat shall appeare in him, but I shall note it.
In B HI, 2, 91 :
Well mv lord
If a steale ougbt the whilst this play is playing
And scape detected [detecling], I will pay the iheft.
5) In D II, 8 ruft Polonius : »Pagen, Lakeyen, brennt die
Fackeln an, der König will abgehn«. In A 4346: The king rises,
lights, hoel in B IH, 2, 284 : Lights, lights, lights (die Worte:
»The king rises« sind hier der Ophelia in den Mund gelegt).
6*) In 'A D weist Hamlet beim Anblick des betenden Kö-
nigs ausdrücklich darauf hin, dass dieser seinen Vater im
Schlaf getödtet habe. DIU, 2: er »hat ihn vielleicht in seinen
Sünden schlafend nach der Hollen geschickt«. A 4 426 : »he took
my fatber sleeping, his sins brim füll«, dagegen in B III, 3, 80:
A tooke my father grosly füll of bread,
Withall his crimes broad blowne, as flush as May.
7] In D III, 4 0 sagt der König zu Hamlet , ehe er ihn nach
England entlässt : »Wir haben bei uns beschlossen. Euch nacher
England zu schicken , weil diese Krone nahe mit der unserigen
befreundet; als könnt Ihr Euch eine Zeit, weil eine gesundere
Luft allda , in etwas refrigiren und zu Eurer Genesung besser
als hier gelangen«.
14
Ähnlich sagt der König in A, als er der Königin den Ent-
schluss mittheiit, Hamlet nach England zn schicken, 1568:
Happly the aire and climate of the Coantr>'
May please him better than his natiue home.
In B spricht der König schon an einer früheren Stelle, noch
vordem Beginn des eingelegten Schauspiels (Act 111, Sc. 1) mit
Polonius über die Absendung Hamlets nach England und fügt
HI, 4, 479 hinzu:
Hapiy the seas and countries different
With variable obiects, shall expell
This something setled matter in his hart,
Von dem Einfluss des Ciimas ist hier nicht die Rede.
8) In D und A gibt der König Laertes den Gedanken ein,
er solle im Kampfspiel die stumpfe Waffe mit einer spitzen ver-
tauschen und diese spitze Waffe mit Gift bestreichen ; in B
spricht der König blos von der Unterschiebung eines spitzen
Bappiers und Laertes seinerseits fügt hinzu, er wolle die Waffe
vergiften.
9) In D und A wird der Umstand erwähnt , dass Hamlet
auf seiner Fahrt nach England durch widrige Winde aufgehalten
wurde (D V. 2 : »Nun begab es sich, dass wir eines Tages con-
trairenWind hattena; A 4754 : »Being crossed by the contention
of the Windes«). In B findet sich nichts entsprechendes.
40) In D V, 3 fertigt Hamlet den Phantasmo, der ihm die
Aufforderung zum Kampfspiel tiberbringt , mit den Worten ab :
»Phantasmo, gehe wieder hin zum Könige und sage ihm, dass
ich ihm bald aufwarten werde«. In A 2046 sagt er: »Go, teil
his majeslie, I wil attend him«. In B fehlen diese Worte.
4 4) Vor seinem Tode sagt Hamlet in D V, 6: »Ich werde
ganz matt, meine Glieder werden schwach und meine Beine
wollen nicht mehr stehen; meine Sprache vergeht mir,
ich fühle das Gift in allen meinen Gliedern«. In A 24 49 :
0 mv heart sinckes Horatio
Mine eyes haue lost their sight, my tongue his use.
Dagegen in B V, 4 , 364 :
The potent poyson quite ore-crowes my spirit.
42) Widgery a. a. 0. S. 409 macht darauf aufmerksam,
dass Hamlet in D nicht nur den verstorbenen Könis^, sondern
15 —-
auch den regierenden König als Vater bezeichnet, ebenso rede er
den König Claudius in A fünfmal als »father« an, dagegen in B
niemals. Ich habe die Bezeichnung des Stiefvaters als Vater in
D dreimal gefunden und zwar zweimal in der Anrede. Vor dem
Beginn des eingelegten Schauspiels II, 7 fragt der König, ob es
wahr sei , dass die Comödianten Abends etwas auffuhren woll-
ten, und Hamlet erwidert: »Ja Herr Valer, sie haben bei mir
angehalten und ich habe es ihnen auch permittirt«. Diese Stelle
entspricht keiner Stelle in A oder B. D III, 10 entschuldigt sich
Hamlet wegen der Ermordung des Polonius mit den Worten:
»Es ist mir leid, Herr Vetter und Vater«. Auch in A 4577 re-
det Hamlet in der entsprechenden Scene den König als Vater
an, allerdings im Verlaufe der in D fehlenden Stelle vom Gast-
mahl der Würmer. Ausserdem sagt noch D I, 6 Hamlet zu Ho-
ratio : »dir will ichs offenbaren, w as mir der Geist gesagt, nem-
lich dass mein Vater eines unnattlrlichen Todes gestorben.
Mein Vater, der anjetzo auch mein Vater ist, hat ihn ermor-
det«. Das gesperrt gedruckte »mein Vater« ist offenbar ein Ver-
sehen für »sein Bruder«.
II. Übereinstimmungen zwischen D und B.
i) In B I, 4, 8 sagt Francisco:
— t is bitter cold
And I am sick at hart.
In D I, 1 sagt die erste Schildwache: »Ob es gleich kalt
ist, habe ich doch einen Höllenschweiss ausgehalten.«
2) In D 1, 5 eröffnet der Geist seine Enthüllungen mit den
Worten : »Höre mich Hamlet, denn die Zeit kommt bald, dass ich
mich wieder an denselben Ort begeben muss , wo ich herge-
kommen«.
Ebenso sagt der Geist in B I, 5, 2:
My houre is almost come
When I to sulphrus and tormenting flames
Must render vp my seife.
Fehlt in A.
3) Die Rede, die der König bei seinem ersten Atiftrelen
halt, beginnt in D I, 7: »Obschon unseres Herrn Bruders Tod
16
noch in frischem Gedächtniss bey jedermann ist und uns gebie-
tet, alle Solennitäten einzustellen, werden wir doch anjetzo ge-
nöthiget, unsere schwarze Trauerkleider in Carmoisin, Purpur
und Scharlach zu verändern, weil nunmehr meines seeligen
Herrn Bruders hinterbliei)ene Wittwe unsere liebste Gemahliu
worden ; darum erzeige sich jeder freudig und mache sich un-
serer Lust theilhaftig«.
Dem entsprechend heisst es in B, I 2, 4 ff. :
Though yet of Hamlet our deare brothers death
The memorie be greene, and that it vs befitted
To beare our harts in griefe, and our whole Kingdome
To be contracted in one browe of woe
Yet so farre hath discretion fought with nature,
That we with wisest sorrowe thinke on him
Together with remembrance of our seines:
Therefore our sometime Sister, now our Queene,
Th' imperiall ioyntresse of this warlike statO;
Haue we, as twere with a defeated ioy,
With an auspitious, and a dropping eye,
With mirth in funerall, and with dirdge in marriage
In equall Scale weighing delight and dole
Taken to wife. —
Diese ganze Stelle fehlt in A , dort eröffnet der König die
Scene ohne weitere Einleitung sogleich mit der Darlegung der
norwegischen 'Angelegenheiten.
4] Als der König von der Reise des Laertes hört , fragt er
in D I, 7 den Corambus: »Ist es aber mit Eurem Consens ge-
schehen« , worauf alsdann CoramJ)us mit einigen Wortspielen
über »Consens« antwortet.
In B antwortet Polonius I, 2, 58 :
[He] Hath my Lord, wroung from me my slowe leaue
By laboursome petition, and at last
Vpon his will I seald my hard consent,
I doe beseech you giue him leaue to goe.
In A antwortet Corambis 462:
He hath, my lord, wrung from me a forced graunt
And I beseech you grant your Highnesse leaue.
5j Als Corambus dem König und der Königin ankündigt.
17
Ihr Sohn sei wahnsinnig , sagt er in D II, 2 : »Prinz Hamlet ist
toll, ja so toll als der griechische Tolleran jemals gewesen«.
König: Und warum ist er toll?
Corambus: Darum, dass er seinen Verstand verloren.
B II, 2, 92 : your noble sonne is mad :
Mad call I it, for to define true madnes
What ist but to be nothing eis but mad
ist D ähnlicher als A, wo es bloss heisst 757: »Gertaine it is that
hee is madde: mad let vs grant him then.
6) In D II, 6 und B II, 2, 623 spricht Hamlet in einem
Monolog die Absicht aus , die Schauspieler sollten etwas in der
Art wie die Ermordung seines Vaters aufführen, in A nicht.
7) In DU, 7 sagt Hamlet zu den Schauspielern: »Ich bin
ein grosser Liebhaber eurer Exercitien und meine es nicht übel,
denn man kann in einem Spiegel seine Flecken sehen«.
In B m, 2, 23 sagt er:
Playing whose end bolh at the first, and nowe, was and is,
to holde as twere the Mirrour vp to nature, to shew vertue her
feature; scorne her owne Image etc.
In A fehlt der Vergleich mit dem Spiegel gänzlich.
8j In D und B wird das Ehepaar im eingelegten Schauspiel
als König und Königin bezeichnet, in A in der einen Bühnen-
anweisung (nach 1259] als König und Königin, in der andern
(Dach 4273) als. Herzog und Herzogin.
9) Nach der plötzlichen Unterbrechung des eingelegten
Schauspiels sagt Hamlet in D III, 8 zu Horatio: Sähet ihr, wie
der König sich entfärbte als er das Spiel sähe? Horatio: Ja,
Ihro Durchlaucht, die That ist gewiss. Hamlet: [Er hat] Eben
also meinen Vater getödtet, wie ihr in diesem Schauspiel ge-
sehn. In B in, 2, 298 Ham. : Did'st perceiue? Hör. : Very well
my Lord. Ham. : Vpon the talke of Ihe poysning. Hör. : I did
very well note him. Fehlt in A.
10) In D III, 6 sagt Hamlet, als der Geist im Gemach sei-
ner Mutler erscheint: »Ach werther Schatten meines Vaters,
stehe still! Ach, ach, was ist dein Begehren? Forderst du
Rache? In B HI, 4, 103:
Saue me and houer ore me with your wings
You heauenly gards : what would your gracious figure?
4887. 2
18
Do you not come your iardy sonne to chide,
Thai lap'st in time and passion lets goe by
Th^ important acling of your dread command, o say.
In A 1502:
Saue me, saue me you gratious
Powers aboue, and houer ouer mee,
With your celestiall wings.
Doe you not come your tardy sonne to chide,
That I thus long haue let reuenge slippe by?
i1) In D in, 9 ruft die wahnsinnige Ophelia: »Siehe da,
mein KtttschcheU; mein Kütschchen«, in B IV, 5, 70: Come my
coach; fehlt in A.
12) In D IV, 5 und B IV, 7 wird die Nachricht von Hamlets
Rückkehr während der Unterredung des Königs mit Laertes ge-
meldet, in A ist dem König dies Ereigniss schon bei Beginn der
Unterredung bekannt, 1783.
13) In D VI, 5 sagt der König zu Leonhardus, es sei schwer,
Hamlet etwas anzuhaben, »weil ihm seine Frau Mutter den
Rücken hält und ihn die Unterthanen sehr lieben«. In B IV, 7, 11
sagt er zu Laertes, er habe aus zwei Gründen Hamlet geschont.
The Queene his molher
Lines almost by his lookes etc.
the other motiue
Why to a publique count I migbt not goe
Is the great loue the generali gender beare him etc.
Fehlt in A.
14) In D V, 2 und B V, 2 erzählt Hamlet dem Horatio, wie
er auf der Reise nach England den Anschlägen gegen sein Le-
hen entging, in A erfahren wir dies alles in einem Gespräch
Horatios mit der Königin, das in D und B fehlt. In D und B
weist Hamlet während dieses Gesprächs mit Horatio darauf hin,
ciass er seine Rettung der göttlichen Allmacht verdanke.
15) In D V, 3 begrüsst Phantasmo den Hamlet mit den
Worten: »Willkommen zu Hause, Prinz Hamlet«; in B V, 2, 82
sagt Osrik an der entsprechenden Stelle :
Your Lordship is right welcome backe to Denmarke.
dagegen der »Bragart Gentlemam in A 2020 :
Now God saue thee, sweete prince Hamlet.
19
46) In D V, 3 findet sich eine Stelle, die vermutblich mit
den bloss in B V, 2, 236 vorkommenden Worten »Let be« zusam-
menhängt, darüber vgl. u. S. 42.
17) In D V, 6 entschuldigt sich Hamlet vor Beginn der Fecht-
scene wegen seiner mangelhaften Übung in der Fechtkunst;
Leonhardus erwidert ihm : »Ich bin Ihro Durchlaucht Diener,
Sie scherzen nur«. Ebenso erwidert er B V, 2, 268: You mock
me, Sir. Fehlt in A.
\ 8) Zu Ende des Stückes ruft Leonhardus in D V, 6 : Adieu
Prinz Hamlet! Adieu Weltl Ich sterbe auch. Ach verzeihet mir,
Prinz! und gibt dann seinen Geist auf. Hamlet sagt hierauf:
»Der Himmel geleite deine Seele I<r
In B V, 2, 339 sagt Laertes:
Exchange forgiuenesse with me noble Hamlet
Mine and my fathers death come not vppon thee,
Nor thine on me [Laertes dies] .
Hamlet: Heauen make thee free of it.
In A 21 40 sagt Laertes :
Hamlet before I die, here take my band
And withall, my loue : I doe forgiue thee (Leartes dies) .
Hamlet: And I thee.
19) In D und B äussert Hamlet vor seinem Tode, dass er
sich den Fortinbras (in DFortempras) zum Nachfolgerwünscht;
in A wird hiervon nichts erwähnt.
Nun bleibt uns noch übrig, zu betrachten, inwiefern sich
D von beiden englischen Versionen unterscheidet.
Es fehlen alle Scenen im Hause des Polonius ; die Scene, in
welcher Ophelia ihren Vater von Hamlets Liebeswahnsinn be-
richtet, ist zu ein paar kurzen Worten zusammengezogen und
an den königlichen Hof verlegt. Die Scenen auf der Schloss-
terrasse folgen im ersten Akt unmittelbar aufeinander. Ferner
fehlt das erste Gespräch Hamlets mit Polonius, nur eine Stelle
daraus ist in das vorhergehende Gespräch zwischen Polonius
und dem königlichen Paare übergegangen^), die Gespräche
1) In A sind an dieser Steile die Scenen in nachfolgender Weise ge-
ordnet : zuerst das Gespräch zwischen Polonius und dem Königspaare 755 ff. ,
dann Hamlets Monolog und sein Gespräch mit Ophelia und hierauf erst das
3*
20
Hamlets mit Rosenkranlz und Güldenstern , ^ie überhaupt die
Rolle dieser beiden vollständig ausgefallen ist , es fehlen voll-
ständig die Kircbhofsscenen des letzten Actes, sowohl die Todten-
gräberscene als auch das Leichenbegängniss der Ophelia. Im
ganzen Stück fehlen die Hinweisungen auf die Kriegspläne des
Fortinbras, Fortinbras wird am Schluss erwähnt, ohne dass vor-
her von ihm die Rede gewesen wäre. Von Horatio's Selbstmord-
gedanken gegen Ende des Stücks ist nicht die Rede.
Auf der andern Seite finden wir aber auch in D manches,
was in den beiden englischen Versionen fehlt.
D wird eröffnet durch einen mit der Handlung nur lose
verknüpften Prolog , in welchem die Göttin der Nacht und die
drei Furien auftreten. Das komische Element wird durch Phan-
tasmo vertreten, der, wie aus dem Obigen hervorgeht, zugleich
^uch die Rolle Osriks übernommen hat und den Ophelia im
Wahnsinn für ihren Geliebten hält. Ausserdem ist er mit dem
Rauern Jens, der an den Hof kommt, um seine Zinsen zu bezah-
len, Träger einer komischen Zwischenhandlung, die wie es
scheint nur zum geringsten Theil in der Niederschrift fixiert ist;
dergleichen war ja bei den wandernden Schauspielerlruppen
gewöhnlich der Improvisation überlassen. Auch die Art, wie
Hamlet auf der Reise nach England ums Leben gebracht wer-
den soll und wie er entkommt, ist eine völlig andere. Zwei
Randiten begleiten Hamlet im Auftrag des Königs und wollen
ihn unterwegs auf einer Insel ermorden. Sie legen von zwei
entgegengesetzten Seiten her ihre Pistolen auf ihn an , Hamlet
sagt , er wolle nur noch erst seine Seele Gott empfehlen und
dann mit der Hand das Zeichen zum Losdrücken geben. In
demselben Augenblick, wo er das Zeichen gibt, wirft er sich
aber rasch zu Roden , die beiden Randiten feuern die Pistolen
ab und erscbiessen sich gegenseitig. Hamlet durchsucht ihre
Gespräch zwischen Hamlet und Polonius. Dagegen folgt in B auf das Ge-
spräch zwischen Polonius und dem Königspaare 11,2 sogleich das Gespräch
zwischen Hamlet und Polonius und erst sptfter Hl, i Hamlets Monolog und
sein Gespräch mit Ophelia. Wenn nun A und D darin gegen B übereio-
stimmen, dass in beiden auf das Gespräch zw^ischen Polonius und dem
Konigspaar sogleich die Scene zwischen Hamlet und Ophelia folgt, so kommt
diese Übereinstimmung für uns nicht in Betracht, da ja das in B vorher-
gehende, in A nachfolgende Gespräch zwischen Hamlet und Polonius in 0
überhaupt nicht vorhanden ist.
21
Kleider und findet auch noch einen »Brief an einen Erzmdrder
in England, wenn etwa dieser Anschlag möchte misslingen,
sollten sie mich nur dem überantworten , der würde mir schon
das Lebenslicht ausblasen«. Darauf spricht er die Absicht aus,
wieder mit der Post zurückzukehren. Im fünften Akt erzählt er
alsdann dem Horatio die Geschichte noch einmal so, wie sie im
vorhergehenden Akt auf der Bühne dargestellt wurde. Ophe-
lias Tod wird erst unmittelbar vor dem Beginne des Kampf-
spieles gemeldet , die Königin berichtet da , dass Ophelia sich
von einem hohen Berg herabgestürzt habe. Am Schiuss er-
sticht Hamlet auch den Phantasmo, weil dieser es war, der
den vergifteten Wein und das vergiftete Rappier herbeigeholt
hatte.
Ein eigenthümlicher Zusatz ist es auch, dass nach der Dar-
stellung in D der König nach dem Tode seines Bruders sich die
Herrschaft über Dänemark anmasste und Hamlet die Krone von
Norwegen überliess. Überhaupt tritt der Unmuth Hamlets dar-
über, dass er aus der Herrschaft über Dänemark verdrängt
wurde, in D weit entschiedener hervor als bei Shakespeare.
Auch in einzelnen Zügen findet sich in D manches stark
aufgetragene, geschmacklose, was in A und B fehlt, wie z. B.,
dass der Geist der Schildwache auf der Terrasse eine Ohrfeige
gibt. Wo Hamlet bei Shakespeare vor Beginn der Fechtscene
von einer plötzlichen Beklemmung und von trüben Ahnungen
befallen wird (A 8051, B V, S, 284 ff.), sagt er in D: »Aber ach,
was bedeutet dieses? Mir fallen Blutstropfen aus der Nase, mir
schüttert der ganze Leib I 0 wehe, wie geschieht mir!« und
fällt dann in Ohnmacht.
Besondere Erwähnung verdienen zwei in das Drama ein-
geschobene Anecdoten. Bei Shakespeare deutet Hamlet vor
der Veranstaltung des eingelegten Schauspiels bloss im allge-
meinen darauf hin , er habe gehört , dass Verbrecher oft durch
eine Bühnendarstellung so betroffen wurden, dass sie ihre
Frevelthaten eingestanden. In D erzählt er an der entspre-
chenden Stelle ausführlich dem Horatio, wie sich einmal in
Strassburg ein »artiger Casus« zugetragen habe , indem dort
eine Frau ihren Mann mit einem Schuhpfriemen ermordet und
dann mit Hülfe ihres Buhlen unter der Thürsdiwelle begraben
habe. Als sie dann neun Jahre später einer Theatervorstellung
beiwohnte, in welcher man »von dergleichen Dingen eine Tra-
22
^ddie agirtetr, rief sie laut: »o weh, das trifft mich, denn also
habe ich auch meinen unschuldigen Ehemann ums Leben ge-
bracht«. Ebenso erzählt Hamlet, um die Falschheit der Weiber
zu erläutern, der Ophelia |die Geschichte von einem »Kavalier
in Anion«, der sich in eine Dame verliebte , »welche anzusehen
war wie die Göttin Venusa. In der Brautnacht aber nahm die
Dame, ehe sie zu Bette ging, erst ein künstliches Aug;e heraus,
dann ein paar falsche Zähne, dann wusch sie sich die Schminke
ab und als der Bräutigam sie umfangen wollte, »erschrak er, und
gedachte, es wäre ein Gespenst<(.
Die Ermordung des Polonius ist etwas anders dargestellt
als bei Shakespeare, Polonius veiTäth sich dadurch, dass er
hinter der Tapete^hustet, sein Leichnam wird nicht von Hamlet
fortgeschafft, sondern bleibt im Gemach der Königin Hegen.
Nach Hamlets Gespräch mit seiner Mutter in deren (Gemach
folgt in D noch ein Monolog der Mutter , in welchem diese sich
beklagt , dass sie durch die zweite Ehe ihrem Sohn »die Krone
Dännemark aus der Hand gespielte »Was ist aber bei so ge-
schehenen Dingen zu^thun? nichts, es muss nun so bleiben.
Hätte mir der Pabst solche Ehe nicht erlaubt : so wäre es auch
nimmer geschehener.
Die Namen des Königs und der Königin lauten nicht wie
bei Shakespeare Claudius und Gertrud, sondern Erico und
Sigrie.
Schliesslich ist noch zu bemerken, dass Hamlets Gespräche
mit den Schauspielern und Polonius über Theaterwesen und
Btthnenkunst hier in einer von Shakespeare durchaus abwei-
chenden Gestalt erscheinen.
Der Hauptunterschied zwischen D und Shakespeare besteht
jedoch nicht in den erwähnten Auslassungen und Zusätzen, son-
dern in dem völlig veränderten Gesammtcharakter. Shakespea-
risch ist bloss noch der Gang'der Handlung, ausserdem einzelne
Buhneneffekte und einzelne pointierte Wendungen des Gesprä-
ches, denen freilich in der deutschen Bearbeitung aller Geist
ausgetrieben scheint. Von der ernsten Melancholie Hamlets, von
dem poetischen Zauber der Gestalt Ophelias, von dem unheinn-
lichen Schauer der gespenstischen Nacht ist auch nicht das ge-
ringste mehr geblieben, man sollte es nicht für möglich halten,
dass das alles so ohne jede Spur zurückzulassen , hätte wegge-
wischt werden können. Namentlich sind die grossen Monologe
' 23
Hamlets gänzlich in Wegfall gekommen. Dass der unbeholfene
Sprachausdruck nirgends an Shakespeare gemahnt, versteht
sich von selbst. Es herrscht der theils geschraubte , theils un-
fläthige Ton der Haupt- und Staatsaktionen, wie er auf den
Btthnen der deutschen Wandertruppen um das Jahr 4700 allge-
mein üblich war. Daneben haben sich einzelne charakteristische
Wendungen erhalten, die wir schon zu Anfang des 47. Jahr-
hunderts Im Repertoire der englischen Comödianten eingebür-
gert finden, so wenn Leonhardus mit dem Ruf »adieu Welt!«
aus dem Leben scheidet. Sehr bezeichnend sind auch die un-
beholfenen Wiederholungen, z. B., dass zuerst auf der Bühne
dargestellt wird, wie Hamlet den Mördern entrinnt und nachher
Hamlet noch einmal den ganzen Inhalt der Scene im Gespräch
mit Horatio ausführlich erzählt oder dass 'Hamlet noch einmal
dem Freunde das Geheimniss berichtet, das ihm kurz vorher
der Geist auf der Bühne mitgetheiit hatte. Wenn Hamlet, als
er den König während des Gebets übeirascht, zweimal den
Degen zückt und wieder zurückzieht, so ist das eine unge-
schickte Wiederholung, wie wir sie in ähnlicher Weise in der
alten deutschen Bearbeitung des Titus Andronicus Act II (Cohn
S. 4 73 ff.) wiederfinden. Dass durch die Zusammenlegung der
Scenen auf der Schlossterrasse die wohlerwogenen Absichten
des Dichters vereitelt werden , bedarf keiner weiteren Ausfüh-
rung. Zu dem allen ist auch noch an mehreren Orten — offen-
bar durch Nachlässigkeit der Abschreiber — der Text vollkom-
men sinnwidrig, so sagt z.B. der König vor Beginn des Kampf-
spiels: »Welcher von Euch beyden die ersten drei Stösse
bekommen wird, der soll ein weiss neapolitanisch Pferd mit
Sattelzeug und allem Zubehör gewonnen haben«.
Nach den obigen Zusammenstellungen wird es wohl kaum
mehr eines Wortes bedürfen , um die Ansicht derjenigen zu-
rückzuweisen, die da meinen, dass das deutsche Drama auf dem
älteren Hamlet beruht. Denn falls dieser ältere Hamlet nicht
Shakespeare's Werk wäre, hätte Shakespeare ein schamloses
und doch von keinem seiner Zeitgenossen gerügtes Plagiat be-
gangen; sein unbekannter Vorgänger wäre einer der grössten
Dichter gewesen. Die ganze Art, wie der Stoff in die drama-
tische Kunstform gebannt ist, eine Fülle von Einzelheiten, die
von jeher von den Kritikern als Offenbarungen der höchsten
künstlerischen Weisheit bewundert wurden und von Redewen-
24 ^
duDgen, die uns entgegenrufen »Ich bin Shakespeare^s« *) wären
alsdann, wie aus den entstellten Trttinmern in D deutlich her-
vorgebt, dem Anonymus zuzuschreiben. Aber auch der Fall ist
ausgeschlossen, dass etwa eine aus Shakespeare's Jugendzeit
stammende Bearbeitung zu Grunde liegen könnte , da ja in D
sich auch EigenthUmlichkeiten der notorisch aus Shakespeare's
reifster Zeit stammenden Fassung B vorfinden.
Nun könnte man sich freilich die Entstehung von D immer
noch so erklären, dass die englischen Gomödianten den älteren
Hamlet nach Deutschland verpflanzten, dass derselbe einige
EigenthUmlichkeiten enthalten habe, die Shakespeare in der
Fassung A noch beibehielt und dass diese deutsche Bearbeitung
des alteren Hamlet alsdann später mit Zusätzen aus B versehen
wurde. Diese Vermuthung würde aber erst dann eine ernst*
liehe Berücksichtigung verdienen, wenn es gelänge wahrschein-
lich zu machen , dass einiges von den weder mit A noch mit B
stimmenden Bestandtheilen in D aus dem älteren Hamlet stam*
men könnte.
Man hat sowohl aus den charakteristischen Auslassungen
als auch aus den charakteristischen Zusätzen auf einen solchen
Ursprung von D schliessen zu dürfen geglaubt. Was die Aus-
lassungen betrifft, so argumentiert namentlich Widgery gerne
mit der Erwägung, dass der Verfasser von D sich einzelne
Schönheiten der Shakespeare'schen Tragödie nicht würde haben
entgehen lassen, wenn sie ihm überhaupt vorgelegen hätten.
Derartige Auslassungen beweisen jedoch gar nichts; sie gehö-
ren mit^zur ständigen Praxis der deutsch-englischen Gomödian-
ten, die alles das unbarmherzig strichen oder abkürzten , was
nicht dem rein äusserlichen Bühneneffekt diente. In ihren Be-
arbeitungen der Geschichten von Fortunatus, von Doctor Faust,
von Romeo und Julia, vom Raufmann von Venedig, die unzwei-
felhaft auf Dekker, Marlowe und Shakespeare zurückgehen,
schlugen sie ganz dasselbe Verfahren ein , von allem dem, was
<lurch Schönheit des dichterischen Ausdrucks oder durch Ge-
danken reichtbum wirkt, ist in diesen Dramen ebensowenig wie
im Hamlet übrig geblieben. Julians Monolog »hinab du flammen-
hufiges Gespann«, Portia's Rede von der Gnade sind ebenso ver-
schwunden wie Hamlets »Sein oder Nicht -Sein«. Im übrigen
4) Vgl. Lessing, hamb. Dramaturgie SL 73.
25
wurde ja das Verfahren dieser deutschen Bearbeiter englischer
Dramen bereits oben kurz charakterisiert; um hier nur noch
ein Beispiel vorzuführen , wie wenig sie die Schönheiten ihrer
Originale zu würdigen verstanden , sei bloss auf die Stelle hin-
gewiesen , wo Hamlet die Schauspieler der Fürsorge des Polo-
nius empfiehlt. Dieser antwortet in D ganz ähnlich wie bei
Shakespeare: )>Ja, ja, ich will sie tractieren, wie sie es verdie-
nen«. Dagegen die in seiner Vorlage unzweifelhaft vorhandene
Antwort Hamlets: »God's bodykins, man, much better! Use
every man after his desert and who would scape whipping«
(fast ebenso auch in Ä) hat sich D völlig entgehen lassen.
Auch in den charakteristischen Zusätzen von D zeigt sich
nichts, was auf englische Tradition hinwiese. Man hat zwar
wiederholt behauptet , dass das Auftreten der Nacht und der
Furien im Vorspiel im Geiste der alteren euglischen Tragödie
gehalten sei; dass ebenso in Kyd's spanish tragedy die Göttin
der Rache und der Geist des Andrea, in dem pseudo-shake-
speare'schen Locrine Ate als Prolog auftreten. Aber derartige
Prologe sind bekanntlich durchaus kein bezeichnendes Merkmal
der älteren englischen Bühne; gerade in der Zeit, in welcher
der deutsche Hamlet die Gestalt erhielt, in welcher er gegen-
wärtig vorliegt, waren die allegorischen Prologe auf der deut^
sehen Bühne heimisch, das deutsche Volksschauspiel vom Doc-
tor Faust liefert uns ein unzweifelhaftes Beispiel, dass ein
solcher Prolog damals in Deutschland an ein altes englisches
Stück angefügt wurde ^). Zudem macht der Hamletprolog den
Eindruck , als gehöre er ursprünglich gar nicht zu dem Stück,
vor welchem er sich jetzt befindet. Ein Hinweis auf die Hand-
lung des Stücks findet sich bloss in den Worten der Nacht:
j^Diese Nacht den künftigen Tag müsst ihr mir beystehn, denn
es ist der König dieses Reichs in Liebe gegen seines Bruders
Weib entbrannt, welchen er um ihrenthalben ermordet, um
sie und das Königreich zu bekommen. Nun ist die Stunde vor-
handen, dass er sein Beylager mit ihr hält, ich will meinen
Mantel über sie decken, dass sie beyde ihre Sünden nicht sehn
1) Vgl. Creizenach , Versuch einer Geschichte des Volksschauspiels
vom Doctor Faust. Halle 4 878. S. 53. Ein ähnliches Vorspiel auch in
Kongehl's Innocentia, welche denselben Stoff wie Shakespeare's Cymbeline
behandelt.
26
sollen, derowegen seyd bereit, den Saamen der Uneinigkeit aus-
zustreuen , mischet Gift unter ihre Eh*, und Eyfersucht in ihre
Herzen«. Nach den letzten Worten, die zu der folgenden Tra-
gödie durchaus nicht passen , sollte es fast scheinen, als ob ein
späterer deutscher Bearbeiter in das Vorspiel eines anderen
Stückes die auf König und Königin bezüglichen Worte ein-
geschoben habe, um es auch für den Hamlet verwenden zu
können.
Auch die übrigen mit Shakespeare nicht übereinslimmen-
den Bestandtheile von D sind ohne Zweifel als spätere Zusätze
zu betrachten. Dies zeigt sich besonders deutlich in den völlig
umgeänderten Gesprächen zwischen Hamlet und den Schau-
spielern , die durchaus die deutschen Bühnenzustände in der
zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts wiederspiegeln*).
Das nämliche gilt auch von dem Gespräch zwischen Hamlet und
Corambus nach dem eingelegten Schauspiel Act II, Scene 9, wo
Corambus, der den landläufigen Vorurtheilen gegen die Schau-
spieler huldigt, von Hamlet eines besseren belehrt wird. Der
Dispens des Papstes wird wohl ein tendenziös antikatholischer
Zusatz sein, wie ihn eine Truppe, die nach den Andeutungen
in den erwähnten Gesprächen vorzugsweise Norddeutschland
bereist hat, sich wohl erlauben konnte. Die Anecdote von dem
»Kavalier in Anion« wird in ähnlicher Weise auch anderwärts
erzählt, u. a. in Lope de Vega's Drama el mayor imposible, das
nach mancherlei Umwegen sich auf das Repertoire der deut-
schen Wanderschauspieler verirrte 2). Die Geschichte von den
beiden Banditen, die Hamlet tödten wollen und sich dabei ge-
genseitig erschiessen, zeigt ganz den marionettenhaften Charak-
ter der Stücke , mit denen die englischen Gomödianten , nach-
dem sie die Fühlung mit dem Vaterlande verloren hatten , ihr
Repertoire bereicherten. Sie gemahnt an den Stil der Samni-
4) Ein characteristischer Zusatz findet sich nach der plötzlichen Un-
terbrechung des Schauspiels II, 8. Hamlet sagt zu den ConiniödianteD:
»Ob ihr zwar die Materie nicht zum Ende gespielt, und es dem Könige nicht
behaget, so hat es uns doch Wohlgefallen. Horatio soll euch meinetwegen
contentiren«. Worauf dann die Gomödianten noch um einen Reisepass
bitten.
5) Vgl. Jahrg. 4886. S.M4 der vorliegenden Berichte und dazu Heine,
Johannes Veiten. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Theaters im
XVII. Jahrhundert. Halle 4887 (Doctor-Diss.) S. 36 f.
27
Jung von 1630, an Dramen wie »König MantaIor<r oder die »Tragi
Gomedia« ohne Titel. Ebenso wird es sich wohl auch bei der
Ohrfeige, die der Geist einer Schildwache applicirt, nur um
eine jener geschmacklosen Zuthaten handeln, an denen die
Schauspiele der englischen Comödianten überreich sind. Die Hai-
lunicationen und die Ohnmacht Hamlets vor Beginn des Kampf-
spiels erinnern uns daran, dass auch sonst die Helden der
Haupt- und Staatsaction es liebten , gegen Ende des Stückes
ihre Kunst in der Darstellung solcher ekstatischer und paralyti-
scher Zustände zu zeigen ^] . In den comischen Scenen finden
wir den zwar auch in anderen Literaturen vorkommenden, aber
auf der deutschen Bühne des ausgehenden siebzehnten Jahr-
hunderts, wie es scheint, ganz besonders beliebten Gegensatz
zwischen einem tölpelhaften bäurischen und einem etwas ge-
wandteren, höfischen Narren.
Eine besondere Beachtung verdient Hamlets Anecdote von
der Mörderin , die ihr Verbrechen während einer Theatervor-
stellung eingesteht. Shakespeare, der an der betreffenden
Stelle bloss sagt,
I have heard
That guilty creatures, sitting at a play
Have by the very cunning of the scene
Been Struck so to the soul that presently
They have prociaimed their malefactions
hat ohne Zweifel auf eine ähnliche Geschichte angespielt. Die
€ommentaloren haben bereits auf eine Begebenheit hingewie-
sen, die in dem Drama »a waming for fair women« (vor 4590)
erzählt wird und die mit der in D erzählten nahe verwandt ist.
Wir begegnen ihr dann wieder in Heywoods apology for actors
4642, wo sich auch noch andere wunderbare Beispiele von der
Enthüllung einer Frevelthat im Theater finden. Solche Ge-
schichten, die man ja sehr wohl in der Polemik gegen die
Feinde der Bühne verwenden konnte, waren gewiss im Kreise
der Schauspieler und Theaterfreunde sehr beliebt und verbrei-
tet. Zu der Annahme, dass D die Erzählung aus dem alten
Hamlet übernommen habe^ während Shakespeare sie nicht auf-
nahm und sich bloss auf die flüchtige Anspielung beschränkte.
4} Vgl. Jahrg. 4886. S. 116 dieser Berichte.
28
ist durchaus kein Grund vorhanden. Viel wahrscheinlicher isl
eS; dass der täppische Bearbeiter es nicht bei der flttchttgen
Anspielung bewenden lassen wollte , zumal da wir ja sahen,
dass auch an einer anderen Stelle in D in die Rolle des Hamlet
eine solche überflüssige Anecdote eingeschoben ist ^) .
Nur an einer einzigen Stelle in D ist es bis jetzt gelungen,
den möglichen Zusammenhang mit dem filteren Hamlet einiger-
massen plausibel zu machen. Als der König Act UI, Sc. 40 sei-
nem Stiefsohn ankündigt, er wolle ihn nach England schicken,
bemerkt dieser: »Ja, ja König, schickt mich nur nach Portugall,
auf dass ich nimmer wieder komme, das ist das beste«, worauf
dann der König erwidert: »Nein nicht nach Portugall, sondern
nach England«. Es ist nun freilich schwer zu begreifen, was
mit dieser Anspielung auf Portugal gemeint sein könnte. Lath-
am glaubt , es habe sich hier ein Hinweis auf die Expedition
erhalten, die im Jahre 4589 unter Führung Orakels zur Unter-
stützung des Thronprätendenten Don Antonio nach Portugal ab-
ging, eine Expedition , die einen höchst unglücklichen Verlauf
nahm, indem von 24 000 Soldaten bloss 40 000, und von 4400
Edelleuten, die sich angeschlossen hatten, bloss 350 in die Hei-
math zurückkehrten. Diese Stelle soll nun aus dem filteren Ham-
let stammen, der alsdann ins Jahr 1589, den fiussersten termious
ad quem fallen müsste , und sich auf ein Ereigniss beziehen,
das gerade damals das Londoner Publicum beschäftigte. Das
Argument hat in der That etwas bestechendes und wttrde un-
sere volle Beachtung verdienen, wenn es zusammen mit andern
Argumenten aufträte. In seiner Vereinzelung ist es jedoch nicht
beweiskräftig und vielleicht würde es auch einem Geschichts-
kenner gelingen , in der Geschichte des siebzehnten Jahrhun-
derts ein Ereigniss zu finden , auf welches sich die Stelle in D
beziehen könnte. Möglicherweise könnte man ein derartiges
Kreigniss aus der Zeit des holländisch*portugiesischen Krieges
nachweisen, der sich in Folge der Annexion portugiesischer Co-
lonien durch die Holländer zur Zeit der spanischen Herrschaft
in Portugal (4580—1640) entspann und sich nach der Neube-
4) Bereits Cohn S. CXXIII hat mit Recht bemerkt: Hhat the actors
who first performed the German Hamlet did not rest satisfied witb the mere
allusion as they found it in Shakespeare , but related the incident itselk
Er macht darauf aufmerksam, dass wir in Strassburg, wo die Geschichte
in D lokalisiert erscheint, im Jahre 4 654 englische Comödianten finden.
29
grüDdung des portugiesischen Königreichs noch bis zum Jahre
4669 hinzog. In diesem Falle wäre die Anspielung vermuthlich
von den Comddianten bei Gelegenheit einer ihrer zahlreichen
Wanderungen in Holland eingeschoben worden.
Vor allen Dingen aber muss noch ein Umstand hervorgeho-
ben werden , welcher aufs entschiedenste gegen einen directen
Zusammenhang zwischen D und dem älteren Hamlet spricht.
Das ältere Drama beruhte ohne jeden Zweifel auf einer der pro-
saischen Erzählungen von Hamlet. Ebenso hat Shakespeare
ohne Zweifel einige von den charakteristischen Zusätzen
und Abweichungen des älteren Dramas übernommen, so jeden-
falls das Auftreten des Geistes. Wenn also auch Shakespeare
vielleicht in einzelnen Punkten auf die Prosaquellen zurUck-
gegriifen haben könnte, so darf man doch sagen, dass das ältere
Drama die Zwischenstufe zwischen den Prosaquellen und Shake-
speare bildet. Wenn nun wirklich D auf dem älteren Drama
beruhte, so sollte man doch voraussetzen , dass es in einigen
der Punkte, wo es von A und B abweicht, mit den Prosaquellen
übereinstimmt und Anklänge an die vor-shakespeare'sche Ge-
staltung der Hamletsage zeigt. Diess ist aber keineswegs der
Fall. Widgery weist zwar darauf hin , dass man bei den Ver-
sen, mit denen Horatio die deutsche Haupt- und Staatsaction
beschliesst :
sSo gehts wenn ein Regent durch List zur Krön sich dringet
Und durch Verrätherey dieselbe an sich bringet
Derselb erlebet nichts, als lauter Spott und Hohn
Denn wie die Arbeit ist, so folget auch der Lohn«
daran erinnert werde, wie auch Belieferest in seiner Darstellung*
der Geschichte Hamlets wiederholt Bemerkungen gegen die ver-
brecherische Herrschsucht einflicht, aber man braucht diese
lederne Moralisation durchaus nicht mit Belieferest zusammen
zu bringen, es ist das eben nur eine von den vielen ^trefflichen,
pragmatischen Maximen« , die ja bekanntlich zum Wesen der
Haupt- und Staatsactionen gehören und die man gern in Alexan-
drinerform an den ActschlUssen anbrachte. Der Name des Kö-
nigs Erico anstatt Claudius ist trotz seinem nordischen Klang
doch nicht aus Saxo Grammaticus oder Belieferest entlehnt ; dort
heisst der Usurpator Fengo. Ebensowenig weist der Name der
Königin Sigrie auf die Prosaerzählungen von Hamlet zurück, die
30
Königin beisst bei Saxo Gerutha , bei Belleforest Geruthe , da-
nach bei Shakespeare Gertrud. Nur an einer der von Shake-
speare abweichenden Stellen in D habe ich etwas mit den Prosa-
erzählungen übereinstimmendes gefunden; in D Y, 2 sagt
Hamlet zu seiner Mutter: »Weint Ihr? Ach lassts nur bleiben,
es sind doch lauter Grocodillsthränen«. Bei Saxo : »quid, inquit.
inulierum turpissima, gravissimi criminis dissimulationem falso
lamenti genere expetistr, bei Belleforest: »Sous le fard d^nn
pleur dissimul6, vous couvriez Tacte le plus miserable«*), —
ein völlig vereinzeltes Zusammentreffen, das ohne jeden Zweifel
auf blossem Zufall beruht.
Aus allem obigen ergibt sich, dass D zum weitaus grössten
Theil auf Shakespeare zurückgeht und dass keine Veranlassung
vorliegt, die nichtshakespeare'schenBestandtheile aus einem an-
deren altenglischen Drama herzuleiten ; sie für etwas anderes
zu halten als für Zusätze, wie sie die englisch-deutschen Gomö-
dianten auch sonst in ihre Repertoirestücke einzufügen pOegten.
Wenn nun der Shakespeare' sehe Ursprung von D sicher
feststeht, so müssen wir uns die weitere Frage vorlegen, welche
Fassung des shakespeare'schen Dramas zu Grunde liegt. Wir
sahen, dass die Hauptmasse von D aus Theilen besteht, die so-
wohl in A als auch in B vorhanden sind, dass einiges in D je-
doch bloss mit A oder bloss mit B übereinstimmt. Es ist leicht
einzusehen , dass demnach D nur auf zweierlei Weise entstan-
den sein kann. Entweder es wurden von den wandernden
Schauspielertruppen einige Lesarten der einen Fassung in die
andere übernommen oder das deutsche Drama muss auf einer
Fassung des Shakespeare' sehen Hamlet beruhen, in welcher so-
wohl die in D befindlichen Eigenthümlichkeiten von A, als aueh
die in D befindlichen Eigenthümlichkeiten von B neben einander
vorhanden waren.
Wer die obigen Zusammenstellungen (vgl. S. 4 S ff.) betrach-
tet, muss die erstere Eventualität im höchsten Grade unwahr-
scheinlich finden. Dasjenige, wodurch Shakespeare's Hamlet
sich den Englischen Comödianten als ein bühnenwirksames, für
ihre Zwecke brauchbares Stück empfehlen konnte, war durch-
weg in beiden Fassungen in gleicher Weise vorhanden. Es ist
1) Vgl. Gericke und Mollke, Shakespeare's Hamlet-Quellen. Leipzig
1884. S. XVIi; LIV.
31
schlechterdings nicht abzusehen, wie Jemand hätte auf den Ge-
danken kommen können , die oben verzeichneten , bloss in B
oder bloss in A vorkommenden Stellen aus dem einen Text
herauszusuchen und in den andern einzufügen. Dass die Ein-
fügung der Stellen aus A in einen auf B beruhenden Text vol-
lends undenkbar wäre , muss sofort einleuchten. Ebenso un-
denkbar wäre auch das umgekehrte Verfahren, denn die
charakteristischen Vorzüge von B — der reine dichterische
Sprachausdruck und die unverkürzte Vollständigkeit der philo-
sophischen Raisonnements — konnten ja für die wandernden
ComOdianten gar nicht in Betracht kommen.
Als einfachste und befriedigendste Lösung der Schwierig-
keit ergibt sich sonach die Annahme, dass D auf einer verloren
gegangenen Fassung des Sbakespeare'schen Textes beruht, in
welcher Eigenthümlichkeiten von A und von B vereinigt waren
und welche wir als Y bezeichnen wollen. Diese Annahme muss
um so berechtigter erscheinen, da fast alle diejenigen, die sich
bisher mit der Hamlet-Text-Frage beschäftigten, auch ganz ohne
Rücksicht auf D durch die blosse Betrachtung von A und B auf
ein solches Y als auf ein nothwendiges Postulat hingewiesen
wurden. Für die Erklärung von Y kommen nun zwei Möglich-
keiten in Betracht. Entweder
4) Y ist die gemeinsame Grundlage von A und von B. A
ist entstanden durch unbefugte Verunstaltung von Y, B da-
durch, dass der Dichter selber Y nachträglich umarbeitete. Dies
ist die Meinung derjenigen, die an eine vor B zu setzende Re-
daction des Shakespeare'schen Dramas glauben. Oder
2) Y ist eine Zwischenstufe zwischen B und A, die Abwei-
chungen von B in Y sind Änderungen , die bei der Bühnendar-
stellung vorgenommen wurden und von der Bühnendarstellung
aus in A übergingen. Dies ist die Meinung derjenigen, die nur
an eine Redaction des Shakespeare^schen Dramas glauben.
Wir mögen uns aber Y erklären, wie wir wollen , so viel
ist sicher, dass es die Vorlage von A gewesen sein muss. Es
ergeben sich somit durch die Heranziehung von D für die Be-
urtheilung von A zwei unumstössliche Regeln.
Erste Regel. Wo wir in A und D übereinstimmend
etwas finden, was in B anders gefasst ist oder gänzlich
fehlt, kann die betreffende Stelle in A nicht auf einem willkür-
liehen Zusatz der Veranstalter dieser Ausgabe beruhen, sondern
32
muss auf Y zurückgeführt werden. Diess ist z. B. der Fall bei
den Worten des Königs über den günstigen Einfluss der Luft-
veränderung auf Hamlets Melancholie (s. o. S. 43, No. 7;.
Ebenso bei Hamlets Worten: »Go teil bis Majesty, I will attend
himu (s. 0. S. 14, No. 10). Natürlich müssen dann auch solche
Stellen von A bereits in Y vorhanden gewesen sein, w^elebe mit
den auf diese Weise beglaubigten Stellen in nothwendigem und
unauflöslichem Zusammenbang stehen. Wenn z. B. die Worte
»Go teil bis majestie, I wil attend bim« aus Y herzuleiten sind,
dann gilt dasselbe natürlich auch von der Antwort des gentle-
man : »I shall deliuer your most sweet answer« und auch von den
darauffolgenden Worten : »Hamlet: You may sir, none better for
y' are spiced, Else he had a bad nose could not smell a fooK
Horatio : He will disclose himself without inquiriea , und wenn
diese spöttischen Bemerkungen über den moschusduftenden
Narren auf Y zurückgehen , so ist wohl dasselbe der Fall mit
dem in B fehlenden Ausruf Hamlets zu Beginne dieser Unter-
redung (A 2021] : foh, how the muske-cod smelsl«
Ebenso wird durch D bewiesen, dass Polonius in Y den
Namen Corambus wie in D oder Gorambis wie in A führte. Das
Erstere kann man wohl als das wahrscheinlichere bezeichnen,
da die Namensform Gorambus auch an einer anderen Stelle bei
Shakespeare vorkommt^). Hierdurch sind auch die wM'ederholt
unternommenen vergeblichen Versuche erledigt, den Gorambis
in A durch Entstellung aus »Polonius« zu erklären. Man kann
wohl vermuthen, dass für die Namen Montane und Reynaldo
dasselbe gilt wie für Polonius und Gorambis*).
Selbstverständlich gilt jedoch die ausgesprochene Regel
nur für solche Fälle, wo die Möglichkeit ausgeschlossen
ist, dass die Übereinstimmung auf einem blossen Zufall beruht.
Vorhanden ist diese Möglichkeit überall da, wo in AD überein-
stimmend etwas fehlt oder kürzer gefasst ist als in B. Denn in
diesem Falle ist es sehr wohl denkbar, dass A und D unab-
hängig von einander etwas in Y befindliches ausgelassen oder
i) Alls well that ends well Act IV, Sc. 3, wo Parolles bei seinem Ver-
hör im florentinischen Lager einen Hauptmann Corambus erwähnt.
2) Ein anderer Namensunlerschied, Albertus für Gonsago (A 434 2^
beruht allerdings, wie Tanger (Transactionsetc. S. 177 mit Recht bemerkt
hat, bloss auf einem Versehen des Redactors von A.
33
in eine kürzere Form zusammengezogen haben könnten. So ist
es z. B. in A und D der König, weicher im Gespräch mit Laertes
diesem den Gedanken eingiebt, die Klinge seines Rappieres zu
vergiften (s. o. S. H, No. 8). Wir finden hier nichts von der
ganzen kunstvollen Führung des Gesprächs in B , wo der König
in wohlberechneter Weise die Rachsucht und den Ehrgeiz des
Laertes aufstachelt, so dass schliesslich dieser selbst die Ver-
giftung des Rappiers vorschlägt. Daraus dürfen wir aber noch
nicht schliessen, dass das alles Feinheiten wären, die entweder
nach der ersten Möglichkeit von Shakespeare erst nachträglich
eingefügt wurden oder nach der zweiten Möglichkeit schon in
Y ausgefallen waren ; da wir bei den Yerfertigem von A und
I) die nämliche Gleichgültigkeit gegen derartige feinere Züge
linden, wäre es sehr wohl denkbar, dass beide unabhängig von
einander dem König sogleich den ganzen verbrecherischen Plan
in den Mund legten, um den Gang der Scene abzukürzen.
Ebenso wie die A und D gemeinsamen Auslassungen und Ab-
kürzungen sind auch die gemeinsamen Änderungen und Zusätze
überall da zu beurtheiien , wo sie sich aus der eben berührten
gemeinsamen Tendenz der Vergröberung feinerer Motive erklä-
ren lassen. Diess trifift in dem folgenden Falle zu. Die Shake-
speareforscher, welche meinen, dass A bloss durch Corruption
aus dem Shakespeare' sehen Texte entstanden sei , haben ihren
Gegnern wiederholt und mit Recht vorgehalten , dass die in A
hervortretende Tendenz, die Königin weniger schuldbeladen
erscheinen zu lassen, durchaus nicht auf ursprünglich vorhan-
denen, später aber wieder fallen gelassenen Intentionen des
Dichters zu beruhen brauche, es verhalte sich vielmehr so,
dass Shakespeare absichtlich diesen Punkt nicht präciser und
klarer behandelt habe und dass die plane Deutlichkeit von
A nur auf der Unfähigkeit beruhe, in die Intentionen des
Dichters einzudringen. Diese Erwägung verliert natürlich da-
durch nichts von ihrer Richtigkeit , dass wir auch in D Zu-
salze finden, die zur Entlastung der Königin dienen sollen
vgl. S. 22).
Zweite Regel. In allen Fällen, wo B und D gegen A
übereinstimmen, sind wir zu der Annahme berechtigt, dass die
Abweichungen in A lediglich auf Nachlässigkeit oder Willkür
der Veranstalter dieser Ausgabe beruhen.
Ebenso wie die Übereinstimmungen zwischen D und A ein
1887. 3
34
Correcliv bilden gegen diejenigen, welche zu sehr geneigt sind,
die Eigenthümliehkeiten von A auf Willkür und Entstellung
zurückzuführen (vgl. das oben S. 32 über Polonius undCoram-
bis gesagte), so bilden die Übereinstimmungen zwischen D und
B ein Gorrectiv gegen die, welche sich zu leicht zu der Annahme
entschliessen , dass die Eigenthümliehkeiten von A auf dessen
Vorlage zurückzuführen seien. So fehlen z. B. in A die Worte,
mit welchen der König zu Beginn von Act II, 2 seine Vermäh-
lung mit der Wittwe seines Bruders verkündigt (vgl. S. 46) und
Furnivall hat hieraus den Schluss gezogen, dass diese Worte
auch in der Vorlage von A noch nicht vorhanden waren und von
Shakespeare erst bei einer spätem Redaction eingefügt wurden.
Dass diess unrichtig ist, ergibt sich durch Heranziehung von D.
Im übrigen würde es sich bei den meisten der oben angeführ-
ten Übereinstimmungen von D und B schon aus inneren Grün-
den ergeben, dass die abweichenden Lesarten in A auf Auslas-
sung oder Entstellung beruhen.
Nur der Fall No. 44 ist nicht so vollständig klar. In D und
B erfahren wir Hamlets wunderbare Rettung aus einem Ge-
sprüch Hamlets mit Horatio ActV, Sc. 2 (nach der Kirchhof scene).
In A wird dieselbe Begebenheit in einem Gespräch zwischen
Horatio und der Königin erzählt und an eine frühere Stelle im
Gange des Stückes verschoben (474711.); die Königin macht
dem Vertrauten ihres Sohnes gegenüber gar kein Hehl aus ihrem
Mitgefühl für Hamlet und ihrem Abscheu gegen den Gemahl.
BegreiHicherweise handelt es sich hier um eine der am meisten
umstrittenen Stellen in A. Es ginge aber doch nicht an , diese
Scene auf die Autorität von D gestützt für einen willkürlichen
Zusatz zu erklären. Die ganze Geschichte von Hamlets Retlunsz
erscheint in D in einer von A und B so völlig abweichenden
Gestalt (s. o. S. 20 f.), dass es zu keinen weiteren Schlüssen
berechtigt, wenn wir in diesem gänzlich unsbakespeurischen
Bestandtheil von D ein Gespräch mit Horatio finden, in weichem
die vorher auf der Bühne dargestellte Begebenheit in so unge-
schickter Weise noch einmal erzählt wird. Diese Überein-
stimmung von D und B kann ebensowenig in unserer Un-
tersuchung berücksichtigt werden, wie die gleichfalls auf
die Rettungsgeschichle bezügliche Übereinstimmung hinsicht-
lich des conlrären Windes zwischen I) und A (s. o. S. 44.
No. 9).
35
Aus der grossen Anzahl von Übereinstimmungen zwischen
Bund Y, die wir mit Hülfe von D constatieren können, ge-
winnen wir den Eindruck y dass B und Y sehr nahe mit einan-
der verwandt gewesen sein müssen.
Alle bisher gewonnenen Ergebnisse sind unabhängig davon,
auf welche Weise wir uns Y erklären. Nun drangt sich uns
noch die Frage auf, was denn Y sei , ob die gemeinschaftliche
Quelle von A und B oder eine Zwischenstufe zwischen B und A.
Der einzige Anhaltspunkt, den uns D für die Beantwortung die-
ser Frage gewährt , sind diejenigen mit A übereinstimmenden
Stellen , bei welchen es keinem Zweifel unterliegt, dass die
Übereinstimmung nicht auf einem blossen Zufall beruht, son-
dern auf Y zurückgeht. Wir werden diese Stellen mit den ent-
sprechenden Stellen in B vergleichen und uns dann in jedem
einzelnen Falle die Frage vorlegen müssen , ob es wahrschein-
licher ist, dass Shakespeare zuerst so schrieb , wie in der Vor-
lage von A stand, oder ob wir nicht vielmehr den Eindruck ge-
winnen, dass die Lesarten von B die ursprünglicheren sind und
dass die Lesarten von A auf Änderungen zurückgehen, die für
die Zwecke der Bühnendarstellung mit Shakespeare's Manu-
script vorgenommen wurden.
Dass von den 12 Punkten, an welchen sich Übereinstim-
mung von D und A gezeigt hat, No. 3 und No. 6 nicht in Be-
tracht kommen, ergiebt sich von selber; dass das nämliche mit
No. 8 (Vergiftung des Degens] der Fall ist, wurde oben S. 33
dargethan. Ebenso wäre es wohl auch denkbar, dass bei No. 5
(die Worte des Polonius nach der Unterbrechung des Schau-
spiels) und bei No. 12 [König Claudius von Hamlet als »Vater«
angeredet) die Übereinstimmung auf einem blossen Zufall be-
ruhte. No. 9 (der »conträre Wind« bei Hamlets Fahrt nach
England) bezieht sich auf einen Theil von D, welcher vollstän-
dig von Shakespeare abweicht und innerhalb dessen, wie oben
bereits auseinandergesetzt wurde, uns weder die Übereinstim-
mungen mit B, noch die Übereinstimmungen mit A zu weiteren
Schlüssen berechtigen können. Auf die Übereinstimmung No. 2
(dass wir in D und A vor den Worten, die den beiden das
Stück eröffnenden Kriegern in den Mund gelegt werden , bloss
die Bezeichnungen »erste Schildwache« und »zweite Schild-
wache« finden , dagegen in B die Bezeichnungen Bcrnardo und
Francisco) werden wir auch kein weiteres Gewicht legen dürfen.
3»
36
Goethe^] hat zwar dem Umstand, dass in A die zwei Wachen
bloss durch Zahlen von einander unterschieden sind, eine be-
sondere Bedeutung beigemessen. Er meint, dass Shakespeare
später erst diese untergeordneten Rollen den Schauspielern zu
Liebe durch Beilegung bestimmter Namen »zu Ehren und Be-
deutung gebracht« habe und wird durch dieses Verfahren an
Schiller erinnert, »der im Teil die Bauerinnen benamsete und
ihnen einige Worte zu sprechen gab, damit es annehmbare
Rollen würden«. Dieser Gedanke, so ansprechend er auch sein
mag, beruht doch auf einem Irrthum, wie schon daraus hervor-
geht, dass in A 10, 11 der Name Dßarnardoa im Text vorkommt;
Francisco wird allerdings nur in B 1, 1, 6 im Text namentlich
bezeichnet. Dass übrigens der Name Francisco auch in Y vor-
handen war, geht daraus hervor, dass wir ihm in D wieder be-
gegnen, wo er allerdings nicht dem wachestehenden Soldaten,
sondern dem später auftretenden Officier beigelegt wird, der in
A B Marcellus heisst. Die Namenlosigkeit der Schildw achen in
D kann also gar nichts beweisen, es liegt hier vielmehr noch
eine neue Übereinstimmung von D und B vor, da in beiden
Versionen der in A fehlende Name Francisco vorkommt.
Es bleiben nun aber noch fünf Fälle übrig, in welchen die
Übereinstimmung von D und A auf Y zurückgehen muss: No. 4
(Corambus) , No. 4 (lloratio will seinen Augen «eine scharfe
Aufsicht anbefehlen a), No. 7 (günstiger Einfluss des englischen
Climas auf Hamlet), No. 10 (die Phrase, mit welcher Hamlet
den Höfling entlässt und im Zusammenhang damit die Spötte-
leien über den parfumirten Gecken, vgl. S. 32), und No.11 (die
Symptome des herannahenden Todes).
W'as No. 1 betrifft, so vermögen wir uns weder eine Vor-
stellung davon zu machen, was den Dichter veranlasst haben
könnte , den in einer ersten Fassung vorhandenen Namen Co-
rambus in Polonius umzuändern , noch auch , wie er resp. <lic
i) In seiner Rcsprcchunf; des in Leipzig 4 825 ersolMcnoncn Abdrucks der
ersten Quarte in »Kunst und Alterlhuni«, Ud. VI, Hcftn, 4827 (ed. Hcinpcl,
B<l. XXIX, S. 746 rr.). Goetlic betrachtet A als dieSiLzze von B. «Durch-
aus l)ewundern wir die Sicherlieit der ersten Arbeit, Wie ohne langes Be-
denken, einer lebendig leuchtenden Erfindung genWiss l wie aus dem Steg-
reif hingegossen erscheint«. Freilich eine unhaltbare Er«iJirung, die jedoch
durch die Art, wie sie vorgetragen wird, Bedeutung erp«dt und wohl eine
Krwühnung in den Kurnesssrhen Zusamnienslellungen v|prdient hatte.
\
37
Schauspieler dazu gekommen sein mögen, die umgekehrte Än-
derung vorzunehmen. In den Füllen No. 4 und No. 7 sind die
Lesarien von B jedenfalls feiner und shakespeare'scher. In
No. i 0 geben die Worte : »Go teil his majestie, I vvil attend him«
für sich allein noch keinen bestimmten Anhaltspunkt, wohl aber
die in A untrennbar von diesen Worten tiberlieferten Spötte-
leien über den Moschus£;eruch. Hier erklärt man sich den Un-
terschied allerdings am besten durch die Annahme, dass die
Stelle in Y durch Abänderung von B entstanden ist und zwar
auf folgende Weise. Shakespeare schrieb ursprünglich so, wie
wir es jetzt in B lesen, dass zuerst Osrik erscheint, um den
Prinzen von dem beabsichtigten Kampfspiel zu unterrichten und
dann ein Lord kommt, welcher das Herannahen des königlichen
Hofes ankündigt. Nun ist es sehr wohl möglich , dass man, um
den Gang der Handlung gegen Ende des Stückes abzukürzen
und um die kleine Rolle des Lords entbehrlich zu machen, die
beiden Auftritte zusammenzog, so dass nunmehr Osrik es zu-
gleich auch übernahm, das Herannahen des Hofes anzumelden,
wie er diess wirklich A 20431!*. thut. Bei dieser Umarbeitung
und Abkürzung mag man dann auch auf den Gedanken gerathcn
sein, die Rolle Osriks dadurch wirksamer zu gestalten, dass
man ihn, wie seinen geistigen Bruder, den Hofmarschall Kalb
»einen Bisamgeruch über das Parterre verbreiten« Hess und auch
einige darauf bezügliche Worte in den Text einfügte, wofür
dann ein Theil der Betrachtungen über die afl'ectirte Redeweise
Osriks gestrichen wurde. Jedenfalls sieht dies Parfümiertsein
eher aus wie ein für die Bühne berechneter Zusatz, als wie eine
ursprünglich vorhandene und später fallen gelassene Intention
des Dichters.
Dasselbe wird auch mit No. 1 1 (Todessymplome) der Fall
sein. Hamlets letzte Worte lauten in B V, 2, 363 :
Ol die Horatio
The potent poyson quitc ore-crovves my spirit
l cannoL liue to heare the newcs from England
But I doe prophecic th'ellection lights
On Forlinbrasse, he has my dying voyce,
So teil him, with th'occurrants more and Icsse
Which haue solicited, the rest is silencc.
lnA2119ff.:
38
— 0 my heart sinckes lloraiio
Mine cyos haue lost their sight, my tonguc bis vso;
Farewel Uoratio, hcauen receive my soule.
InD:
Ich werde ganz matt; meine Glieder werden schwach, und
meine Beine wollen nicht mehr stehen; meine Sprache ver-
geht mir , ich fühle den Gift in allen meinen Gliedern. Doch
bitte ich euch, lieber Horatio, und bringet die Krone nach
Norwegen an meinen Vetter den Herzog Forlempras, damit
das Königreich nicht in andere HUnde falle. Ach, o wehe, ich
sterbe 1
Dass der letzte Theil der Rede, wie sie in B steht (die Be-
ziehung auf Fortinbras) schon in Y vorhanden war, wird durch
D bezeugt, dass ferner aus dem ersten Theil jedenfalls die
Worte »the potent poison quite overcrowes my spirit« vorhanden
waren, ergiebt sich aus den Worten in D : »Ich fühle den Gift
in allen meinen Gliedern«. Ausserdem enthielt jedoch auch Y
etwas wie die Worte in A: »mine eyes haue lost their sight. my
tongue his vse«, so dass die ersten Zeilen vermuthlich in Y ge-
lautet haben:
0 I die Iloratio
Mine eyes have lost their sight, my tongue his use
The potent poison quite o*ercrows my spirit.
I cannot live to hear the news from England
u. s. w. wie in B.
Nun ist es freilich etwas auffallend, dass Hamlet erst sagt,
er habe den Gebrauch seiner Zunge verloren und nachher noch
sechs volle Zeilen redet. Sollten wir da annehmen, dass Shake-
speare diesen Vers in der ersten Fassung niederschrieb und
später tilgte, nachdem er den zuerst übersehenen W^iderspruch
bemerkt hatte? Wahrscheinlicher wäre es doch jedenfalls, dass
der Darsteller des Hamlet sich noch etwas in seine Holle ein-
schob, um seine Virtuosität in der Darstellung des Todeskampfes
etwas ausführlicher und mehr con amore zeigen zu können.
No. 40 und No. M sprechen also mehr dafür, dass B die
/ Grundlage von Y ist und ich muss auch bekennen , dass mir
/ persönlich diese Annahme wahrscheinlicher vorkommt. In die-
sem Falle würden die Comödianten Shakespeare's Drama in der
39
Fassung auf den Continent verpflanzt haben, in welcher es sich
auf den Brettern bewährt hatte. Indess genügen die vorgebrach-
ten Thatsachen doch noch nicht, um die Möglichkeit, dass Y die
Grundlage von B ist, als ausgeschlossen zu betrachten. Um ei-
ner Lösung der Frage näher zu kommen, mttsste man ausser
den bereits betrachteten Eigenthümlichkeiten von A auch noch
diejenigen ins Auge fassen, deren ZurUckftthrung auf den Hand-
langer des räuberischen Buchhändlers Schwierigkeiten bereitet,
über deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein in Y wir
jedoch nicht mit Hülfe von D entscheiden können. Eventuell
wäre dann noch zu untersuchen, inwieweit die Änderungen in
Y auf die Schauspieler, in wie weit sie auf Shakespeare selber
zurückzuführen seien. Diess würde jedoch über die Grenzen
der vorliegenden Arbeit hinausgehen , die sich bloss mit dem
Verhältniss von D zu Shakespeare beschäftigt.
Es wurde oben bemerkt, dass keine Veranlassung vorliegt,
die von A und B abweichenden Bestandtheile von D für etwas
anderes zu halten als für später hinzugekommene fremdartige
Zusätze. In den Theilen , welche sonst mit Shakespeare über-
einstimmen, finden sich aber doch einzelne charakteristische
kleine Züge, die auf englische Tradition zurückzuweisen schei-
nen. Namentlich gilt diess von den Bühnenanweisungen, sowie
von solchen Stellen des Dramas, welche Rückschlüsse auf die
Inscenierung gestatten, vor allen Dingen da, wo die alten eng-
lischen Drucke uns mit ihren scenischen Andeutungen im Stiche
lassen und wir auf die von Ausgabe zu Ausgabe sich fortpflan-
zenden Bemerkungen der englischen Herausgeber des 18. Jahr-
hunderts angewiesen sind. In England war bekanntlich in dem
langen Zeitraum von 4 642 — 1660 durch die Unterdrückungs-
massregeln der siegreichen Puritaner die Theatertradition fast
gänzlich unterbrochen , während sich in Deutschland die Über-
lieferung von den englischen Comödianten her bis zur Nieder-
schrift des deutschen Hamlet 1710 stetig fortpflanzte. So ist es
z. B. auf der englischen Bühne da wo Hamlet im Gespräch mit
der Königin das Bild seines Vaters mit dem seines Stiefvaters
vergleicht (Look here upon this picture and on this HI, 4, 53),
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts üblich gewesen, dass
man sich zweier Miniaturportraits bediente; entweder holte
Hamlet beide Portraits aus seiner Tasche hervor, um sie mit
einander zu vergleichen , oder er zog bloss das Portrait des Va-
40
ters heraus und entriss seiner Mutter das Portrait ihres zweiten
Mannes, das sie am Halse trug^j. Stevens und Malone haben
bereits die Meinung ausgesprochen, dass diess nicht im Sinne
Shakespeare's sei, der an grosse Gemälde, die an der Wand
hängen sollten, gedacht habe^]. In D sagt Hamlet: )»Aber sehet,
dort in jener Gallerie hängt das Gooterfeit Eures ersten Ehe-
gemals, und da hängt das Conterfcit des itzigen: was dttnkt
Euch wohl, welches ist doch der ansehnlichste unter ihnen?
Ist der erste nicht ein majestätischer Herr?« — eine Stelle, die
ein gewichtiges Zeugniss für die Richtigkeit der Stevens-Malone-
sehen Ansicht ablegt.
Hierher gehört auch eine Stelle gegen Anfang derselben
Scene. Hamlet sagt da zur Königin A \ 452 ff. :
»llow now mother, come hcre, sit dowue, for you shall
heare me speake.
Queene: What wilt thou do? thou wilt not murder mc,
helpe : hoe :
[Polonius hinter dem Teppich] Helpe for the Queene.
InB HI, 4, 18:
Hamlet : Gome, come and sit you downe, you shaii not boudgc
You goe not tili 1 set you up a glass
Whero you niay see the onmost part of you.
Queene: What wilt thou doe, thou will not nmrlüer me.
Helpe how.
Polonius: What, how helpe I«
Also Hamlet hcisst seine Mutter sich ruhig niedersetzen
und ihn anhören und bloss aus dieser Aufforderung soll die
Mutter den Verdacht schöpfen , er wolle sie tödten ? Aus den
Worten des Dichters tritt jedenfalls der Zusammenhang nicht
genügend hervor. Gewöhnlich bleibt es dem Schauspieler über-
lassen, durch den Ton seiner Stimme und durch sein Geberden-
spiel das fehlende zu ergänzen. Tieck verlangte, man müsse
hinter Hamlets Worte eine Bühnenanweisung einschieben , wo-
i) Über die verschiedenen Arien der Inscenierung und über das Spiel
der hervorragendsten Bühnenkünstler an dieser Stelle vgl. Furness I, 290 ;
11,251,255.
41
nach Hamlet die ThUr verschliessi und dadurch die Todesangst
der Königin erregt. In D lautet die entsprechende Stelle :
Hamlet: Pfui! schUmet Euch. Ihr habt fast auf einen Tag
Begrübniss und Beylager gehalten. Aber still, sind
alle Thüren vest verschlossen?
Königin: Warum fragst du das?
[Corambus hustet hinter der Tapete.
Es wäre sehr wohl denkbar , dass die gesperrt gedruckten
Worte in einer alten Bühnenanweisung ihren Ursprung hätten ;
jedenfalls können sie zur Unterstützung der Tieck^schen Ansicht
herangezogen werden. Tieck hat sich freilich mit den Reper-
toirestücken der englischen Comödianten in Deutschland viel
beschäftigt und man könnte daher vcrmuthen, dass er vielleicht
durch die obige Stelle auf seine Bühnenanweisung gebracht
wurde, aber er hätte alsdann gewiss nicht verfehlt, diess aus-
drücklich zu betonen.
Einer der Punkte, die bisher für das Verständniss wie für
die Inscenirung des Hamlet die meisten Schwierigkeiten bereitet
haben, ist der von Hamlet und Laertes in der Hitze des Gefechts
vorgenommene Waffen tausch. B hat zu dieser Stelle gar keine
Bühnenanweisung, die Folio sagt bloss »in scuffling, they change
rapierscc. A, das ja aus Notizen entstanden ist, die während
der Bühnenaufführungen genommen wurden und aus dessen
scenischen Anweisungen wir daher manches erfahren, worüber
die anderen Texte schweigen, bemerkt hier: They catch one
anothers Rapiers, and both are wounded, Leartes falls downe.
Am ausführlichsten wird der ganze Hergang in D beschrieben :
Laertes »lässt das Rappier fallen und ergreift den vergifteten
Degen, welcher parat lieget 'und stösst dem Prinzen die Quarte
in den Arm. Hamlet pariret auf Leonhardo , so dass sie beyde
die Gewehre fallen lassen. Sie laufen ein jeder nach dem Ra-
pier. Hamlet bekommt den vergifteten Degen und sticht Leon-
hardus todt«. — Hier ist eine völlig klare und leicht auszufüh-
rende Anweisung für den Waflentausch gegeben. Nur ist nicht
recht einzusehen, warum Laertes sich nicht gleich von vorn
herein des vergifteten Rappiers bedient haben sollte.
Ausser diesen scenischen Angaben wüsste ich bloss noch
einen Fall, wo eine in D allein vorkommende Stelle zur Kritik des
42
Shakespearo'schen Textes herangezogen werden könnle. In B V,
8, 230 sagt Hamlet, nachdem er von einer schlimmen Ähnung
befallen worden war und Horatio sich erboten hatte, das Kampf-
spiel rückgängig zu machen: »Not a whit, we defie augury,
there ^s a special! prouidence in the fall of a Sparrowe. If it be,
tis not to come, if it be not to come, it will be now, if it bc
notnow, yet it well [will] come, the readines is all. Since no
man of aught he leaues, knowes what ist to leaue betimes,
let be«r. Diess let be fehlt in den Foliosiusgaben und viele Her-
ausgeber, u. a. Dyce und Staun ton, haben es nicht in den Text
aufgenommen. Delius bemerkt mit Recht, dass es keinenfalls
zu dem vorhergehenden Satz gehört. — In D sagt Horatio an
der entsprechenden Stelle V, 3 : »Ach der Himmel gebe doch,
dass dieses Omen nicht etwas Böses bedeuten möge« ; darauf
erwidert Hamlet : »So sey es, wie es will^ ich will dennoch zu
Hofe gehn, und sollte es auch mein Leben kosten«. Es ist sehr
wohl möglich, dass wir den Satz, »so sey esv etc. in D als eine
deutsche Umgestaltung des nämlichen Satzes zu betrachten ha*
ben , welcher in der nachlässig gedruckten Ausgabe B bis auf
zwei Worte verschwunden ist.
Wir haben gesehen , dass durch die Heranziehung von D
neue Ergebnisse für die Feststellung des Verhältnisses von A zu
B gewonnen werden können. Nun ist aber — was ich im Ver-
laufe dieser Abhandlung geflissentlich unberücksichtigt gelassen
habe — B nicht die einzige Grundlage des gangbaren Textes.
Die folgenden Quartoausgaben , eine von 4605, eine von 1641
und eine undatierte sind allerdings nichts als neue Auflagen
von B, die undatierte ist aus der von 4614 abgedruckt. Dage-
gen bietet der Text der ersten Gesammtausgabe von Shake-
speare's Dramen in Folio (1623) eine beträchtliche Anzahl von
bemerkenswerthen Abweichungen, wenn er auch ohne Zweifel
mit B weit näher verwandt ist als mit A. Wie die Discrepanzen
zwischen B und der Folio (Fj zu erklären seien , darüber sind
die Meinungen der Shakespeareforscher getheilt, die Frage hat
auch dadurch einen verwickelten Charakter angenommen, dass
F an einzelnen Slellen mit A gegen B übereinstimmt , während
an anderen Stellen A und B gegen F stehen. Es sei indessen
ausdrücklich bemerkt, dass D keine genügenden Anhaltspunkte
zur Entscheidung der hieran sich anknüpfenden Streitfragen
gewährt. Varianten von F kommen nur bei folgenden in D vor-
43
handcnen Stellen von B in Betracht. In den Worten des Po-
lonius (s. 0. S. 16 No. 4) :
Ile hath my Lord wrung from me my slow leauc
By laboursome petition and at last
lipon bis will I seald my hard consent
I do beseecb you, giue bim leaue to go
feblen in F die gesperrt gedruckten Worte. Ebenso fehlen in F
die Worte let be (V, 2, 235). Statt Hamlets Worten »But
thou wouldst not think bow ill all 's here about my heari
beisst es in F Jibowallherec etc. Also lauter Fälle, in wel-
chen die Varianten in F durch Auslassung oder Entstellung zu
erklaren sind. Ebensowenig berechtigt es zu weiteren Schlüs-
sen, wenn wir in F beim ersten Auftreten der wahnsinnigen
Ophelia die Bühnenanweisung finden: »Enter Ophelia dis-
tractedc und dem entsprechend in D: »Ofelia toll«, wahrend
in B dieser selbstverständliche Zusatz fehlt: »Enter Ophelia«.
Oder wenn in BD, Act I durch eine Bühnenanweisung aus-
drücklich hervorgehoben wird , dass der Lärm des Königlichen
Gastmahls bis auf die Schlossterrasse dringt, während in F eine
solche Bühnenanweisung nicht vorhanden ist. Auch in diesem
Falle ist die Bühnenanweisung überflüssig, da sie aus dem
Texte leicht zu ergänzen ist. Sonst sind die einzigen hier zu er-
wähnenden Varianten, dass die giftige Substanz, deren sich
der Mörder des alten Hamlet bediente, in F Hebenon und In D
Ebene, dagegen in A B llebona genannt wird und dass in F Hl,
2, 281 nicht wie in B bloss Polonius, sondern alle zugleich nach
Lichtern rufen (s. o. S. 43, No. 5).
Herr Zarncke legte einen Aufsatz vor : Weitere MiUhetlungen
über Christian Reuter^ den Verfasser des Schelmuffsky.
In den Abhandlungen unserer Classe [IX, 5, 457 (I.) habe
ich den Nachweis geliefert, dass der Verfasser des Schelmuffsky
ein Leipziger Student, Christian Reuter aus Kutten, war, der
von unserer Universität wegen seines dissoluten Lebenswandels
wie wegen seiner Schriflstellerei relegiert ward. Im Sommer
1 700, mitten in einer ziemlich scandalvoilen Angelegenheit, aber
scheinbar in wohlgesicherter Stellung als Secretür des einfluss-
reichen Kammerherrn von Seyferditz, verloren wir ihn aus den
Augen, und alle Versuche, seine Spur wieder aufzufinden,
schlugen fehl. Es lag nahe anzunehmen, dass er bald darauf
gestorben sei, und man konnte glauben, dass die grosse Produc-
tivität und das hervorragende Talent, das er in den 90er Jahren
und bis zum letzten Augenblicke seines Auftretens bewiesen
hatte, durch einen frühzeitigen Tod in seiner Entwicklung ge-
hemmt worden sei , dass er , wenn er weiter gelebt hütto, sich
zu einem bedeutenden Schriftsteller wttrde ausgebildet haben.
Diese günstige Voraussetzung erweist sich als nicht zutreffend :
Chr. Reuter hat weiter gelebt und hat es dennoch zu einer
höheren schriftstellerischen Redeutung nicht gebracht. Hierüber
soll die nachstehende Darstellung orientieren.
1. Christian Renter redivivns.
In dem im Januar 1887 ausgegebenen Katalog No. XLVIll
von Ludwig Rosenthafs Antiquariat in München fand sich als
No. 263 verzeichnet: »Reuter, Chr., Die frohlockende Spree bei
hochfeyerl. Kroenungsfeste am 18. Jan. 1703, in einer Schiffer-
45
Musik. Berlin (4703)«!). Der Name, die Jahreszahl, der Titel,
der Ort, das Alles machte es mir auf den ersten Blick wahr-
scheinlich, dass hier der verloren gegangene Schriftsteller wie-
der aufgefunden sei. Ich bestellte die Schrift, hatte die Freude,
die sauber mit Goldschnitt gezierte in meinen Besitz zu bringen
und fand meine Voraussetzung bestätigt : die frische Lust, die
in diesen Versen waltete , war so congenial dem musikalischen
Talente des Verfassers der Harlekinaden und der »Oper«, dass an
der Identität nicht zu zweifeln gewesen wäre , auch wenn er
sich nicht, wie schliesslich in Leipzig, so auch hier auf dem
Titel, 9Jur. Utr. Cand.a genannt hätte. Im Januar 4703 war also
Christian Reuter in Berlin gewesen.
Es galt nun. Weiteres zu finden, und so war ich zunächst
wieder auf die Unterstützung hülfreicher Freunde angewiesen.
Da die aufgefundene Schrift eine für den Hof berechnete Ovation
war , so durfte ich vermuthen , dass das Staatsarchiv in Berlin
vielleicht Auskunft bieten weroie ; da Reuter jetzt in Berlin zu
dichten angefangen hatte, so konnte man sich der Hoffnung hin-
geben, auf der dortigen Königl. Bibliothek noch Einiges von ihm
zu entdecken, und da er jetzt so ganz in die Fusstapfen des Ber-
liner Hofdichters Joh. von Besser einzutreten schien und die
Bibliothek dieses zu einem grossen Theil auf die Dresdener
Königl. Bibliothek gekommen war, so lag es nahe, auch dort
Nachsuchungen anzustellen. An allen drei Orten hatte ich be-
währte Freunde und meine Bitte an diese war alsbald von Er-
folg gekrönt : in wenigen Tagen hatte ich 7 neue Schriften Reu-
ter^s, die bis zum Jahre i740 führten, als noch vorhanden nach-
gewiesen. Mein lebhaftester Dank gebührt Herrn Archivrath
Professor Dr. Max Lehmann am Geheimen Staatsarchiv in
Berlin, Herrn Gustos Dr. H. Meisner an der Königl. Bibliothek
ebenda, und Herrn Bibliothekar Professor Dr. Schnorr v. Ga-
rolsfeld in Dresden. Auch Herrn Archivrath Dr. Gross -
mann in Berlin bin ich für seine Bemühungen auf dem Königl.
Hausarchive zu Dank verpflichtet, und Herrn Geh. Regierungs-
1) Ich habe hier so manchen Freunden herzlichen Dank auszuspre-
chen für die Liebenswürdigkeit, mit der sie mich auf diese Notiz, die sie
in ihrem vollen Wcrtho gewürdigt halten, hinwiesen, besonders den Her-
ren Dr. Hans Fischer in Leipzig und Archivrath Dr. Konnecke in Mar-
burg, die mich unmittelbar, nachdem der Katalog erschienen war, auf jenen
Titel aufmerksam machten.
46
rath Dr. Seh ra der in Halle für seine Unterstütxung bei der
wiederaufgenommenen Frage, ob etwa wirklich, Reuter's Wunsch
gem^iss, die bekanntlich in Leipzig vermissten Acten nach Wit-
tenberg verschickt worden seien. Das Ergebniss war in diesem
Fall ein negatives.
Weiteres über das Leben und die Lebensstellung Reuter's
festzustellen , als die neugefundenen Schriften uns gewähren,
ist mir nun freilich — von 6iner Notiz abgesehen — nicht ge-
glückt, und wieder wird er uns schliesslich entschwinden, ohne
dass wir sein ferneres Leben und seinen Tod zu constatieren im
Stande sind. Die Berliner Adresskalender, die Hr. Dr. Meisner
zu durchforschen die Güte gehabt hat, erwähnen seiner bis in
die 30er Jahre nicht, er hat es also in Berlin zu einer angesehe-
nen Stellung nicht gebracht. Dass es ihm auch in GharloUen-
burg, wohin Manches zu weisen schien, nicht gelungen sei, hat
sich ebenfalls constatieren lassen. Die dortigen Kirchenbücher,
wie Herr Küster Alisch mir mitzutheilen die Güte hatte, ken-
nen seinen Namen nicht, nur ein Johann Fritz Reuter erscheint
dort als verheirathet, der mit dem unserigen offenbar nichts zu
schaffen hat. Die Kirchenbücher sämmtlicher Berliner Gemein-
den aber — und Berlin besass in der hier ins Auge zu fassen-
den Zeit bereits mehr als ein Dutzend — aufs Ungewisse hin
nach ihm durchsuchen zu lassen, dazu erschien mir, ehrlich ge-
standen, der Gegenstand doch nicht wichtig genug. Die Bücher
der Domgemeinde, in der wir ihn zunächst zu suchen hatten,
erwähnen seinen Tod nicht. So sah ich denn von weiteren Nach-
forschungen ab, und begnügte mich mit dem Erlangten, das
uns nun das folgende Bild von dieser zweiten Phase unseres
Dichters gewährt.
Bei der wiederkehrenden Feier des Krönungstages am
18. Jan. 1703 war Reuter in Berlin und lieferte zu diesem Tage
ein Singspiel, »Die frohlockende Spree«, das vielleicht
von Schiffern dem Künigl. Schloss gegenüber auf Spreekähnen
aufgeführt ward. Er muss demnach wohl bereits eine Zeitlang
vorher dort gewesen sein. Mit seinem Aufenthalt in Dresden
war es also zu Ende, er hatte dort, wie man glauben muss, ab-
gewirthschaftet. Was hatte ihn nach Berlin geführt?
Die Beantwortung dieser Frage liegt nahe. Die Neigungen
des dortigen Hofes konnten ihn wohl mit Hoffnungen erfüllen.
Der Kurfürst Friedrich III., seit 4701 König Friedrich L, war
47
ein prachtliebender, den Motiven der Eitelkeit wohl zugäng-
licher Herr, der die Dienste der Poesie und der Prosa in dieser
Richtung recht gut zu schätzen verstand. Bei ihm hatten be-
reits der Freiherr von Cunitz und nach diesem der Herr von Bes-
ser als Hofdichter eine angesehene Stellung erlangt, die Man-
chen zu dem Versuche reizen konnte, Ähnliches zu erstreben.
Noch günstiger und besonders für unsern Reuter anziehender
war die Neigung der gelehrten und lebenslustigen Königin So-
phie Charlotte, der Freundin von Leibniz, für Theater und Sing-
spiele. Maskenfeste , carneval istische Lustbarkeiten mit Ballet
und Gesang, sog. Wirthschaften. waren schon seit dem Ende der
80er Jahre bei Hofe beliebt^). Aus dem Gonflict mit dem Hof-
prediger Cochius ersehen wir , dass zu P6ngsten 4 695 bei Hofe
eine Oper aufgeführt wurde ; in den Mai 4 696 fällt dann das
grosse Ballet und Singspiel von Joh. von Besser : »Florens Früh-
lingsfesU. Vielleicht war jener Gonflict mit die Veranlassung,
dass die Kurfürstin ihre hauptsächliche Residenz hinaus zu ver-
legen beschloss nach dem nahen Lützenburg, dem späteren
Gharlottenburg, dessen Schloss am 12. Juli 1699 eingeweiht
ward 2) und das nun auch sofort eine eigene Bühne erhielt. Hier
wurde viel gespielt, gesungen und musiciert, in italienischer
und französischer, dann auch in deutscher Sprache. Unter den
italienischen Musikern trat nebjen Bononcino besonders hervor
der italienische Pater undJSIisiklehrer der Königin, Kapell-
meister Attilio Ariosti, jfl^ Freund und Lehrer des jungen
Händel bei seinem A^^nthalt in Berlin in den 90er Jahren,
mit dem er später ifj^ London rivalisierte. Er galt neben Rick
und Bononcino, ßf^^ später auch in London war, als hervorra-
gende musikali.<|^g Grösse. Benj. Neukirch in der Trauerrede
auf die KönigiHf'j^ryQ^j g^gt von jenen dreien: »welche nicht al-
lein unter si^ \e\\)Si sondern auch mit allen Meistern in der
Welt um der/y^^^^g Jtritten«. Schon 1699 hätte er, wenn wir
Varnhagen Cauen dürften, zu dem Feste, das die Königm m
^^ ^^iä vvann in deutscher Sprache? Leider ist v.Bcsser's Gedicht an
die Karfür^^.^ nicht datiert , welches beginnt:
^ Noch hat die teutsche Poesie
^. Vor Dir, durchlauchtigste Sophie.
. Sich nimmer dürfen sehen lassen.
*' ^^ k des Herrn v. Besser Schriften, hrsg. von König (4732), S. 664.
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48
Lützenburg bei Gelegenheit der Vermählung ihres Schwagers,
des Markgrafen Philipp, gegeben, ein — doch wohl italienisches
— Schaferspiel des Abbate Mauro in Musik gesetzt und allge-
meine Bewunderung erzielt^). Am 34. Mai 1700 ward dann die
Vermahlung des Erbprinzen von Ilessen-Cassel mit der Tochter
des Königs vollzogen , und zu ihrer Feier am ^ . Juni in Berlin
(auf dem dazu neu erbauten Theater im Kgl. Reitstall] eine
grosse italienische Oper mit Ballet gegeben, »La Festa del Hy-
meneo«, wiederum der Text vom Abbate Mauro und die Musik
von Attilio Ariosti*). Ihr folgte am 4. Juni in Oranienburg das
Festspiel v. Besseres »Triumph der Liebe«, und am 6. Juni in
Lützenburg, ebenfalls von Mauro und Att. Ariosti, »Der bestrafte
Hochmuth des Schafers Atis«^). Am 12. Juli, dem Geburtstage
des Kurfürsten, der fortan w-ohl regelmassig, wenigstens Nach-
mittags, in Lützenburg gefeiert wurde, ward jene bekannte
grosse Maskerade gegeben, von der Leibniz eine so anschauliche
Schilderung entworfen hat^), die Darstellung eines Jahrmarkt
tes, die fast wie das Vorbild zu Goethe's Jahrmarktsfest zu Plun-
dersweilern erscheint. An demselben Tage des folgenden Jahres
wurde Benj. Neukirch's »Der Streit des alten und neuen Jahrhun-
derts« aufgeführt^), dessen Componist nicht genannt wird. Viel-
leicht war CS wiederum Attilio Ariosli. Am 42. Juli 4 702 s^ing
zur Einweihung des neuerbauten Theaters in Lützenburg ein
grosses italienisch-französisches Stück über die Bretter, »ITrionfi
di Parnasso : Les Triomfes du Parnasse«, dessen Dichter und
Componist nicht genannt werden , doch liegt es auch hier wohl
am Nächsten, auf Abbate Mauro und Attilio Ariosti zu rathen.
So stand es, als Christian Reuter in Berlin auftrat. Man
4) Varnhagcn von Ensc, Leben der Königin Sophie Charlotte, S. 103.
Aber ich finde diese Oper sonst nicht erwähnt, und was V. weiter von ihr
erzählt, erinnert in verdächtiger Weise an das Fest in Lützenburg am
6. Juni 4 700 l)ei der Vermählung der Tochter des Königs. IJberdies fand
die Vermählung des Markgrafen Philipp im Februar statt, vo man sich
kaum in Lützenburg vergnügen konnte, denn nach v. Besser m ausdrück-
licher Angabe ward das Schloss erst im Juli 4 699 eingeweiht.
2) Brachvogel, Gesch. d. Kgl. Theaters in Berlin 1, S. r.3. Aber falsch
ist, dass die Vermählung am 26. Mai gefeiert sei.
3) Des Herrn v. Besser Schriften, S. 665.
4) Varnhagen v. E., a. a. 0., S. 4 06fT.
5) Nicht 4 700, wie Brachvogela. a. 0. angiebt.
49
sieht, die Versuchung lag ntahe genug, es einmal hier zu wagen,
was Neukirch leistete, konnte Reuter sich wohl auch getrauen
zu Stande zu bringen.
Noch eine besondere Veranlassung zu dieser Übersiedelung
aufspüren zu wollen, dazu liegt kaum eine Nöthigung vor.
Sonst könnte man eine solche wohl vermuthen. Wir haben in
Leipzig Chr. Reuter und seinen Kreis in Verbindung mit dem
Hause des Patriciers Adrian Steger kennen gelernt (vgl. Zaimcke,
Chr. R., S. 44 Anm. und W. Creizenach im Archiv f. Littgesch.
13, 435) ; wahrscheinlich fiel er den Häschern in die Hunde, als
er zum Geburtstage des jungen Steger sich im Juli 4697 ver-
stohlen in die Stadt gewagt hatte. In diesem Hause nun hatte
in der zweiten Hälfte der 70er Jahre auch Joh. von Besser ver-
kehrt, hier hatte er seine Kühleweinin, die Mttndel des Herrn
Steger, kennen gelernt. Es wäre nicht so unmöglich, dass die
Stegers ihn, als seine Verhältnisse in Dresden keine weitere
Aussicht boten, an den alten Bekannten ihres Hauses — denn
die Frau war schon 4688 gestorben — , der zur Zeit in Berlin
eine so hohe Stelle bekleidete, recommandiert hätten. Freilich,
wie dem sei, kaum ist zu glauben, dass er an dem kleinlichen,
hochgestiegenen Hofdichter wirklich einen zuverlässigen Palron
sollte gefunden haben, zumal wenn wir dessen Benehmen gegen
Neukirch bedenken, wie Gottsched es ihm Schuld giebt^). In
einem Punkte steht jedenfalls Reuter Neukirch voran : dieser
hat den Herrn von Besser angesungen , dazu hat sich Reuter
nicht hergegeben, so übel es ihm gegangen sein mag.
Ob das Singspiel, das, soviel wir wissen, Reuter's erste
4) Neukirch's auserl. Gedichte, hrsg. von GoUsched, Regensbarg
1744, Vorrede: »»So sehr es nun manchen Wunder nehmen wird, dass Herr
von Besser , der sich doch selbst zuerst durch seine Poesie bey Hofe be-
liebt gemacht , und hernach mehr emporgeschwungen, einem andern ge-
schickten Dichter weder auf seine vielfältigen Briefe geantwortet, noch
sonst im geringsten behülflich seyn wollen : so sehr stimmt dieses doch
mit demjenigen überein , was mir theils mündlich von vornehmen Män-
nern, die an dem damaligen Berlinischen Hofe gelebt, erzählet worden;
theils auch in diesem Jahrhunderte an anderen deutschen Höfen in der-
gleichen Umständen bekannt geworden. Die sogenannten Hofpoeten sind
auf nichts eifriger bedacht, als dass an ihren Höfen ja kein anderer Dichter
anwachse und das Haupt emporhebe. Sie helfen also andern Poeten nicht
fort, sondern ersticken und unterdrücken ihre Gedichte , so viel sie kön-
nen, wie Neukirch solches zur Genüge erfahren bat«.
1887. 4
50
Leistung vor dem Berliner Hofe war, von den Spreeschiffern
ausging oder vom Hofe selbst, ist wohl nicht sicher zu entschei-
den. Man würde sonstigen Vorkommnissen nach *) das Letztere
vermuthen dürfen, wenn nicht Reuter auf dem Titel (s. u.) so
rein persönlich aufträte. Unmöglich wäre es auch nicht, dass
das Stück gar nicht zur Aufführung gelangt wäre, sondern nur
eine Empfehlung des Dichters sein sollte.
Anfangs scheint es ihm über Erwarten geglückt zu sein. Als
am 42. Juli wieder, wie gewöhnlich, der Geburtstag des Königs
in Lützenburg bei der Königin gefeiert ward, und diesmal ganz
besonders feierlich 2) — denn am Vormittag war in Berlin das
Standbild desGro.ssen Kurfürsten enthüllt ^j — , da war es Chri-
stian Reuter, der auf ausdrücklichen Befehl der Königin für die
erst seit Jahresfrist errichtete Bühne das Festspiel lieferte, und
der beliebteste Componist des Hofes, Attilio Ariosli, hatte das-
selbe in Musik gesetzt. Es war ein allegorisches Drama, »Mars
4) Vgl. z. B. das Festspiel zum Geburtstage des Churfürsten am 42.
Juli 4 694, welches ihm seine Gemahlin »in ihrem an der Spree gelegenen
Lust-Garten Belvedere« gab, in welchem »die Nymphen von der Spree aus
ihrem Gondel-Kahn« den Fürsten ansangen. Des Herrn v. Besser Schrif-
ten, hrsg. von König, 4 732, S. 764 ff.
2) Vergl. des Andr. Luppius Gedicht zu diesem tage (III, 46) auf
dem Titel, »Dessen {des Königs) Geburtsfest von der Allerholdseligsten Kö-
nigin in Preussen, und Churfürstin zu Brandenburg, Madam, Madam So-
phie Charlotten Nebest Dero Königl. Ehegemahl Und ganlzen Künigl. Hause
in Ihro Königl. Residentz Luzeburg mit grossen Freuden und Frolocken
auf das Herrlichste celebriret wurde, d. 42. Julii, Anno 4703«.
3) Merkwürdig ist der Widerspruch, der sich in den Drucken jener
Zeit in Betreff des Tags der Enthüllung findet. Der Druck des Spiels »1
Trionfi di Parnasso«, das am 42. Juli 4 702 aufgeführt ward, hat zumSchluss
ein lat. u. franz. Epigramm auf das Reiterstandbild, und die Überschrift
lautet: ». . aheneus equest. colossus .... ad novum Bcrolini fontem a.
MDCCII Id. Jul. erectus«, und ebenso die der franz. Verse. Dann lieferte
Halma zum 48. Jan. 4703 ein niederländisches Gedicht: »Zegepraal . . . ter
gelegen hei t van den verjaardag der Krön inge . . . en t oprcchten van'lPraal-
beeld tc Paard voor zynen Heer Vader , . . plechtelyk geviert en opgerecht
te Berlyn, den 48. van Loumaand (Januar), 4703«. Endlich zum 4 2. Juli
4703 richtet C. Ancillon eine officiöse »Epitre au roy«, in der es hcisst: »Si
la Statuö Equestrc, que vötre Maj. fait exposer auiourd'hyi h la vue du pu-
blic . . . la Statue Equestre, que vous faites paroitre pour la premi^ro fois
ii ses yeux«. Nur das letzte Datum ist das richtige, die beiden ersten be-
ruhen auf voreiligen Voraussetzungen.
51
uud Irene« betitelt, entsprechend der kriegerischen und doch
Friede wünschenden Gonstellation jener Zeit.
Aber damit scheinen die Beziehungen zum Hofe wieder ab-
zubrechen. Gefiel das StUck nicht? Schien es mit seiueu popu-
lären Weisen hinter jenem feierlich -pompösen Ausstattungs-
spiel, das man ein Jahr vorher auf derselben Bühne gesehen
hatte, zurückzustehen? Machten sich Intriguen gegen den neuen
Dichter, der emporzukommen drohte, geltend , etwa von Besser
selbst? Wir haben keine Andeutung darüber. Aber wir ßnden
fortan keine Spur, dass Reuter wieder bei Hofe verwandt wor-
den wäre. Aus dem Jahre 1704 ist überhaupt kein poetisches
Machwerk aus seiner Feder auf uns gekommen.
Zum 48. Januar 4705 gratuliert er mit einem Foliodruck,
»Das glückselige Brandenburg«, und der Schluss des-
selben (s. u.) zeigt, dass er noch zur Seite stand : er rangiert
jetzt unter den Bettelpoeten. Am 4. Februar starb die Königin,
auf die er vielleicht noch zumeist Hoffnungen zu setzen berech-
tigt war. Zu ihrer Beisetzung am 28. Juni lieferte er ein langes
Trauergedicht, »Letzter Zuruf bei der Königl. Trauer-
Bahn ev; den er nicht bloss durch den Druck veröffentlichte,
sondern auch in hocheleganter Zierschrift als Manuscript beim
Könige einreichte. Zum Geburlstag desselben, am 42. Juli,
wandte er sich dann mit einem kurzen Gedicht, das einfach als
eine Bittschrift anzusehen ist und daher auch gar nicht im Druck
erschien , sondern nur handschriftlich auf dem Staatsarchiv er-
halten ist, abermals an den König: »Die unter dem Leide
vermischte Freude«.
Es verlaufen dann wieder zwei Jahre , ohne dass wir ein
Zeugniss seiner Poesie aufzuweisen vermögen. Erst zum Einzug
der dritten Gemahlin des Königs am 27. November lieferte er ein
langes Gedicht. Hier nennt er sich nur am Schluss ; der Titel
nimmt die Miene an, als ob das Gedicht im Namen der »sämmt-
lichen Einwohner der ganzen Stadt Berlin« abgefasst sei. Masste
sich Reuter selber diesen Titel an, oder war er wirklich von
einer Autorität des städtischen Gemeinwesens zur Abfassung
dieses Gedichtes veranlasst worden? Wäre das der Fall, so dürfte
man daraus schliessen, dass er ein bekannter und gesuchter
Dichter gewesen, und weiter, dass er dann auch wohl zu
Privatfeierlichkeitcn , Hochzeiten, Kindtaufen, Leichenbegäng-
nissen u. s.w. als Gelegenheitsdichter herbeigezogen worden sei,
52
vielleicht davon seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Ob ihm
das Schäferspiel Miramis zuzuweisen ist, das zum 42. Juli
dieses Jahres, aber wie es scheint nicht bei Hofe, aufgeführt
ward, muss später erwogen werden. So manches dafür zn
sprechen scheint, so ist doch kaum abzusehen, warum er seinen
Namen nicht sollte genannt haben?
Aus dem Jahre 4709 findet sich wieder Nichts. Das Letzte,
was wir von Reuter haben, ist ein kurzes Singspiel zum 42. Juli
4740, »Das frohlockende Charlottenburg«, das wieder
die Miene annimmt, als ob es dort aufgeführt worden sei, frei-
lich oflbnbar nicht bei Hofe. Ob ein anderer Kreis es bei Beuter
bestellt hatte, lässt sich nicht sagen : allerdings nennt sich auch
hier der Dichter nicht auf dem Titel, sondern erst am Schlüsse.
Das Gedicht ist wenig erquicklich, da der Dichter mehrfach be-
reits früher Gesagtes wiederholt, als ob er am Ende seiner dich-
terischen ProductiviUit angelangt sei.
Damit ist erschöpft, was mir von Reuter in dieser neuen
Phase seiner Existenz zu Händen gekommen ist.
Nur von seinem Privatleben habe ich vielleicht noch ein
Zeugniss, das ich freundlicher Mittheilung des Herrn Domkttster
F. Ambrosy in Berlin verdanke. Es heisst im Taufbuche der
Schlossgemeinde: »Den 41. August 4742 Hessen Christian Reu-
ter und seine Ehefrau Maria Arnsdorffin ihr Söhnlein, welches
Johann Friederich genannt ward, in der Kirche durch Gen. D.
E. Jablonski taufen. Die Pathen seynd: 4, Herr Elias Richter,
Materialist; 2, HerrWendt, KönigL Guarde du corps ; 3, Herr
Friedrich Witte; 4, Frau Maria Engelhartincr. Es ist ja freilich
die Identität der Person nicht ganz sichergestellt, aber doch in
hohem Grade wahrscheinlich , und dann beweist die Stellung
der Pathen, dass sich unser Christian nur in unteren Kreisen
bewegte. Keiner der Pathen findet sich in den Berliner Adress-
kalender aufgenommen , auch die Familie der Frau erscheint
nicht in demselben. Man könnte sich aus dem Allen ein recht
gedrücktes Kleinleben entwerfen, das nur durch den Guarde du
Corps in eine weitere Perspective deutet; denn der war viel-
leicht ein verkommener Student, ein flotter begabter munterer
Bursche, der, wie Reuter, im Leben Schiffbruch gelitten hatte.
Der taufende Geistliche, der Generalhofprediger Dan. Ernst Ja-
blonski (4 660 — 4744) war übrigens der erste Prediger Berlins,
zugleich ältester Bischof der böhmischen und mährischen Brü-
53
der, der als solcher später, am 20. Mai 4737, den Grafen Ludw.
ZiDzendorf zum Ältesten und Bischof jener Brüdergemeinde
weihte.
Damit verlieren wir Reuter abermals aus den Augen. Ob
er aus Berlin verzogen ist, wo nach dem Tode dos Königs Frie-
drich wohl weniger als je für ihn zu hoffen war, oder ob er in
irgend einer der vielen Gemeinden Berlins gestorben ist — in
der Schlossgemoinde ist er es^ wie schon erwähnt, nicht — ,
darüber bin ich nicht unterrichtet. Vielleicht findet sich gele-
gentlich noch einmal eine spätere Notiz über ihn, die man dann
dankbar zu den Acten nehmen wird ; auch finden sich auf un-
seren Bibliotheken in Miscellanbänden aus jener Zeit vielleicht
noch einmal weitere Gratuiationsgedichte von ihm : das Alles
wird ohne hervorragenden Werth sein, denn das Eine steht
nunmehr unumstösslich fest, jenes wenn auch dissolute, so doch
immerhin reiche und eigenartige Talent des Jünglings und jene
grosse Productivität seiner früheren Jahre ist später erloschen,
ein mahnendes Beispiel, dass auch eminente Begabung nur
durch sittlichen Ernst zu wahrhaft bedeutenden Leistungen be-
fähigt wird.
Wir haben nun noch einen näheren Blick auf seine Werke
aus dieser Periode zu werfen. Um aber für sie die richtige
Folio zu gewinnen, haben wir uns zunächst umzusehen in dem
Kreise, zu dem sie nunmehr ausnahmslos gehörten, in dem
Kreise der höfischen Poesie, der Devotions- und Ovationspocsic
jener Zeit.
2. Die Ovations-Poesie jener Jahre.
Wir sind im Begriff auf die unterste Stufe der Poesie zu
treten, da wo dieselbe zum Handwerke, zur Schablonentechnik
geworden ist und obenein einem oft wenig ehrenwerthen Streben
dient. Eigene Neigung und Behagen an den hier zu beobachten-
den Erscheinungen wird nicht leicht Jemanden diese Strasse
führen, wir aber sind auf sie hingewiesen durch das Bedürfniss,
den Hintergrund kennen zu lernen, von dem sich Reuter's poe-
tische Thätigkeit während seines Berliner Aufenthalls abhebt.
Nur durch einen Umstand wird diese Übung der Poesie von
einem gewissen allgemeineren Interesse, dadurch dass sie damals
allgemein hergebrachte Sitte war, so dass wohl die Hälfte der
54
ganzen Dichtung gegen Ende des 47. und im Anfang des
18. Jührh. aus derartigen Gelegenheitsgedichten zu Hochzeiten,
Kindtaufen, Beerdigungen u.s. w. bestand, besonders aber aus
Devotions- und Ovations-Gedichten, die sich an vornehme Gönner
oder solche, die es werden sollten, wandten.
Es würde sich schon der Mflhe verlohnen, das Aufkommen
dieser Abart der Poesie zu beobachten und ihre Übung zu ver-
folgen. Es wtlrde gelten festzustellen, wann die ersten selbst-
standig gedruckten Gratulationsgedichte sich nachweisen lassen,
und wie diese Sitte allmählig weiter um sich gegrififen hat. Die
geringen mir zur Seite stehenden bibliothekarischen HUlfsmittel
gestatten mir nicht, an eine Erledigung dieses Themas zudenken.
Die Anfänge fallen bereits der lateinischen Poesie der humanis-
tischen Kreise zu, die ihi*e Kunst in alt überkommenerWeise .viel-
fach benutzten um sich Gönner zu verschaffen und Beweise ihrer
Gunst zu erlangen ; an sie hat sich die deutsche Poesie ange-
schlossen, als sie im 47. Jahrh. ebenfalls zu einer gelehrten
Übung wurde und sich, wie man glaubte, auf einen höheren
Kothurn stellte. Um die Zeit, in der wir uns hier bewegen, um
den Beginn des 48. Jahrh., scheint sie auf ihrem Höhepunkte
angekommen zu sein. Um die Mitte des 48. Jahrh., als unsere
Dichtung ihre Ziele höher steckte und ihre Bedeutung tiefer
fasste, ist sie allmalig in Verfall gerathen. Ganz ausgestorben
ist sie natürlich nie.
Vor mir liegen neun Bände, sieben mächtige Folianten und
zwei von geringerem Umfange, aus der Berliner und Dresdener
Bibliothek*), die Sammlungen solcher Gratulationen und Condo-
lationen enthalten. Sie umfassen nahezu 600 Stück, und doch
beschränken sie sich auf das Preussische Königshaus und auf die
Zeit von 4704 — 4742, und doch sind sie offenbar lange nicht
vollzählig; biszum Jahre 4 70 5 mag nicht viel Wesentliches fehlen.
i) Ich bezeichne sie mit I— V, und 1—*. Die ersteren fünf, aus der Kgl.
Bibliothek in Dresden, tragen die folgenden Signaturen: 1 = Ilist. Boruss.
50 ; 11 = ibid. 38 ; 111 = ibid. 37 ; IV = ibid. 32 ; V = ibid. 65. Die vier
aus der Berliner Kgl. Bibliotheiv : 4 = Su 30 ; 2 = Su 21 ; 3 == Su 92 ; 4 =
Su 4 020. Mit einer zweiten ZilTer neben jener bezeichne ich die Num-
mern des Stücks innerhalb des betrefTenden Miscellanbandes. Nur der
Band 4 (Su 20) enthält Exemplare, wie sie direct an den König eingesandt
waren , auf starkem Pergamentpapier in Imperialfolio , während alle übri-
gen nur die ins Publicum gelangten Exemplare zweiten Ranges bieten.
55
dann ist noch einmal dasJatir 1708 reichlich vertreten, aber die
Documente aus der Zeit von i 705 bis 4 708 , und die aus den
Jahren nachher sind offenbar in hohem Grade lückenhaft; man
müsste glauben, dieser Missbrauch der Poesie habe bereits da-
mals einzuschlafen begonnen, wollte man das hier Erhaltene fttr
ein einigermassen zutreffendes Bild des wirklich vorhanden ge-
wesenen ansehen. Man veranschlagt die Summe schwerlich zu
hoch, wenn man die in jenen iSJahren hervorgetretenen Erzeug-
nisse der Gratulations- und Condolations-Poesie, allein den Hof
betreffend, auf etwa 900 bis 1 000 Nummern beziffert.
Jene Gedichte und Reden — denn auch solche kommen viel
vor — sind übrigens nur etwa zur Hälfte deutsch. Ein sehr
grosser Theil ist lateinisch und man muss der deutschen Poesie
die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass sie auf diesem Ge-
biete ganz in dem Geleise der lateinischen Übung einherschreitet
und ihre grössten Geschmacklosiigkeiten hervorgegangen sind
aus dem Bestreben, es dem gezierten Bombast der lateinischen
Verse nachzuthun. Drei preussische Universitäten, in Halle,
Prankfurt a/0. und Königsberg, mit ihren gelehrten Professoren
der Poesie und Eloquenz gingen voran , doch betheiligten sich
auch mehrfach Rostock, Jena undGiessen an diesen, dem preus-
sischen KOnigshause gebrachten Ovationen, daneben manche
Gymnasien ; wie das Joachimsthalsche und das zum Grauen
Kloster in Berlin, die gelehrten Schulen zuLingen, Hamm, Duis-
burg u. a. , endlich eine nicht geringe Anzahl von Geistlichen
und von strebsamen und wohl auch stipendienbedürftigen Stu-
dierenden , die in zierlichen lateinischen Versen am Besten ihr
Talent und die auf sie zu bauenden Erwartungen zur Anschau-
ung zu bringen hofften. Auch niederländische Gelehrte von
Ruf verschmähten es nicht, lange Gedichte, Oden u.s.w. auf den
König Friedrich zu dichten, zumal als er, veranlasst durch die
Oranische Erbschaftsangelegenheit, persönlich die Niederlande
besuchte. Diese Unsumme heute zum Theil kaum noch les-
barer lateinischer Poesie und Prosa wollen wir hier bei Seite
lassen: sie führt in andere Kreise und nimmt eine andere
Stellung im Geistesleben der Zeit ein als die ihr entsprechenden
Leistungen in deutscher Sprache. Nur die studierende Jugend
als Chor pflegte ihren Enthusiasmus für den Festtag, dem der
lateinische Actus gegolten hatte, bereits damals durch Gesänge
in deutscher Sprache zum Ausdruck zu bringen.
56
Noch ist zu erwähnen, dass eine Anzahl der Gedichte,
Reden und Episteln auch in französischer Sprache, einige auch
io holländischer einliefen; ganz selten nur finden sich italie-
nische, die bald ganz aufzuhören scheinen, abgesehen von dem
Vorkommen dieser Sprache in den Singspielen.
Seit dem Jahre 1704 waren es für Preussen zwei liaupt-
tage im Jahre, zu denen die Schaar der dichtenden Gratulanten
sich rüstete, die Wiederkehr des Krönungsfestes am 48. Januar,
an den sich zuweilen noch der 49. Januar als das Ordensfest
der Ritter vom Schwarzen Adler anschloss, und der Geburts-
tag des Königs am 42. Juli; schon in zweiter Linie traten hin-
zu der Namenstag des Königs am 5. März, der Geburtstag der
Königin Sophie Charlotte am 34 . October , der des Kronprinzen
am 45. August, auch der Neujahrstag. Hiezu kamen dann be-
sondere Ereignisse, frohe und schmerzliche, des Königshauses
und des Landes. So der Tod des Königs Wilhelm 111. von Gross-
britanien am 49. März 4702, der die Aussicht auf die oranische
Erbschaft eröffnete, die Vermählung des Markgrafen Albert
Friedrich am 34. October 4703, der Tod der Königin Sophie
Charlotte am 4. Februar 4705, der eine Reihe weiterer Gedenk-
tage hervorrief: die Abfuhrung der Leiche aus Hannover am
9. März, die Geleitung derselben durch die Hauptstädte der
Mark, die Ankunft in Berlin am 22. März, und die feierliche
Beisetzung in der Königsgruft am 28. Juni; in demselben Jahre
der Tod der Tochter des Königs, der Erbprinzessin LouiseDoro-
thea Sophie von Hessen-Cassel, dann das Jubiläum der Univer-
sität Frankfurt a. 0. am 26. und 27. April 4706, der Obergang
desFUrstenthumsNeufchatelundValengin an die Krone Preussen
am 3. November 4707, die Geburt und Taufe eines Enkels des
Königs, Friedr. Ludwig, am 23. November (Taufe ami.December
4 707) , die schon vorher weissagende Poesien hervorgerufen
hatte, und eines andern, Friedr. Wilhelm, am 46. Aug. 4740
[Taufe am 24. August) und der bald wieder erfolgende Tod der-
selben; der von glücklichem Erfolg begleitete Besuch des Carls-
bades seitens des Königs im Frühling 4708, seine Abreise und
der Empfang auf der Rückreise, z. B. in Wettin, in Zeitz, Magde-
burg, am Ende des Juni, endlich die dritteVermäMung des Königs
mit der Prinzessin Sophie Louise von Mecklenburg, und der
feierliche Einzug derselben in Berlin am 27. November 4708.
Aber so manche Federn auch durch alle diese Ereignisse
57
in Bewegung gesetzt wurden, namentlich bei Gelegenheit des
Todes der Königin Sophie Charlotte und derWiedervermähtung
desKönigs mit der mecklenburgischen Prinzessin, es reicht doch
alles nicht entfernt hinan an die poetische Feier jenes ihnen
allen vorangehenden Ereignisses, der Erhöhung des Kurfürsten
zum Könige und der Erhebung seines Landes zu einem König-
reiche durch die Krönung in Königsberg am 48. Januar 4701.
Man mag diese ganze Gattung der Poesie mit noch so grossem
Missbehagen betrachten, hier wird man doch mit ergriffen von
der Einheit und Allgemeinheit der Empfindung des Stolzes, mit
der offenbar jeder Bewohner des neuen Königreiches sich selbst
gehoben fühlte, üier schwindet das oft so peinliche Gefühl , es
mit aufgebauschter Servilität zu thun zuhaben, hier mischt sich
ein tüchtiges Mass energischen Selbstgefühles bei , und wenn
der »Brennus-Helda, »der Fürst der Brennena^) in immer neuen
Variationen wie ein Halbgott gefeiert und zur aSonneo des
Landes erhoben wird , man merkt es , diesmal fühlt sich jeder
selbst gehoben, und ehrt sich selbst, indem er den König enthu-
siastisch feiert. Man darf sagen, jene allgemeine Stimmung eines
gesteigerten Selbstgefühls hat ihren künstlerisch schönsten Aus-
druck gefunden in der stolzen und kühnen Haltung der Reiter-
stalue des Grossen Kurfürsten, die damals entstand. — Schon bei
der Abreise aus Berlin am 47. December 4 700 beginnen die
Ovationen, wiederholen sich bei der Durchreise durch die
Uauptorte des Landes, wie z. B. Cüstrin, beim Eintreffen in
Königsberg am 29. December, womit sich derGruss zum neuen
Jahre, dem Eintritt in ein neues Jahrhundert, zu verbinden
pflegt, dann der Tag der Krönung, der 48. Januar 4704 : wohl
an 450 Ovalionsschriften, lateinisch, französisch, holländisch,
italienisch, deutsch haben mir vorgelegen. Es folgt die Abreise
aus Königsberg am 8. März, die Rückkehr in die Mark am
47. März, die Durchreise durch dieselbe, die Ankunft im Schlosse
Schönhausen, und dann in Oranienburg, von wo aus die Vorbe-
reitungen zum feierlichen Einzüge in die nunmehi* königliche Re-
sidenz getroffen wurden, endlich dieser Einzug selber am 6. Mai.
Der Kreis der Dichter, die zu diesen Ereignissen ihre Leier
stimmten, ist natürlich kein geschlossener. Manche Namen er-
1] Diese damals zu Tode gehetzte Fiction beruht auf dem alten Na-
men Brennibor für Brandenburg.
58
scheinen nur einmal, wenn eine besondere locale Veranlassung
gegeben war, aber viele Namen kommen auch wiederholt vor
und es bildet sich aus ihnen ein Kreis geschSiftsmässiger oder doch
gewohnheitsmässiger Gratulanten, bei denen jedenfalls eine ge-
meinsame Familienähnlichkeit nicht zu verkennen ist. Aber
eine übersichtliche Orientierung wird uns auch sehr charakte-
ristische Verschiedenheiten kennen lehren.
Selbstverständlich bildet sich diese Dichterschaar haupt-
sächlich in den beiden Hauptstädten des Reiches, in Königsberg
und Berlin, namentlich in letzterer Stadt, wo der Hof dauernd
residierte. Aber die mehr als zweimonatliche Anwesenheit des-
selben in Königsberg , und die dort vorgenommene Haupt- und
Staatsaction der Krönung hatte auch dort, wo seit Simon Dach
eine eigene gesellige und gesellschaftliche Übung der Poesie Sitte
geworden war, ihre Früchte gereift, deren manche sich auch
noch für die fernere Zeit dauerhaft erwiesen: man setzte die an-
geknüpften Beziehungen auch nach Berlin hin fort.
Ich scheide im Folgenden nicht nach den verschiedenen
Ereignissen.
Wir wollen mit Königsberg beginnen. Im Grunde sind die
dortigen Gratulanten alles solide Leute, zum Theil höher ge-
stellte Beamte, Professoren, Geistliche, kaum einer ohne könig-
lichen Titel. Wir stellen billig die Mitglieder der Universität
voran, und unter ihnen denjenigen, der im Namen von Rector
und Senat den Pegasus bestieg, den Professor der Poesie und
Eloquenz Hieron. Georg i (18. Jan. 470i : 1, 60; 28. Juni 4705:
iV, 12; 23. Nov. 1707 : 3, 27; von ihm ist wahrscheinlich auch
das Gedicht zu demselben Tage im Namen der philosophischen
Facultät: 1 ,1 5j ; es ist schon aller Ehren werth, dass erdem könig-
lichen Paare und später der Königin seine und der Universität
Wünsche in deutscher Sprache vorzutragen wusste. Neben ihm
lässt sich, doch nur dies eine Mal, der erste Professor der Theologie
und Ober-Hofprediger, Bernh. v. Sauden vernehmen (18.Jan.
1701: 1, 5); der erste Professor der Juristenfacultät, derKgl.Rath
und Praeses des Hofhulsgerichtes Theod. Pauli (18. Jan. 1701 :
I, 21 ; 28. Juni 1705: IV, 10) ; der Professor derMedicin Georg
Emmerich (28. Nov. 1708: 1,21) und der Professor der Mathe-
matik Dav. Bläsing (28. Nov. 1708: 1,22). Hierhergehörtauch
der Hof- und Jagd-Rath in Preussen, Jac. Zetzke, der sich
59
wenigstens nach 1704 als beider Rechte Dr. und Professor prä-
sentirt(Jan. 1704 : I, 67; 28. Juni 1705: IV, 56; 27. Nov. 1708:
Y, 21). Dann folgen Mitglieder des Oberappeilationsgerichtes,
zuerst der auch sonst als Dichter bekannte Kgl. Hofrath und
OAGerichtsrath, auch Bürgermeister der Altstadt, Friedrich
von Derschau (1. März 1701, wo der König das Gericht
besuchte: I, 50; 8. März 1701 : 1, 49 ; 18. Jan. 1703: 1, 2; 23.
Nov. 1707: 1, 11; Juni 1708, bei der Rückkehr des Königs
aus dem Carlsbade: III, 19; 27. Nov. 1708, zwei Gedichte:
I, 25 und 26^), und der ebenfalls auch sonst bekannte Dich-
ter, der schon hochbetagte OAGerichtsrath Jac. Klein, der 171 1
starb (18. Jan. 1701, zwei Gedichte: I, 65 und I, 66 = II, 20;
18. Jan. 1703: 11,51 ; Neujahr 1705: II, 65; und Neujahr 1707:
2,32; 12. Juli 1708: ill, 26); nach ihnen zähle ich auf den
Königl. Preussischen Hofrath und Advoc. fisci in Preussen Carl
Friedr. Lau(8.März 1701: I, 92; 18. Jan. 1704 : I, 121 = 1,6;
18.Jan. 1705: 1, 8; 27. Nov. 1708: V, 16; 18.Jan, 1710: 2,51),
den Königl. Rath und Kriegs-Kommissar Chr. Erasmi (18. Jan.
1702: I, 72), den Königl. Rath und Preussischen Ober-Secrelär
Dan. Ka 1 a u [1 8. Jan. 1 701 : I, 53), den Königl. Rath Joach. Heinr.
Schrader (18. Jan. 1701 : 1, 52), den Commissions-Secretär
Joh. Erh. Etmüller (19. März 1702: 3, 3; 18. Jan. 1703: 11,
49), endlich wieder einen Dichter von Profession, den Pegnitz-
Schäfer, Raths verwandten und Camerarius der Stadt Kneiphoff-
Königsberg, Mich. Kongehl, der, desReimens gewohnt, allen An-
dern vorankam und das königliche Paar bereits bei seinem Ein-
tritt am 29. Dec. begrüsste (29. Dec. 1700: I, 46; 18. Jan. 1701:
I, 47; 27. Nov. 1708: 1, 24). Am thätigsten und rührigsten be-
weist sich der Not. Publ. und ilofadvocat Goltl. Aug. Petz oldt;
es sind uns 9 Stücke von ihm erhalten, und es hat auch offen-
bar mit seinem Verhältnisse zum Hofe noch seine besondere
Rewandtniss; er fügt nämlich seinem Titel auch noch den für
mich wenig verständlichen hinzu: Cammer- undReise-Musicus;
in Königsberg scheint er geblieben zu sein , obwohl er bereits
seit 1703 seine Ovationen in Berlin drucken Hess (18. Jan. 1701:
4) Sollte von ihm auch noch die holb lateinische, halb deutsche Gra-
tulation zur Vermahlung des Königs am 28. Nov. 4 708 sein? (2,49); im Ein-
gang des deutschen Gedichtes nimmt der Verf. auf ein Gedicht von sich
auf den glücklichen Erfolg der Carlsbader Cur Bezug.
60
I, 59; Neujahr 1703: II, 47; 19. Jan. 1703, zwei Gedichte: I,
116 = 1, 4 und 1, 116a = 111, 37 = 1, 5; Neujahr 1705: 2,
22 = 11, 64; 28. Juni 1705: IV, 18 = 4, 10; Neujahr 1706:
Hl, 9. 12 = 1, 9; Neujahr 1708: 1, 16 ; 27. Nov. 1708: V, 7).
Wenn wir die Gelegenheiten überblicken, bei denen diese
Dichter ihre Verse reimten , so können wir uns der Annahme
kaum cntschlagen, dass sie noch weit öfter sich haben ver-
nehmen lassen und dass nur nicht die vollständige Reihe ihrer
Gesänge auf uns gekommen ist. Und Gleiches gilt vielfach von
den im Folgenden aufzuzahlenden.
Denn ausser diesen in Amt und Wurden befindlichen Dich-
tern begegnen nun auch Namen, die dieser nicht theilhaft ge-
wesen zu sein scheinen. Freilich der Herr Fried r. Da v. von Prök ,
der zum 18. Jan. 1704 ein Gratulationsgedicht in Diplomform mit
sauberem Kupferstich erscheinen Hess, wird wohl zu den wohl-
situierten gehört haben (1, 64). Aber wenig Sicheres weiss ich zu
sagen von dem Dichter Johann Georg Grüwel, der sich Meso-
Marchicus nennt und der auf den Tag der Krönung, wobei er
persönlich zugegen gewesen zu sein scheint, nicht weniger als
3 Gedichte abgefasst hat (I, 61. 62. 62 bj; er war ein Stu-
dierter , denn er hat seine Gedichte mit gelehrten historischen
Anmerkungen ausgestattet , auch auf den späteren Einzug in
Berlin eine stattliche lateinische Tabula gratulatoria erscheinen
lassen (1, 63). Es wird wohl der Sohn des von Joh. Rist ge-
krönten Poeta laureatus Joh. Grüwel sein, der Bürgermeister in
Kremmen im Osthavellande war und den wir selber noch
kennen lernen werden. Von diesem Sohne sind auch sonst noch
historische Werke bekannt. Studierte er damals in Königsberg,
oder war er dem Kurfürsten dorthin gefolgt, oder fingiert er nur
seine Kenntniss vomWettervor, während und nach der Krönung?
Sicher nicht nach Königsberg gehört, und war auch schwerlich
bei dem Krönungsacte dort zugegen, der bekannte Dichter Benj.
Neukirch, den wir in Berlin, wohin er gehörte, wieder finden
werden. Allerdings ist seine Gratulation zum 18. Jan. 1701 in
Königsberg gedruckt (I, 70).
Auch zwei Dichterinnen betheiligten sich . zuerst die be-
kannte Gertraud Möller in, gekrönte kaiserliche Poetin und
— als Mornille — Mitglied des Pegnitzordens, und eine El. Der.
Beyersdorffin, geb. Weissin. Erstere begrüsst das Königs-
paar und den Kronprinzen bereits bei ihrem Einzüge am 29. Dec.
61
(I, 55 und 56), und dann zur Krönung (I, 54). Namentlich das
letztere Gedicht bewegt sich in hoch-dtthyranibischem Stile, und
das Versmass desselben, anapUstische Tetrameter, hebt sich frisch
von der öden Eintönigkeit des Hexameters ab^]. Die letztere gra-
tuliert erst zum 48. Jan. 4703 (2, 45). Bei keiner von beiden
kommt auch nur ein Anschein von Bettelei vor.
Der hauptsächlichste Druckort ftlr sie alle war die Druckerei
der Reusnerisehen Erben in Königsberg; später sind auch
manche der Königsberger Ovationen in Berlin zum Druck ge-
langt.
Man sieht, Königsbergs Honoratioren hatten sich, schon
zur Krönung, wacker angestrengt, und Georgi konnte mit Recht
singen :
All sein Seiten-Spiel und Lieder
Legt in tiefster Demuth nieder
Vor dem Königlichen Thron
Unser gantze Helicon.
Ganz anders ist das Bild, das wir in Berlin ßnden. Jene
Betheiiigung der höchsten Beamtenkreise, die in Königsberg
durch die Königskrönung hervorgerufen war , fehlt hier ganz.
Natürlich Se. Excellenz der Oberceremonienmeister Joh. von
Besser nicht; vornehm und mit der Miene »odi profanum
vulgusa bietet er seine Poesien. Sonst nur ein paar Geistliche,
so Lor. Gensichen, der Prediger am Armenhause, der die
Danksagung für die Speisung der Armen abfasste (so 48. Jan.
4705: 3, 48 und auch wohl die mehrfachen anonymen Dankes-
gedichte im Namen der Armen) , und der evangelische Prediger
J. Aug. Drachstedt, der bei der Übergabe Neufchatels an
Preussen in Zug kap) (3. Nov. 4707: 3, 28) und nun auch
gleich zur Entbindung der Prinzessin am 23. Nov. und zum
Neujahr 4708 gratulierte (3, 28a; 3, 29). Dann der Pagenhof-
meister Georg Reupke^), der seine Herrschaften mit Versen
4) Anfang:
Es lebe der König I Er herrsch' und regiere
In Glück und Vergnügung, in friedlicher Ruht
u. s. w.
2) Auch lateinisch verstand er zu dichten, und so hatte er sich zur
Krönung selbst vernehmen lassen (U, 18), und ebenso dichtete er bei der
Überführung der Leiche der Königin, zum 22. März 4705 (IV, 43); er war
mitlerweile emeritiert.
62
nach Königsberg entliess und mit Versen wieder empfine;
(17. Dec. 1700: II, 19 und März 1701 : 11, 19a), ein Legations-
secretür £. M. Plärre, der neben zwei lateinischen auch noch
mit zwei deutschen Gedichten die mecklenburgische Prinzessin
Sophie Louise feierte (27. Nov. 1708: 2, 44 = V, 10 und 2, 45
= V, 11). Dazu noch 2 Advokaten: Chr. Melch. Becker
(31.0ct. 1702: IV, 62J und Joh. Andr. Weyde (12. Juli 1710:
2, 52), und der bekannte vielschreibende und phantastische Dr.
theol. Joh. Wilh. Petersen, der 1692 als Superintendent in
Lüneburg entsetzt aber von Friedrich aufgenommen und unter-
stützt ward; er i-ühmt die grossen Wohlthaten, die er vomKOnig
empfangen hatte und wünscht Glück zur Geburt eines Prinzen
und zur Wiedervermählung (23. Nov. 1707: 3, 26 und 27. Nov.
1708 : 3, 39 = V, 13): ob er freilich damals in Berlin war, steht
wohl dahin. Sein eigentlicher Aufenthaltsort war um jene Zeit
Magdeburg. Auch in lateinischen Gedichten lässt er sich ver-
nehmen, zum 27. Nov. 1708, und zur Geburt des späteren Königs
Friedr. IL, zum 24. Jan. 1712, der einzige, von dem die mir vor-
liegenden Folianten ein Gedicht zu diesem Tage enthalten (V,
12 und 2, 58).
Eine besondere Gruppe für sich bilden einige musicalischc
Grössen. Mir sind drei bekannt geworden : Friedr. Salom. Kalt-
schmidt, Gantor und Director Musices zu St. Marien, Collega am
Gymnasium zum Grauen Kloster (12. Juli 1705: 11,59); Joh.
Hieronym. Gra vius, Director musices an der reformierten Kirche
(27. Nov. 1708 : V,25), auch als geistlicher Dichter bekannt ; und
.loh. Heinr. Feetz, der sich 1703 »Cam. Reg. Musicus et J. U. C.«
(das heisst doch wohl Juris Utriusque Gultor), dann 1704 »Ad-
vocatus Camerae et Regiae Capellae Mqsicus«, endlich 1705
»CapelL Bassista und Cammergcrichts-Advocat« nennt (12. Juli
1703:11,53; 12. Juli 1704 : 3, 15; 18. Jan. 1705: 3, 17). In
dem ersten Gedichte, als er noch Student war, schloss er nicht
ohne Wink:
Weil Dein gnädig Angesicht
Auch auf treue SeufTzer schauet,
Und mir Gnad und Huld verspricht,
Worauf meine HofTnung l)auct.
Bei dem folgenden war er wohl bereits versorgt.
Zu den noch im Stande der Bittondon befindlichen und
nicht ohne bald stille bald laute IlofTnungen dichtenden gehören
63
offenbar die Studenten, die dem Fürsten ihre Devotion zu FUssen
legen. So G. F. Reicbnau, med. stud. (42. Juli 1702: 2, 8 und
42. Juli 4703: 3, 6), Fr. Willich, med. stud. (48. Jan. 4703:
2, 43), Melch. Theodor Procop, th. stud. (27. Nov. 4708: V,28
= V,44), Mart.Hassen, jur. cultor (48. Jan. 4704: 2, 24), Joh.
Pet. Jansen, Leg. stud. (Neujahr 4703 : II, 48; 48. Jan. 4703 :
2, 44 = II, 50; 48. Jan. 4706: III, 4 0), Bened. Ileinr. The-
ring aus Colin an der Spree, SS. Liter. Stud. (48. Jan. 4704 :
II, 27), die Gebrüder Chr. Friedr. und Joh. Gabr. Kühlen
(48. Jan. 4705: II, 60, Poesie und Verse), die Gebrüder Jobann,
Christian, Theodor und Friedrich Boltz (28. Juni 4705 : IV, 44),
von denen Theodor als Jur. Utr. Doctorandus an demselben Tage
noch für sich condolierl und dankend bittet (IV, 20) ^ auch die
Gebrüder Carl Gottl., Hans Beruh, und Georg Heinr. von Pel-
cken waren wohl Studenten. Ob C. Ransieben, mit dem
späteren Prediger in Berlin zweifelsohne identisch, im Jahre
4704 (6. Mai: 1, 405) noch Student oder bereits Geistlicher war,
niuss dahingestellt bleiben. Bei allen diesen Studierenden war
es gewiss auf die Erlangung einer Unterstützung abgesehen,
auch wenn es nicht ausdrücklich ausgesprochen wird. Aber
nicht wenige scheuten sich auch nicht, ihren Wunsch dircct zu
erkennen zu geben. So Fr. Willich:
Lass einen milden Strahl auf diese Zeilen schiessen
Und zeige, dass bey Dir auch Güte wohnen kann.
Erfreu an diesem Tag mich mit Genaden-BUtzen,
u. s. w.
und Hassen :
Ach, lass, mein König, nur mich Deine Huld erbitten I
Lass heut am Freudentag mich einen Gnaden-Blick
Von Deinem hohen Thron mit Freuden überschütten!
Jansen legt dem Druck eine schriftliche Supplicalion bei
(2, 4 4). Die Gebrüder Kühlen in der prosaischen Vorrede :
Das Opfer, so vor Ew. Kgl. Maj. geheiligtem Thron anjelzo lie-
get, ist ein allerunterthänigstes Paar aus Dero studierenden Lan-
des-Jugend. Wir selbst sind das OptTer, Eurer Königl. Maj. in
ticfTster Niedrigkeit gewiedmet So werden Hure Kgl. Maj.
. . . nicht entstehen, mit einem Gnadenblick unser von Licbes-
vollen Blut wallendos OpfTer anzusehen u. s. w.
Die Gebrüder Boltz:
Und darum heften wir an Eures Grabes Thürc
Mit tiefr gebeugtem Knie jetzt diese Bittsclirifl an:
64
Neig) Grosser König, doch den Scepter auf uns viere,
Dass jeder Deine Gnad' von uns geniessen kann.
Wir bitten keinen Schatz, wir sind vergnügt nnit Brocken.
Ertheil uns nur die Ehr zu heissen Deine Knecht.
Denn giebst Du uns auch schon nur kleine Gnaden-Flocken,
So nennen wir uns doch ein höchst beglückt Geschlecht.
In dera Gedichte der Gebrüder von Pelcken sagt die »Mam-
matt zu den Söhnen :
Gebt und fallt für seinen Thron in der tiefsten Reverentz,
Liebe Kinder, alle drey, alleruntertbänigst nieder,
Wünschet ihm viel Glück und Heyl, dass Sein Scepter euch beglUntz,
Und dahcro ich mit Euch singen könne Freuden-Lieder.
Auch bei El. Dan. vonKlesch (87. Nov. 4708: V, 47) ist
es wohl auf eine Bettelei angelegt. Schluss :
Seyd der Bedrängten Schutz, Erlöser und Erretter,
Nehmt Seegen bey Euch ein und Ihcilet Gnade aus.
Nicht sicher festzustellen weiss ich Dan. Joach. von Un ver-
fährt (27. Nov. 1708: V, 19), Euseb. von Brandt — vielleicht
der Kammerjunker dieses Namens, oder, was warscheinlicher
ist, der Vater desselben, seit 1695 Wirkl. Geh.-Rath — (6. Mai
1701 : I, 106), ob er identisch ist mit dera sich einfach »Brandt«
unterzeichnenden Verfasser der Grabschrift auf die Königin Sophie
Charlotte (IV, 36) weiss ich nicht zu sagen; ferner Fr. Em. von
Proben (28. Juni 1705: IV. 63 = 4, 15), El. Marl. Eyring
(18. Jan. 1701 : I, 57 = II, 13), Joh. Fr. Huffnagel (27. Nov.
1708: 2,46) und Jac. Herden (18. Jan. 1701 : 11,15 und 5. März
1 702 : II, 33) . Der letztere bittet :
Doch weil auff Dein Altar zu schlecht ist diese Kertze,
So reich ihr Gnaden-Feur, dann wird es heller brennen.
Und die Unsterblichkeit sich Deine Mutter nennen.
Auch zwei Buchhändlern Hess es keine Ruhe , sie mussten
sich ebenfalls mit Reimen hervorthun. Dereine war der privileg.
Berliner Buchdrucker Joh. Wessel, der sich zum 12. Juli 1704
(2, 18) und zum 27. Nov.1708 (V, 35) mit einer Gratulation ein-
stellte. Ob er sie sich nun hat machen lassen oder sie selbst
abgefasst hat, die Verse sind recht erträglich, wenn auch hohl.
Um so unglaublicher ist die Leistung seines Gollegen in Lützen-
burg, dem spateren Gharlottenburg. Dasmuss ein alberner Kauz
gewesen sein. Er hiess Andreas Luppius und nannte sich bei
65
seinem ersten Auftreten (12. Juli 1703: III, 46) »privilegirter Buch-
händler, Civis ücademieus und Exemptus«, er war also wohl durch
die Schule gelaufen und bildete sich ein, mindestens ein vir
semidoctus zu sein. Aber wie stimmen dazu seine Verse? Man
vergleiche! die vier ersten sollen Alexandriner sein:
Wie herrlich ist nun bestrahlt die Königliche Hofstatt,
Von mehr als Sonn und Gold, ja von Königlichen MajesUiten,
An Dero Gnaden-Glantz man Lust und Freude hat,
So dass sich Aug' und Hertz ergötzt von allen Seiten.
Leuchte lang, schönste Königs-Sonne,
Bestrahl uns fort mit Gnad und Wonne.
• > « • •
Und da ich selber soll nach meiner Wenigkeit,
Allerdurchlauchligste Königin, die grosse Gnade rühmen,
So Eure Königliche Hand noch vor gar kurtzer Zeit
Zn Lützeburg mir erwies, so will mir ja geziehmen,
Dass ich in meinem gantzen Leben
AUerunterthänigst Dank mag geben.
Indessen soll mein Wunsch aus tiefster Unterthänigkeit
Zu Gott recht andächtig steigen,
Es lebe König Friederich nebst der Königin noch lange Zeit,
Das Glück müsse sich nach Ihrem Willen neigen.
DesKöniglichenKron-Printzen, der Herren Marggraffen und Prtncessinnen
Segne, o Gott ! auch all Ihr Beginnen.
Man weiss, dass an demselben Tage Chr. Reuter in Lfltze-
burg ein Singspiel aufführen Hess; es könnte Einem der Ge-
danke durch den Kopf fahren, Luppius habe sich die Verse von
ihm machen lassen undReuter habe sein Spiel mit ihm getrieben,
denn an die Verse des SchelmufTsky an seine Charmante erinnert
diese Leistung durchaus. Um so mehr ist man verwundert,
wenn man Hrn. Andr. Luppius schon in demselben Jahre bei dem
Geburtstage seiner angeblichen Gönnerin , der Königin Sophie
Charlotte, sich wieder einstellen sieht [Sl.October: III, 45),
und er sich da auf dem Titel, ohne den Buchhändler zu erwähnen,
bezeichnet als »Director der Kgl. Preussischen und ChürfUrstl.
Brandenburg. Privilegirten Kunst- Academie in derKgl.Residentz
Lüzeburg«. Ist dem Streber trotz seiner früheren Verse etwas
durchzusetzen gelungen? Diesmal sind die Verse ganz leidlich,
er hat sie sich also corrigieren oder auch ganz machen lassen.
Zu Neujahr erscheint der jetzt Unermüdliche noch einmal (3, 4 1) :
nun ist der »Director« etc. glücklich wieder verschwunden, nur
1887. 5
66
der »priv. Buchh., Civ. acad. undExemplus« ist geblieben ; man
erkennt den eingebildeten Gecken, wenn er seine Schrift unter-
zeichnet: »Lützeburg, in meinem Museo«. Unter den Versen
kommen wieder wunderbare Rhythmen vor (es sollen iambische
Tetrameter sein) :
Wie soll ich doch dann danckbar sein? Wie soll ich Demuth gnug er-
weisen ?
Wie soll ich die Majestät der allerschönstcn Königin gnugsam preisen?
u. s. w.
Fernerhin aber scheint er die Königin nicht weiter belästigt
zu haben.
Auf die Umwandlung des Namens Lützenburg in Charlot-
tenburg (1705) haben wir ein Gedicht von (G.G. von) Meysen-
bougk*) (in, 64), einem Mitglied der Königl. Societät d. W.
Auch in Berlin gab es Dichterinnen. Wir finden drei, eine
adliche und zwei bürgerliche. Jene hiess Magdalene Elisabeth
von Röderin, und sie lieferte zum 42. Juli 1704 (3, 16) fUr die
Königliche Tafel eineMusic, kurz und frisch geschrieben ; sie wird
wohl zu den Damen des Hofes gehört haben. Die bürgerlichen
sind Barbara Helene Kopschin, oder, wie sie sich auch nennt,
j>die unter dem Pegnesischen Blumen-Orden so genandte Crone«
— sie condolierte beim Tode der Tochter des Königs im Jahre
1705 (2, 26) — , und Eleonore Schlüterin (zum 27. Nov.
1708 : V, 43). Bei keiner dieser drei Damen wird Grund zu dem
Verdachte gegeben , sie hätten mit ihrer Poesie den Gedanken
an eine Gunstbezeugung verknüpft.
Aber zu dieser letzten Sorte von Leuten, zu den dichtenden
Hungerleidern, haben wir noch zurückzukehren. Wir haben noch
zwei Gruppen derselben vorzuführen.
Die erste bilden solche, die aus religiösen Gründen ver-
folgt waren und denen Friedrich Schutz gewahrte, oder die sei-
nen Schutz erhofften. Einen dieses Kreises haben wir bereits in
dem Dr. th. Petersen kennen gelernt. Auf zwei Andere haben wir
noch einen Blick zu werfen. Der eine ist der »Con versus Mogunt.«,
jetzt LL. C. (Legum cultor) J. M. C. Kusmann, der sich, »nach-
dem er in Ihre Maj. Landen zur Erkanntniss der Wahrheit und
4) Auch lateinische Gedichte sind von ihm vorhanden, so zum 12. Juli
4709 [III, %k).
67
rechten Religion gelanget«, dem Schutze des Königs anem*
pfiehlt. Was wir von ihm haben, ist ein Gedicht ohne Datum
(2, 19 =s HI, 27) , aber auf dem Titelblatt hat eine gleichzeitige
Hand notiert: 4704. Hier wird natürlich suppliciert:
Nun, Allcrgnudigster, dieweil Ich dieses weiss,
So werff ich mich gebückt für Deinem Throne nieder,
Ist Gnad' und Gütigkett der Fürsten Ehr' und Proiss,
So ist die Majestät der Armuth nicht zuwieder.
Weil ich des Papstes Greul für Gaukol-Spiel geschälzt
Und nun das rechte Ziel zur Sccligkeit getroffen,
So hab' ich meinen Trost auf Deine Maobt gesetzt,
Und vf'iU von ihrem Schutz mein Heyl und Wohlfahrt hofTen.
Der andere ist Joh. Herrn, de Gubreville »Coloniensis,
conversus, olim eccles. Rom. sacerdosa. Er lüsst sich bereits zum
6. Mai 1701 vernehmen (I, 108), dann wieder zu Neujahr 1704
(3, 4 = 3, 20a) und nochmals zu Neujahr 1706 (2, 27), und
diesmal — unglaublich aber wahr — mit demselben , nur um-
gedruckten Gedichte wie 17041 Natürlich wird gebettelt:
Wer bey der Sonne sitzt, der pflegt herab zu sehn,
Trifft mich Dein Gnaden-Licht, so ist mir wohlgcschehn.
Und:
Je höher Dir Dein Gott den Königs-Thron gebaut,
Je tieffer wilst Du drum der Deinen Noth ansehen,
Ein hungrichs Hündchen weiss auch für ein Brosamlein
Des Herren Gnad und Huld auCfs freundlichste zu preisen
Heiss, grosser König, dann mich Aennsten auch nicht fort
Mit meinem Lob' und Danck von Deinem Throne jagen
So ist und bleibt er dem ein reich und sichrer Port,
Der arm und elend ist aus Lust zur reinen Lehre.
Die zweite Gruppe der dichtenden Hungerleider sind die
hungerleidenden Dichter. Wir finden drei dieser Art, freilich
zu verschiedenen Zeiten, in Berlin: Benjam. Neukirch, Ilunold
und Oelven. Benj. Neu k i r ch *) , der schon als Student von Fried-
4) Eine ganz ergreifende Schilderung seiner Nothlage und der unwür-
digen Beschäftigung mit dieser Bettel- und Devot ionspoesie giebt Neukirch
selbst in der 7. Satire »Wider sich selbstic Auserl. Ged. 4 744, S. 4 45 ff. Ob
freilich der Schluss, den Gottsched daraus zieht, der richtige ist, dass dies
5*
68
rieh unterstützt worden war, hatte bereits in den 90er Jahren
von Frankfurt undHalle aus mit hochstehenden Beamten Branden-
burgs und mit Adlichen Verbindung angeknüpft und machte sich
schon Hoffnung auf eine Anstellung, als der König noch Kurfürst
war. Sein Gedicht auf das Edict des Kurfürsten gegen das Ein-
fangen derNachtigallen isteigentlichnichtsalseineeinzigeBettelei:
Beglückte Nachtigall! Wo bist du hin gestiegen?
Du ziehst nun ohne Scheu in Friedrich's Gärten ein,
Ich Aermster aber muss auf Koth und Asche liegen.
Und so geht es fort. Er selber nennt sein Gedicht ein
Trauerlied :
Bitt aber, Schönste, nur für mein betrübtes Leben,
Und trag zu rechter Zeit mich Deinem Churfürst an
Weil meine Poesie mit Schimpfe betteln geht, i)
Dann hatte auch er sich zur Krönung mit einem Gedichte^)
eingestellt (1,70). Die eigne Lage gab ihm die characteristischen
Worte an Homer in den Mund:
Heute solltest du lebend seyn,
Da die ungestimmten Flöten
So viel hungriger Poeten
Fast auf allen Gassen schreyn,
Und dennoch mit ihrem Klingen
Kaum ein hartes Lied erzwingen.
Im Übrigen hält er diesmal mit einer Hinweisung auf seine
persönliche Lage zurück. Ebenso in dem Gedichte auf den Ein-
zug des Königspaares in Berlin (1,407), wenn hier auch wohl die
Schlussworte eine Andeutung enthalten sollten :
allein dem Preussischon Hofe zur Schande gereiche, steht ^ohl sehr dahin.
Das Talent soll sich eben nicht vor die Füsse werfen.
4) Ziemlich um dieselbe Zeit sang unser Dichter auch den König Frie-
drich August I. von Polen an, mit dem Schluss:
Wird mich ein hoher Glanz von Deiner Huld bestrahlen,
So werd' ich jährlich Dir ein solch' Gelübde zahlen.
Man sieht, es ward als ein Geschäft angesehen; der König von Polen scheint
aber nicht darauf eingegangen zu sein.
2) Um dieselbe Zeit scheint von ihm auch das anonyme Gedicht er-
schienen zu sein (I, 98): »Schreiben der Aurora an Seine Königliche Maje-
stät in Preusseuff. Auch das Plakat-Gedicht »auf die behauptete Souvcraini-
tät von Neufchalel und Valengin« (III, 4S) ist von ihm.
69
Earopa freuet sich ;
üod biilich : denn wer hofft nechsl Gott jetzt nicht auf Dich ?
Auch das Gedicht zum 48. Jan. 1702 hält sich noch frei.
Aber die erhoffte Beförderung liess noch immer auf sich warten
und so sah er sich denn gezwungen, wiederum deutlicher zu
reden. Zum 1 S.Jan. 4 703 trat er abermals mit einer Gratulation
hervor (II, 37) , und hier Utsst der Schluss nichls zu wünschen
Obrig :
. Der .Himmel setze Dich zum Beispiel aller Helden !
Die Sonne Galliens steh' wie der Monde bleich,
Wenn Fama Deinen Sieg wird den Antillen melden !
Wer aber, König denkt bcy dieser Zeit an mich?
Du hast, was ich gesagt ; ich lebe kümmerlich.
Und noch kräftiger in dem zunächst darauf erfolgenden
Gedichte auf die Enthüllung der Reiterstatue des Grossen Kur-
fürsten (42. Juli 1703: III, 32) am Ende:
Wie kommt es denn, o Held, dass, da ich von Dir schreibe,
Ich unter tausenden allein verlassen bleibe?
Gesetzt, ich hätte Nichts als Reimen nur gelernt,
Ist denn die Poesie von Hofe nun entfernt?
Mein König, denk an mich, und Deine Macht zugleich !
Hier ist ein schlechter Vers: Du hast ein weites Reich.
Bin ich gleich nicht Virgil, wie Du August auf Erden,
So könnt ich es doch wohl bey Deinen Thaten worden.
Doch thue, was du wilst. Ich ändere nicht den Sinn.
Ich liebe dennoch Dich, ob ich gleich elend bin.
Versage mir das Brot, das von der Tafel fällt.
Ich singe dennoch fort Ja ich will. Grosser Held,
Solt' ich noch ärmer sein, solt' ich auch Hungers sterben.
Doch die Unsterblichkeit durch Deinen Ruhm erwerben.
Und noch nach dem 12. Dec. 1703 in dem Gedicht auf die Ein*
nähme Gelderns heisst es:
Herr, ist es denn wundernswerth?
Da ich gar Dein Lob gesungen,
Dass ich da mein Brodt begehrt,
Wo man mir mein Herz bezwungen ?
Warum muss des Glückes Hafen
Mir denn stets verschlossen sein?
Das scheint endlich geholfen zu haben , denn bald darauf
erhielt Neukirch eine Anstellung an der neugegrUndeten Ritter-
70 —
Academie in Berlin*). Von nun an hörten dieBcUelvcrseauf, und
es war nur noch das ehrenwerthere Gefühl der Dankbarkeit, das
den Dichter bei den wichtigern Momenten im ferneren Familien-
leben des Königs, bei der Beisetzung der Königin Sophie Charlotte
(28. Juni 4705: IV, 8. 9, Prosa und Verse; die Verse für sich
in neuem Druck 4, 46), bei der Wiedervermählung des Königs
(28. Nov. 1708: V, 45), und bei der Geburt des Prinzen von
Oranien nochmals an die Stufen des Thrones führte ; auch sauf
die behauptete Souverainität von Neufchatela (3. Nov. 4707:
111, 42) hat er ein Preisgedicht gefertigt. Es bleiben aber alles
Arbeiten, die nach den Gesetzen der Rhetorik künstlich und
kümmerlich zusammengerechnet und zusammengeklügelt sind.
Chr. Friedr. Hunold hatte 4706 in Folge liederlichen
Lebenswandels und anzüglicher Romane seine Stellung in Ham-
burg verlassen müssen, und irrte seitdem lange umher, vergebens
einen neuen zusagenden Wirkungskreis suchend, bis er endlich,
seit 4744, mit den Auschweifungen seiner Jugend gründlich
brechend , an der Universität Halle einen solchen fand. In der
Zwischenzeit scheint er auch einmal auf Berlin seine Hoffnung
gesetzt zu haben, und er ergriff die Gelegenheit der Taufe des
jungen, bald wieder verstorbenen Prinzen von Oranien, um sich
allerunterthänigst zu empfehlen (24. Aug. 4740: 3, 49]. Das
Gedicht hat nichts Bemerkenswerthes, doch ist es nicht in den
hergebrachten Alexandrinern abgefasst.
Diesen beiden Dichtern darf ich noch einen dritten hinzu-
fügen, den Berliner Rittmeister Ch. H. Oelven, dessen Gedichte
in der ersten Ausgabe der v. Canitz'schen Nebenstunden im An-
hange zusammen mit Gedichten von v. Besser, Neukirch, Simon
Dach U.A. veröffentlicht wurden (4 702 fg.). Er unterzeichnete sie
C.H.Oe, In 3, 22 findet sich nun eine Weissagung auf die Ge-
burt eines Prinzen vom 29. Sept. 4707 (am 23. Nov. ward wirk-
lich ein Prinz geboren) , deren Verfasser sich R, Oe. bezeichnet
und auf sein Gedicht in den »Poetischen Neben-Stunden, Anhang«
hinweist. Gewiss bedeutet also R. Oe. Rittmeister Oelven. Er
bettelt wie sein College Neukirch:
Fehits aber, und dass man mich darum straffen muss,
So lass mich, wenn du kannst, nur stets im Elend bleiben.
4) Anders Gottsched in der Vorrede zu der Ausgabe von Neukirch's
Gedichten, 4744, wo die Anstellung erst in die Zeit nach 4708 gesetxt wird.
71
Ich sage, wenn Du kannst: Dein giltigstes Gcmütb,
Das Ost und Westen längst durcli Wollhun an sich zieht,
Hat, Preussischer Trajan, Dir hier das Lob erworben,
Dass keiner Deiner Knecht' ist un vergnügt gestorben i).
Sehen wir uns auch noch um nach den andern Städten des
Landes. Zunächst nach den beiden Universitätsstädten, Halle
und Frankfürt a. 0.
Aus erste rer Stadt gratulieren zum 48. Jan. 1701 die beiden
Grafen Henckel, Wentzel und Erdmann, in deutscher und
lateinischer Rede, und mit deutschen Gedichten (1,34—37). Von
hier condoliert ein Friedrich Calenus, Anhaltischer Rath, zum
Tode der Königin (1. Febr. 1705: IV, 49), und »Wiewohl er
Selbsten noch an Hertz und Händen matt Von jüngster Trauer-
schrifft«; sendet er bereits zum 42. Juli (HI, 33] wieder ein
grosses Opus, lateinisch und deutsch, Epigramme und Ana-
gramme auf die Reiterstatue, den SchlossbaU; den König u. s.w.;
der Dr. J. Utr. und Ober-Bornmeister am Thal-Gerichte A. Th.
Reich heim begrttsst die Leiche der Königin bei ihrer Ankunft
in Berlin (22. März 4705 : IV, 4 = 4, 48). Aus Frankfurt a.O.
stellt sich »ein Schlesischer von Adela, Gp. Sieg, von Luck,
zum 48. Jan. 4703 ein (2, 44); schon zum Krönungstage selbst
hatte ein W. Siegfr. Ring gratuliert (I, 69). Später taucht ein
Leg. Stud. Joh. Luc. Th er i n g auf, der zur Taufe des Prinzen von
Oranien (24. Aug. 1710: 1, 31) Glttck wünscht. Zu des Königs
Geburtstag, merkwürdiger V^eise am 20. Juli 1712, hält er eine
stattliche lateinische Rede (2, 59) und dichtet dazu eine »Music«,
d. h. eine musikalische Aufführung, in der Arien und Recitative
mit einander abwechseln (2, 59b) . Keine einzige dieser aus den
beiden Universitätsstädten herstammenden Ovationen enthält
auch nur die Andeutung einer Bettelei.
Die übrigen Städte des damaligen Preussischen Gebietes
will ich einfach alphabetisch vorführen. Zwischen dem Wesen
dieser Reimereien und dem der bisher vorgeführten ist doch
4] Die ChifTre R, Oe. kommt noch einmal vor (V, 38) unter einem kur-
zen lateinischen Plakatgodichte« zu dessen linker Seite steht : »Jo 1 Triumphe !
Ups. transmiss. per Chr. Ludw. Meyorum D.«, und rechts : »Carolus Guiliel-
mus a Mesebug.« Wie sollen wir diese 3 Namen auf das Gedicht verthei-
len, und verstand der Herr Rittmeister wirklich Latein? Von C. G. deMey-
senbougk findet sich ein lat. Condolationsgedicht (zum 22. März 4 705) auch
IV, 87.
72
ein grosser Unterschied ; die Provinzialstädte stehen im Ganzen
in Übung der Poesie merkbar zurück hinler den bisher ge-
nannten grösseren Städten. DieVcrfasser mögen gute und ehren-
werthe Leute gewesen sein, aber schlechte Dichter waren es fast
ohne Ausnahme. Aus Cottbus stiftet der Archi-Diaconus M.
Christ. Gottschalck zum Krönungsfesle (18. Jan. 4701 : il, 6)
ein entsetzlich breites Gedicht, reich mit Anmerkungen geziert,
die vollaus Logau's Spott hatten hervorrufen können. In Crev-
MEN begegnen wir dem Vater des in Königsberg aufgetretenen
Studenten, dem Bürgermeister Joh. Grüwcln, der zum Tode
der Königin 4705 ein »Trauer-Lihd« (4, 43) voll biederer Ge-
schmacklosigkeiten anstimmt:
Als der Winter schier verschwand Als nunmehr der Ackermann
Und wich vor dem Lenzen, Nicht so sehr einheizet,
Als das Vih die Sonn' entfand, Und der Schneh nicht hindern kann
Die zu unsern Grenzen Was zum Reisen reizet,
Trat heraufwerts, da man baut Da die Venus tanzen soll,
Und die Schute täret, Wenn der Mond schön scheinet,
Die man auff dem Wasser schaut Ist ein jeder TraurcnsvoU
Wie sie schwimmt und föliret: Und für Jammer weinet.
Alles Fleisch vergeht wie Heu,
Was Mensch hcisst muss sterben
Strekkebein schont kein Gebäu,
Alles muss verderben.
In CüsTRirf begrüsst im December 4700 der Ortsgeistliche
M. Joh. Hanf 1er als »unterthänigster Diener und Vorbitter« den
zur Krönung sich begebenden Fürsten (I, 43), ein anderer (oder
ist es derselbe?), der sich nur »ein getreuer Diener« nennt, feiert
die erfolgte Krönung (I, 44), und ein G. H. Krause stümpert zu
demselben Anlass ein paar Strophen mit Alexandrinern zurecht
(1,45). Ein Joh. Krause (derSohn?) reimtebensoelendzurWie-
derkehr des Krönungstags (4 8. Jan. 4702: 4,4). Aus Halbbrstadt
condoliert ein Hier. Erdm. Yiesemeyer zum Tode der Königin
(4. Febr. 4705: IV, 47). Aus Hamm gratuliert der Pr. P. der
dortigen »höheren Schuiena, der S. Th. Dr. Nie. Neu haus zur
Taufe des jungen Prinzen (4. Dec. 4707: 3, 24). Ein Glückwunsch
aus Hayelberg von dem Prediger G. D. Lud erwalten in
Nitzow verdankt seine Entstehung einpr besonderen Veranlas-
sung. Im Jahre 4707 hatte sich der König ein prachtvolles Jagd-
73
schiff in Holland bauen lassen, das nun die Elbe und Havel hinauf-
geführt werden sollte. Aber bei Havelberg war so niedriger Was-
serstand, dass es liegen bleiben inussle und erst am 20. Januar
gelang es, es weiter zu führen. Hierzu verfasste der genannte
Geislliche ein mit gelehrten Anmerkungen gespicktes Gedicht
(3,32): oder in seiner vorigen Armuth reiche und seinem jetzigen
Keichthum arme Havel-Fluss«, »den Einheimischen zum An-
denken, den Auswärtigen zur Nachricht einer so merkwürdigen
Havelbergischen Aventure unterthünigst auch gltickwünschend
erwogen«. Aus Magdeburg liegt, recht auffallender Weise, nur
ein einziges Gratulationsgedicht, aus dem Jahre 1703, vor (3, 8),
vom Dom-Cantor Fr. J. Hoppe, »eine Kirchenmusik«, Alexan-
driner in Strophen mit dactylischen Schlussreimen. Aus Star-
GARDT i. P. liefert der erste Geistliche des Ortes, M. Mattb. He-
ring, Senior der Synode, zur Krönung eine Predigt und eine
Arie, eine von seinem Sohne componierte »Kirchen- und Abend-
Musik« (1, 9), und bei der Rückkehr des Königspaares begrüsst
dasselbe ein Dr. Dan. C rüg er (März 1704 : 1,93) in recht stüm-
perhaften, aber durchaus ernst gemeinten Reimen, deren Schluss
z. B. lautet:
Pferd, ruf: Glück zul im Stalle,
Das Kind beut Vivat lalle,
Ihr Fräulein schnürt Euch schmalle,
Und geht zum schönen Balie,
Werfft weg des Unmuths Galle
Und rufTet Vivat alle.
Noch geschmackloser dichtet ein Gand. der Theol. Abr. Bo-
gesius zur dritten Wiederkehr des Tages (1703: 2, 10), der
»die Königl. Preussische und Brandenburgische Losung« »durch
einen dreyfachen Glückwunsch« .... »in unterth^nigster De-
votion aemuliren und zum Bescbluss des Gottesdienstes unter
Pauken und Trompeten-Schall wiederholen lassen« »wolte«. Das
Gedicht beginnt :
Entrüste, König, Dich nicht, dass ein kahler Knecht
An Deinem Krönungs-Fest sich auch herfür will machen.
Ich weiss, mein Wunsch ist kurz, die Wollte fliessen schlecht,
So dass manch hoher Geist wird meiner Einfalt lachen.
Doch u. s. w.
Allein was andere bereits vor mir gethan
Die in dem Glücks-Revier des Spree-Parnassi leben,
74
Desselben mass ich mich als meiner Worte an,
Und will aulT ihren RufT mein herlzlichs Amen geben.
Und zwar nach Landes Art. ^Denn, wie man hier erkennt,
Es sei kein Unterthan, Getreuer und Vasallc,
Der auf Dein Wohlergehn ein donnernd Stück abbrennt,
Es müsse denn gescbehn so dass es droymal knalle,
So stellt mein Feder-Kiel auch nur 3 Salven für,
Zum Zcugniss, dass Dein Geist allein aufT den vertrauet,
Der Drey in Einem ist I
• • • •
Zum Schluss eine Bettelei in optima forma :
Und wenn mir Deine Gnad einmal erscheinen soll,
So sprich auff meinen Wunsch auch ein erhörllchs Amen !
Aus WiTZKE bei Ratenau gratuliert zur Vermahlung am
27. Nov. 1708 (V, 23) der Ortsgeistliche Gottfr. Zitemann,
nicht schlechter als sonst der Durchschnitt zu sein püegt, aber
für diesen recht characteristisch durch die ttble Wahl der Bil-
der, z. B. :
Nun wird Dein Liebes-Gold in reiner Glut verneuet
Und einer Herzogin als trinkbar Übermacht.
So wird sie wiederum Vergnügungszucker saugen,
Wenn sich Dein Mund und Hertz an ihre Seele drückt.
Endlich stellt sich aus Wbiezen a/0. der Pastor G. Etz. Bö-
diker*) bei der Beisetzung der Königin am 28. Juni 1705 ein
(IV, 48 = 4, 1i): »Betrachtliches Grabmahl einer unvergleich-
lichen Königin«. Für einen Geistlichen weltlich genug:
Gott sie gesctimücket hat mit ungemeiner Zier:
Kein weisser Schwanen-Schnee gicng ihrer Anmuth für,
Die Augen strahleten mit überholden Blicken,
Ihr purpurrother Mund der konte gleich entzücken,
Der Atlas ihrer Brust war Alabaster gleich,
Und sie ein Inbegriff was schön im gantzen Reich.
Ach ! welche Feder schreibt nach Würden solche Gaben?
Drum frag' ich : Liegt hier nicht die Schönheit selbst begraben ?
Aber auch das Ausland betheiligte sich. Zunächst auslän-
dische Universitäten: Rostock, Giessen und Jena. Am 48. Jan.
1703 hielt in Rostock ein angesehener junger Mann, Jurist, aus
4) Auch Predigten von ihm sind gedruckt, z. B. zum 18. Jan. 1704,
und lateinische Gedichte zum 5. März 4703 [1, 42; II, 35).
75
Stargard io Pommern, Imm. Rango (diclus Guido) mit Namen*),
eine Rede auf Preussens König, die von Seiten der Universität,
der Stadt, der Professoren und Studierenden mit ausserordent^
ticher Betheiligung und grossem Applause gefeiert ward. La-
teinische und deutsche Gedichte, Gesänge der Studierenden
u. s. w. wurden durch diese Gelegenheit hervorgerufen ; auch
Gedichte, von J. D. Blume und M. A. Wagner, auf den Red-
ner, mehrere von dem Prof. Gasp. Matth. Müller u. A. (vergl.
II, 38 — 46). Auch im Jabr vorher scheint ein ähnliches Fest ge-
feiert zu sein, und wieder ein Jahr nachher. Man muss sich da-
bei erinnern, dass Mecklenburg damals in besonders engem
Verhältnisse zu Preussen stand, dem im Vertrage von 4701 die
Nachfolge in Mecklenburg nach etwaigem Aussterben des Meck-
lenburgischen Hauses zugesprochen war. Dennoch liegt in die-
sem Vorgange, der den eigenen Landesherrn ganz bei Seite
Jioss, etwas Verwunderliches. Etwas von Strebcrthum war wohl
dabei, wie auch die Gedichte durchfühlen lassen :
Dein König achte solche [Feier] theucr,
Und gönn' Dir Gnaden Sonnenschein :
Dass ich von heute möge sehn
Dein Glück in gutem Wachs thum stehn.
und ein anderes schliesst:
So müsse der Mercur ihn [den Rango] auch mit Lorbeer krönen,
Dieweil es Fama schon für Brennens Adler bringt.
Deutlicher erklärt sich ein drittes :
Dein Thun ist nicht umbsonst. Auf! fahre nur so fort!
Dein König wird Dich so mit Adlers Flügeln heben,
Dass unter seiner Crohn du kannst im Lichte leben.
Und fast naiv ein viertes:
•
Wer klug ist, wird gewiss das Unterfangen preisen,
Das ihn noch mit der Zeit zum Ehren-Gipfel bringt.
In GIESSEN lag eine Feier schon näher, da seit 4700 der Erb-
prinz von Hessen-Cassel mit der Tochter Friedrichs vermählt
4} Er hatte bereits zum 6. Mai 1701 mit einer lateinischen Tabula gra-
tulatoria aufgewartet. Sein Valcr, Laurentius Rango, war ein in Pom-
mern hochangesehener Mann, Prösident des Schöppenstuhls und Land-
syndicus.
76
war. Zur Feier der Wieder verheirathung des Königs (28. Nov.
1708) hielt dort G. E. Spener eine lat. Rede (V, 53) und da-
bei wurde eine Reihe von Arien abgesungen, die er selber ver-
fasst halte [V; 33). Derselbe hatte schon zur Beisetzung der
früheren Gemahlin condoliert (28. Juni 1705: IV, 49 = 4, 17).
In Jkna ward am 15. März 1701 durch den Gonsistorial-
rath, Prälaten, Probst und Professor der Theologie Phil. M tili er
ein festlicher Actus zur Feier der Krönung abgehalten , und die
Rede sammt einem latciu. Programm und einem deutschen Ge-
dicht, einer Kirchenmusik, herausgegeben (I, 41 = li, 8), und
als am 24. Juni 1708 der König bei seiner Rückkehr aus dem
Garlsbade Zeitz berührte, legte ihm der Universitäts-Gantor J. G.
Koch in Jena ein mächtiges Diplom mit einem kleinen »Madri-
ga la zu Füssen (1, 18).
Zu diesen Universitätsstädten tritt dann noch eine Reihe
anderer Städte des Deutschen Reichs. Aus Nürnberg begrüsst
zum 28. Nov; 1708 das neuvermählte Paar der Geheime Rath
der Reichsstadt Chr. Fürer von Ilaimendorff auf Wolkersdorff,
das berühmte und vielgefeierte Mitglied des Pegnizordens , in
welchem er als »Lilidor der erste« eine grosse Rolle spielte, mit
einem langen deutschen, mit gelehrten lateinischen Anmer-
kungen verbrämten Gedichte (1, 28a)', Zu demselben Tage lie-
fert Leipzig zwei Dichter: den SS. theol. Cultor Gottfr. Grüner
(V, 26), dessen poetische Regabung sich durch folgende Verse
characterisieren mag :
Sophiens Englisch-seyn hat Seinen Wunsch gestillt,
Und bringt Ihm wiederuoi die lioch-vergnügten Stunden.
und einen Curländer, den stud. Jur. Utr. Joh. Isenhagen (V,
27). Reide werden wohl vom KönigQ unterstützt worden sein,
was der zweite verständlich andeutet :
Du nimmst Dich auch der Armen an
Von fremdem Ort und Ende.
Und diese Güte reitzet mich,
Den Staub von Deinen Füssen,
0 Grosser König Friederich,
Mit tiefster Furcht zu küssen.
Auch Dresden weist zwei Dichter auf. Schon zum 6. Mai
1701 gratulierte ein Siegm. Jacobi (I, 109) »aus nachbarlicher
und tieffgehorsamster Pflichtschuldigkeit«. Darin:
77
Nun kann Neu-Frankreicb man in Brandenburg erblicken
Pariss wird in Berlin zur Hauptstadt auffgericbt,
So viel heut in Berlin und anderswo der Kertzen
Vor Ihro Majestät In der Entzündung stehn,
So viel Wünsch kommen her von treu verpflichten Herlzen.
Zur VermähluDg i 708 ruft sich in die Erinnerung zurück
ein »gewesener Lieutenant«, Augustus vonLütiichau^ aus
dem Hause und Rittergute Gross-Kmelen in Meissen. Er hat nicht
genug an einem, er liefert gleich zwei Gedichte, beide in Alexan-
drinern und eines in Strophen (2, 47 = V, 48 ; 2, 48). Für die
Verwendung des Anrede-Pronomens ist der Anfang von Inter-
esse; die Braut wird angeredet:
Durchlauchte, weil bey Ihr nichts Irdisches zu finden,
So tritt Sie in Berlin als Preussens Göttin ein i).
Recht soldatisch unbefangen ist das Lob ihrer Schönheit:
Die Liebe pflantzt den Lentz mit Blumen auf die Wangen,
Der Augen Strahlen sind des Sommers Sonnenschein;
Man sieht auf Dero Brust den Herbst mit Äpfeln prangen,
Die Schnee-gebirgte Schoss des Winters Bildung seyn.
Der Verfasser scheint erblindet zu sein, und es läuft schliesslich
wohl auf ein Gnadengesuch hinaus:
Und diese Dürftigkeit fällt hier zu Ihren Füssen,
Und bittet, dass Sie bleib mir armen Blinden hold.
Wir zählen noch von Westen nach Osten die übrigen Städte
auf, die sich mit deutschen Gedichten empfehlen. Aus Qued-
linburg sendet der Diaconus M. Dan. 0. Kegel sein Gedicht
zum 18. Januar 1702 (II, 32). Aus Zeitz meldet sich zum
4. Febr. 4705 mit einem langen, zusammengestUmperten Ge-
dicht der Rentsecretür Joh. G. Ba rt h (IV, 42), und bei dersel-
ben Gelegenheit, die auch den Jenaer Universitäts-Canlor zum
Dichter machte, am 24. Juni 1708, ein Andreas Pellio (1, 19).
Ob seine Worte :
Wirfl einen Gnaden-Blick auf meine Niedrigkeit
eine Andeutung sein sollen, muss man dahingestellt lassen; noth-
1) Übrigens war in der Anrede an Fürstlichkeiten damals bereits der
Plural ganz gewöhnlich in Gebrauch.
78
wendig macht es der Zusammenhang nicht. Aus Zbrbst gratu-
liert zum 3. und 23. Nov. 1707 (4, 42) der Kgl. Preussische und
Fürstlich Anhaltinische Hofmedicus (Archiater) Joh. Eberh. von
Exter, aus Zittau der Notar J. Gottfr. Pauli bei Gelegenheit
des Jubiläums der Universität Frankfurt a. 0. (ApriH706 : 2,28);
zu demselben Tage auch aus Birnbaum der Med. Ord. D. Barth.
Tob. Seibt (11, 63). Aas Breslau hatte zum 42. Juli 1702 der
Ling. Orient. Prof., Archidiaconus und Senior, D. Andr. Aco-
luthus eine Medaille beschrieben und dabei auch deutsche
Verse einfliessen lassen (1,58). Endlich vermeinte auch der Haus-
wirth in Carlsbad, bei dem der König im Jahre 1708 gewohnt
hatte, der Stadtsyndicus Chr. Mich. Nonner, sich mit eignen
oder bestellten Reimen empfehlen zu müssen. Die Erfolge des
Bades werden nur bescheiden angeschlagen, wenn es heisst :
So ist, o Himmel-Glück, 0 König, Dir geschehen,
Den wir gesundt«r noch als vor dem Bade sehen.
Zum Schluss natürlich Bitte um Wiederkunft u. s. w.
Es erübrigt noch der Gedichte zu erwähnen, die ohne
Nennung des Verfassers auftreten , abgesehen von den bereits
oben ihren Verfassern vermuthungsweise zugewiesenen. Sie
haben durchweg von vornherein einen angenehmeren Klang, da
ja bei ihnen in der Regel der Verdacht der Bettelei ausgeschlossen
ist. Wir haben zwei Gruppen zu unterscheiden, je nachdem die
Gedichte trotz ihrer Anonymität im Namen ihres Dichters auf-
treten, oder im Sinne grösserer Kreise abgefasst sind.
Von ersterer Art sind nur wenige vorhanden. Wir er-
wiihnten bereits das Gedicht eines »getreuen Dieners« in Cüstrin
(18. Jan. 1701: I, 44); »ein Prediger zu Colin a. Spr.« theilt
seine »zufiilligen Gedanken« beim Einzüge am 6. Mai 1701 mit
(1,410):
Dein Knecht, mein König, rühmt die Erstling' hoher Gnaden,
Die Du von Deinem Thron ihm zugeworffen hast.
Ein Ungenannter in Königsberg widmet ein Gedicht mit lat.
Titel (REG!) zum 18. Jan. 1703 (II, 54); der »bekannte Spree-
Schaffer Zepoldo«f gratuliert in einem langen, mit Prosa unter-
flochtenen Schäfergedicht zum Neujahr 1704 (3,12); endlich
fmden sich auf den Tod der Tochter des Königs, Ende 1705,
zwei anonyme Gedichte (III, 39 und III, 41, dies letztere aus
79
Cassel), und auf die WiedervermilhJung des Königs (28. Nov.
1708) ein Gedicht des »Poslilions« »Extraordinaire Post-Zeitung
No. 275« (V, 6), welches die Theilnahme der verschiedenen Pro-
vinzen meldet. Eine besondere Stelle nimmt ein handschriftlich
erhaltenes Gedicht (IV, 7) ein , dessen Anonymität sich wohl
noch lüften Kissen v^ird. Es ist ein Klaggedicht auf den Tod der
Königin 4705, und sein Titel lautet: »Die von einem frembden
Monarchen beklagte Königin der Preussen«. Dieser fremde Mo-
narch ist der Zar Peter, mit dem ja die Königin im Jahr 1697
bekannt geworden war, und der Dichter sagt von sich , dass er
beauftragt gewesen sei, dem Zaren die Nachrieht von dem Tode
der Fürstin zu überbringen. Er schildert dann die Scene beim
Empfang der Trauerbotschaft, die Klage und Trauer des Zaren
und seines Sohnes u. s. w. Anfang:
So wie ein Donner-Knall, der durch die Lüfite rollt,
Ein grosses Thcil der Welt durch einen Schlag erschüttert :
Grösser ist die Zahl der Gedichte, die ihren Verfasser nicht
nennen, weil sie im Namen eines weiteren Kreises abgefasst
sind. Voran stehen die Studenten. Eine besondere Güte haben
sich die Hallenser gethan zum 18. Jan. 1701. Die Studenten-
schaft hatte sich in kleinere zusammengehörige Gruppen ge~
(heilt. Voran die »studirenden Preussenc (I, 18] ; dann »sämt-
liche aus der alten Mark(( (1, 1 9) ; die aus der Mittelmark gratulierten
lateinisch (I, 20), wie auch das Theologische Seminar (I, S8) ;
deutsch, aber in Prosa ; in Form einer Tabula, »die sämtlichen
von Adel aus dem Uerzogthum Hinterpommern« (I, 21); wieder
in Gedichtform die »aus dem Herzogthum Minden« (1, 22) ; des-
gleichen die »aus der Graffschafft Ravensberg« (I, 23) ; die »von
Adel aus der Graffschafft Mannsfeld« (I, 24) ; die »sämtlichen . . .
Studirende Ilallenses« d. h. die aus der Stadt Halle (I, 25) ; »die
samtlichen Magdeburgischen Tischgenossen« (I, 26) ; die » frey-
verpflegte Halberstädtische Tisch -Compagnie« (I, 27). Eine
solche Anhäufung finde ich sonst nicht wieder. Die deutsche
»Gluckwünschende Freuden-Ode«, die am 18. Jan. 1702 zu der
lateinischen Rede des Freiherm J. C. von Abschatz gesungen
ward (II, 26) , und die »Lob- und Freuden-Ode« zum 27. Nov.
1708 (V, 22) gehen von der ganzen Universität aus, vielleicht
aber auch hier nur von den Studierenden, wie dies der Fall war
80
in Frankfurt a. 0., z. B. bei den beiden Gedichten zum Tage der
Krönung (18. Jan. 1701 : I, 32 und I, 33) und bei der»Freuden-
Musicft zum 30. Aug. 1740 (2, 54b) zur Feier der am 16. Aug.
erfolgten Geburt eines Prinzen. Die in Königsberg am 28. Nov.
1708 auf dem Kneiphöfischen Rathbause abgesungene Yocal-
und Instrumental-Musik wird mit der Universität wohl nichts
zu thun haben, und man wird wohl nicht fehl gehen, wenn man
Mich. Kongehl (s.o.) für ihren Verfasser halt. »Etliche auf der
Burg Brandenburg Studirende von Adel « begehen den Tag der
Durchfuhrung der Leiche der Königin (1 8. MUrz 1 705) mit Trauer-
reden und Arien (IV, 22). In dem »Waisenhaus zu Glaucha
an Halle« ward am 18. Jan. 1701 »eine Aria musiciret«, die
mit gelehrten Anmerkungen zum Druck gelangt (11, 10a). Das
Gymnasium in Halle feierte den 28. Nov. 1708 durch einen
»Actus Panegyricus«, oder, wie es auf dem Titel heisst, »legete
seine allerunterthanigste Devoir auf dem Thealro oratorio an
den Tag«, und dabei ward »eine anmuthige Musica auf-
geführt (I, 27b). Am 8. Januar des folgenden Jahres liess
der Rector des Lyceums in Stendal, Es. Wilhelm Tapp er t,
seine »einfältige Schul- Jugend« ein grosses allegorisches
Stück aufführen, aus Gesang, Reden und Gedichten bestehend
(V, 46); der Verfasser wird wohl der Rector selbst gewe-
sen sein.
»Die sämmtliche Brüderschafil im Thal zu Halle« gratuliert
1705 dem Könige »anstatt des sonst gewöhnlichen Neu -Jahr
Singens« mit einem stattlich gedruckten Gedichte (I, 7) ; ähn-
liche Exemplare liegen aus den Jahren 1708 (I, 17) und 1709
(I, 29) vor, so dass man wohl glauben darf, dass diese Art der
Gratulation fortan jährlich erfolgt ist , und uns nur nicht von
allen Drucken Exemplare erhalten sind. Die Worte »anstatt
u. s. w.« wiederholen sich 1708 und 1709. Für die am 18. Ja-
nuar jährlich »gespeisten Armen in Berlin« wird regelmässig
ein Dankgedicht abgefasst, wohl von ihrem Geistlichen, dem
schon oben erwähnten Pastor Gensichen. Exemplare solcher
Gedichte haben wir aus dem Jahre 1702 (2, 5 = II, 28) und
1704 (3, 13). Als Friedrich am 26. Juni 1708, von Carlsbad
heimkehrend, die »Magdeburgischen Bergwercke um und bey
Wettin« berührte, bezeigte ihm »die sämtliche Knappschaft« da-
selbst ihre »Aufwartung« durch ein Gedicht (3, 37), das sich
durch seine Singbarkeit auszeichnet. Anfang :
81
Grosser König, Dir zu Ehren
Lttsst die Knappschaft aas Wettin
Ihr Glück auf! mit Freuden hören,
Da du wieder heim willst ziehn.
Gott Hess Deine Cur gedeyen.
Das rühmt unser Bergmanns-Reyhen.
Das Gedicht ist absichtlich angefüllt mit KunstausdrUcken
der Bergleute (wie : Ferch , Bruch , Schicht , Geding , Auflass
u. s. w.), die dann in 19 Anmerkungen erklärt werden. Als der
König am folgenden Tage Magdeburg berührte, ward ihm »zur
angemessenen Abend-Zeita eine Cantata zugeeignet [i , 20) und
die »Music-Bediente bey der Stadt Magdeburg« brachten ihm
eine »kleine Taffel-Music« ; dieselbe ist nur handschriftlich er-
halten (2, 42], die Devotion geht sehr weit, weiter jedesfalls als
die Poesie :
Könnten wir mit unsern Seelen,
König, Dir zu Dienste seyn,
Tausend Hessen sich aushöhlen,
Tausend würde das erfreuen,
Dass sie sich solten vor Fried riches Leben
Endlich auch einmahl zum OpfTer hingeben.
' Die »Bediente und Unterthanena in Oranienburg empfingen
am 21. März 1701 die rUckkehrenden Herrschaften (1, 400] ; die
lutherischen Prediger in Frankfurt a/0. betheiligten sieb an dem
dortigen Universitätsjubiläum am 26. April 1706 (I, 11) durch
ein »allerunterthanigstes Opfer«, »welches sie auf dem Altar
entflammter Hertzen in heiliger Andacht anzünden wollen«, und
am 12. Juli 1707 bezeugten »vier Freyenwaldische Brunnen-
Gäste« bei »einem angestellten Bai unter der Direction des
Herrn Ober-Bau-Directors, Herrn von Schlüter« ihre »unterthä-
nigste Devotion« in einigen illuminierten Sinnbildern, die dann
deutsch zu einer Arie verarbeitet wurden (3, 21).
Um mein Material zu erledigen^ doch auch schliesslich zu
erquicklicher Abwechselung, will ich hier noch eines Gedichts
von 56 Strophen gedenken, das ganz aus dem Kreise der an-
dern heraustritt und eigentlich gar nicht in unsere Miscellan-
bände gehörte, obgleich es, wohl schalkhaft, die Miene an-
nimmt, ebenfalls dem Könige übergeben zu sein. Es ist nur
handschriftlich erhalten (1, 99) und führt den Titel: Freudenss
Bezeugungen | Per Stadt Bielefeldt | Bey Seiner Königlichen
Majestät I Von Preussen Cröhnungs-Tage | d. 1 8ien Januarij 1 1 701 .
1887. 6
82
Der Text ist im Volkston voll humoristischer Züge. — »Ein Neues
Lied I Im Thon | Mein lieber Bruder zürne nicht« i). — Sollte
es noch nicht gedruckt sein, was ich nicht festzustellen vermag,
so dürfte es, schon aus localem Interesse für Bielefeld, aber
auch wegen des frischen, munteren, harmlos spottenden Tons,
der in ihm herrscht, wohl verdienen, veröffentlicht zu werden.
Der Anfang lautet :
Ach kombt herbey, Ihr Christen Leut,
Hört, wass ich Euch will sagen heut,
Die Ohren spitzet eben.
Ein Neues Lied hab ich gedieht,
Dergleichen ihr gehöret nicht
In Eurem gantzen Leben.
2.
0, angenehmes Bielefeldt,
Du bist die Zierd der gantzen Welt,
Ein Ausszug aller Lüste.
Du bist Westphalens Paradeis,
Die andern Slddt in diesem Kreyss
Seynd gegen Dir nur wüste.
56.
Kimb an diss Lied, Gnädiger Heldt;
In Demuth sich Dein Bielefeldt
Gar schön recommandiret.
Vivat die Gute fromme Stadt,
So lang auss Friedrichs Erben späht
Jemand den Zepter führet.
Um von dem Character der Darstellung eine Vorstellung zu
geben, will ich noch zwei Strophen folgen lassen :
9.
Man weite draufT drey Stück Geschütz
Ziehn auffden Marckt, so wenig nütz.
Damit zu geben Feuer.
Doch waren keine Räder da,
Der Stadtraht bey der Naass her sah,
Guth Rath war hier sehr tbeuer.
1) Anfang eines Gedichtes vonCanitz, Ged. hrsg. v. König 47S7,S.218,
»in Knittel-Versen zart«.
83
40.
Die Räder der Rentb-Meister hat
Grossmütig bergegeben drat
Von seinem Cammer-Wagen.
Drauff wurden plötzlich auflf den Marck
Die Stücke von zehn Kerlen starck
Gezogen und getragen,
u. s. w.
Wir haben oben S. 53 diese ganze Poesie als schablonen-
haft bezeichnet. Ein paar eingehendere Bemerkungen mögen
deutlich machen, in wie weit dies Urtheil begründet ist. in wie
weit nicht.
Schon die Titel zeigen die Schablone und den gedunsenen
Geschmack, zu dem jene Zeit in Prosa und Poesie verirrt war.
Die Drucke sind fast stets in Grossfolio, und es kam nun offen-
bar darauf an, dass die Titelseite möglichst voll mit Schrift be-
deckt ward, wobei freilich der grosse Druck der Namen und die
Beifügung aller Titel und Würden in extenso schon ein tüchtiges
Stück Raum wegnahmen. Wir können der Hauptsache nach drei
Titelformen, drei Typen, unterscheiden.
I. Der Titel beginnt mit Als und Da und bildet einen ein-
zigen Satz; im Vordersatze, der stets der lungere ist, wird die
Veranlassung ausgedrückt , der Nachsatz nennt den allerunter-
Ihänigsten Knecht, den Dichter. Also z. B. :
Als der*Allerdurchlauchtigste sich in Königs-
berg zu einem Könige bOchst-feierlich krönen Hess: Wolte
[mit Vorliebe solte^), hat wollen u. ä.] gegen Se. K. Maj
seine ailerunterthänigste Pflicht [Devotion, Aufwartung, Gra-
tulation u, ä,] allergehorsamst ablegen [abstatten, hierdurch
bezeugen u. ä,] Dero allerunterthänigster Knecht
Zuweilen wird der Titel der angesungenen Fürstlichkeit
•dem Satz mit Als vorangeschoben, z. B. :
Sr. Kgl. Maj da Sie durch Güstrin nach in er-
wünschtem Flor reiseten, solte aus unterth. Devotion Dero-
selben mit hertzlicber Andacht allen hohen Segen mit auf den
Weg wünschen Sr. Kgl. M unterth. Diener
Man begreift wie dies Formular in infinitum variiert und im
Einzelnen kunstvoll noch weiter aufgeschwellt werden konnte.
4) Es soll dadurch wohl der innere Drang aasgedrUckt werden.
6»
84
II. Es wird der Character der Schrift gleich als Stichwort
angedeutet, an welches sich dann ein Relativsatz zu schliessen
pflegt, z. B. :
AllerunterthHnigste (-r, -s) Pflicht [Pflicht und Schuldigkeit ,
Opfer der Schuldigkeit, Aufwartung, Freuden -BezeiguDg,
Glücks-Zuruf, Freuden-Zuruf, Glückwunsch, Mitfreude, De-
votion, Gratulation, Demüthigste Bewillkommnung u, ^.],
Welche (-n, -s) vor dem Königl. Throne des Allerdurchlauch-
tigsten allergehorsamst abstatten solte [hat leisten sol-
len, dargestellet, zu Füssen leget u. ä,]
Selten einmal kommt ein einfacher Titel vor, wie :
Triumph- und Freuden-Lied, womit ..... allerunterthanigst
glückwünschen wolle
Zuweilen wird auch hier die Erwähnung der Majestät vor-
weg gesetzt, also z. B. :
An Se. Majestät in Pr demüthigst abgestatteter Glück-
Wunsch . . . von Sr. Maj. . . . unterthänigsten, Ireugehorsam-
sten Diener und Knecht
Natürlich kann auch in diese Titel ein Satz mit als oder
d a eingeschoben werden und sie so noch zierlicher aufbauschen.
III. a. Es wird der Inhalt der Schrift, sozusagen das Thema
des Dichtenden, als Titel vorangesetzt, in möglichst geschraub-
tem Ausdruck, auch hier in einen Satz eingeflochten oder durch
einen Relativsatz aufgenommen, z. B. :
Die Ursach der allgemeinen Freuden-Bezeugung bei dem hoch-
ansehnlichen Aufbruch Sr. Maj wolle . . . demü-
thigst vorstellen . . .
Die Weise Melchisedechs solte in tiefster
Devotion vorstellen . . .
Die freudenvolle Königliche Weinlese hat vorgestel-
let . . .
Des grossen Brandenburgischen Saiomons von Gott selbst ge-
krönte Weissheit und Hoheit , welche in unterthänigster
Pflichtschuldigkeit .... entwerfen sollen . . .
. Und in Form eines Reimes :
Der edle Königs-Aar Bringt ein beglücktes Jahr, Welches . . .
85
Auch hier kann ein Salz mit als eingeschoben werden:
Den mit vielem Segen gekrönten Preussischen Adler wolle,
als , betrachten und vorstellen . . .
Ich füge noch einige solcher Titel bei :
Den göttlich widerumb bekrönten Adler Avolte . . .
Das güldene Kleinod der höchstbeglUckten Preuss. Krone . . .
Der von der Tugend entdeckte neue Kgl. preussische Ritter-
Orden . . .
Der immer höhere Flug des brandenburgischen Adlers . . .
Die Glückseligkeit des Hauses Brandenburg . . .
Das mit Cron und Scepter prangende Preussen . . .
b. Besonders beliebt sind Titel, in denen gleich die Stim-
mung der Thellnehmenden zum Ausdruck kommt, z. B. :
Das jauchzende Preussen dem AUerdurchlauchtigsten ,
Als Se. Kgl. Maj , in allerunterthUnigster Pflicht
und Treue fürgebildet von . . .
Das in Freuden jauchzende preussische Zion . . .
Das gesegnete und befriedigte Preussen wolle, als , vor-
stellen . . .
Das glückselige Berlin bey dem allgemeinen Frolocken
in allerunterthUnigster Verehrung vorgestellet von . . .
Helden-Freude der neuen Kgl. preussischen Ritterschaft . . .
Frolockendes Echo, welches . . .
Das bestürzte Preussen (beim Tode der Königin 1705) . . .
IV. Gegenüber diesen Formeln, von denen doch die unter
III aufgeführten die relativ verständigeren zu sein pflegen, kom-
men nur selten einfachere und natürliche vor, wie z. B. :
Bei derCrönung der AUerdurchlauchtigsten hathie-
roit seine tiefste Devotion bezeugen sollen Ihro Kgl. Maj.
AllerunterthUnigster Knecht . . .
Auf den höchst-feieriichen Einzug Sr. Kgl. Maj in Dero
Residentz Berlin . . .
Das Königliche Lob des Alierd in tiefster Unterthänig-
keit glückwünschend besungen von . . .
Die Königliche Wiege bei Geburt des Prinzen von Or
in aller Unterthänigkeit besungen von ...
86
Oder gar ganz einfach :
Teutschlands Freude über die angenommene Würde seiner
Majestät des Aller D Königs in Preussen, etc. etc.
Es ist nun wohl erkennbar, dass schon in den wenigen Jah-
ren, die wir^hier übersehen, eine Wendung zum Bessern sich
geltend macht, und in den Jahren 1710 und 4712 die alten For-
meln nicht mehr so flott, wie ehedem, im Gange sind. Chr. Reu-
ter hat alle 3 Typen verwandt (vgl. die Bibliographie), 1 in No. 6
(1708), II in No. 4 (1705), Illa in No. 5 (1705), lllb in No. 1
(1703), No. 3 (1705) und No. 7 1710). No. 2 (1703) kommt
hier nicht in Betracht. Wir werden ihm das Lob zuerkennen
dürfen, dass er sich dem Bombast dieser Titelungeheuer soweit
es angänglich schien, zu entziehen gesucht hat.
Nicht in gleicherweise Schablone ist die äussere Form,
das Yersmass. Allerdings überwiegt weitaus der Alexandriner^
oft in langen bindfadenartig über viele Bogen hin sich fortspin-
nenden Reimen ; in seiner sechsfüssigen Länge wohl geeignet,
ein hohles und gedunsenes Pathos in sich aufzunehmen. Zu-
weilen erscheint er in Strophenform und manchmal mit abwei-
chendem Bhylhmus am Schlüsse derselben, namentlich mit Dac-
tylen oder Anapästen in kürzeren oder längeren Versen. Aber
sehr oft haben die Gedichte doch auch schon von dem Alexan-
driner ganz abgesehen. Dies ist namentlich der Fall, wo das
Gedicht sangbar sein soll, und diese Sangbarkeit wird gerade
damals nicht selten erstrebt. Die sog. Musiken waren damals
recht an der Tagesordnung, einfach »eine Music« genannt, oder
Kirchen-Musiken, Tafel-Musiken, Abend-Musiken, Nacht-Musi-
ken, Freude-Musiken, in denen bereits die Arien eine grosse
Rolle spielen. Besonders ist dies natürlich der Fall in den
Singspielen. Wer einmal über die Geschichte der populären
Rhythmen handeln will , der wird in den von mir durchgenom-
menen Bänden viel willkommenes Material finden. Hier sehe
ich davon ab, weiter ins Einzelne einzugehen. Chr. Reuter ist
allen diesen Formen gerecht geworden. Er hat lange Alexan-
drinerreihen gebaut und in seinen sangbaren Gedichten die
mannigfachsten Rhythmen wechseln lassen.
Ist die Form so nicht ohne Mannigfaltigkeit, so ist der In-
halt wieder ohne Hassen eintönig und widerwärtig schablonen-
haft. Er ist meistens nur als ein rhetorisch zusammengerechnetes
87
KuDStstück anzusehen. Keine Schmeichelei ist grob genug,
kein Vergleich abgeschmackt genug, um nicht verwandt zu wer-
den. Alles ist ohne wirkliche Herzensbetheiligung und ohne in-
dividuelle Kenntniss der Dinge und Personen einfach schema-
tisch aufgebaut und zusammengebraut. Friedrich, der Fürst der
Brennen , ist der grösste Held und zugleich der Fürst des Frie-
dens, er ist nur der Sonne zu vergleichen, ist der Salomo der
Gegenwart, er war als ChurfUrst ein König, jetzt als König ist
«r ein Gott u'. s. w. ; seine Gattin ist ein wahres Wunder ihrer
Zeit, die Schönheit selbst, ihren Anstand vermag keine Feder
zu beschreiben, sie ist zugleich die frömmste Frau, die in ihrem
Herrn seligst entschlafen ist u. s. w. Es widert an, ein organi-
siertes System der Kriecherei und des Servilismus aufzustellen,
wie man es aus den Gedichten könnte. Man sieht es, wie der
Dichter sich das Gerüste zusammen gegrübelt und dann darüber
die Draperie seiner Verse geworfen hat. Reuter hält hier eine
wohlanständige Mitte, von den ärgsten Unerträglichkeiten hat
er sich ganz fern gehalten und er hat sich zu keiner wirklich
wegwerfenden Selbsterniedrigung verstanden. Das wird die
folgende Analyse seiner Werke bestätigen.
Die hauptsächlichsten Verleger, oder wohl richtiger Drucker
dieser Gedichte in der Residenz waren vor allen Ulrich Lieb-
pert, Königl. Hofbuchdrucker zu Colin a. d. Spree, der zu
manchen Tagen wohl ein Dutzend und mehr prachtvoll ausge-
statteter Schriften, nicht selten viele Bogen stark, zu liefern
hatte, so dass man vor den Mitteln seines Geschäftes alle Ach-
tung bekommen muss, dann Gotthardt Schlechtiger, auf
dem Friedrichs-Werder, Joh. W^essel und die Wittwe Saal-
feld, beide in Berlin; letztere kommt nur anfangs vor. Nur
einmal finde ich Joh. Mich. Rüdiger »unter dem Berlinischen
Rathhause« genannt, etwas öfter Joh. Lorentz, beide eben-
falls in Berlin. Aber jene drei Erstgenannten hatten diese
ganze Litteratur hauptsächlich in Händen, und bei ihnen sind
denn auch die Arbeiten Chr. Reuter's erschienen.
88
3. Christian Renter's Werke.
Wir haben auf den grossen Unterschied aufmerksam ge-
macht, der zwischen der Kdnigsberger und meist auch der
provinzialen Ovationspoesie auf der einen Seite und der haupt-
städtischen auf der andern sich geltend macht. In der letzteren
treten die soliden Elemente zurück, das Völkchen der Streber,
der Bettler, der fahrenden Leute drängt sich in den Vordergrund.
In den Kreis dieser gehörte auch, wie wir schon gesehen haben,
Chr. Reuter. Die nachstehende Analyse seiner Arbeiten soll es
des Näheren darlegen.
4] 4703 zum 18. Januar.
Die I Frolockende Spree | Wolte | Bey | Sr. Königl. Majestät
in Preussen, | Und | ChurfUrstlichen Durchlauchtigkeit zu |
Brandenburg, etc. etc. | Abermahl | Hochfeyerlichen | Crö-
nungs- I Feste, | Am 18. Januarii dieses 1703. Jahres, | In
einer lustigen | Schiffer-MUSIC, | Allerunterthänigst vorstellen, |
Christian Reuter, | Jur. U. Candidat. | (langer Strich) [ Berlin
auffm Friderichs- Werder, gedruckt bey Gotlh. Schlechtigern.
4 BU. 40. In meinem Besitz.
»Die Spree«, so beginnt der Text, »Praesentiret bey angehen-
der Nacht an der Königlichen Burg eine lustige Schiffarth mit
einer Iltuminationa. Wir haben uns hiernach den Schauplatz
auf Spreekähnen gegenüber dem Schlosse zwischen diesem und
der Burgstrasse in der Nähe der KurfUrstenbrttcke zu denken.
Zweifelsohne war die Musik von Reuter selber ; haben wir ihn
doch in Leipzig eine ganze Oper componieren sehen. Der »Chor
der Schiff leute« setzt ein, und dies Lied zeigt sogleich von Neuem
das Talent seines Verfassers für die Bedürfnisse der Musik, für
Sangbarkeit des Textes :
Lustig ! lustig auff der Spree!
Heute müssen wir uns freuen,
Und zu Schiffe Vivat scbreyen ! i)
Spielt der Himmel gleich mit Schnee,
Lustig, lustig auflf der Spree !
4) So war der Leipziger Ausdruck. Bei den Berliner Dichtern meine
ich nur »Vivat rufen« gefunden zuhaben.
89
Lustig, lustig auff der Spree !
Unsre Arbeit, unsre Sorgen
Sparen wir bis auff den Morgen,
Heute sind wir ohne Web.
Lustig, lustig auff der Spree!
Durch diesen Gesang herbeigelockt, tritt Neptun auf: »So
recht, getreues Volk ! ff , auch er wolle das Freudenfest ehren,
und er ruft den Nymphen zu, sich einzustellen. Der »Chor der
Spree-Nymphen« erscheint :
Wir sind willig und bereit
Allezeit
Preussens Könige zu dienen.
Auf Neptuns Aufforderung beginnen dann alle einVivat auf
den König.
Vivat König Friederich!
Friederich des Landes Vater,
Unser Schutz und unser Rather
Lebe, und erfreue Sich !
Vivat König Friederich !
Der »Spree-Flusstt der ebenfalls in Person auftritt, wendet
sich mit einer Solo-Strophe an die Königin, Neptun richtet mit
einer solchen seine Wünsche auf — nicht an — den Kron-
prinzen, worauf noch einmal Alle gemeinsam einfallen, um zum
Schlüsse wieder den König leben zu lassen, doch mit Einschluss
der Brandenburgischen Helden :
Vivat König Friederich!
Friederich und Seine Helden,
Die von Brandenburg sich melden,
Seyen glücklich ewiglich I
Vivat König Friederich !
In dieser Beschränkung auf die Brandenburgiscben Helden
lag eine Genugthuung für die Berliner, denn die Königskrönung
in Königsberg hatte nicht verfehlt, einen Schatten auf die
Stimmung der märkischen Hauptstadt zu werfen, sie mit einiger
Eifersucht gegen ihre preussische Rivalin zu erfüllen. Man sieht,
wie frisch Reuter in die Wirklichkeit hineingrifT, wie er denn
gleich in der ersten Strophe selbst das Schneegestöber jener
Tage zu verwerthen vvusste. Auch noch an einer andern Stelle
zeigt sich diese Unmittelbarkeit seiner Anschauung. Wenn der
Wunsch an die Königin lautet :
90
Lebe Preussens Königin I
Lebe glücklich, lebe lange,
Sey befreyt von Noth und Zwange,
so möchte man auf den ersten Blick vermuthen , es mit einem
erzwungenen Reime zu thun zu haben, also mit einer gedanken-
losen Phrase. Aber das Gegentheil ist der Fall. Bekanntlich war
die Königin Sophie Charlotte eine Feindin der Etikette, sie liebte
dieUngebundenheit, und hatte sich um deswillen für gewöhnlich
nach Lützenburg zurückgezogen <). Wer sich die Verhältnisse
am Hofe jener Zeit vergegenwärtigt, der wird bekennen, dass
diese naive Offenheit fast eine Unvorsichtigkeit genannt werden
durfte.
Für dieses und das folgende Musikstück, wie für Nr. 7,
finden wir die nächste Anlehnung in den ähnlichen Gedichten
Benj. Neukirch's, z. B. in dem »Streit des alten und neuen
Jahrhunderts, bey dem Geburtsfeste Sr. Kgl.Maj. inPreussen etc.
in einer Music allerunterthänigst vorgestellet den 12. Jul. 4704a
(N. Auserlesene Gedichte, 4744, S. 240) ; oder in den Sing-
spielen »Das in einer Musik vorgestellte Früh -Jahr a (ebenda
S. 249), und »Der in einer Musik vorgestellte Herbst« (ebenda
S. 254). Auch Neukirch's »Die bey der Vermählung Sr. Königl.
Hoheit, des Preussischen Kronprinzen in einer Maskerade vor-
gestellten vier Theile der Welt« [ebenda S. 245) darf hier ange-
zogen werden. Auch in Anbetracht der Länge vergleichen sich
Reuter's Singspiele mit ihnen.
2) 4703 zum 42. Juli.
MARS und IRENE | Wurde | Bey dem höchst-glücklich erlebten |
Geburts-Feste | Sr. Königl. Majest. | inPreussen, | Am42.Julii
dieses 4 703 ten Jahres, Auf | Ihrer Majestät der Königin | hohes
Anordnen, | Unter der Invention und Poesie | Christian Reuters,
Jur. U.Studios. | Und in die Music gesetzt | Von | Attilio Ariosti, |
Maitre de Musique de Sa Majeste la Reine, | In einem | Thea-
tralischen Auffzuge allerunterthänigst vorgestellet | zur | Lützen-
burg. I (lange Zierlinie) | Colin an der Spree, | Druckts Ulrich
Liebpert, Königl. Preussischer Hof-Buchdrucker.
4) Vgl. die Worte in dem Briefe der Königin an die Pöllnitz vom Jahre
4 702: que d'ötiquettes ä obscrverl ce n'est pas que je haisse le faste, mais
je le voudrois ind^pendant de la g^ne.
91
4 BD. fol. Exemplare in Dresden, Pinissioa, Tom IV. S[o-
phie] Ch[arloUe], Nr. 61 ; Signatur: Histor. Boruss. 58; und
in Berlin, Vol. panegyr. 3 in Frider. I, Nr. 9. Signatur:
Su22.
Man muss sich bei dem Inhalte des Festspiels erinnern,
dass damals der spanische Erbfoigekrieg zu wüthen begonnen
hatte und eine Anzahl Preussischer Regimenter unter dem Be-
fehl des Fürsten von Dessau im Felde stand und bereits die Blut-
taufe empfangen hatte. Die Spannung war noch gesteigert
worden durch die seit dem März 4702 brennend gewordene ora**
nische Erbschaftsfrage, die Preussen auch mit Holland zu ver-
wickeln drohte. Es war diese Situation um so unerwarteter, als
man Friedrich mit Berufung auf seinen Namen als einen Friedens-
helden xax eEojfTQV zu feiern gewohnt war.
DasStttck, dessen eigentliches Thema dieWiederherstellung
des Friedens durch den König ist, wurde aufgeführt im Garten
des Charlottenburger (Lützenburgerj Schlosses der Königin.
»Der Schauplatz ist ein Lust- Wald. Mars praesentirt sich mit
etlichen Helden in einer mit allerhand Kriegs-Rüstungen aus-
gezierten Maschine. Irene liegt im Walde unter einem Palmen-
Baum und schläft«. Eine kriegerische Arie beginnt das Spiel :
Auf zum Waffen ! auf zum Waffen 1 1)
Mars will selbst zu Felde ziehn.
Kreht in Europa gleich
Der Hahn an vielen Eckend),
So soll er doch dem teutschen Reich
Kein Angst-Geschrei erwecken.
Auf zum Waffen I u. s. w.
Darauf beginnt der Kriegslärm, die Trommel wird gerührt
und »Lermen geblasen«, auch werden »etliche Stücke gelöseta.
Davon erwacht Irene und ist erschreckt , in diesen Friedens-
Gräntzen (wieder eine Anspielung auf den Namen des Königs)
blutige Schwerter glänzen zu sehen. Mars aber tröstet sie, er
1) zum n zu den ; das n hat sich dem folgenden w als m assimUiert,
wie z. B. in empor, empfinden u. ä. Vielleicht erklärt sich auch so die Re-
densart der »ehrlichen Frau«: im Wolken (vgl. Zarncke, Chr. R. S. 32
Anm. 4).
2) Von solchen Anspielungen auf den französischen »Hahn« sind fast
alle auf die kriegerischen Vorgänge jener Jahre bezüglichen Gedichte voll.
92
werde die Friedens-Götlin in den Landen ihresKönlgs zu schützen
wissen :
Ich will alle Feinde schlagen ,
Welche Dir zuwider seyn ;
Von den schweren Krieges Plagen
Soll Dich meine Macht befreyn.
Ich will alle Feinde schlagen
u. s. w.
Irene beruhigt sich, spricht in einer Arie ihre freudige
Stimmung aus, »weil dieses Lust-Revier auf ewig soll ver-
bleiben hier Irenens stete Ruhe-Banck«. Nach einem weiteren
Gespräch mit Mars will dieser aufbrechen, es wird »zu Felde
geblasen«. Da hält ihn Irene noch einen Augenblick zurück,
macht ihn auf das Geburtsfest des Königs aufmerksam, »weil
heute Preussens König die Anzahl seiner Jahre mehrt«, und bittet,
ihm auch einen Wunsch zu weihen. Es folgen abwechselnd
Soli und Chorgesang mitWünschen für Sieg, Frieden und langes
Leben. Schliesslich Tutti :
Es schütze der Himmel die Crone von Preusseo,
Es lebe der König Zeit Lebens beglückt!
Das Freude-Fest, welches wir heute erblickt,
Das müssen wir vielmabl willkommen noch heissen.
Es schütze der Himmel u. s. w.
Der Königin wird nicht gedacht, weil sie ja die Veran-
stalterin des Festes war.
Die Mannigfaltigkeit der Rhythmen, die unserm Dichter sein
musicalisches Talent zur Verfügung stellte, zeigt sieh auch hier
in ansprechender Weise.
3) 1705 zum 18, Januar.
Das I Gltlckseelige Brandenburg,
Durchlauchtigste , Grossmächtigste
Wolte , I Als I Der Aller-
Fürst und Herr, ] Herr, |
Herr Friderich, | König in Preussen, | etc. etc. etc. | Dero aber-
mahl höchst- glücklicherlebtes
Crönungs-Fest ,
Am XIIX. Ja-
nuarii 1705. | hochfeyerlich celebrireten, | Hierdurch zu neuer
Freude anfmuntern und anbey seine aller unterthünigste Gra- |
tulation folgender masson abstatten | Christian Reuter, Jur. U.
Candidat. | (lange Zierleiste) | Berlin aufm Fridrichswerder,
druckts Gotth. Schlechtiger, Kön. priv. Buchdr.
93
2 BU. fo]. Exemplar in Berlin, Vol. panegyr. i in Frider.
I, Nr. 24. Signatar: Su 24.
Es sind Alexandriner, die zu 6 Strophen von je 4 Versen mit
überschlagend klingendem und stumpfem Reim gruppiert sind :
So jauchzet an der Spree, Ihr Friedrichs Unterthanen I
Beglücktes BraDdenburg, sey diesen Tag erfreut !
u. s. w.
Die wenn auch gehobene, doch einfache und phrasenlose
Sprache ist auch in diesem Gedicht anzuerkennen, übrigens er-
hebt es sieh kaum über die Schablone derartiger Produkte. Dass
der König »den grossen Gott zu seiner Stütze« habe , wird ge-
priesen. Und zum Schlüsse folgt eine Hinweisung auf des Dichters
Armuth, hier zum ersten Male:
Und weil viel tausend Mann bey Dir versorget sitzen,
So hoOt auf Deine Gnad' auch ein getreuer Knecht.
4) 1705 zum 28. Juni, dem Tage der Beisetzung der am
i . Februar in Hannover verstorbenen Königin.
Letzter Zuruff | Bey | Der Königlichen Trauer-Bahne, ^) | Der
Weyland | Allerdurchiauchtigslen , GrossmHchtigsten ( Fürstin
und Frauen , Frauen | Sophien Charlotten , Königinn in
Preussen, etc. | Als | Dero entseelter Leichnam Den 28. Junii
1705. nach der Königlichen GrufTt gefahren wurde, | Zu einem
Von I C.
steten Denckmahl | Allerunterth&nigst gewidmet
Reutern. | Berlin, | Druckts Johann Wesse
6 Bll. foL, letzte Seite leer. Exemplar in Berlin, Sammel-
band i>In memoriam Soph. Charl. reginaea, signiert Su 1020,
Nr. 8. Auch handschriftlich auf dem Berliner Staatsarchiv
(Repositur 94. H. 9. 3. xxx) 4B11. lmp.4<>, mit Trauerrand, in
Silberschrift, die Initialen sowie einzelne Worte des Textes
in Goldschrift, die kleinen Buchstaben ca. 1 cm lang, die
Initialen nahezu 2 cm. Der Titel stimmt auch in der Abthei-
1) Nicht »Bahre«, vgl. im Gedicht: »Indem, zumahlen heot, auf Hoher
Trauer-Bahn ( : gedencken dran) Sehr häufig Zähren noch aus Helden-Augen
rinnen«. Auch sonst findet sich der Ausdruck * Trauerbahn« in gleichzei-
tigen Drucken noch mehrmals.
94
. lang der Zeilen, mit dem Druck, nur fehlt natürlich die An-
gabe des Druckers, dafür hat sich der Schreiber genannt: »C.
S. Wolff pinxit.tt Für »gefahren« heisst es »geführeta.
Es sind 84 Alexandriner mit überschlagenden, abwechselnd
stumpfen und klingenden Reimen. Die Anfangsbuchstaben der
Verse geben als Acrostichon : »Sophie Charlotten ist der Trauer-
Weg bereitet, Worauif sie diesen Tag wird nach der Grufft be-
gleitet«. Strophenabtheilung findet sich nicht. Anfang:
So wird nun diesen Tag die Grosse Königtnn,
0 Schmertz! ach allzufrüh! zur schwartzen Gruft begleitet?
In diesen auf den Kothurn geschraubten Langversen erkennt
man denDichter kaum wieder. VonNolh gedrangt, scbloss ersieh
der mit Gelehrsamkeit und breiter Ausführung von Trivialitäten
prunkenden Schreibweise seiner vornehmeren Zeitgenossen wohl
nur an, weil er glaubte , dass man es an der Stelle , an die er
sich wandte, so verlange. In seiner Leipziger Zeit hätte man
manche Versreihe dieses Gedichts für eitel Satire halten müssen.
Man vergleiche :
Hier gilt die Hoheit Nichts, es stirbt so wohl der Kayser
Als ein gemeiner Mann, Exempel hat die Zeit:
Rom zeigt zum Denckmahl noch viel Grüffte grosser Leichen,
Liegt nicht Augustus dort in Asche längst zerstreut?
Octavia verwest? und andre mehr dergleichen ;
Trifft solches, wie bekand, doch annoch tilglich ein.
Ein Beispiel nehmen wir an Friedrichs Eh-Gemahl,
Dass Grosse Hfiupter auch die Welt verlassen müssen.
Wir gelten in der Welt nun wenig oder viel,
Jung, Alt, Reich oder Schön muss mit dem Tode streiten.
Nur selten ein frischerer Ausdruck, wie :
Todt, Du zertrennest oft ein Königliches Paar:
Roth heute, morgen todt, so heisset Deine Gnade.
Beständig bleibet Nichts auf dieser Kugel stehen.
Im Augenblick schreibt sie der Tod zu seiner Zahl,
Es macht derselbe sich darüber kein Gewissen.
Die Vergänglichkeit bleibt das nicht endende Thema und
der Trost ^ dass die Königin eine fromme Christin gewesen
95
sei, was denn freilich fttr die »philosophische Königin« wenig
zutraf :
Recht ritterlich bezwang doch Preussens Königiao
Den allzufrühen Tod mit ihren Glaubens WafTen.
Es bringt Dein Streben Dir den ewigen Gewinn,
Thron, Crone, Seepter, Reich, die weichen Himmels-Schtttzen.
5^ 1705 zum 12. Juli.
Die I unter dem | Leide | vermischte | Freude, | wolle | bey
dem abermahl höchst glücklich { erlebten [ Hohen Geburths-Feste |
Sr. Königl. Majestät in Preussen p. p. [ am 12. July dieses
1705ten Jahres, | aus aller unterthänigster | Schuldigkeit | er-
innern I Christian Reuter. | C. S. Wolff | pinxit.
Nur handschriftlich auf dem Berliner Staatsarchiv erhalten
(Repositur 94. II. G. 3. yyy) , 2 BIl. Imp. 4», in Goldschrift
auf blauem Papier; auch hier die kleinen Buchstaben ca.
1 cm lang, die Initialen bis zu 2 cm.
Es sind nur 9 Alexandriner, je 3 Verse durch gleichen
stumpfen Reim gebunden; alsAcrostichon dienen die Buchstaben
FR (d. i. Fridericus Rex] . Ich lasse das Ganze folgen, es ist ein-
fach ein Bittgesuch :
Frolocke Brandenburg! Vergiss das grosse Leid,
Reiss ietzt den Flor hinweg, es hat die Frölichkeit
Für Deinen Frioderich ein Freuden-Fest bereit.
Rühmt, Preiset diesen Tag den Herrscher in der Höh !
Friedrich, Dein Lebens-Schein hemmt heute Schmertz v. weh.
Rufft Vivat allzumabi ! an Pregel, Elb' und Spree,
Freut Euch, der König lebt! Du grosser Friederich,
Regierst Dein Reich durch Recht, der Himmel schütze Dich.
Friedrich, nechst Gott, mein Trost, auff Dich verlass ich mich.
6) 1708 zum 27. November, dem Tage des Einzugs der dritten
Gemahlin König Friedrichs, der Princess Sophie Louise aus
Schwerin.
Als I Die Allerdurchlauchtigste | Eäniginn von Preussen etc. etc.
Sophia Louyse, | Des | Allerdurchlauchtigsten Grossmächtigsten
Königes von Preussen | etc. etc. etc. | Hertzlich* geliebteste
dritte Gemahlinn, | Am 27. November 1708. | Dero Einzug von
96
Schwerin, | nach der | Königl. Residentz-Stadt Berlin | Hdchst*
erfreulichst hielten, | Selten Höchst - gedachte Königinn, | Aus
Allerunterthänigster Pflicht und Schuldigkeit durch fol- | gende
Reime be willkommen : | Die sämtlichen Einwohner | dergantzen
Stadt I Berlin. | (langerStrich)| Berlin, DrucktsGotthardSchlech-
tiger, Königl. Preussisch. priviL Buchdrucker.
2 Bll. foi. Exemplar in Dresden, Prussica Tom. V, S[ophia]
Lfouise], Nr. 24. Signatur: Bist. Boruss. 55.
5 Strophen von je 6 Alexandrinern , die ersten vier mit
überschlagenden, abwechselnd stumpfen und klingenden Reimen,
die beiden letzten stumpf und auf einander reimend. Anfang :
Zeuch, grosse Fürstin, zeuch in Friedrichs Zimmer ein,
Der Preussen König heist Dich diesen Tag WiUlcommen
u. s. w.
Es wird nicht verschwiegen, dass es bereits die dritte Ge-
mahlin des Königs ist; die dritte Strophe referiert ausführlich
darüber :
Es war Elisabeth die allererste Zier,
So Dir, Grossmächtigster, vermöblet ward auff Erden,
Hernach so schickte Gott Sophie Scbarlotten Dir,
Die Deiner Majestät zu Tbeile musste werden ;
Sophie Louyse soll nun auch die Dritte seyn,
Die Dich, Preisswürdigster Menarche, wird erfreun.
Man sieht, es ist Dutzendreimerei. Nicht besser der Schluss:
Lebt König Friederich mit seiner Königion,
So lebet auch Berlin glückseelig mit Schwerin.
Erst am Ende unten auf der Seite nennt sich der Verfasser :
C. Reuter.
7) 1710 zum 12. Juli.
Das Frolockende | Charlottenburg, | Bey dem | Höchst -erfreu-
lichen Hohen | Geburts-Feste ] Sr. Königl. Majestät in Preus-
sen, etc. etc. I Am 12. Julii dieses 1710ten Jahres, In einer |
Musicalischen Freuden -Bezeigung | Allerunterthänigst vorge-
stellet. I (lange Zierleiste) | Colin an der Spree, | Druckts Ulrich
Liebpert, Königl. Preuss. Hof-Buchdr.
4 Bll. fol. Exemplar in Berlin, Vol. panegyr. 3 in Frider. I,
Nr. 47. Signatur: Su 22. Die gewöhnliche Auflage, obwohl
97
derselbe Satz, war auf etwas weniger breitem Papier herge-
stellt und ihr Format ist nur i^. Ein solches Exemplar be-
findet sich in Dresden, Pi*ussica Tom III. (Frider. I), Nr. 49;
Signatur: Hist. Boruss. 37. — Die Ausstattung ist ungemein
sauber und stattlich.
Es ist dies wieder eine Art Singspiel. Anfang:
Auf zum Jauchzen I auf zur Freude I
Freue dich l mein Lust-Revier.
»Charlottenburg«, tiDle sämmtlichenEinwohner in Charlotten-
bürg« und »Der Spree-Fluss« oder »Die Spree« treten auf und
singen einzeln und »Allea den König an. Die beiden Stücke aus
dem Jahre 1703 haben mehrfach Ausdrücke und Gedanken her-
geben müssen , eine Strophe ist so gut wie identisch mit einer
d^ oben angeführten aus dem Erönungsfestspiele :
Vivat König Friederich t
Friedrich, dieser Lande Vater,
Unser aller Schutz und Rather,
Lebe und erfreue Sich I
Vivat König Friederich !
Übrigens hat man doch das wohlthuende Gefühl, dass der
Dichter wieder mehr in seinem Elemente ist. Die Mannigfaltig-
keit gutgewählter Rhythmen mit mannigfach verschränkten Rei-
men spricht an. So gleich der Anfang :
Charlottenburg :
Auf zum Jauchzen ! auf zur Freude !
Freue Dichl mein Lust-Revier;
Auf, Ihr Friedrichs Unterthanen !
Schwinget heute Freuden-Fahnen 1
Lasset diesen Tag mit mir,
Preussens Könige zu Ehren,
Ein frolockend Vivat hören !
Denn heute ist der grosse Freuden-Tag,
Der Tag, da Friedrich ward zur Welt gebohren,
Den Gott zum Könige von Anbegin erkohren,
Der Tag, da Stadt und Land frolocken mag.
Auch hier findet sich der Name des Verfassers, C. Reuter,
erst am Schlüsse des Gedichtes.
4887.
98
[ 8) 1708 zum 12. Juli. Von Reuter? ]
Die I Unbeständig - Beständige | Spree -Schäferin | MIRAMIS, |
Wurde [ Bey dem abermahl Höchst-Glücklich erlebeten | Geburts-
Feste, I Sr. Königl.Maj. in Preussen, etc. | am 12ten Julii dieses
1708. Jahres, | In einem | Singe-Spiele | allerunlerlhänigstprae-
sentiret | Zu | Berlin. | (lange Zierleiste) | Gedruckt bey
Johann Wessel.
12 Bll. 4<>, 24 bez. Seiten. Exemplar in Dresden, Prussiea
Tom. III (Frider. I) Nr. 17. Signatur: Hist. Boruss. 37.
Ein Schäferspiel , das in mancher Beziehung an Reuter er-
innert, und das man versucht sein möchte ihm zuzuweisen, oT)-
wohl sein Name nirgends angedeutet ist.
Der Inhalt ist dieser. An der Spree lebt ein reicher Schäfer,
Palaemon, dessen einzige Tochter Miramis heisst, eine Freundin
derselben Lydia. Palaemon hat einen »getreuen Schaf-Meister«,
Floreno, der, wie zu erwarten, in Miramis verliebt ist, sich auch
ihrer Gegenliebe versichert halten darf, und vomVater die Tochter
zugesprochen erhalten bat. Da kommt Seladon, »ein ausländischer
Schäffera, und gewinnt das Herz der Miramis, die sich Über ihren
Treubruch an Floreno durch die Behauptung hinweghilft, er habe
mit Lydia ein Liebesverhältniss. Dies Verhältniss ist nun frei-
lich sehr einseitiger Art, es besteht nur auf Lydia's Seite, Flo-
reno hat nicht an sie gedacht, obwohl er sie zu fliehen keinen
Grund hat. Man begreift, dass am Schlüsse des Stückes Floreno
und Lydia neben Seladon und Miramis ein Paar werden und
alle Dissonanzen eine willkommene Auflösung finden.
Aber die Handlung des Stückes wird noch mannigfaltiger
durch die Einflechtung eines Narrenpaares. Das ist Dorido, »des
Palaemon lustiger Schafknecht a, und die runzlige Labelle, »des
Palaemon alte Hauss Hofe-Meislerin«. Dorido ist der nur zum
Schäfer umgekleidete Harlequin des Stückes. Er ist heimlich in
Lydia verliebt, auf die ihm freilich als einem »albernen Thorenu
die Zuschauer kein Recht gewähren , während ihm die Labelle
nachläuft und es nicht minder eifrig betreibt, als die Ursel mit
dem Harlequin in Reuter's Hochzeit schmaus. Schliesslich wird
99
auch hier der Possenrelsser , nachdem er sich an einem Baum
hat aufhängen wollen, wie Harlequin sich erstechen wollte, ge-
zwungen, die von ihm Verabscheute zur Ehe zu nehmen. Diese
^farrenscenen , die vielfach genau die Situationen aus Reuter's
Stück wiederholen, sind sehr drastisch, undinihnen vermeintman
Reuter's Art und Weise Zug fttr Zug wiederzuerkennen. Einiges
stimmt selbst wörtlich, nur ist Alles mehr ins Manierliche über-
tragen, wie denn Unfläthereien und Prügelscenen ganz fehlen.
Vgl. z. B. Miramis S. 9 :
Dorid. Wie werd ich doch das Ding noch karten,
Dass ich das alte Murmellhier
Von mir loss werde mit Manier!
mit den Worten im Hochzeitsschmause
Harl. Dass mich dieses Murmelthier
Bringet an das Licht herfür.
In der Miramis S. 33 : Sonst steckt man dich ins tieffste
Hunde-Loch; im Hochzeitsschmause: Schelm, du musst ins
Hundeloch. U. s. w. Auch andere Cbereinstimmungen mit
<^edichteB Reuter's ßnden statt. Als die Handlung der Miramis
zu Ende ist, tritt noch Pales auf, »die Göttin der Schäfereien«,
und weist auf die Bedeutung des Tages hin : »Der König Fride-
rich Mehrt heute seiner Jahre Zahk, womit man die Worte in
dem Spiel »Mars und Irene« vergleiche : »weil heute Preussens
König die Anzahl seiner Jahre mehrt«. Auch die Worte in Mir.
S. 24: »Drum mUsst Ihr . . . meines Hertzens-Wunsch mit mir
ausschreyn« möchte man für Reuter in Anspruch nehmen. Vgl.
die Ausdrücke in Nr. \ (zum 48! Jan. 1703) und die Anm.
Dazu kommt die ungemeine Sangbarkeit des Textes. Als
<iie Labelle durchaus einen Kuss von Dorido haben will, folgt
<iie »Aria» in Dactvlen:
Mein Schätzchen! mein Kätzchen! mein Mäasschenl mein Käutzchen!
Mein Schäfchen ! mein Lämmchen 1 ich habe Dich lieb ;
So küsse mir immer mein freundliches Schnäutzchen,
Und sage nicht ferner: ich wäre Dein Dieb.
Mein Schätzchen I mein Kätzchen! u. s. w.
/ *
100
Und später in Jamben :
Du hast mein Hertz gestohlen,
Wer stiehlt, wird aufgehänckt ;
Doch, wenn Du mir das Deine
Nur giebest vor das Meine,
So sey die Straffe Dir geschenckt.
Du hast mein Hertz gestohlen,
u. s. w.
Und in trochäischen Rhythmen, als Dorido sich aufhängen
will:
Gute Nacht, du liebe Heerde,
Schafe, Schweine, Kälber, Küh,
Gute Nacht! du schönes Vieh,
Weil ichjetzo sterben werde;
Gute Nacht ! beweinet mich !
Dorido erhäncket sich.
ferner :
Du bist mein, Und ich bin Dein ;
Liebes Schätzgen !
Cyper-Kätzgen !
Meines Hertzens Mondenschein,
Du bist mein, Und ich bin Dein,
u. s. w.
4. Anhang.
Ich benutze die Gelegenkeit einige Nachträge zu meiner
Abhandlung über Christian Reuter zu geben.
1 . Von der »Ehrlichen Frau« ist die Editio princeps durch
die Freundlichkeit des Hrn. Dr. Kant in meinen Resitz gelangt,
leider ohne das Titelblatt und das Kupfer, aber noch zusammen-
hängend mit den beiden Harlequinschmäusen, die die Rerliner
Ribliothek allein erhalten hat. Vgl. meine Abhandl. S. 435.
Der Druck enthält, wie vermuthet ward, die Signaturen Ä— (S,
und die Rezifferung bis 80. Der erste Rogen schliesst mit S. 44, der
zweite beginnt mit S.4 7, ohne dass etwas dazwischen fehlt. Offen-
bar enthielt der erste ausser dem Titel als letztes Rlatt den Kupfer*
stich , der vom Ruchbinder hier entfernt und neben den Titel
geklebt ward , mit dem er nun gemeinsam abgerissen ist. Die
101
Dedication und das Widmungsgedicht an die Studenten ist für
sich auf 2 Blätter gedruckt und, mit der Signatur )( versehen,
dem Texte vorgeklebt, ein neuer Beweis, dass die Dedication
erst während des Druckes entstand, wie sie denn ja auch im
Manuscript im 8^ vorliegt, während das Format desselben sonst
4<>ist (vgl. a. a. 0., S. 132).
8. Von den beiden d Schmausen« habe ich einen neuen,
wenig spätem Druck o. 0. und J. kennen gelernt, den gegen-
wärtig Herr Fr. Seh .... in Berlin besitzt. Dieser ist durch einen
Umstand von ganz besonderem Interesse. In dem üochzeits-
schmause sind bekanntlich XVII £ntr6es gezählt, während nur
46 vorhanden sind (vgl. a. a. 0.,S. 436 unter c.}, indem IV fehlt.
In dem erwähnten aber stehen alle 4 7, und es ergiebt sich, dass
das Sachverhältniss dieses ist : es fehlt im Druck der Text zu
Entr6e III und die Ziffer IV zu der jetzt unter III gerathenen
Scene. Die so neu aufgetauchte Scene ist zweifellos echt, und
sie hat von Anfang an zu dem Stücke gehört. Dies ergiebt sich
schlagend, wenn man beachtet, dass es am Schlüsse der Entree II
von Harlequin heisst : »(tritt bei Seiteja. In der neugefundenen
Entree III steht er wirklich bei Seite und behorcht, wie Laven-
tin mit der von üarlequin geliebten Lisette ein Stelldichein hat,
während in Entree IV (jetzt in dem Druck unter III] Harlequin
und Ursel offen und allein auf der Bühne sind. Auch beweist
es der komische Gegensatz. In Entr6e II schwört Harlequin:
Dem Ersten, den ich seh bey meiner Liebsten stehn,
Dem soll ein grimmig Schwerdt durch Leib' und Seele gehn,
in der neugefundenen Scene III passiert ihm dies nun sofort, und
er muckst sich nicht, sondern stösst nur bei Seite eine Ver-
wünschung aus.
Bestätigt wird dies auch durch die Wiener Handschrift
43287 (vgl. a. a. 0., S. 43, Anm. 2). Der dort handschriftlich
erhaltene Hochzeitsschmaus enthält richtig die 47 Entrees, und
so auch unsere Scene, übereinstimmend, mit nur einer wich-
tigeren Variante.
Wie ist nun dies Vorkommniss zu erklären? Gab es doch
schon Drucke , ehe der mit der Ehrlichen Frau und mit dem
Kindbelterin-Schmaus zusammenhängende entstand? und liegt
102
eine Fortsetzung dieser in dem Sch.'schen Exemplar vor? oder
bemerkte man den Fehler, und entstanden dann corrigierte Aus-
gaben, deren eine der neugefundene Druck ist? Hier kann wohl
nur ein glücklicher Zufall Entscheidung bringen. ^)
3. Die Wiener Handschrift 43287 enthält ausser dem Hoch-
zeitsschmause auch den Kindbetterinschmaus. Während aber
jener mit dem Drucke übereinstimmt, ist dieser ein ganz anderes
Stück, und zwar so, wie man es eigentlich erwarten sollte. Es
ist schon von mir darauf aufmerksam gemacht worden, dass die
beiden Schmause, wie sie uns in den Drucken vorliegen, nicht
recht zu einander passen. Denn im Hochzeitsschmause wird
dem Harlequin die Ursel, die er verabscheut, aufgedrängt, und
doch, als sie dann zu früh in die Wochen kommt, nimmt er es
auf sich und zahlt Strafe , ohne dass irgend ein Verdacht ge-
äussert wird, dass er nicht der Vater sei. Auch ist der Hoch-
zeitsschmaus in 17 Entrees, der Kindbetterinschmaus in Acte
und Scenen getheiit. Beide Bedenken entfallen vollständig bei
der handschriftlich erhaltenen Gestalt. Hier dreht sich Alles um
Harlequin als Hahnrei, wie schon der Titel beweist: »Harle-
qvins | frühzeitiger und unverhofller | Kind-TaufiFen-Schmaus«.
Auch ist dies Stück, wie der Hochzeitsschmaus, in 17 Entrees
getheiit. An Witz freilich steht es hinter dem gedruckten
zurück.
Zum Abdruck scheint dies Stück der Wiener Handschrift
gar nicht gelangt zu sein. Wie aber hat man sich das Verhält-
niss der Bearbeitungen zu denken? Ward einfach der hand-
schriftliche Kindtaufenschmaus durch den witzigeren aber keinen
Anschluss bietenden verdrängt? oder war etwa der gedruckte
Kindbetterinschmaus das zuerst gedruckte Stück , zu dem dann
der Hochzeitsschmaus als Vorstück gedichtet wurde, wobei man
sich der reicheren Fülle des Witzes wegen über den mangelnden
Anschluss hinwegsetzte, und wurde dann zwecks dieses An-
schlusses das handschriftlich erhaltene Stück hinzugedichtet.
i) Das Vorhandensein dieser Scene (Entr^e III) scheint mit der Be-
nennung »Der singende Harleqain« zusammenzugehören. Dieser Name
kommt in der Wiener Handschrift wie in dem Sch/schen Drucke vor,
in letzlerem nicht auf dem Haupttitel , aber oberhalb der Aufzählung der
Personen.
103
von dessen Abdruck man aber absah, da es sich mit dem bereits
gedruckt vorhandenen nicht messen konnte ? Man beachte auch,
dass anfangs nur von 6inem Nachspiel die Rede gewesen war
und dabei von Reuter gesagt ward, er hatte gedacht, dass er
diese Comödie »vermehren a wolle. Vgl. die Aussage von Bahr
(a. a. 0. S. 153).
4. NachHayn, Biblioth. Germ. Erolica S. 106 wäre der
Druck des Hochzeitsschmauses (Haarburg o. J.], den ich S. 136
unter c aufführe, In Baudissin bei Dav. Richter um 1705, und
nach eben demselben die beiden bei mir a. a. 0.. unter e und f
aufgeftlhrten Drucke (Freywaldl 730 u. 1735) in Leipzig bei Aug.
Martini erschienen.
5. In einem jetzt von mir erworbenen Exemplar des Schel-
muffsky, Frankfurt und Leipzig 1750, befinden sich die auf dem
Titel desselben genannten beiden Schauspiele auch mit ihm zu-
sammengebunden, doch, wie in den übrigen erhaltenen Exem-
plaren, selbststSlndig beziffert, also ganz wie es vermuthet
worden war.
6. Die beiden Stellen , an denen in der handschriftlichen
Chronik des Dethlev Dreyer der Name Schelmuffsky vorkommt
(vgl. meineAbhandlung S. 31 , Anm. 3), waren bereits vonBober-
tag in seiner Geschichte des Romans II, 2, S. 151 nachgewiesen.
Sie stehen in der Handschrift S. 260 und 660.
7. Über den Stammvater des Geschlechts der Eustachius
Müller im rothen Löwen zu Leipzig theilt mir Herr Dr. KirchhofT
noch einige Züge mit, die beweisen, dass es ein gewaltthätiger
und wilder Geselle war, wovon in seinem Geschlechte noch
Einiges nachspuken mochte. Im Kummerbuch der Stadt Leipzig
vom Jahr 1561 heisst es:
»39 Detzember hatt Slachius Müller Scbwarczferwerer zur strafT
geben 2 fl., das er eyn Meydelleyn ins wasser geworffen«.
[Unterm S8. April biess es: »von Mertben Müller Scbwarcz-
ferwer 4 0 gl. 6 A, das er Gregor Scbindeller in Arm gestocben«.
War das derselbe?)
104
Und 1563:
»U. April, Eustachius Müller Schwarczferber alhie ddt. 20 gl«
darum das er seinen gesellen braun und blau geschlagen a.
Im Jahr 1564 ist auch ihm einmal zu nahe getreten:
»WolfT Mercker zur Straff geben 4 0 gl., das er Eustachium den
Sch^arczferwer geschmebet«.
INHALT.
S«ite
(hreizenach, Studien znr GeBchicfate der dramatischen Poesie
im 17. Jahrhundert. II 1
Zarncke, Weitere Mittheilungen über Christian Reuter, den
Verfasser des Schelmuffsky 44
Druck von Breitkopf ä H&rtel in Leipzig
•i;A.> '
BERICHTE
ÜBER DIK
VERHANDLUNGEN
DER KÖNIGLICH SÄCHSISCHEN
CiESELLSC^HAFT DER WISSENSCHAFTEN
ZU LEIPZIG.
PHILOLOGISCH-HISTORISCHE CLA8SE
1887.
IL III.
HIT FONF tafeln.
' i LEIPZIG
BEI 8 HIRZEL.
1887.
\
<•
\
ÖFFENTLICHE GESAMMTSITZUNG
AM 23. APRIL 1887
ZUR FEIER DES GEBURTSTAGES SR. MAJESTÄT DES KÖNIGS.
Herr Zarncke legte einen Aufsatz des am persönlichen
Erscheinen verhinderten Mitglieds, Herrn Beinhold Köhler in
Weimar, vor über Herders Legenden r>Die ewge Weisheik und
nDer Friedensstifter^^ und ihre Quellen,
Weder Heinrich Dtintzer, noch Carl Redlich, noch Hans
Lambel haben in ihren Ausgaben der »Legenden« Herders die
Quelle der schönen Legende »Die ewge Weisheit« nachzu-
weisen vermocht. Merkwürdig , dass keiner der drei Heraus-
geber durch den Titel der Legende und durch den Namen ihres
Helden »Amandus« an den berühmten Mystiker Heinrich Suso
oder Seuse, genannt Amandus, den Verfasser des Büchleins von
der ewigen Weisheit, erinnert worden und so darauf gekom-
men ist, in Susos Leben die Quelle der Legende zu suchen.
Bekanntlich ist Susos Leben von seiner geistlichen Tochter,
der Dominikanerin Elsbeth Stagel (Staglin, Stäglin] nach seinen
eigenen Mittheilungen beschrieben und dann von ihm selbst
durchgesehen und vervollständigt worden.
Man braucht nur flüchtig irgend eine Ausgabe oder einen
Auszug dieser Lebensbeschreibung zu vergleichen, und man
wird bald finden, dass Herders Legende dem Leben Susos nach-
gedichtet ist.
Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass das Abhängig-
keitsverhältnis der Legende Herders von Susos Leben manchen
Gelehrten und Litteraturfreunden längst bekannt ist oder ge-
wesen ist, ich kann jedoch zur Zeit nur zwei Belege für solches
Bekanntsein beibringen. Am Schluss von Melchior Diepenbrocks
Vorbericht zu seiner Erneuerung von »Heinrich Suso's, genannt
Amandus, Leben und Schriften« (zuerst Regensburg 1829 er-
schienen) ist Herders Legende abgedruckt, und folgende Worte
4887. 8
106
sind vorausgeschickt: »Folgendes sinnige Gedicht auf Suso,
von einem unserer ersten Dichter , möge hier noch eine Stelle
fmden.oc Und Ferdinand Vetler theilt in seinem Vortrag »Ein
Mystikerpaar des vierzehnten Jahrhunderts. Schwester Eis-
beth Stagel in Töss und Vater Amandus (Suso) in Konstanz«
(Basel 1882), S. 30, eine längere Stelle aus Herders Legende
mit und bemerkt dazu, so habe »Herder, geschickt in jeder
Hülle die Goldkörner wahrer Poesie zu erkennen, in einer seiner
schönsten Legenden, zum Theil mit den Worten unserer [d. i.
der Susoschen] Lebensbeschreibung« die dem Suso gew^ordene
Erscheinung der ewigen Weisheit geschildert. ^
Woher aber — so fragte ich mich, als ich vor einiger Zeit
das Verhültniss unserer Legende zu Susos Lebensbeschreibung
naher ins Auge fasste — woher und in welcher Gestalt kannte
Herder Susos Leben? Weder die beiden seltenen allen Augs-
burger Ausgaben von Susos Leben und Schriften (1482 und
1512), noch des Surius lateinische Übersetzung, noch Über-
setzungen in andere Sprachen scheinen ihm zu Gebole gestan-
den zu haben, denn weder er selbst — nach dem Auktions-
katalog seiner hinterlassenen Bibliothek') zu urtheilen — besass
sie, noch fand er sie auf der Fürstlichen Bibliothek in Weimar
vor. Ich glaubte also nach einem ausführlichen Auszug oder
einer Bearbeitung von Susos Leben suchen zu müssen, die Her-
der benutzt haben konnte. Diepenbrocks Vorbericht S. XII und
XXI brachte mich bald auf die richtige Spur, indem ich durch
ihn hingewiesen wurde auf des Karthäusers Heinrich Murer
»Hei vetia Sancta, seu Paradisus sanclorum Helvetiie florum;
D. i. Ein Heyliger lustiger Blumen- Garten vnnd Paradeisz der
Heyligenff, Lucern 1648. In diesem Buche, welches Herder dem
4) Bibliotheca Herderiana. Vimarine 1804. 80. In dem der weimari-
schen Bibliothek gehörigen Exemplar dieses Kataloges sind die Preise, wo-
für die einzelnen Bücher verkauft worden sind, handschriftlich einge-
tragen, und von Vulpius Hand findet sich auf der inncrn Seite des vordem
Einbanddeckels folgende interessante Notiz:
Die Preisse, für welche die Bücher dieser Bibliothek weggegangen
sind, dürften schwerlich bei einer Bücher-Auktion wieder vorkommen; und
desshalb ist sie merkwürdig. Die grössten Commissionen, ohne Proiss-
kenntnisse, waren von der neuen Universität Dorpat da, die für 800 Tbl.
Bücher erhielt, welche aber nie dahin gekommen, sondern mit dem Lü-
becker SchifTe verunglückt, und mit Mann und Maus untergegangen sind.
Notirtd. «1. Febr. 4806. Vs.
107
eben erwähnten Auktionskataiog nach nicht selbst besessen
hat, welches ihm aber aus der weimarischen Bibliothek zugäng-
lich war, handeln S. 345 — 46 »Von dem Leben, Wandel und
Sterben des Gottseligen und hocherleuchten Vaters Amandi,
sonsten Ilenrici Susonis, Prediger Ordens«, und hierin haben
wir, wie die zahlreichen wörtlichen und fast wörtlichen Über-
einstimmungen und Anklänge zweifellos ergeben, die unmittel-
bare Quelle von Herders »Ewger Weisheit.«
Mein Suchen in der Helvetia Sancta ist aber noch durch
einen zweiten Quellenfund zu Herders Legenden belohnt wor-
den : die in der Helvetia Sancta S. 387—404 enthaltene Lebens-
beschreibung des Bruders Claus (»Von dem wunderbarlichen
Leben, Beruf und Gottseligen Sterben Nicolai von FlUe, Ein-
sidlers und Landmanns zu Underwalden , den man in das ge-
mein nennt Bruder Claust) ist die Quelle der Legende »Der
Friedensstifter.«
Letztere Legende folgt in den »Zerstreuten Bluttemc, in
deren sechsler Sammlung bekanntlieh die meisten Herderschen
Legenden zuerst erschienen sind^ unmittelbar auf die Legende
»Die ewge Weisheit«, höchst wahrscheinlich weil Herder die
beiden demselben Werke entnommenen Legenden auch nach
einander bearbeitet haben wird.
Damit nun die Leser gleich selbst bequem sehen, was Herder
aus seinen Quellen benutzt und wie er es benutzt hat, lasse ich die
beiden Legenden in einzelne Abschnitte gctheilt und hinter jedem
Abschnitte die benutzten Stellen der Helvetia Sancta folgen.
I. Die ewge Weisheit.
Von allem Schönen wählt' Amandu$ sich
Das Schönste nur; und also kam er bald
Vom Tand' hinweg zur frohen Einsamkeit.
Dann sprach er oft, wenn er vom Weltgeräusch
5 Zurückkam in sich selbst: »o hättest du
Nicht Dies und Das gesehen und gehört,
So wäre jetzt dein Herz nicht so betrübt.«
Vgl. Helv. Sancta 346, 7— H.i)
Wann er zu seinen Mitbrüdern käme sich zn belustigen , müsste er
vi] hören und sehen von seiner angenommnen neuen Weis zuleben , dass
4] Die Rechtschreibung der Helvetia Sancta habe ich nicht durchaus
beibehalten, ich habe sie vielmehr in vielen Fällen geregelt und verein-
st
108
er gemeiniglich mit betrübtem und unruhigem Herzen in seine Cell kehrte,
sprechende zu ihm selber: Wäresiu nicht dahin gangen, so häUestu das
nicht gehört, noch das ander gesehen^ und dein Herz nicht betrübt gemacht.
EiDst zeigete sich ihm, was keine Zung'
Aussprechen kann. »Ist Das nicht Himmelreich
10 Und Wonne? sprach er. Alles Leiden mag
Die Freude nicht verdienen.« —
Vgl. H. S. 34 6, 4«— 84.
Als nun der H. Amandus mit solchen innerlichen Streiten und Be«
Irübnussen heftig beladen ^ar, begäbe es sich zu einer Zeit, dass er an 5.
Agnesen der H. Jungfrauen und MarlyrinTag, nach dem Mittagessen allein
in dem Chor in den underen Stülen auf der rechten Hand voller Kummer
und Leiden stunde, und niemands bei ihm wäre, da wurde sein Seel ver-
zucket, sähe und hörte solche Sachen, welche kein Zung könnte aussprechen,
also dass er hernach spräche : Ist das nicht das Himmelreich , so weiss ich
nicht was das Himmelreich ist, dann alles Leiden discr Welt mag dise
Freud nicht verdienen. Dise Verzückung wehrete eine halbe oder ganze
Stund.
Ihm erschien
Die Schönheit alles Schönen, in Gestalt
Der c w g e n W e i s h e i t. Wie der Morgenstern
Trat sie hervor und ward zur Morgenröthe,
15 Zur Morgensonne. Die Unsterblichkeit
War ihre Krön'; ihr Kleid die Anmuth. Süss
Und Huldreich sprach ihr Mund ; und Sie, sie war
Der Freuden Freude, die Allgnugsamkeit.
Sie schien ihm nah und fern, von allem Hohen
20 Das Höchste, und von allem Innigen
Das Innigste, der Schöpfung Meisterinn,
Die sie in zarter Milde streng regiert.
Mit süssester Gebehrde sprach sie: »Sohn 1
Gib mir dein Herz.«
Vgl. H. S. 846, 12 v.u., 347, 9.
Er hatte von Jugend auf ein liebreich Herz. Die ewige Weisheit aber
vergleichet sich in der H. Schrift einer Liebhaberin , die sich schön zieret,
schmücket und liebreich redet, damit sie den Herzen ihrer Liebhaber ge-
fallen , und die böse und eigensinnige Liebe ausreuten und underlrucken
könne. Sie zeigt auch under andern, wie unbeständig die unreine Liebe,
facht und immer i und u gesetzt, wo jene dafür > oder y und v oder w hat.
Auch die Intcrpunction habe ich öfters geändert.
J
109
und hingegen boscliroibet sie, wie fest und nulzlich die GölUielio und gei&tr*
liehe Freundschaft seie. Als nun der H. Amandus dise und andere der
ewigen Weisheit Bücher horte lesen, gedachte er, wie er dise liohe Lieb-
liaberin zu einer Gespons möchte beiiomiuon, von der er so grosso Wunder
horte sagen und lesen , weil doch sein junges Gemuht oho ein sonderbare
Lieb in die Llingo nicht möchte verharren. Also gescbabo es zu einer Zeit,
da er sich in der Weisheit Bücher belustigte, dass sie sich in einem Gesicht
ihme erzeigte, sie schwebcte hoch in einer Hechten Wolken, sie leuchlele
als der Morgenstern und scheineU als die aufstehende Sonn, ihr Oron war die
Ewigkeit t ihr Kleid die Seligkeit, .ihr Wort die Süssigkeit, ihr Umbfang alles
Lustes Genugsarnbkeit und i'berßuss, sie war weit und nahe, hoch und nider,
sie war gegenwärtig und doch verborgen, sie Hesse mit ihr umbgehcn und
liebkosen, es möchte doch sie niemand begreifen, sie erhübe sich über das
höchste des Himmels, und berührole die Tiefe des Abgrunds, sie ersprei-
tete sich von einem End zu dem anderen gewaUiglich, und richtet aus alle
Ding süssiglich. Sie erzeigte sich als ein weise Meisterin lieblich, und
Sprache zu ihm miltiglich: Praebe tili cor tuum mihi, gib mir dein Herz
mein Kind. Da neigeto sich der Vatter Amand tief zu ihren Füssen, und
dankcte der ewigen Weisheit aus seines Herzens Grund , damit name dise
Erscheinung ein End, und verliesse ihne voller Trosts.
»0 drücke mir dich selbst,
Dich .selbst ins Uerz, dnss jeder Busenschlag
Es heb' und mich erinnre, dass ich Dich,
Nur Dich in Allem seh.«
25
Vgl. H. S. 317, Gap. 3, 1-25.
Eben zu discn Zeiten war ein übermässige Peursflamroen in des S.
Susonis Herz angezündet worden , dass es in der Göttlichen Liebe branne.
Deswegen als dises Feur auf ein Zeit stark zugenommen hätte, gienge er
in sein Cell an ein heimbliche Statt , käme in ein schöne Betrachtung, und
sprach also : Ach ewiger Gott, könnte ich etwas anmühtiges gedenken, dass
ein ewiges Zeichen der Liebe wöre zwischen mir und dir, zu einem Ur-
kund, dass ich deines und du meines Herzen ewiger Schatz und Liebe
wärest, dass kein Vergessenheit oder Mensch nicht vertilgen möchte. In
disen innbiünsUgen Gedanken entblösste er sein Herz , name einen Griffel
in die Hand, sähe sein Herz an und spräche: AUmächtiger Gott, verleihe
mir in disem Tag Kraft und Stärke, dass ich mein Begierd möge vollbringen,
dann du, o Herr, must heut in den Grund meines Herzens begraben und
geschmelzt werden. Darauf fienge er an mit dem Griffel den Namen Jesus
mit solchen Buchstaben IHS. in das Fleisch zustechen und einzugraben,
dass das Blut über den Leib herab fiele. Dises war ihme lieblich anzusehen
aus der feurigen Liebe, mit der er entzündet war, und achtele des Schmer-
zens gar wenig. Er gienge hernach also verwundt mit dem blutigen Her-
zen aus seiner Gellen in die Kirchen undcr das Crucifix, so bei dem Pult
stunde, kniete nider und sprach: Ach mein Gott und Herr , meiner See 1
110
und meines Herzens einige Liebe , sihe an meines Herzens einige Begierd,
dann ich kann dich in mein Herz je nicht tiefer trucken : 0 Herr, ich bitte
dich, dass du es vollbringest , dich in den Grund meines Herzens truckest,
und deinen H. Namen in mich also schreibest, auf dass er aus meinem
Herzen nimmermehr möge ausgelöschet werden. Es gienge aber der S.
Amandus mit verwundtem Leib und Herz vil Zeit herumb , ehe die Wun-
den iividerumb zuheilen woHen, und bliben die Buchstaben des Namen
Jesus nach seinem Begehren auf dem Herzen , und waren so lang als ein
Gleich des kleinen Fingers, und so breit als ein Slrohalm, und trüge den
Namen auf seinem Herzen bis in das Grab. Und wann sich das Herz bewegte^
so beu)egte sich der Namen Jesus gleichfalls.
Sie Hess ihr Bild,
Berührend ihn, im Herzen ihm zurück.
So oft der Morgenstern erklang, erklang
30 Sein Hymnus : »Schaut! Der Schönen ["^j] Schönste kommt!
Die Mutter aller Gnaden geht hervor
Vom Aufgang I Deiner hat mein Herz begehrt,
Auch schlummernd, o du Liebliche.«
Er sprachs.
Und kUssete die Erde,
Vgl. H. S. 347, 5 V. u. — 318, 6.
Es hatte der H. Amandus ein löbliche Gewohnheit, dass er nach der
Metten in ein Capell sich begäbe, allda in seinem Sessel ein kleine Zeit zu-
ruhen, als aber der Wechter den angehenden Tag verkündigte, stunde er
auch auf, fiele auf seine Knie, und grüssete den schönen Morgenstern die
zarte Himmelkönigin Mariam und Mutter aller Gnaden, Als er nun auf ein
Zeit also in seiner Ruhe sasse , hörte er etwas innerlich so hell erklingen su
Zeit des aufgehenden Morgensterns , dass sein Herz bewegt war , und sänge
also: Stella Maria maris hodie processit ad ortum. Der Morgenstern Maria
ist heut herfür gegangen. Dises Gesang erschalle übernatürlich in ibroe,
dass in ihme sein Gemüht erfreuet wurde, und die heissen Zähem von
seinen Augen schössen. Nach vollendtem Gebett grusste er auch die ewige
Weisheit mit dem lobreichen Gebcttlein Anima mea desideravit te in nocle.
Mein Seel hat dich in der Nacht begehrt, mit einem Kuss der Erden.
redet' oft
35 Mit seinem Engel, der ihm sichtbar dann
In schöner himmlischer Gestalt erschien,
Und mit ihm freundlich von den Fügungen
[*) Bei Redlich wol nur verdruckt: Der Schönsten.]
— 111 —
Der ewgcn Weisheit sprach. »Willst du Dich selbst
Erblicken, sagt' er einst, schau herl« — Er sah :
40 Ein Jüngling lag im Arm der Liebenden,
Die er im Herzen trug. Wie seligfroh
Erkannt' er sie! Es tönten himmlische
Gesänge um ihn her : »Der Weisheit Lust
Ist an den Menschenkindern I Je und je
45 Hab' ich geliebet dich und zog zu mir
Aus Liebe dich und will dich zu mir ziehn !«[*]]
»Wie du uns gerne hörest, sprach zu ihm
Sein Engel; hören wir auch gerne Dich,
Zumal wenn du mit freudigem Gemüth
50 In Schmerzen auch die ewge Weisheit singst. k
Er sang; es ward ein Jubel um ihn her;
Ein Chor der Seligen umringt' ihn. Seelen,
Die er gekannt und nicht gekannt, umßngen
Ihn liebend, und erzählten traulich ihm
55 Ihr Wohl und Weh ; wie aus der Bitterkeit
Die Weisheit ihnen stets das Süsseste
Bereitet. Seine Mutter kam zu ihm,
Sein Vater, (jetzt Gestalten jener Welt)
Und sprachen ihm von ihrer Prüfungen
00 Belohnung.
Vgl. zu V. 34—60 11. S. 318, 10 — 319, 17.
Es balle auch unser S. Vatlor Amaiidus vil liebliche Gespräch und
grosse Gemeinschaft mit seinem U. Schutzengel, dass er ihne oft sähe, mit
ihme redte, und ihne umbfienge. Auf ein andere Zeit als er nach einer
grossen Trübsal geruhet hatte, geschähe es dass er in einem Gesicht von
den hinmilischen Geistern umbgoben vfure, da begehrte er von einem
Engel, dass er ihme zeigte, wo und auf was Weis Gott ein verborgne Woh-
nung*in seiner Seel hätte, da sprach der Engel also zu ihme : Nun beschaue
dich wol, und siho wie Gott mit demer liebhabenden Seel ein Belustigung
und Freud hat. Und als der S. Vatter seine Augen undersich schlüge, und
sein Seel ansähe, fände er sein Seel so klar scheinen, als ein klarer Chri-
stall, und mitten in seinem Herzen die ewige Weisheit in leiblicher Gestalt
rühiglich sitzen, bei welcher sein Seel sasse mit himmlischer Benedeiung
begäbet, so die ewige Weisheit mit ihren Armen umbfungen, und an sein
göttliches Herz getruckt hatte, und läge also die Seel in den Armen Gottes
verzuckt, und süssiglich rastend.
[*) Vgl. Jercmias 31, 3: Ich habe dich je und je geliebet, darum
habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.]
112
An S. Michaelis und aller H. Englen Abend, als der H. Valter ihtse
scharpfe Bussband gemacht hUllo (von denen hernach soU gesagt werden),
hörete er in einer Nacht in dem Gesicht ein engelisch Gesang, und eine
süsse himmelische Stimme , darvon war er seines Leitlens gelrust. Da
sprach ein Engel zu ihme: Gleich wie du gei'n hörest unser Gesang von der
Ewigkeit, also hören wir auch gern ron dir das Gesang von der ewigen
Weisheil, und spräche der Engel weiter: Dises Gesang werden die ausser-
wühiten Heiligen Gottes frölich singen am Jüngsten Tag, wann sie werden
sehen, dass sie in der immerwehrenden Freud der Seligkeit bcslüliget scind
worden. In diser Göttlichen Betrachtung hatte der H. Vattcr vil Stund zu-
gebracht, bis dass der Tag anbrache, da erschine ihme ein Erzengel, und
mit ihme vil schone Jüngling, sprechend, dass sie weren von Himmel horab
gesandt worden, ihm ein Freud in seinen Trübsalen und Leiden zu machen.
Deswegen solle er Amandus sein Leiden ausschlagen, und mit ihnen singen,
und einen himmelischon Tanz tanzen, und zogen also den S. Amand bei
der Hand an den Tanz. Der Vorsänger fienge an in schöner Melodei das
fröliche Gcsänglein zu singen: In dulci Jubilo; von dem Chrislkindlein,
und als der S. Suso den süssen Namen Jesu hörte erschallen, da war
sein Herz und Sinn also mit Freuden übergössen, dass er aller seiner Trüb-
sal und Leiden vorgase. Und war so wol das Gesang, als die Spruch und
Tanz zierlich, himmlisch und ntt weltlich oder üppig. Diso und derglei-
chen himmelische Erscheinungen und Tröstungen begegneten ihme in den
Zeiten seiner Trübsalen, Creuz und Leiden vil, daraus er allwegen getrost
und eniuickt wurde. Es hatte aber der 11. Vatter Amandus vil Gesichter
und OlTenbarungen Göttlicher verborgner Dingen, wie es im Himmelreich,
Fegfeur und Hölle stunde und zugienge. Es erschienen ihme auch vil Seelen,
so von diser Welt abgefordert worden, und ofTenbareten ihm, wie es umb
sie stunde, warumb sie ihr Pein hatten verschuldet, und womit man ihnen
helfen möchte Es erschiene ihme auch sein leiblicher
Vatter und zeigte ihme an, wie er eine grosse und ei*schröckliche Pein im
Fegfeur litte, womit er sein Straf verdienet hätte, und wie dass ihme zu
helfen wäre mit seinem Gebett und mit dem U. Messopfer, hernach käme
er wider zu ihme, und zeigte an, dass er jetzt durch die Hilf seines Ge-
bets erlöst, und ein Kind der ewigen Seligkeit worden. Sein H. Mutter
die Saussin leide auch in ihrem Leben vil Creuz und Trübsal, so meisten-
theil von ihrem Ehemann herkam , dann er war ein weit- und sündlicher
Mensch, sie aber ein andächtige Frau, die all ihre Creuz und Leiden in
das bittere Leiden ihres Heilands Jesu Christi befahle, und darumb auch
Gott durch sie in disem Leben Wunderzeichen würkete. Nach ihrem Tod
erschine sie ihrem Sohn Amand , zeigt ihm an , dass sie innerhalb 8 Jahren
zu keiner Mess gestanden, und ihr ein Gewohnheit gemacht, das bitter
Leiden und Sterben under der Mess zu betrachten, und zu beweinen, sie
sagte ihme auch, dass sie auf ein Zeit aus unmässiger Liebe gegen Gott
erkrankte und 42 Wochen lang zu Bett gelegen, die Ärzten aber als sie
solches vermerkten, seind sie wol auferbauen worden. Sie gienge zu an-
gehender Fasten ins Münster, da die Ablösung Jesu des Herren von dem
Creuz mit gcschnitzleten Bildern stunde auf einem Altar, allda käme sie in
ein so tief und anmühtige Betrachtung, und Mitleiden zu der Mutter Maria,
dass sie in ein Ohnmacht fiele. Als man sie in ihr Haus getragen, läge sie
^
113
still bis an den tl. Cliarfreilag, und als man in der Kirchen den Passion
sänge, slarbe sie sciiglich. Zu denselben Zeiten war der ü. Suso zu Colin
und studierte, da erschiene sie ihm in einer Nacht, sprechend: Eia mein
Kind, habe den allmächtigen Gott lieb, und vertraue ihmo wol, er wird
dich in allen deinen Widerwärtigkeiten niematen verlassen. Sihe an ich
bin von diser Welt gescheiden, und bin nicht todt, sonder lobe in dem
ewigen Leben und Freud vor Gott. Nach disen Worten kUsseto sie ihn an
seinen Mund, bcncdeiele ihn treulich und verschwände. Suso aber Henge
an bitterlich zu weinen, und rufte: 0 mein getreue und heilige Mutter!
bitl für mich bei dem allmUchtigen Gott! und also weinend und seufzend
käme er wider zu ihm selber. Dergleichen Erscheinungen geschahen ihme
von vilen Seelen, durch deren Gegenwart er ein besondere Freud und Er-
gelzligkeit seiues strengen und mühseligen Lebens emplienge.
Und sein Anllilz glänzte. Oft
Sah man es glänzen, wenn er betete^
Und vorm Altar: »Aufwärts die Herzen!« sang.
Vgl. H. S. 3<6, 20 V. u. — 43 v. u.
Auf ein Zeit da er zu Colin mit grossem Eifer geprediget hatte, wäre
auch ein andächtige Pei*son, so sich nicht lang zuvor zu Gott bekehret
hatte, zugegen, welche mit den innerlichen Augen des S. Vatters Susonis
Angesicht sähe zu drei underschidlichen Malen mit hellem Schein gleich
als die Sonn leuchten, glänzen, und also klar scheinen, dass er sich selber
darin sehen konnte, dardurcb war diser Mensch in seinem Leiden wol ge-
trost, und in dem heiligen Leben gestärkt.
Vgl. U. S. 319, letzte Z. — 320, 3.
Der S. Suso war von seinen Freunden gefragt worden, in was Ge-
danken er stunde, so er die Mess sänge, und vor der Präfalion die Wort
Sursum corda sagte: dann dise Wort so inbrünstig und andächtig aus
seinem Mund herfür klingleten, dass alle Zuhörer ein sonderbare Andacht
und Bewegung ihres Herzens empfunden.
In solchen Sttssigkoiten schwamm Amandus,
Sein Herz bewahrend, strenge gegen sich,
65 Und überstrenge. Da erschien ihm einst
Sein Engel wieder: j>G]aubst du, sprach er sanft
Zum Schlummernden, indem du deinen Leib
Mit Bttssungen belegest, dieses sei
Das schwerste Leiden? Leiden andrer Art
70 Erwarten dich. Schau her ! Ich bringe dir,
114
Dem zailen Knaben, Ritlerkleider. Rüslc
Dich tapfer. Wenn du selbst dich peinigtest,
So höretest du, wenn du wolltest, auf.
Dich werden andre peinigen, und nicht
75 Aufhören, wenn du wünschest. Bis hieher
Empfand im Schmerz dein innerstes GcmüCh
Geheime SUssigkeit. Wenn aber du
Im tiefsten Schmerze Rath und HülF und Trost
Bei Menschen suchest und nicht findest; Freund
80 Und Feind verfolgen dich ; und wer dich schtltzt,
Wird selbst verfolget; wenn im Innern dann
Dich auch dein Gott verlässt; dann spricht zu dir
Die ewge Weisheit: »Sohn, gieb mir dein Herz Iic
Auf diesen Dornen blüht allein der Kranz,
85 Den deine Königinn von Dir verlangt.
Vgl. H. S. 328, Cap. 18, 9 bis zum Schluss.
Nit lang hernach, als S. Amand in seiner Gellen auf seinem gewohn-
lichen Stul sasse, und betrachtete die Wort S. Job: Militia est vita hominis
super ierram ; des Menschen Leben auf diser Erden ist nichts anders dann
ein Streit und Ritterschaft. In diser Betrachtung sähe er geistlicher Weis
einen schönen Jüngling gegen ihme kommen, so ihme zween Schuh und
andere schöne Rittcrskleider brachte. Diser Jüngling gienge zum S. Suso,
bekleidete ihn darmit und spräche : Starkmühtigor Ritter, bishero warestu
ein Fussknecht, nun aber will Gott, dass du ein Ritter werdest. Der S.
Vatter Suso besähe sich selbsten in seinen ritterlichen Stiflen und Beklei-
dungen, und sprach: 0 Gott, wie ist mir ergangen, und was ist aus mir
worden? soll ich nun hinfüro ein Ritter sein, wäre doch die Ruhe meiner
Gellen angenemer, und zu meinem Lob nutzlicher, diewcil ich in einem
Streit nit ein Ritter bin worden. Per Jüngling lachte und sprach: Bis ohn
Sorg, du wirst noch Streits genug bekommen, wer die geistliche Ritter-
schaft will unverzagt und starkmühtig führen , der hat tüglich zustreiten,
so da bei den weltlichen Rittern nicht geschieht, dann ihre Feind nicht
täglich seind, wie bei den geistlichen, welche die Welt, den Teufel, und
das eigene Fleisch zu bestreiten haben, etc. Du bildest nun dir selbsten
ein, dass dir Gott habe das schwere Joch deiner Leibscasteiungen abge-
legt, und dich von deinen grausamen Banden erlediget, und könnest jetzt
deiner Ruhe sicherlich pflegen, du solt aber wissen, dass es nicht also er-
gehen wird. Gott will dir deine Band nicht ablegen, sonder nur verän-
dern, und schwerer machen, als sie zuvor waren. Ab disen Worten er-
schräke der Diener der ewigen Weisheit übel und sagte : 0 Gott, was will
du aus mir machen? ich hatte ein MofTnung, mein Leiden habe ein End,
so wird es erst anfangen. Ach Herr, bin ich dann allein ein Sünder, und
die ganze Welt gerecht, dass du deine verborgne Urtheil also an mir übest?
MUSS es dann gelitten sein , so zeige mir, o Herr, meine Leiden, die ich
115
aussiehoD muss. I>er Herr antwortete ihm und sprach : Sihe übersieh an
den Himmel, und zehle die Sternen so du kanst, so wrrst du deine Leiden
auch zehlen mögen, und gleich wie die Sternen Itlein scheinen in den
Augen der Menschen , aber in dem Firmament gross seind , also werden
deine Leiden von den Menschen l^lein geachtet werden, die doch dich hart
werden peinigen. Also begehrte der Diener der ewigen Weisheit seine
Leiden zuwissen, die ihme doch Gott abschlüge zuoffenbaren, ausgenom-
men drei, damit er nicht verzagte. Das erste Leiden war: du hast dich
bishero selbst geschlagen und gepeiniget, und hast aufgehört wann du hast
wollen, und trügest auch ein Erbärmnus über dich, jetzt aber will ich dich
dir selber nemmen , und will dich ohn alle Wehr den Frembden über-
geben, dass sie dich schlagen und umbziehen werden nach ihrem Willen.
Das ander ist : wie wol du dich oft also ermartert hast, dass sie dir das
Leben auch hätten mögen nemmen, aber du bist mit Göttlicher Hilf also
umbgeben gewesen, dass solches Leiden dir an dem Leben nichts gescha-
det hat, jetzt aber wird es geschehen, dass, wo du Trost und Hilf wirst
sttchen, du die gröste Verfolgung und Untreu spühren must, und welche Men-
schen dich beschirmen wollen, werden mit dir grosse und gleiche Noht leiden
und in Verfolgung gerahten. Das dritte Leiden ist : du bist auf diese Zeit
gleich einem jungen Kind, so in seiner Mutter Schoss liget, und ihre
BrUsten sauget, nemblich die Göttliche Süssigkeit, himmlische Tröstungen
und Offenbarungen, dise Brüste will ich dir jetzt nemmen, und dich selber
lassen sorgen, du wirst von Gott und allen Menschen verlassen werden, und
von Freunden und Feinden grausamb verfolget und verachtet werden , und
was du anfangen wirst, solt du nicht glücklich verrichten können. Als
nun der andächtige Vatter Suso dise drei traurige Zeitung von Gott vcr-
name, erschräke er sehr, und fiele Crouzweis auf die Erden, rufte mit
weinenden Augen zu Gott und hatte ihn demühtiglich, dass er dtsen Kelch
der Trübsalen wolle von ihme hinweg uemmon, und ihn durch sein Gött-
liche Barmherzigkeit von disom grossen Jammer erledigen; möchte es
aber nicht sein, so geschehe, nach Anordnung der ewigen Weisheit, der
Wille Gottes.
Voll Schrecken fuhr der Jüngling auf; und bald
Ward seines Engels Red' erfüllet. Schmach
Und Hohn, Verachtung, Kränkung jeder Art,
Verläumdungen und Hass und Meid und Wunden
00 Am zartsten Herzen trafen ihn. Er sah
Kein Ende mehr, und lerat* im Leiden nur
Noch mehr zu leiden. Hülf und Rath und Trost
Bei Menschen war verschwunden. Wer ihm half,
Ward auch verfolget, und zuletzt gebrach
95 Das Letzte ihm^ sein innrer Trost.
Da sprach er:
»Sein Will geschehe h und gab sich zur Ruh.
116
Die im V. 87 fT. angedeuteten Prüfungeo und Leiden erzählen Murcr:»
Cap. 49 — 32. Zuletzt bringt ein liederliches und böses Weib den Aman-
du8 gar in den Verdacht, mit ihr ein Kind gezeugt zu haben. Amandus l>e-
ginnt deshalb an Gottes Barmherzigkeit und Gnade zu zwcifctn und weiss
vor Angst und Noth nicht» was er thun soll, aber (S. 340, Cap. 33, Z. 1}
»Letstlicb gäbe sich der S. Yattcr zur Ruhe und gedachte: Nun wolan,
mag es nit änderst sein, fial volunt^s tuu , o Dens! In disen Gedanken
sähe er im Geist sein geistliche Tochter [Anna] vor ihm stehen, die ihme,
als sie noch lebte in discr Welt, oft vorgesagt, dass er vi! leiden werde,
aber Gott werde ihn nit verlassen, und aus allen Nöhten helfen.« Die
geistliche Tocht«r tröstet den Amandus und verheisst ihm Gottes iJilfe, die
dann auch bald kömmt. An Stelle dieser Erscheinung der geistlichen
Tochter Anna hat Herder die nuu folgende Erscheinung der ewigen Weis-
heit gesetzt.
Und plötzlich stand vor ihm die Schönste d<i,
Sunftglcinzeader, als er sie je gesehn.
Sie Qocht aus vielen Rosen einen Kranz
100 Für ihn, und er erkannt' in jeder Rose
Den Dorn, auf welchem sie entsprossen war.
»Nimm, sprach sie, ihn; er ist der Deinige.
Jetzt ist mein Bild in Deinem Herzen : Du
Gewannest seihst es dir, bewahr* es treu.
105 Ihr Menschenherzen traut! Von allem Schönen
Die schönste Weisheit wird durch Prtlfung nur.«
Zu V. 97—101 vgl. H. S. 336, Cap. 27, 1—9.
Diso Gottselige Tochter Anna zeigte nnder andern dem S. Vatter Su-
soni auch an, dass sie auf ein Zeit in dem Geist hätte gesehen einen schönen
Rosenstock, mit rohten Rosen wolgeziert, auf dem Stock aber stunde das
Kindlein Jesus mit einem Roscnkränzlein, under der Stauden aber sähe sie
den S. Vatter Amandum sitzen, das Kindlein brache vil Rosen ah, und
warfe sie auf den Diener der ewigen Weisheit, und als er mit Rosen ganz
bedeckt wurd, fragte sie das Jesusknäblein, 'was discs für ein Bedeutung
und Geheimnus wäre? Das Kindlein antwortete: Die manigfaltigen Rosen
bedeuten mancherlei Leiden und Trübsalen so Gott über ihn verhängen
und zuschicken wird, die er freundlich von Gott, und umb Gottes willen
empfahen und leiden soll.
Zu V. 105 vgl. H. S. 343, 13—21.
[Suso] sähe die Mutter Gottes Maria ihr liebes Kind die ewige Weis-
heit an ihr Herz druckend sitzen, er sähe auch um das Iläupllein des Kind-
leins Jesus, mit schönen und glanzenden Buchstaben geschriben: ach
Herzen traut. Das könnte der S. VaUer wol lesen und verstehen. Es sänge
auch ihme ein engelischer Jüngling dises Gesänglein, Herzen tratU, so lieb-
J
117 ■
lieh vor, dass er sein Hand auf sein Herz legte, das zuhalten, damit es ihm
nit zerspränge, und da er widerumb zu ihm Selbsten käme, fand er sein
gerechte Hand ob seinem Herzen ligen.
Sie sprach es, und ein sanfter Abendglanz
Umfloss Amandus Haupt. All seine Feinde,
In Träumen kamen die Verstorbnen selbst,
110 Und flehten um Verzeihung und Gebet.
Und seinen Freunden war der vielgeprüfte
Amandus doppelt werth. Jungfraun und Fraun,
(Er ehrete in ihrer Tugend stets
Der Mutter Gottes Gnad' und Zucht und Huld)
115 Sie ehreten in ihm der Weisheit Sohn.
Zu V. 108—40 vgl. H. S. 340, Cap. 32, 4—24 und 29—33.
Under andern Verfolgern wäre auch ein hoher Prälat , der erschine
dem S. Suso nach seinem Tod und sprach , dass ihme Gott der Allmächtig
sein Leben der Ursachen verkürzet und abgebrochen habe, dieweil er ihme
also unschuldiger Weis übel nachgeredt hatte, das müsste er noch im Feg-
feur büssen Sein bester Ordensgesell, so ihn in seinen grossen
NObten verlassen, .... sterbe bald hernach, welcher als er sein Schuld
im Fegfeur gebüsset und bezahlt hatte, erschin er ihm in grosser Klarheit
und güldenen Kleid, und hatte ihn umb Verzeihung, neigte sein Angesicht
freundlich gegen ihme, und führe gen Himmel.
Zu V.448 vgl. S.3S6, Cap. 46, Z.7, wo als Ausspruch Susos angeftthrt
wird : Es ist mein Gewohnheit, dass ich die Weiber gern verehre umb der
Mutter Gottes willen.
IL Der Friedensstifter.
Dreimal war der kühne Karl geschlagen,
Und die Macht Burgunds im Blut erlegen ;
Gransee, Murten, Nansen zeugten ewig,
Was der Tapfre tlber ungerechten
5 Stolz vermag; als sich die böse Zwietracht
Auch ins Herz der Tapfern schlich. Sie zankten
Lieblos um des Sieges reiche Beute.
Fast schon theilte sich der Eidgenossen
Bündniss. Denn mit Frankreichs Gelde waren
10 Frankreichs Sitten in das Land gekommen,
Ueppigkeit und Pracht. Dem Schweizerbunde
: 118
Drohete Auflösung. Da am lelzten
Friedenstag' zu Stanz in Unterwaiden
Trat ein alter Mann in die Versammlung.
Vgl. H. S. 395 f. (Cap. 4 4).
Nachdem die acht alte Ort der Eidgnossschafl mit Hilf Herzog
Sigmunden von Oesterreich und Renali Herzogs von Lotbringen Aono
4 476 den grossmtfchtigen Herzogen Carlen von Burgund in dreien Feld-
schlachten zu Gransee, Murten und Nansen überwunden und erlegt : enl-
stund under ihnen, den Eidgnossen, selbst nicht ein geringe Uneinigkeil.
Dann erstlich möchten sie die grosse Beut, welche sie in gedachtem Krieg
erobert, nicht mit Liehe theilen, weil die Länder mit den Stätten gleiche
Portion haben wollen , die Statt aber ihnen selbst mehr zueigneten als
den Ländern. Zu dem hielten die Slätt Freiburg und Solothurn an, dass
sie zu Oertern der fiidgoossschaft angenommen wurden. Deren Bitt zu
willfahren waren Zürich, Bern und Lucern urbielig und geneigt, aber die
Länder Uri, Schweilz, Underwalden, Zug und Glarus wollen solches keines
wegs gestatten. Als derhnibcn die erstgcmciton 5 Stall gesehen, dass sie
die Länder gar ntt bereden mochten, haben sie einen besonderen Bond zu-
samen gemacht, und Bnrgrecht mit einander aufgericht. Dessen waren
aber die Länder nicht zufriden, und understunden sich den Bund widerurob
nbzuschaflen. Insonderheit vermeinten die von Uri, Sehweite und Under-
walden, es hätten die von Lucern nicht Gewalt einigen Bund ohn ihr Wissen
und Willen zumachen, und ist diser Span auf vilen Tagen gehandlet, aber
je länger je griisser und ärger worden. Über diss alles hatten die Eid-
gnossen in demselben Jahr von Königlicher Majestät aus Frankreich ein
grosses Gelt eingenommen,, waren auch täglich mehr erwartend, wiewol
nicht unverdienet. Mit solchem Gelt aber schlichen allgemach in die Eid-
gnossschaft frembde und unliibliche Sitten, als Pracht, Cnmässigkeit etc.
Dise Ding nun missfielcn dem fridsamen und demühtigen Ü. Clausen , der
sich auch in eigner Person (wie Pcler Elterlein bezeuget) aus Liebe gemei-
nes Yallerlands, in die Sach gelegt, und verschafTcn, dass zu Stanz in Un-
derwalden ein Tag gehalten wurde, da dann erscheinen sollen der 8 Orten
Bollschaflen , sampt der Freiburger und Sololhurner Legation, wie be-
schehen auf Sambslag vor S. Thomas Tag, in dem December des 4 481.
Jahrs. Bruder Claus kam auch gen Stanz (welcher Fleck fast 4 Stund Wegs
vom Ranft ligt,) redet die Eidgenossen an, strafte, lehrte, hatte, vermah-
ncle und warnete sie ganz vätterlich und treulich.
Grad und hoch: sein Antlitz blitzte Schrecken,
Doch gemischt mit Gtttigkeit und Anmuth.
Lang sein Bart, von wenig schlichten Haaren,
Zweigespalten ; auf dem braunen Antlitz
Glänzt' ein Himmlisches. Gebietend stand er
20 Dürr und hager da, und sprach anrouthig.
Männlich-langsam :
119
Vgl. H. S. 404 (Cap. 49).
Er war ein Mann gerades und geslaltes Leibs, doch dürr, mager und
ausgeschöpft, allein von Haut, Adern und Gebein zusamen geschoaucket.
Sein Färb war braun, das Haar schwarz, ein wenig mit grauem vermischt.
Der Bart war von wenig Haaren nit gar lang, in 9 Theil gespalten, die
Augen waren schwarz, daraus sein lieblich Gesicht den Anschauenden
schier ein Schrecken erweckt. Die Adern .des Hals und der Ktflen, so er
redte , wurden geachtet nicht mit Blut, sonder mit Luft erfülleL Er ge-
brauchte sich eines einigen Kleids oder Rocks, einfältig bis auf die Fersen,
das Haupt und die Füss hielt er allwegen bloss, er hatte ein männliche
Stimm und langsatne Hed,
»Liebe Eidgenossen,
Lassei nicht, dass llass und Neid und Misgunst
Unter euch aufkommen ; oder aus ist
Euer Regiment! — Auch zieht den Zaun nicht
25 Gar zu weit hinaus, damit ihr eures
Theurervvorbenen Friedens lang' geniesset.
Eidgenossen, werdet nicht verbunden
Fremder Herrschaft, euch mit fremden Sorgen
Zu beladen und mit fremden Sitten.
;jo Werdet nicht des Vaterlands Verkilufer
Zu unredlich-eignem Nutz. Beschirmet
Euch und nehmt Banditen, Landeslliufer,
Nicht zu Bürgern auf und Landesleuten. —
Ohne schwere Ursach' überfallet
35 Niemand mit Gewalt; doch angefallen,
Streitet kühn. Und habet Gott vor Augen
Im Gericht, und ehret eure Priester.
Folget ihrer Lehre, wenn sie selbst auch
Ihr nicht folgen. Helles frisches Wasser
40 Trinket man, die Röhre sei von Silber
Oder Holz. — Und bleibet treu dem Glauben
Eurer Väter I Zeiten werden kommen,
Harte Zeiten, voll von List und Aufruhr.
Hütet euch, und stehet treu zusammen,
45 Treu dem Pfad* und Fusstapf unsrer Väter.
Alsdann werdet ihr bestehn I kein Anstoss
Wird euch fallen und kein Sturm erschüttern.
Seyd nicht stolz, ihr allen Orte. Nehmet
Solothurn und Freiburg auf zu Brüdern :
120
50 Denn das wird euch ntttzoD.« — Also sprach er^
Neigte sich, und ging aus der VersammluDg.
Vgl. H. S. 396 (Cap. 16).
Die uberige Räht und Lehren, so B. Claus den Eidgnossen geben,
werden in den Schriften M. Heinrichs von Gundelflngen und H. Jofaan
Salats glaubwürdig begriffen, -wie folgt. 4. Liebe Eidgnossen, sagt er,
Ictsset nicht zu, dass Uneinigkeit, Neid, Hass , Missgunst und Partheien
under ei*ch außommen und wachsen, sonst ist euei* Ding und Regiment aus,
2. Machet den Haag oder Zaun der EydgnossschafTt nicht zu weit , damit
ihr in desto besserer Ruhe und Friden euer säur eroberte Freiheit besitzen
und gemessen möget. 3. Beladet euch nicht mit frembden Sachen, und ver-
bindet euch nicht mit frembder Herrschaft. 4 . Verkaufet das Vatterland nicht
umb Mieht und Gaben, und hütet euch vor eignem, unredlichem Nutz.
5. Beschirmet euer Vatterland und bleibet darbe i. Auch nemmet frembde
Schwerroer und Banditen nicht an zu Bürgern und Landleuien. 6. Ohn
hochwichtige Ursachen soll ihr niemand feindlich und mit Gewalt überfallen.
So man euch aber undertrucken walte, alsdann streitet dapferlich für euer
Freiheit und Vatterland. 7. Vor allen Dingen aber habet Gott vor Augen,
und haltet mit Fleiss seine Gebott. 8. Den Priestern erzeiget gebürliche
Ehr, und gehorchet ihren Vermahnungen , ob sie schon nit unsträflich oder
auferbäulich leben: dann gleich wie ein frisches Bronnenwasser ebenso gut
und wolgeschmack durch bleiene oder kupfere, als durch silberne oder guldine
Hören lauft, also empfabet ihr durch böse und gute Priester einerlei und
gleiche Gnad Gottes, wofern ihr euch würdiglich darzu bereitet. 9. End-
lich seind beständig im Glauben der lieben Alten : dann es wird sich nach
meinem Tod ein grosser Aufruhr erheben in der Christenheit, und alsdann
hütet euch, o lieben Kinder, dass ihr durch Neuerung und Listigkeit nicht
betrogen werdet. Haltet euch zusamen, bleibet in dem Weg und Fussstapfen
unserer frommen Voreiteren, Behaltet und bestettiget es, was sie uns ge-
lehrt haben. Alsdann mag euch weder Anstöss, noch Sturmwind nichts scha-
den, die doch gar stark nachgehen werden.
Alle, die den heiigen Mann erkannten,
Hörten in ihm eines Engels Stimme :
Bruder Claus war es von Unterwaiden,
55 Der an seiner einsamen Kapelle
Ohne Speis' und Trank, (so spricht die Sage)
Zwanzig Jahr gelebt. Dem Kind' und Jüngling
War am Himmel oft ein Stern erschienen,
Der sein Herz ins Innere zog. Er hatte
CO Jederzeit, auch ämsig in Geschäften,
Stille Einkehr in sich selbst geliebet,
Zehen Söhn' und Töchter auferzogen.
121
Auch in Kriegeszügen seinem Lande
Treu geholfen; bis die Welt zu enge
05 Für ihn ward. Er nahm von Weib und Kindern
Liebreich Abschied, und mit ihrem Segen
Ging er zur Einöde. Vielen Pilgern,
Die ihn suchten, gab er Rath und Hülfe.
Manchen Sturm der Seele, manche Unruh,
70 Senkete ein Wort von ihm zur Ruhe.
Denn er war von starkem Herzen; mJIchtig-
Frei, und floh wie Pest die Landsverderber.
Oft weissaget' er, und wusst' der Seelen
Innerstes Geheimniss. Seines Lebens
75 Täglicher und hocheinfältger Spruch war :
»Nimm, o Gott, mich mir; und gib mich ganz dir.«
Zu V. 55—57 vgl. H. S. 394 (Cap. 7).
[Bruder Claus hal] fürhin bis an sein End, ncmblich zwanzigtlialb
Jahr also verharret, dass er weder essen noch trinken, noch leibliche Nah-
rung gebraucht hat.
Zu V. 57—59 vgl. H. S. 387 (Cap. 4).
Es hat aber der barmherzig Gott dises Kind auch in Mutterleib über-
natürlicher Weise erleuchten und begnaden wollen : anzuzeigen was end-
lich aus ihme werden wurde. Dann er Nicolaus zuvor und ehe er geboren
ein solches Gesicht gehabt, nemblich am Himmel sähe er einen Sternen,
der an der Schöne andere Sternen ubcriraf, von welches Strcimen die
ganze Welt erleuchtet war, welchen Sternen er darnach in dem Leben oft
gesehen, inmassen dass er gemeint, es sei eben der Sternen, den er in
Mutterleib angcschauet hätte.
Zu V. 59—61 vgl. H. S. 388 (Cap. 2).
[Er hatte im 4 6. Jahr seines Alters] angefangen die Versamblungen
der Menschen fast zufliehen, und die Einsame zulieben, doch name er
nichts unbescheidlichs für, er war seinen Eltern underthan, und hälfe
ihnen die Haussorg mit Treuen verwalten.
Zu V. 62 vgl. H. S. 388 (Cap. 3).
... als unser Nicolaus zu seinen mannlichen Jahren kommen, er einer
ehrlichen Tochter, mit Namen Dorothea Weissling sich vermählet, . . .
auch 10 Kinder, nemblich 5 Sühn und 5 Töchtern erzeuget, .... welche
Kinder er alle in aller Gott^forcht und Frommkeit auferzogen.
Zu V. 63 vgl. H. S. 388 (Cap. 3).
Und ob wol der S. Nicolaus ein höchster Liebhaber des FVidens wäre,
so hat er dannoch auch bei Zeiten seines wehrenden Ehestands, aus Geholt
4887. .9
122
seiner Oberkeit, als ein Gehorsammer sich in Kriegen, so umb Beschirmung
willen des Vatterlands und desselben Freiheit, frembden Feinds Gewalt ab-
zutreiben, fürgenommen, tapfer und redlich finden lassen.
Zu V. 64—67 vgl. H. S. 390 (Gap. 6).
Dahin, und so ferr wurde unser fromme Nicolaus durch göttliches
Einsprechen getriben, dass er vermeinte, die Welt wttre ihme nicht weit
genug noch länger darinn zuwohnen. Derhalben thMte er seiner lieben Ge-
mahel sein Vornemmen kund, und zeigt ihr an, er hätte ihme fürgesetzt
die schnüde Welt gänzlich zu verlassen, und fortbin an einer füglichen Statt
in einer Einöde Gott allein zudienen Welches als er oft und vi! von
seiner Gemahel erforderte, war sie endlich uberredt, und gab ihme, damit
sie ihme an dem Göttlichen Beruf nit verhinderte, Erlaubnuss seinem Vor-
nemmen nachzukommen. Derowegen als man zehlt nach Christi unsers
Herren Geburt 1467 im Herbstmonat, da der Nicolaus fünfzig und ein
halbs Jahr alt war, verliesse er sein Hausfrau und Kinder sampt aller
seiner Hab.
Zu V. 67—72 vgl. H. S. 395 (Gap. U).
Des B. Clausen Red , Geberden und Angesicht war allzeit zu der
Sanftmuht und Gütigkeit geneigt, und erzeigte auch in allen Dingen ein
gleiches standhaftes Gemüht. Es war aber nicht allen Bilgern und Frembil-
lingen zugelassen, dass sie ein freien Zugang zu ihme hätten, dann wie er
auch selbst bezeuget, kamen etliche dahin nicht zur Besserung, sonder
mehr aus Fürwitz und Leichtfertigkeit, nach der Phariseer Art, dass sie
ihn versuchten. Darumb als er etliche also gesinnet sähe, und innwendig
erkante, flöhe er sie fast, was aber die Gutherzigen, so ihn heimbsuchten
belanget: die Hesse er frei mit ihme reden, grüssete sie freundlich, lehrte
sie gütiglich, und ehrete sie gebürlich. Und ob er schon weder schreiben
noch lesen könnte, pflegte er doch aus Göttlicher Gnad und Weisheit, auch
mit den allergelebrtisten Leuten dermassen zureden, dass er sie auch ge-
nugsamb berichtete, und oft ihr Unverstand in helmblicheo Dingen zuhtlf
käme.
Zu V. 73—74 vgl. H. S. 398 fr., Cap. 4 7, überschrieben -Etliche Pro-
pheceyung und Miracul bey seinen Lebzeiten.«
Zu V. 74—76 vgl. H. S. 404 (Cap. 4 9):
Under andern Gebetlen war auch dem Brnder Clausen dieses gar ge-
mein. 0 Gott, nimb mich mir, und gib mich ganz zu eigen dir. 0 Herr, gib
mir alles, das mich bekehrt zu dir. O Herr, nimb von mir alles, das mich
wendet von dir.
Der war Bruder Claus. Die Bundsversammlung
Folgte sciueni Rath ; einmUthig wurden
Aufgenommen Solothurn und Freiburg;
80 Und so manche Rathsversammlung wünschte
Bruder Cla US zu sich von Unterwaiden,
123
Mit der Bärentappe, die der Engel,
Falls er in den Himmel kommen wollte,
Ihm zum führenden Panier gegeben.
Zu V. 77—79 vgl. H. S. 396 (Cap. 45).
Welches auch ohne Frucht und Nutz nicht abgangen. Dann an
demselbigen Tag haben wolgemelte acht alte Ort sich nicht allein mit
einander freundlich vertragen und vergliechen , sonder auch Freiburg und
Solothurn zu Oertern der Eidgnossschaft ganz einhellig) ich auf- und ange-
nommen.
Zu V. 82—84 vgl. H. S. 390 (Cap. 5).
Als er [Bruder Claus] ferners auf ein Zeit in seinen häuslichen Ge-
schäften war, seind drei ehrbare Männer in einer ehrlichen Gestalt und
guten Sitten zu ihme kommen, under denen der erste anfieng tugendlich
zureden , der Meinung : Nicolae wiltu dich ganz ergeben mit Scel und Leib
in unsern Gewalt? Er antwortet und sprach: Ich ergib mich niemand
andern dann dem Allmächtigen Gott, dessen Diener ich nun lange Zeit zu-
sein begehrt hab. Da wandten sich dise 3 Männer zusamen mit frölichem
lachen, und redet der erste widerumb zu ihme: Dieweil du dann dich
Gott allein zugeeignet hast ewiglich, so verheiss ich dir gewiss, dass wann
du wirst vollbracht und erlebt haben das sibenzigst Jahr , wird sich der
allergütigst Gott erbarmen über dein Arbeit , und dich erlösen von aller
Widerwärtigkeit, darumb ermahne ich dich zu einer vesten Beharrligkeit,
so will ich dir geben einen Panner mit einem Bärentappen bezeichnet,
einem mächtigen Kriegsheer in das ewige Leben vorzutragen. Ich verlasse
dir auch zu unserer Gedächtnuss das Creuz zutragen. Wie dises also
vollendet, giengen die drei hinweg.
Vorstehende Arbeit war schon fast ganz fertig, als mir
merkwürdiger Weise erst einfiel, in den vom Jahre 1792 an
erhaltenen Ausleihebtichern der Grossherzoglichen Bibliothek
nachzusehen, ob und wann Herder daraus die Helvetia Sancta
entliehen habe. Da Redlich (Herders sämmtliche Werke
XXVIII, 560) sagt: »der Friedensstifter gehört, wie die Form
und die erhaltene Handschrift zeigt, erst in das Jahr 1796«, so
suchte ich gleich unter letzterem Jahre , und bald fand ich,
dass Herder am 19. November Murers Helvetia Sancta entliehen
hat. Daraus geht also hervor, dass »Die ewge Weisheit« und
»Der Friedensstifter« erst nach dem 19. November 1796 ge-
dichtet sind.
Ausser Murers Heiligenleben hat aber Herder an demselben
Tage noch entliehen des Laurentius Surius Vitae Sanctorum,
Coloniae Agrippinae 1617 — 18, (4 Foliobande) und des Jo. Boni-
9»
124
facius Bagatta Admiranda Orbis Christiani, T. I. — II., Veneiiis
1680, und dann noch am 28. Novembor zwei Heiligenleben von
Antoine Godeau, nemlich La Vie de Saint Augustin, Seconde
Edition, Paris 1657, und La Vie de Saint Charles Borrom^e, Paris
1684. Alle diese Entleihungen bezeugen Herders damalige
Beschäftigung mit den Legenden. Aus den beiden Werken
Godeaus hat Herder keine seiner Legenden geschöpft, wol aber
dürfte fttr manche in den genannten Werken von Surius und
Bagatta die Quelle zu finden sein. Ich überlasse es andern dies
zu ermitteln.
Herr Zarncke legte nach einigen einleitenden Bemerkungen
einen Aufsatz des Herrn Dr. E, Schnippet in Osterode in Ost-
preussen vor über das Runenschwert des Königlichen Historischen
Museums in Dresden,
(Vgl. hierzu Taf. I-III.)
Die nachfolgende Abhandlung verdankt ihre Entstehung
Herrn Professor Dr. Zarncke in Leipzig. Derselbe erkannte
nicht nur zuerst das besondere und vielseitige Interesse , das
sich an den behandelten Gegenstand knüpft, sondern stellte mir
auch in uneigennützigster Liebenswürdigkeit eine treffliche,
von seinem Neffen, Herrn MaxBölckow, gefertigte Kopie des
auf dem Dresdener Schwerte befindlichen Runenkalenders zur
Verfügung, die dann von mir der Erörterung zu Grunde gelegt
ward. Er controlierte ferner mit immer gleichbleibender Ge-
fälligkeit die Kopie am Original, lieferte die unten folgende Be-
schreibung des letzteren, überwachte die — vorzüglich ge-
lungene — Lithographie und förderte meine Arbeit auch sonst
durch manche lehrreiche Bemerkung. Ihm gebührt daher in
erster Linie mein herzlichster und ergebenster Dank.
Ebenso fühle ich mich aber auch gedrungen, allen denen,
die sonst meine Untersuchung in der einen oder anderen Weise
unterstützt haben, an dieser Stelle zu danken, sowohl den Vor-
ständen der ihres Ortes erwähnten Museen, Waffensammlungcn
und Archive , wie nicht minder den öffentlichen Bibliotheken,
die mir die erreichbaren litterarischen Hilfsmittel lieferten, — als
auch Privatpersonen, besonders Herrn Rittergutsbesitzer Th.
Blell zu Gross-Lichterfelde, der mir aus dem reichen Schatze
seines Wissens aufs freundlichste manchen Beitrag spendete.
Wenn ich öfter, als mir selbst lieb ist, meine frühere Ar-
beit über den Oldenburger Runenkalender i) eitlere, so Hess sich
*) »t)ber einen merkwürdigen Runenkalender, sogenannten Rlmstock
oder Primstab, des Grossherzoglichen Museums zu Oldenburg u. s. w.«
126
dies doch kaum vermeiden, wenn ich nicht das dort Gesagte
wiederholen sollte ; gelegentlich konnten auch einige nicht un-
wesentliche Berichtigungen zu jener ersten Schrift gegeben
werden.
Es würde mich aufrichtig freuen, wenn vielleicht durch die
Veröffentlichung der vorliegenden Abhandlung noch anderes
Material zur Geschichte dieser kulturgeschichtlich so interessan-
ten Runenkalender und Kalenderschwerter, insbesondere aber
verwandte Denkmäler zu Tage kämen. Jede derartige Mitthei-
lung oder die Berichtigung etwaiger, bei einem so schwierigen
Stoffe kaum ausbleibender Irrthümer würde mich zu Dank ver-
pflichten, besonders da mehrfach wichtige Zeitschriften, Bil-
derwerke u. dergl. mir nicht zugänglich waren, ich würde
nicht verfehlen, etwa sich ergebende Nachträge geeigneten
Qrtes bekannt zu geben.
Das in seiner Weise so grossartige und besonders an Denk-
mälern des 46. und 17. Jahrhunderts so überaus reiche König-
liche Historische Museum zu Dresden, das zu den ältesten und
zweifelsohne auch zu den ersten in ganz Europa gehört, enthält
in dem sogenannten Schlachtensaal unter Nr. \9 ein, wie sich
zeigen wird, höchst merkwürdiges Schwert, das als das Schwert
des bekannten Wiedertäufers und Bauernführers Thomas Mün-
zer bezeichnet wird, sich früher im Grünen Gewölbe befand,
aus einer Sense hergestellt und auf der Klinge mit einem Runen-
kalender versehen ist.
In der Litteratur hat dasselbe, soviel sich ermitteln Hess,
bisher nur an folgenden Stellen — und immer nur ganz kurz —
sachliche Besprechung gefunden:
J. G. V. Quandt, Das Historische Museum in Dresden. Dresden
1834. 8®, S. 117ff., mit der Bemerkung: »Viele alte Zeugnisse
(die aber nicht angeführt werden) sprechen für die Echtheit
der Waffe« — sonst ohne Belang.
J. K. Seidemann, Thomas Münzer. Eine Biographie. Dresden
u. Leipzig 1842. 8®, S. 158, — kurz, aber verständig, wenn-
gleich die allgemeineren Fragen , die sich an die Waffe an-
Oldenburg 1883, 126 Seiten 8^, ursprünglict^eparatabdruck aus den »Be-
richten des Oldenburgiscben Landesvereins für Alterthumskunde« , dann
auch besonders erschienen, ebda, Verlag von G. Stalling.
127
scbliessen, und der Inhalt des Runenkalenders nicht berührt
werden.
F. A. Frenzol, Führer durch das Historische Museum zu Dres-
den. Leipzig 1850. 8«, S. 400, — der die Waffe als »wegen
ihres hohen Alters ausserordentlich merkwürdig« bezeichnet.
G. Klemm, Werkzeuge und Waffen. Leipzig 1854. 8», S.<46ff.,
— der die Klinge wegen der Runen »aus Dänemark oder Nor-
wegen« herstammen lässt und auch noch die unten zu er-
wähnende, jetzt verloren gegangene Scheide »von Holzspahn,
mit schwarzem Leder überzogen, Mundstück und Ortband
vergoldet« erwähnt.
Eine, allerdings nur ganz dürftige Abbildung findet sich
bemerkenswerther Weise in der älteren Auflage des Bilder-
atlas zum Conversations-Lexikon, entworfen von J. G.
Heck, Leipzig (F. A. Brockhaus) 1849, V, B. 2 (Taf. 107),
Nr. 60*, doch bezieht sich der zugehörige Text auf S. 23 nicht
speziell auf das abgebildete Schwert, sondern nur auf »Sichel-
schwerter« im allgemeinen.
Eine wissenschaftliche Publikation unserer Waffe gibt es
nach freundlicher Mittheilung der Direktion des Historischen
Museums überhaupt noch nicht. Bei dem vielfachen Interesse
jedoch, das dieses eigenartige Schwert sowohl, als der darauf
befindliche Runenkalender erregt, schien eine genauere Unter-
suchung wohl angezeigt.
Als Grundlage dazu gibt Herr Professor Dr. Zarncke von
dem Schwerte selbst und der beigefügten lithographischen Kopie
die folgende Beschreibung :
Die Annahme, dass das in Rede stehende Schwert das des
Thomas Müntzer sei, lässt sich actenmässig nur bis zum Jahre
1838 zurück verfolgen. 1) In dem in diesem Jahre angefer-
tigten Inventar des Historischen Museums ist es (Schlachten-
saal Nr. 1 9) mit dem Vermerk eingetragen »Ist das Schwort
Thomas Müntzer's, zu Stolberg am Harz geboren und 1525 im
Lager bei Mühlhausen hingerichtet.« Früher befand sich das
Schwert im Grünen Gewölbe, aber wann, durch wen und
bei welcher Veranlassung die Waffe dorthin gekommen,
darüber hat sich bisher noch Nichts ermitteln lassen. Ein
1) Dies und das Nachstehende nach gefälligen Mitiheilungen des
Directors des Historischen Museums in Dresden, Hrn. Dr. jur. A. Erb-
stein.
128
Bedenken könnte der Glaubwürdigkeit jener Tradition ent-
gegenzustehen scheinen: der messingene, — ebenso wie
Knopf und Kette vergoldete — , mit eingeschlagenen und
eingravierten Verzierungen versehene Griff lässt sich nicht
recht mit der Zeit Mttntzer's in Einklang bringen, er scheint
nach dem Vorbilde türkischer und polnischer Waffen aus dem
17. Jahrhundert gearbeitet zu sein. Aber freilich wäre es
auch denkbar, dass, wie bei anderen Waffen, z. B. bei dem
Dolche des Gegenkönigs Rudolf von Schwaben, der Griff
später erneuert worden wäre. Dazu könnte auch stimmen,
dass der Griff gegenwärtig für den wirklichen Gebrauch ver-
kehrt steht. Da , wie wir sehen werden , zu dem Schwerte
eine wirkliche Sense verwandt worden ist, so liegt es am
nächsten , seine Herstellung auf eine Bauemrevolte zurück*
zuführen , da in diesen stets Sensen zu Waffen hergerichtet
worden sind, in erster Linie natürlich zu Lanzen.^) Da
ferner in dem Zuge gegen Müntzer der Herzog Georg von
Sachsen die Führung hatte und bei der Gefangennahme und
Hinrichtung Müntzer's persönlich zugegen war, und da die
chronologischen Anknüpfungspunkte, die die Runen der
Klinge gewähren, ebenfalls auf den Anfang des i6. Jahrhun-
derts führen , so wird man immerhin jene Tradition für eine
mit grosser Wahrscheinlichkeit richtige erklären dürfen. Ob
die Unterschrift, die Thomas Müntzer z. B. seinem Briefe vom
9. Mai 4525 2) giebt »Thoraas müntzer mit dem Schwertbe
Gydeonisa irgendwie mit diesem Sensenschwerle zusammen-
hängt, mag dahingestellt bleiben; nöthig ist eine solche An-
nahme nicht, da der im Buch der Richter 7, 14 u. 20 ge-
nannte gladius Gedeonis eine symbolische Bedeutung hat.
Gegenwärtig ist das Schwert ohne Scheide, und dieser
Umstand könnte der Vermuthung Vorschub zu leisten schei-
nen, die Fassung als Schwert sei nur eine Spielerei, um die
interessante Sense der Waffensammlung einzuverleiben, aber
noch im Jahre 1842, als Seidemann sein Werk über Thomas
Müntzer schrieb, war sie vorhanden. S. 158 desselben heisst
OS : »Des Schwertes Scheide ist von Holz und mit schwarzem
Leder überzogen; Mundstück, Orlband u. s. w. vergoldet.«
Leider ist über den Verbleib derselben Nichts zu ermitteln
i) So besitzt Herr Blell in Gr. Lichterfelde, einer der ersten Kenner
auf dem Gebiete der Waflenkunde und Besitzer vielleicht der grössten Pri-
vatwafTensammlung auf dem Contincnle, eine solche Kriegssense, die aus
einem der deutschen Bauernkriege U93 — 1525 herstammt. Die Sense ist
ca. 81 cm lang und an einem 1,77 m langen Holzschafi befestigt.
r, Bei Seidemann, Th M. Eine Biographie, 1842, S. 143.
1 29
gewesen. Seidemann slellt a. u. 0. Vermuihungcn auf, wie
Mttntzer in den Besitz der Klinge gekommen sei, ob etwa
durch Karlstadt, der 1524 , oder durch Martin Reinhard, der
4520 in Dänemark gewesen seii Beides ist wenig wahr-
scheinlich, viel glaublicher, dass, als im Bauernkriege Sensen,
die damals zu einem grossen Theile aus Schweden nach
Deutschland kamen, zu Waffen umgearbeitet wurden, eine
besonders werthvolle, die mit einem Runenkalender ver-
sehen war , zu einem Schwerte ftlr den Anführer verarbeitet
wurde , dessen mystischer Geistesrichtung das Schwert, wie
schon Seidemann sagt, durch die Runenzeichen als gefeit er-
scheinen musste.
Die Lange des Schwertes betragt 97 cm, die der Sense
allein ca. 82, am Griffe ist letztere 5,5, in der Mitte 5 cm
breit (vgl. Taf. II, A u. B). Die Schneide liegt natürlich, ent-
gegengesetzt der eines gewöhnlichen Schwertes, auf der
inneren Beugung, der Rücken auf der äusseren ; er ist, voll-
ständig entsprechend dem Rücken einer Sense, etwa 8 mm
in die Höhe gebogen , so dass der Durchschnitt die nach-
stehende Form zeigt :
Auf beiden Seiten der Sense ist ein Runenkalendor mit gül-
dener Zahl und Bezeichnung der Festtage angebracht, auf
der nach oben gerichteten die Sommerseitc, und die Zeichen
dieser sind graviert (vgl. Taf. I, A) , — auf der nach unten ge-
richteten die Winterseite , und die Zeichen dieser sind gra-
viert und eingeatzt , und schon daher grösser und kraftiger :
auf der Sommerseite die Hauptreihe 42 mm hoch, auf der
Winterseite 44 mm (vgl. Taf. I, B). Auf der Sommerseitc
(vom 7. April bis 8. Oktober) befinden sich '485, auf der
Winterseite nur 480 Runen. Beide Runenreihen beginnen
am Griffe und gehen von links nach rechts. Daher steht
auf der Sommerseite die güldene Zahl an der Schneide , au^
der Winterseite am Rücken , und wenn also die Sense zum
Gebrauch hergerichtet war und auf den Stiel gestellt ward,
so standen nur die Runen der Winterseite normal aufrecht
und waren von links nach rechts gerichtet, während die der
Sommerseite auf dem Kopfe standen und so von rechts nach
links liefen, ohne jedoch rückwärts geschrieben zu sein.
130
Auf dem aufwärts gebogenen Rücken der Sense beßnden
sich noch unmittelbar am Griff die \ 9 Runenziffern zur Er-
füllung der güldenen Zahl und davor zwei Zeichen, die zwei-
felsohne das Monogramm des Verfertigers der Sense sind (vgl.
Taf. II, C).
Aus genauerer Betrachtung der Sense ergiebt sich nun,
dass die Klinge nicht nur zum Gebrauch als Sense gearbeitet
worden, sondern dass sie auch wirklich als solche in Ge-
brauch gewesen ist. Da beim Mähen die untere Seile der
Sense einen viel kräftigeren Gegendruck zu erleiden bat als
die obere , so sind schon um deswillen die Zeichen auf der-
selben grösser angelegt und weit kräftiger eingearbeitet —
graviert und geätzt — , als auf der relativ weniger gefährdeten
Oberseite. Auch bemerkt man , dass die Fläche der Unter-
seite im Gebrauche bereits mehr abgenutzt ist, als die Ober-
seite. Ferner zeigen beide Seiten ganz deutlich, dass die
Sense vielfach geschärft (getengelt) worden ist, zumal an der
Spitze, die Ja am meisten der Abstumpfung ausgesetzt ist.
Hier ist durch das Tengeln die der Schneide zunächst liegende
Gravierung theilweise fast ganz abgerieben, überhaupt aber
die Schneide durch vielfaches Abtengeln, namentlich wieder
nach der Spitze zu , der Zeichenreihe näher gerückt , als sie
anfänglich gelegen hat. Unser Schwert ist also nicht als
Schwert aus Scandinavien gekommen , sondern, nachdem es
längere Zeit als Sense in friedlichem Gebrauche gewesen
war, ist diese zu einem Schwerte umgearbeitet worden.
Ich füge noch einige Bemerkungen über die Runenzeichen
und ihre Wiedergabe auf der zweiten Tafel bei.
Die Gravierung, resp. Einätzung, ist nicht ohne Fehler. So
sind auf der Sommerseite beim 29. Juli das Querkreuz in der
Mitte der Rune, beim 9. August die beiden Querstriche fort-
gelassen. Beides ist in der Lithographie ergänzt. Die zwei
Runen für den 5. und 6. October sind wiederholt, und dies
ist auf der Kopie absichtlich unberichtigt gelassen. Auf der
Winterseite fehlt beim 13. October oben die Seitenlinie,
beim 24. December fehlen die Querstriche, beim 24. März
der Halbbogen. Diese Fehler sind in der Kopie berichtigt.
In der Reihe der güldenen Zahl fehlt beim 43. August der
Bogen, am 20. Februar das Dach der Rune, und am 23. Mai,
am 44. und 27. October ist die güldene Zahl ganz fortge-
fallen : diese Fehler sind berichtigt, wie ebenso auf dem
Rücken der Sense der Fehler, dass bei 4 5 das Zeichen für 42
wiederholt war. In der unteren Reihe der Feste sind keine
Fehler sicher zu beobachten gewesen; möglicherweise sind
131
die Festzeichen beim H. Juni und beim 8. Februar fehler-
haft gesetzt statt zum 12. Juni und zum 9. Februar, wortlber
Herr Dr. Schnippel noch weiter handeln wird.
Das Runenzeicben für U ist in der Hauptrunenreihe in der
Regel nach oben geöffnet; a1)er einige Maie ist es, wie im
alten Futhork, oben geschlossen, so dass es mit dem Zeichen
für R zusammenfallt. Dies ist der Fall am 10. Juli, \7. Juli,
7. August, 9. Januar, und diese Versehen sind beibehallen
worden , weil sie offenbar mit der alten Gestalt des Runen-
zeichens zusammenhängen. Zuweilen ist auch der Seiten-
strich am U zu hoch angesetzt, so dass das Zeichen fttr U mit
dem für R zusammenfällt, so am 27. März und 3. April. Es
würe vielleicht consequenter gewesen , auch diese Fehler zu
berichtigen, aber ich habe sie stehen lassen.
In der Reihe der güldenen Zahl ist das U noch das alte,
nach unten geöffnete Zeichen (merkwürdiger Weise aber nicht
bei der Zusammenstellung der Zahlenzeichen auf dem Rücken
der Sense, vgl. Taf. II, C), und darum ist, wohl im Anschluss
an das Verhältniss, das die beiden Zeichen in der Haupt-
runenreihe zu einander haben, die Rune für R, von aller
historischen Anknüpfung unabhängig , nach oben geöffnet,
und kaum von dem Zeichen für K zu unterscheiden. Nicht
immer stimmen auch die übrigen Zeichen genau überein , R
ist bald vorwärts, bald rückwärts gezeichnet, das Zeichen für
F bald mit gerundeten , bald mit geradlinigen Querstrichen
versehen, die Seitenlinien sind bald mehr nach oben, bald
mehr in der Mitte angebracht, auch sonst wird einmal links
und rechts verwechselt , es ist auch wohl einmal ein Seiten-
strich als Querstrich durch den Hauptbalken gedrungen. Auf
genaue Wiedergabe dieser kleinen Züge ist nichts gegeben,
da einmal eine photographische Herstellung sich als unaus-
führbar erwies. Dagegen ist unberichtigt geblieben der
Fehler auf dem Rücken der Sense bei der Ziffer 8 (Rune für
N). Dies Zeichen fällt hier ganz mit dem für 40 (Rune für A)
zusammen , während in der Reihe der güldenen Zahl selbst
für 8 zwei Querstriche verwandt werden (merkwürdiger-
weise ganz gleich dem 0 in der Hauptrunenreihe, dessen
Zeichen in der Reihe der güldenen Zahl die beiden Linien
durch den Hauptbalken hindurch führt). Von dem alten Ru-
nenzeichen weicht auch das Zeichen für 10 ganz ab, aber
mit dem Zeichen in der Reihe der güldenen Zahl stimmt es
überein, es ist also hier auf dem Rücken der Sense kein
Fehler.
Rei den Zeichen für die Festtage ist der Zeichner bemüht
132
gewesen, genaueslcn Anschluss an das Original zu erreichen,
und seine Zeichnung ist von mir darauf hin mit dem Original
verglichen worden. Fr. Z,
Im Anschluss an diese Beschreibung und mit Verweis auf
die beigefügten Tafeln bemerke ich nun Folgendes.
Kalenderschwerter kommen, seit man überhaupt an
der Verzierung der Schwenkungen durch Schriften Gefallen
gefunden hatte, d. h. gegen Ende des Mittelalters und besonders
im 46. Jahrhundert, nicht ganz selten vor. Sie sind fast aus-
nahmslos deutschen Ursprungs, war doch gerade Deutschland
das Ilauptland der Waffenschmiedekunst, wo letztere, wie in
keinem anderen Lande auch nur annähernd in gleichem Grade,
verbreitet war und die Anfertigung von Rüstungen und Pracht-
waffen in höchster Vollendung betrieben wurde. Und es sind
denn auch die allermeisten als italienische oder spanische Arbeit
bezeichneten Gegenstande der Art in den Sammlungen innerhalb
wie ausserhalb Deutschlands, wie die Fabrikmarken und Mono-
gramme zeigen, fast regelmassig deutsches Fabrikat, vergl. A.
Demmin, Die Kriegswaffen in ihrer historischen Entwicklung
(Waffenkunde, 2. Aufl.), Leipzig 1886, 8«, S. 8 ff.
Die erwähnten Schriftenverzierungen wurden meist ein-
geätzt, welche Kunst in der Mitte des 45. .Tahrhunderls er-
funden und bekanntlich besonders beim Kupferstich verwandt
ward, doch wahrscheinlich vor der letzteren Anwendung schon
von den »Harnisch machern« benutzt worden war. Älter und
erheblich seltener für den beregten Zweck verwandt war das
Einhauen und Eingravieren, das andererseits aber auch neben
dem Ätzen fortgeübt ward und sich schliesslich länger in Ge-
brauch erhielt als das erstere. Schon Ende des 16. Jahrhunderts
nämlich wurde die durch das Ätzen so leicht gemachte Über-
treibung solcher Verzierung auf ein richtiges Mass zurückge-
führt, und aus dem 17. .lahrhundert finden sich denn auch nur
noch ganz vereinzelt Kalenderschwerter.
Freilich kann überhaupt das Anbringen ganzer Kalender
auf Schwertklingen doch nur recht ausnahmsweise vorgekom-
men sein, vergl. G. Klemm, a. a.O., S. 219, und es haben sich
auch, soweit eine Umfrage ergab, in Deutschland und Osler-
133
reich in öffentlichen Sammlungen nur etwa zwei Dutzend
Exemplare erhalten. Im Auslande scheinen sie, wenigstens
nach den Katalogen der grössten Waffenmuseen und vielfachen
Erkundigungen meinerseits, abgesehen von dem einen unten
angeffihrten Pariser, nicht vorzukommen, und es ist auch
nicht zu erwarten , dass ausser den von mir ermittelten, noch
gerade viele in anderen, besonders Privatsammlungen sich fin-
den sollten.
Dennoch haben diese Kalenderschwerter schon an und für
sich ein hohes kulturhistorisches Interesse, und auch deshalb
fOhre ich hier diejenigen an, über die ich Nachrichten erhalten
konnte.
Bei weitem am reichsten an Kalenderschwertern ist das k.
Zeughaus zu Berlin; es enthält deren in seinem alten Be-
stände fünf, die Herr stud. techn. R. Schmidt für mich zu ver-
gleichen die Güte hatte , und ausserdem 7 oder 8 aus der be-
rühmten Sammlung des Prinzen Karl, worüber ich Herrn Th.
Blell nähere Nachrichten verdanke. Die ersteren sind
i) Abth. b der Waffensammlung (abendländ. Waffen), i6.
Jahrhundert, Nr. 242, nach Angabe des »Wegweisers«: »Schwert.
Der Griff mit aufgelegten vergoldeten Verzierungen ; auf der
Klinge eingegraben ein Kalender zum (?) Jahre 4506« (meiner
Erinnerung nach ist es richtiger ein immerwährender juliani-
scher Kalender vom J. i506) — nur in lat. Ziffern. Nach Dem-
min, a. a. 0., S. 540, wo auch Abbildung des Griffes, ein »sehr
merkwürdiges Stück«; der Kalender »fein gestochene Arbeit«.
Handgriff und Parierstange »mit Figuren von vergoldetem Kupfer
gezierte.
2) Ebd. Nr. 542: »Schwert, auf der Klinge eingoätzt ein
Kalender (nur in Ziffern). 1570— < 600«.
3) Ebd. Nr. 675 (657?): «zweischneidiges Schwert mit Ka-
lender« — ohne nähere Angabe.
4) Ebd. Nr. 676: »Degen, Parierstange und Knauf aus
Eisen geschnitten, mit Silber belegt, mit Kalenderklingc, 1570
— 4620« — nur Ziffern, Buchsfaben und ornamentale Verzie-
rungen.
5) Ebd. Nr. 683: »Schwert. Parierslange und Knauf in
Eisen geschnitten. Auf der Klinge eingeätzt ein Kalender 1570
— 1600« — nur Ziffern und Buchstaben.
Die an zweiter Stelle erwähnlen, zum Theil »wahre Pracht-
134
Waffen« y sind nach dem HiUrschen Kataloge (die gegenwär-
tige Nummerierung liess sich leider infolge der mehrfachen Ver-
änderung nicht genau feststeHen , doch gehören hierher sicher
b, Nr. 6543. 6858. 7064 — Schwerter — und Nr. 7354 —
Silbel):
1) Vier (fünf?) gerade zweischneidige Schwerter, wovon
nur eines (mit hochciselierter Gravierung) aus dem Anfang
des 17. Jahrhunderts, nämlich vom Jahre 1640, alle anderen
aus dem Anfange des 46. Jahrhunderts, angeblich — doch sind
die betr. Angaben wohl nicht ganz genau, und die neue Auf-
lage des »Wegweisers« spricht stets von i>£inätzung«, nur ein-
mal nennt sie den Kalender »herausgeätzt«, bei Nr. 6858 —
in »gehauener oder erhabener Arbeita , bez. »vertieft graviert«,
oder »mit immerwährendem Kalender in gehauener (ciselierter)
Arbeit«;
2) drei leicht gekrümmte, einschneidige Säbel, zwei aus
der Mitte des 46. Jahrhunderts^ darunter Nr. 7354 vom J. 4554,
mit »deutschem« Kalender »in erhabener Gravierung«, der dritte,
jedenfalls merkwürdigste, »aus dem Anfang des 47. Jahrhun-
derts mit lateinischem Kalender; Festtage in Gold geätzt,
Schrift erhaben: wahrscheinlich polnische (?) Arbeit«.
Sodann enthalten die herzogl. Sammlungen auf der
Veste Coburg nach freundlicher Mittheilung der Direktion
zwei Schwerter mit Kalender auf der Klinge und einen dergl.
Dolch. »Die Schwerter sind Solinger Arbeit«.
Ebenso finden sich zwei im k. bayerischen National-
museum zu München, nämlich
4) I. Stock, Saal III, Nr. 374: »Einschneidige Schwerl-
klinge mit starkem Rücken und breitem flachen Hohlschliff vom
Jahre 4528. Auf der einen Seite ist ein vollständiger Kalender
eingeätzt mit einer Tabelle zum Aufsuchen der beweglichen
Feste vom Jahre 4528 bis 4 557; auf der andern Seite ist der
Triumphzug des Kaisers Maximilian«.^)
2) I. Stock, Saal IV, Nr. 93: »Ein Schwert (wohl des
46. Jahrhunderts), auf dessen Klinge die Himmelszeichen und
der vollständige Kalender eingeätzt sind«. — Mittheilung des
Direktoriums.
4) Eine angebliche Publikation dieses merkwürdigen Stückes von
V. Hefner-Alteneck ist nnir unzugänglich geblieben.
135
Desgleichen befinden sich einige Kalenderschwerter in
Wien, und zwar in der k. k. Ambraser Sammlung eines,
der hochberühmte Degen Karls V, ein Meisterwerk des Kunst-
gewerbes (Gruppe 1 — Waffen — , Saal 6, Nr. 83). Es ist der-
selbe , dessen sich der Kaiser auf dem Reichstage zu Augsburg
bedient haben soll. »Die zweischneidige Klinge (mit flacher
Rippe) hat eine Länge von 2' 41" (Wiener Mass); unten sind
auf einer Seite der doppelköpfige kaiserliche Adler und die
Ruchstaben K. K. auf beiden Seiten der Krone in vergoldeter
Ätzarbeit zu sehen. Zwei Dritlheile der Klinge nimmt beider-
seits ein schön geätzter Kalender ein ; die sehr deutliche Schrift
erscheint blank auf schwarzem Grunde , Sonn- und Feiertage
sowie die Titel der Monate haben goldenen Grund ; unten ist
eine Tabelle mit der Angabe der Epakte , des Numerus aureus
und der litera dominica zur Rerechnung auf 10 Jahre. Gegen
die Spitze zu liest man CAROLVS. ROMANORVM. IMPERATOR.
SEMPER. VLTRA. 1530. AMRR0SI9 GEMLICH. DE. MONACO»)
und auf der anderen Seite den Wahlspruch des Kaisers SI.
DEVS NORISCVM QVIS CONTRA NOS. QVIS FORCIOR. Knopf
und Gefäss sind mit sehr zarter (aufgelegter) Goldtausia ver-
ziert, der Griff mit feinem Silber und Messingdrahte umspon-
nen.a Vgl. E. V. Sacken, Die k. k. Ambraser Sammlung,
Wien 1855. 8<>, I, S. 294, und Derselbe, Die vorzüglichsten
Rüstungen und Waffen der k. k. Ambraser Sammlung in Foto-
grafien, Wien 1862, letzteres mir leider nicht zugänglich.
Ebenso besitzt das k. k. Hofwaffenmuseum im Ar-
tilleriearsenal ebendaselbst zwei,
1) Nr. 221 (Saal I, Fensterbogen 3): »Schwert mit Kalen-
derklinge. Der Griff (Knopf, FaustbUgel und Stichblatt) von
blankem Eisen, der Handgriff inFlader- (Ahorn-) holz (mit Rein)
eingelegt. Die gerade Klinge ist flach. Auf beiden Seiten ist
der Kalender (die Tage mit ihren Heiligen) mit der Rerechnung
für die beweglichen Feste von 1533 bis einschliesslich 1542.
Klinge 75 cm lang. Litteratur: Fr. v. Leber, Wiens kaiserliches
Zeughaus, Wien 1846, H, S. 253; W. Roeheim, Übersicht des
k. k. Hofwaffenmuseums, Wien 1880, S. 9.« — und
2) Nr. 1642 (Saal II, Fensterbogen 7): »Schwert mit Kalen-
1) Ambrosius Gemlich von München ist der WafTenschmied Karls V.
und Ferdinand I., vgl. Demmin, a. a. 0., S. 742.
136
derklioge. Der Griff, von Messiog mit schwarzem Hom belegt,
ist erst später der Klinge beigegeben worden. Die letztere
trägt in Ätzung auf l>eiden Seiten einen Kalender und zu beiden
Seilen desselben eine Bordüre mit den Wappen der deutschen
Reichsstände und -Städte. 47. Jahrhundert. Litteratur wie
oben«. ^Obiges freundliche Mittheilung des k. k. Hauptmanns
llerm Wendelin Boeheim, Gustos und Gonservator der k. k.
Hofwaffensammlung).
Ein weiteres Kalenderschwert befindet sieh dann in der
Laxenburger Rüstkammer und ebenso ein Dolch mit
breiter Kalenderklinge in der Waffensammlung des Grafen
Attems zu Graz.
Endlich enthält das Museed 'Artillerie zu Paris unter
Nr. 482 ein Kalenderschwert, angeblich vom General Pappen-
bcim in der Schlacht bei Lülzen getragen. (Freundliche Notiz
des k. k. Majors Herrn Gamillo Baron Althaus, Gonservalors des
Heerosmuseums im Artillerie-Arsenal zu W^ien) .
Über einige wenige andere, möglicherweise im Auslande
vorhandene Schwerter gleicher Art war Genaueres nicht zu er-
mitteln.
Schon das vorstehende Verzeichnis zeigt, wie merkwür-
dige Waffen sich gerade unter den Kalenderschwertem beßn"
den , und sehr lehrreich in der allerverschiedensten Beziehung
wäre in der That die genauere vergleichende Untersuchung
der angeführten Schwerter , die auch deren Herkunft und Ur-
sprung sofort klar stellen würde. Doch lässt sich eine solche
nur bei genauer Kopie der auf ihnen enthaltenen Kalender be-
werkstelligen, die nach Lage der Sache sich kaum ermöglichen
lässt, für mich jedenfalls, wenigstens gegenwärtig, gänzlich un-
thunlich war. In der Litteratur haben dieselben, soviel sich
ermitteln Hess, bisher eine zusammenfassende Behandlung oder
auch nur eine eingehendere Beachtung nicht gefunden.
Soviel lässt sich jedoch auf jeden Fall schon aus der
obigen Zusammenstellung erkennen, dass die Mehrzahl der-
selben Prunkwaffen oder für besonders vornehme und hervor-
ragende Persönlichkeiten gearbeitet waren. Die ^anze stab-
artige Anlage des immerwährenden Kalenders auf ihnen scheint
aber auf eine gewisse Verwandtschaft dieser — wie wir w^ohl an-
nehmen dürfen, fast ausnahmslos deutschen — Kai endersch wer-
ler mit den Kalendersläben des Nordens hinzuweisen , und es
137 ^
wäre deshalb von Werth , festzustellen , ob auf ihnen auch ge*-
legentlich ähnliche Heiligenattribute und Festtagssymbole wie
auf den Runenkalendern vorkommen, bez. ob die betreffen-
den Ralendarien selber, wie man nach der Anordnung und
sonstigen Beschaffenheit vermuthen konnte, nordische Einflüsse
zeigen — es virttrde dies eine hlk^hst interessante Perspektive
auf mancherlei kirchliche und künstlerische Kulturzusammen-
hänge eröffnen — , oder aber, ob man annehmen mttsste, dass
jene Anlage vielleicht auf ähnliche deutsche Kaienderstäbe des
Mittelalters hinweist , von denen auch sonst die eine oder die
andere Spur sich erhalten hat.
Jedenfalls aber ist nach den von mir eingezogenen Nach-
richten völlig unzweifelhaft, dass von allen den angeführten
Kalenderschwertern keines Runen oder auch nur die »runen-
artigen Hieroglyphen« enthält, die sonst wohl auf Kalendern
vorkommen 1], und zweitens, dass keines von ihnen ein
Sensenschwert ist.
Das Dresdener Schwert ist nun aber nach der oben
mitgetheilten Beschreibung in der That ein echtes Sensen-
schwort und schon dadurch höchst merkwürdig. Es be-
zeichnet jener Ausdruck, für den sich auch bisweilen un-
genau die Bezeichnung »Sichelschwert« findet, sowohl im all-
gemeinen »sensenförmige«, als auch im engeren Sinne die aus
wirklichen Sensen zu Waffen umgewandelten Schwerter. Beiden
gemeinsam ist das ungemein charakteristische und sofort auf-
fallende Kennzeichen^ dass die Schneide oder Schärfe des
Schwertes (vergl. oben S. 429) auf der konkaven, nicht — wie
beim Säbel — auf der konvexen Seite des Bogens liegt, und
beide gehören zu den grössten Seltenheiten unserer Waffen-
sammlungen.
Sensenförmig, doch nur etwa 60 — 70 cm lang, ist zunächst
der Ya tag an, weshalb denn auch unser Runenschwert öfters
»yataganartigff genannt worden ist. Derselbe ist von Haus aus
dem türkischen Reiche eigenthümlich , und dorther haben ihn
auch die benachbarten Südslaven angenommen. Er dient da-
zu — und dafür ist seine Form eigens bestimmt — , dem ge-
il Höchstens könnten sich die künstlichen pentadischen Zahlzeichen
finden , die im Mittelalter ziemlich überall nachweisbar sind , vergl. z. B.
den Kalender der Herrad von Landsberg und die englischen »Glogs«.
4887, <0
138
fallenen Feinde den Kopf abzuschneiden (vgl. Klemm, a. a. 0.,
S* 249 — und Fig. 4 auf der diesem Aufsatz beigegebenen
Tafel IH).
Auffallendei* Weise finden sich aber auch gerade im skan-
dinavischen Norden schon in sehr alter Zeit vereinzelt ähnliche
Waffen mit demselben charakteristischen Merkmal der Schneide
im inneren Bogen. Ich verdanke Herrn Blell den Nachweis
zweier solcher Schwertklingen, die in Schweden gefunden wor-
den sind und etwa der Zeit von 700 — 4000 n. Chr. angehören
mögen. Die eine findet sich abgebildet bei Worsaae , Nordiske
Oldsager, Kopenhagen 1859, S. 119, Nr. 496, wonach Tafel IH,
Fig. i eine Umrisszeichnung gibt, die andere in den M6moires
de la soci^t^ royale des antiquaires du Nord, Kopenhagen 1873,
Ser. IX, PI. 5, Nr. 2 — auf Tafel III, Fig. 3.«)
Der Querdurchschnitt aller dieser »sensenförmigen« Schwer-
ter zeigt jedoch abweichend von dem oben S. 1 29 abgebildeten
eine RUckenverstUrkung, die nach beiden Flächen der Klinge
hin entweder durch allmählich zunehmende Dicke der letz-
leren oder durch einen doppelseitigen Rückenansatz herge-
stellt ist.
Dagegen müssen als eigentliche und echte Sensenschwer-
tcr oder als Sensenschwerter im engeren Sinne des
Wortes solche angesehen werden, die unter Benutzung einer
wirklichen Sense hergestellt sind und demgemüss auch gleichen
oder ähnlichen Querdurchschnilt der Klinge zeigen, wie er
a. a. 0. von unserem Schwerte gegeben worden ist. Es ist von
vornherein kein Grund vorhanden zu bezweifeln, dass bei
Volksbewaffnungen» insbesondere bei Bauernaufständen neben
der Kriegssense als Stangenwaffe gelegentlich, wenngleich
immer nur vereinzelt, auch Schwerler der Art improvisiert wur-
den, wie denn die erstere schon in den französischen Bauern-
aufslünden des Mittelalters eine wichtige Rolle spielte: vcrgi.
Alwin Schulz, Das höfische Leben zui* Zeit der Minnesünger,
Leipzig 1879 — 80, &<>, II, S. 179, besonders Anmerkung 3, wo-
bei aber die Figur weder mit dem Texte noch mit den ange-
4) Auch Rolands »Durindarda« auf der bekannten Statue am Portal
des Domes von Verona, abgeblldcl u. a. in L^on Gaulicr's Ausgabe der
CbansondeRoland,7.ed., Tours 4880,80, s. 384, Fig. 4, hat, wie es scheint,
eine ähnliche Form, doch oine slarko Mittelrippe auf der Klinge.
139
führten Stellen übereinstimmt und nicht die übliche langge-
streckte y sondern nur eine gewöhnliche als Waffe gebrauchte
Feldsense zeigt, — Demmin, a. a 0., S. 630 ff., Da Ganges, v.
falx u. a. — Heermässige Waffe freilich oder allgemein üblich
bei derartigen Aufständen war das Sensenschwert nie und
nirgends.^)
Abgebildet ßndet sich ein solches angeblich bei ViolIet^Le-
Duc (mit ösenförmigem Griff), doch ohne dass ich diese Angabe
controlieren konnte, und dann, wenn die Zeichnung nicht ganz
ungenau ist, bei Deromin, a. a. 0., S. 536 unter Nr. 34, wovon
auch Tafel in, Fig. 4 eine Nachbildung giebt. Das letztere stammt
wahrscheinlich aus Prag , obwohl der Fundort nicht mehr ge-
nauer angegeben werden kann. Zwar ist der für die nähere
Bestimmung so wichtige charakteristische Querdurchscbnitt
der Klinge aus jener Abbildung nicht ersichtlich, doch kann
die Waffe schon wegen der Dimensionen (95 cm Länge, ganz
aus einem Stück) kein gewöhnlicher Säbel, jedenfalls kein Du-
sack sein. Es ist dabei der Griff, wie es scheint^ durch Aus-
schneiden eines länglichten Loches im Blatt der Sensenklinge
hergestellt, und es mag dann auch , wie Demmin angiebt , ein
Eisen- oder hirschledener Kampf handschuh, der bis zum Ellen-
bogen reichte, zur Handhabung benutzt worden sein. Mög-
4) Auffallender Weise ist auf den zahlreichen zeitgenössischen bild-
lichen Darstellungen aus dem deutschen Bauernkriege , die mir bekannt
geworden sind , die Kriegssense nicht vertreten , nur Dreschflegel , Mist-
gabeln, Morgensterne, Piken, gelegentlich auch wohl einmal eine ge-
wöhnliche Feldsense u. dgl., doch bewahrt z. B. auch das k. Zeughaus
SU Berlin unter Nr. 218 u. 228 der abendländischen Waffen Kriegs-
scnsen aus dem 46. Jahrhundert auf, und nach den von Demmtn mitge-
theilten Verboten war auch in Deutschland die Verwendung derselben gar
nicht selten. — Die Feldsense selbst ist übrigens höchst wahrscheinlich
oine germanische Erfindung und bekanntlich dem orientalischen und klas-
sischen Alterthum gänzlich fremd. Als falcastrum bei Isidorus Hlspalen-
sis.. XX, 4 4, 5, im 7. Jahrhundert zuerst erwähnt, kommt sie gleichmässig
und z.T. nur wenig später inahd., ags., as. und an. Sprachdenkmälern vor.
Abgebildet erscheint sie wohl zuerst in dem Manuskript eines Kalenders
aus dem Beginn des 4 4. Jahrhunderts in der Bibliotheca Cottoniana zu Ox-
ford (Tiberius, ß. V.), im Facsimile bei Strutt, Angleterre ancienne, Paris
478^, k^f PI. X, und dann auch in Pariser und Wolffenbütteler Handschrif-
ten, überall im Wesentlichen schon in der gegenwärtigen Form, doch an der
zuerst angeführten Stelle nur zum Grasmähen gebraucht, während das Ge-
treide noch mit Sicheln geschnitten wird. Vgl. auch Klemm, a. a. 0., S. 446.
4 0*
140
licherweise ist dies Sensenschwert hussitischen Ui'sprungs, ob-
wohl Wocel; Grundzttge der böhmischen Älterthumskunde, Prag
1845, auf S. 200 ff. unter den Rriegswaffen der Hussiien die
Kriegssense sowenig wie den Dusack aufführt.
Im Übrigen aber ist, soviel eine Umfrage bei allen einiger*
massen bedeutenderen Waffensammlungen des In- und Aus-
landes gelehrt hat und Kenner wie Blell, Herbst und Demmin
bestätigen, auch nicht ein einziges wirkliches Sensen-
schwert weiter bisher bekannt geworden. Das unsrigo ist
ausserdem, wie schon die oben mitgetheiite Beschreibung lehrt,
abweichend von dem soeben angeführten, in der Weise herge-
stellt, dass die hakenförmige Zunge der Sensenklinge gerade
gerichtet und dann durch Belegen zur Hülse des Griffes umge-
staltet worden ist.
Mehrfach ist nun, und zwar besonders von Seidemann,
a. a. 0., S. 158, mit Verweis auf Strobers Miscell. III, p. 122,
der sich auf Tycho Roth, de gladiis ueterum, p. 17, beruft, aber
auch von Heck, Demmin u. a. bei Erwähnung der scnsenför-
migen Schwerter auf den Dusack^) hingewiesen worden , der
seit dem 15. und besonders im 16. Jahrhundert m<issenhaft
eiistirto, aber jetzt ebenfalls nur noch äusserst selten in
Waffensammlungen sich findet und allerdings bei ganz ober-
flächlicher Betrachtung bisweilen sensenförmig erscheint. Auch
hier verdanke ich Herrn Blell erschöpfende und gründliche Be-
lehrung. Danach ist jedoch der Dusack, wie er besonders in
den alten Fechtbüchern sich sehr deutlich erkennen lässt, ein
— ursprünglich wohl böhmischer — Säbel, also ein krummes
Schwert mit der Schneide an der konvexen Seite, in der
Länge von 2 — 2Y4 Fuss (»nicht länger als der Arm« Klemm) mit
sehr breitem Bücken und ziemlich breiter Klinge , Griff und
Klinge aus einem Stück geschmiedet, ohne Parierstange und
Stichblatt: im ganzen eine recht ungeschlachte Waffe. Aus
einer Sense war er keinesfalls herzustellen. Fig. 5 a b c d auf
Taf. III zeigt die ursprüngliche Form des Dusack, bei der denn
allerdings eine Verwechselung nicht mehr möglich ist, und
A) Der Name (vergl. Schmeller, Bair. Wörterb., I, S. 408) erscheint
auch in den Formen Dusak, Dussak, Dusäckcn, Dusligge, Dusseß, Dusacken,
Dosack , Disack , Dissacken, Desseckcn , Tu sack, Tosack, Tesack u. s. w.
und kommt schon bei Hans Sachs and Fischart mehrfach vor.
141
swar a b c aus dem 46. Jahrhundert (b o vom Jahre 4570), d aas
dem Anfang des 47. Jahrhunderts (4642). Die Beieiohnung des
Dresdener Schwertes als Dusack ist also auf jeden Fall abzu--
weisen.
Die Handhabung des echten Sensenschwertes mag aller-
dings ebenfalls ziemlich unbequem gewesen sein. Seidemann
glaubt, dass dieselbe bei dem vorliegenden Sehwerte mehr auf
Kopfabschlagen als Fechten berechnet sei, und fiigt hinsu, dass
gerade dies, wenn wirklich Thomas MUnzer das Schwert ge-
führt habe, ihm wohl besonders mOehte zugesagt haben. Andrer*
seits giebt J. G. Heck, a. a. 0., S. S3, an, dass man mit diesen
»Sichelschwertema, wie er sie nennt und die er auf Anpassung
türkischer Muster an die gerade deutsche Klinge zurttckfahrt,
»nicht eigentlich zuhieb, sondern dieselben im Schnitte zog«.
Man k(5nnte jedoch auch an ein Umsichschlagen denken, das
ein Herankommen der Feinde verhindern sollte. Sicheres lässt
sich hierüber schon um deswillen nicht feststellen, weil die
gegenwärtige Stellung des Griffes wohl nicht die ursprüng-
liche ist.
In Betreff des letzteren bestätigt nämlich Alles die oben
S. 488 ausgesprochene Ansicht des Herrn Director Dr. Erb-
stein , dass derselbe gar nicht ursprünglich zur Waffe gehörte,
sondern erst später — im 47. Jahrhundert oder vielleidit noch
etwas später — angefügt und orientalisierenden polnischen
Mustern nachgebildet sei. Gerade in Dresden wurden, beson-
ders seit Kurfürst Friedrich August I. im Jahre 4697 Künig von
Polen geworden war , die polnischen stark an den Orient er-
innernden und in der That türkischen , bez. südslavischen und
ungarischen Vorbildern entnommenen Formen bei Waffen und
Rüstungen vielfach nachgeahmt (Klemm, a. a. 0., S. 853), und
mehrfach finden sich polnische Schwerter und Säbel mit ganz
ähnlichen Griffen : so im k. Zeughause in Berlin , im Dresdener
Johanneum selber, in der Sammlung Btell auf Villa Tüngen zu
Gr. Licfaterfelde bei Berlin u. s. w.*) . Ein türkisches oder über-
haupt orientalisches Original kann dagegen der Griff nicht sein.
i) Verwandte arnaatische (albanesische) Sttbelgriffo» die ebeofaUs
wie bei dem Dresdener Schwerte oft mit Kettchen besetzt sind, finden sich
abgebildet bei Demmin, a.a. 0., S. 550 (aus dem Artilleriemuseum zu Paris)
und 564.
142
da die don Säbeln der Türken und benachbarten slawischen
Völker charakteristische einfache oder Doppelswinge fehlt,
welche «der Waffe entlang mit der einen Gabel das Heft, mit
der andern die Schneide — bei den einfacheren nur die Schneide
— umklammert« (vgl. Taf. Ill, Fig. 6 : Doppelswinge a — c, ein-
fache Zwinge nur a---b). Auch das Muster der Verzierung lässt
eher auf nichttUrkischen Ursprung schliessen. Dass der Griff
aber nicht, wie die Klinge, skandinavischen Ursprung3 und
ebensowenig gleich alt ist, bedarf kaum der besonderen Er-
wähnung. Dagegen dürfte hervorzuheben sein , dass er (nach
Blell) höchst wahrscheinlich verkehrt auf der Klinge befestigt
ist. Einerseits muss nämlich das bei türkischen und den diesen
nachgebildeten Säbeln vielfach vorkommende Kettchen gleich
dem Handbügel unserer heutigen Säbel boi der Führung der
Waffe vor den Fingern, und andrerseits die gerade Seite des
Heftes wie bei unseren Hirschfängern in der Handfläche zu
liegen kommen, die Finger dagegen in der ausgeschweiften
Seite ruhn.
Was endlich die Verzierung von Waffen, bez. Sensencisen,
wie deren eines zu unserem Sensenschwerte verarbeitet worden
ist, durch Runenkalender angeht, so wurde das letztere
im skandinavischen Norden, besonders aber in Schweden wäh-
rend des ausgehenden Mittelalters und auch noch im 16. und
47. Jahrhundert so populäre und durchaus national gestaltete
Hilfsmittel des kirchlichen Kultus wie des praktischen Lebens
allerdings gelegentlich auch auf den genannten Gegenständen
angebracht, vergl. Oldenb. Runenk., S. 14. 407. 4 47 und sonst.
Doch kann dies schon an und für sich hier nur sehr viel seltener
als bei Stäben und den hölzernen Geräthen der Land- und Haus-
wirthschaft stattgefunden haben und insbesondere nur ganz
ausnahmsweise auf den eisernen oder stählernen Bestandtbeilen
von Waffen und Werkzeugen, wie denn überhaupt nur äusserst
selten metallene Gegenstände mit Runenkalendern sich finden.
Die ganze Einrichtung des für Holzstäbe erdachten i>Rimstocks«
oder »Primstabs« war eben so sehr der alteinheimischen, von den
Bauern als eine Art von Hausindustrie mit grösster Leichtigkeit
und in dem langen Winter mit Eifer gehandhabten Kunst-
übung des Schnitzens angepasst, dass auch bei Waffen u. s. w.
die Runenkalender fast ausschliesslich auf den hölzernen oder
beinernen Theilen derselben, den Speerschäften, Schwertschei-
143
den, Stielen u. dorgl. oi. eiugeschfiitzt wurden. Das Graviren
und vollends das Ätzen erforderte jedenfalls erheblieli mehr
Fertigkeit und Zeit, war auch an sich schon schwieriger und
namentlich der landliehen Bevölkerung zweifelsohne sehr viel
weniger geläufig.
Für Schwerter insbesondere erklärt die Direktion des Kon^
gelige Museum forde Nordisko Oldsager 2u Kopenhagen, sicher-
lich eine der kompetentesten Stellen, denigemäss auch ausdrUckr
lieh, dass ihr überhaupt keine Klinge mit Runenkalender bekannt
sei, und in derXhathat sich auch bei meinen weiteren Nachfor-
schungen im Norden kein derartiges Schwert auffinden lassen.
Ebenso kann aber auch auf Sensenklingen daselbst^) der
Runenkalender nur höchst selten eingravirt gewesen sein.
Wenigstens findet sich unter den mehr als 900 Runenkalen-
dern , über die ich Notizen gesammelt habe , kein einziger auf
einem derailigen Eisen , und auch in den grossen öfi'entlichen
Museen hat sich ein solcher nicht erhalten. Selbst das Museum
vaterländischer Alterthttmer im Nationalmuseum zu Stockholm
(Statens Historiska Museum och Myntkabinettet) . das bei weitem
die meisten Runenkalender in sich aufgenommen hat, beertet
nach 0. Montelius, Führer u. s. w., übersetzt von J. Mestorf,
Hamburg 4876, 8^, S. 146 und 128, kein derartiges Denkmal.
Wenn man nun auch zugeben kann, dass die meisten etwa einst
vorhandenen so verzierten Sensenklingen , wenn sie als Werk-
zeuge nicht mehr brauchbar waren, eingeschmiedet sein mögen,
auch leicht dem Roste zum Raube fallen konnten, so ist es doch
andrerseits ebenso einleuchtend, dass Inschriften gerade auf
Gegenständen , die so sehr der Abnutzung durch den Gebrauch
und durch das Schärfen (Tengeln) unterliegen 2) , Oberhaupt nur
ausnahmsweise verkommen mochten. Werden doch auch bei
uns auf dem Blatt der Sensen wohl nur sehr selten längere Auf-
schriften sich finden. Um so wunderbarer ist es und wohl nur
durch einen eigenen Zufall , schliesslich aber durch die Umge-
staltung zur Waffe erklärlich , dass sich in unserem Dresdener
i) Dass insbesondere Schweden im späteren Mittelalter einen sehr
grossen Theil von Deutschland mit Eisenfabrikaten aller Art versorgte,
lehrt neuerdings wieder C. Sattler, Die Handlungsrechnungen des deutschen
Ordens, Leipzig 4S87, an sehr vielen Stellen.
S) PrakUsche Landwirthe berechnen die dorohsohnlttliche Dauer eines
Senseneisens auf etwa 4—6 Jahre.
144
Schwerte eine solche Sensenklinge mit Runenkalender er-
halten hat.
Nach alledem lässt sich mit der ganzen in solchen Dingen
überhaupt möglichen Bestimmtheit und in Obereinstimmung
jedesmal mit den kompetensten Kennern aussprechen, dass, so-
weit bisher Material vorliegt, das Dresdener Schwert in
mehrfacher Beziehung ein Unicum ist. Es ist das ein-
zige Kalenderschwert mit Runenkalender, es ist zweitens als
Sensenschwert das einzige seiner Art, welches bis jetzt
bekannt geworden ist, und endlich ist auch die dazu verwandte
Sensenklinge selber die einzige mit Runenkalender,
die sich erhalten hat.^]
Es hat sich nun nach den obigen Auseinandersetzungen
des Herrn Prof. Dr. Zarncke allerdings leider nicht feststellen
lassen, ob die Zurttckführung unseres Schwertes auf Thomas
MUnzer historischen Anhalt hat. Ich füge dem nur noch hinzu,
dass auch Anfragen beim k. Hauptstaatsarchiv in Dresden so-
wie beim k. Archiv zu Marburg nach dem Verbleib der Frank en-
htoser Beute nur ein negatives Ergebniss gehabt haben.
Demnach dürften die folgenden Erwägungen nicht un-
nüthig sein.
Einerseits darf man sich nicht verhehlen, dass die amt-
liche Tradition der Museumsverwaltung mit Vorsicht aufzuneh-
men ist, da leider das Verfahren, alte Waffen historischen Per-
sonen beizulegen, früher in allen Waffenmuseen eine wahre
Krankheit war, von der auch das Dresdener sieh thatsächlich
nicht ganz hat freihalten können und von der man erst in den
letzten Jahren infolge kritischer Untersuchungen zu gesunden
anfängt. Und nach dem bei Demmin, a. a. 0., S. 3 ff., geführten
gründlichen Nachweis, wie zahlreich auch in den bedeutend-
sten Museen die Fälle sind, wo die angemerkten Zeitbestim-
mungen um Jahrhunderte über die wahre Ursprungszeit hinaus-
gehen und einzelne Waffen wie ganze Rüstungen der einen
1) Auch die infolge einer öfTentlichen im Litt. C. Bl. erlassenen An-
frage eingelaufene Nachricht, dass sich im städtischen Alterthumsmuseum
zu Kalmar in Schweden ein ähnliches Schwert befinde, erwies sich als
irrthümlich. Wie mir der Vorstand des genannten Museums, Herr F. J.
Baehrendtz, mitlheilt, sind dort nur gewöhnliche hölzerne Runenkalender-
stäbe in Schwertform vorhanden.
145
oder der anderen bekannten Persönlichkeit ohne jedes Recht
oder ui'kundliche Begründung im stärksten Anachronismus bei*
gelegt wurden und werden, hat man allerdings allen Grund,
im höchsten Grade skeptisch gegenüber derartigen' Angaben
sich zu verhalten. Dazu kommt, dass in diesem besonderen
Falle der Grund, aus welchem man — vorausgesetzt die Angabe
des Dresdener Museums wäre falsch — gerade auf Thomas
Mttnzer verfallen konnte , so nahe liegen würde : ein Sensen-
schwert konnte man eben nur einem Bauernanführer zuschrei-
ben und zwar dann am liebsten dem berühmtesten von allen !
Es ist ferner ja auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass
die Passung der so absonderlich verzierten Sensenklinge als
Schwert nur durch eine capriziöse Laune hervorgerufen wurde,
wie eine solche ja in der That so manche Gegenstände des an
Kuriositäten so reichhaltigen Grünen Gewölbes geschaffen hat,
— und nicht minder beraubt uns der Verlust der Scheide, we-
nigstens wenn diese mit dem Schwerte gleichzeitig entstanden
ist, der Kriterien des Stiles und der Art der Arbeit, ganz abge-
sehen davon, dass man ihr auch müsste ansehen können, ob sie
im Felde gebraucht oder nur ein Luxusgegenstand war.
Andererseits lässt sich aber soviel wenigstens historisch
feststellen, dass Münzer wirklich sich darin gefiel, Waffen-
rüstung, z. Th. eigener Art, zu tragen^). Einmal — aus dem Jahre
4ÖS4 — wird berichtet, dass er sich mit »Harnisch , Eisenhut,
Krebs und Hellepartent wappnet (Seidemann, a. a. 0., S. 4S);
auf dem Titel der zu Mühlhausen im gleichen Jahre erschienenen
Schrift: »Aussgetrückte emplössung des falschen Glaubens u.s.w.«
nennt er sich »Thomas Muntzer mit dem hammerv, womit die
oben S. 4S8 von Herrn Prof. Dr. Zamcke angefahrte Briefunter-
schrift vom Jahre i 525 verglichen werden mag und was un-
verständlich ist, wenn man es nicht auf eine Waffe oder dergl.
bezieht, — und auf der Veste Coburg wird unter Nr. 44 des
Waffensaales das Panzerhemd Thomas Münzers aufbewahrt, das
nach einer freundlichen Mittheilung des Herrn Hofrath Rothbart
daselbst aus dem alten Besitz der altenburgisch-gothaischen
Erbschaft herstammt und deshalb, obwohl der urkundliche
4) Auf den mir erreichbar gewesenen Porträts Münzers in Holzschnitt
erscheint er allerdings ebenso wie auf den von Seidemann, a. a. 0., S. 4 56 fT.,
angeftihrten Gemälden ohne Waffen, und anch in der Schlacht bei Franken-
haasen selber erschien er wohl nar als einfecher Praedicant.
146
Nachweis nicht mehr zu liefern ist, immerhin echt sein könnte.
Dass dann seine Rüstung als Tropliäe unter die Sieger verlheilt
ward, ist an sich schon höchst wahrscheinlich und entspricht
durchaus'der Sitte des ausgehenden Mittelalters, vergl. A.Schuls,
a. a. 0., 11, S. 262 u. 392. Gorade von Herzog Georg dem Bur-
tigen von Sachsen aber , der auch sonst wichtige und interes-
sante Dokumente sorgfaltig aufbewahrte, wird ausdrücklich lie-
richtet, dass er sogar »Briefschaften, die auf Münzers Geschichte
Bezug hatten«, eifrigst sammelte (Seidemann, a. a. O., S. 89],
und so ist es in der That ausserordentlich naheliegend , anzu-
nehmen, dass auch von Münzers Rüstung etwas nach Dresden
kam, besonders wenn man hinzunimmt, was bereits oben S. 428
von Herrn Prof. Dr. Zarncke bemerkt worden ist.
Schon Kurfürst August I. aber (1553 — 86) bildete aus den
in seinem Hause vorhandenen Waffen, Kunstschätzen und Rari-
täten in Verbindung mit den von ihm selbst erworbenen jene
berühmte Kunstkammer, aus der später neben anderen Snmm-
lungen sowohl das Grüne Gewölbe als auch das Historische Mu-
seum erwachsen sind. Auch die Kontinuität der Erhaltung
von so alten Erwerbungen würde also an und für sich durch-
aus erweislich sein.
Da nun unser Schwert, wie wir oben sahen, als solches wirk-
lich höchst wahrscheinlich aus einer Volksbewaffnung herstammt,
wo ja alles zu Waffen gemacht zu werden pflegt, da es aber
schwerlich einem gemeinen Mann, sondern einem hervorragen-
deren Anführer gehört haben wird, jedenfalls dem beginnenden
16. Jahrhundert angehört (s. unten) und, wie schon Seidemann
hervorhob, wenn das Schwert echt ist, allerdings Mann und
Waffe vortrefflich zusamnienpassteu (vergl. oben S. 128 u. 141),
ja man kann sagen, die Waffe zu niemand besser passte als zu
Münzer, so mag immerhin, bis etwa entscheidendes urkund-
liches Material zu Tage tritt, die Vermuthung ausgesprochen
werden, zu der auch Herr Prof. Dr. Zarncke gelangt ist, dass
in der That einst das Schwert mit den wunderbai'en Zeichen
und seiner ungewöhnlichen Form zu dem Apparate gehörte,
durch den der »Prophet« auf die Seelen der Menschen so ge-
waltig einzuwirken vermochte.
Gehen wir nun auf den Inhalt des auf unserem Seusen-
schwerte eingezeichneten Runenkalenders näher ein, so ist ein
147
solcher an sich bekanDÜich nichts weiter als ein sogen analer
immerwährender julianiscber Kalender mit den Fest-
tagssymbolen , wie er im Mittelalter sich vielfach auch in ge-
wöhnlichen Ziffern und Buchstaben aufgezeichnet vorfand.
Dennoch war dieser immerwährende Kalender gerade im Nor-
den höchst eigenartig und mannigfaltig gestaltet worden, und
der unsrige war mir bei Abfassung meiner Schrift über den
Oldenburger Runenkalender, in der ich über diese kulturhisto-
risch so lehrreiche, in unscheinbarer Form bei näherer Betrach-
tung das geistige Leben des Mittelalters und das charakteristi-
sche Wesen der nordischen Völker so vielfach wiederspiegelndc
Denkmälerklasse a\;ich im allgemeinen gehandelt habe, noch
unbekannt. Kr hat jedoch ebenfalls in mehrfacher Beziehung
ein ganz besonderes Interesse.
Es enthält zunächst das doppelte Runenband, wie üblich,
die in der regelmässigen Reihenfolge auf das ganze Jahr vcr-
theilten Sonntagsbuchstaben und güldenen Zahlen,
die in ihrer Vereinigung — nachweisbar erst etwa seit dem
Anfang des 12. Jahrhunderts (vergl. H. Grotefend, Handbuch
der historischen Chronologie, Hannover 1872, 4^^, S.8, Anm.2)
— die höchst sinnreich konstruierte Grundlage der komputisti-
schen Wissenschaft des späteren Mittelalters bilden. Nach den
ersteren ward bekanntlich bestimmt, auf welchen Wochentag
ein jedes Monatsdatum Gel, nach den letzteren wurden die
Mondphasen, insbesondere die Neumonde und damit auch das
Osterfest sowie die übrigen beweglichen Feste für jedes ein-
zelne Jahr berechnet.
Nach Konstituierung der nordischen Kirchenprovinz (um die
Mitte des 12. Jahrhundorts) war naturgcmäss auch die christ-
liche Festrechnung, der Kirchenkalender, nach Skandinavien
gekommen, und etwa ein Jahrhundert nachher, um die Mitte
des 13. Jahrhunderts (Oldenb. Runenk., S. 30), wird demn die
Umsetzung desselben in Runenschrift und insbesondere die Er-
findung der Kalenderstäbe stattgefunden haben, die vielleicht
an eine frühere gesammtgermanische Sitte, Kerbhölzer, die
ebenfalls schon eine Art von Zeitrechnung enthielten, anknüpfte
(ebd., S. 416, und R. Verstegan , A Restitution of decayed in-
telligence, London 1634, kl. 4«, S. 58).
Es wurden dabei einfach — und dies finden wir denn nun
auch auf unserem Sensenschwerte — die 7 ersten Zeichen des
148
Futhork an die Stelle der sieben ersten Buchstaben des lateini-
schen Alphabets gesetzt und die Zahlzeichen durch die Runen in
ihrer feststehenden Reihenfolge *)
r n i> |5 R K
F U Th 0 R K
4 2 3 4 5 6
^
>
1
+
H
H
N
I
A
S
7
8
9
40
11
t
B
r
«P
A
T
B
L
M
R finale
12
13
u
15
16
wiedergegeben nur mit Hinzufttgung der drei Ergänzungs-
zeichen, deren man für die güldene Zahl bedurfte,
1 >K (D
(al) (mm) (tt)
47 48 49
die denn auch wohl speziell für diesen Zweck erfunden und so
gut wie ausschliesslich für denselben benutzt wurden. Als
Stütze des Gedächtnisses, gewissermassen als Schlüssel, dient
dann, seit man eine solche nöthig hatte, nicht selten in einer
besonderen Reihe die Aufzeichnung des Runenalphabetes in sei-
ner normalen Gestalt, das denn auch hier, wie oben S. 430 be-
merkt ist, auf dem Schwertrücken sich findet.
Die Runen selber, die bekanntlich überhaupt auf diesen
Kalendern sich am längsten lebendig erhielten, haben grössten-
theils bereits die abgeschliffenen Formen des ausgehenden
Mittelalters, auch entbehren sie der charaktervollen Schönheit,
die z. R. die des Oldenburger Runenkalenders zeigen, der aller-
dings viel später, aber unter Mitwirkung sachkundiger Ge-
lehrter hergestellt ist.
Die einzelnen Zeichen hat bereits Herr Prof. Dr. Zarncke
oben aufs eingehendste besprochen und dabei besonders auch
auf die höchst auffälligen (umgekehrten) Formen der U- und R-
4) Des Vergleichs wegen sind oben zagleicb die gemeinüblichen For-
men der Runen gewählt worden.
149
Runo aufmerksam gemacht. Ich möchte zur Ergänzung , weil
es möglicherweise , wenn wir erst einmal ein wirkliches Cor-
pus Inscriptionum Runicarum haben, zur lokalen Bestimmung
unseres Kalenders, oder richtiger wohl seiner ursprünglichen
Vorlage dienen kann , nur noch hervorbeben . dass die F-Rune
in der Reihe der Sonntagsbuchstaben bereits die sehr seltene
und spute Form b hat, völlig gleich der legitimen Form des O,
welch letzteres dafür — wie im 45. und 46. Jahrhundert nicht
selten — als A erscheint, namentlich aber auch auf die ganz
eigenartige und völlig vereinzelte Form des A (R finale) aufmerk-
sam machen , das oben links (einmal , auf dem Sensenrücken,
oben rechts) mit schrägem Seitenstrich versehen ist.
Im Ganzen sind die Runen in der Reihe der güldenen Zah-
len, die mit dem Sensenrücken in den einzelnen Zeichen meist
übereinstimmt, sorgfältiger und auch häufiger in der alten Form
nachgebildet, als in der Reihe der Sonntagsbuchstaben. Bei der
letzteren kehrten allerdings dieselben Charaktere stets in ganz
kurzen Entfernungen wieder, und auch ohne besondere Sorgfalt
der Zeichnung konnte man dieselbe völlig ausreichend ver-
werthen. Die güldenen Zahlen aber brauchten nur so lange und
nur dann genau nachgebildet zu werden , wenn man wirklich
danach den Mondlauf oder die beweglichen kirchlichen Feste
bestimmen wollte. In der späteren Zeit, und zwar schon etwa
von der Mitte des 46. Jahrhunderts an, wurde dagegen gerade
die güldene Zahl oft genug recht ungenau wiedergegeben, soweit
nicht gelehrte Leute sie verbesserten oder wenigstens correkt er-
hielten. Für die Masse des Volkes war doch wohl schon an sich
die selbständige Berechnung der Mondphasen zu kompliciert,
ausserdem seit Aufkommen der gedruckten Kalender überflüssig
und noch dazu nach den Runenkalendern auch ungenau (seil
4500 — 4630 umvolle 4 Tage), während die Reihe der »Merktagea
ihr Interesse behielt. So blieben denn sogar die güldenen Zahlen
nicht selten ganz weg; wenn sie beibehalten wurden, scheinen
sie sogar bisweilen abergläubisch ausgedeutet worden zu sein.
Das Alles weist hin auf einen Graveur, der selbst für die
genaue Kalenderberechnung kein rechtes Verständniss mehr
besass — denn sonst hätte er eine strengere Übereinstimmung,
bez. Gleichmässigkeit der verschiedenen Zeichen herbeigeführt
— , aber seine Vorlage, jedenfalls einen Kalenderstab, nach
Kräften mechanisch nachzubilden sich bemühte, freilich indem
150
dabei die kleinen Flttchtigkeiten des Originals durch ihn zu
deutlichen Ungleichmässigkeiten wurden ^). Doch kann auch
schon die Vorlage selbst die einzelnen Zeichen nicht mehr scharf
in ihrer Eigenart unterschieden haben, denn die Erhaltung ein*
zelner älterer Formen neben den jüngeren beweist, dass jene
UngleichmSlssigkeit nicht dem Graveur aliein zur Last fällt.
Und so kommen wir denn ganz von selbst auf eine Zeit, wo das
lebendige Verständniss der Runenschrift zu schwinden begann,
aber doch noch Gewicht auf genaue Wiedergabe des überliefer-
ten Kalendariums gelegt ward, was ebenfalls wieder auf das
Ende des 45. oder den Anfang des 46. Jahrhunderts zutrlSl.
Auf Tafel II ist nun , unter Hinzufügung der Monatsdaten
für die einzelnen Tage, die Umsetzung der Runen in die all-
gemein üblichen Buchstaben und Zahlen gegeben worden.
Auch sind einzelne ofiTenbare Lesefehler dabei sogleich still-
schweigend berichtigt. Es ergibt sich sofort, dass die ursprüng-
liche Berechnung durchaus oorrekt ist und z. B. mit der bei
Grotefend, a. a. 0., Tafel V, S. 56 — 57 gegebenen bis auf ganz
geringe und unwesentliche Verschiebungen übereinstimmt. Ins-
besondere findet sich überall richtig das einfache Kriterium,
dass jede nächstfolgende Zahl in der Reihe der güldenen
Zahlen um 8 grosser ist als die vorhergehende, wobei nur zu
beachten ist, dass nach \ 9 wieder von vorn zu zählen begonnen
wird 2).
4) Das Gleiche scheint denn auch bei den bildlichen Darstellaogcn
der Fall zu sein, vergl. unten S. 468, 454 und zum 4. Jan., S4. Febr.,
42. März, 4. Mai.
3) Es beruht diese immer wiederkehrende Differenz von 8 bekannt-
lich darauf, dass im 49Jährigen Cyklus, nach dessen Verlauf die einzelnen
Mondphasen immer wieder auf das gleiche Monatsdatum fallen und der
auch der Berechnung der g. Z. zu Grunde gelegt ist, jedesmal nach S Jahren
(sa 99 Mondumlttufen 4- 41/2 l'ag) die Neumonde, Vollmonde u. s. w. nor
4 V2 Tag später fallen als 8 Jahre vorher, also der dem Datum nach nächst-
liegende Neumond u. s. w. jedesmal nach S Jahren eintritt, wo die güldene
Zahl um 8 weiter gerückt ist, z. B.
4873 fg. Z. 42) 28. Januar, 27. Februar, 28. März, 26. April, 26. Mai, 24. Juni
4884 (g.Z. 4)80. - 28. - 29. - 28. - 27. - 26. •
u. s. w. In dem nächsten Jahre dagegen rückt der entsprechende Neu-
mond , worauf mich Herr Prof. Dr. Zarncke in dankenswerthester Weise
aufmerksam machte, nicht, wie Oldenb. Runcnk,, S. 47, falsch bemerkt
ist, um je 8, sondern um je etwa 48^/4 Tage vorwärts, da ein Jahr =
48 Mondumtäufen — 483/^ oder es 12 Mondumläufen -h ^^ Tagen ist. Es
151
Es zeigt sich ferner, dass nach altgermanischer Weise (vgl.
K. Weinhold, Über die deutsche Jahr thei lang, Kiel 4862, i^,
S. 6 ff.) das Jahr in zwei Hälften getheilt ist und die eine
Seite das Sommer-, die andere das Winterhalbjahr enthält (Prim-
stavens Sommerside und Vinterside). Wie die genauere Zählung
lehrt, reicht ersteres vom 7. April bis zum 8. Oktober, letzteres
vom 9. Oktober bis zum 6. April. Gerade so kommt dies allerdings
nicht weiter vor, doch ward der Anfang oft ziemlich willkürlich
gewählt, und es sind denn auch z. B. Anfänge beim 8. April, 6.
oder 7. Oktober in der älteren Zeit nicht selten , während die
beim 44. April und 44. Oktober allerdings das Regelmässige
sind (vgL Oldenb. Runenk., S. 23).
Dagegen beginnen die Sonntagsbuchstaben, nachdem der
Dezember richtig mitF (IT), dem ersten Buchstaben desFuthork,
gleich dem lateinischen Sonntagsbuchstaben A, geschlossen hat,
ebenso richtig beim 4 .Januar wiederum mit T. Ebenso brechen
die güldenen Zahlen beim 34. Dezember ab (auf 43 mttsste sonst
2 folgen), um beim 1 . Januar wieder richtig mit 3 zu beginnen
(1 beim 23. Januar, a. a. 0., S. 47): der Kalender gehört also
seinem astronomischen Grundcharakter nach noch durchaus zu
den ältesten, die wir überhaupt besitzen, nämlich in die erste
Klasse der unberichtigten Kalender alten Stils, wie sie von mir
ebd. S. 23 genauer gekennzeichnet worden ist. Er steht noch
völlig auf dem mittelalterlichen Standpunkt der Kalenderbe-
rechnung, was bei den Runenkalendern im allgemeinen aller-
dings bis weit ins 4 6. Jahrhundert hinein der Fall war.
Die einzelnen Monate sind noch nicht abgetheilt, was über-
haupt auf älteren Runenkalendern nur selten geschieht. Eben-
sowenig finden sich die Tag- und Nachtlängen <), die Thierkreis-
zeichen, Ostervollmonde , bez. Epakten, die Angaben über
muss demgemKssa. a. 0. auch Z. 4 3 heissen : 28. Januar, 26. Februar, 27. März
u. s. w. Auf unserem Sensenschwerte steht deshalb richtig z. B. bei
g. Z. 3 : 4. Januar, 34. Januar, 4. März, 34. Mfirz, 29. April, 29. Mai,
g. Z. 4 : 20. - 48. Februar, 20. - 48. April, 48. Mai, 46. Juni,
u. s. w.
4) Auf dem Oldenburger Slabc sind dieselben übrigens, was ich bei
dieser Gelegenheit ebenfalls zu berichtigen mir erlaube, einer rreundlichen
Mittheilung dos Herrn Prof. Harms in Oldenburg zufolge, welche die Sache
völlig klar stellt, ebenso wie auf allen ühnlichen nicht, wie ich ursprüng-
lich annahm, in Verhältniszahlen, sondern direkt angegeben. Das Zeichen X
bedeutet nämlich Vsi also (a. a. 0., S. 43):
152
Sonnenauf- und Untergang angemerkt, die seit Anfang des
17. Jahrhunderts gelegentlich erscheinen, — noch auch die all-
gemeinttbliche Anordnung der Sonntagsbuchstaben zum SiSjiih-
rigen Gyklus, dem sogen. s^Icykl oder cyclus solaris, wonach
man die Sonntagsbuchstaben eines jeden Jahres bestimmte
(Oldenb. Runenk., S. 19. 20). Letzterer pflegt sonst auf den
Runenkalendern selten zu fehlen, wenigstens wenn man diese
wirklich zur Festberechnung gebrauchen wollte und seit man
nicht mehr allgemeiner darin bewandert war. Ohne denselben
konnten nur sehr kundige Leute das immerwährende Kalenda-
rium zu dem genannten Zwecke benutzen; fehlt es, so weist
dies bei filteren und im übrigen genau gearbeiteten Exempla-
ren auf eine Zeit oder auf Benutzer hin, wo man solche Kunde
noch voraussetzen konnte, bei jüngeren oder ungenaueren
darauf^ dass es dem Besteller oder Verfertiger nur noch auf
die angezeichneten Merktage oder allenfalls auf eine mehr
schätzungsweise Mondberechnung ankam.
Die auf unserem Sensenschwerte angemerkten Festtage
nun, d. h. natürlich nur die festa immobilia, — ich hebe auch
hier hervor, dass die Datierung nach denselben wie überhaupt
nach den Tagen des kirchlichen Kalenders, insbesondere aber
nach den lleiligentagen, in den nordischen Urkunden ebenfalls
erst etwa ums Jahr 1240 aufkommt (Oldenb. Runenk., S. 36,
Anm.) — sind in doppelter Weise bezeichnet, einestheils durch
sinnbildliche Zeichen, die sogenannten Festtagssymbole, die nach-
her im einzelnen zu besprechen sind, andern theils je nach dem
Range der Feste als festum duplex, semiduplex und Simplex
durch grössere und kleinere Kreuze oder Halbkreuze.
Nur der 23. April (St. Georg) hat als Bezeichnung einen einfachen
Strich, der wohl missverständlich aus dem betr. Festtagssymbol,
dem Speere, entstanden ist; der 14. September dagegen (Kreuz-
Januar: Tageslänge 6^/21 Nacbtlttnge 4 772 Stunden
Februar: - 9, - 45
März: - 42, - 42
April: - ^^Va» " ^V2 • u. 8. w.
Die ungenaue Bezeichnung des Sonnenauf- und Unterganges (ebda, S. 52,
Mitte) erklärt sich möglicherweise noch einfacher aus der Abrundung der
Brüche; die in der Mitte zwischen den betreffenden Angaben stehenden
Runen, bez. Sonn tagsbuch staben (S. 53, Z. 6) bezeichnen nach der authen-
tischen Erklärung, die dem Schöpflin'schen Exemplar beigegeben war, den
153
erhöhung) ein hohes Doppelkreuz. Ohne FesUagskreuz sind nur
die Merktage des 14. April und 14. Oktober (Anfang des Som-
mer- und Winterha1l)jahrs, schon altnordisch sumarn^tt und
vetrnatt: K. Weinhold, a. a. 0., S. 6), sowie möglicherweise
der 6. Januar (Epiphaniasfesl), der 43. Januar (Knut; bez. Ende
der Julfestzeit) und 27. Mai (Beda Venerabilis), falls nümlich hier
nicht das Kreuz mit in das sinnbildliche Zeichen hineingezogen
ist. Die Halbkreuze der geringeren Feste sind sämratlich nach
links gewandt, d. h. der Folge der Tage entgegengekehrt, bloss
beim i . August (Petri Kettenfeier) ist eine Ausnahme gemacht
und das Halbkreuz nach rechts gekehrt; doch lediglich um der
bequemeren und deutlicheren Zeichnung willen. Auch die
Grösse der Kreuze scheint zum Theil nur durch Raumrttck-
sichten bedingt zu sein, wenngleich der 18. Mai (König Erich),
der 45. August (MariU Heimsuchung], 4. November (Allerhei-
ligen) und 25. Dezember (Weihnachten) besonders hohe Kreuze
haben.
Zahlreiche Feste sind dann ausserdem noch mit einem Vi-
gilienzeichen versehen (Oldenb. Runenk., S. 34). Dasselbe
hat auf unserem Sensensch werte eine ziemlich mannigfal-
tige Gestalt, gewöhnlich — wie auf den meisten Runenkalen-
dern — die der einfachen oder doppelten virgula /^ oder /f
(vergl. z.B. den Runenkalender bei 0. Worm, Fasti Danici, ed.
11., Uafniae 4643, Fol., p. 87, und Hhnlich den der Leipziger
»GeseUschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und
Alterthttmera, den Stieglitz publiciert hat), — doch finden sich
auch andere Fonnen, besonders die eines durch einen Strich an
den bötreffenden Tag herangezogenen Ovals mit einem Kreuz
darauf ( ^ ) — vielleicht ursprünglich Stab mit Ring und
Kreuz — und vereinzelt auch ein schräger Strich mit zwei
Punkten X oder ein gabeiförmiges Zeichen y^, welche aber
beide aus den Hauptzeichen entstanden sein mögen, wenn die-
selben auf der Vorlage nicht mehr deutlich zu erkennen waren.
onkorrigirt aas dem älteren Ehrcnpreussischen Kalender herübergcnommO'
nen Tag des Eintritts in das betreffende Thierk reiszeichen nach der Haiipt-
rnnenreihe der Sonntagsbuchstaben : 9. Jan., 9. Febr., 4 0. .\lärz» 9. ApriJ,
10. Mai, 41. Juni, n. Juli. 12. Aug., 12. Sepl., 12. Okt., 11. Nov., 10. Dez.,
also nach allem Stil, was allerdings nicht vorauszusehen war; vergl. J.
J. Ohcrlln, Museum Schoepfl in i, Tomus prior, Argentorali 1773 — 75, 4^,
p. 155 (f., insbesondere 165 fr.
1887. 11
154
So sind bezeichnet der
19. Jan. (B. Heinrich von üpsala) mit dem Zeichen j^
25. - (Ap. Pauli Bekehrung) - - - X
15. Febr. (B. Siegfried von Wexiö) - - - ^
24. - (Ap. Matthias) ---/=•
22. Juni (10000 Ritter) - - - /^
24, Juni (Johannes der Taufer) - - - /P
25. Juli (Ap. Jakobus) _ - - ^
10. Aug. (Laurentius) _ - - /<*
15. - (Maria Himmelfahrt) - - - /?
24. - (Ap. Bartholomäus) - - - ^
28. Okt. (Ap. Simon und Judas) - - - /f
11. Nov. (B. Martin von Tours) - - - ^
? 24. - (Catharina) mit undeutlichem Zeichen
30. - (Ap. Andreas) mit dem Zeichen /^
6. Dez. (B. Nicolaus) _ - « ^
8. - (Maria Empfangniss) - - - /^
21. - (Ap. Thomas) - - - /T
?25. - (Weihnachten) - - _ ^
also nicht gerade immer die allerhöchsten Feste. Ohne VigiHen-
zeichen sind nämlich dagegen, soweit erkennbar, z. B. Neujahr
oder Beschneidung Christi (I.Jan.), Epiphaniasfest (6. Jan.),
Maria Reinigung oder Lichtmess (2. Febr.), Maria Verkündigung
(25. März), Ap. Philippus und Jakobus (1. Mai), der Pelerpauls-
tag(29.Juni), Heimsuchung Maria (2. Juli), Maria Geburt (S.Sepl.)
und Allerheiligen (1. Nov.). In erster Linie sind ersichtlich die
Aposteltage, doch auch diese nicht ganz regelmassig, mit dem
Vigilienzcichen versehen , das bei denselben auch fast immer
als doppelte virgula /f auftritt. Das zweite Hauptzeichen ^ ,
wozu ich auch das gabelförmige hinzurechne, findet sich aus-
nahmslos bei Bischöfen, doch nicht bei allen, vergi. den 3. Febr.
und 23. Nov. (Blasius und Clemens Romanus), wo aber auch
keine Bischofsmütze angezeichnet ist. Im übrigen lasst sich
weder ein consequent befolgtes Prinzip erkennen, noch eine
verschiedene Bedeutung der einzelnen Zeichen nachweisen. Es
wird hier wahrscheinlich ebenfalls eine undeutlich gew^ordene
oder ungenaue, aber ursprünglich auf eine sehr sorgfaltige Be-
zeichnung zurückgehende Vorlage von dem Graveur unserer
155
Sense, so gut er konnte, nachgebildet worden sein ; denn so er-
klaren sich am beslen die vorhandenen UnregelmSIssigkeiten bei
den Spuren einstiger Correktbeit, — wenngleich in den verschie-
denen Diöcesen wie über den Rang der einzelnen Feste, so auch
über ihre Vigilien sehr verschiedene Bestimmungen bestanden.
Wenn ich nun auf die einzelnen überhaupt bezeichneten
Tage näher eingehe ^ so werde ich dabei nur die unserem Sensen-
sehwerte eigen thüm liehen Symbole und diejenigen Festtage
naher besprechen, aus denen die Besonderheit der hier vor-
liegenden Festordnung hervorgeht. Letztere ist l)ekanntiich
nach Zeit und Ort ganz ausserordentlich verschieden und stets
ein Niederschlag jahrhundertelanger, oft höchst eigenartiger
Entwicklung. Mit ihr verband sich zudem nicht selten eine
Fülle alter volksthUmlicher Erinnerungen sowohl, als praktisch
wissenswerther Notizen, so dass aus einem einzelnen Kalender
oft eine ganze Reihe von Rücksehlüssen sich machen lassen.
Die im Mittelalter allgemein recipierten Feste und Gedenktage
werde ich dagegen nur einfach anführen, auch die standigen
Sinnbilder der nordischen Kalenderstabe sollen mit ihrer Be-
deutung nur kurz erwähnt werden; für vollständigere Belehrung
darüber kann ich auf Anlage C und D meiner oben angeführten
Schrift verweisen. Die lateinischen Festbezeichnungen sind die
authentischen des schwedischen Kirchen kalenders, wie er sich
im spateren Mittelalter gestaltet hatte und von P. A. Granberg
u. d. T. : Nordiskt Kalendarium för Medel-aldern , Stockholm
1848, 8<>, in den von Adlersparre herausgegebenen Handlingar
rörandc Skandinaviens Historia, Y, ib. eod., aus den auf der k.
Bibliothek zu Stockhohn befindlichen Originalkolendern zusam-
mengestellt ist.
Angemerkt sind aber auf dem Dresdener Schwerte die fol-
genden Tage, wobei ich der bequemeren Übersicht wegen dem
Gange unseres Kalenders folge:
Januar.
1.+ mit dem üblichen, ziemlich schematisch gezeichneten
Symbol eines rituellen Messers: Gircumcisio Domini, der
Neujahrstag als Fest der Beschneidung Christi. Allenfalls
könnte man freilich in dem angeführten Zeichen auch ein
Trinkhorn sehen (vergl. z. B. den Nürnberger Stab, Oldenb.
156
RuDenk., S. 14) wie am 43. Januar und möglicherweise
auch am 28. Dez., welch letzterer jedoch ebenfalls vor-
wiegend ein messerartiges Schwert zu führen pflegt. Jeden-
falls wäre das Hom dann aber als kleineres von dem grös-
seren des 25. Dez. und 6. Jan. bestimmt unterschieden.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass wiederum eine miss-
verstandene oder undeutliche Vorlage zu Grunde liegt.
6. + (?, s. oben S. 153) mit Krone, und zwar Königskrone
(vergl. zum 25. März], und grossem Tn'nkhom: Epiphania
Domini, bcz^. Trium Regum (sc. Festum) nebst dem Zeichen
der fortdauernden Julfestfreude.
43. + mit grossem achtstrahligen Stern und umgekehrtem klei-
nen Trinkhom : Octava Epiph. Dom., auch Hilarius et Remi-
gius, bez. Ganutus Dux et Martyr Ringstadiensis (zu Ring-
sted auf Seeland war er begraben), der sogenannte »Zwan-
zigste Tag«, nämlich nach dem Weihnachts- oder Julfeste.
zugleich Ende der Festzeit nach dem alten schwedischen
Sprichwort : »Tiugunde dag Jul är Knut,
Da skal man dricka Julen uti«,
denn »da var Julen ganske forbi, og alt 0llet, ogsaa det
sidste, opdrukket« (Almindelig Norsk Huuskalender med
Primstav, Ghristiania 4 859, 8®, z. d. Tage) , wobei aber nach H.
Hildebrand, Kongl. Vitterhets Historie och Antiqvitets Akade-
miens Mänadsbiad, Stockholm 4879, 8<^, S. 23, zu bemerken
ist, dass der 43. Jan. keineswegs von Alters her der Knuts-
tag war. »Dieser fiel nämlich auf den 7. Jan., wo der Herzog
Knut Lavard (4 434) getödtet ward (vergl. MttUenhoff, Zeit-
schr. f. D. A. 42, 335). Die Julzeit hörte ausser im Norden
gewöhnlich mit dem 6. Jan. auf, vielleicht hat bei uns im
Zusammenhang mit der Verlegung des Schlusses der Julzeil
der Knutstag einen anderen Platz erhalten.« Wir haben es
danach mit einer Kalenderbildung späterer Zeit, d. h. hier
des ausgehenden Mittelalters, zu thun. — Das umgekehrte
Trinkhorn erscheint dabei fast regelmässig, der Stern ist
sonst nicht weiter belegt, nur auf dem Griff des Nürnberger
Stabes ist er ganz ebenso als Verzierung angebracht; auf
Hilarius oder Remigius kann er nicht bezogen werden.
49. 4- mit Vigilienzeichen davor (s. oben S. 454) und mit zwei-
zipfeliger Bischofsmütze (vergl. den 45. Febr., 4 4. Norv. und
6. Dez.) : Henricus Episcopus Finnorum Aposlolus, das Fest
157
eines der gefeiertsten schwedischen Nationalheiligen, das
noch jetzt im katholischen Proprium fttr Schweden und Polen
beibehalten ist.
25. + mit Schwert und Bogen (beide gekreuzt] sowie ebeufalls
mit Vigilienzeichen am vorhergehenden Tage (s. oben S. 4 54) :
Gonversio Pauli. Die Zusauimenstellung der beiden Sym-
bole ist besonders auf den schwedischen Runonkalendern
Üblich, wobei das Schwert das bekannte Attribut des Hei-
ligen, der Bogen aber specifisch nordisch und möglicher-
weise eine altheidnisohe Reminiscenz ist, »fordi Almuen
troede, at den Paal, hvis Minde da h0jtideligholdtes, var en
stör Krigsbelt og Bueskytte, kaldet Paal (Povl) Skyttar
eller Paal med Bog Jen, der krigede om Formiddageo,
men holdt Eftermiddagen heilig« (Norsk Huusk. z. d. T.,
nach U. J. Wille, Beskrivelse over Sillejords Pmestegield.
Ki0bonhavn 4786, 8», S. 243.), vergl. K. Simrock, Handbuch
der deutschen Mythologie, 5. Aufl., Bonn 4878, 8^ 8. 294.
Februar.
2. + mit Nimbus und candolabrum (vergl. den Nürnberger
Stab a. a. 0.) : Purificalio Mariae, Liehtmess (Oldenb. Runenk.,
S. 68 .u. 96) , .wobei Maria bisweilen mit der räthselhaften
fru Goea oder Goeja zusammengeworfen ward, nach der der
ganze Monat auch G0jemaaned hiess, s. H. Hildebrand, Anti-
quarisk Tidskrift, 4883, S. 28, 9 u. 37, 8. 9 sowie Munads-
blad, a. a. 0., S. 24; doch s. Worm, i. 1., p. 47.
3. +: Blasius, Ansgarius.
8. -i : jedenfalls, wie es oft vorkommt, Verwechselung mit dem
folgenden Tage, da der 8. in den nordischen geschriebenen
Kalendern des Miltelalters und ebenso in den Nekrologien
oder Obituarien, Missalien u. s. w. niemals bezeichnet ist.
während im ganzen Norden der 9. als Tag der h. Apollonia
virgo et martyr gefeiert ward, hier aber nicht angemerkt ist.
Man kann aus letzterem Grunde auch nicht an die in Ur-
kunden ganz vereinzelt erscheinenden zweifelhaften Hei-
ligentage des h. Salomon, der h. Gorintha und der Helena
virgo denken, welch letztere noch dazu in diesem Falle mit
der Mutter Consianlins d. Gr. verwechselt worden ist, die
in deutschen Kalendern des Mittelalters an diesem Tage er-
scheint (»regi na electd«) Grotefend, a. a. 0., undOtte, Handbuch
158
d.kirclil.KuDStarchäologie des ({.Mittelalters. 5. Aufl., Leipz.
1883, 80, I, S. 575) und auch von Granberg angemerkt ist.
15. + mit Bischofsmütze, die aber noch besonders mit einem
Kreuz verziert ist, und mit Vigilienzeichcn davor: Sigfridus
Episcopus etConfessor, d. h. Gedenktag des h. Siegfried voa
Wexiö, der wie Heinrich von Upsala zu den wicbUgsteo
Heiligen Schwedens gehörte und wie dieser im Proprium
für Schweden noch jetzt beibehalten ist.
22. +: Cathedra Petri *).
24. 4- mit der rohen und wahrscheinlich unverstandenen Zeich-
nung eines Fisches, der — besonders wieder auf schwedi-
schen Stäben — an diesem Tage sehr hdußg angezeichnet
wird : Matthias Äpostolus (zugleich Locus Dissextilis), wo-
bei das angeführte Symbol auf den beginnenden Fischfang
(nachlleincke zweifelsohne den der Hechte) bezogen ward,
aber dahingestellt bleiben muss, ob nicht ursprünglich eine
andere Bedeutung zu Grunde lag.
März.
12. Ein Fähnlein mit einbezogenem Festtagskreuz (s.oben S. ^53
und zum 20. Juli] : Gregorius Papa et Confessor. wobei das
Symbol wohl missverstanden ist. Doch s. Oldenb. Runenk.,
S. 97 zum 21. März und S. 98 zum 23. Apr., was über die
alte Ostergrenze bemerkt ist.
17. -I und Äbtissinnenmütze (oder ist wie auf dem Nürnberger
Stabe die sonst übliche Kapelle gemeint?) : Gertrudis virgo,
d. h. Tag der h. Gertrud von Nivelles, noch jetzt im Pro-
prium für Schweden.
18. Undeutliches Zeichen^): wahrscheinlich Patritius (Patricius)
Episcopus et Confessor, d. h. Tag des h.Patrik, des Apostels
von Irland, der sowohl am 17. Jan. als auch am 17. u. 18.
März gefeiert ward und sonst das Kleeblatt oder zwei
Schlangen zum Attribute hat (Otte, a. a. 0., S. 593). Doch
werden nach Granberg in nordischen Urkunden vereinzelt
auch ein h. Edvardus und ein Alexander Episcopus an diesem
Tage erwähnt.
1) Vielleicht deulet das schräge Kreuz am Festtagszeich en die seila
episcopalis an, wie es ähnlich mehrfach vorkommt
i) Es scheint beinahe, als wäre der beim S1. gewöhnlich angezeich-
nete Pflug misSTerslündlicberweise etwas zu weit nach links f;eralhen !
159
2i, + mit Nimbus (vergl. H. Hildebrand, Mänadsblad, 4875,
S. 435) oder bloss graphischem Zeichen: Benedictus abbas,
d. h. Fest des h. Benedikt von Nursia, des berühmten Abts
von Monte Cassino.
25. + mit Marienkrone (dieselbe ist durch einen Nimbus regel-
massig von den anderen, Königs- und auch wohl Märtyrer-
kronen, scharf unterschieden, vergL den 2. Febr., S.Juli,
45. Aug., 8. Sept. u. 8. Dez. gegenüber dem 6. Jan., 4. Mai,
48. Mai, 27. Mai und sogar dem 25. Dez., der sonst ebenfalls
zu den Marienfesten gerechnet ward; auch der Nimbus allein
ist nicht selten für Maria charakteristisch, z. B. auf dem von
Stieglitz beschriebenen Leipziger Stabe, während ihr die
Krone als der regina coeli zukommt): »Annuncialio Mariact.
April.
44.^) Ein grünender Baum wie regelmässig auf fast allen Bu~
nenkalendern : Tiburtius et Valerianus, als Beginn des
Sommers, vergl. oben S. 454 u. 453, der »forste Sern mardag«
(Fryksell).
23. Einfacher Strich oder Spiess (vergl. oben S. 453): Georgius
martyr: Tag des »Ritters« St. Georg.
25. -I wie üblich mit dem rohen Bilde eines Vogels (vergl. z. B.
den Nürnberger Stab, aber auch die beiden Leipziger Ru-
ncnkalender): Marcus Evangelista, der in den nordischen
Ländern allgemein als Kuckuks-Marcus (Gauksmarks, danach
auch die Zeit von Mitte April bis Mitte Mai Gaukmaned) be-
zeichnet ward. S. Oldenb. Runcnk., S. 98 z. d. T.^ und
Mannhardl, Z. f. d. Mythologie, 111, S. 209 ff.
29. 4: jedenfalls der — auf den Runenkalendern sonst meines
Wissens unbelegtc, aber als solcher auch im schwedischen
Kirchenkalcnder feststehende — Tag des Petrus martyr, des
bekannten Grossinquisitors ord. Praed., f 4252 an dem ange-
zeichneten Tage, kanonisiert 4253, der nach Otte und Grote-
fend ganz besonders von den Dominikanern hochgefeiert
ward.
Mai.
4 . + mit Krone, deren Entstehung hier mehrdeutig ist (ob miss-
1) An der abgeriebenen Stelle wird höchstens der Tag des h. Ambro-
Sias (4. Apr.) angemerkt gewesen sein.
160
verständlich aus der ÄhtissinDenmUtze hervorgegangeD ?
oder Märtyrerkrooe ? oder allgemeiner das in der mittelalter-
lichen Kunst Übliche symbolische Zeichen der Vollendung?
vergl. den Nürnberger Stab a. a. 0., und Helmsdörfer,
Christliche Kunstsymbolik und Ikonographie. 2. Ausg., Prag
4870, S% S.WO f\\) : Philippus et Jacobus (sc. der jüngere),
Walburg (Valburgis) virgo.
3. + mit grossem Kreuz darüber: Inventio Sanctae Crueis (sc.
durch die »Kaiserin« Helena im J. 326 oder 327) und zu-
gleich Alexander Papa etMartyr, wovon hier oti'enbar nur
ersteres in Betracht kommt.
6. -f : Johannes ante Portam Latinam, der »kleine Johannistag«,
d. h. Gedenklag seiner ersten Marter.
18. i- (verhilltnismüssig gross, s. oben S. 153] mit Krone und
Ähre wie auch sonst auf schwedischen Kalendern (vergl.
z. B. den Oldenburger Runenkalender): EricusRex et Martyr,
Tag des genannten schwedischen Königs (11 -iO — 11G0), des
gefeiertsten Patronus Regni Sueciae^j, der auch als solcher
im schwedischen Proprium erhallen geblieben ist.
27. einfache Krone, möglicherweise mit einbezogenem Fesl-
lagskreuz: Beda (sc. Venerabilis) Presbyter, der bcrUhmle
angelsächsische Kirchenlehrer, dessen Tag hauptsächlich
nur in den KlösLeru gefeiert ward und sonst nicht bezeich-
net ist, auch wenig verbreitet war. Ober die Krone s. zum
25. März und 1. Mai.
Juni.
11.+: Barnabas Apostolus, ein Tag der sonst nicht gerade häufig
belegt ist. Es kann jedoch auch wieder eine Verwechselung
mit dem folgenden Tage, dem regelmässig bezeichneten
Feste des h. Eskill oder Aeschilus (vergl. Oldeub. Runcnk.,
S. 76, und unten zum 6. Okt.) vorliegen, da sogar dessen
Translation angemerkt ist.
1) Noch jetzt gelten als solche ausser dem h. Erich nach dem offi-
ziellen Missalo der katliolischen Kirche, die ja die schwedische Kirclicnpro-
vinzamUich noch fortführt: Johannes der Täufer, St. Lorenz(10. Aug.),Ansßar
(3. Febr.), Siegfried («5. Febr.), Eskill (48. Juni u. 6. Okt.). David, Abt von
Snevingen. Heinrich von Upsala M9. Jan.), Botvid (2S. Juli), Helena (wohl
die »vidua de Schedwi«), Birailla (7. Okt.), Catharina von Vadstena, «lii«.
161
17. +: Botolfus, d. b. Tag des h. Bothulf (Botulph, Botulf), der
ais Abt UDd Stifter dos Klosters Ikanbo (auch ikanboe,
lyanhoe) in Ostangeln bezeichnet wird und auffallender
Weise (ein Nacbklaog der angelsächsischen Mission in
Schweden I) in sUiumtlicben skandinavischen Reichen als
einer der vornehmsten Heiligen gefeiert ward.
22. 4 mit kleinem Yigilienzeichen: Decem Milium Militum, d. b.
Fest der 40000 Ritter.
24. -i- n)it Vigilienzeicben und dem sonst meines Wissens hier
nicht vorkommenden, aber nach dem Alm. Norsk Uuusk.
zum 4. Jan. sicher zu deutenden Zeichen der Sanduhr:
Nativitas Johannis Baplistae, zugleich als Tag der Sommer-
sonnenweode (Solständet) und Mi ttsouimer betrachtet, worauf
wohl die gleichgetbeilte Sanduhr hinweisen soll.
29. + mit roh angedeutetem liolzschlUsscl in einer sehr häufig
vorkommenden alten Form, der das uralte Attribut des
Apostels Petrus andeutet, »womit er das llimmeU'eich auf-
schliesstc : Petrus et Paulus Apostoli.
Juli.
2. + mit Marienkrottc (vergl. zum 25. März): Visitatio Mariae,
eines der jüngsten grossen Kirchenfeste, s. Oldenb. Runenk.,
S. 78. 79; daneben regelmässig: Processus et Martinianus.
40. + mit Sense, in die das Kreuz so einbezogen ist, dass die
beiden Arme rechts und links die Handhaben der Sense zu
sein scheinen: Canutus Rex et Martyr Oltoniensis, d. h.
Tag König Knut des Heiligen von Dänemark (4 086 an diesem
Tag zu Odensc ermordet), der als »Sensenknut« im ganzen
Norden gefeiert ward , aber auch, in das offizielle Marty-
rologium Romanum aufgenommen und verlegt auf den
49. Jan., sogar in dem durch das Tridontiner Konzil re-
vidierten Missale sich erhalten hat. Uildebrand, Tidskr.,
a. a. 0., S. 45, 5, führt aus Smäland das Sprichwort an:
»Canut kör bonden med lian ut«, das auch anderwiirls ähn-
lich erscheint und sich auf die beginnende Ernte bezieht.
20. "1 mit Fähnlein: Margareta virgo, d. h. Tag der b. Margareta
von Antiochien (vergl. Oldenb. Runenk., S. 80), der beson-
ders von den Cistorziensern, Karthäusem und PrUmonstra-
tensern gefeiert ward. Das Symbol ist mehrdeutig; es kann
entstanden sein aus dem Kreuze, das die Heilige oft als
162
Attribut hat (Otte, a. a. 0., I, S. 585), aber auch als Zeitgrenze
(vergl. den 12. März) den Beginn der Hundstage andeuten,
denn iMargaris os canis est, caudam Laurentius adfert«.
22. + mit Salbbttchso in der üblichen spitzen Form der mittel-
alterlichen Kunst, die häufig auch in eine Nuss u. dgl. umge-
deutet ward, und einbezogenem Nimbus: Maria Magdalena.
25. + mit Vigilienzeichen und einer Figur, die gewöhnlich als die
»liummelpepla«, d. h. HopfenblUthe, bez. -frucht, in ihrer her-
kömmlichen schematischen Form angesehen ward : Jacobus
Apostolus, denn nach den Wetterregeln der Bauern wird der
Jakobustag mit dem Hopfenbau in der einen oder anderen
Weise zusammengebracht, vergl. das schwedische Sprich-
wort: »Regndennadagskadarhumlenc, Hildebrand, Tisdkr.,
a. a. 0., S. 47, Nr. 48. Freilich ward das Zeichen (ebenfalls
nach den Wetterregeln) auch als NusS; Eichel oder Buchecker
umgedeutet, und letzteres scheint hier noch am meisten an-
nehmbar (Derselbe, Mänadsblad, 4879, S. 454): ja es ist sogar
bisweilen kaum von dem tropfenden Wasserhute zu unter-
scheiden, der an diesem Tage ebenfalls sehr häufig vor-
kommt und nach dem der Apostel selber den Beinamen
Vaalhatt erhalten hat, »fordi ved den Tid kommer gjerne
noget Regn, og man finger da, at Jakob kommer og v(t;der
(pisser) Uumlent Alm. Norsk Huusk. z. d. T. nach Wille, S.248.
28. +: Botvid (auch Botwidus), der ein berühmter schwedischer
Missionar aus Södermannland war (vergl. 0. Montelius,
Sveriges llistoria, Stockholm 4 879 ff., 1, S. 365), — noch
jetzt im schwedischen Proprium.
29. + mit gekrümmtem Messer wie z. B. auch auf dem Olden-
burger Stabe: Olaus Rex et Martyr, d. h. Tag des h. Olaf,
Königs von Norwegen, wobei das aus dem Werkzeuge seines
angeblichen MUrtyrerthums, der Streitaxt, entstandene Messer
meist auf das Beschneiden der Bäume bezogen ward, — eben-
falls im schwedischen Proprium noch an diesem Tage erhalten.
August.
4. I- (vergl. oben S. 453): Vincula Petri, Petri Kettenfeier.
40. -f mit Vigilienzeichen und dem üblichen schematisoh ange-
deuteten Bilde eines Rostes (mit undeutlicher handgriff-
artiger Verlängerung, vergl. den Alm. Norsk Huusk. z. d.
T.): Laurentius Martyr.
163
45. -f mit MarienkroDe und ebenfalls mit Vigilienzeichen : As-
sumtio Mariae.
S4. + mit Messer und Vigilienzeichen : Bartholemeus Apostolus
(»Baro Bukkekniv«), wobei das Messer sich ursprünglich auf
die bekannte Legende über sein Martyrium (H. Alt, Das
Kirchenjahr, Berlin 4860, S. 87. 88) bezieht, aber auf das
Schlachten der Böcke umgedeutet ward : Da bliver der god
Tid paa Bukkep0lse (Alm. Norsk Huusk. z. d. T.).
September.
8. + mit Marienkronc: Nativitas Mariae.
i 4 . Doppelkreuz : Exaltatio Sanctae Crucis, Kreuzerhöhung,
vergl. Oldenb. Runenk., S. 83.
21 . + mit einem Bock: MatthaeusEvangelisla et Apostolus, dessen
Tag nach jenem Zeichen im Norden auch Buck-Mats-da ge-
nannt ward [Oldenb. Runenk., S. 403), vielleicht einer der
wenigen Fälle, wo Erinnerungen an altheidnische Fcsle (hier
wohl des Thor) in den Runenkalendern sich erhalten haben.
^9. + mit Wagschale und Posaune, wie in den Runenkalendern
allgemein üblich: Michael Archangelus, eigentlich Tag der
Dedicatio S. Michaelis Archangeli (sc. auf dem Monte Gar-
gano), in der jetzt Gothein, Culturentwicklung Süditaliens,
Breslau 4886, S. 40 f!*., so interessante langobardische Ein-
flüsse nachgewiesen hat, — wobei die Wagschale (»Defuno-
torum acliones trutina exanimare putatur«: Oberlin, vergl.
Otte, a. a. 0., S. 546, und z. B. Memlings berühmtes «Jüng-
stes Gericht« in der Marienkirche zu Danzig) auch auf die
Michaelis-Jahrmürkte umgedeutet ward (Alm. Norsk Huusk.
z. d. T.). Die Posaune (eigentlich wohl überhaupt die »Po-
saune des Weltgerichts« oder die »Posaune der Auferstehung«
nach 4. Cor. 45, 22, 4. Thess. 4, 46 und Mutth. 24, 34) ad
pugnam coelestem respicit: Oberlin.
Oktober.
4. + mit Beistrich: Franciscus Levita et Confessor, also Tag
des h. Franciscus von Assisi, Stifters des Minoritenordens.
Der Beistrich kann aus einem Vigilienzeichen entstanden
sein, auch den Lilienstengel oder die Nagel der Stigmatisie-
rung andeuten, die sonst als Attribute des Heiligen erschei-
nen, aber auch bloss graphisches Zeichen sein (vergl. den
48, März).
164
6. +: Eskillus £piscopus et Martyr, genauer die Translation des
h. Eskill oder Aeschiius (vergl. den 42. Juni), die wie auch
das Fest am letzteren Tage noch jetzt im schwedischen Pro-
prium am 6. Okt. erscheint.
7. +: Birgitta vidua, Tag der schwedischen Prinzessin Birgitta
[sie, nicht wie auf Taf. 11 irrthttmlich gedruckt ist Brigitta,
was freilich auch im Norden schon frtth ungenau sich findet),
Stifterin des Birgittinerordens, kanonisiert im J. 1394
(Oidenb. Runenk., S. 85), ein Fest, das wunderlicher Weise
sogar im revidierten Missale Romanum beibehalten und so
für die ganze katholische Kirche verbindlich ward , in den
protestanlischen Kalendern Schwedens aber zum grössten
Theil verschwunden ist.
14. Wie üblich mit der Andeutung eines entlaubten Baumes mit
herabhängenden Zweigen im Gegensatz zum 44. April (Ti-
burtius) : Calixtus (auch Callistus) Papa, dessen Gedenktag
geradezu »Laubabfalls tag« [vergl. Hildebrand, Mänadsblad,
1879, S. 453) oder »Vinlernatt« (norw.) genannt ward, vergl.
obenS. 454 u. 453.
48. +: Lucas Evangelista.
21. + mit nimbusartiger Strahicukrone: Undccim Milium Virgi-
num, d. h. Tag der h. Ursula und ihrer Begleiterinnen, wo-
bei jenes Zeichen wohl wieder ihr Miirtyrerthum andeuten
soll.
28. + mit Vigilienzeichen und dem Bilde einer Lanzenspitze:
Simon et Judas Aposloli. Statt der Lanzenspitze erscheint
meist die ganze Lanze.
November.
4 . + wie üblich mit einem Tafelchon voller Grabkreuze: Festi-
vitas Omnium Sanctorum.
4 4. Mit Vigilienzeichen, Bischofsmütze und dem Bilde einer
Gans: Martinus Episcopus, vergl. J. W.-Wolf, Beiträge zur
deutschen Mythologie, Göttingen 4852, 1, S. 47 ff. Om den
dag heed det, »at Fantcno i Kj0bstaden holde den ligesaa
h0jtidlig som Juledagena. Norsk Huusk. z. d. T. nach Wille.
23. i* mit Anker: Clemens Papa et Martyr, Tag des bekannten
Apostolschülers Clemens Romanus. Über den Anker vergl.
auch K. Simrock, Handbuch der d. Mythol., 5. Aufl., S.564,
der sich jedoch gegenüber Finn Magnusens wunderlicher
165
astroDomisoher Deutung der altgermanischen Mylben, welche
dieser auch durch die Runenkaleoder tu stützen sucht, nicht
kritisch genug verhält.
25. + mit Rad, dem regelmässigen Attribute der Heiligen, das
auch auf die Zeit des Spinnens umgedeutet ward : Catha-
rina virgo, Tag der h. Catharina von Alexandrien, der be-
rühmtesten unter den vielen Heiligen ihres Namens (vergl.
das norweg. Sprichwort: «Auf dem Spinnrade spinnt St.
Karen Dochte für die Lichte zum Julfestc und Mannhardt,
Götterwelt, S.3U. Zingerlc, S.358, Germania, IV, S.2U).
30. + mitVigilienzcichen und — wie gewöhnlich — mit schrilg-
liegendem Kreuz: Andreas Apostolus, vergl. Wolf. a. a. 0.,
I, S. <2< ff.
Dezember.
4. •%: Barbara virgo et martyr.
6. + mit Vigilienzeichen und Bischofsmütze : Nicolaus Episco-
pus et Martyr. d. h. Tag des h. Nicolaus von Bari (eigentl.
von Patera, bez. von Myra, s. Oldenb. Runenk., S. 89), der
auch im Norden mit allerlei Aberglauben verknüpft war.
Vergl. Wolf, ebd., I, S. 124 IT.
8. + mit Vigilienzeichen und Marienkrone: Conceptio Mariae,
eines der sp^ltesten Feste des Mittelalters: Oldenb. Runenk.,
S. 90.
9. + : Anna mater Mariae (doch ist der Tag meist auch zugleich
dem h. Joachim oder Jojakim, dem Vater der Maria, geweiht),
eine Spezialitat des nordischen Kalenders, wobei der Alm.
Norsk. Huuskal. die Bemerkung hat: St. Annae Dag blev
hos OS (d.h. doch wohl den Skandinaviern überhaupt) i 4436
flyttet fra 26. Juli til 9. December. Vergl. auch Oldenb.
Runenk., S. 90.
13. -I mit Scheere, dem üblichen Attribute, das vielleicht ur-
sprünglich ein Marterinstrument sein sollte: Lucia virgo
[ebd. S. 106}, deren Fest zugleich nach dem alten Kalender
als längste Nacht galt.
21. + mit Vigilienzeichen : Thomas Apostolus.
25. + (.sehr gross) mit undeutlichem Vigilienzeichen (s. oben
S. 154), Krone (doch nicht Marienkrone, vergl. S. 159 zum
25. März) und Trinkhorn, dem regelmässigen S>mbol der
166
Festfreude: Nativitas Domini, im ganzen Norden als Julfest
gefeiert (vergl. jedoch auch schon das goth. Juleis).
26. +: Stephanus Protomartyr^ ein Tag, an den sich allerlei
heidnische Reminiscenzen anknüpfen: Wolf, a. a. O., I,
S. iU.
27. +: Johannes Evangelista et Apostolus.
28. i- : mit Schwert oder kleinerem Trinkhorn (beides ist gleich
ttblich, ersteres das ursprüngliche, vergl. auch den 4. Jan.):
Sancti Innocentes, d.h. die »unschuldigen Kindlein« zu Beth-
lehem.
Die Folgerungen, die sich nun sofort aus diesem Nachweis
der Festordnung auf unserem Sensenschwerte ergeben, sind :
1] Die sümnUlichen nicht allgemein recipierten Heiligen-
tage: 49. Jan. (Bischof Heinrich von Upsala), 15. Febr. (Bischof
Siegfried von Wexiö), 10. Mai (König Erich von Schweden),
17. Juni (Abt Botulf), 6.0kl. (Eskill, vergl. den 11., bez. 12.
Juni) und 7. Okt. (h. Birgitta von Schweden) weisen auf schwe-
dischen Ursprung des vorliegenden Runenkalenders, bez. sei-
nes Originales hin ^) , doch ohne dass für jetzt eine genauere
Lokalisierung möglich wäre. Ob Diöcese Wexiö? s. S. 158 zum
15. Febr.
2) Betreffs der wenigen im schwedischen Kirchenkalendcr
des späteren Mittelalters nicht regelmässig oder doch nur selten,
bez. sonst gar nicht auftretenden Heiligenfesle lässtsich aus der
Anzeichnung der Tage des h. Patrik (18. März), des h. Benedikt
von Nursia (21. März), des Petrus Martyr (29. April), des Beda
Venerabilis (27. Mai), der h.Margaretha von Antiochien (20. Juli)
und des h. Franziscus von Assisi (4. Okt.) vielleicht auf einen
klösterlichen Ursprung des zu Grunde liegenden Kalenda-
riums seh Messen, der übrigens auch durch den ganz vorwiegend
kirchlichen Gesammtcharak ter desselben wahrscheinlich
wird (vgl. unten S. 168).
i) Der Tag des h. Knut isl wie der des h. Olaf in der Kirche allge-
mein recipiert (vergl. zum 4 0. und 29. Juli), dagegen fehlen alle norwegi-
schen und dänischen Spezialheiligen, und auch von isländischem Ein-
fluss findet sich keine Spur. Die Mischung von römischen , nordischen,
deutschen und angelsächsischen Bestand Iheilon in der Reihe der Feste selber
isl natürlich in allem Wesentlichen die gleiche wie auf den übrigen Runen-
kalendern.
167
3) Das internationale y meist an die Legendendichtung an-
knüpfende System der Heiligenattribute, das in der
kirchlichen Kunst des späteren Mittelalters eine so bedeutende
und so hoch interessante Rolle spielt, in seinen Anfangen auf
die altchristliche Kunst zurückgeht, dann aber ziemlich auf
einmal um den Anfang des 43. Jahrhunderts in ganz Mittel- und
Südeuropa ausgebildet erscheint (Oldenb. Runenk., S. 44] und
auch nach dem skandinavischen Norden hin so ziemlich in sei-
nem ganzen Umfange sich verbreitete, — wird, wie nicht
anders zu erwarten, der Hauptsache nach als bekannt voraus-
gesetzt. Dahingehören, abgesehen von den Marien- und an-
deren Kronen, den Rischofsmützen und Gloreolen: das Schwert
des Paulus, der Schlüssel des Petrus, die Salbbüchse der Maria
Magdalena, der Rost des h. Laurentius, das Messer des h. Rar-
tholomäus, die Wagschale des h. Michael, die Gans des h. Mar-
tin, der Anker des h. Clemens, das Rad der h. Katharina, das
schräge Kreuz des h. Andreas und wahrscheinlich auch der Speer
des h. Georg.
4) Daneben aber treten auch schon die wichtigsten in den
Runenkalendern üblichen spezifisch skandinavischen
Attribute auf, bei denen freilich phantasievolle, poetische
Erfindung nicht erwartet werden darf und nur sehr selten
heidnische Erinnerungen anzunehmen sind: der Rogen beim
Schwerte des Paulus (25. Jan.), der Fisch des Apostels Matthias
(24. Febr.), der Kuckuk des Evangelisten Markus (25. Apr.),
.die Ährenkrone des h. Erich (48. Mai) , das Messer des h. Olaf
(29. Juli), der Rock des Evangelisten Matthäus (24. Sept.), die
Lanzenspitze des Apostels Simon (28. Okt.), <]ie Scheere der h.
Lucia (43. Dez.) und wahrscheinlich auch die Posaune bei der
Wagschale des Erzengels Michael, wenigstens ist es mir nicht
gelungen, dieselbe sonst als spezielles Attribut desselben in
der Kunst des Mittelalters nachzuweisen. Hierzu kommen dann
auch noch die Trinkhörner als Zeichen der Festfreude (25. Dez..
6. und 43. Jan.), die Zeichen der Jahreszeiten (44. April, 24. Juni,
25. Juli, 44. Okt.), das Messer der Reschneidung (4. Jan.), der
Leuchter des Lichtmessfestes (2. Febr.), das Richtschwert der
unschuldigen Kindlein (28. Dez.) u. dgl. m.
5) Eine Reziehung auf die Wetterregeln und den sonsti-
gen Rauernab er glauben, die in den späteren Runenkalen-
dern so häufig sich erkennen lässt, andererseits aber auch oft aus
168
JMissversländniss clor Zeichen in denselben hervorgegangen ist^),
findet sich nur erst an einigen wenigen, noch dazu zweifelhaften
Stellen, mit grösserer Wahrscheinlichkeit nur am 25. Juli (Jako-
hus) ; ebenso fehlen die sonst so zahlreichen auf die Beschüfti-
gungen der Haus- und Landwirlhschaft bezüglichen Vermerke
fast g£inz1ich (s. zum 4 0. Juli) ; nur einige Heiligenattribute und die
schon erwiihnten Bezeichnungen der Jahreszeit könnten mittelbar
auch auf derartige Hausregeln sich bezogen haben, wie denn der
Fisch des Matthäus auf den beginnenden Fischfang, das Messer
am Tage des h. Olaf (29. Juli) in seiner sehr bezeichnenden
Form auf das Beschneiden der Büume, das Messer des h. Bar-
tholomäus (24. Aug.) auf das Schlachten der Böcke, die Scheere
der h. Lucia (4 3. Dez.) auf die Anfertigung der Festkleider u. s. w.
bezogen zu werden pflegte.
6) Der Zeit nach fällt das Kaien darin m unseres Schwer-
tes, d. h. die ursprüngliche, hier nur nachgebildete Vorlage,
sicher nach 4394 (vorgl. S. 164 zum 7. Okt.), wahrscheinlich aber
4) EiRe höchst dankenswerthe ZusammensleUung derselben hat für
Schweden H. Hildebrand geliefert, und zwaru. d. T. »Mörkedagar« im Kongl.
Vittcrhcts Historie och Antiquitels Akadcmiens Mänadsblad, 1870, S. 23 ff.
nach den Resultaten einer im Jahre 1882 auf k. Verordnung bei der Land-
geistlichkeit gehaltenen Umfrage — und in der Antiquarisk Tidskrift, 4883.
S. 46 fr. u. d. T. »Sämling af bemärkelsedagar etc. rörande vilderleken« be-
sonders auf Grund der weitverbreiteten Volksbücher Sibyllae Spädom und
Bondon Praktika. Es ergiebt sich daraus auffallender Weise, dass sehr
viele jener Regeln der Jahreszeit nach mehr auf Süd- und Mitteleuropa,
spezioller meist auf Deutschland passen, als auf den Norden, und für viele
zeigt Hildebrand die oft wörtliche Übereinstimmung mit den deutschen
noch jetzt erhaltenen ausStieffel, Witterungskunde, Karlsruhe 4843. Aach
von mir sind zahlreiche Nachweise der Art a. a. 0., S. 96 ff., ausR. Müldener,
Das Buch vom Wetter, Bernburg und Leipzig 1882, 80, gegeben worden, und
wahrscheinlich ist es , dass die Übertragung nach dem Norden namentlich
durch das weitverbreitete Buch »Prophetiae (Vaticinia) Sibyllae« vermit>-
telt ward , wovon das angeführte schwedische Volksbuch nur eine Über-
setzuog ist und das auch Worm, Ducangeund Finn Magnusen benutzt zu haben
scheinen. Ob ausser dem Titel noch eine sonstige Verwandtschaft mit der
mittelalterlichen Dichtung gleiches Namens (s. W. Wattenbach, Deutschlands
Geschichtsquellen, 5. Aufl., Berlin 1886, 80, II, S. 208; W. Wackemagel,
Geschichte der d. Litleratur, 2. Aufl., Basel 4879, § 55, 34 ; und Fr. Vogt
in Paul und Braune's Beiträgen, Bd. IV) , die noch im 4 6. Jahrhundert als
Volksbuch umgestaltet vielfach in Deutschland verbreitet war (K. Simrock,
Die deutschen Volksbücher, Bd. XIII, Frankfurt a. M. 1867, 8», S. 443 ff.),
habe ich leider nicht feststellen können. Die von Worm angeführten Ge-
währsmänner Buchlcrus und Mantuanus konnte ich nicht vergleichen.
169
sogar erst nach U36 (vergl. S. 465 zum 9. De«.) und noch einige
Decennien spUter, da neu eingefOhi'le Feste immer erst allmählich
auf den KalenderslHben u. s. w. Eingang fanden. Andererseits
kann das Kalendarium aber auch nicht viel wnah 4500 fallen^
einestheils wegen der oben S. 150 — 4 52 angeführten Indicien, die
sich aus der Beschaffenheit der Runenschrift, der Behandlung der
güldenen Zahl und seinem astronomischen Standpunkt ergaben,
aber auch wegen des noch vorwiegend kirchb'chen Gesammteha-
rakters und anderntheils wegen des Fehlens von Festen wie dem
4474 eingeftlhrten Gedenktage der h. Katharina von Vadslena
(S2. Marx), deren Mutter Birgitta aufgeführt ist und die nach
dem schwed. Proprium doch sehr viel mehr verehrt ward, als
ich ursprünglich annahm, von Petri Stuhlfeier zu Rom (4 8. Jan.),
der Translation des h. Erich (24. Jan.), der h. Dorothea (6. Febr.),
Apostellheilung (45. Juli), Allerseelen (2. Nov.), der. h. Elisabeth
(49. Nov.), Opferung Maria (24. Nov.), Silvester (34. Dez.), was
Alles unser Kalendarium den lllteren seiner Art zugesellt, —
und wegen der Abwesenheit jeder Spur einer Berichtigung der
Zeitrechnung, die doch seit dem Jahre 4500 sich in hohem Grade
nötig machte. Dazu kommt dann noch die geringe Ausbildung
der auf die tandwirthschaftlichen u. s. w. Beschäftigungen be-
züglichen Zeichen, ganz abgesehen von dem Fehlen auch jeg-
licher Spur von protestantischem Einfluss. Ich glaube daher
mit ziemlicher Bestimmtheit die Entstehung des Kalendariums
auf etwa 4500 ansetzen zu dürfen, während die Sense natür-
lich schon wegen der Thatsache der Verbindung von Ätzung und
Gravierung etwas später, also nicht gerade lange vor dem Auf-
treten Thomas Münzers entstanden sein wird.
Endlich 7) geht aus der Existenz unseres Sensenschwertes
selber hervor, dass etwa seit Ende des Mittelalters, wie von mir
schon früher vermuthet ward und z.B. auch aus der eigenthüm-
lichen Bcschaflfenheit der in Nürnberg und Bologna beßndlichen
buchartig zusammengelegten Exemplare (a.a.O., S. 407 u. 408),
des von G. E. von Moll, München 4844, herausgegebenen, sowie
der beiden von Worm, Fasti Daniel, S. 96 u. 97, veröffentlichten
sich ergiebt, Runenkalender gelegentlich nach den verschie-
densten Ländern des mittleren und sogar südlichen Europa
sich verbreitet haben müssen, sei es nun selbständig, sei es,
wie hier, an Gerlithen u. dgl. Nur so erklärt sich die mehr oder
weniger genaue Nachbildung, welche dieselben dort in Bauern-
4887. 12
170
kalendern, aber auch sonst gefunden haben und die nicht Wun-
der nehmen kann, da auch bei nur oberflächlicher Bekanntschaft
die ausserordentlich sinnreiche Erfindung dieses chronologischen
Hilfsmittels dasselbe aufs beste empfehlen musste. Freilich
machte dann die Buchdruckerkunst und in einer anderen Be-
ziehung die Reformation dasselbe gerade zu der gleichen Zeit
überflüssig, als es seiner höchsten, überhaupt erreichten natür-
lichen Entwicklungsstufe nahe gebracht war, und so haben
denn diese Kalender weder im Norden, wo nur künstliche, ge-
lehrte »Verbesserungen« erfolgten, noch in den anderen Ländern,
wo man sie kennen gelernt hatte, eine reichere volksthümliche
Ausgestaltung gefunden, deren sie an und für sich so würdig
waren.
So haben wir in unserem Sensenschwerte, mag es nun von
Thomas Münzer geführt worden sein oder nicht, ein höchst
merkwürdiges Denkmal der Vergangenheit kennen gelernt. Es
ist ohne jeden Zweifel der interessanteste Repräsentant aus der
ganzen Klasse der schon an und für sich so anziehenden Kalen-
derschwerter; es ist als Wafl'e einzig in seiner Art und denk-
würdig durch seine Umgestaltung zu einer solchen aus eioem
Werkzeuge friedlicher Arbeit ; es zeigt eine ganz eigenartige,
äusserst seltene Anbringung des Runenkalenders und lehrt uns
endlich diesen selber in einer Entwicklungsstufe kennen, die
wohl die lehrreichste von allen ist. In der chronologischen Be-
rechnung und den angemerkten Festen, ebenso wie in den bild-
lichen Zeichen, die es enthält, lässt es uns die grossen Kultur-
zusammenhänge ahnen, die im Mittelalter durch die Organi-
sation der Kirche und die Ausbreitung der kirchlichen Kunst
geschaffen wurden; in zahlreichen Eigenthümlichkeiten weist
es uns hin auf die nationale Eigenart des tüchtigen, Übung und
Spiel des Scharfsinns liebenden, fleissigen, ernsten und ge-
schickten, doch auch derber Festfreude nicht abgeneigten Nord-
länders, und in den Runenzeichen endlich bewahrt es uns
die Erinnerung an die germanische Vorzeit^ in der auch durch
die gemeinsamen Schriftzeichen die Gemeinsamkeit der gorma-
nischen Völker deutlich bezeugt ward.
Berichtigung.
8. 4 39 Z. 5 u. 6 V. unten ist »London« statt Oxford zu lesen.
Herr Fleischer legte das siebente Stück von Studien über
Doztfs Supplement aux dictionnaires arabes vor (s. die Berichte
vom vorigen Jahre, S. 456 — 246).
11, 676^, 8 u. 7 V. u. (Nachtrag zum vorigen Stück.) xa*j äJU
w.^ b UJ> Jyai Ä^t ^\ ^^^\ JJ^ sr--^ li, »dazu («u
nasth, Glücksloos, Glück) gehört nach neuarabischem Sprach-
gebrauche das Jä-naslb- Spiel, d. h. das Spiel, bei wel-
chem man sagt : 0 Glück I (das Glück anruft) a. Die sachliche
Erklärung zu dieser Wortdefinition Bist^nfs liefern Bekannt-
machungen arabischer Zeitungen, wie die folgende im zweiten
Jahrgange des Beiruter Blattes xl^t, Nr. 434 vom 5. Oct. a. St.,
17. Oct. n. St. 4874, letzte Seite:
L^^ üy'vi ^^-^1 ^'^\ l^
(*•.. IXsy (so) ^.^^^a»m3.^ ÄjLo c>J>i^ ^ ^^ O*^^
Id. '^J^ ^* ^r^ cXf>-i3 JJ^ Jt^\ iißm,4S>
172
BcknnntmachuDg.
Wir bringen zur Kcnntniss des verehrlichen Publicums,
d<nss die Ziehung der Lotterie zum Besten des Waisenhauses in
Beirut für den auf den 30. des laufenden Monats fallenden Mon-
tag 2Y, Uhr Nachmittag im französischen Generalconsnlate fest-
gesetzt worden ist. Zu Gewinnen darin ist nachsiehende An-
zahl Loose bestimmt:
1 Loos, das 500 fr. gewinnt 500 fr.
2 Loose, von denen jedes 450 fr. gewinnt . 30O i»
5 Loose, von denen jedes 30 fr. gewinnt . 450 i»
4 40 Loose, von denen jedes 45 fr. gewinnt. . . 4650 »»
Gesammlbotrag, gebildet aus der Ililffte dos
Kaufpreises der abgenommenen Loose . . 2600 fr.
Loose zum Vorkaufe sind zu haben bei Herrn Seltm Ju-
hanna Mus^'ld in der Dampfschifffahrts*Factorei der Messa^eries
francaises, doch nur bis zum 29. d. laufenden Monats.
46 Oct. n. St. 4 874. Für das Verwaltungs-Comil6,
Selim Hann^ Mus' ad.
Das ßrgebniss der Ziehung in Nr. 443 vom 5. Nov. a. St..
47. Nov, n. St. des genannten Jahres, letzte Seite:
y a^ ^^ • '*^/ ^'- ''>'^^ ^^"^ T^^ "-^ ^''^ ^y^
\] cd. h. gregorianisch.
173
«jiAc^i Lc? . L50.3 r w*-^ ovii . föfr . m\ 5 ti.r . rrf
BekaDntinachung.
Am 30. des vergangenen Monats hat die Ziehung der Loose
der zur Unterstützung des Klosters der Waisenmädchen in
Beirut veranstalteten Lotterie stattgefunden. Die gewinnenden
Nummern sind die nachstehenden:
Nr. 5436 hat die grösste Summe im Betrage von 500 fr. ge-
wonnen. — Jede der beiden Nummern 13<5 und 4493 hat
die nächstfolgende Summe im Betrage von 150 fr. gewonnen.
— Jede dor Nummern 324, 4103, 2494, 4543 und 574 6 hat
30 fr. gewonnen. — Der Nummern, von denen jede 45 fr.
gewonnen hat, sind 4 40, nümlich folgende u. s. vv.
Es ergieht sich hieraus, dass der Vocativ w^-yoi U im Ge-
nieinarabischen zu einem Compositum geworden ist, mit dem
Artikel: w^^yaiLJt, die Lotterie. Loos ist^«^, Fl. ^»^S;
Looszettel, ßillet, iü^j , PI. (jQ, ä/Jü', PI. /iJo'; Zie-
hung u--^2^; gewinnen, Gewinn, ^.^ ^..a-^wJ'.
U, 694^, 44 )>^>Jiil«. Es wurde dazu schon JäljLÜLt, V, 109,
O ^ )
8 bemerkt: »vielleicht ^njüI«. Ich füge hier hinzu: oder ^aäJI,
t> «
Deminutiv jenes ^ssit, das Rebhuhn, von welobcr Gattung
die Wachtel eine Art ist (Boctbor unter C a i 1 1 e und P e r d r e u u) ,
arabisirt aus dem pers.' (iLJ .
II, 695^, 44 »(Cune corne<i Schreib- oder Druckfehler st.
dun cor oder (Tun cornet.
o ■*
II,. 695^^ 9 V. u. y>^;>j}\ ^«i;« PI. von sy^, zur Bezeichnung
der verschiedenen Arten des so benannten Verschönerungs-
mittels. In diesen Plural ist wahrscheinlich auch der angebliche
Singnlai* Ajjtl\^ II, 226^, 4 v. u. zu verwandeln.
4) Ich unterdrücke das nun folgende Vcrzcichniss dieser HO
Nummern.
174
11; 696% 13 »quelques-uns disent sJUs« lautet so als würe
dieses JJc eioe auf gleicher Stufe stehende Nebenform von kXsü
io der angegebenen Bedeutung; aber ohne Zweifel ist cXfti, das
mit dem Stamme 0J6 nicht die geringste innere Verwandt-
Schaft hat, bloss gemeinarabische Umstellung des ur-
sprunglichen vAxs, s. 11, S83% 5 u. 4 v. u., und das vierte
Stück dieser Studien v. J. -1885, S. 371 und 372.
11, 700*'' »jjihn. In Uebereinstimmung mit M haben Cuche
und Al-FawÄid al-durrijah als Fremdwort: ».^13 Falle. Voile
du calice. Liturgie«, \on ävaq)OQd, oblatio, sacra oblatiob. LXX,
Übergetragen auf das Messopfer (H . Stephanus) , (j.«Oüilt Q^^yü^ y^i
wie M sagt ; weiter auf die dabei gesprochenen Gebete, und
endlich auf die Kelchdecke oder, nach M, die Decke der heiligen
Gefüsse überhaupl.
11, 701*, 12 u. 13 »,jJuÄj« vom Fleische während des Bra-
tens, nicht sowohl »est expose au vent, ä Pair«, als vielmehr
s^exhalej s'evapore libremeni^ bestätigt durch den Gegensatz
zwischen »^jm^suJJ^ «^A q' U^ \^y^ ^ (j?*^. » ^^*®*' Fleisch
bratet, muss es frei ausdünsten lassen«, und -hmu ^^, und es
nicht verschlicssen und zudecken«.
11, 701 ^ 27 »gorgde de fumie de tabactu. M's Worte ^^.^1
»y. &JU s-j^io U *ä)ui;Ji ^ bedeuten: »El-nefes von der
Tabakssorle Tembek, — arabische Aussprache Tümbak und
TumbAk, — (s. M Ivt***^, 9 v. u., Cuche o.^ als Fremdwort:
»tiUJu, espece de tabac propre ä ^tre fume dans le narguille,
tabac de Perse) ist soviel davon, als man zu einmaligem Rauchen
braucht«. Landberg, Proverbes et Dictons, 1, 70, 2 u. 3 :
Duöfes la portion de tabac ndcessaire pour une fois« (nämlich,
wie 447 vorl. u. I. Z. hinzufügt »pour le narguilet seulemenlt).
175
Die nähere Beschreibung dieser Wasserpfeife und ihres Ge-
brauches giebt Landberg ebenda S. 69 u. 70.
o ,
II, 703*', 6 flg. Dozy hat dieses ää^ u^^> ®i' zupfte sich
am Kragen (II, 70^ J. Z.), richtig gedeutet. Wie mir Herr Gon-
sul Wetzstein einst in einem Gespräche über morgenländische
Geberdensprache mitthciite, fasst der etwas Verweigernde oder
Ablehnende zur Andeutung davon den vordem Saum seines
Kleiderkragens mit dem Daumen und Zeigefinger der linken
Hand und bewegt ihn einigemal auf und ab.
II, 703^ 21—25. Dozy s Uebersetzung der Worte BistAni's
ist die einzige sprachlich mögliche, aber durch »s'il faut traduire
ainsi Ics paroles du M«, weist er selbst auf den Widerspruch
zwischen dieser angeblichen Bedeutung des Inf. ^j^3äj und der
vorher H!. 9 v. u. angegebenen des vb. fin. (jaäi hin: ^Ji3fti
^iJ \jQ9u wü^o ^yi^S^ ?^-y^^ ^01^ Farbe und gefärbten Zeugen :
abfärben. Da nun diese letztere Bedeutung ebenso dem ge-
sammten vom Stamme (j^^aj dargestellten Yorstellungskreise,
wie den Angaben der andern Quellenwerke entspricht, diese
aber, soweit sie mir zugänglich sind, von jenem »nicht abfärben«
und »einen Genich (andern Körpern) nicht mittheilen« völlig
schweigen, so wird zur Beseitigung des bemerkten contradic-
torischen Gegensatzes das % in ^^«äj j ^ einfach als Ab-
schreibefehler herauszuwerfen sein.
II, 703** 8 V. u. »äaöäJU esfhce d*assietie sur laquelle on
pose la pipe quand on fume^Hj mit einem Worte: cendrier,
Cuche 1a1* und Al-Faräld al-durrijah aöI*", ein Tellerchen, wel-
ches man beim Rauchen der langen türkischen Pfeife unter den
auf dem Fussbod6n ruhenden Kopf derselben legt zur Aufnahme
der herausfallenden Asche, die zuletzt ausgeklopft wird; s.
M riro^, 23 u. 24.
' II, 704*, 11 n/onAorda« Druckfehler st. bonbarda oder bom-
barda, franz. bombarde.
176
II, 704", 28 flg. Wie de Goejc im Glossarium zu Ibn
a!-Fakih S. XliX bemerkt, ist für 'sbliu die Bedeutung locus
Wide naphtha exlrahitur nachzutragen, welche Frey tag, wie
auch die zweite: »Instrumentuni aeneum, cujus ope naphtha
conjicilur, seil, tormentum bellicum<(, irrlhUmlich dem rein per-
sönlichen lAäJ zugetheilt hat. JMitlclbar wird allerdings die ersl-
- o >
genannte Bedeutung durch M^s » JagÄÜ -r;^<' Z. 32 u. 33 darge-
stellt, offenbar gleichbedeutend mit dem ^UäaJ! .U.^nÄ^\ ?:f^y^
des Kamüs. — Z. 33 » jJJÜI« Druckfehler st. pjJÜt.
II, 704^ vorl. Z. «<Ä3(( und 704^ 2 »,^« sehr, ^tii und
«iJo ohne Verdoppelungszeichcn. Die Quellenwerke wissen
nichts von einem die Bedeutung von %m1 bloss verstärkenden
<ü ; dagegen ist dieses «ü logisch nothwendig in den beiden
folgenden doppelt transitiven Bedeutungen faire valoir
{fructifier) qqch. und interesser qqn. So auch Cuche 1a|** als
gemoinarabisch : »Uaa^j «.Äi faire rettrer a qqn. de Tutilite,
faire gagner qrjch. ä qqn., lui etre utile«.
11, 705% 1—3, bezieht sich auf Sur. 33 V. 72:
^.,l ^^Ls JU-^l, 'jc^^S^ o|^l ^ ÄiU^i Uüjx; Lil
II, 706^, 7 V. u. (j^^ÄÄj!) c. ^ ^ire renie pur son pere, sa
famille, Gl. Fragm.« nach de Goeje's Vocalisation dort S. 95
Z. 2: ^jjÄÄJb, als sei dieses mediale Activura gleichbedeutend
mit dem vorhergehenden Passivum der ersten Form, was grund-
sätzlich unmöglich ist. ^^^ mit Acc. einer Person und ^ einer
oder mehrer andern oder einer Sache bedeutet : jene dieser oder
diesen Personen absprechen, d. h. leugnen, dass jene von dieser
177
oder diesen abstamme, eu iboen gehöre, bez. diese Sache von
ihr ausgesagt werden könne; »Ui, von einem Vater in Beziehung
auf einen Sohn, schlechthin: er hat ihn abgeleugnet, verleugnet,
statt xm^ ^ sUi : er hat erklärt, derselbe sei nicht sein Sohn.
_Ä;:i! aber, reflexives Medium von _äj, mit ^ einer oder
mehrer Personen oder einer Sache: sich selbst davon lossagen,
d. h. erklären dass man nicht von jener Person abstamme, zu
jenen Personen gehöre, bez. diese Sache als Attribut besitze.
Daher &JU ^^, ^«^ ^^^, altarabisch: er wurde ihm, ihnen
von Andern abgesprochen; nicht als dessen Sohn, als deren Ge-
schlechtsverwandter anerkannt, — nicht wie 11, 706^, <3 flg.:
er wurde von seinem vermeintlichen Vater selbst nicht als sein
Sohn, von seinen angeblichen Geschlechtsverwandten nicht als
zu ihnen gehörig anerkannt« Denn das ächte Arabisch gebraucht
^ nicht wie die spätere Sprache in der Weise unseres von
nach Passiven zur Einführung des Activsubjeotes; s. meine Kl.
Schriften, 1, S. 81 Z. 7 flg., S. 90 Z. 5 flg., S. 598 Z. 47 flg.
.\ÜI o^j er Lf^l;^ CT* i^*^' ^^^^ bedeutet: ich will mich selbst
von meiner Verwandtschaft mit dem Gottgesandten lossagen,
d. h. diese Andern gegentlber ableugnen, mich selbst dieser
Ehre berauben, — in Aussageform, wogegen ^j#.L*J! ^ <i^^
u.s. w. in lebhafter Optativform, aber in demselben Sinne, ähn-
lich den entsprechenden Ausdrtlcken unserer Volkssprache : »ich
will nicht selig werden, ich will verdammt sein, soll mich das
Donnerwetter erschlagen« u. dgl. mit hinseugefUgter Bedingung
zu kräftiger Verneinung gebraucht werden. ^ nach dem pas-
siven Verbalnomen ^^ hat dieselbe Bedeutung wie nach ^^ai,
wogegen das absolut gesetzte ^Jl> ebensowohl bedeuten
kann: von seinem Vater oder seinen Geschlechtsverwandten
178
verleugnet, wie: diesen von Andern abgesprochen, fttr unärht,
beziehungsweise für einen Ü; jJ^, einen Bastard, erklärt.
O > «so »
11, 707*, 8 »^^^äJU disait-on ä Grenade pour ^^äJU«, rich-
^ o
tig für .ÄJLo, nach der im vorigen SlUcke dieser Studien
C ) * o
S. 469 Z. 4 flg. zu mulut, ^y^ st. ^^a, gemachten Bemer-
kuDg. Derselbe Lautwechsel wird von Dozy selbst Gl. Esp. 321,
4 Qg. anerkannt in mox.1 für.^A:>*. £benso bei Ale. mokci,
castrado, für ^^*as> ^ niunci , oluidada cosa, für ,^m^. —
Dieses ^c^^» Tubrigand, voleurvy entspricht nach seiner ur-
sprünglichen wie nach seiner abgeleiteten Bedeutung dem span.
bandido, ital. bandito, franz. bandit.
II, 707^', 4 4 9Percee<.i entspricht als Bedeutung von x.
nicht den folgenden Worten Bist^nfs, die es in einen Begriff
zusammenfassen soll. Das Richtige giebt Cuche: »xajü terrain
dcfrich6, di^fonce« als gemeinarabisch, in Uebereinstimmung
mit dem ebenfalls als gemeinarabisch bezeichneten »LaIü i wJÜ
d^fricher une terre inculte (poür y planter des muriers) ; defoncer
un terrain«, »wJiÄJt ötre döfrich^, defonce (terre)«, und «vy*^
d^friche (terrain); defonce (jardin)«.
m y «" >
11, 707^ 25 »),...JU>« Druckfehler st. s..*jiAj.
II, 708*, 5 — 7. De Sacy bemerkte in seiner Reccnsion
meines Abulfeda antcislamicus, Journal des Savans 1832, in der
Handschrift 404 der Pariser Königlichen Bibliothek fehle diese
Stelle, die Handschrift 645* aber scheine statt meines wp^^ä;!^
179 —
zu haben w>uuw3Ajt. So ansprechend nun auch Dozy's Vermuthung
>k>^JUli Q^^KwO) vir felicis ingenii auf den ersten Blick er-
scheint, zumal da die Quellenwerke diesen durch ,jNJui\ ^Xt^
erklärten Ausdruck unter xjuJiJüt besonders anführen, so ziehe
ich doch jenes u.«juaJÜI ^^^^yo, vir felicis sortis, des-
wegen vor, weil es erstens nur die von mir selbst gesehenen
Züge ohne Zusatz darstellt und sich an die unmittelbar vor-
hergehende Erwähnung des langen Lebens und der vielen
Feldzttge des Fürsten ergänzend anschliesst, wogegen die
ihm durch äaaäjJI q>*^ beigelegte Geisteskraft mit der eine
halbe Zeile vorher von ihm gerühmton ^iy! x^^^u» so ziemlich
zusammenfällt.
II, 708% 9. lieber die Rechte und Pflichten des ^\'Jh\ u^
besitzt die Leipziger Stadtbibliothek in Nr. CIX der arabischen,
persischen und türkischen Handschriften eine arabische Abhand-
lung, KjüUJt Jutji äJLm^, von dem gewöhnlich j^tOijb ^^Lä
genannten ^;1 ja^I s-Aam^ O^' f^^ J^^' deren Inhalt über-
sichtlich zusammengestellt ist in Catalogus libb. mss. qui in
bibliotheca senatoria civitatis Lipsicnsis asservantur, S. 392^
Z. 16 Og.
11, 709^, <6 »yü« sehr, öjü (s^ als n. vicis), wie in der
4. Ausg. von Bc unter Nasarde.
II, 71 i^, 26 »(jM^ÄJU vertical^ Ht.« unrichtig geschrieben st.
^yde. Bocthor's und Berggren's s,.MaXJLo für vertical drückt
denselben Begriff aus, aber in der Richtung von unten nach
oben, wogegen {j**jSJ^j eig. renversej in der Richtung von oben
nach unten zu denken ist.
II, 71 3^ 21 »iuK&UU sehr. ÄÄiäÜ! von J3^\, 7. Form von
^jaij oft von Sternschnuppen, steiles tombantes, filantes, z. B.
180
Ibn al*-Atlr, IX, W, 4 u. 5: ^^j ^^ ^^ JoÄil iU-J^ »AP j
aJLo ykS\ ß. Vgl. Dozy*s eigene Berichtigung des ^j^aJü! von
Relske und Freytag, hier Z. 27—29.
II, 743**, 5 u. 4 V. u. »^j-^L?^i jj^üxil la seance a ete levee,
Bc (le f^ est une Taute d'impression).« Die 4. Ausg. von Bc hat
unter Lever und Seance bloss dasActiv: Lever lu seance, ^J^
ijJ^\, nehen ^jJLs?! äj,; davon ist die Reflexiv- und Passiv-
form \jas6\j oben 265*, 20 u. 21, auch in den arabischen Zei-
tuugen das gewohnliche Wort fUr diesen Begriff. (j;:iäJol, 8. Form
von jksä^t auf eine Vorsammlung, Gesellschaft u. dgl. ange-
wendet, würde nach dem Sprachgebrauche eine mehr oder
minder durch innere Nothwendigkeit oder äussern Zwang her-
beigeführte Auflösung und Sprengung derselben ausdrücken.
Ich halte daher das ^i in ^j^aÄ^^i für richtig, das o aber fUr ein*-
geschoben.
«■«o
II, 7U*, 2 u. 3 ))(|jiaft;j!) s^äoigner, partir,^ Hoogvliet 90,
D. 451 i<. Eine nähere Prüfung dieser Belegstelle würde Doxy
überzeugt haben, dass sie mit ihrer ganzen Umgebung . (Text
S. 55 Z. 2—5, üebersetzung S. 90 Z. 11—15: »non detexit«
u. s. w. bis »manibus meis admovere«) falsch gelesen und miss-
verstanden ist. Die liauptquelle de$ Irrthums ist der zu einem
Subjectsnominativ mit Genetivanziehung, ^LiJt «^^b? gemachte
1 i
Zuslands- Verbalsatz q^oJI ^^^^^ ^* 55 Z. 3 ; hieraus sind die
lO ,
übrigen Fehler in derselben Zeile : b^^ st. x:>», lAJuj st. ^jmj
und «..^uuM st. w^A^ entstanden. Der Sint>: »Nie wird mir
die Vergünstigung zu Theil (wörtlich : nie leuchtet mir das Ant^
litz), dich; den Gott kräftigen möge, persönlich zu sehen, und
nie bietet sich mir der Anlass, ein Sendschreiben an dich zu
richten, ohne dass ich zugleich fühlte, wie das Glück, nachdem
es sich von mir abgcwaudt, sich mir wieder zuwendet und das
181
von ibm aufgelöste Freundschafisband wieder befestigt, und
(ohne dass ich) erkennte, wie die Wunscherftlllung mir ihren
Zttgel (zum Erfassen) zuwirft und ihre lluldgaben meinen Hän-
den (zum Zugreifen) nahe bringt«. Mit lloogviiet's Uebersetzung
fallen auch die unrichtigen vier Anmerkungen dazu, 449 — 152,
hinweg.
II, 71 4^ 15 V- u. Die richtige Erklärung von tysi^ji s.
im 1. Stttcke dieser Studien v. J. 4881, 8. 86 u. 27 (Kl. Sehr.
Bd. II, S. 496 Z. 5 V. u. flg.)
II, 748^, 5 flg. »/ öiLÄi« ursprünglich /^Läi, lucanicum, kov-
KLCLviTfiov. lieber den Gonsonanten und Vocalwechsel in diesem
Worte s. das vorige Stück der Studien S. 466 zu II, 548% 2Jl.
II, 748^, 7 V. u. flg. Wenn Lane in der angegebenen
Stelle der T. u. E. N. ^ einmal mit auflesen übersetzt, so
erlaubt er sich eine für den Zusammenhang gleichgültige Aende-
rung des Wortsinnes, sagt aber damit keineswegs dass »la signi-
fication de choisir, p. c. des cailloux, s^est modifiee et il faut
quolquefois traduire ce verbc par ramas&ei*v^ als ob es an solchen
Stellen mit JafiJ gleichbedeutend wäre. Cuche erklärt ii
richtig durch »trier, choisir Ics meilleurcs parties«, in beson-
derer Beziehung »cueillir les figues les plus mores«. Und so
sucht sich auch der Mann in der T. u. E. N. unter den kleinen
Kieseln diejenigen aus, welche ihm die geholtreicliAten zu sein
scheinen.
II, 749^, 3 v. u. Dozy übersetzt io^)^l /J^äJI in der 4. Ausg.
seiner Recherches S. 187 Z. 4 4 nach dem Sinne richtig mit
»nos deplorables discordestr; noch treffender würe nos mal-
heureuses discordes. unsere unglücklichen Zerwürfnisse, —
ganz wie Franzosen und Deutsche diese beiden Adjective ge-
brauchen, ohne dass man vom sprachwissefvscbaftliaben Stand-
punkte aus sagen könnte, das Passivparticip sei gebraucht »im-
proprement dans la rime, au lieu du partic. actif«, d. h. statt
unglücklich machend. Zu Grunde liegt immer das von den
Quellenwerken gegebene ursprünglich persönliche ^-^ ^.^^
182
•• • • . O • €,, C
w^xJL^ j^ xaXj *Xj[jo\, obergetragen auf Personen die für sieh
und andere gleichsam mil Unglück behaftet sind, und auf
dergleichen Dinge und Ereignisse.
II, TSO'^, 8 V. u. »ad^i sehr. ^U>\: ich Hess das Buch nicht
leer von — , d. h. Stattetees aus mit — . Vgl. I, 404^, 12 — 10 v. u.
11, 720^, 23 u. 24 ^fSS \)a se construit aussi avec ^,
epouser, Badroun 417 des notes.a Hat mich Dozy roiss verstanden,
oder habe ich mich selbst geirrt? Jedenfalls ist die Construclion
<• ^ *
der ersten Form^^Jü mit ^, s. de Sacy's Chrestom. I, S. 256 —
258, auf die Stelle bei Ibn-Badrün S. ot Z. 6 nicht anwend-
bar; denn Jot ^ »lXju ^^^=OCJu ^ ist einfach : heirathe (o Weib)
nach ihm (der sich von dir geschieden hal) keinen andern !
= \sXsA nach der Lesart in C, aber mit der gewöhnlichen Ver-
stärkung der Allgemeinheit des indelerminirten Objectes der
Prohibition durch ^; meine Kl. Schriften, I, S. 556 u. 557 zu
de Sacy, II, 55, § H5. Die Möglichkeit der angegebenen Con-
struction tritt analoger Weise erst durch den Uebergang von
^ in die 4. Form ein: «^ ^yiu L^^^j üt x^^S gJo^Eäm.)
»er verheiralhete sie an einen Andern«; hier l^sst sich denken
>o .. . oC > b
und sagen «uLq L^^znXj! = «JU L^^;, weil sie durch diese Ueber-
gäbe ein Theil der auf alles rechtliche Besitzthum ausge-
dehnten Persönlichkeit des Mannes wird.
II, 721% 19, » JOutf sehr. jJo, Verbalnomen von Jüo.
11, 721*, 22. Nicht nur leichter, sondern auch sinngemässer
als Dozy's Verwandlung dieses Jüul in yu! ist die in Jüul
(cXlCii) : ich stelle dir frei, deiner Wege zu gehen, und mache
dir keine Schererei.
183
II, 721^ 27 u. 28 »IcUJ? c^^Ji ^j« eine der merkwürdig-
sten Erscheinungen im Neuarahiscbon : die Verbindung von
tJü mit dem Arlikel, tJoüt, in der Bedeutung von ^^t,
i. . )
juo^t. statt des altarabischen \ö^ s£>wu X. dans une teile
•• # ^^ ••• \^ '
maison, in dem und dem Hause; meine Ri. Sehr. I, S. 346 Z. \
flg. zu de Sacy, I, 434, K) flg.
II. 723», 43 »le vulgaire dit ^JüU d. h. ^Jüi st. ^jJJüi
zunächst in dieser 7. Form durch den erweichenden Einfliiss
der wurzelhaften Liquida n auf die unmittelbar folgende Zu-
satz-Tenuis t; weiterhin unabhängig davon in (j«JO, nach
M rit'v^, 8 u. 7 V. u., gemeinarabisch sowohl für J^iü als für
jj^Jü, und in x**.^^>, rechute; s. I, 454*, 24—26, und Cuche
Ha** unter den als gemeinarabisch bezeichneten lIU Jüt ^jn^JuI
und jU>Jh>. Ebenso erweicht im Altarabischen wurzelhaftes :,
j und ^ dasselbe o in v3, Mufassal lv*l, 6 — 8.
^ « b
II, 724*, 2 u. 3 »idJJLx pl. J^LLo Instrument pour couper le
tabac ou autre chose, M, qui dit que c'est pers^n (?)«. Dozy's
zweifelnde Anfrage beantworte ich durch Verweisung auf das
vorige Stück dieser Studien S. 490—193 zu II, 617*, 3 v. u.,
wonach >JL^JyQ, weit entfernt persisch zu sein, nichts ist als eine
der vielen Umgestaltungen des griech. iiayyavov in der allge-
meinen Bedeutung Maschine.
- . o. -. )0 )
II, 725"^, 17 u. 18 »jyjuff Denominativ von o^y, Nimrod:
sich verhalten wie Nimrod, der gewaltige .Lj> oder Empörer
wider Gott.
184
II, 7S8>>, 2 u. 8 »(j4^) Sorte de pots, Wild 480: »TOrckische
» J
Erbsen, nohut genannta d. b. ^^yS^, pers.-tUrk. Kichererbsen,
poischiches,arah,^%a4^, I, 322^. Ist demnach zu streichen.
II, 729'*, 44 V. u. »o^öj« sehr, (j^yj, d. h. (jryi. Was im
ersten Worte eine durch Dank zu erwiedernde Wohlthat, heisst
im zweiten bildlich ein Darlehn : »Wie soll ich das Darlehn ab-
tragen, das du mir Torgeschossen hast?«
II, 730\ 9-11 njii^\ M ^^\ vi.^ (,^a>) J^« be-
deutet an und ftlr sich nicht ȟ s^assit au dernier rang de
tassembleea, sondern der als einer der Letzten in den Versaram-
lungssaal eingetretene Mundir lehnt den Wink des Chalifen, in
seiner Nlibe Platz zu nehmen, mit den allgemein gehaltenen Wor-
ten ab: % ^\ ^ ^^\ e.^ JO.JI lX«JÜ Ui ^^yfj^\ ^^\ b
wISJt ^^^1;«^., »Herrscher der GlHubigenl Jodermann hat sich
dahin zu setzen, wohin er nach der Sitzordnung kommt (wört-
lich: wohin die Sitzordnung ihn gelangen lässt) und darf nicht
über die Nacken (der vor ihm Sitzenden) hinwegsteigen«. Dar-
auf, heisst OS weiter, setze er sich unter die Hintersten.
II, TSO**, 7 u. 6 V. u. «(^4^) Expose, Bc (^crit^^^^)«, niSm-
* 0 j ^ et
lieh ,^^^, substantivisch gebrauchtes Passivjrarlicip von ^^^\
Bericht erstatten, faire im rapport, wie auch in der tttrki*
sehen GeschHftssprache Lpt Berichterstattung, Bericht,
^^^^ Berichterstatter; s. Zenker. — Dagegen ist j^UX^
im folgenden j^Uii ^ ?y^) gebrochener PI. von ,^^4^ in
der Bedeutung von äJLxs jcfi-«. Verbotenes. Cuche W* : »j^^
^^U^ ^ d^fendu ; chose d^fendue, illicite«.
185
Uo.
II, 734*, 47 flg. 9fjj tempiten, zur Begründung und Er-
klilrung dieser Bedeutung war vor Allem auf den erschöpfenden
Aufsatz des sei. Lane in der Zeitschrift der D. M. G. III (v. J.
4849) S. 97—99 zu verweisen.
II, 734% 7 — 5 V. u. Die hier angeführte Toledanische Ur-
kunde ist mit ihrer lateinischen Uebersetzung abgedruckt in
Lerchundi und SimoneCs Creslomatia ardbigo-espanola, Granada
4883, S. 42 u. 43.
II, 734% 4—3. Ich habe die Stelle mit dem unverständ-
lichen ^,lj Q^J^^ genau nach der tunesischen Handschrift ge-
geben. Für die Richtigkeit einer auf den Rand meines Hand-
exemplars geschriebenen Vermuthung : -^^ jlS^I ^y^JLc^ stehe
ich nicht ein; sie stützt sich indessen auf eine Parallelstelle
der T. u. E. deren ich mich deutlich erinnere, ohne c;egenwijrtig
Band und Seite anführen zu können.
n, 734», 40 D-aschr. ^.
II, 734% 1. Z. »/ö-a« sehr, /ytßy
II, 735% 8 u. 7 V. u. »jj^l celui qui rend les choses daireSy
M.a M's »L^^t ^^^A>j ^ÄJt ist sowohl persönlich, wie Dozy
es gefasst hat, als sächlich: ce qui rend les choses claires.
Der türk. KAmüs giebt als Beispiel des persönlichen die Worte
Sur. 5 V. 48: ^^^^ \Jd^ ^ adlJ ^ ^^»1^ ^ mit Beziehung
des .^ auf Mohammed, und fasst dann das sächliche in grösster
Allgemeinheit als «Omo ^lXj? ^^ Ut^ ^ U/ ^.L^^ (>i'-«^,
»das was das Wesen der Dinge so, wie es wirklich ist, ent-
hüllt und erklärt«.
II, 737^, 23 u. 24 »J^^i I dans le sens de suspendre aussi c.
it, de Sacy Chrest. II, in, 5«. In meinen Kl. Sehr. I, 674, 4 0
V. u. flg. ist nachgewiesen , dass de Sacy an dieser Stelle in
Folge einer Missdeutung von fu\jo. das darauf bezügliche c^Jsaj
L^Jt unrichtig übersetzt hat; und J^lj mit Acc. eines Dinges und
1887, 43
' 186
i,\ eines andern hier bedeutet : jenes wie einen umschliessen-
den Ring um dieses herumlegen und so daran befestigen.
IT, 740^, 20 u. 24 »8^ le cri du chatm, s. das vorige Stück
dieser Studien, S. 494 Z. 4—4.
II, 740°, 12 »t^amande«undll|744%6i>j^^c magrebiniscbe
Aussprache st. ^y, Collectivsingular (nicht, wie vorl. u. 1. Z.,
gebrochener Plural), wovon die Einheitsform Äjjy und xjI^ ist.
II, 742*, 48 »ijrLo o^ 6rm de plante, Lane M. E. II, 346.«
Hat Lane selbst sein » Oöd niyäz c( irgendwo auf den von Dozy
angenommenen, mit (joJ gleichbedeutenden Stamm ^ja^ zu-
rückgeführt V Mir ist davon nichts bekannt, und eine Begriffsver-
>
bindung zwischen i>Pulsschlaga und diesem ^Li ^>^ möchte
schwer nachzuweisen sein. Ueberdies wäre die Aussprache des
rein arabischen (j» im Munde von Aegyptern wie ; oder Jb ge-
gen alle Analogie. Ich wage die Yermuthung, dass niydz das
auch im Türkischen gewöhnliche pers. jLi Anliegen, Ge-
such, Bitte ist und durch seine Verbindung mit dem »grünen
Zweige (r, J^, diesen als eine Darreichung zur Unterstützung
der an den Empfänger gerichteten Bitte um ein Gebet für den
Propheten bezeichnet.
II, 742*, 20 9«^ pcUais (partie superieure du dedans de
la beuche), M.« M giebt bloss Äxbüt J^ ^ <äVi:s9jt <^l,
ohne die Bedeutung dieses \^Jo näher zu bestimmen» Dass
man es aber nicht in der ersten der von M selbst angegebenen
o£ i
beiden Bedeutungen : Ji3»b ^ ^\ J^l cy^'t sondern in der
zweiten : ^^^^^^^^^t ^mAILq vJ^Jb ^ J^a^*^! zu nehmen hat, lehren
187
Cuche und Al-FarAYd al-duiTtjafa : dgLJ _ «^J mächoire ; tnan-
dibulea als gemeinarabisch. Vgl. die neuern Bedeutungen von
tä)a^ bei Lane. Hartmann's Sprachführer 227* giebt »AanoA« als
aegyptisch schlechthin fttr i»Munda neben dem syrischen tu mm
oder timm («ij st. Ji).
II, 743^ 3 u. 2 V. u. Richtig erklärt das LP in diesem L^
der Commentator bei de Sacy, Chrestom. II, 391 , 43 flg. Denn
die Demonstrativp a r tikel LP kann nach den Denk- und Sprach-
> o
gesetzen bloss als Laut oder Wort, U 2ail oder Le 'iJS , von ^
regiert sein, bekommt aber durch diese Verbindung nicht die
Bedeutung des concreten Pronomens LPin L^ = L^Ia^, ein
Solches, so etwas. Für diese Verbindung von cf) mit prono-
minalen Genetiv-Suffixen sollte a. a. O. nicht Gramm, ar. I,
no. 826 p. 357, sondern n«. 4044 u. 4042 p. 472 angeführt sein ;
s. dazu meine Kl. Sehr. I, 382,4—385,2.
Ol
II, 744*, 44 »q^Lp pl. q5>^I raorüert. Dieser Plural gehört
nach den Bildungsgesetzen der gebrochenen Plurale formell zu
keiner der drei von den Qaellenwerken angegebenen Singu-
lare : q^Lp (dem Frey tag nechllarlrt in de Sacy's Anthol. gramm.
S.l«, Uebers. 407y aber irrthümlich ein »ma/e« anhängt; s. Morgcnl.
Forschungen S. 434 Z. 43), ^^iP und ^^^iP , von welchen der
letzte nach dem fttr alle drei geltenden Plural ^^[^ der ur-
sprüngliche sein soll, sondern zu dem Singular q^, II, 774'*,
4 u. 2. lieber die Herkunft des Wortes, ob ursprünglich per-
sisch, oder arabisch, ist auch der türk. KAmüs noch ungewiss;
er fügt zu dem von Firuzabadi Gesagten hinzu : v Auch in unserer
Sprache (türk.) sagt man (für Mörser) q^LP. Nach dem Com-
nientar (des K^kmüs) ist das Wort aus dem Persischen arabisirt,
aber mehr für sich hat die Annahme, dass es zufälligerweise in
beiden Sprachen gleich laute«. Dies können wir natürlich nicht
annehmen, sondern müssen das Wort für ursprünglich persisch
43*
188
halten; s. Vuilers unter ^^L^. — In dem oben aus de Sacy's
Anthol. graram. angeführten Ailikel ausHarlri's Durrat al-gau-
w6s, S. *!• vorl. Z. findet sich ein nach Thorbeck e's Ausg. der
Durrah S. [w Z. 8 mit d. Anm. S. 47 Z. 7 flg. in xXaM zu ver-
wandelndes &ä^j^. Zu diesem p>i vom pers. JcXi s. Dieteriei's
Mutanabbt und Seifuddaula S. 154 Z. 6 und S. 155 Anm. **),
Arnolds Mo'aliakat S. föv Z. 6 u. 7, Har!rrs MakAmen. 4. Ausg.
S. fvv Z. 6 m. d. Anm. dazu, Wright^s KAmil S. ^r Z. 8 u. för
Z. 10.
11, 744*, 7 V. u. »v-^^ pl. vk^ endroit oü le vent s&tiffle,
M«. Allerdings ist v«^ nach seiner Form Ort des Wehens,
nach dem Sprachgebrauche aber gewöhnlich Gegend woher
und Richtung in welcher d er Wind weht, wie beson-
j
^ ^
ders ^bJI 'Uua die verschiedenen Striche der Windrose.
II, 749*, 7. Die Verwandlung von B^juJ^ in byaJl ist nicht
nüthig ; denn B-sJÜt bedeutet besonders den ermuthigenden
Schlachtruf der zu Hülfe heranrückenden Kampfgenossen,
— hier Antwort auf ^y^t, den Hülferuf der vom Feinde Be-
drängten. Daher II, 689^,14 v.u. allgemeinbin »secoiir^^ aidet.
H, 749^ 11 flg. Ich bezweifle die Herkunft dieses ^3^
vom Stamme ^AP, an welche auch Bist An t nicht geglaubt zu
«r O ^
haben scheint, da er, gegen den EAmfis, ^'^y^\ nicht unter
^l\P, sondern S. I*r.,* wie ein ursprüngliches Quadriliterum
unter -^^^ stellt. Das von Dozy aus Turner angeführte nhow-
dahn (spr. haudah) gebraucht man in Indien auch von dem be-
deckten Sitze auf dem Rücken eines Elephanten; s, das Aus-
land, 1851, No. 24, S. 100 Sp. 1. Es sieht fast so aus, als sei
das Wort schon früh von dort über Persien in der Form ^ijo^
zu den Arabern gekommen und von ihnen, wie gewöhnlich, in
.• o «
^^^ verwandelt worden.
' 189
II, 750% 13—45. Die von Weijers und Dozy bei Valelon
S. 75 u. 76, Anm. 7, für zwei verschiedene Fassungen eines
und desselben Gedankens gehaltenen Ausspruche haben nichls
mit einander gemein. Vielleicht liegt diesem Irrthum ein Miss-
verstcindniss des im Commentar zu de Sacy^s IlartrI angeführten
Verses zu Grunde. Er ist zu lesen :
»Und der (seinem Gedankengehalte nach) richtigste Vers, den
man dichten kann, ist einer, zu dem, wenn man ihn vorträgt,
die Leute sagen: Recht seit (wörtlich: er hat wahr gesprochen.)
II, 750*, 4 u. 3 v. u. Dozy hat Recht gegen Freytag in
o ^ o >
Betreff des Parlicips und Adjeotivs ocX;(äwwuo; aber bei Mak^arl,
I, 153, 3 V. u. ist das Richtige ^(A^:;^t als ^bCo ^t : die breite
obero Flfichc der Süule, auf welcher das Bildwerk steht.
II, 750*», 8 yj^l« Schreib- oder Druckfehler st. Jj^li.
o >.
11, 751*, 1—4 »iüji^t JU<Mst nach allen Umständen die
von den Unterworfenen fttr Bewilligung des Friedens zii bezah-
lende Geldsumme; vgl. II, 624% 8—11.
.•o
II, 751'», 21 »(^cXÄ^t) c. J ^ou^i;onntrn^ dazu als Beleg
»8--uOüü y^$'Xi^\ il soup{'x)n7ia son projetHj mit zu starker Ab-
schwäcbung der Grundbedeutung von ^^J^» welche statt soup--
ganna vielmehr devina verlangt.
II, 754% 5 V. u. flg. »q^^^Uäj« sehr. ^^^L^ von ^yj.'
»sie laufen um die Wette«.
II, 754% 11 »olS^^U sehr, obj^t , eine neue, dem oby?
« >
nachgebildete Pluralform von / äSj : »sie sperren mit der (wechsel-
seitigen) Verfluchung ihrer Altvordern die geräumigen Gassen «
d. h. indem sie sich in pöbelhafter Weise auf ofl'ener Strasse
mit einander zanken, ziehen sie eine Menge müssiger oder skan-
dalsttchtiger Gaffer herbei, die den öffentlichen Verkehr hemmen.
190
n, 755^, i^j »xA3^iA>o« b. Jäl^üt a. a. 0., von einer kraft-
loseD alten Frau, ist gut arabisch (KAmüs: KajI3 ^^ x^^AfX^ yyp)
und hiernach die Verwandlung in das Mj^ des Voc. zu unter-
lassen.
II, 756*^, 22 flg. Dieses Kopfschtttteln »seit en signe d*ap-
probation, soft en signe de d6sappi*obation, de refuso ist natür-
lich für dieses und jenes nicht dasselbe. Wie mir einst Herr
Consul Wetzstein gesprächsweise mittheilte, gilt unser ver-
neinendes und verweigerndes KopfschUtteln nach rechts und
links im Morgenlande gerade für das Gegentheil: Zustimmung
und Bewilligung, die Bewegung des Kopfes von unten nach
oben aber für Nichtzuslimmung und Verneinung.
i, j
II, 756% 6 u. 2 v. u. »ö^tf. Der Nachweis des Gebrauchs
von IttfäiJi n^^ in Lettre ä M. Fleischer S. 41 u. 4S ist treflTiieh;
ich möchte aber &d^ doch lieber als abstractcs Verbalnomon
nehmen: bewirken dass ein Witz «iü d. h. einschlägt,
trifft, wie der Hieb einer gut geführten Klinge «iü d. h. sitzt.
II, 757% 26 flg. Dieses ^.;ti^ vom vorhergehenden pers.
.L^, kann sprachgemäss weder ein arabischer noch ein persi-
scher Plural sein, sondern ist nach Sinn und Zusammenhang
ein persisches oder nach persischer Weise gebildetes Beschaffen-
heitswort auf in, gleichsam: sie sangen nachtigalliscbes
(Adj.) oder nachtigullisch (Adv.), arab. LaJJU£ ^j^ d. h.
« ^ 0 ^ a^.
II, 757^, 9, »«j^ I commencer le combat, Ale. (ronper ba-
tallaja, sehr, rompre le bataülon [ennemi], wie das daneben
stehende mit »nahz^m hazemt ahzem« gleichbedeutende »nefc^^d
feccdt efcedf [yX^, sX^\) deutlich zeigt.
II, 759^, 19 flg. Im dritten Stücke dieser Studien v. J.
1 88i, S. 68 u. 69, ist Weijers und Iloogvliet's Uebersetzung dieses
191
Verses gegeo Dozy's Tadel gerechtfertigt und die seinige wider-
logt. Nachträglich sei hier noch besonders darauf hingewiesen,
dass die durch Sur. 9 V. 129 festgestellte Üble Bedeutung von
c\>l ^^^ jjj£ einem UUJi ^^^ jjic x>estimö par les hommes
les plus nobles« geradezu widerspricht. Für eher d ggn., cÄ^n
(ie 9^71. u. s. w. verlangt tier Sprachgebrauch in Uebereinstim-
muDg mit II, 434^, 20, y\s>\ Jüx jjift.
OoO^ My«p>
o ^o^
II, 760^ 1. Z.,u.761», K flg. v:>v^b> ist nicht aus Jo *!*, Ju "i
verderbt, sondern eine durch Verwandlung des sp. lenis in den
sp. asper verstärkte andere Form des in Spilta-Bey^s aegyptisch-
arab. Grammatik S. 174 aufgeführten, aus äIJI verkürzten
Jt, nalbatt, gewiss, ohne Zweifel«, nach der Grundbedeutung
des Stammes s^;^ eig. entschieden, abgemacht, decidöment, das
aber, wie Dozy ausführt, gewissermassen der positive Neben-
ganger des negativen Ju ^ geworden ist, indem es, wie dieses,
nicht nur einen elliptischen, selbststUndigen Satz bildend ohne
Reclion steht, sondern auch durch Vermittlung dör Gonjunc-
tionen ^t und U als ^^^^^Jum Verbalsätze regiert. Dasjenige
ff
^ aber, welches in dem Beispiele aus TantAwi, 762^, 12, nach
dem zur Verstärkung verdoppelten oJl^ statt eines solchen q!
oder La mit Imperfectum einen direclen Infinitiv einführt, ist
seiner syntaktischen Stellung nach nicht ^iJüo^t ^ wie
nach lXj ^ (eig. »es giebt kein Weg- oder Loskommen von — <i),
sondern ^^^aaaaJI ^, zur Erklärung des in dem elliptischen
c>»Jl^ dem Sinnenach enthaltenen Subjects: »durchaus noth-
wendig ist es, nämlich die Sendung eines Antwortschrei-
bensa u. s. w.
II, 762'', 11 9v:;Ad^. « Man muss wohl an die materielle
192
Richtigkeit dieser auffallenden Vocalisation glauben, da Voc.
sie ausdrücklich zweimal giebt: im arab.-lat. Theile S. 240^
mit nTunc«, und im lat.'-arab. S. 617 Z. 8 ebenfalls unter »Tunc«.
Sonst wäre in*Uebereinstimmung mit dem ebenfalls, nur mit
stärkerer Verkürzung aus v^'i^'t tj^ zusammengezogenen /^i^,
11, 761*, 6 V. u. s^i^ zu vocalisirerf.
II, 771*, 22 — 24. Das aus^'bl verschriebene ^tf und die
Uebersetzung dieser Stelle sind oben zu II, 502*, 3 im Anfange
des vorigen Stückes dieser Studien berichtigt.
II, 772% 25-^28. Den allgemeinen Sinn des Sprüchleins
i»y
K3y^ \3y^^ ^^ '^^^ Dozy's Scharfsinn richtig erkannt. Alt-
arabisch 91^ ^|^Ij UXTy gemeinarabisch Kull-nä bi 1-häwä
säwä, mit gleichschwebender Accentuation der ersten uad
dritten Silbe des sinnmalenden Reimpaares, — wörtlich: »wir
alle (sind) an Kopfleere (einander) gleich« d. h. einer von uns
so unwissend oder einsichtslos wie der andere. Was bei uns
Kopf heisst, — wie in Hohlkopf, Dummkopf, — nennt der
Aj'aber bekanntlich Herz, «.^Jb oder ot^, wie Sur. 14 V. 44
*i]^ j^Just, »ihre Herzen sind eitel Leere (Hohlheit)«; s. Bai-
d^wl zu d. St.
11, 772*, 6 — 4 V. u. Die Bedeutung von iLj^ »profundus
puteusa bei Frey tag zu streichen, weil sie nach Dozy im Kämüs
nicht zu finden ist, möchte ich widerrathen. Der Bearbeiter
des türk. K^müs muss sie in seinem Exemplare gefunden haben;
denn er giebt sie als einzige Bedeutung von äj^:
jrS^ ^i>^5 V*^ CT^;^ "^ \s^ ^5^>^'^^ ÄA^ iO^I »hawljah
nach der Form von gantjah nennt man eine Grube und einen
Brunnen mit sehr tief liegendem Boden «.
II, 774^ 11 V. u. flg. Die aus Gl. Manc. gegebene Defini-
tiOQ von JuajJ^ zeigt deutlich, dass Dozy's «par cons6quent in-
193
digestioni lauten soiiie: par consequent dyssenlerie. — deutsch:
Ruhr, deren schlimmste Art die asiatische Brechruhr, »cAo/era-
^ o «
morbus ii ist, — »die böse ju^aP«, wie Dr. Bilharz sie nannte, als
er mir vor Jahren in Leipzig die grässlichen Erfahrungen schil-
derte, die er als Arzt bei dem — wenigstens (Ur ihn — ersten
Auftreten dieses Würgengels in Aegypten gemacht hatte.
11, 775^, 9 u. 10 »x^^t iM^l^t 1^ <^oi*ps Celestes«, daher
^•^»L^l schlechthin in besonderem Sinne die sieben Planeten,
b. ÖahrastAnI, H, rnP, 8 v. u. flg.
II, 777^, 6 flg. Die von Burkhardt nach den Beduinen ge-
gebene Beschreibung desy^, Hyrax syriacus, des Klippdachses,
ist durch spätere unmittelbare Beobachtungen von Seetzen u. A.
völlig antiquirt; s. Gesenius^ Handwörterbuch über das A. T.,
10. Aufl. unter 1&V.
11, 778*", 15. Das y»^ als genus in der Definition von hypo-
o
tenuse sollte nicht unter J^, sondern unter y^ stehen. Ferner
hat die erste Ausg. von Bc vor c>JU^ JwX^ richtig j : »in einem
Dreieck«; denn eJbU JjCm x«Jl9 xj^j J^ »die Sehne des ge-
raden Winkels eines Dreiecks« wäre wegen des den un mittel-
baren Anschluss von xi^t: an v^^JUu« JjCä verhindernden Adj,
K4JI9 eine unmögliche Genetivanziehung.
II, 779^, 8. Bocthor sagt vollständig: »Hypolhequer, v. a.,
donner pour hypolheque, lUc ^^^^I ^^ A. — / äS^ I. « Wenn
das Gemeinarabische wirklich die \ . Form ty^, i'^^ a^s vb. fin.
mit Acc. der Sache und JU£ der Person in der Bedeutung ge-
braucht: ihr die Sache verpfänden, durch Yerschreibuug als
Unterpfand zusichern, so geht es damit über die äusscrste
Gränze der Sprachanalogie hinaus, r^^ ist eins der Zeitwörter,
194
dereD Wesen in meinen Kl. Schriften, I, S. 596 u. 597 als »zu-
standliche Aclivitüt« bezeichnet ist. Wie das dort unter andern
aufgezahlte aJUl, als Gogentheil von MLi> (st. m^), bedeutet:
er war sicher vor ihm, hatte ihn nicht zu fürchten, ^\ man
war sicher vor ihm 7 hatte ihn nicht zu fürchten, qj.^L» einer
vor dem man sich nicht zu fürchten hat, so bedeutet «Jü;^ er ver-
licss sich fest auf ihn, vertraute ihm fest, /öj^ man vertraute
) o «
ihm fest, i^y^ zuverlässig, verlässlich, Vertrauensmann,
homme de conGance, homme sür. Nur dieses Pas^sivpariicip
kann analogerweise, nach der schon im Altarabischen einzeln
vorkommenden, in der spätem Sprache trotz alles Protestirens
der Puristen (Thorbecke's Durrat al-gauwc^s S. Ta Z. 2 flg., Mor-
genl. Forschungen S. 157 Z. 7 u. 8) allgemein gewordenen Er-
Setzung von ^jaa und ^ma durch j^ju^ (meine Diss. de gl. Hab.
S. 89 u. 90), von einer Sache bedeuten: (durch Pfandver-
» 9
Schreibung) zugesichert, sichergestellt, verpfändet, st. tyy^^
•*u ,
wie b. Makkart, I, W, 1. Z. von einem Menschen: ^ (jyy*
joLh.-> JoLxs> »fest gefiingen in den Fallstricken seiner (eigenen)
^ >
Ü* o
Rede«, st. z^^-
11, 780% 21—23. Die Angabe, dass (jS^I c. a. r. be-
deute nconfier une chose ä quelqu'un«, ist geflossen aus der
irrthümlichcn Beziehung des Sufl*. n in B^ä^^JuM^ auf das U m
y > m-
^^yXi U. Aber dieses U ist nicht das concrete das was, son-
dern das abstracto Jü.JuaXt U, wie es denn auch mit den vier
folgenden von ihm abhängigen Perfccten deren Infinitiv aus-
drückt. Jenes 8 bezieht sich, wie in b^jJä, ^Jljts, jJ^^ &jL*£i
195
7 > . O ^ O
auf die Person des Botschafters, und syÜ^Ä^t bedeutet : ils s'as-
surärent de lui, d. h. de son devouement, de sa fid^lile.
11, 780^ 2 »^'ij DU 0^!, gamison, Hbrt. 142«. Die
Schreibart rjit^ ist eine aus unrichtiger Ableitung des acht tUr-
kischen /«ftij^, (j'jj von z^^, fest, zuverlässig sein, hervorge-
gangene Arabisirung.
II, 781*, 12 «'^Ua^^ pierre ä fusih unnöthige Besonderung
des von den Quellenwerken angegebenen allgemeinen B.L^,
d. h. nach der zweilen Bedeutung von ^^ b. Freytag: Sleine
aus denen die Pferdehufe Funken schlagen (vgl. Sur. 100 V. 2),
wie auch Lane S. 413*^ unter |»L:> den Z. 13 angeführten all-
arabischen Schwur übersetzt : by Hirn who hds produced the
palm-tree wüh its fruit from the date-stone, and fire from bro-
ken stonesii, Z. 4 2 v/^\AjuI« Druckfehler st. /äÄjJI.
II, 781*, 14—20. Naher als Dozy's Deutung von^y jLj\
v-jL^t.'SI Hegt wohl nach dem gewöhnlichen Gebrauche von v-^w>^^ :
»Ein freundliches Gesicht ist das (erheiternde) Licht der Ndthi-
gung)<r, d. h. freundliches Benehmen eines Herrn und Gebieters
gegen seine Diener und Uniergebenen lässt ihnen auferlegte
Pflichtleistungen weniger schwer erscheinen und macht sie zu
deren Erfüllung williger.
U, 784^ 26 »L^ff Druckfehler st. L^.
II, 784*, 27—29. Indem Dozy das Suffix L^ in l^JC^^ty»
als Verbalobject und x^t^ als Handlung des Fürsten auf-
fasst,ist er genöthigt, das '1\ ^ ^.-^^acl bedeuten zu lassen : er sah
nachsichtig davon ab, ihren grobkörnigen Wi(z mit einem glei-
chen zu erwiedern. Dass das allgemeine v "^ '^b» jemandem
mit etwas gegenüber oder entgegentreten, auch die besondere
196
Aowenduug auf repliquer aqqn. qqch. zulässt, ist uDEweifel-
hafl ; aber der Sprachgebrauch hinsichtlich ^ ^j^t:nr] verlangl,
y^^\y> als Handlung der Frau und LP als Verbal subject auf-
zufassen : er drückte die Augen darüber zu, d. h. verzieh nach-
sichtsvoll, dass sie ihm gegenüber sich einen so unfeinen Witz
erlaubt hatte.
II, 788^ 19. Wie klüji soviel ist als: i)U» viJLo- *J siLJä,
» - s
so erklärt sich auch diese eigcnthümliche Bedeutung von a^^c^^^
aus dem unter IV, Z. 28 — 30 bemerkten Gebrauche von
o .^ oi ^ ., <i ^ o£
^^^JUxi.5>^t oder Uo-io-^i als verbindliche Begrüssung einer Per-
son, die man seit längerer Zeit nicht gesehen hat; eigentlich =
II, 790*, 19 »iU>5 chutea sehr. ^a:>^, »casus, res accidenso
Freytag, IV, S. 437 Z. 5. Augenscheinlich ist Wright^s Lesart
nur aus unrichtiger Vereinigung der beiden diakritischen Punkte
entstanden.
« o
II, 790*, 24 »(j?y>^ tard. tardifui d. h. i^yS>^, als Adjec-
tivum und Adverbium der Gegensatz des ebenfalls gemeinarabi-
sehen ^^cXj, I, 57*, 13 v. u. flg.; vom Stamme y>i, mit Ver-
Wandlung des t in ^.
II, 790**, 18 »digestion« Druckfehler st. indigestion.
II, 794^ vorl. Z. »xiUl« sehr. XiW.
II, 792, 9 u. 8 V. u. ))Ä«jJ^ M aJÜ c^est un komme que
Dieu a en sa garde«. Dies wäre *Il! xjip^ S j^i dagegen
ein Mensch, »in dem ein Fideicommiss Gottes liegt«, ist einer,
dem Gott die zur Erfüllung eines besonderen Berufes erforder-
lichen Kräfte wie ein anvertrautes Gut verliehen hat.
197
H, 792*, 3 V. u. flg. Die Pluralform »oLsO^« beweist,
(lass der Singular dieses Wortes nicht »cj^« (I. cu>yi, wie ^j^,
oy« u. dgl.), sondern c^j^, n. loci von cJ^^i, ist; denn als n.
loci von ci>5 würde es seinen Plural regelmässig ^c>\yA bilden.
II, 794% 16 u. 17. qIjjIPCj h^UäÜ^^^I bedeutet: Freund-
schaft und Feindschaft werden vererbt, vererben sich, se Irans-
meltent, comme par succession, du p6re au fils, d'une g^neration
a Tautre. »Se succedent l'une a Tautrea wie nach »se succedet^
Fun ä Cauirea zu übersetzen Wäre, lässt die missverslfindliohe
Deutung zu, dass abwechselnd Freundschaft auf Feindschaft
und diese auf jene folgt, und fasst das Verbum nicht als Pas-
sivuin, qIjj^I^, sondern als Activum, Qij;[^^,. Erkliifen lässt
sich dies allerdings auch, indem vermöge einer Prosopopoeie die
Freundschaft und Feindschaft des Sohnes als Erbin der Freund-
schaft und Feindschaft des Vaters u. s. f. gedacht wird.
9 > . 9 J
II, 795% 1 »cX^« Druckfehler st. ^Xs>\ s, l 12% 28 u. 29.
II, 796*, 1. Z. »eVestp^/e«schr. erysipHe [iQvairteXag] ebenso
I, 531% 21, zu welcher Stelle ich schon die persische Herkunft
des arab. Wortes bemerkt habe, und II, 851*, 19.
II, 796^, 23. Bei Gelegenheit der wiederholten Anführung
dieser Stelle aus Voc. sei nachtriiglich zu II, 118^, 10—8 v. u.
bemerkt, dass gedämpftes Fleisch, i'jyt-A a^, von Arvieux, Die
Sitten der Beduinen-Araber (Ubers. v. Rosenmüller] S. 97, über-
einstimmend mit meiner dort angeführten Erklärung so beschrie-
ben wird: »Sie richten auch gedämpftes Rind- und Schaffleisch
zu, das sie in einem wohlvcrschlossenen Topfe bei einem ge-
linden Feuer In seiner eigenen Brühe kochen lassen«. Eine an-
dere Benennung dafür ist nach Beunter E tu v^e: (^Iuamuo, I, 629%
10 — 13. — j»-5^t /ji^^, Denominativ von /j'^, Blätter, bedeutet
nach Analogie von Kd^^, II, 797**, 16: Fleisch durch starkes
Kochen in bläiterähnlicbe Theilcben auflösen*
* o^
198
II, 797*, 9 n carte 9 sehr, cartes.
II, 798^, 25—27. Die genaue Erklärung von xi^y' als
Kunstwort der Tropenlehre giebt Mehren, Die Rhetorik der
Araber, S. 405—107.
0 .
II, 803*, 25 »t^cXfi ^Vjt*AO J ä rCadmit point cCexctise^
ohne Berücksichtigung des Suffixums J»; m i i BerttcksichtiguDi;
desselben wäre nach Dozy zu übersetzen : il ne me pei^iit point
de fn^excusei\ Aber der Sprachgebrauch kennt bloss ein
.vXc ^^^Jvju*o ^ »es war mir keine Entschuldigung gestattet «^
mit .Ja: als Subject und einfachem Äcc. einer Person als Object;
kein LiAc ^^^^^jum^ mit persönlichem Subject und doppeltem Äcc.
einer andern Person und einer Sache als erstem und zweitem
Object. Es wird daher zu lesen sein \jl\^ ^^^äiuio «J von
Lumu cLmI mit derselben Bedeutung und Construction wie
c
e , o ,
^y^, j^ I, 703*, 2\ flg.
II, 806*», 24 UJut sehr. l^Ju, d. h. l|Ju, er vertreibt.
II, 807^ 10 »^1^^« sehr. ^L^^
II, 807**, vorl. Z. »Ussi^^«. Das L^ss^^^ der einzigen mir
fUr diesen Theil der Breslauer Ausgabe vorliegenden Hand-
schrift mussle selbstverständlich in Lp»^^ verwandelt werden,
und da die von Dozy angenommene Bedeutung dieses ^ji^ mit
Acc. einer Person ^ amusei' qqn,, nach Sinn und Zusammen-
hang feststeht, so bleibt mir nur das eine Bedenken, ob das
Bresl. XI, S. 434 Z. 1 in derselben uneigentlichen Weise stehende
und II, 809*», 5 v. u. eben so erklärte L^-^^ wirklich jenem gleich-
bedeutend ist. Dafür zu sprechen scheint der Umstand, dass
*^N^und_^^ mit Acc. einer Sa c hie beide schlechthin für ^;
199
oder ^y^**s> gebraucht werden, was, auf eine Person bezogen,
leicht in die Bedeutung übergeht : la r^galer de qqch., sie mit
etwas Schönem erfreuen, ergötzen.
II, 808% 7 »-^3«, als Plural von ^l^^, ist eine völlig un-
analoge Form st. a^^ oder fJ^*>
II, 808*, 4 5 t>^^fjiyjity ein Kunstwort der Tropenlehre, hat
die in Mehren^s Rhetorik der Araber S. 403 Z. 4 angegebene
und S. 475 u. 476 in ihrem Zusammenhange mit ^Um« als weib-
lichem Schmuckstück erklärte Bedeutung.
II, 808% 25 »jLä^ = 31^5? un pagea persisch - türkisch ;
s. das 4. Stück dieser Studien S. 40 zu I, 44*, 40 v. u.
^ ^ o ^ o
II, 840% 4 flg. T^jsJupyAAJ) c. d. a. demander ä quelqu'un
de decrire une chose, M«, in Beziehung auf einen Arzt, eben-
falls nach M : ihn bitten eine Verordnung, ein Recept zu schrei-
ben ; wonach II, 680* 4 v. u. statt ^UaJwL;^^!, wie im vorigen
Stücke S. 242 dazu bemerkt wurde, in ^^L^jJCwM^t zu verwandeln
ist. — Z. 5 flg. i> decrire en detaih unrichtig; in dem dazu ange-
führten Verse ist zu lesen ^juoy:LMJi , Passiv der vorher angege-
benen Bedeutung: »wenn du selbst Augenzeuge dieses Kampfes
warst, wo ist ein Anderer, der zur Schilderung desselben auf-
zufordern wäre?« d. h. als negative Frage: so braucht man
keinen Andern zu dessen Schilderung aufzufordern.
11, 843, 48—24. M sagt S. rföv^ Z. 9 flg. wörtlich: »xLa
wird bei den arabischen Sprachgelehrten gebraucht von einer
«• <«
redundirenden Partikel, wie ^\n tJu^ xLJb ,JS^ und von
einer Praeposition durch welche das Vorbum und was ihm ähn-
lich ist (concretes und abstractes Verbalnomen) transitiv wird,
> o « «
wie J in ^!JlSJ ^ süJiio. Sie sagen : v-i in dem ersten und j:
ff ^
in dem zweiten Beispiele ist eine xLo«. Der Unlerscbied, den
200
M hier zwischen der Stellung und Function der beiden Praepo-
siUonen macht, beruht auf der in meinen Rl. Schriften, I, S. 499
Z. 44 — 43 mit Anm. 2 und S. 655 Z. 5 — 7 widerlegten unlogi-
schen Schulmeinungy aLl stehe in dieser Verbindung statt des
7^
Subjeclsnominativs jJJI und v sei demnach an sich syntaktisch
überflüssig. Für uns hingegen ist es ebenso wie v5 >ii ^^ v:>JL:>o
Jjüt eine XLo in der Bedeutung von regime verbal, von dem
Verbum angezogen als dessen Object, J^jä«, im weitesten Sinne.
das bei unmittelbarer Transitivität im Accusativ, bei mittelbarer
in dem von einer Praeposition regierten Genetiv steht. Was eine
wirkliche iLo in der Bedeutung »redundirende Partikelc ist, lehrt
Mufassal S. If^ Z.2 flg.unddazu Ibn JaMsiro Commentar: eine Par-
tikel, die sich an eine vorhergehende so anschliessl, dass sie deren
Bedeutung bloss verstärkt oder auch ganz pleonastisch zu stehen
scheint, wie ^t nach LJ Sur. 42 V. 96 und Sur. 29 V. 32;
s. zu der zweiten Stelle Bai^lawt und meine Kl. Schriften, I.
S. 456 Z. 45 flg.
11, 8<6'', 8 u. 7 V. u. Als »excileru regiert «äj^I sein Object
, , oi
nothwendig im Accusativ; in &ALs>>t^ ^^ «^f hingegen ist
adL'>t^ Joä überhaupt nicht tLo in dem zu 813, 48—24 erklärten
Sinne von r^'gime verbal, sondern Zustandsbezeichnung des
Verbalsubjects : = &xL>f^ J^ \1j\S ^ f^^'» "^d das Verbum
gleichbedeutend mit c^i : »er eilte auf seinem Beitthiere (sitzend^
vorwärts t.
m 9
II, 817^, 23—26. Die Bedeutung dieses cUyt entspricht
zunächst dem Gebrauche von mjo^ als nposer^ ^tahlir pour v^ri-
table, pour constant un fait« II, 815^, 43 u. 42 v. u. Die ganze
Stelle: »ich sah es zu Bagdad in einer Abschrift von Abü-Bekr
Ihn Duraid mit Schriftzügen wie Ameisenbeine [bei uns: Krähen-
füssc], und auf den Seitenrändern derselben (der Abschrift) die
Bemerkungen derer, welche festsetzten : so und so« (ist zu lesen) ,
201
d. h. die Randnoten der frühem Leser zur Kntzifierung des Ge-
kritzels.
II, 823*, 14 V. u. Da der Verbalstamm Ac^ in seinen
übrigen Bedeutungsvvendungen dem Begriffe »haine violente*
— Uebersetzung von JuJLiJ! Jübi! — fern bleibt , so scheint
der von M bemerkte gemeinarabische Gebrauch von cXc» in jener
o ,
Bedeutung auf einer Lautabschwächung von .i^ oder ^^ zu be-
ruhen.
II, 823*^, 3 — \ V. u. Weder ^amaa&er des richessesa noch
«au^ien/^r« bedeutet J^ mit ^ eine Sache oder Thatig-
keit, sondern entspricht unserem: sich ganz darauf verlegen,
sich ihr ganz hingeben, alle Kraft und Sorgfalt darauf verwen-
den. Mit &Jl iJiip ^f^^ äjL^-> ^Jj f^ß fcJLc jS^* giebt M
dieselbe Bedeutung, nur in Beziehung auf eine Person, der
und deren Dienste man sich ganz widmet. Dozy erkannte in
^L^wÄM^^t Jx. und ^uLbL. Ju^' J^ nicht die äLo des Zeitwortes,
sondern nahm beide als Zustandsausdruck von dessen Subject:
= .LaaJiLw^'^! J^ USb U.S.W. Diese Verwechselung der zwei ver-
schiedenen Verhältnisse, in welchen eine Praeposition mit ihrem
Genetiv zu einem Verbum oder Verbainomen stehen kann, hat
schon manchen Irrthum veranlasst. In unsern Sprachen findet
dieselbe Verschiedenheit statt; nur werden wir gewöhnlich nicht
darauf aufmerksam gemacht, dass z. B. in einem Satze wie:
»das Kind spielt auf dem Klavier« die Worte ))auf.dem Klavier«,
jenachdem sie KLo oder JL> sind. Verschiedenes bezeichnen.
11, 824*^, 12 u. 4 4 V. u. /^a9^{ als theologisches Schul-
wort ist nach FlUgers Kilab al-taSifät S. aX im Allgemeinen
diejenige Handlung Gottes, durch welche er das Thun des Men-
schen mit dem von ihm (Gott) Gewollten in Uebereinstimmung
bringt. Da nun aber der menschliche Wille nach den As'ariten
unfrei, nach den Mo'taziliten hingegen frei ist, so ist auch die
1887. U
202
«. ^>
von Gott als / ^9^ auf denselben geübte Einwirkung nicht nach
beiden eine und dieselbe: nach den Mo^taziliten besteht der
tauflk darin, dass Gott die Menschen durch seine Ges^mdten und
Propheten zur Erfüllung seines durch diese verkündeten Wil-
lens auffordert; nach den As ariten hingegen darin, dass er in
den Menschen das Vermögen der Erfüllung seines Willens schafft.
II, 825^, 4 flg. Auch intransitiv und überhaupt reclions-
los steht ^, ^jj, wie ich später besonders oft in Lehrgedichten
•• c«
gefunden habe, von Worten, Bedeutungen u. dgl. für j.?, j.Lj:
in Anwendung kommen, vorkommen, stattfinden.
Mehren's Rhetorik, in Sujütrs Versen S. ö» Z. 4^. <äUj j ^j-^J,
«(der Gebrauch eines Wortes in einer andern als seiner ur-
sprünglichen, eigentlichen Bedeutung) findet nicht statt in jener
(der eigentlichen Ausdrucksweise)«, was in der Prosa KazwInPs
m ft ^ . m P-
S. V Z. 2 heisst iwuö^'L jlUj "i ^y^ö^\ c>\J^\y Ebenso bei Sujütl
S. o1 Z. 5 ^ U^3^ bei Kazwtnl S. 1*1** Z. 4 «^^ J^ ;üb,
»kommt in. mehrfacher Weise vor«; bei Sujütl S. of I. Z. j JJj
^, ^ÄJI, bei Kazwint S. W Z. 5 u. 6 JpviuT Ji .j^5 j^b ^^.
' -• > .> « « ^
»kommt selten zur Wahrnehmung oder Beobachtung«.
II, 834% 5 » ct-aindrea. So lüsst sich «3^' natürlich Oberall
da übersetzen, wo es sich auf einen Besorgniss oder Angst er-
weckenden Gegenstand bezieht; aber an und für sich ist es
immer nur im Allgemeinen, wie die Quellenwerke erklären,
s^^^^! ^.^ Jäxj\, einem Ereignisse entgegensehen, es erwarten,
— Medium von s^^^-iJt «j^, etwas für sich eintreten
lassen, nicht objectiv, sondern subjectiv: als bevorstehend in
seine Vorstellung eintreten lassen, aliquid animo anticipare.
Daher das i^ n^yJ» futurum a des Vocabulista, S. 832*^ Z. 43.
203
II, 832^ vorl. Z. flg. De Sacy's »^yjäLff in der von Dozy
selbst 11. 824**, 3 — 6, angegebenen Bedeuliing: üs tenaient une
Conference sin* — , ist ganz richtig und nicht in q^aüj zu ver-
wandeln.
11, 834% <9 ^j^ J\^ ^ »MyU\ U uSe »äL'«3 i ^y>:
»er verfuhr darin nach der ihm zur Gewissheil gewordenen
Willensmeinung des persischen Königs o. Das Medium läöyjJ^
ist = lidt^ auM^sfix! »lx=>, er hat es für sich festgestellt.
II, 837^, I. Z. Mit >iZ/t;rfT d« iHsst sich s^ J^^ in dem
Verse 838% 1, und ähnlichen Stellen ganz gut übersetzen, an
und für sich aber hat es auch da die vorher Z. 24 flg. entwickelte
Bedeutung, mit Uebertragung des durch menschliche Verfügung
angeordneten persönlichen VerhJiUnisses eines ^^^=3^ zum
xi ^y^=y^ auf das naturgesetzliche Verhültniss zweier Dinge zu
einander, von denen das eine als Wirkung, Folge oder schliess-
liche Bestimmung unzertrennlich mit dem andern verbunden
ist; richtig II, 838"*, 10 v. u. »J^^s^ c. ^ inherent d, attache m.
Das Sprüchwort bei Meid^nt, I, 19, erscheint als zweite Vers-
halfte bei AbulmahAsin, I, ol*f :
»Bewahre deine Zunge, indem du nicht redest und deswegen
Ungemach leidest; denn Ungemach leiden ist noth wendige Folge
des Redens«.
Die Worte JXy3 J^' ^ bilden einen Zustandssatz mit
zwei Imperfect- Indicativen. Dies zur Berichtigung meiner
Anmerkung zu jenem Verse, II, pars poster., S. 59 Z. 4 — 5,
und Nachtrag, S. 408 Z. 5 u. 6.
II, 838% 26 »^i^D^« sehr, '^^ß, wie b. Makkarl selbst
richtig steht, als dritte Person des Perfeclums mit gedehntem
Reimvocal, gemäss der strengen altarabischen Regel über den
204
Personengebrauch nach ^^^vJjf ; s. meine Kl. Sehr., I^ S. 359 Z. 3
V. u. flg. und S. 802 Z. 4 v. u. flg. Bei seinem !i^^* scheint
Dozy an die in solcher Verbindung bei uns und im neuem
Arabisch gewöhnliche zweite Person gedacht zu haben, die
aber, auch nach Unterdrückung des un metrischen zweiten c^,
als Jb^3^' den Reim zerstört haben würde.
II, 838*», 8 V. u. »füJI« sehr, jjt; nicht das obei) S. 203
Z. ii V. u. vorkommende i.^, tribulation, Ungemach,
sondern der von Frey lag, l, 157^ 9 falsch Jü, aber 158*, 9
richtig Jo geschriebene Inßnitiv von Jo: »dieser nothwendig
der Verwesung verfallende (zur Verwesung bestimmte) Leib«.
II, 839^, 9 V. u. flg. Als ))/a copulation charnelle^, wie in
dem Buchtitel b. H^gl Halfah, VI, S. 213 Z. 4, ist ji/i\ eine
^ 's
euphemistische Ellipse für -,^t ^% sXi\ J!iJy vollständig aus-
gedrückt in dem Verse bei Ja^üt, 111, aII*, 7.
II, 839^, 7 u. 6 und 2 u. 1 v. u. i>pour la seconde fois^
und »otra vezu zu streichen. Durch »otra vez« bezeichnet Ale.
das arabische Wort J^*^ als dem vorhergehenden \^j^ (vgl. II,
794*^, 5 u. 6) gleichbedeutend und damit abwechselnd, wogegen
Dozy diese blosse Verhältnissangabe als einschränkende Be-
griffsbestimmung zu dem spanischen Worte gezogen hat.
Hiernach sind jJ^ und Jü^i schlechthin »engendrar«, engetidrer.
II, 840% 16 u. 17 » jj^ pere; jj,, JjLä parricide, Voc. —
PI. Q^JJ^ Vactityii d/engendrer, Ale. (engendramiento) «, räthsel-
o o o
hafte Zusammenstellung. Das »Jü^ JJlä patricida« des Voc.
kann nur Apposition sein ; Mörder. Kind (des Gemordeten), wo-
205
, ü.
gegen das niichstfolgende »u^^! JJId« die gewöhnliche Nominal-
verbindung des Infinitivs mil dem Objecte des Verhums ist.
Wäre »JJ^« wirklich »p^rea = JJ!^ , wie könnte es zugleich
jiengendramiento« als y»Caction d'engendrer^ bedeuten und in
dieser Bedeutung den »PI. qI-xJj« haben? — Ale. hat vier
»engendramiento« unmittelbar hinter einander: das erste mit
j »
ntene9ül o taguarrüc« (JwmJo, <^j^ji das zweite mit guälid
gualidin (vX!t^. PI- q^JüI^); das dritte mit guild guilden (Oü^
PI. Q^iJü^)) das vierte mit uyledo (äo^^) ; das erste und vierte
in eigentlicher Bedeutung alsAbstractuni) das zweite und dritte
in uneigentiicher Anwendung als Goncrelum : jenes im Sinne
von engendrador, dieses im Sinne von engendrado. Das frag-
liehe Jü^ ist mithin Frey tags o Jü^ Natus« und q^Jü^ der bei ihm
•J . o
unter dem gleichbedeutenden «Jui^« stehende Plural »^IjJ^«.
11, 840^ 5 «iuJüt^« Schreib- oder Druckfehler st. xtJJ;,.
II, 841, 24 u. 25. Hier fehlt die in Gl. Fragm. hinzuge-
fügte Bemerkung, dass «j^l »desirer ardemment la mort de quel-
. i
qu^un« die Passivform «J^i verlangt.
II, 843*, 23—26. j.^! Ui will Dozy durch Annahme zwei un-
statthafter Auslassungen zu einem elliptischen Verwunderungs-
satze machen; es ist aber einfach ein negativer Fragsatz, —
zusammengenommen mit dem Vordersätze jL>l q! : »wenn er
gute Verse macht, — nun was ist angemessener oder natürlicher?«
d. h. so ist das nichts Verwunderliches oder besonders Verdienst-
liches, weil seiner hohen Bildung und Stellung ganz entsprechend.
£> >
U, 844^ 9 »iJUftj« sehr. aUü; s. das 4. Stück dieser Stu-
dien V. J. 4885, S. 377 Z. 8—10.
206
II, B44^ 11 V. u. »j^>!t ohne die von M aufgenommene Be-
merkung des tUrk. KAmüs, dass dieses Wort aus dem pers. xi.
(all (^3) entstanden ist. Vullers hat bloss die als ^^ ebenfalls
in das Arabische übergegangene einsilbige Form ^^. Uebrigens
scheint das veraltete ^^ nicht »species üdium, vel testudinis
musicac«, überhaupt kein Saiteninstrument, sondern nach einem
Zusätze des ^^ im türk. Kämüs dasselbe zu sein wie q^, d. h.
sowohl Kastagnette, pers. SiIj^U^, als auch Becken, cym-
bal e , türk. J; , zwei Bedeutungen, die auch in ^jo zusammen-
kommen; s. Lane S. 1734.
II, 846'*, 3 V. u. o(^j) i^our exprimer la lonange [comme
^j^^)«r. Das antithetische Sinnverhältniss zwischen der dafür
angeführten Stelle, 847*, 1 , und dem vorhergehenden Redegliede
ergiebt das gerade Gegentheil: »einer seiner originellen Aus-
sprüche, die durch ihre Trefflichkeit ebenso berühmt geworden
sind, wie die Ascetik durch Uweis (den grossen Asceten), und
jeden Mitstrebenden und Nebenbuhler von ihm nur zu Ach und
.• 1
Weh haben kommen lassen (1. J^' st. J^js^rJ, ist folgender, u. s. w.
II, 847% 15 llg. Die Stelle, welche Dozy als Beleg dafür
anführt, dass die von de Sacy über den Gebrauch des Accusativs
nach ii gegebene Regel nicht immer beobachtet werde : b^ U
u\9ü syot, ist ganz regelrecht, da LxLq einen Nominalsatz als Xäa?
nach sich hat und daher nothwendig im Accusativ steht; s.
NArul-tirä, S. ^f u. Taö, Wright'sÄrab. Gramm. II, S. 93 Z. 3 Dg.
II, 847*. 1. Z, ».j^Ljjy«! =^ yys>\ ^ (fiand ecuyer^ der
zweiten Hälfte nach persisch, was bemerkt zu werden verdiente,
da Freytag, I, S. 59* Z. 13 zu^^^i .-woi nichts darüber sagt.
207
II, 847*, 11 V. u. »^x^/«. sehr. ^jrw. ^i(j kommt zunächst
vom tUrk. ^^^ii, der Nebenform des aus r{%fiß gebildeten Jü^j
janko; s. LehgcY otm^nl S. tri*f Z. \.
II, 848», 21 »j^^4-wö r^j^-" dasselbe was jU*aJI f^jH »ni
tUrk. K^müs unter r^j^'i ^' Seetzen's Reisen, IV, (Commeniar}
S. 286 Z. 4 flg.
II, 848^ 9 V. u. »a.a;uJ! 8^s> könnte sprachgesetzlich als
j».aäJ{ bjo nur bedeuten : die Perle des Waisenkindes, nicht die
(in ihrer Art) einzige Perle, SCi-JuJI hJjüJ, oder mit der von Wright
a. a. O. besprochenen Wortfügung x»aäJI 8.v>. Es wird zu lesen
sein aaäJI s^j mit Beziehung des Suffixums aufy:>i)ji: »und von
daher sind seine (dieses Meeres] unvergleichlichen Perlen ge-
kommen«. ^^ ist an und für sich männlicher Gollectivsingular,
nicht gebrochener Plural, wie ij,^ (Lane S. 863** Z. 48 v. u.); vgl.
J^küt, IV, l**fv, 23, Bibl. arabo-sicula, oöa, 2; aber vermöge des
in ihm liegenden Begriffes der Mehrheit, mU:>-, erscheint es
auch als Femininum (meine Kl. Sehr., I, S. 256 u. 257 zu de Sacy,
I, 346, § 805). Hieraus erklärt sich der rasche und harte, in-
dessen bei Mokaddasl nicht eben auffallende Geschlechtswechsel
II, 849*^, 42 iik>^^« Druckfehler st. «c>^^.
II, 850^, 4 u. 3 V. u. ist »pucesu an die Stelle von »pouxn
und dieses an die Stelle von jenem gekommen.
II, 854*, 4 9 f>^6sipdleft sehr. y>erysipdle^; s. oben S. 497
Z. 47—4 9 zu ^^yja^jy
11, 853*, 42 »ioLio timon (piöce d'une voiture«) sehr. iuLij,
wie richtig in der 4 , Ausg. von Bc, d. h. äjUmj, ursprünglich
208
fleche de boiSy wie fläche unler anderem vom Langbaume eines
Wagens gebraucht wird.
11, 854*, 49 »un-un-deuüa Druckfehler st. une-une-deniie.
II, 854», I. Z. ))^A£>;^U sehr. jJ^y^t, vollständig ^^Oss>y>\
das arabisirle tttrk.-pers. ^^m^, gewöhnlich auch von deo
Türken cohadär ausgesprochen; s. Zenker S. 374*, Z. I — 4.
Darunter ist hier natürlich der Oberste der so benannten Ro-
gicrungs- oder Polizeibeamten, der li.\ .b^jy^- zu verstehen;
s. Meninski unter ^b ^^i^ und Socin^s Arab. Sprüchwörter und
Redensarten S. 8, Nr. 412. (Nachträgliche Berichtigung des
Artikels .v>j>^, 1, 230*^.) — »/iilU«? nach seiner allgemeinen
Bedeutung Adjunkt, ist hier nach seiner Stellung als der
dritte vom Wöli abwärts: der Adjunkt des äohadär-aga.
11, 854°, 46 »^ ^mortii nach »^ mors (= ^^j4-ö Asiu,
Qdmus]^ in Gl. BelAdz., mit Verweisung auf S. If1 Z. 45 u. 46:
^>=^' CT^ *ii^ o^ u^'^' **^ ^o^/" o^ '^^ '^^) ^-
^j4-JI il x! tPj^j' J:^'^- ^"^^ weder Zamahsari noch Flrüza-
bädl giebt ^-^^ijJt = ^^.ty^i in der angenommenen Bedeutung;
de Goeje folgerte diese nur aus dem Zusammenhange, der auf
usque ad mortem zu führen schien. Es ist aber zu lesen
^y*Jt ^(: zu Jemen (der Stall halterschaft von AI- Abbc\s) noch
hinzu; s. deSacy, 1, 478, 24—28, und meine Kl. Sehr. 1, 399.
11, 855% 20 »LI!, pour lo^«, Makk. 11, 832, 45, wo der
Verskünstler dem Metrum zu Gefallen dem in einen weiblichen
Eigennamen verwandelten lateinischen Monatsnamen sogar die
volle altarabische Declination aufnöthigt, während das vorher-
gehende xjIa sich mit der halben begnügt: v,jLb> äaJu ^\ jüU.
Doch ist auch hier durch Verwandlung des Trennungs-Alif von
^1 in ein Verbindungs-Alif s^\Jns> iLyü ^1 iüLo (spr. mäjätmaw
möglich; s. meine Kl. Sehr. 1,S. 38 Z. 1, und II, S.864 Z.6— 44.
209
Nachträge.
I, so**, 7 V. u. »niörki« b. Ale. ist nicht ^ ^, soDdern
Ducu dem im vorigen Stücke S. 169 zu »mulut« und S. 208
zu »nmncl«, in diesem, S. 178 zu »munfi« Bemerkten spanisch-
arabisches Passivparlicip der 1. Form stalt desselben von der
4. Form, ic^r*«
I, 695^, 16. Dozy und de Goeje [s. das 2. Stück dieser
Studien v. .1. 1882, S. 52 und 53, Anm. 59) vermissten den Be-
weis für ^y»*l\ in der eigentlichen Bedeutung die Höhen, An-
höhen. Es war mir damals entfallen, dass dieser Beweis schon
vorlag in der früheren Stelle Makkart, I, *11v, 13, wo der Gegen-
satz zu .ÜoJi; die Niederungen, dem von mir aus J>|^^l
yviederhergestellten ^y4*^\ der Bulaker Ausgabe jene indirect
von Dozy selbst, Lettre ä M. Fl. S. 102 Z. 3 und 248« Z. 5 v. u.,
anerkannte Bedeutung sichert.
^ «' ^
II, 85% 24 u. 25, bietet kein Beispiel von ^Ub in der Be-
deutung von JÜb; denn Dozy's Luili? Abbad. II, S. 49 vorl. Z.,
ist eine willkürliche Aenderung des handschriftlichen ^Lb als
^ ^ ^
Yocativ St. ^ü? L Die personißcirten Schatzbäuser, o^
JUt, reden die verschwenderische Hand des Fürsten an: »du
uns Gewalt anthuende!« Aber, wie bei Makkarl, II, fv«, 6,
konnte Dozy durch dieselbe Täuschung unsers europaischen
Sprachgefühls, von welcher zur bemerkten Stelle in den Sitzungs-
berichten der Sachs. Ges. d. Wissensch. v. J. 1868, S. 270
Z. 1 flg. (Kl. Sehr. H, S. 304 u. 305) die Rede ist, sich nicht
darein finden, dass der personificirte, von ihm als »gebrochener
Plural« gedachte weibliche Gollectivsingular von sich
auch im Singular spricht.
210
II, 522% vorl. Z. Zu xl^ im vorigen Slücke dieser Studien
S. 161 ist nachzutragen, dass Leligei 'otmAnl S. UT Z. 7 — 10
das türk. Wort, dem x i^ laxccvov entsprechend, durchgängig
juL^ schreibt, gegen Meninski, Bianchi, Hindoglu U.A., welche
die gewöhnliche weichere türkische Aussprache darstellen.
Uebrigens ist a1^ nach demselben Werke gleichbedeutend mit
woj', *-5", ^, 7CQa[,ißrij crambe, von allen Arten Kohl: ^JL
sJ^ Kopfkohl, &Jl^ sy) Schwarzkohl, aui- /^^^ Krauskohl,
^^tJ^ ^^^^fST Blumenkohl, u. s. w.
i >
II, 764*, 6 »tXxL^ pl. Ju^ qui kabite un pays sterilem.
w y
Statt \\X^ , wie Dozy hiernach an der bemerkten Stelle lesen
^ ^ ^
will, verlangt der vierfache Prosareim tJu^ als Colleetiv von
JütL^ extinctus, uneigentlich fttremortuus, — einer der
in meinen Kl. Sehr. 1, S. 296 u. 297, zu de Sacy, 1, 370 1. Z.
und 371, 1 — 4, behandelten männlichen Gollectivsingulare. Zu
ebendenselben gehört J^, von Zamahsari als Colleetiv von
*> * > ... ,
J^Lp und Nebenform von JwoJ^ angeführt bei de Goeje zu Diwan
Moslim S. r.XXV Z. 6 v. u.
II, 765% 4 V. u. »VII (von ^^^) laisser couZer, Abbad. U,
49, dorn. 1. a Dozy übersetzt dort das von der rechten Hand eines
Freigebigen gesagte ^■♦^äV dem Sinne nach richtig : »efHuunt ex
ek dona«, wörtlich : sie (die rechte Hand selbst) ergiesst sich.
Die redcxive Form »^it^ fehlt in unsern Wörterbüchern; sie
entspricht im Allgemeinen den in meinen Kl. Sehr. 1, S. 83 u.
84 besprochenen siebenten Formen der späteren Sprache:
Ubit, [^y^K f^'*^^ jLjü!, / 5!^^^ ^m nächsten aber dem vom
" * »b ^ y
Kämüs bezeugten J^^^t, dem ^jL^ eines in dieser sinnlichen
211
Bedeutung als Causntiv von ^^ =» \jc\a nicht ttberiteferten
II, 768*, 24 »•ajl^ troupes irregulib^es, M. « Die eigenen
Worte M's sind : 'iUSüi\ ^ y^L^t ^ xc:Uj> B^t^t. Die ReaU
erklärung dazu giebt Seetzen, Reisen, 11, S. 450 Z. 5 v. u. flg.:
»Es lagen in Nazareth 60 bis 70 Reiter, Mogrebiner und Egypter,
welche Art von Kavallerie des Pascha man el Hauäry nennt.
Sie sind meistentheils verheirathet, wohnen in besonderen
Häusern und dürfen den Einwohnern nicht beschwerlich fallen.
Sie leben bloss von ihrem Solde, el Mdnda , welcher täglich 2Y4
Piaster betragt, wovon der Reiter auch die Ftttterungskosten
seines Pferdes bestreiten muss. Ein Beirakd^r oder Fahnen*
träger hat 5 bis 20 gemeine Kavalleristen unter seinem Befehl,
woftlr er den Sold zieht, obgleich er zur Friedenszeit von dieser
Anzahl nur 2 bis 8 hält, so dass der Ueberschuss des Soldes
ihm zu Theil wird«. — Hierzu bemerkt Herr Consul Dr. Rosen,
IV, S. 313 : »Das Institut der Haw^ri besteht noch jetzt [4859]
in dein Paschalyk Akka ungefähr so, wie Seetzen es boschreibt.
Es ist eine erbliche berittene Lcmdgensdarmerie. Der Singu-
laris ist ^^^t^, der Pluralis »^^^. — Mända ist ein sowohl im
Arabischen als auch im Türkischen Palästina's in der Bedeutung
Sold, Gehalt, sehr gebräuchliches Wort. Seine Etymologie ist
dunkel. Nach der Aussprache wäre zu schreiben L^U, mAnda;
stalt des {jß ein s> zu setzen, gilt für unorthographisch. Scheich
As ad leitet es ab von ^<ai Lo, quod paratum est«. — in dem
folgenden Zusätze von mir selbst glaube ich das Rechte getroffen
zu haben : »Auch Berggrcn, Guide francais-arabe : Solde, paye
du soldal, [iOJCQL>] ^a5U:>, ot LoJL«, v^.^ ^^, 'aUfe, ou
aloufe, pl. aU'i'f, mündha, pl. ^t, dj^mkiyyö. Hätte
Scheich As' ad mit seiner Ableitung Recht, so wäre damit zu vcr-
gleichen ^^Lo, pl. oii->L«, Begebenheit, Vorfall, zusammen-
gesetzt aus U und ^y>- Aber die Verwandlung von ije^ in
U3J scheint mir gegen alle Analogie zu Verstössen, und ich möchte
lieber die Vermuthung wagen, das Wort komme vom pers,
212
« o
»JüLe iD der Bed. von «JüL« ^m^, sJü'u ^j^^^, das Rück-
st und ige, — sehr bezeichnend für ein gewöhnliches üehel
asiatischer Finanzverwaltung. Die Verwandlung des o in das
emphatische {je würde sich dadurch rechtfertigen, dass die wei-
chern Laute des Persischen bei der Arabisirung überhaupt gern
in härtere übergehen, und hätte insbesondere noch für sich die
Analogie des arabischen >U9^t Zimmer, Stube (s. Bocthor unter
Chambre), vom türk. sJ^i, oda«.
11, 824^, 23—28. Der von Dozy den angeführten Worten
Muhammed^s gegebene Sinn, dass eine einzige gute Handlung
eines Menschen am Tage der Auferstehung alle seine schlechten
Handlungen ungeschehen machen werde, widerspricht ebenso
o
dem Gebrauche von Jk^t, wie hauptsächlich der wirklieben
o
Lehre des Korans. iL^\ ist hier ganz in Uebereinstimmung mit
H, S. 694**, Z. 24 — 23, »/a bonte de Dieu. sa misei'icordev, und
iXulSI J^4x: ^t%4^ das gesammte Thun des Menschen, gutes und
böses, nicht, gegen den Wortlaut, das letztere allein. Diese
willkürliche BegrifTsbeschrcinkung nöthiute aber Dozy w^£^^
in negativer Bedeutung zu nehmen, während es in der unmittel-
bar vorhergehenden positiven steht: »Der eine göttliche Gna-
denact wird am Tage der Auferstehung alles Thun des Men-
schen umfassen«, d. h. vermöge seiner Gnadenwahl wird Gott
bei^m jüngsten Gerichte alles, was der zum Paradiese bestimmte
Mensch im irdischen Leben gethan hat, mit Ucbertragung des
Bösen durch das Gute, in ein die ewige Seligkeit verdienendes
Ganzes zusammenfassen.
SITZUNG AM U. MAI 1887.
Herr 0. BöhtUngk legte einen Aufsatz vor: Bemerkenswert
thes aws Rämajuna, ed. Bomb. Adhj. I — IV.
Hiatus zwischen dem 4. und 2. oder 3. und 4. P^da,
den das Metrum nicht zu entfernen gestaltet. CT ^i,
3, 48. 10, 26. 25, 40. 32, 3. 38, 8. 22. 43, 52. 56, 40. 67,
44. 24. 3, 36, 4. 4, 25, 52. 27, 47. 36, 6. 53, 7. qi ^ETT 4, 45,
34. 48, 44. 49, 42. 58, 44. 3, 44, 74. 42, 26. 4, 49. 28. 43,
34. 46, 6. 51^ 4, 63, 22. 67, 4. 42. 3, 43, 4. 66, 5. 4, 40,
40. 56, 46. JBT 3 4, 35, 20. 3, 49, 22. 68, 36. 3^ H 4, 3, 26.
34, 7. 60, 22. 3, 69, 32. 4, 46, 23, ^^ 4, 3, 29. 4, 44, 9.
48, 54. ^\ 4, 27, 6. 56,6. m^i, 25, 44. 48, 47. 3,25,24.
4,43,22. qf^TT 4,40,43. 2,32,39. m\ 1,6,5. 3,34,42. qj 3
1,35,21. 4, 20, 26 (llfüssigerVers). 3^3(7 1, 45, 7. ^^1,
38, 8. 4, 12, 34. 59, 18. ^3^ 1, 44, 23. 64, 18. ^^4, 46, 7.
3,44,62. 5 3 4, 24, 8. ^3R 4, 44,76. ^^3,34,33. 33^4,
61, 5. 4, 21, 11. 3 JETT 3, 31, 37. 3 3 4, 55, 20. 3 5R 1, 17,
5. ^ 35r 1, 40, 9. 45, 41. 52, 23. 67, 24. 4, 62, 6. Nichlbe-
obachtung desSamdhi an diesen Stellen, ohne dass es das Metrum
erforderte, ist sehr hüufig.
Vom Metrum geforderter Samdhi an den genann-
ten Stellen. Eine verhältnissmässig seltene Erscheinung,
q-f 51 zu 3^ verschmolzen 1, 73,21. 3,46,3. 4, 18, 25. 5C nach
7 elidirt 3, 3, 6.
Wenn, wie wir gesehen haben, der Dichter vor keiner Art
von Hiatus sich scheut, muss es uns befremden, dass er an an-
deren Steilen zur Vermeidung desselben ein nichtssagendes
f^ einschiebt; so z. B. 2, 50, 42. 3, 64, 59. 70, 5. 4, 1, 7.
9, 10. 12, 14. 38, 33. 58, 13.
Dass der Hiatus und einige andere Umstünde dafür spre-
214
chen, dass jeder Päda wie im Veda auch im Epos ursprünglich
selbständig gewesen sei , habe ich schon in der ersten Auflage
meiner Chrestomathie S. 544 fgg. vermuthet. Ob in dem Cloka
1^ ^J^![^J^(^^lm: TST: H<iS^HdUI *. auch der Visarga in ^: zur
Bestätigung dieser Ansicht angeführt werden darf, wage ich nicht
zu behaupten, da er in der Ausgabe von Schlegel fehlt. Wenn
aber im Epos und in den Gesetzbüchern der Hiatus keinen An-
stoss erregte, so drängt sich uns die Frage auf, warum und wann
hat man ihn im Veda auf Kosten des Metrums auf das allerun-
geschickteste entfernt? Zur Zeit des Rgveda-PrAticäkhja war
der Process bereits vollzogen.
Hiatus mitten im PAda. 35r 35TT 3, 43, 50. 35 3 3,49,4.
gfl 1, 73, 48. 2, 416, 25 (bis). 3, 73,8. ^TT ^ 4,24, 7. lETT 3
3, 40, 8. ^ JBTT 4, 8, 5. ^ ^ 4, 47, 34.
ün regelmässiger Samdhi. ?f und 517, nach denen ein
H abgefallen ist, verbinden sich mit einem folgenden ?(oder?[T
zu 5(T, mit ^ zu ^, mit 3 zu ^. oUiyHNMrl^*5ll: 4, 9, 47.
^tl^Hlrl°hHH^H 4,44,24. »TilHllHHi^H 4,45,43. Mt^HillßWH
4, 46, 4.^^qFOTW^I^mq^2, 74, 43. ^"S7^F^frWl\3, 20.
42. rTHn%:^: 3, 69, 44. 3yHMH^H^4, 60, 8. ^WH
VlVm: 3, 47, 44. Hdlr^^lM 4, 49, 24. HH^NW 2, 54, 8. 3, 43,
42. qcl<^fUMfrlWrr2,67,26. 5r^WT^cT\2,87, 45. c^^WIrh'MH^
3, 66, 47. qTO.7m^: TSm\ 4, 39, 44. ^qR^ 4, 58, 4. Zu den
ö
beiden letzten Beispielen vgl. Pänini 6, 4, 434. Ein auf ^J" zu-
rückgehendes 5f verschmilzt mit ^ von ^frT zu ^. «nf^^ufcT 4 ,
24,8. gi^MlMHH 2, 37, 34. ^rFmq%% 2, 52, 28. ^fl^ 3,
60,35. raTOr3,64,29. |fUN"^fH 3 , 69 , 44. In iETiqT
^^trin 2, 34, 44 undc^lidHl ^PR 4, 42, 45 ist wohl ein Abfall
von JETT anzunehmen. Ob ^^ S^J^UH 4, 35, 7 nur des Metrums
wegen statt M^^H'^H gewählt wurde, ist nicht zu entscheiden,
da die bengalische Recension gleichfalls gegen Panini *m!^HI«i;l
tJHlfm ohne metrische Veranlassung schreibt.
Metrische Verlängerung kurzer Vocale. ^fsHH^IH^J
3,73,42.^rTOk5n:4,42,4.7ra}fH:4,53,42.fir3^^
■.. '-
215
Metrische Verkürzung langer Vocale. Hm^ i, 37,
6. HMMcj^ 2, 8, 26. ^^^fMUMI^i 2, 404, 8. Frf?q^TSf 3, 11,
77. 12, 22.
Vermischung der Nominalstämme auf ^ und H .
q^^stattqrarn: 2,112,30. rawNw stall f^rftFnq^3,42,22.
q^q^slatl t|i|nn[^3 , 14, 2. ^ffüTR^ "statt c^(lnirq^47 44, 16.
Ob auch tn^^HMltHMlRn^ 3, 2, 11 hierher zu stellen ist, lässt
sich nicht mit Sicherheit behaupten, da H auch als neu ange-
tretenes Suffix betrachtet werden kann. 3, 73, 20 lesen wir:
f^jHMlHiM cFqpTt ?:?erfH ^ Rfrrw i
qFn# iclt^i^m feft HltTUMli|»U: II
Comm.: N^tf) fifn^: | MINH<=hHH II Er hatte hinzufügen kön-
nen, dass auch der Nominativ ein Archaismus sei. Wir werden
wohl nicht fehl gehen, wenn wir nach der Analogie von M^^Ih
und J^^LMIhIM hier 1^f?7^ verbessern.
Secundärstämme. Aus dem Accus, ^ituuih geht der
Stamm "S^m hervor. 3t?IIUlHiH^ 2, 32, 29. In der Ausgabe von
Schlegel lesen wir statt dessen 3?nrt tT ^^i^lt. Feminina auf ^
haben eine Nebenform auf ^. «4<^^i (ohne Nolh) statt ^(4li|:
1,63,4. ignmnnin, 45, 34. sriaW? 2, 34, 2. ^rifrarcTFr
statt viiri^iriHH 3, 5, 36. VomMasc. jcmHM haben wir den Nomin.
PI. %Fn: 4, 30, 40. In ^^^|HHM 4, 46, 15 nimmt der Comm.
die Form t«f-H(Hi an. 5FT^ n. als Name einer mythischen
Waffe 1, 27, 6 = JJ^RcTn.
Unregelmässigkeiten in der Declination. IrrFH 1,
2, 12. 70, 36. 2, 101, 11 [^r^J % 62, 13). JTT: Nomin. PI. 2,
47, 12. IM: Acc. PI. 2, 32, 40. 3, 14, 28. J^lft^: Nomin. PI.
2, 91, 18. %T?t: desgl. 4, 33, 60. MM^H H^ : Acc. PI. 3,55,12.
qfTrT^: Acc. PI. 2, 39, 36. 4h1mHH^= ^rft^FWJ, 61, 18. 21.
m41mmH = M^lMmH 2, 105, 42.
Im Folgenden schliessen sich meine Bemerkungen und Bei-
trüge an die entsprechenden Paragraphen in Whitney's Gram-
matik an.
r
2t6
§ 27<, b. pj?rr:) Hl'^inHtHI^UI: 4, 6, 49. Ein Nom. acl.
auf ^ mit dem Acc. construirt finden wir ^ , 37, 45: MSUrhl
aT;[nt1g HSHtT^ MH^H*!^. Vgl. meine Chr.*, S. 305.
§ 275. 5Era ff ?r§ft^fH: 5^ Mfiw<i^lHH^SI, 64, 26.
§ 276. Accus, statt des Locativs: ^^cIHH-^MMI <iyp4HI frf^f
>Tq]Sr^2,69, 47. HH^RT 5mrT\4,66,34. 3BWf^5RW^2, 74, 46.
§ 449. Unregelmassige Formen auf JSTFft mit Weglassung der
vorangehenden Präpositionen: Jl^rft 2, 32, 8. 3, 43, 4. IFSfrfT
4, 26, 48. ^^ 3, 53, 26. ^iWrft 3, 48, 49. qi^ 2, 40, 44.
q^?Irft 3, 52, 44. 54, 4. 4, ^0, 8. qi^ 2, 4, 30. ^qm 4.
20, 22. 5nFEFft 3, 46, 9. 72, 26. T{^ 2, 42, 89. sPTOrfT 2,95,
46. Unregelmässige Formen auf 35rrft: SRrfT 2, 8, 43. 42, 57. 3,
ig 4. -^ 2, 9, 23. 42, 75. f^Rfrft 3, 42, 32. f^^ 2. 9.
T740. JTg^ 2, 42, 48. ^THrft 2, 40, 35. t^ 2, 27, 7.
§ 473. Hf^H^H^Adv. 2, 42, 46. ^l4Hrl\lM^2, 64, 72.
§ 476 fgg. Gegen Hoitzuiann (Grammatisches aus dem Ma-
hdbhärata) bemerke ich, dass Mahäbh. ed. Bomb. 4, 4,247 TH\
f^hnfFT** kein Compositum ist. Mahdbh. 4, 406 liest die ed. Calc.
wie schon M. Wintcrnilz in der Öslerr. Monatsschrift für den
Orient, 40. Jahrg. S.308 bemerkt hat, gfi'^lia t^lr^(S[liH: r^i^Wri :
ist aber ein an dieser Stelle nicht geduldeter Fuss. Die ed. Vardh.
4, 2, 426 liest richtig W^HilJ^H^UnidJ^.
§ 485. ^^^mcT 4, 65, 5 und q^l^H^4, 65, 6 als Accu-
sative. Vgl. Gaut. 42, 4 4.
§486. ^^^TT^^mf^ 4,43,9. ^fe: q^M^Himi 4,44,3.
q%: ^rar .r HcJWmiHM^liUUHj, 45, 34.
§ 494. Auffallend ist die Verbindung rt ^H im Sinne von
rl^q^rT in dem Verse qf^T^infe ^4^ Jlt 3" ^R Hld|H^2, 53, 48.
Der Accusativ Hin(H ist hier gar nicht am Platz, eben so weni^
der Singular. Dtlrfte man vielleicht MIH^h = HNI: als ur-
sprüngliche Lesart vermulhen, die zu dem oben erwähnten Acc,
PI- Hifi(: stimmen würde? Die Schlegersehe Ausgabe hal:
217
♦
§ 500. Eine Verwechselung zwischen dem substantivi-
schen ^ und dem adjeclivischen ^ finden wir 2, 22, 3 M^mA
Ihüc^HH , 2, 52, 83 (77 Schi.;, f^ MHMHHH , 3.3,73 Sr^CT
^H<IMHIH^, 2, 32, 34 ^ (^ Schlegel richtig) ^ifsi^snTW^.
§ 530. Parasmaipada und Atmanepada wechseln auf das
freieste, je nachdem es das Metrum verlangt.
S 546. 548. Statte und ITH linden wir sehr oft. insbe-
sondere im Futurum, ^ und ^. Fq = FI: <, U, 47. 28, 13.
19. 31, 4 (st. F^:). 33,3.65,19.2,6,22. 54,6. 55,12. 57J2.
61,26. 63,33. 93,7.9. 111,21. 3,8,5. 10,11. 11,94.
15,2. 4,51, 3. 56, 13. 57, 16. 65, 11. q^m^ st. qü^IR: 2, 17,
10. 4, 50, 15. 56, 43. 58, 39. ^ st. isR: 2, 35, 18. r|,r|g^jm
1,40,9. iJIH^^IH (neben JTfqqTFT:) 2, 91, 59. ?:?m^ 2, 40, 22.
47,11. 83,8. gfdd'^ÜIH 4,1,122. ^^^=OTT 2,54, 16. Vfr^m
<,45, 17. ^FnT5r4, 27, 25. c|rfülH 2, 47, 9 (^rfUIH gedr.). 33,
25. 3, 15, 19. 4, 27, 7. S(M4IM 2, 56, 7. Bei Stämmen auf ^
fallen demnach Präsens undimperativ zusammen. Einen Optativ
auf vpp[ statt q* haben wir in HTR: 1,45, 16. Vgl. Uoltzmann a.
a. 0. zu § 548.
§ 549. In der 2. PI. Act. finden wir ^ statt rT, d. i. Prä-
sens statt Imperativ und zwar mit diesem altern irend, obgleich
^ und FT metrisch gleich viel gelten. 1, 39, 13 fgg. sehen wir
ih^g, Rlhl-c(OT , y^ih^H, ^rJviJK^H und T^FlrT als Imperative
vorwendet. i^WWSJ 4, 43, 12 und 14 i^RlHrl in derselben
Bedeutung.
§ 570. Sf^rTlrl^S, 62^4. T?^^ "J J^/ - ■
§ 578. Von der 1 . Sg. Act. habe ich mir nur '^J^önfni 1 , 2, 41 .
16, 8. 12. 17. 2, 2, 15. 50, 36. 52, 8. 12. 118, 15 und i^^
2^ 18, 23 notirt. Daneben aber auch das Präsens 'ti^llH statt dos
Imperativs 1, 18, 52. 33, 14. 66, 3. 2, 7, 34. Im Dual und
Plural erscheint die erste Person häufiger, so -^^clH 4, 31. 4.
H^^m 3, 42, 1. 67, 3. ^{dHH 1, 27, 26. Jjr^m 2, 33, 17. 48,
16. 4, 12, 13. 53, 24. ^ffq 2, 107, 19. r^W 1, 45, 6. 2, 52,
3. nf^mq 2, 51, 24. q^F? 4 , 49, 23. mir 2, 47, 7. ^TOFT 1 .
26, 33. 4, 53, 25. f^HTim 4, 52, 13. Eben so häufig, wenn
nicht häufiger, wird in diesen Personen das Präsens statt des
1887. 15
218
Imperativs gebraucht ; z. B. 2, 46, 24. 47, 8. 50, 28. 78, 45.
3, 64, 48. 75, 40. 4, 49, 5. Unter den oben angeführten Dual-
und Pluralformen sind aber der Form nach nur 4i|c||c| und
cfi^cdH mit Bestimmtheit dem Imperativ zuzusprechen. wMhrend
die übrigen nach dem zu § 546. 548 Bemerkten auch zum Prä-
sens gezahlt werden könnten. Vom Med. sind mir keine Im-
perativformen der 4. Person begegnet, wohl aber finden wir das
Präsens auf MN«?^ und yiH«t sehr häufig in der Bedeutung des
Imperativs verwendet.
§580. qr mit augmentlosem Aorist ist sehr häufig; vgl. 4,
49, 49. 22, 42. 44, 47. 46, 20. 55, 25. 59, 2. 64, 5. 68, 47.
70, 35. 73, 34. 34. 76, 46. 2, 9, 27. 40, 32. 42, 44. 24, 48.
23, 49. 25, 48. 49. 24. 30, 49. 34, 46. 54 (^ zu lesen). 35.
8. 25. 40, 5. 42, 6. 9. 52, 45. 58, 23. 63, 50. 64, 36. 68, 8.
75,24. 27. 29. 36. 46. 85,9. 86,5. 408,2. 3,38,32. 52,
34. 55, 23. 56, b, 42. 64, 48. 72, 45. 4, 4, 445. 40, 9. 44, 38.
42, 36. 45, 24. 25, 45. 66, 47. Den Aorist mit Augment zeigen
qr — 33JFr: 4, 2, 45. q? «F^JTT: 4, 30, 84. 34, 48.
§ 586. Etwas ganz Unerhörtes ist das Augment in UrUM-ii
Absol. 4, 24, 4. qft^qq^3, 49, 3. ^^ipm (=35riHHl^^ Comm.)
4, 3, 27. Das Metrum gestattet VjfHM^U , MlfM^MH oder nftf^MH
und 51PWTO zu lesen.
§587. Augmentlose Formen : t|<[iM 4, 47, 34. 3, 25, 35.
JJ^^?TT\4, 60,20. t:UNMH^2, 44, 48. i|;^^2, 80, 7. Wm\
3, 44, "29. snqfT4, 70, 27. ^^ 3, 72, 3.*^ ^WrT^4, 48, 47^
qprH^2, 44, 9. MlMrllH^4, 52, 44. I^T^q?? 4, 43, 42. ^OürT
4, 53, 8. sr%nT 4, 46, 30. ^^ 4, 37, 25. 4, 64, 7. SS^rT
1,4,59. 5i:|rr2,416,4. imWTFTj. 22,40. 1^Tq?PTj, 37, 26.
^H(HiM^2, 4, 3. ^yfHsMHrMT^, 425. ^R^TSIcTj, 43, 45.
MrUH!JlHiH^2, 87, 46. JblHH-Urt 2, 405, 43. HHj^^HH 3, 24, 34.
^4M<HH^3, 54, 48. qftpf?H^4, 23, 20. g1WH^4, 26, 27.
qfH5fFTrr4, 37, 49. J^fWRj^ 40, 42. MMfi^4r^3754, 9. 23.
?rfM^^tFr^2, 5, 23. ^iqftqFTrT 3, 28, 24. 3^MI<MH^4, 9, 25.
MmF^^^HH 4. 39, 20. qft^^qcT 4, 57, 43. JGR^I^ 2, 7, 42.
219
3<{i(m^a, 67, 4. 91, 88. 60. 3rm^4, 75, 34. «P^f^fT:
4, 66, ii. 3q^qqfTj, 18, 44. 5P-WPf?fT^2, 4, 21. JMHiJh
(.so mit Schi, zu lesen) 2,96,8. fi^^MH 1,50,22. i^Pl«1H<i^
3, 11, 59. qft^Kqflf^a, 12, 21. f^«ÄT^4, 50, 9. qf^q^CT
.3, 60, 36. ^^('^IM 4, 16, 27. UMi^M^^I, 24, 20. MHI^Mr» 1,
66, 11. UHKMH^I, 66, 23. ?raT^^2, W, 4. !?Tnqrr^2, 52, 79.
R^T^illrT 2, 53, 20. y^^üfT 4, 61, 15. ^m\^r\ 4, 55, 18.
VI JHM^Jd 4,19,1. ^5n^qf^;^4, 38, 1. 5ftq^~2, 54, 4. Man be-
achte, dass unter allen diesen Formen nur zwei Aoriste (vi^^i^ihti
und UrU'ldlHiH ) sich befinden. Warum 5I^iR und j^^M't
des Augments entbehren, ist nicht verständlich.
§612. ägrFHstaltsn^ 1, 33, 12. Vgl. ku § 684.
§ 6^6. HHiMin in der Bedeutung von HrpHrT kann kaum
richtig sein.
§ 619. i^TOT: statt ^[^iHfU 2, 96, 4 (Bl. 480, b).
§ 634 . WnW\ statt HHI^lf^f^ 3, 47, 22.
§632. ^ (2, 19, 4. 3, 13, 17. 4, 7, 14) ist nach gq:
gebildet, 5cfH% (2, 23, 41. 3, 31, 43) nach gsfH?T. Unregel-
müssig ist auch öR^BR 4, 64, 22. Statt WUi 2, 52, 38 ist mit
Schlegel Wi\ zu lesen.
§ 637. öcm^pirr^(ohne Augment) 3, 51, 18.
§639. qg5nmftstatt3BR5nfPT2, 111, 25.
§ 667. 672, ^ (1, 27, 15. 2, 53, 21) ist nach ^: ge-
bildet. 'BI^J, 75, 25 und^^ (Schi. ^^) 2, 26, 13 gehen
auf ^ zurück, das im Dh^tup^tha unter den Wurzeln der er-
sten Klasse aufgeführt wird. § 672 ist bei Whitney Kl. 1 statt
Kl. VI zu lesen.
§ 679. isprm statt ÜpH^ 3, 46, 30.
§ 684. T^m statt f^m 4, 53, 16. Vgl. zu § 612.
§ 688. ^M^lMIrt^ statt UM?>Jlri^1, 4, 3.
§ 692. ^St^^T^^HFT 3. Du. 3, 70, 8 ist wohl nur ein Fehler
fürqfqp^lfn^.
220
§ 698. 703. i^i^Hgl 4, 43, 10 statt HJ^Hgl und i^WHfl
4 5 statt f^rf^RfT haben sich nach ^rirpoffH oder HH-^rl gerichtei.
§ 744. ^ 2, 42, 36 ist nach jq: gebildet.
§ 722. SRJ 3, 56, 24 statt ^mf. Im DhÄtup. wird übrigens
cRJ auch zur ersten Klasse gezogen.
§ 725, d. ^PT^^fTFT 4 ,4,4 nach dem Comm. ^I-^WH . Schi.
4 , 4, 2 hat richtig *>li|^lHm .
§ 745. fncw^hii 4, 63, 49 ohne alle Veranlassung sUittpIsgrFI:
H^5hHH 4 , 50 , 9 metrisch gefordert. Richtig ^PTJTHöRTOT i,
4, 425, dagegen >5m5tiiHn 2, 403, 6 gegen die Grammatik, ohne
dass das Metrum die Länge begünstigte.
§ 752. rPjm 3, 49,4 statt H^ , als wenn es zur 2. Klasse
gehörte.
764. Von ^TO , das im Dhatup. nur unter den Wurzeln der
4. Klasse erscheint, finden wir 3, 39, 22 HH^MM ^ HHI^OM^^
wäre nicht gegen das Metrum gewesen.
§ 774. Die im Epos vorkommenden Formen mit dem Prä-
scnscharakter rT und mit activen Personalendungen, aber mit
passiver Bedeutung, habe ich stets als wirkliche Passiva aufge-
iasst. Und dass ich Recht hatte, dafür mögen folgende Formen
den Beweis abgeben: V[f^piR\ 4, 42, 45. f^^rft = f^pWOTT
4,6,24. ^^17rft = ^5TPlIi!HT4,62,7. WUH: = MlrüMHW
4, 4 4, 44. 46. Hierher könnte man versudiit sein auch ^^^^^
3, 49,29 zu ziehen: aber der Optativ ist hier gar nicht amPlaU.
Die richtige Lesart H^sT^ bat die beng. Recension 3, 55, 4^
§790,c. ^^ 2, 34, 60. Damit zu vergleichen ist
fspl^rT: Mahübh. 8, 20, 47 in allen drei Ausgaben, die mir zu
Gebole stehen.
§ 794, e. jyjtlMrJ: statt ^T^: 3, 3, 20.
§ 797, a. Die Perfeciformen auf S[ sind überaus beliebt,
offenbar des Metrums wegen. Ich habe mir die folgenden (mit
Weglassung der Präpositionen) verzeichnet: r|bhf^m 4, 4,2.
^w{^ 2, 65, 45. rrmt ^' ^^1 ^' 8^' 6- '^^ '^^^ 22. sr^
221
2, 63, 16. rlft'ä^ä.SIJ. 80, 3. 5. 9«, 34. 3, 54, 29. 4,26,1.
45. 3. 9. ^ \, 57, U. ^1^2,63, 16. ^ 2, 55, U. 63,
n. 4, 53, 3. Hfs^2, «03, 43. R^2, 409, H. rpn^2, 106,
35. "^ 2, 104, 32. "^ 1, 77, 14. ^^ i, 65, 13. 66, 29.
108, 13. 4,22,31. 5^*^«, 104, 21. 51?»^ 2, 112,2.
§ 802 fgg. Den Gebrauch des Partie. Ferf. auf ^ als
Vcrbum lin. beschrüukt Pänini 3, %, 408 fg. in der Umgangs-
sprache auf Formen von ^, spf . m, auf 3t|ft|5fR uudi^HI^H.
2, 62, 20 finden wir fSR^M ^^Wpj^H^und 2, 72, 52 q^RSmqf^sIH^
In Jb<B<qtt1?Mg<H (aber nicht als Verbum fin.) 2, 19, 35 haben
wir das Partie, ohne Reduplication und zwar mit gegenwärti-
ger, ja eigeniiich zukünftiger Bedeutung, und gegen alte Ge-
wohnheit in Composition mit seinem Object. l(f^a|i(||ti|G|MijM
Hlfi(fyM!iliWc(H . Der Comro. erklärt das Comp, durch 5rft??}
§829. Bierher: 5PM 4, 22, 6. 34, 47. 48, 44. 34. 63,
3, 2, 3, 34. 47, 24. 63, 2^. 74, 4. 8. 40. 72, 29. 402, 6. 3,
29, 26: gjnil^4, 46, 8. qjj; 2, 94, 43 fgg. 5g^J, 4, 24. 22.
24,22. 29,21. 62,26, 75,22. 2,25,35. 3,74, 7. W[^und 3jFr^
(miiqr) 4, 22, 42. 24,3. 26. 35, 45. 68, 47. 70,^42. 74 1^3^
7. 2, 3, 5. 25, 48. 63, 25. 50. 65, 40. 73,29. 34. 34. 75,3.
24. 76, 46. 78, 5. 85, 9. 400, 4. 408, 2. 3, 25, 45. 69, 25.
4, 8, 44. 42, 47. 46, 29. 33, 39. 57, 6. 66, 9. 47. ^ 2, 34,
46. 86, 5. 4, 25, 45. ^3fq 2, 23, 29. ^^ 2, 25, 4 9. "^
§ 846. Hioi-her: «flFR^^u. s. w. 4, 4, 44. 84. 2, 45. 23,
49. 29, 49. 30, 26. 33, 44. 34,22. 37,4. 39,23. 44,25.
45, 44. 50, 4. 60, 44. 63, 8. 24. 70, 45. 73, 8. 2, 6, 4. 43,
45. 30, 49. 36, 40. 44, 44. 42, 9. 47, 45. 52, 92. 404. 54,
9. 45. 36. 59,33. 62,3. 64,36. 77. 74, 44. 405,2. 448,
34. 3, 7, 22. 47, 2. 34, 36. 63, 20. 4, 4, 424. 34, 34. 37, 22.
■^: 4, 46, 20. ig7^ri;^und 3Er^: 2, 36, 44. 46. '5r5^2, 64,
47. «RlrFT^und 35liN: 2, 7, 36. 49, 24. 90, 46. ^51^2, 44,
44. 64, 20? 99, 39. ^: 4, 44, 47. 70, 35. 2, 24, 48.\ 56,
b, 42. 4, 4, 445.
222
§856. Hierher: ?|#!5Irr^2, HO, 30. JT^: 2, 58,23,
^imm t, 55, 18. ^^ ^
§878. Hierher: «=hl«flfH^, m^fh^, ^iTsff: 2, 10, 3S, «i,
44. 22, 29. 40, 5. 64, 52. 75, 27. 46. 87, i9. VRJ^\,i%.
54. 2,69,8. ^I5fir^2, 75, 29. 36. ^: 1,59,2. 64,6. ^:
(§890) <, 55, 25. 3, 52, 34. ^: 2, 10, 32. mirRi: 2, 89, 5.
g5n«I^2, 40, 47. 63, 22. «ntrEft?T^2, 107, 3. Fmt: 2, 42, 6.
Med.: ^: <, 49, 19. 2, 9, 27. 34, 51 (qi wmST fW: w
lesen). 52, 45. 3, 38, 32. 55, 23. 61, 18. 69, 42 (SKSTf statt qai
zu lesen). 72, 15. 4, 10, 9^ 15, 24. lfm: 2, 35, s! 4, II, 38.
§898. Hierher: ?ro^)?^1, 1, 83. qiTff^lin 3, 74, U.
5nnf^HnT^«,72,27. mtfi: 4,2,15. 2, 12, 77. q^: 1,7i,ti.
5ftft: 2,35,25. ^tftjj: 2, 68, 8. W^i 4,12,36. I^ftw: 2,2o,2r
§944. Hierher nur ^mfifT 2, 87, 4 6.
'S
§ 925. Ich habe mir nur ^UIHM notirt.
§935, d. Die falschen Formen JRftenf^ und J|«^1&ij s(«U a
2, 34, 29. 72, 13. 33. 98, 9. 3, 43, 47.'^^ i^iH^\\i<- ,U f '
§ 938. Auf die Imperativformen Fut. ^fRrar[ , HpmiOT
und HHlcJ^Uyij^haben Lassen (De Penlap. S. 88), Schlegel (zu
Bliag. 3, 10) und Bopp [Gr. 1845, S. 244) aufmerksam gemachl.
Eine zweite Stelle für >lfifqiin^hal Holtzmann a. a. O. nachge-
wiesen. Betrachten wir uns die Stellen, in denen diese Formen
vorkommen, genauer. Mahäbh. 1, IUI (= 1, 17, 13 ed. Boiuk
und Vardh.): qH^^itf ^ «^rfUMHMH rTrT : . Hier ist das Futurum,
nicht der Imp. am Platz. Wenn der Comm. c|fFTOJT durch ^fCRJOT
erkli*rt, so kann dieses nur ein Fehler der Ausg. sein, da die
klassische Sprache eine solche Form nicht kennt. Die zweite
Stelle MM. 3, 14393 fg. (=3, 228, 7 fg. ed. Bomb., 227,7fg. ed.
Vardh.) lautet: öfjTfm 73^: |
r 'S
223
Hier sind Futur, und Imperat. gleichberechtigt. In den beiden
Uhrigen Stellen Bhag. 3, 10 und Räm. ed. Bomb. 1, 27, 27 (ed.
Schi. 1, 29, 25) erwartet man einen Imperativ, kein Futurum;
es ist jedoch zu beachten , dass auch das Fut. nicht selten die
Function eines Imper. hat. Nun fragt es sich, ob das Epos wirk-
lich ein Imper. Fut. entwickelt hat und einen solchen zu ent-
wickeln dasBedttrfniss fühlen konnte. Haben wir nicht hier, eben
so wie sonst, nur eine Verwechselung der primären und secundü-
rcii Fersonaleudungen anzunehmen? Vgl. zu § 546. 548 fg. Ich wäre
geneigt, mich für das Letztere zu entscheiden, da das Epos die
schon vorhandenen Formen bunt durch einander mengt und mit
ihnen nach der grössten WillkUhr verfahrt. Stutzig könnte uns
nur machen, dass wir Räm. 3, 56, 20 SQgar einen Optativ Fut. an-
treflen : ^TH HT rlUlH'c^Wl Sfj^ li^Wf HÄ«t»H. Comm. : ^TfOH ^^^üiF[^
Man hätte t|'^llH erwartet, aber wie sollte dieses aus jenem ent-
standen sein */
§968. 105^1161. Fehlerhaft Jl^fjq^a, 44, 44. 4,7,8.0^^
"^
nt
4 8, 25; richtig U^IrjH^ 3, 55, 24. Von ^, ^ ken
Whitney in seinem Wurzelverzeichniss nur ^fTpJT ; ^M'4if^fiH
finde ich 4, 54, 11. i^Mli4r|H 2, 106, 5 ist vom Prüsensslamme
gebildcl. ^lfel5iT^2,30,10, !5rfa^fefgq3, 24, 13 und ^o|Hlf|rlH^
4,56,21 haben sich nach den Participien ^rfelrT, !Hf?Rif3fT und
*4c|H lf{H gerichtet.
§ 990. 1019. 1051. 1094. Für den Absolutiv auf m und
7? habe ich folgende unregel massige Formen zu verzeichnen :
:5^ 1, 27, 1. 48, 9. 2, 15, 1. 52,84. JFST 3, 69, 5. 1^1,29,
25. 43, 6. 49, 6. 75, 2. 2, 3, 34. 36, 25. 84, 10. 3^ 26, 19,
51, 21. 27^ 54, C 68, 13. 69, 32. 74, 1^ 4, 44, 15. 51, 15.
52^ 14. g^2, 75, 17. r?Hri,88, 11. 3,59,3. 26. 4,1, 124.
5^ 1,30, 19. 48, 11. 76, 22. '^ 2, 97, 12. «I^ 4, 30, 14.
irkr 2, 39, 10. WIQI 2, 14, 22. 4, 25, 52. — qrlFTCT 4, 67,
16. 5[FT|T 1, 72, 20. 74, 1. 2. 3rFfftr(^ 3, 43, 43. NhI^MI
3, 30, is! fimfüfer 4, 63, 2. Mqc||cj.tMHI 4, 28, 39. yi|lMpWI
1, 67, 17. MlMimfM(^T 2, 89, 22. 3r^lMp^(MI 2, 72, 23.
Pl4r^(i4di 4, 30, 22. R^f^FHI 3, 1, 18. 4, 39, 43. WwP^^MI
2, 89, 22. 4, 39, 44. Mr^HINiMfill 4, 30, 57. ^l^#mT 3, 32,
/Wa<'1
224
25. ^IdNiMHI 3, 40, <8. 42,8. ^TFrfq^ 4, 58, 35. |^«dp4P<l
<, S, H. 23. <2, 22. 2, 19,34. 4,38,2. wfferflim 2, H5, 18.
fl^FHw 1, <6, 24. MfMTiiMF^I <,54, 5. if^iw 4, 57. 33.
M^WiiMI 1, n, 27. 73, 10 (M^^rU <, 13, 41. 18, 5. 24, 1).
m{4\d( I 2 , 68, 33. ^miftoT 4, 30, 24. — Von Wm lauleC
der Absolutiv 3g^^?JTPT 2, 8, 1.
§ 994. Gegen Whitney ist zu bemerken, dass der Absolu-
tiv wohl gewöhnlich auf das grammatische Subject zu beziehen
ist, aber nur in dem Falle, wenn dieses Subject als wirklich
handelnd erscheint. In jedem andern Falle ist er mit dem logi-
schen Subject zu verbinden oder mit der Person , die bei einer
Handlung oder Erscheinung der eigentlich Handelnde ist. In
dem Beispiele rlrT: 5r^I^?im H g^NUI ^tTJ muss also der Ab-
solutiv mit 0/4 i^m verbunden werden , in fsR sf ^T fUlf^^ °f»^
mit q, in yf^rU ^n^ HNt||M MrticiH mit dem zu 337^ und
^rtH zu ergänzenden unbestimmten Subjecte »man«. Demnach
müssen wir an H(^ in dem Cloka 2, 1H, 7 gerechten Anstoss
nehmen : (^nifelTF ^|c|^UI) WPFd MWHI ^ Hül^VU HHir*ilrllH I
!?!ilWHIMI^idI sidirniMcl R^^RFf \\ DcrComm.:?iq?lT?IT^RTi|fif-
Fra H^ HrHdy Wi yiUJ. Wahrscheinlich ist HcIT zu lesen. Sehr
CS. CN
auffallend ist der Absolutiv in m?IVIIr'«4IM Pß 5!^ 2, 89, 2, wo
wir den Imperativ erwartet hiUten, den wir in der Schlcgel-
schen Ausgabe auch wirklich antreffen.
§ 995. Nur 3M^HM^3, 7, 22.
§ 1020. t4siiM(i 2, 50, 50 nach dem Comm. so v. a.
§ 1043. Cnregolmüssig sind die Participia 3^t^TTH (!) 3,
75, 29. ^IHMH 2, 100, 28. MrlMH 1, 8, 2. 2, 64, 5S. 118,
38. 3,55,2. (RirlMHH 1,18,38). e^PT^TR 3,44,5. NMrIHH
2,83, 26 und ^4cj>HH 2, 65, 15 sind falsche Formen für t^if^rlMH
und H^cJiMH, wie ed. Schi. hat.
§ 1081. Die Präposition vom Vcrbum getrennt in: !^|M'^q|
^: 5f^| dlijM ^ slJfr 1, ?, 29.
225
§ 1087, c. bUMdIMH 2, 78, <3.
§ 4098, a. 5F?JrTH^= «RFCT in ^^ ^Wl^ll^H r!^ H^
HHJH: 1, 19,2.
§ 1150, 1 , c. MfHfci^H vom Präsensstamme 2, 107, 9.
yPiM^H Schi.
§ 4237. Suffix m zum Überfluss an eio Nonien abstr. ge-
fügt in Jb4HUMr1l2, 24, 35. 94, 17 und 5«h^dl {^Ric^^rTT gedr.)
4, 60, 18.'
In Whitney^s Wurzel- und Verbalformen können nachge-
tragen werden : Mlt^mtH 4, 54, 16 bei y ^TO^, Pl^l^U 2, 52, 44
(HSFir häufiger) bei }/ 3. 5FR^, bU^M*i^4, 55, 19 bei y 1. HT-
Anderes ist schon früher besprochen worden.
Nun mögen noch einige eigenthümliche Erscheinungen, die
ich bei Whitney nicht unterzubringen vermag, hier in aller
Kürze erwähnt werden.
S|^l<jjir1 2,52, 47 wohl fehlerhaft für y^?rUfH oder ysf^^ ;
f^J?mftr 3, 68, 27 sicher verschrieben für f^^^nl^.
cll^HM^Ü 2, 47, 12 von Mehreren gesagt; m^^ ed. Schi.
^m^ 1, 18, 42 statt des Patron. ^^=^R?.
Auffallende Neutra: VP\m^ '\{\*\\^Jt, 48, 15. «T^^TRs^T^rftf
4, 50, 35. 51, 5. 19. oqjrfH 4, 35, 13.^
Verstösse gegen die Congruenz: I5^^ri|4 ^^^^2, 20, 44
(^^Tf^ft Schi. 42), Bm:) tHUIMMi^lliiim: 2, 39, 22 (5TORT-
3nfe^1^rn: ed. Schi.), TO Rq^^TTrW: 1 , 65, 29 (fiw^^:
ed. Schi. 27), g^ HrRJrT 2, 25, 25 (ed. Schi. 23 richtig ^^),
^n?TH — WT 4, 4, 34 fg. (ed. Schi. 30 richtig ^l^rT ),
^ T^ MPlUll^d ßR^^ HHMIilrTl 1, 31, 4 (nach dem Comm. ist
^ Parikel; ich glaube, dass ^ = FJf: hier ungenau für F^ =
T^: steht), iliH^Jgj 3, 73, 6. 11, H5lfiTO«F 44 und ^ 4,
3, 28, PI. statt Du. «hlH^^i gq^^T fty^T ^ ^gf^Ti^lrT 2,
1(), 13 Sg. statt Du.
WWW\ Adj. 2, 72, 20 = S^lMilM, wie die v. 1. hat. RrO^
= ^Tna^ (so ed. Schi.) 2, 56, 9. 103, 43 B^ melrisoh falsch).
mi in^er Bedeutung Ruder 2, 52,81 ; vgl. Cat. Br. 4, 2, 5, 10,
226
Zum Schliiss gedenke ich noch zwei Stellen ausführlicher
zu besprechen. 4, 42, 20 lesen wir:
Hierzu der Comm. : ^T^TF^itjT ^ sHcTHT ^R Hrllrf^MI i 'WT ^:
5^HWMl<HJ^[lfTrt^ ^ig^^Wqi^ | ^ rqr q^ fepfNl ^Tf
7^ ^ ^ Ql7t >SFg I ^ITfTt »I f?i^ rjrfrt c*|W{ m^ ^rU^: I ^
^^M^IM^lf|HI HJfl^^fü 4ßlHrm^; il In SchlegePs Ausg. 4, 43,
24 lautet der erste PAda: ^ tf Tftrirff^; im Übrigen vollkom-
mene Obereinstimmung. Dem Comm. hat, wie ich glaube, die
Lesart ^ (oder rpi) ^ ^ UHr9 vorgelegen. ^f!r& fasst er
einmal als Nomin. (!) und als Subject von ^m, das zweite Mai
als Dativ , den er mit dem Folgenden verbindet. Es ist selbst-
verständlich nur von einem Wunsch die Rede, und ^: ^: be-
deutet nicht »der andere, zweite Wunscha, sondei*n »der grössle,
sehnlichste Wunscha. in der beng. Rec. 4 , 44 , 18, die einen
ganz anderen Wortlaut hat, wird nur darum gebeten , dass die
Nachkommenschaft nicht erlöschen möge. Statt ^l^ wird dort
Vim^: gelesen, was dem Sinne nach auf dasselbe hinausläuft.
In ^ i|Mc^ ^Hrtl brauchen wir nur einen Änusv^ra über das
^ zu setzen, um die aller Wahrscheinlichkeit nach ältere und
vollkommen befriedigende Lesart"^ tfj^ ^ ÖHr?) »ich bitte
um Nachkommenschaft tt herzustellen.
4, 43, 6S1 lautet:
fTcT: mm: Trf%fTT: ^^^^1 HMlKlHi: M4iJutMH)|H: i
^f|^dS||c|rylHSlllrl5ll5HI: M«J.fyqi ^TU^: U^WU M
Diese Worte richtet Sugrlva an die Affen, nachdem er sie ange-
trieben hatte. Alles aufzubieten um die von Rävana geraubte
Sltd zu entdecken. Schwierigkeit macht nur das eine Wort
^aOTT:. Der Comm. erklärt; ^; yiiuil^rfw^ ^ HrraTf: I
mfuiPt ^tHtioiH ^rU^i I Gegen diese Erklärung ist zunächst
einzuwenden, dass HHU|I: nur ^JrHR (oderHrf) ^i^m^ti ^ sein
C^v ^ CV €\
227
kann, nie und nimmer aber H^y^H ?• Aber auch der auf diese
Weise gewonnene Sinn kann uns nicht befriedigen, in der
beng. Rec. lauten c, d: MSjiUlfI iSi^H^ ^aPFIT: ll^ftmi HrW^
^((^^ H So wird der Knoten wohl zerhauen , aber nicht ge-
löst. HfT^ bedeutet an unserer Stelle nach meinem Dafürhalten
lodas Vergangene im Gedjichtniss bewahrendu. Sugrlva will da-
mit sagen, dass die Affen nach vollbrachtem Werke den Ihrigen
ihre Erlebnisse würden erzählen können.
Derselbe übergab Bemerkungen zu der im Jndian AnÜquaryy
1887, S. 63 fgg. von F. KieUiorn herausgegebenen und übersetzten
Inschrift,
Ich bewundere die guten Augen, die ausserordentliche Ge-
duld und den grossen Scharfsinn Aller, die aus einem mehr oder
weniger gelungenen Abklatsch einer indischen Inschrift diese
uns in einer leserlichen Form vorftihren, und bedaure nur, dass
bisweilen der Inhalt einer solchen Inschrift der auf die Entzif-
ferung verwandten Mühe und Arbeit nicht in vollem Maasso ent-
spricht. So verhält es sich z. h. mit der hier zu besprechen-
den, aus 14 Versen bestehenden undatirten Inschrift, die von
Muräri, einem des Sanskrits vollkommen kundigen Brahmanen
zur Verherrlichung eines Fürsten Jakshapclila verfasst wurde. Die
Restitution einiger fehlender Silben und die Obersetzung sind
über alles Lob erhaben. Nur an einigen wenigen Stellen kann
ich Kielhorn nicht beistimmen, eben so wenig er mir. Wer von
uns Recht hat^ oder ob wir Beide Unrecht haben, mögen Andere
entscheiden.
Vers 6 lautet :
MfUiw^dH »TO^ «RtTT W^-
Kielhorn ttberseUl: >0n the orfo of the regions and intermediate
228
rcgions, long rendered white by bis bright fame, spreading all
around, the nioon, by day and by night, places in abundanceihe
deer that forms her own dark spot, in order to make [that
Spot] known in the worlds.« Dazu die Note : »The spot in the
inoon being rendered invisible by the lustre of the prince's ferne,
the moon !s represented as placing the deer, one of uhicb forms
that spot, on the earth, in order that her spot may not be aito-
gether forgotten«. Der Mond setzt selbstverständlich, wie auch
Kielhom annimmt, das Reh auf die £rde ; in der Übersetzung
aber ist es «the orb of the regions and intermediate regionsf, wo
der Mond dieses Wunderwerk geschehen iässt. Der Loc. ^öfT
mit dem dazu Gehörigen muss also anders aufgefasst werden
und zwar als Loc. absol. Auch glaube ich, dass >ic^U| nicht »in
abundance«, sondern »von grosser, colossaler Gestalt« bedeu-
tet. Wenn auch das Reh an und fttr sich nicht colossal ist, so
ist es doch colossal im Vergleich zum kaum sichtbaren Reh im
Monde. Ich übersetze den ganzen Vers: »Da durch seinen (des
Fürsten] glänzenden, nach allen Seiten sich verbreitenden Ruhm
das ganze Weltall seit lange blendend weiss geworden ist, so
setzt der Mond sein Zeichen, das Reh, um es bei den Menschen
bekannt zu machen, Tag und Nacht in grosser Gestalt hin.«
Der dritte P^da des 8. Verses beginnt mit den Worten
rTH^Rm «fii^M^l^a NsfiwTfT, was Kielhom durch »when, under
the sway of the Kali-age, sacrifices had ceased to be offered«
wiedergibt. Muräri hat doch wohl ohne allen Zweifel sagen
wollen: »beim Anbruch des Kalijuga, in welchem Zeitalter die
Opfer verschwanden«. Konnte dieses aber wohl einfacher als
durch ^H^RrlT: ^if^T^XIHT 1^° ausgedrückt werden"? Wie sollle
Muräri auf die andere gezwungene und seinen Gedanken nicht
einmal wiedergebende Ausdrucks weise verfallen sein? Es wird
ja nicht der Anfang, sondern das ganze Kalijuga, als dHchcj ge-
dacht. Wir finden in der Inschrift auch h\\kH statt ^[^ ,
^m:^: statt WH:, 5r#RfT statt cRfer, Tf^ statt W^ u.s.w.
Wie wir diese orthographischen Versehen nicht dem Autor, son-
dern dem Steinmetzen zuschreiben, so werden wir wohl auch
für dHshH) nur diesen verantwortlich machen dürfen. Wissen
wir doch, dass auch in griechischen und lateinischen Inschriften
229
ähnliche Versehen von Steinmetzen und Graveuren keine Sel-
tenheiten sind.
Der 9. Vers berichtet uns, dass der Liebesgott alle seine
Macht und sein Ansehen verloren halle, und dass der Schöpfer
beschloss Jakshap^la zu der Würde dieses Gottes zu erheben.
In der ersten Hülfte werden die Gebrechen des altgewordenen
Gottes aufgezählt und zwar mit folgenden Worten :
[wii] ^H^HMi ^{^^^^ Prarar hüft:
Kielhorn übersetzt : Dconsidering (dieses entspricht dem folgen-
den ^f?f) Ihat the god of iove , scorched (and) deprived of his
body, {had to dwell) within otherS; — that he had been con-
quered by every beggar even, — that his strength cousisted in
feehle woman, — and Ihat he never was long steady«. Zu dem
eingeklammerten Worte wird bemerkt: »I am very doublful
ahout the two aksharas put in brackets; the wriling on the
stone appears to be quite piain, yet I can make out, with cer-
tainty, only that the upper portion of the second akshara is %.
Der Liebesgott wurde allerdings von Civa verbrannt, warum er
jiber als solcher und in Folge dieser Verbrennung körperlos in
Andern seinen Wohnsitz aufgeschlagen haben soll, ist mir nicht
recht verständlich. Auch ist dieses noch gerade kein Zeichen
seiner Schwäche ; überdies ist die Übersetzung mit der Ergän*
zung »had to dvelU gar zu gewaltsam. Man erwartet doch, dass
der Instr. M^^-HMI den Grund angebe , weshalb der Liebesgott
^7^1 Andern gegenüber« dieses oder jenes sei. Ich vermuthe
T]"^. Der Liebesgott ist seinen Feinden gegenüber frech wegen
seiner Körperlosigkeit (die ihn vor jeglichem Gegenhiebe schützt).
Den verschiedenen Mängeln des alten Liebesgottes entsprechen
in der zweiten Hälfte die Vorzüge des neuen : der t^-i^-ri? —
^RrarPMrT , dem q^: ^N und f^RTRöH Plßfk: MNUIlfM (was für
einen Mangel gilt) — SfrlT I^MIH , dem ^R^TT^FT: — J^ft^ni-
^MdH: und schliesslich dem Jbjf^^^^lMl — traft mi ^.
Vers 41 lautet:
230
Kielhorn übersetzt : »Since the Lord of Fortune, well pleased by
(his) unswerving devotion, had been entered fond of {dwel-
ling within) the small hut of the lotus of his heart, Fortune,
— (ever) growing with the virtuous {prince who was) worthy
of her, though she was day by day bestowed (6^ him) on
supplicants, — playfuily resorted with eagerness to him,
knowing him to be the dear habitation of her own lord.«
McUi^^lf|uD(c|{rll (die Elision des 5J ist wie gewöhnlich im Ori-
ginal und bei Kielhorn nicht bezeichnet] Hf^: soll nach Kiel-
horn = Jb<QUfHt<li(Uli Hf?rr: sein, was Bhagavadgttik 13, 40 er-
scheint. 5Iö?jftTnf^T!fh^ kann nach meinem Dafürhalten nur
»die unwandelbare Hingebung einer Frau« bedeuten, und
Jj^ »seine Freude habend« doch nur von Personen gesagt wer-
den. Ich bestreite also die Richtigkeit der Gleichsetzung von
Mc>jiHr4lf(ufl(^|cll mit yoyfH^ll^ufi. Ferner nehme ich sehr
grossen Anstoss daran, dass m(9hli^rlH am Ende des ersten
Halbverses mit dem am Ende des 2. Ualbverses stehenden
flfinn: construirt wird, um so mehr, als dieses schon mitöBPW
verbunden ist. Ich glaube, dass jegliche Schwierigkeit gehoben
und eine Pointe gewonnen wird , wenn wir ^rfWT als Personf-
fication und M^cfHÜHH^als neutr. impers. (die Stelle des Verbi fin.
vertretend) fassen, ich übersetze demnach: «Nachdem der Gatte
der Crt (Vishnu) hocherfreut die kleine Hütte seines (des Fürsten)
Herzlotuses bezogen hatte , scherzte die an der Untreue einer
Frau (oqf^Tuf^uDeci) ihre Freude habende fihakti darüber, dass
die GrI , obgleich sie Tag für Tag an Arme vergel>en wurde, in
der reinen, ihrer würdigen Person, von Neuem erstand und sich
gern an ihn (den Fürsten) schloss , weil er die liebe Wohnunp
ihres Gatten war.« Die Bhakti, die personißcirte auf Glauben
beruhende Liebe zu Gott, hiltte es gern gesehen, wenn sie im
Herzen des frommen Fürsten allein geherrscht hatte, musste es
231
aber erfahren^ dass Crt, die Göttin des Reichthums, trotz aller
Geringachtung von seiner Seite ihm treu blieb.
Zum Schluss bemerke ich , dass die Vers 5 beginnenden,
auf den Fürsten zu beziehenden Relativpronomina im 12. Verse
ihr Correlat H: finden.
Va ria.
4.
Im 25. Bde. der Zeilschrift d. D. M. G. S. 605 fg. erstattet
W. Pertsch einen Berieht über eine Sammlung indischer Mün-
zen. S. 607 finden wir auf dem Rv. einer Kupfermünze die In-
schrift:
(darunter ein Schwert)
Die Bedeutung des ^ ön^Tf^ ist Pertsch nicht klar. Gemeint ist 3
^jjLf3 ^«^i-^. Dieses wohl aus dem Mongolischen entlehnte Beiwort
tapferer Fürsten erscheint im Sanskrit gewöhnlich in der Form
^n^TST- ^^"^ ""^ ^^"^ vorkommende — 5(7 — ist auf dasselbe
Wort zurückzuführen. Mit dieser meiner Erklärung ist Pertsch
einverstanden.
2.
Der 42. Spruch in der vortrefTlichen Ausgabe der Subhdshi-
lävali von Peter Pelerson undPanditDurgAprasäda wnVd auf S. 623
unter denjenigen Gloka angeführt, deren HIrMMH den Heraus-
gebern ti^i^^n sei. Er lautet :
HMWlRH<j[HWHHM-MIUi¥lOHK^I-
% s^ifH-M[HrJ|MI^<M(HrlM^iyi^Jm vT^Pf: I
yrU«UJfHHHI ^Pn ^ ^ ^ vPt chH'^'JrMM :
criH^ 5^slMl^MH^uP^l^H FHän-iit 5Tir^iri : M
in den Notes finden wir für y die v. I. "SlfUm: und fol-
gende Übersetzung: »Vour tears falling on my Shoulder have re-
232
vealed lo me that in sieep you have met, and are seeking to win
forgiveness of your real heart's queen : yet you ask me to give
you some assurance of love. This is to invert our parts.« Der
Sinn ist: »You should surely give, not seek, some assurance of
the kind required.« Ich vermisse in ß die Angabe der Person,
auf die ^nUrT: zu beziehen ist, und nehme an ^Elf^ Anstoss. Alles
kommt in Ordnung, wenn wir >rRP5nH: statt >rUJWpT: leseo:
HT und r:q" konnten leicht mit einander verwechselt werden.
Ti^ m ß und das damit in Correlation stehende ^QrlTT in / kom-
men in der englischen Übersetzung gar nicht zur Geltung.
Meine Übersetzung lautet: »Da ich aus den Thranen, die aus
deinen Augenwinkeln hervorbrachen und auf meine Schulter fie-
len^ ersehen habe, dass du deine (wahre) Geliebte, zu deren An-
blick du im Traume gelangt warst, auf das Angelegentlichste zu
versöhnen suchtest, so muss doch wohl ich, o Hari (Rrshna), dich
trösten. Welch eine verkehrte Ordnung! Diese von einem Hir-
tenmädchen gesprochenen, Krshna beschämenden Worte, mögen
dich behüten.« Zu yrUIUI vgl. 2. MrUIMH 2) b).
3.
Unklar ist den Herausgebern auch Spruch 431.
Ich glaube übersetzen zu dürfen : »Was zum Munde hinausführt
ist Eines; was aber im Herzen sich offenbart, ist ein Anderes.
Ein solches Verfahren sieht bei schlechten Menschen oben «^n
und tauscht Unverständige wie eine Luftspiegelung, bei der
man Wasser zu sehen wähnt.« s^rii^^, nicht f^rTT^, bedeutet
»täuschend«; ich vermuthe, dass man V|rll('4i in dem Glauhen,
dass Vi nothwendig Position machen müsse, durch Tcfcii^t» ersetzt
hat.
Herr RcUzel sprach über die geographische Verbreitung des
Bogens und der Pfeile in Afrika. Mit einer Tafel.
Wenige Arbeiten Oskar Peschels zeigen so schtfn die
Eigenihttmlichkeiten eines der feinsten Geister, die die Ge«
schichte der Geographie zu nennen hat, wie der Vortrag »Ober
den Einfluss der Ortsbeschaffenheit auf einige Arten der Be-
waffnung«, welcher am S6. März 4870 vorder Geographischen
Gesellschaft zu München gehalten wurde ^). Es spiegeln sich
alle Richtungen der vielseitigen Geistesarbeit dieses Mannes in
der geradezu spannenden Abhandlung. Dieselbe geht von
der Bedeutung der Unterscheidung bogentragender und bogen-
loser Völker des Stillen Oceans fttr die Entdeckungsgeschichte
aus , um den Grund des Fehlens dieser Waffen bei einigen von
diesen und bei Inselvölkem Westindiens in dem Mangel grosser
jagdbarer Sfiugethiere, bei Hirtenvölkern Afrikas und Acker-
bauern Amerikas aber in dem Mangel der Obung nachzuweisen,
welche gerade der Gebrauch von Bogen und Pfeil in besonders
hohem Grade erheischt. Aus dem engen Zusammenhang zwi-
schen Bewaffnungsweise und Kulturstufe schliesst er, dass die
Bewaffnung dazu dienen könne, das Schicksal von Bevölke-
rungen vorauszusagen; »und der Bogen und Pfeil des Jägers
erscheint uns in diesem Sinne als ein Svmbol fOr das sichere
Erlöschen einer Menschenrassec.
Indem wir in diesem Vortrage die Fülle des Wissens, die
Tiefe erd- und völkerkundlicher Einsicht, welche so innig ver-
bunden bei keinem Geographen der Gegenwart uns entgegen-
tritt, den Gedankenreichthum und die anziehende und ge-
winnende Form bewundern, beklemmt uns vielleicht ganz leise
1) Veröffentlicht im »Ausland« 4870, No. 49.
4887. 46
234
das Gefühl, in allzuraschem Fluge die wechselnden Gruppinin-
gen der Thatsachen an uns vorüberziehen zu sehen und am
Schlüsse fehlt uns zur Befriedigung wohl nichts, als die vollo
Sicherheit , dass die Verbindungen von Ursachen und Wirkur-
gen, welche uns aufgewiesen wurden, auch ausserhalb des
hellen Lichtes dieser Darlegungen sich alle fest begründet er-
weisen möchten. Jedenfalls nehmen wir die Überzeugung mit,
dass ein hochwichtiges Problem hier aufgerollt ist und dass
es sich verlohnt, die Verbreitung des Pfeiles und Bogens über
ein grösseres Gebiet hin und genauer zu verfolgen, als Peschel
vermc/bhte. Dieser Versuch mag gleiobzeitig den Nutzen haben,
zu zeigen , inwieweit unsere Kemitniss ethnographischer That-
sachen seit damals sieb vermehrt «nd vielleicht auob ver-
tieft hat, d. h. inwieweit unsere Kenatniss der geographischen
Verbreitung und zugleich auch des Wesens und Zusammen-
hanges ethnographischer Erscheinungen fortgeschritten ist. Man
ruft heuAzutage mit vollem Recht nach Sammlung des rasch
binsohwiadenden ethnographisohen Materials, aber man ver-
gtsst, dass ohne scharfe Bestimmung der Herkunft der schein-
bar kostbarste Inhalt unserer ethnographischen Museen wissen-
schaftlich nur von geringem Werthe ist* Denn wenn diese
Waffen und Gerdthe niobt von ihrer geographischen Herkunft
sprechen können, sind sie in der Regel für die Wissenschaft
überhaupt stumm.
In Afrika fiaden wir eine Anzahl von Stämmen , welche
Bogen und Pfeil verschmähen, so dass als aligemein afrika-
nische Waffen streng genommen nur Speer und Messer bexeicb-
net werden können und mit um so grösserem Rechte, als Speere
verschiedener Stärke und Grösse als edlere Waffen , selbst als
Werth- und Wtirdezeichen auch da geschätzt und beaonder$
im Kriege vorgezogen werden., wo Bogen und Pfeile als wohl-
bekannt gelten können. Dieses Verhältniss, das seitens der
meisten Ethnographen kaum die nöüiige Beachtung gefunden
hat, entging nicht dem Verfasser der besten unter den kürzeren
Darstellungen afrikanischer Völkerkunde, Robert Hartmann, der
in seinen »Völkern Afrikasa (1879, S. 146) den Speer, »die
eigentliche nationale Hauptwaffe des Afrikaners« nennt. Es sind
zunächst die im engeren Sinn ikls KaSiern bezeichneten Völker,
welche SUdostafrika zwischen der Kalnhari, dem unteren Zain-
besi und dem Grossen Fischfluss bewohnen , die auf Bogen und
235
Pfeil versiohteD. Die eigeniHchen Kaffern, die Zulu, sowie
die Betschuanen, bis hinauf zu deren nördlichsten Ausläu-
fern y den Makalaka und den jetzt im Kampfe mit den Marutse
untergegangenen Makololo, führen diese Waffen nicht, sondern
kömpfen bloss mit Speer und Schild. Als Lichtenstein nach
Kurunian kam, fand er zwar in der Htttte des Thronerben
der Batlapin-Betschuanen einen Buschmannbogen nebst yoUeni
Köcher, der erbeutet worden, und nun dazu bestimmt war,
ihren Hirten im Kampfe mit den sehr bogenkundigen Busch-
männern eine bessere Waffe zu bieten, als die mehr fttr offenen
Angriff bestimmten Assagaien; aber die sozusagen officielle
Kriegswaffe blieben diese letzteren. Wenn also seitdem ge-
legentlich von den Betschuanen Bogen und Pfeil benutzt ward,
so geschah es doch nur seitens untergeordneter Elemente des
Volkes oder in Nothwehr^).
Für ähnliche Prozesse der Annahme oder auch der Ab-
legung dieser Waffen liefern auch sonst die ostafrikanischen Ge-
biete, mit ihren ausserordentlichen Verschiebungen verschie-
denster Völker belehrende Beispiele. Ganze Völker, nicht un-
zutreffend vonMaples als Zuluaffen bezeichnet, legten Bogen und
Pfeil ab, um Speer und Schild zu ergreifen, ihre Verbreitung vom
Nyassa und der Delagoa-Bai bis Usinsa hat wohl zuerst Speke er-
kannt^. Thomson sagt, dass die heute zuluähnlichen Mahenge
ursprünglich weder Schild noch Speer führten und den be-
nachbarten Stämmen glichen, bis zu ihnen verschlagene Ma-
sita vom Westen des Nyassa sie ihre Kriegführung und Bewaff-
nung lehrten. Derselbe Reisende bat uns diesen Prozess aus
der Geschichte der Walungu geschildert, die durch den aus der
Gefangenschaft der Watuta zurückkehrenden Häuptlingssohn
Mululami zur Annahme der Waffen, Tracht und Kriegssitten,
sowie des Namens der Watuta gezwungen wurden. Als aber
4) Gustav Fritscbs grosses Werk über die Eingeborenen Südafrikas
(4 878), das hier ein für allemal als wichtigste Quelle für die südafrika-
nischen Vorkommnisse genannt sei , und die jüngste grössere Arbeit über
die Betschuanen: C. R. Conder, The present condition ofNative tribcs
in Bechuana Land (Journ. Anthr. Inst. XVI S. 80) zeigen, dass zwischen
Lichtoflsteins Beobachtungen und der fast allgemeinen Verbreitung des
Schiessgewehres bei den Betschuanen die Buschmannwaffe, die noch heule
bei den wesUichen Nachbarn der Kalahari-Betscbuanen in Gebrauchi kaum
weitere Verbreitung gefunden hatte«
2} Journal of the Discovery of the Sources of the Nile 1 863, S. 5.
46*
236
dieser Reformer seines Volkes gestorben war , kehrte dies zu
seinen friedlichen Beschäftigungen zurück und Thomson er-
zählt, wie er bei seiner Reise durch Ulungu noch in jeder Hütte
den Schild aus Ochsenhaut wie eine Reliquie aus früherer krie-
gerischer Zeit gefunden habe. Gerade in diesem Gebiete siebt
man vorzügliche Bogen. Höre hebt den Bogen der Walungu
und Wafipa am Süd- und Südostufer des Tanganika hervor, da
er »zwei Ellbogen hat, anstatt, wie gewöhnlich , ein Kreissec;-
ment zu sein. Er ist mit Quasten aus schwarzem Haar ver-
ziert«^). Giraud scheint der Bogienlosigkeit der Zulu zu wider-
sprechen, indem er mittheilt, dass gleich den Bewohnern von
Uhehö und Kond6 auch die Vuakinga nur Schild und Wurflanze
tragen und hinzu setzt: Der Bogen, die charakteristische Waffe
der Zulu, ist nicht bei den Vuakinga zu finden 2). Aber er
hatte eben nur die Zulu-Affen vor sich.
Die Bewaffnung und Tracht der zuluUhnlichen Völker findet
sich bei den Galla, Masai^ Dschagga, Wakuafi, Waka-
wirondo, Somali 3) wieder, die denn auch alle keine Bogen-,
sondern vielmehr Schild- und Speerträger sind. In ihren Ge-
bieten sind aber, und dies verdient Beachtung, Bogen und Pfeil
die Waffen der unter ihnen wohnenden, von ihnen unterworfe-
nen und als tiefstehend angesehenen Stämme (oder Kasten)
der Midgu, Wandorobo, Ariangulo, die vielfach den« Negern
näherstehen als ihren hellfarbigeren Herren , darum doch aber
kaum mit Hildebrandt als »vielleicht das letzte Überbleibset
einer afrikanischen Urbevölkerung« anzusehen sind. Guillain
hat das Verhältniss treffender bezeichnet , wenn er sagt : Der
Speer ist dann und wann bei den Beduinen niederer Classe
durch den Bogen ersetzt*). Jene Kriegerstämme erklären alle
Fernwaffen als Waffen der Feiglinge und die Somai haben sich
eben aus diesem Grunde lange Zeit ablehnend gegen Schiess-
waffen verhalten. Bogen und Pfeil überlassen sie jedoch den
4) Proceedings R. Geogr. Soc. London 4 882. S. 21.
2) Bull. Soc. Göogr. Paris 4885, S. 24 8.
3) Hildebrandt in derZ. für Ethnologie 4875, S. 8 und 4 878. $. 859 f.
Fischer in den Mitth. d. Geogr. Gcsellschafl zu Hamburg. 4878/79. S. 20
und 4882/8S. S. 67 und 249. Johnston, der Kilimandscharo 4 886. S. 463
und 390. Thomson, durch Masailand 4885. S. 4 32, 378, 424.
4) nocumcnt.s sur Thist., la göogr. et Ic commerce de TAfrique Orien-
Uile. Paris s.a. H. S. 44 7.
237
Kindern zum Spielen. Bei den Wapokomo sind Speer und
Bogen, jener als Jagd- dieser als Kriegswaffe Üblich. Wakamba
und Wäteita gebrauchen einen Bogen , dessen Form an den Bogen
der Wanyamwesi erinnert. Der Speer ist bei beiden selten und
dient nur hier und da einem Alten als Stütze und Zeichen der
Würde 1). Wahrscheinlich gehört in die Gruppe der Bogenver-
achter auch jenes rinderzüchtende Volk der Dschibbe, südlich
vom oberen Sobat, von dem Junker ausdrücklich berichtet, dass
es Bogen und Pfeil nicht benutze, dessen Frauen indessen nach
Moru-rSitte Pfropfen (aus Elfenbein?) in den Lippen tragen^}.
Die.Wahuma, jenes von Ugogo bis zum Austritt des Nils
aus dein Ukerewie nomadisirende und staatengründende Hirten-
volk , sind mit grosser Wahrscheinlichkeit den eben genannten
Gallavölkera unmittelbar anzuschliessen , haben sich jedoch
enger als sie mit den Negerstämmen verbunden , welche sie zu
mächtigen Reichen vereinigten oder unter denen sie ihre ver-
göngliohen Lager aufschlugen. In der That werden die Speere
auch als ihre Hauptwaffe bezeichnet und daneben tragen auch
sie den Schild, der die ovale Form des Zulu-Galla-Masaischil*
des bewahrt , jedoch in dem waldreichen Lande aus Holz be-
steht , das mit dünnen Zweigen einer Schlingpflanze überspon-
nen ist^). In Grants interessanter Tabelle der ethnographischen
Merkmale der Völker zwischen Usaramo und Nübien findet man
unter Bogen und Pfeil bei Wakoreh, Wahia, Waganda, Wa-
nyoro, Wagani, Madi, Ghopeh, Wakidi, Wamara, Shillook, end-
lich Bagara Arabs den Vermerk ]>Saw none« (vgl. Journ. Royal
Geogr. Soc. London 4872, S. 259) mit anderen Worten: Grant
sah keine bogentragenden Völker nordwärts von der Grenze
von Karagwe. Wir glauben , dass dies allerdings richtig ist,
soweit die herrschenden Völker, also z. B. in Uganda die Wa-
huma , in Betracht kommen. Für die unteren Schichten trifft
aber die Beobachtung Grants nicht überall zu. Felkin und Wil-
son sagen deutlich : ausser den Speeren gebrauchen die Wa-
huma Bogen und Pfeile. Die ziemlich grossen Bogen sind
schwer zu biegen, die Pfeile ungefähr 3 Fuss lang, oft mit
furchtbaren Widerhaken versehen und vergiftet. Doch können
4) Hildebrandt in Z. f. Ethnologie 4878. S. 364.
9) Z. d. Ges. f. Erdkunde 4877. S. 6.
3} S. die entsprechende Äbbildang eines Wagand^ bei Speke a. a. 0.,
S. 286. .
238
die Wafgandii wegen ihrer ausserordenllich steifen Bogen mit
einem Pfeil auf mehr als vierzig Ellen sieber treffen.^) Grant
hat a.a.O. auch einige Bemerkungen über Grösse und Form
der Speere gegeben ; der Kern derselben ist die Aufstellung,
dass die Waganda die grössten und schwersten, die Watuta die
leichtesten Speere tragen.
Unter den Negern des mittleren Nilgebietes sind die
Dinka bogenlos zu nennen. »Fremd ist ihnen der Gebrauch
von Bogen und Pfeilen ; denn was einige Reisende für Bogen ge-
halten haben; sind nur Schutzwaffen zum Pariren der Keulen-
schli)ge<r*^). Wie in vielen Dingen sind auch in diesen die
Schill uk den Dinka ähnlich. Beider Speere hat A. E. Brehm
in seiner ausführlichen Schilderung Charthums und seiner Be-
wohner 3) beschrieben und hat auch auf die Art des Parierens
mit den Schilden hingewiesen. Nur liegt die Vermuthung nahe,
dass er Nuba und Für mit in diese Beschreibung hereingezogen
habe, weil er im Anschlnss an seine Schilderung der Sobilluk
und Dinka , nachdem er vorher Nuba und Für berührt , von
ihren voi*trefflich gearbeiteten Bogen und Pfeilen spricht. Pon-
cet hat von den Nuer eine Schilderung entworfen 4), der zu-
folge ihre Bewaffnung die gleiche ist , wie die ihrer nördlichen
und östlichen Nachbarn. Nur lasst er sie mit den Stöcken sich
schlagen und mit den Lanzen parieren. Er fügt hinzu: »Sie
ziehen darum die grossen Lanzen mit einem als Handschutz
dienenden verbreiterten Griffstück vor, um die Stösse ertragen
zu können, die sie gerade an diese Stellen erhalten. »Merkwür-
digerweise waren trotz dieser einfachen Bewaffnung die Nuer
einst bei den Dinka die gefürch totsten Feinde, wie sowohl Pon-
cet als Schweinfurth mittheilen. Von den südlicher wohnenden
1) Uganda and the Egyptian Sudan 4888, 1, S. 153.
2) Schweinfurth, Im Herzen Afrikas, 4874,1, 466. Eine dieser SchuU-
waffen welche Schweinfurth abbildet , erinnert stark an australische Holz-
Schilde, die andere ist so ganz wie ein Bogen konstruiert, dass man den
Eindruck gewinnt, in dieser SchutzwaflTe nur eine ihrem Zweck entfrem-
dete Angriffswaffe vor sich zu haben.
8) Z. f. Allgemeine Erdkunde VI, 4 856, S. %M. Auch Harnier bat die
langen Schillukspeere in Geogr. Mitth. Ergänz. Heft II, S. 4 27 genauer be-
schrieben.
4) Noticc g6ogr. et dthnolog. sur la region du Fleuva Blanc et sur ses
habitants Nouv. Ann. des Voyages. 486S^ IV, S. 44. Den Mangel der Bogen
und Pfeile bei den Nuer hebt auch Harnier hervor. A. a» 0., S. 4 38,
239
Verwandten der Üinka beoDtten die Bohr, KHsoh, Eliab und
Tuidseh bcHsbstens sielien weise in geringem Masse den Bogen;
ebenso wie die den Nner verwiandten Aldi. Bezüglioh det* Kilsoh
^pvldersprechen sieh die Angaben einigenoassen« Poneel gibt
ibnen Pfeiiei, Harnier sagt Ton den Bohr: »Ihre Waffen sind wie
bei den &itficb Lanzenund hölzerne ILeuletKr i) und Speke^) biW-
dei nur speer- und sohiMiragende Kitsch ab, während Buohta
ihnen wieder Giftpfeile zusokreibt^). Da dieser Beobachler
ihnen indessen zugleich den schmalen Pariersohild der Dinks
gibt j überwiegt offenbar der Dinkaiypus, wie in ihrem Äussck
ren und manchen Gebräuchen, auch in der Be^waffnung. Retnb
Speertrjftger sind die- in diese Verwandtschaft gebörenden
Agahr'^).
Im Lande Lur^ das von den Gnenssen des Giebietes der
Madi sidi in unbekannte Entfernung südwärts efstreokt, sah
Emiii Pascha an einem Punkte am Westufer des Mwutan Nsige
nur Speere, breitUiogige Beile mit sobarfem^ nach hinten yov^
spritzenden Dom, sowie Meäser von versohiedener Form^ führt
aber später «uch vergiftele Pfeile mit auf ^j « Die von Emin
PaecbanaohgewiesMAe sprach! icbeÄhnJicfakeit der hier wohnen-
den SUlnime mit den SoUlluk, Sehefalü undScfauli, dieübri-*-
gcns auch von des Schilluk kundigen Negern behauptet ward,
läset so- wette Verbreitung der ßehiiluk-Dinka^BewaflfQunig nur
natürlich erscheinen. Abbildungeb und gelegentliohe Angaben
Sanaiiel Bakers^) lassen scbliessen, dass auch die Lattuka sich
auf 8peer «nd Schild besobränken.
In Abessinien sind Bogen und Pfeil nur wenig im Ge-
brauch* Über dem maohettaartigen Säbelmesser , das, wie ein
Bestandtheil der Nationaltracht, un vermeidlieh an der rechten
Uofte erscheint, den weltberühmten Büffelhautschilden und
den Speeren sind Luntenüinten weit verbreitet. Wurfkeulen
und Schleudern finden auf der Jagd Verwendung. In Nubien
^) A. a. 0., s. ^ao.
ü) A. a. 0., S. 566.
8) Geogr. Mittb. 1881, S. 89.
4) Googr. MiUh. 4883, S. 333, wo Emin PasQha in seiner »Rundreise
durch die Mudirie Rohl« sagt: Pfeile werden unter den Dinkasiünunen nur
von den Atöt gebraucht.
5) Geogr. Mittb. 4884, S. 51. und 4 878, S. 223.
6] Der Albert Nyanza. 18Q7, S. 488.
4) Nachtigal, Sahara und Sudan II, S. 607-
2} Dcnham und Ciapperton erwähnen derselben bei dem festlichen
Empfang, den sie in Bilma fanden. Bilma liegt aber auf dem Grenzstrich
zwischen Tibbu und Tuareg und ist in den letzten Jahren in die Hände der
letzteren übergegangen. Behm sagt in seiner Zusammenstellung »Das Land
und Volk derTebu« vorsichtig: Ihre WaflSen sind in den inneren Land-
schaften zwei bis vier leichte Speere, eine 6 Fuss lange Lanze, ein 45 bis
20 Zoll langer Dolch und ein Hungamunga genanntes Schwert.
3) Nachtigal, Sahara und Sudan I, S. 45B.
I
240
tritt das lange gerade arabische Schwert zu den Sy^ ^- l^ni^i^
Speeren , die bis zur Einführung des Feuergewehres zu zweien
in der Hand getragen die beständigen Begleiter jedes nubischeü
Mannes waren, und dem Schild , der einst gern aus GiraffeDfeil
hergestellt wurde. Ähnlich ist die Bewaffnung in Da rf ur und
Wadai. Bei. den Wadawa nennt Mateucci die Lanze, den
Wurfspiess, das Messer, den grossen Dolch und setzt hinzu:
^die Reicheren haben denn auch schon irgend eine Flinte und
Revolver oder ein Schwert«. InBaghirmi und Bornusind
die Verhältnisse bez. der Bewaffnung ähnlich. Den Kern der
Armee bilden Panzerreiter mit schweren Speeren und langen
Schwertern, dazu kommt einheimisches Fussvolk (in Borna
Kanembu) mit Schild und Speer, gelegentlich spombewaffhele
leichte Reiter; aber die Pfeilträger sind immer heidnische Völker
aus den Südtheilen dieser Länder. Von ihnen werden auch
Wurfpfeile beschrieben. Die Gaberi, und zwar besonders
jene, welche in Kriegszeiten auf Bäumen wohnen , brachten zu
Nachtigals Zeit in das Lager des flüchtigen BaghirmikOnigs Abu
Sekkim Wurfgeschosse aus Y2 ^' langen Rohrstäben, an einem
Ende schreibfederartig zugespitzt, am anderen mit einem spin-
delförmigen Thonklumpen beschwert und verwahrten dieselben
in bastgeflochtenen Körben i).
Die Wtlste Sahara ist das Gebiet des Speeres und Schwer-
tes, des Wurfeisens und Dolches. Auch wo, wie bei den
Tibbu, Feuerwaffen noch wenig verbreitet sind , sind Bogen
und Pfeil nur als Seltenheit zu finden ^) , während bei ihnen
Speer und Wurfeisen die Hauptwaffen bilden. Nachtigal nennt
als allgemeine Waffen der Teda von Tibesti Lanze, Wurfspeer,
Wurfeisen , Handdolch und Schild. Das von den Tuareg kom-
mende Schwert ist »keineswegs im Besitz aller« ^) . Diese Be-
waffnung kehrt dann typisch bei den Ba^le von Ennedi wieder.
241
Woher westlich fand Rebifs in Dschofra , Audschiia und Kufra
Feuergewehre weit verbreitet und erwähnt der Bogen und Pfeile
nichts).
Die Waffen der Tu a reg sind Schwert, Speer und Dolch.
Feuergewehre sind noch nicht allgemein verbreitet. Bogen und
Pfeil treten nur bei in den Bergen hausenden , niedrigstehen-
den, armen Stämimen von Ahaggar, die zu den Leibeigenen ge-
zählt werden, auf, und dann bei den am weitesten nach Westen
xeichenden , die diese Waffen nach Mandingo- und Haussa*Art
tragen.
Bei älteren Schriftstellern erscheinen die Gegensätxe in
der Verbreitung der zwei in diesen Gebieten in Betracht kom-
menden Bewaffnungsweisen noch nicht so sdiarf zugespitzt,
wie in der Neuzeit. • Makrisi schildert die Bedja, wie sie von
den Kamelen herab Speere werfen und wie ihre Thiere abge-
richtet sind, nach den Speeren zu laufen, die niederfielen und
sich bei ihnen niederzulassen, damit die kämpfenden Kamel-
reiter dieselben wieder ergreifen. Zugleich gibt er ihnen aber
Bogen, ähnlich den arabischen geformt, aus dem Holze des
Siter- und Sohöhad-Baumes, und vergiftete Pfeile 2).
Wir sehen nun von der Sttdostspitze Afrikas bis zum
Nordrande der Sahara eine Kette von Völkern, welche Bogen
und Pfeil entweder ganz verschmähen oder neuerdings und
nur gelegentlich diese Waffen wieder aufgenommen haben oder
bei denen endlich ihr Gebrauch auf Stämme beschränkt ist,
welche in irgend einer Art von Unterthänigkeit oder Leibeigen-
schaft sich befinden. Man darf hinzufügen, dass überall wo
Bogen und Pfeil derart zurückgedrängt erscheinen, der Wurf-
spiess, die sog. Assagaie, an deren Stelle tritt, und dass dieser
in der Regel vom Schilde und zwar in den weitaus meisten
Fällen vom Lederschilde elliptischer Form begleitet wird.
Die entgegengesetzten Erscheinungen finden wir in den
meisten Ländern des Westens dieses Erdtheils. Von den Busch-
4) Geogr. Mitth. Ergänzungshefk II, S. 36. Vgl. ebenda. S. 59 und 60
den Bericht Mohammed et Tunisi's , welcher immer nur von Speeren bei
den Tibbu Reschade spricht. Ferner Rohlfs Kufra 1884.
2} Übersetzung bei Burckhardt Travels in Nubia 4 819. App. 111,
S. 508 f. Dazu die Bemerkungen Von Heuglins in Geogr. Mitth. Erg.-Heft
Nr. 6, S. 4 4.
242
männern, als Vorlrelern der auagesprochonsten Pfeillräger unt«r
doD sog. Zwergvölkern Afrikas werden wir bei Erwähnung die-
ser Völker zu reden haben. Was die ihnen nahestehenden
liotlentotten anbetrifft, so war bei ihnen ein sehr einfacher
Bogen gebräuchlich , der aus einem Stfiok leichten Uolses ge>
bogen wurde und ausser Kerben tum Einhaken der Sehnen
keine Bearbeitung zeigte. Auf Bildern des 47. Jahrhunderts,
z. B. einem Kupferstich Bodenehrs zu Meisters Orieotalischein
Lustgarten (Dresden 1699) trägt der Hottentott einen Bogen
von asiatischer Form, was wohl nur künstlerische Licenz ist.
Der Köcher scheint dem der Buschmänner ähnlich gewesen zu
sein^]. Daneben werden Wurfspeere erwähnt , welche auch
Kolb , wiewohl er von Kaffern nichts wusste , bereits als Assa-
gaien bezeichnet. Aber der Bogen war offenbar die Uaupt-
waffe.
An der Westküste begegnen wir, wenn wir das Gebiet der
Hottentotten und der Buschmänner verlassen, Völkern vom
Stamme der Herero, welche alle Bogenträger sind. Doch
kann man wohl nicht leugnen, dass ihre Hauptwaffen der
Speer und die Hand- und Wurfkeule sind. Immerhin ist es
aber beachtenswerth , dass sie Bogen und Pfeile gleichfalls fast
stets mit sich führen , sie , ein Hirtenvolk wie so aasgeprägt
kaum Zulu und Betschuanen es sind. Allein sie sollen scblech*
ten Gebrauch davon machen , denn Andersson behauptet, dass
sie nur auf \0 bis ii Schritte gut mit dem Bogen schiessen,
während sie auffallenderweise als Gewehrschützen bessere Lei-
stungen aufweisen. Es scheint dies anzudeuten, dass die Kon-
struktion ihrer Bogen nicht vortrefflich sei. Ein Eiiemplar
im Museum fttr Völkerkunde zu Berlin ist aus einem ange-
glätteten und ungleich dicken Baumzweig mit locker ange-
brachter Verstärkung der Wölbung gefertigt , eine sehr primi-
tive Waffe.
Wie fast überall in Afrika sind dagegen die Pfeile mit
guten Eisenspitzen, vierfiedrig und mit Kerbe zum Einsatz
in die Sehne versehen. Der Köcher ist ein kurzer Ledersack,
welcher hauptsächlich die Spitzen der Pfeile schützt. Die
0 vampo scheinen sich wesentlich ähnlich bezüglich der Haupt-
1) Kolb, Caput Bonae Spei 4749. Abbildung in meiner Völkerkunde U
S. 64.
243
wafTen zu verhalten. Der Bogen besteht hier oft aus einem
Holze, Mohama, das von Natur auf einer Seite fladi, so dass es
für diesen Zweck besonders geeignet ist^]. Knochenspitzen der
Pfeile kamen noch zu Galtons Zeiten vor. Die Köcher werden
über die rechte Schulter und unter dem linken Arme getragen.
Im mittleren und unteren Zambesi-Gebiet findet allmllhlieh der
Übergang von den speer- und schildtragenden Betschuanen zn
den innerafrikanischen BogentrSgern statt. Im Marutse-Mam-
bundareich spielt der Speer noch eine grosse Rolle im süd*
liehen Theil, während im nördlichen Bogen und Pfeile hervor-
treten. Dieselben wurden von Serpa Pinlo^) angeführt bei
den Luchaze undAmbuella, bei welchen beiden indessen schon
Penergewehre , ebensowie im Arsenal des Königs der Marutse
gefunden werden. Bei den Manganja des Nyassa-Gebietes
sind Bogen und Pfeil neben schweren Speeren ttblich und zwar
kommen bereits hier Giftpfeile vor, welche Livingstone sowohl
von den Maravi als den Manganja des Schire in der Nahe von
Momba erwähnt. Die der letzteren schildert Livingstone als aus
drei Stücken zusammengesetzt: einer eisernen Spitze mit einem,
manchmal aber auch mit vielen Widerhaken, einem Stäbchen,
an welchem diese befestigt wird und welches mit Gift be*
strichen wird ; einem hohlen gefiederten Schafte. Der ganze
Pfeil ist 4 M. lang 3). Von einer besonderen Art von Giftpfeilen
spricht Livingstone, die hölzerne Pfeilspitzen hätten, mit einem
eigenen, nur für Menschen bestimmten Gifte bestrichen und
sorgfältig mit Maisblatt umwunden getragen würden. Dieselben
kommen am Nyassa vor. Einen nicht sehr fein gearbeiteten
Pfeil bildet er auch ab. Grosse Bogen und Giftpfeile erwähnt
Chapman von den Banyai des südlichen Zarabesiufers und Li-
vingstone weist Bogen und Pfeil auch den Babisa zu.
Als Hauptwaffe der Angolan-er bezeichnet Lopez neben
Speeren Bogen und Pfeil. Tiefer nach innen zu treten uns ähn-
lich bewaffnet die Kai und a entgegen, die grössere, oft ganz
4 ) Galton , Bericht eines Forschers im tropischen Südafrika D. (Jb.
S. 103.
2) Von den Ganguella bildet Serpa Pinto Pfeile von feinerer Arbeit
mit starker Fiedening und einem eigenen Einsatz für die Sehnenkerbe ab.
Wanderung quer durch Afrika 18S4, I, S. 4 4 9.
3) Neue Missionsreisen D. A. H, S. 4 7Q.
244
eiserne Wurfspeere, kleinere Speere mit UoJzschaft und eiserner
Widerbakenspitze , Bogen und Pfeile tragen i). Neben Pfeiien
. mit mannigfach gestalteter Eisenspitze treten auch solche mit
vierkantiger und eingekerbter Holzspitze auf. Dass Vergiftung
derselben vorkommt, scheint nicht zweifelhaft, wenn auch das
angewendete Gift nicht immer sehr wirksam ist. Im südiicheo
Kongo-Gebiet sind Völker , die des Gebrauches von Bogen und
Pfeil sich ganz entschlagen, nicht beobachtet worden. Die aus-
schliessliche Verwendung dieser Waffen, wie sie bei den Watna
(s. u. S. 248) getroffen wird, ist nicht allgemein, aber ein gänz-
liches Aufgeben derselben in der Weise vieler Ostafrikaner
wird ebensowenig beobachtet. Aus persönlicher Erkundigung
bei Dr. Ludwig Wolf und Premierleutenant Richard Kundt
schöpfe ich die Überzeugung , dass ein Zustand etwa wie hei
den Njamnjam hier vorwaltet, d. h. dass vielfach der Speer die
bevorzugte Waffe ist, daneben aber Bogen und Pfeil in weiter
Verbreitung auftreten. Auch Stanley's Schilderung seiner
Kämpfe mit den Bewohnern des oberen Kongobogens und in
der äquatorialen Region, den Baswa, Ituka und Gen. lässl
den Eindruck, dass die Hauptwaffe der Angreifer Speere
waren, die aber gemischt mit Pfeilen auftraten ^j. Dieser Zu-
stand scheint im Inneren bis zu den Südgrenzen der grossen
mohammedanischen Staaten des Sudan sich fortzusetzen. Wir
erwähnten bereits der Wurfpfeilschtltzen , mit denen die skia-
venjagenden Baghirmifürsten südlich von ihren Grenzen ini
Kampfe liegen.
Unter den Nilnegem sind echte Bogen- und Pfeilträger
die südlichen Schilluk oder Djur, sowie die ihnen nahever-
wandten Alwadsch (Aluadj Schweinfurths). Von den (Djui'
liegen aus Pethericks Sammlung Bogen und Pfeile in der Christ)
CoUection zu London, welche in den ungemein reich mit Wider-
haken versehenen Pfeilen , in dem mit Eidechsenhaut umwun-
denen und mit Eidechsenfüssen an beiden Enden verzierten
Bogen , sowie in dem mit Affenfell umwundenen Köcher 3) eine
grössere Sorgfalt der Arbeit zeigen als bei vielen anderen Stäni-
4 ) Pogge, Im Reich des Muata Jamvo 4 880 , wo S. 238 die Waffen in
der Reihenfolge Speer, Wurfspeer, Pfoil genannt werden.
2; Durch den dunkeln Weltthcil 4878, U, besonders S. 490, 264, S88.
3) Abb. in meiner Völkerkunde 1, S. 544.
245
men diesen WaflFen zugewendet wird. Südlich von den Djnr
wohnen die Dor, deren Pfeile lang wie Wurfspeere, in der
Mriderhakenbesetzten Klinge allein Y3 M. lang, und ebendes-
halb bei weitem nicht so gefürchtet sind, wie die viel klei-
neren, angeblich vergifteten Pfeile ihrer südlichen Nachbarn ^j .
Zu den Pfeilschützen dieser Gebiete gehören weiter die Bari,
die sprachlich ihnen nahe verwandten Njambara , dann weiter
westwärts die Mittu^), die östlich von Makarakä wohnenden
Madi, deren Schmiede sowohl in Speerklingen als Pfeilspitzen
Hervorragendes zu leisten scheinen. Bogen und Pfeile der
Njamnjam kommen denen der Djur nahe. Die ersteren kom-
men in ganz einfachen Formen, aus knorrigen Stäben unge-
glattet gebogen , und auch in besserer Arbeit mit zur Verstär-
kung umgelegten Bändern vor. Aber nicht alle Theile dieses
vielgegliederten Volkes machen gleich ausgedehnten Gebrauch
von Bogen und Pfeil ^j. Bei den Monbuttu sind die Pfeile
sehr mannigfaltig in den Klingen. Der Schaft besteht aus Rohr
und ist mit Bananenblatt oder Genettfell beschwingt. Die
Bogensehnen werden, wie in Westafrika, aus gespaltenen spa-
nischen Rohren gefertigt, wie Heuglin schon 4861 von den
Njamnjam erfuhr, und ein Stückchen Holz schützt den Daum
vor dem Rückprall. Den Mangballe des oberen Uelle gibt
Junker die gleichen Waffen wie den Monbuttu^) , mit denen sie
Sprache und Sitte theilen und scheint mit ihnen auch dieA-Bä-
ra'mbo und A-Madi zu vergleichen*), ohne indessen bei die-
sen letzteren Bogen und Pfeile anzuführen. »Auch sie fertigen
die leichten grossen Holzschilde an , führen ähnlich den Mang-
huttu Lanzen und gekrümmte Säbelmesser« sagt er. Von
4] Erste Abbildung eines Dor-Pfeiles auf Heuglins »Originalkarte dos
Westlichen Theiles des Oberen Nil-Gebietes«. Geogr. Mitth. Erg.-Bd. III.
2} Die Zierlichkeit der Pfeiiscbttfte aus Rohr und der eisernen Pfeil-
spitzen dieses Volkes hebt Junker wiederholt hervor. Geogr. Mitth. 4 880,
S. 85 f.
3) Antinori hörte von zwei Njamnjam -Stämmen, die Speere und
Schilde tragen ; den einen nennt er Belanda, den andern charakterisiert er
als die weissen Njam (Geogr. Mitth. Erg.-Heft II, S. 82 f. Die Belanda sind
bekanntlich ein Djurstamm.) Ähnliches hat auch der Missionar Morlang
aus derselben Gegend von den Makärakak, ofTenbar den Makarakä im
oberen Rohl-Gebiet erfahren. Ebend. II, S. 4 24.
4) Geogr. Mitth. 4 884, S. 255.
5) Ebend. 4883, S. 287.
246
Heuglin hat sehr kunstvoll gearbeitete Widerhakenpfeile von
den Kredsch oder Darfertit abgebildet i] und vergleicht sie
mit entsprechenden Arbeiten der Njamnjam; und Mamo sagt
von den Makarakä, sie hiltten keine Pfeile wie die Njarnnjam -}.
Die fortlaufende Reihe der Bogentrager an der Westküste
Afrikas wird zum ersten Male am Kongo unterbrochen , wo I..0-
pez , der noch den Angolanern Bogen und Pfeil als Haupiwafle
neben dem Speer zugewiesen, den Kongoanern Pfeile zum
Werfen, also Assagaien, zuschreibt. Seine Absicht, die aus der
etwas kurzen Beschreibung vielleicht nicht ganz klar hervor-
gehen könnte, wird verständlicher, wenn er jenen mit Be-
wusstsein die Bewaffnung der menschenfressenden Anziques
gogentlberstellt : »ihr Wehr und Waffen seind auf fein andere
Art, denn derer die vmb sie her wohnen«. Er gibt ihnen kurze
Bogen, die mit Schlangenhaut umwunden sind und deren Seh-
nen Grashalme, kleine Pfeile, die sie in der Hand tragen,
kurze Dolche in Scheiden aus Schlangenhaut, und StreiUixte.
deren eiserne Klinge kürzer als der Stiel, vorn Beil und hinten
Hammer und mit Kupferdraht an den Stiel befestigt ist. Tm
den Leib haben sie breite Lederriemen.
Auch heute liegen hier die Verhältnisse noch in ähnlicher
Weise gemischt. Von den Babongo wurde Gtlssfeldt am Li-
kungu u. a. auch berichtet, sie hätten nur Speere. Auch die
Fan scheinen, ehe bei ihnen das Feuergewehr sich verbreit(»t
hatte, Speerträger gewesen zu sein, was man schon daraus
schliessen möchte, dass sie bis heute Lederschilde tragen. Denn
die meisten Speerträger sind auch Schildträger , während die
PfeilschUtzen meist des Schildes entbehren. Die unvollkommene
Armbrust der Fan ist kein Ersatz für den Bogen ^j. An der
Loangoküste ist das Feuergewehr ganz allgemein geworden, aber
vom Nyango sandte Gttssfeldt einen Bogen, »der (nach Bastian
wegen seiner Schwäche nur durch Vergiftung der Pfeile wirk-
sam sein kann«^).
Zöller sah bei den Fan weder Bogen und Pfeil noch Speere.
4) Reise in das Gebiet des Weissen Nil 4 869, S. 246.
2) Reisen in den egyptischen Äquatorial - Provinzen und Kordofan
4878. S. 434.
3) Burton, Two trips to Gorilla Land I, S. 207.
k) Z. f. Ethnologie 4876, S. 244. Vgl. auch Z. d. G. f. Erdk. 4875,
S. 4 66.
247
sondern nur Gewehre und kurze Schwerter. Da man nun im
Ogowe-Gebiet «uf der Grenze der Verbreitung der Steinschloss-
gewehre überall nicht den Bogen und die Pfeile , sondern den
Speer und den Schild trilTt, wie dies zuerst Oskar Lenz von
den Mbamba und den östlich von ihnen wohnenden Um bete
gemeldet hat i), so ist es sehr wahrscheinlich, dass Uhnliche pfeil-
verschmähende Kriegerstämme auch weiter nordwärts sitzen.
So sagt auch Buchner von den D u a 11 a am Kamerun, Bogen und
Pfeil seien ihnen ganz unbekannt, aber als Prunkwaffe, die man
dann und wann in ihren Händen sehe, nennt er sonderbar
gestaltete Äxte und Schwerter oder grosse Lanzen. Er nimmt
an, dass dieselben aus dem Inneren kommen^]. Unter den Aus-
fahren aus dem Laude der Amboser (Gegend des Rio del Hey
und des Calabar) werden in älteren Schilderungen auch Wurf-
speere genannt, die von hier nach der Nordktlste gingen ^j . In
dem weiten Gebiete zwischen Niger- und Senegalmündung war
ursprünglich der Bogen die vorherrschende Waffe. Die Ursprung-:
liebe Bewaffnung des hier herrschenden Volkes, der Fulbe, be-
stand aus Bogen und Pfeil und sie sind es vielfach bis heute. Erst
ihre Staatengründer schufen gepanzerte Reiterachaaren nach
nubisohem und mittelsudanischem Muster, die mit Schwert,
Speer und Schild ausgerüstet sind. Wo diese Eroberer, die aus
dem Inneren vordrängten, ihre Macht nieht zur Geltung brach-
ten, ist die ursprüngliche Bewaffnung durch die. an diesen
handelsreichen Küsten früh begonnene Einfuhr der Steinschloss-
gewehre umgewandelt worden. Wurde doch der britische Ge-
sandte Norris schon i773 von den Wällen Abomehs mit Kanonen
begrüssti Doch lässt sich aus den ältesten der eingehenderen
Berichtß Einiges entnehmen, was auf das Nebeneinandervor-
kommen von Bogen und Speer in Folge einer Art von socialer
Schichtung hindeutet. Aus Wilhelm Müllers Beschreibung des
Landes Fetu erfährt man, dass dort Krieger höheren Ranges im
Gürtel das Schwert, in der Rechten drei oder vier Wurfspiesse
oder Pfeile (kleinere Wurfspeere oder Assag^ien?), in der Linken
den Schild trugen. Die geringeren Soldaten waren mit Bogen
und Pfeil, Wurfspeeren und Messern ausgestattet und die Skla-
i) Skizzen aus Westafrika 1878, S. 300.
ä) Kamerun. Skizzen und Betrachtangen. 4 887, S. 38.
3) Ehrmann, Gesch. d. merkwürdigsten Reisen 1794. XU, 3. U7.
248
ven endlich folgten ihren Herren mit Bogen , Pfeilen und Mes-
sern '] . Ein festlicher Zug , welchen Dapper im Yordergrande
seines Prospektes von Benin erscheinen lässt, zeigt das Gefolge
des Königs von Benin mit Wurfspiessen und Schilden bewaff-
net; doch waren Bogen und vergiftete Pfeile im Lande zu fin-
den und Bosmann will in Aquambo überhaupt keine anderen
Waffen gesehen haben. In Senegambien wurden von den alte-
ren Reisenden vergiftete Pfeile als gefttrchtetste Waffe der
Joloßen und Mandingo angegeben, wobei die auch sonst in
Guinea wiederkehrende Eigen thümlichkeit, dass die Sehne aus
einem gespaltenen Rohre hergestellt wurde , besonders betont
wird 2).
Sehr lehrreich ist das Vorwiegen des Bogens und der Pfeile
bei allen jenen kleingewachsenen Jägervölkem Afrikas, welche
als Zwergvölker soviel Aufmerksamkeit erregt haben. Zunächst
sind die Buschmänner, die südlichste Gruppe dieser Völker
als BogenschütKen längst berühmt. Die Buschmänner sind von
allen südafrikanischen Völkern dasjenige, welches die grösste
Sorgfalt auf die Herstellung der Pfeile verwendet und fast aus-
schliesslich für Jagd und Vertheidigung auf dieselben ange-
wiesen ist. Der bis zu 4 Y2 M. hohe Bogen ist oft so gross wie
sein Träger, die Sehne ist aus thierischen Fasern zusammenge-
dreht, die Pfeile bestehen meistens aus einem leichten Rohr,
das unten eingekerbt und zur Verhütung des Aufspaltens um-
wickelt ist. Zur Spitze verwendet dieses arme Volk, das vor
250 Jahren noch kein Eisen gekannt zu haben scheint, in der
Mehrzahl der Fälle nur Knochen und Holz, selten Feuerstein.
Wenn wir in Vötkerschilderungen aus Centralafrika Angaben
begegnen, wie Serpa Pinto sie von den unter IS^S. B. leben-
den Mucassequere macht nln der Handhabung des Bogens
sind sie sehr geschickt, der Pfeil ist ihre einzige Waffe«'), so sind
wir immer ziemlich sicher, uns einem sog. Zwergvolk gegen-
überzufinden. So sagt Wissmann von den Batua, die östlich
vom Lubi wohnen: Ihre Waffen sind Bogen und Pfeil. Sie
haben wenig Eisen , man sieht nur hier und da eiserne Pfeil-
4) Die Afrikanische Landschaft Fetu 4 673, S. 434.
3) Thomas Winterbottam hat in seinen Nachrichten von der Sierm
Leone-Küste (D. A. 4805) ausführlicher als die meisten anderen Reisenden
von dm Waffen der Eingeborenen gesprochen. VgL besonders S. Sil f.
3 Wanderung quer durch Afrika 488t. I, S. S97.
249
spitzen ^] . Stanleys Watwa trSSgt als einzige Waffe nden kur-
zen Bogen und winzig kleine kaum fusslange Rohrpfeile mit
scharfen Spitzen^^). Du Ghaillu betont, dass die Babongo o^ler
A k koa Aschangos vortreffliche Jäger seien^). Rrapfs Doko, die
weit landeinwärts von Morabas versetzt wurden^) sollten gleich
ganz waffenlos sein. Dagegen schildert uns Schweinfurth seine
Akka als echte Pfeilschtttzen, welche ihre mit scharfen Eisen-
spitzen und Widerhaken bewehrten und mit Eisenband um-
wundenen Pfeile sehr gut zu benutzen wissen und als Pfeil-
träger sind sie auch von den späteren Beobachtern wie Feikin
und Emin Pascha geschildert worden^).
Wir haben den Thatbestand der Verbreitung von Bogen
und Pfeil in raschem Überblick zu schildern versucht. Was er-
gibt sich nun aus den sehr verschiedenartigen Thatsachen, die
zu berichten waren?
In Afrika fehlt der Bogen oder ist selten im Norden und
Osten ; das Bogenland ist dagegen der Westen von der Niger-
beuge bis zur Sttdspitze. Der Osten und Norden sind in Afrika
zugleich die Gebiete der höheren Kultur ^ der asiatischen Ein-
wirkungen, der mächtigsten Staatenbildungen. Alle Völker,
denen in Afrika die Rolle grosser Staatengründer zugesprochen
wird, benutzen mit Ausnahme der Fulbe nicht vorwiegend den
Bogen. Und auch die Fulbeherrscher haben denselben in ihren
militärischen Organisationen manchmal vernachlässigt. Jenes
Fehlen des Bogens bei den staatengrttndenden Völkern hängt
eng zusammen mit der Jbatsache, dass vorwiegend die mili-
tärische Stärke es war, welche allen diesen Völkern zu ihrer
historischen Stellung verhalf. Die starken militärischen Orga-
nisationen haben aber überall in Afrika Bogen und Pfeil ver-
nachlässigt, weil sie ihr Vertrauen auf Speer und Schwert
setzten. Wo die Europäer nennenswerthem Widerstand orga-
4) Mitth. d. AfrikanischeD GeseUecbaft in Deutschland 4 8S3, IV, S. 46-
2) Durch den dunklen Welttheil 1878. II, S. 240.
3) Die erste ausführliche , aber ungläubig aufgenommene Nachricht
über westafrikanische Zwergvölker brachte Du Chaillu in A journey to
Ashango Land 4 867, S. 269 f.
4) Reisen in Ostafrika 4858.
5) Schweinfurths erste Nachricht in den Geogr. Mitth* 4874, S. 44.
4887. 4 7
250
nistrter Kriegerhorden bes^egneten, wie in Nubien und imZulo-
land, da haben sie es nicht mit Bogenschützen, sondern mit
Speerkämpfem zu thun gehabt. Die sociale Gliederung kriege-
rischer Völker wie der Somali oder Tuareg weist den dienen-
den, von der Ehre der Kriegswafi'en aasgeschlossenen Völkern
Bogen und Pfeil zu und es ist sehr bezeichnend , dass die poli-
tisch fast ganz unorganisirten kleingewachsenen Jltgervölker
von den Buschmännern Südafrikas bis zu den Akka des Uelle-
gebietes auss(;hliesslich Pfeilschützen sind. Wo Bogen und
Pfeil in Afrika dominieren, haben wir es nicht mit einem l>nu-
stand, auch nicht mit einem durch dieses Merkmal angedeuteleJi
Rassenunterschied, sondern nur mit der Thalsache zu thun,
duss eine bestimmte sociale und militärische Organisation bis
in diese Gebiete nicht vorgedrungen oder in denselben wieder
in Verfall geralhen ist.
An diesem Punkte ergiebt sich die Möglichkeit, aus den
Thatsachen der geographischen Verbreitung einen Schluss auf
geschichtliche Vorgänge zu ziehen, welche anders im Dunkel
liegen bleiben würden , da nur in seltenen Fällen die Sprach-
vergleichung im Stande sein wird, auf dieselben hinzuführen.
Allgemeine Gründe sind schon oft für die engere Zusammenge-
hörigkeit der nord- und ostafrikanischen Völker über die Gren-
zen der Sprachunterschiede hinaus geltend gemacht worden.
Der von Ägyptern , Phöniciern , Indern , später von alexandri-
nischen Griechen und von Arabern getragene Handel an der
Küste Afrikas, welcher den Verfasser des Periplus des Erylh-
räischen Meeres im 4 . Jahrhundert n. Chr. bereits bis Pemba
führte, und die den Seeweg nach Indien suchenden Portugiesen
1498 befähigte, schon von Sofäla an ihre aus Lissabon mitge-
brachten arabischen Dolmetscher zu gebrauchen, hat diese Völ-
ker einer Summe von unter sich ähnlichen Einwirkungen aus-
gesetzt. Die Westküste Afrikas hatte denselben nichts Ähn-
liches an die Seite zu stellen. Aber, mehr als dies, Ostafrika
ist das Land der Viehzucht, die in nahezu übereinstimmender
Weise vom Nil bis zur Südspitze des Erdtheiles betrieben wird.
Die mit der Viehzucht zusammenhängenden Gebräuche wie
Kaufmann, Felkin und Andere sie von den Bari und Madi beschrie-
ben haben, sind der Mehrzahl nach dieselben wie diejenigen der
Zulu und ßetschuanen Südafrikas und der dazwischen liegen-
den Galla und Wahuma. In Westafrika ist zwischen den Wen-
251
dekreisen die Viehzucht entweder gar nicht vorhanden oder sie
ist vereinzelt und ist jedenfalls weit entfernt, eine Bolle za
spielen wie im Osten. Hier bat sie nämlich ttberali, wo Boden
und Klima sie begünstigen ^ nomadisches Leben mit sich g»*
bracht. Nomaden sind aber hier, wie überall auf der Erde
kriegerische, erobernde Völker und auch in Afrika sind die
Gegensätze des nomadischen Hirten und des Ackerbauers hUufig
identisch mit denjenigen des Herrschers und des Unterworfe«^
noD. Es sind die Hirten, welche in Ostafrika die Ackerbauer
zu grossen Staatswesen von einer gewissen Dauer zusaminen*
G^osehweisst haben. So gehen also auf dieser Seite Afrikas die
grössere Summe £lusserer Einwirkungen, die Viehzucht,' der
Xomadismus, die Staatengründungen Hand in Hand und machen
aus Ostafrika etwas von Westafrika tief und weit Verschiede-
nes. Es ist kein übermllssig grosses Gewicht auf Abstam-
umngssagen zu legen, welche die Eingeborenen von sich selbst
beriebten. Auffallend ist es jedoch immerhin, dass wir im Osten
sehr viel von der Herkunft der Völker aus Norden, Osten, Süden
vernehmen, wahrend kein einziges sich westliche Abstammung
zuscbreibt.
Wenn in der Westhälfte Afrikas südlich vom Senegal nir-
gends das System der Speere und des Schildes in entfernt so
ausgedehnter Weise zur Geltung kommt , wie im Osten , so er-
innert doch eine ganze Reihe von Vorkommnissen daran , dass
eine der wenigen verbrieften Thatsachen in der Geschichte der
westafrikanischen Völker jenes verheerende Vordringen kriege-
rischer Horden der Dschagga aus den Gebieten des oberen Kongo
nach den Mündungsgegenden dieses Stromes ist und dass in den
Traditionen der Herrscherhäuser im Inneren Westafrikas die
Abstammung aus östlicher gelegenen Ländern auffallend ofl
wiederkehrt. Auf das Vorkommen der charakteristischen Form
des Zuluschildes am oberen Zambesi haben wir als einen Be-
weis westwärts gerichteter Wanderung selbst kürzlich die Auf-
merksamkeit der Ethnographen zu lenken gesucht^). Glauben
wir auch nicht, in den Dschagga - Zügen des 16. Jahrhunderts
eine einzige in wenigen Jahren sich vollziehende Bewegung osl-
afrikanischer Völker nach dem Westen des Krdtheiles erblicken
4) Entwurf einer neuen pplitischen Karle von Afrika. Geo^r. Milth.
^885, S. 446.
47*
252
zu dürfen, wie Merensky ^) es in einer sehr beachienswerthen
Arbeit wahrscheinlich zu machen suchte , so sehen wir doch in
dem Vorkommen kriegerischer, bloss Speer und Schild tragen-
der Stamme im Westen das Ergebniss von Anstössen, deren
Ausgangspunkt im Osten gelegen ist. Und die seit Schwein-
furth oft wiederholte Bemerkung , dass eine Zone ethnographi-
scher Obereinstimmungen von den Quellen des Uelle bis zum
Meerbusen von Guinea sich erstrecke , bedeutet für uns nicht
eine vereinzelte Thatsache. Wir glauben vielmehr aus der Ver-
breitung der wichtigsten Waffen der Afrikaner schliessen zu
dürfen, dass die Ethnographie Westafrikas überhaupt nicht ohne
die Voraussetzung jüngerer von Osten ausgegangener Einwir-
kungen zu verstehen sei.
4) Ueber die afrikanische Völkerwanderung des 46. Jahrhunderts. Z.
d. G. f. Erdk. 4883, S. 67.
Herr Zarncke legte einen Aufsatz vor: Weitere Mütheilungen
zu den Schrifien Christian Heuter^s,
1. Der Herr Brnder Graf.
Seitdem es erwiesen war, dass in den Weriicn Christian
Reuter's eine Menge Anspielungen auf Leipziger Persönlichkeiten
seiner Zeit enthalten seien, lag es sehr nahe zu vermathen, dass
auch die zweite Hauptperson des Schelmuffsky , der Herr Bruder
Graf, ein lebendes Vorbild gehabt habe. Diese Vermuthung
musste fast zur Gewissheit erhoben werden durch das in der
Wiener Handschrift No. 13287 erhaltene Gedicht: «Schelm
Muffsky Ehren-Gedichte Aufl' des Herrn Bruder Graffens Hoch-
zeit« (vgl. meine Abhandlung Ober Christian Reuter, S. 13
Anm. S), das dann von W. Creizenach in Schnorr von Carolsfeld^s
Archiv 43, 439 zum Abdruck gebracht worden ist. Aber da es
untlatiert war, so bot es nicht ausreichende Anknüpfungen, um
weitere Nachforschungen zu ermöglichen. Fttr diese aber fand
sich ein Fingerzeig in einem Bflcblein, auf das ich durch W.
Creizenach aufmerksam gemacht ward : »Wohl-informirter Poet
. . . «. Aufl. Leipzig 1705, bei Fr. Grosohuffa (148 S. kl. 80).
Der Verfasser des anonym erschienenen Büchleins heisst Uhse
und ward 1711 Rector des Gymnasiums in Merseburg. Er war
ein vielschreibender Polyhistor, aber ein durchaus solider Mann,
der wohl ganz ausserhalb des Verdachts steht, mit der Genossen-
schaft Christian Reuter's und GrelPs irgend eine Verbindung ge-
habt zu haben, ist auch vielleicht selber gar nicht als Dichter auf-
getreten. In jener kleinen Taschenpoetik heisst es nun S. 77
fg. : «Also machte Anno 1702 auf den Tod des weitberühmten
Kauff' Herrn zu Leipzig , Herrn Johann Grafens, ein werther
254
Freund) mit dessen Erlaubniß ich seine Arbeit allhier anfuhren
werde, folgenden Vers-Brief. Der Titul lautet also:
Es soll I dieß wenige | Herr Grafens Hauß | bekommen, |
Das einen blauen Stern | zum Zeichen | angenommen.«
Im Eingange klagt dann der Dichter sich an, dass er noch
keiner poetischen Leistungen zu häuslichen Festen des Verstor-
benen sich rühmen könne, und fahrt fort, das »hochbetrübte UauB«
anredend :
Ich hab' auch dazumahl Dein Glücke nicht gepriesen,
Da Deiitz Deinen Sohn ^Is Bräutigam gesehen.
Allein, verzeihe mir, ich will die Schuld bekennen,
Daß ich zu solcher Zeit mein Amt nicht wohl bedacht:
Jedennoch solt ich Dir dieselben Stücke nennen,
Die mich mit viel Vcrdrvss suapect und grob gemacht,
So würdest Du gewiss mir ohne Zwang verzeihen,
Und wie Dein edler Geist es sonsten mit sich bringt,
Bey aller meiner Schuld noch Deine Gunst verleihen,
Die in so manches Hertz mit Lust und Nutzen dringt,
loh' weiß, Do bist versöhnt, ich will die Feder brauchen,
Muß sie gleich ietzt, wie sonst, zu andrer Arbeit geho.
Es soll Dir, edles Hauß, ein treues Opfer rauchen ;
Mein gantzes Leben soll zu Deinen Diensten slehn.
Es ist, 0 Schmertzens Wort ! Dein theures Haupt gefallen
n. s. w.
Naemi weint in Dir, und ist zur Mara worden,')
Die sonst mit ihrem Muth Amazonen gegleicht ;
Es ist dieselbige nunmehr im Wittwen-Orden«
u. s. w.
Dann wird noch angeführt, dass eine Tochter und ^drei llerren
Söhne« den Verlust beklagton u. s. w.
Der Name, die Hocbsseit des Sohnes, auch das Zeichen des
Uauses erschienen sehr verlockend, denn »der blaue Stern« war
ein bekanntes Haus auf dem Neukirchhof, dem jetzigen Matthäi-
kirchhofe, wo ja auch Herr Rieh. Volcmar Götze wohnte und wo-
hin noch Anderes aus Reuter's Kreis zu weisen schien (vgl. Ar-
chiv i 3,438 Anm.). Aber der erste Anlauf missglückte: der
blaue Stern hatte niemals einen Besitzer Namens Graf oder Graß*
gehabt. £sgaltersteinige Schwierigkeiten überwinden, bisessich
4) Vgl. Lib. Ruth 1, 3 und 20: Etmortuus est Elimelech maritus Nae-
mi: rcmansitquc ipsa cum tlliis. Et ait: ne vocetis me Naemi (id est, pul-
chram) sed vocate me Mara (id est, amaram) , quia amaritudine valdc
replevit me Omnipotens.
255
herausstellte, dass io dorn obigen Titel eine Ungenau igkeit ent*
hallen, dass ein berühmtes üaus der Hainstrasse (oder Ueuslrasse)
gemeint sei, der »goldene und blaue^) Sternt. Dieses war seit
dem Jahre 1694 im Besitze eines reichen Kaufherrn Johann
Graff gewesen, und dieser war am 7. Sept. 4702 gestorben.
Auch die Hochzeit des Sohnes war nachweisbar, aber auch
hier mischte sich zunüchst wieder Enttäuschung in die Freude
des Findens. Am 25. April 4702 ward, nach Aussage des Kir-
chenbuches, in Dolitz, einem Gute nahe bei Leipzig, ein Sohn
jenes obenerwähnten Johann Graff vermahlt; aber derselbe war
bei dieser seiner Verheirathung bereits 28 Jahr alt, und da konnte
jenes iioohzeits- Carmen unmöglich auf ihn gehen, das ja den
bräutigam als einen kaum schon Erwachsenen behandelte. Es
schien, als habe ein Gaukelbild irre geleitet, und als müsse die
Untersuchung die Flügel hängen lassen. Etwas kJeinmttthig
spürte ich doch noch weiter, bis eine gelegentliche Notiz die
Wahrscheinlichkeit ei^ab, dass jene Vermählung bereits die
zweite des Sohnes gewesen sei. Nun schien das Schlachtfeld
gewonnen zu sein, und mit aufgefrischter Hoffnung konnte man
zu dem oft wenig ansprechenden Geschäft des Suchens und Acten-
lesens zurückkehren.
loh will nun hier die Darstellung des Ganges meiner Unter-
suchungen abbrechen und statt dessen eine zusammenhängende
und positive Entwicklung des von mir schliesslich Festgestellten
ge)>en, wie ich es ebenso in meiner Arbeit über Christian Reuter
gcthan habe, auf die Gefahr hin, dass auch diesmal Dilettanten
von der aufgewendeten Bemühung keinen Begriff erlangen.
Am 23. Mai 4667 meldeten sich in Leipzig twhi Brüder zur
Aufnahme in die Bürgermatrikel, Johann Gräfe und Michael Gräfe,
joner »Handelsmann«, dieser »Leinwandhändier«. Leider ist der
Ort, woher sie kamen, nicht angegeben : der Platz ist offen ge-
lassen. Vielleicht stammten sie aus Böhmen : der Leinwand-
handel Leipzigs bezog vielfach von dort seine Waaren, und dann
würde es hierzu wohl passen, wenn die erste Ausgabe des Schel-
muffsky den Herrn Bruder einen »Böhmischen« Grafen nennt.
4) Die nahe liegende Vermuthang, dass vielleicht das eine dieser Ad-
jeciiva erst von Johann Graff bei Gelegenheit des von ihm ausgeführten Neu-
baues dem Hause beigelegt wtfre, triflft nicht zu. Bereits in dem Kauf vertrage
vom S4. Sept. 1694 führt es beide Namen.
256
Beide waren in guten Verhällnissen; Johann noch in hclherm Grade
als Michael ; sie mussten eine tüchtige Summe als Eintrilisgeld
erlegen, das damals je nach den Vermögensumständen der Ein-
zelnen verschieden bemessen ward : Johann zahlte 50 , Michael
40 Thaler. Aus der Altersangabe bei seiner Beerdigung ersehen
wir, dass Johann um 4635 geboren , also damals etwa 32 Jahre
alt war. Der Bruder Michael verschwindet fortan aus unserer
Geschichte.
Johann Graff ^) aber fasste schnell festen Fuss in Leipzig.
Bereits im folgenden Jahre , am 3. December 4668, ^rard der
»Ehrsame und Ftirnehme« Herr Johannes Graff mit der »Wohler-
baren und Tugendreichen« Jungfer Regina, geb. Wiedemann'^),
copuliert. Der Vater dieser war ein »Ehrenvester und Ftlmeh-
mer«, nauch Wolbekannter« Handelsmann in Leipzig, Besitzer
eines Hauses in der Katharinenstrasse und offenbar in sehr guten
Yermögensverhältnissen , Regina aber scheint ein energisches
Frauenzimmer gewesen zu sein , da sie unser Dichter oben mit
den Amazonen verglich : was von ihr Schriftliches zu den Acten
gegeben ist, zeigt auch eine vollkommen männliche Hand. Jo-
hann Graff legte eine Gold* und Silbermanufactur, d. h. eine
Gold- und Silberspinnerei, an, bekam für dieselbe ein Privile-
gium, und erwarb auf diese Weise, da die Liebhaberei ftti* Gold-
stickerei noch im Steigen begriffen war, ein grosses Vermögen.
Als er 1 702, 68 Jahre alt, starb, ward dasselbe bei der Ausein-
andersetzung der Erben auf nahezu 300 000 Thaler taxiert, eine
in jener Zeit für einen Privatmann enorme Summe.
Zunächst entsprossten der Ehe zwei Töchter, Johanna Su-
sanna und Johanna Regina. Beide wui*den in hochangesehene
Patricierfamilien vermählt , die erstere mit Joh. E. Kregel, die
letztere mit Daniel Winkler dem Älteren. Dann erst, am 48.
August 4674, ward ein Knabe geboren, der in der Taufe den
Namen Johannes Christian erhielt. Ihm sind später noch zwei
\) So wird der Name von ihm selbst fortan stets geschrieben, nur
von Fremden zuweilen auch Gräfe, ein Beweis, dass das a lang gesprochen
ward.
2) Ist hier eine Verbindung zu suchen mit dem Weidmann in dem
Gedichte auf Stephan Packbusch? vgl. Archiv 13, 438 Str. 24. Im Somnier
4690 ward immatriculiert Chr. Henr. Weidemann Lips., freilich gratis, was
hier kaum passen dürfte.
— - 257
Brüder, Johann Gottlob und Friedrich Heinrich, gefolgt. Beides
scheinen ordentliche Leute gewesen zu sein, der jüngste ward
sogar Doctor juris; für uns haben sie keine weitere Bedeutung.
Unser Mann ist der Erstgeborne, Johann Christian.
Dass er es ist, beweist seine erste Vermahlung. Am S4. No-
vember 4696^ also zu der Zeit als die Erregung der Genittther
von wegen des Schelrouffsl&y so ziemlich auf ihrer Höhe war,
verheirathete er sich mit Jungfrau Elisabeth, des Herrn Joh.
Jac. Käsens, »Ghurfttrstl. Hochbestallten Oberpostmeisters und
Vornehmen des Rathes« eheleiblicher Tochter. Damals war er
eben 9ii Jahre alt, konnte also wohl wegen seiner Jugend den
Spott der Reuterianer hervorrufen :
Der als ein junger Mann
So zeitlich eilen kann
Ins Neste.
Dis ist ein guter Sprung,
Ist er gleich noch ein Jung
u. s. w.
Ferner passt offensichtlich auf ihn :
Das Ding ist wohl bestellt,
Der Vater giebt das Geld
Und Essen.
Dann auch der Name seiner Gattin Elisabeth :
Sein tausend Schatz Lisette
Die macht ihn schon zum Mann.
Also ein Zweifel ist nicht gestattet.
Auch dem »Wein und Spiela, wie das Ehren-Gedichte an-
deutet, hat er zweifelsohne gefröhnt. Auch er gehörte zur
Jeunesse dorce und dem Charakter desEustachius Müller ist der
seinige wohl sehr ähnlich gewesen, so dass man sie wohl zu-
sammenwerfen konnte. Als der Vater am 4 4. und 26. April
1702 sein Testament machte, wurde Joh. Christian in offensicht-
lichster Weise zurückgesetzt, gewiss weil er bereits viel
Geld in unverantwortlicher W^eise durchgebracht hatte: es ist
sicherlich nur Euphemismus, wenn das Testament sagt, er
habe für seine Reise und seine Ueirath Viel vorausbekoui-
258
meD^). Das oiochle es rochiferligcn, wenn den beiden Brüdern,
wie es geschieht, bedeutende Summen vorausgegeben werden
(je 5000 Thaler i^zu ihrer Reise und Heyrath-Koslen«) ; aber sie
bekommen auch die beiden Ilauser in der Hainslrasse undKatha-
rinenstrasse, und der Erstgeborne erhält nur das Recht, in einem
derselben sich eine Wohnung im zweiten Stock gegen Erleguog
von 400 Thaler jähriidi wühlen zu dürfen. Und auch so noch
wird er beschränkt, er darf nicht »variiren«. Als sein Schwie-
gervater 4 705 starb , bestimmte er ausdrücklich , dass dem
Schwiegersöhne, der seine Frau schon frühe verloren hatte,
kein Capital in die Hände gegeben werden solle, nur nach Be-
darf sollte ihm für die Erziehung seiner Kinder das Nöthige ver-
abreicht, das Uebrige aber bis zur Majorennilät derselben reser-
viert werden. Gleich nach des Vaters Tode 1702 begann ein
Process der Schwester gegen ihn, weil er, der bis dahin allei-
niger Compagnon des Vaters gewesen war, die Handlung nichl
loyal verwalte. Auch von dem Gatten der zweiten, mittlerweile
verstorbenen Schwester ward in seiner Eigenschaft als Curator
der Tochter ein Process, freilich nicht gegen ihn allein, ange-
strengt. Endlich 1708 ward die Handlung auf kurfUrstliciien
Befehl unter Administration gestellt, und wie bis dahin Joh.
Christian gewirthschaftet hatte, sehen wir daraus, dass er plötz-
lich in der grössten Geldverlegenheit sich befindet. Er wendet
sich, da er sonst keine Hülfe findet, mit inständigsten Bitten ao
den Bruder seiner ersten Frau, den jungem Käse (Kees), und
wünscht »da er zu seinen höchsten Bedürfnissen und zur Abtra-
gung unterschiedener Schulden, einiger Gelder benöthiget«, eine
abschlägliche Ausantworiung eines Capitals von 3000 Thaler
aus der Erbschaft seiner Kinder. Nur auf hypothekarische Bürij-
schaft der Mutter will sich der Schwager darauf einlassen, und
die Mutter muss nun Garantien aufzubringen suchen , um den
Sohn nicht fallen zu lassen. Und in demselben Jahre, 4709, ver-
kauft er eine von seinem Vater ererbte Schuldforderung von
4242 Thaler für 4000 Thaler, weil er wieder Geld braucht.
Einige Jahre darauf, obwohl die Geschwister mittlerweile ihre
Mutter beerbt hatten, stellt er einen Wechsel auf 500 Thaler aus.
<) »§ 14 : Bescheide und erinnere ich mich, dass mein ältester Sohn
mich ein großes sowohl wegen seiner Reise als Heyrath gekostet, and er
also ein Ziemliches voraus genoßen . . .«
259
löst ihn aber nicht ein, und vom 24. Juni bis zum 44. October
1747 wird ihm eine W^che eingelegt, 4 Corporal und 3 Mann
stark, bis er am letstern Tage die zu 649 Thalern angewachsene
Summe in 2 Beuteln aufs Rathhaus sendet. Und dies geschieht
einem Manne gegenüber, dessen Vater ein Vermögen von 300000
Thalern hinterlassen hatte und dessen Mutter Eigenthttmerin
mehrerer Häuser gewesen war. Bei jener Gelegenheit erfahren
wir auch , dass er aus der Handlung heraus war und sieh mit
der, offenbar vergeblichen, Hoffnung trug, noch wieder in die-
selbe aufgenommen zu werden. Man sieht, es geht mit ihm, wie
es mit Eustachius Mtlller gegangen war, er bringt sein Vermd-
£xen durch und sich selber um Credit und Achtung. Freilich,
ein so jähes Ende wie mit jenem nahm es bei ihm nicht; dazu
war das Vermögen doch schliesslich zu gross, der Halt an den
Leipziger Verwandten ein zu starker, und als er am 26. Juni
1720, 46 Jahre alt, beerdigt ward, folgte ihm, wie im Leichen-
buche ausdrücklich erwähnt wird, die »ganze Schule«. Er starb
also immer noch als ein angesehener Mann.
Aus den schon angeführten Worten des väterlichen Testa-
mentes sehen wir, dass unser Johann Christian eine kostspie-
lige Reise zu seiner Ausbildung^) gemacht hatte. Natürlich vor
seiner ersten Verheirathung. Und da wir für Verlobung, An-
bahnung des Verhältnisses zu seiner Verlobten u. s. w. doch
nothwendig eine gewisse Anstandsfrist ansetzen müssen, so dür-
fen wir annehmen, dass er im Jahre 4695 zurückgekehrt ist.
Damit werden wir in dieselbe Zeit gewiesen, zu der Eustachius
Müller von seiner Reise heimkehrte, im Anfang October jenes
Jahres. Also sind jene beiden jungen Männer zu gleicher Zeit
auf Reisen gewesen. Auch zusammen? wenigstens theilweisc
zusammen? Warum nicht? Eustachius war gerade 7 Jahre älter
als Johann Christian^), sollte er vielleicht gar als älterer Reise-
begleiter dem noch nicht 20 jährigen jungen Manne an die Seite
i^osetzt sein, den man doch gewiss nicht aliein reisen liess? Der
Anlass zu einer Rekanntschaft lag sogar sehr nahe. Gerade
gegenüber dem rothen Löwen , dem Hause der Familie Müller,
1) Auch bei den beiden jüngeren Brüdern setzt das Testament vor-
aus, dass sie reisen würden.
2) Eustachius Mttllor geboren am 30. Aug. 4667, Job. Christian Graff
am 18. Aug. 4 674.
260
.auch an der Ecke des Brtthl uod der Heichsstrasse, lai^ das
Haus des Stiefbruders der Frau Regina Graf!', eines Daniel Leh-
mann, das später die Grafts erbten und in dem unser Joh. Chri-
stian gestorben ist. Es ist, beiläufig bemerkt, dasselbe Haus, in
weichem Theodor Körner als Student wohnte. In diesem Hause
des Onkels wird der junge Graff viel gewesen sein , denn es
scheinen freundschaftliche Pamilienbeziehungen gewallet zu
haben. Hier mag sich der Knabe mit dem älteren Eustachius
von gegenüber angefreundet haben, auch die Eltern mögen dem
Letzteren vertraut haben , von dem wir ja nicht anzunehmen
brauchen, dasser auch in diesem Kreise und schon damals übel
angesehen gewesen sei. Aber wie dem sein möge, die gemein-
same Zeit ihrer Abwesenheit macht immerhin eine theilweisc
Gemeinsamkeit ihrer Reise recht glaublich.
Zu dem Herrn Bruder Grafen gehört, wie zu den Evange-
listen, Aposteln und Märtyrern ihr Erkennungszeichen, der
Schellen-Schlitten. Schlittenfahrten waren damals in Leipzig
eine Liebhaberei der vornehmen und der studentischen Welt;
auch der Hof, wenn er grade in Leipzig war, stellte wohl solche
Vergnügungen an . Man maskierte sich, man fuhr auf dem Markte
Corso u. s. w. Im Jahre 1689 und 1690 war viel Schnee gefal-
len, und Vogel in seinen Annalen sagt bei Erwähnung eines
starken Schneefalles frühe am 9. November, »dahero man zeit-
lich auf den Schlitten fahren kunte«. Bei diesen Schlittenfahrten
hatte sich vielleicht der junge GrafT, der verschwenderische Sohn
eines steinreichen Vaters, durch einen besonders eleganten
Schlitten hervorgethan, vielleicht diesen Sport auch mit beson-
derem Eifer betrieben, vielleicht selbst den Eustachius aus dem
Hause gegenüber ein und das andere Mal gefahren u. s. w.
Doch, man muss sich hüten, Romane zu construieren. Genug, dass
die Veranlassung zu Schilderungen, wie sie der Schelmuffsky
bietet, sehr nahe liegt.
Zur Charakteristik des Bruder Grafen gehört auch, dass er
mit seinem Adel renommiert, »er erzehlete seinen Gräfl. Stand
und daß er aus einem uhralten Geschlechte herstammete , wel-
ches 32 Ahnen hätte, und sagte mir auch, in welchem DorfTe
seine Grosse-Mutter begraben liege«. Die letztere Angabe müs-
sen wir nun freilich auf sich beruhen lassen, da die Leipziger Bür-
germatrikel die Ueimath der ankommenden Graffs nicht ange-
geben hat, und bei jenem Renommieren mit dem Adelstitel
261
klinnten wir glauben, dass der Name Graflf ausreichend dazu her-
ausfordern mochte^]. Aber es scheint doch elwas mehr daran
zu sein. Denn im Jahre 184S nahm der letzte erstgeborne Nach-
komme unsers Johann Christian, Johann Ferdinand Graff, der
bis 1812 in Wittenberg studiert hatte und dann als Sous-Lieute-
uant in das Königl. Sachs. Militär eintrat, bei dieser Gelegen-
heit den Namen »Grafl* von Graffenfeld« an, und sein Bevoll-
mächtigter, der in Stipendienangelegenheiten fUr ihn mit dem
leipziger Stadtrathe correspondierte, theilte dies mit, indem er
von seinem Mandanten sagte , »der sich dermalen beim Militär
engagirt, und in Bezug auf das von seinen Vorältern ererbte
Adelsdiplom und Wappen^) den Adel wieder hervorgesucht,
auch sich als Graff von GrafTenfeld beim Militär gemeldet hat,
und fernerhin so nennen wird«. Da nun in der Zeit zwischen
Johann Christian und diesem Johann Ferdinand eine Nobilitierung
nicht statt gefunden hatte, da man ferner doch kaum glauben
kann, dass der Letztere die Stirn gehabt haben sollte, ohne jeg-
liche Unterlage sich den Adelstitel anzumassen , der ihm von
der Militärbehörde wie vom Leipziger Stadtrath zugestanden
ward, desgleichen auch von Seiten der Kirchenbuchftthrung in
Wittenberg, als er dort am 4. September 1834 als Königl. Preus-
bischer Premier- Lieutenant a. D. starb, so kann man gewiss
jeneAngabenicht völlig ignorieren. Auch seine Schwester, eine
Pastorin Beyer, nannte sich i»geb. Graffv. Graffenfelda und Über-
trug diesen Adelstitel auch auf einen Onkel , der in Warschau
ein höherer Beamter war. Dieser freilich machte von dem Adel
keinen Gebrauch, sondern unterzeichnet sich einfach GrafT. Die
Sache ist nicht ganz klar, eine Anrufung des Heroldsamtes und
Bestätigung des wiederaufgenommenen Adels durch dasselbe
hat scheinbar nicht stattgefunden. Dennoch kann man die Mög-
lichkeit nicht in Abrede stellen , dass sich wirklich unter den
Graffschen Familienpapieren solche befunden haben , die von
früherem Adel handelten^), und dann wird unser junger Johann
i) Hau liest z. B. in den Acten ganz gewöhnlich : »Joh. Christ, und
Job. GoUl. die Grafen«, u. ä.
2) Das Wappen ist freilich dasselbe, welches die Grafts in Leipzig
führten, ein Stern im Schilde und auf dem Helm. ojTenbar mit Beziehung
auf das Zeichen des Hauses in der Hainstrasse.
8) Wohin die Papiere des Johann Ferd. Gmff geralhen sind, Hess sich
leider niobt festfitellen.
262
Christian es nicht unterlassen haben, auch damit zu renommieren,
und so hätten wir eine abermalige Uebereinstimmung von Bo-
man und Wirklichkeit zu constatieren.
Mit jenem GrafFv.Graffenfeld, derunverheirathet geblieben
war^ stirbt die Erstgeburtslinie unsers Johann Christian aus.
Der Zweig verkümmerte. Schon seine Kinder fanden in Leipzig
nicht mehr ihre Stelle, sie wanderten aus nach Wittenberg :
hier war Johann Jacob (geb. 4699 f 4775) Advocat, dessen älte-
ster Sohn Carl Jacob (f 4 807) Proviantofficier und Steuerein-
nehmer, und dessen Sohn war der erwähnte Johann Ferdinand.
Bei dem Tode dieses waren die Verhältnisse die dürftigsten.
Ais der Todtenschein ausgestellt ward, erfolgte derselbe »Ar-
muthswegemr unentgeltlich und ohne Stempelgebühren. Die
schon erwähnte Schwester bewarb sich kläglich, unter Anrufung
besonderer Vermittlung, um eine der Wittwenunterstülzungen
von jährlich 6 Thaler, diesammt zwei Stipendien für Studierende
der Ahnherr des Geschlechtes einst in seinem Testamente aus-
gesetzt hatte. Von den zweitgebornen Söhnen leben noch Nach-
kommen, von denen die Collatur jener Beneßcien noch heute
ausgeübt wird, wackere Männer, wie es scheint, aber der Reich-
thum der Ahnen ist dahin, und sicher war er es bereits durch
den Leichtsinn unseres Johann Christian, des Herrn Bruder
Grafen des Bustachius Schelmuffsky. Die Linien der jüngeren
Bruder Johann Christians sind längst ausgestorben.
2. Der lustige Weinschenke Johannes.
Schon in meiner Abhandlung über Christian Reuter (S.
424 fg») habe ich daraufhingewiesen, dass der lustige Wein-
schenke Johannes in Reuter's Graf Ehrenfried offenbar eine aus
dem Leben gegriffene, damals in Leipzig stadtbekannte Per-
sönlichkeit sei. Ich wies dann darauf hin (das. S. 422), dass er
Diez geheissen haben werde, der als Inhaber eines Weinkellers
in Götzens Brief vom 46. Juni 4700 § 8 genannt wird. Ich hätte
noch hinzufügen können, dass der Weinkeller, in dem er wirlh-
schaflete, der berühmte Auerbach'sche gewesen sei. Dieser wird
in dem Schreiben Götze^s vom 49. Januar 4700 und in dem spöt-
tischen Briefe Christian Reuter's vom 4 8. Februar ausdrücklich
genannt; auf die an letzterer Stelle erwähnten Vorgänge wird
263
angespielt in dem Graf Ehrenfried , und mit dieser Anspielung
wieder wird in dem ersterwähnten Schreiben Götzens (vom 16.
Juni] der Name des Wirtbes Diez in Beziehung gebracht, so dass
es also die beiden noch heute besuchtesten Weinkeller Leipzigs
waren, der Auerbach'sche und der Aeckerlein sehe, um die es
sich in dem Reuter'schen Kreise hauptsächlich drehte.
Dass jene Verraulhungen das Richtige getroffen haben, be-
weist wiederum eine Anführung in dem vorher angezogenen
Buche von ühse. Auf S. 9 handelt der »Wohl-informirte Poet«
von den s. g. Inscriptionen , die als Zwischending zwischen
Poesie undOratorie cl:»rakterisiert werden. »Kurtz zu sagen, so
müssen in den Inscriptionen lauter scharffsinnige Redens-Arten
und die Zeilen von unterschiedener Länge seyn,damit sie einige
Figur machen.« Die Arten der scharfsinnigen Redens -Arten
werden dann aufgezählt, und darauf heisst es: »Wir wollen ein
einiges Exempol auf den so beruffenen Polter-IIanB ver-
fertigen :
Stehe stille 1
Curieuser Leser,
Hier liegt ein Mann begraben, '
Den seine Untugenden berühmt gemacht.
Er war ein vernünfTUges Schwein,
Dos Bacchi natürliches Ebenbild,
Aller Leute Bruder,
Und doch mit niemanden befreundet,
Ward auch von niemanden zum Bruder begehret.
Er leerte die Gläser,
Er fraß die Gläser,
Auch die Ecken an den Oefen waren vor seinen Zühnen nicht sicher.
Er war ein höflicher Tölpel,
Der seine tumme Reverence gegen iederman machte.
Seiner Profession nach war er ein Gastwirth,
Seine abentheuerliche Possen lockten mehr Gäste an sich,
als alle Delicatessen.
Sein Wohlstand machte ihn zu einem Viehe,
Sein Unglück zu einem Menschen,
Sein Leben war ein Inbegriff aller Laster,
Sein Tod hingegen Lobens^werth :
Denn
Im Leben wüste er nichts von Busse ;
Allein
Im Sterben wüste er dieselbe wohl zu practiciren.
Dannenhero
Tadle sein Leben,
264
Und
Rühme seinen Tod.
Wie heisset aber dieser Mann?
Er ist dir sehr wobl bekannt.
Ob du ihn gleich nicht gekennet hasl :
In Leipzig wohnete er,
In Sachsen ward er in einer lustigen Comcedic vorgrslellel.
In Holland ward er in KupfTer gestochen.
Und im Lazareth vor Leipzig starb er.
Aus der Taufte her hieß er Johannes,
Von seinem Vater Tietze,
Und
Wegen seiner wunderlichen AüfTühruDg
Polter-Hanß.
Man sieht, dieUebereinstimmung ist vollkommen. Mit der
lustigen Comödie ist natürlich der Graf Ehren fried gemeint, mit
dem Kupferstich der diesem, vielleicht auch der dem Schelm ufTsky
beigegebene (vgl. meine ÄbhandlungS. 138.446], von dem wiralso
hier erfahren , dass er in Holland gefertigt ward. Worin sein
Unglück bestand, wird nicht gesagt: wahrscheinlich doch in
der schweren Erkrankung, derentwegen er in das Lazareth ge-
bracht werden musste. Dies Lazareth war damals bereits am
Eingange des Rosenthals, das s. g. Jacohshospital. Acten des-
selben aus jener Zeit haben sich nicht erhalten. Dagegen wis-
sen wir aus einer Eintragung im Leichenbuche, dass er nicht,
wie das mit den im Lazareth Gestorbenen der Fall war,auf dem
dortigen Gottesacker eingescharrt, sondern auf die öffentliche
Leipziger Begriibnissstütte, den .lohannisfriedhof, übergeführt
ward. Die Einzeichnung im Leichenbuche lautet: »1702. Son-
tag den 31. X^'- Gratis, ein Mann, etwa 50 Jahre, Johan Dietze.
Bürger und gewesener W eiuschencke, im Lazareth, starb Frei-
tag [den 29. December], wurde nach St. Jobannis begraben aufn
Gottesacker, sonst Polter-HanB genandt.« Also starb er arm.
so dass nicht einmal die Beerdigungskosten aus seinem Nach-
lass bestritten werden konnten. Aber so populUr war der Mann,
dass man ihn dennoch nicht beim Lazareth beerdigen Hess, und
so stadtkundig, dass selbst der sonst so nüchterne und rein ge-
schSiflsmüssig registrierende Leichenbuchführer es nicht unter-
lassen mochte, seinen Spitznamen mit zu verewigen.
Von seinem Leben vermag ich nur noch ^in Datum beizu-
bringen. Am 5. Mai 1676 ward er in die Bürgermatrikel einge-
265
tragen, und wir erfahren dabei, dass er aus Schkeuditz herüber
kam. Der Eintrag lautet: »5. Mai 4676. HannB Dietze, Wein-
schenke von Sekeuditz , soll seine Eheliche Geburth bescheini-
gen, erleget vors Bürger-Recht 20 Thaler. Juravit.«
Mit einem Wunsche möchte ich schliessen : möge es nun
auch noch gelingen, das Urbild zum Graf Ehrenfried festzu-
stellen. Denn dass auch hier eine Persönlichkeit jener Zeit vor-
geschwebt hat, kann, nach dem was wir bisher haben nach-
weisen können, kaum noch einem Zweifel unterliegen.
ä. Ein Psendo-Renter?
In seinen lehrreichen »Studien zur Literaturgeschichte des
XVIII. Jahrhunderts« S. 424 führt Max Kawczyüski aus dem
oMaterienkataloge« der König]. Bibliothek zu Dresden das fol-
gende Werk an :
4702. Hilarius (Christian Reuter),
der allezeit lustige Student, oder Prinzen Fredonius (lies Fere-
donis) akademischer Lebenslauf.
Dieser, früher von mir nicht beachtete Titel versetzte mich,
als ich ihn entdeckte, in nicht geringe Spannung, denn er stellte
nicht nur ein neues Werk von Christian Reuter, sondern auch
eins von ganz besonderem Interesse in Aussicht. Das Studen-
lenleben war ja der eigentliche Tummelplatz der Reuter'schen
Muse gewesen und das Jahr 4702 war in der Aufzählung seiner
schriftstellerischen Leistungen noch unbelegt. Es war ein sehr
wichtiges Jahr, die Zwischenzeit zwischen seiner Leipziger und
seiner Berliner Periode. Auf meine Bitte erhielt ich von der ge-
nannten Bibliothek das nachstehende Buch (Lit. Germ. rec. C.
397) zugesandt:
Der allezeit | Lustige Studente, | Oder | Printzens Fere^
donis jAcademischer Lebens- | Lauft', | Worinnen | Nicht
nur dessen Wunder- | volle Begebenheiten ausführlich |
bei-ühret, sondern auch ein und andere | lustige Actionen.
so von dessen guten | Bekandten in unterschiedlichen
Com- I pagnien ausgeübet worden, anmu- | thigst mit vor-
gestellet | werden; | Alles in Ilislorischer, und mit | dem
Mantel einer annehmlichen Lie- | bes-Geschicht und Ro-
4887. 48
266
• maine bedeck- | ten Wahrheit beruhende, | Aufgesetzt von
HILARIO. I Nürnberg, | In Verlegung Johann Christoph
Lochners, Buchhändlers. 4702.
(Rückseite des Titels leer, dann 40 unbesifferte Blätter
»Vorredea, darauf 672 bezifferte Seilen 46«, die letzten beiden
Seiten mit kleinerem Druck.)
Aber die Spannung erlahmte bald. Ich fand ein breites
langweiliges Buch, und die grössten Zweifel regten sich sogleich,
ob dies Werk wirklich von Christian Reuter herrühren könne.
Freilich, so geflissenlHdi allad Loeale verhüllt erschien, in Leip-
zig — hier Memßs, Memphis genannt — spielte die Handlung.
S. 256 wird »das kleine Fürsten-Collegiuro« erwähnt, S. 324
*der rothe Hahn in der Heu - Strasse« , wo die Kutschen für die
Landpartie genommen werden : das wird der »goidne« Hahn in
der Hainstrasse sein, die damals auch Heustrasse hiess; S. 526
wird auf die bekannten Esel des Thomas-Müllers angespielt;
S. 443 ergeht an die Universität ein Churfürstlicher Befehl,
S. 609 wird der Sitz der Landesherrschaft Dresano genannt ; ja
S. 365 fuhrt der Wirth den Namen »Polter-Hannß«, hier zwar aus-
serhalb Leipzigs, aber doch otlenbar den soeben von uns be-
sprochenen lustigen Weinschenken copierend : auch er radebrecht
etwas französisch (S. 325, vgl. S. 424 meiner Abhandlung],
redet die Gäste mit »Herr Bruder« und mit dDu« an (vergl. z. B.
S. 373) u. s. w.*) Manches Andere stimmt wenigstens zu den
Leipzigerverhältnissen ,so wenn der vornehmste Professor zugleich
Generalsuperintendent genannt wird (S. 257), wenn der Wirth
eines der besuchten Dörfer »der Universität Unterthan« genannt
wird, wenn an die Stadt gleich sich Wälder anschliessen u. ä.
Auch die Anknüpfungen für die geschilderten Prügeleien mit
Bauern und Soldaten finden sich in Vorkommnissen des letzten
Decenniums in Leipzig. Anderes wird den Zeitgenossen erkenn-
bar gewesen sein, das für uns verdeckt ist, z.B. die Orte, welche
das Ziel von Spazierritten und Landpartien sind, die Dörfer
i) Der Held selber, der Prinz Feredo von Casiitien, ist höchst wahr-
scheinlich der im Sommerseinester 4 690 immalriculierte : lUustrissimus Co-
nies DominusJohannesFridericasComesin Castell. Promisit (d. h. es ward
ihm als Fürstlichem der Eid erlassen). 2 Thir. {<!. i. die doppelte Immatri-
culationsgebUhr selbst der Adligen).
267
Priapos, Nepa, Parthenope^ Grimmeiidorfy die BVeslungt ftappttsa,
das Städlchaii Münchensiadt (Merseburg?) u. s. w. Die Eoifer-
nungen sind vielleicht suweilen absichtlidi irreführend falsch
angegeben, wie denn eine ängstliche Scheu, Besiehungen zu
verratben, mehrfach hervortritt.
Das alles würde «uf Ghristilin ftenter wohl passen: ge-
brannte Kinder scheuen das Feuer. Auch der unsaubere, bor-
dellmässige Inhalt würde kaum gegen seine Verfasserschaft ein-
gewendet werden dttrfsn. Auffallender ist schon, dass gerade
d^r Kreis des studentischen Lebens, dem Reuter angehörte, hier
ganz in der Ferne steht, indem eigentlich nur das liederliche
Treiben der fürstlichen und hochadligen Rou^s geschildert wird,
zu denen doch Reuter keine Reziehungen gehabt zu haben
scheint. Auffallend auch der philiströs moralisierende Deck-
mantel , der hier den unsaubersten Erzählungen übergehängt
wird, dessen heuchlerische Larve doch Reuter wenig zu Ge-
sichtstebt. Aber vollkommen unmöglich erscheint die Annahme,
dass Reuter der Verfasser sei, wegen des Stils und der Darstel-
lung. Denn kaum kann man sich einen grösseren Gegensatz
vorstellen, als den zwischen Reuter's frischer, lebendiger, kurz-
angebundener Sprache und den langathmigen , zusammenge-
schachtelten, halb lateinisch gedachten Perioden des Studenten-
romans, kaum einen grösseren als den zwischen ReuteHs
packender, den Leser fesselnder Darstellung und der unglaub-
lich langweiligen , in endlosen Monologen und Dialogen ausge-
sponnenen Erzählung, die auch die prickelndsten Schilderungen
nahezu unlesbar macht. Nirgends ein treffender Witz, nirgends
ein Gedankenblitz, nirgends ein kecker und ungewöhnlicher
Ausdruck ! Man könnte den Studentenroman so recht als Folie
verwenden, um an ihm die geniale Sprachgewalt und die geniale
ErzUhlungskunst Reuter^s sich von den Dutzendromanen seiner
Zeit abheben zu lassen und sie um so mehr schätzen zu lernen.
Und nun dazu die unerhörte Rreile ! Auch die späteren Berliner
Elaborate Reuter's zeichnen sich noch durch Kürze und Bündig-
keit aus, wie ebenso die Jugendschriften, und dazwischen sollte
ein Roman mit ganz geringfügiger Handlung von 672 Seiten liegen?
Wäre das Werk wirklich von Reuter, so müsste ein Wandel mit
ihm vorgegangen sein, der psychologisch wie philologisch gleich
unglaublich erscheint. Auch scheint sich der Verfasser selber
den Mitteldeutschen, den Sachsen, zu denen ja auch Reuter ge-
268
hörte, entgegenzustellen , wenn er S. 438 , indem er das Wort
»Brand« erklären will, sagt: »durch den Brand verstehe , nach
Sächsischer I^nd- und Bedens-Art, ein starckes Beschmausen
einer Gompagnie, welche denjenigen, so sie heimsuchet, in
grossen Unkosten und Schaden bringet.«
Die Vorrede, in der der Verfasser sich über sein Werk aus-
spricht, mag hier als Probe seines Stils eine Stelle finden. Sie
scheint sein Buch als ein Erstlingswerk zu bezeichnen, was
ebenfalls die Verfasserschaft Beuter's ausschliessen wttrde :
Vorrede An den Nach Standes-Gebühr
Geehrtesten und jederzeit geneigten Leser.
Endlich erkühnet sich mein allezeit Lustiger Studen te, als eine
Frucht seichter Lippen, aus seiner Studier-Stube sich hervor
zu wagen, und auf den Schau-Platz der Schrifft- edlen Well
vorzustellen : Der angenehmen Hoffnung und festen Zuver-
sicht lebende; daß, ungeachtet vieler Theons-Brttder, welche
aus Neid- gefüllten Augen nicht ermangeln werden, diese
Blätter durch alle Praedicamenta durchzuziehen, sich dennoch
viel honnette Gemüther finden werden , die sich dieses mein
wohlmeinendes Unterfangen bestens gefallen lassen und aus
dem Willen erkennen werden. Denn ob ich mir zwar die
Unwissenheit nicht zur Entschuldigung nehmen kan , als ob
mir nicht bekandt wäre , was vor ein gefährliches Unterneh-
men es sey, sich der scrupuleusen Welt durch Schrifllten xu
offenbahren, angesehen selbige ohne diß mit so vielen ge-
lehrten Sachen in allen Wissenschafften dermassen angefüllet.
ja überhäuffet ist, daß fast keine Verbesserung zu hoffen:
so wird doch dieser allezeit Lustige Studente verhoffentlich
passirt werden, wann er gantz gerne bekennet, daß er eben
keinen looum unter denen Gelehrten und berühmtesten Leuten
dieser Welt meritire; zugleich aber bittet, ihn mit dem TituI
eines blossen unverständigen Müssig- und Wollust- Gängers
zu verschonen; angesehen er zwar nicht in Abrede seyn
kan, daß die meiste Zeit seines Academischen Lebens-LauiTes
und Studenten-Standes mit lächerlichen Possen und allerhand
lustigen Actionen anzufüllen wäre , jedennoch aber jederzeit
dabey dabin getrachtet, daß er sich auch noch eines gerin-
gen Platzes unter Politischen Staats-Gelehrten anmassen, und
dabey erweisen könne, daß sowohl Zeit als auch Geld nicht
gar verlohren gangen, sondern noch so vielzur Danck barkeit
hinterlassen, daß deren Verlust mit der Zeit wieder reichlich
ersetzet werden künne.
269
Ich erinoere uiich aber ein und anderer EiuwUrffe, welche
ich anzuhören bemUssiget worden, und absonderlicli die Ca-
tonianische Meynung, ob wären die Romainen schlechter Dings
unnütze Schriften; dahero ich auch mehr als zu viel Ursache
hätte, mich dahin zu bearbeiten, dafi ich selbige sogleich
gründlich hiemit widerlegen mtfgte. Allein, weilen ich mich
hierinnen auf die Gütigkeit des geneigten Lesers verlasse, als
will ich vor diBmahl alles mit Stillschweigen übergehen, und
mehr nicht berühren, als dieses; dafi, obwohl bisweilen ein
und andere lustige Action, welche eben so gar sehr nicht zu
loben, mit eingemischet worden, selbiges doch nicht zu dem
Ende geschehen seye, als ob man sich dessen zu beliebter
Nachahmung bedienen, sondern vielmehr deren Abscheulich-
keit daraus erkennen, und also Anlaß nehmen sollte, sich vor
dergleichen zu hüten ; denen ungegründeten Hassern aber
der lehrreichen Romainen, und andern Ubel>gesinnten rathct
der Autor dieses allezeit Lustigen Studenten dienstfreundlich,
dass sie dieses sein geringfügiges Werokgen , welches sich
nur als eine unwürdige Dienerin und AufwArterin der heutig
vortrefflichen Romainen aufführet, beyseits legen, und an
dessen statt ein nützlicher Buch nach eigener Caprice er-
greiffen mögten , aus welchem sie beweisen könten : Dicatur
in eo, quod non dictum sit prius.
Den Innhalt der wenigen Blätter belangend , so sind es
mehrentheils wahrhaftige Begebenheiten, welche sich in die-
sem jetzt -verwichenen Seculo auf einer berühmten und allent-
halben bekandten Universität unsers edlen Teutschlandes, zu-
getragen haben: Worbey zugleich ein wohlgesinnter Leser
die verderbten Gewohnheiten und Gebräuche, so unter denen
beliebten Musen-Söhnen eingerissen , und wordurch ein jun-
ges Gemüth , welches gleichfalls des Academischen Lebens-
Wandels sich bedienen soll, öffters dermassen zu Grunde ge-
richtet und verderbet wird, dass ihme nachmahls die ge-
wöhnliche Studenten-Hosen die Zeit seines Lebens anhangen.
Und wie ich mich möglichst beflissen, alle unartige und ärger-
liche Redens-Arten äusserst zu vermeiden, oder doch selbige
dermassen zu umschneiden, daß das zehende deren Nach-
druck nicht bemercken wird , auch niemanden mit Fleiß zu
touchiren, (es seye dann, daß sich jemand getroffen finde,
da ich versichere, es seye von ungefehr geschehen) also ver-
hoffe, urob so viel eher, aller üblen Meynung entübriget
zu bleiben.
Des Styli und eingestreuten Barbarismi wegen , werde ich
verhoffentlich zu perdonoiren seyn, wann ich sage, daß ich
270
hierinnen den eigenilichen find -Zweck der Romaineo, die
Teutsche Sprache zu erheben, nicht so genau beobaehlei habe:
weil ich mich viel zu wenig erachtet, unserer werthen Mutter-
Sprache den wenigsten Zierrath durch mich zu ertheilen : Zu
deme auch der Innhalt sich mehr einer Historischen ße-
Schreibung gleichet : Dahero ich durch vergebene Bemtihung
die Annuth meiner Zunge nicht verrathen, sondern mich
durchgehends einer leichten und gewöhnlichen Redens-Art
bedienen wollen.
£n fin ; Ich bitte nochmahls, diese Schrillt nicht nach Wür-
den , sondern nach dem wohlgemeinten Absehen de meliori
zu judiciren , und mir durch geneigtes Aufnehmen dieser
ersten praesentation und Auftritts meines allzeit lustigen Stu-
dentens, fernere Gelegenheit geben ; daB ich nächstens meine
Danckbarkoit hie vor, so wohl durch dessen anmuthige Gon-
tinuirung, als auch noch ein und andere Tractätgen ktthnlich
darzulegen, möge Ursach haben ; Denen übel*-wollenden Mo-
mis und Zoilis aber setze ich den Wahl -Spruch eines hohen
Ordens wohlbedfiohtig entgegen : Honni seit, qui mal y pense.
Vale.
Der Yorrede entsprechend nennt sich der nun beginnende
Roman : »Des allzeit Lustigen Studenten Erster Theiia. Aber ein
zweiter scheint nicht gefolgt zu sein.
Der Inhalt ist der folgende.
Feredo, ein Prinz aus Castilien, der sich aber nur für einen
Baron ausgiebt, befindet sich en grand seigneur mit seinem
Diener Sotiero , einem durchtriebenen Schelmen , in Memphis
aufder Universität. Letzterer ist es, dem die Erzählung in den Mund
gelegt wird*). Den Hintergrund der eigentlichen Handlung ge-
ben die Vergnügungen der vornehmen Rou6s ab, die allgemeine
Studentenschaft spielt nur zuweilen zur Aushülfe und als Sta-
tistenchor mit. Der Prinz wird von Freunden invitiert auf enl-
fernte Güter, man macht Spazierritte und Ausfahrten von meh-
reren Tagen. Nächtliche Gelage, Waldpartien und Wasserpar-
tien, die wohl nach dem Leben gezeichnet sind, und deren Schil-
derung des Interessanten Viel bietet , daneben Prügeleien mit
Bauern, eine blutige Metzelei mit Soldaten , ein Studentenauf-
stand in der Universitätsstadt mit obligatem Fenstereinwerfen
1) Freilich erst — und ganz plötzlich — seit S. 44. Bis dahin wird
auch von Sotiero in dritter Person erzühlt.
271
beim Rector Magnificus , dem BUrgoi*meistei- luul Siadtrichier ;
daoeben NasfUhrungen dummer Wirlhe durch allerlei Betrug,
selbst Teufelsbesehwörungen u. s. w., das isis was uns in buo-»
ten, nur viel zu breit ausgemalten Bildern vorgeführt wird.
Durchgehends aber spielen dabei die Hauptrolle feile Dirnen^)
uud Verführungen leiebtainniger Mädeben oder Liebesspielo
mit »Uahnreimaoherinnenay die ganz geschaftsmttssig abgothan
werden, wahrend der Geidge, bei Tag und bei Nacht, wie auf
der »Kampfst&tte« (dem Bette). Man kommt aus der Atmosphäre
des Bordells nicht heraus, und mit widerlicher und ungras^iöser
Nacktheit und in steifer Darstellung wird Alles breit ausgeführt.
Ja, bei einer Waldpartie wird ein gemeinsames Bad von Herren
und Damen genommen, und in allen Einzelheiten uns vorge-
führt. Man kann nicht frecher, nicht schmutziger erzählen, als
es hier geschieht; um »die Werkstütte zur Vermehrung des
Menschengeschlechts« dreht sich Alles. Der Prinz aber betreibt
den Sport als noble Passion. Ein schon »probirtesa Mädchen
verschmäht er, nur eine noch unberührte Jungfer , die er sich
dann selber zurecht stutzt, darf ihm angeboten werden, und
natürlich widersteht ihm von gewöhnlichem Schlage keine.
Auf diesem würdigen Uintergmnde entwickelt sich nun
die seiner würdige Romanhandlung. Die Wirthin des Hauses,
in welchem Feredo wohnt, hat eine Schwester Korianna, ein
schönes und dabei keusches und züchtiges Mädchen. Diese gilt
es Zugewinnen, und durch die schändlichsten Betrügereien, und
nachdem ihr der Prinz versprochen hat, sich in morganatischer
Ehe ihr zu vermählen, gelingt es, sie auf seine Stube zu locken
und dort ihm zu Willen zu bringen. Selbstverständlich ist er
bald ihrer überdrüssig und es gilt nun, sich ihrer zu entledigen.
Zu dem Ende wird der folgende Schurkenstreich verabredet.
Man entführt die Korianna, angeblich, um die morganatische
Vermählung zu vollziehen. Auf der Reise muss Sotiero im Dun-
keln im Gewände seines Herrn sich der Schlafenden nahen und
zu ihr ins Bettesteigen. Im richtigen Momente erscheint Feredo
mit Licht, thut empört über die Untreue seiner Geliebten, und
nachdem er anfangs gedroht, sie, die guter Hoffnung ist, auf die
1) Ein bemerkenswerther Enphemismus ist es, das« man sich beim
Wirthe ein Bette »mit weichem Unterkissen« oder »ein angenehmes Unter-
beUfi* bestellt.
272
Strasse hinauszusiossen und dorn vollen Elend preis zu geben, er-
scheint er dann grossmüthig und verspricht Verzeihung, wenn
Korianna ihren mit Sotiero begangenen Ehebruch durch eine
nachfolgende Ehe mit diesem legalisieren wolle. Die Ärmste,
die den unsauberen Schurken verabscheut, willigt endlich jam-
mernd ein. Sotiero wird Hauptmann und eine tUchtige Mitgilt
von Speciesthalem soll als ein Pflaster auf die Wunde der Betro-
genen erscheinen , wJihrend der Prinz nach Memphis zurück-
kehrt und »von dannen noch auf 4 andere Universitäten reiste.
Ich will hier noch den Anfang der Erzählung hersetzen.
Sic beginnt mit einem Monolog des Sotiero; ein Einfluss von
HappeFs akademischem Roman ist wohl erkennbar :
»0 Wunder- volles GlUckl wie pflegst du doch mit denen
sterblichen Engeln dieser Erden, und flüchtigen Adams-Kio-
dern zu spielen? W^ie beliebet dir, solche bald durch deine
treue Gefehrtin, die edle Fama, über das gesternte Rund tra-
gen, und bis zu des Himmels Zinnen begleiten zu lassen:
bald wieder in den untersten Grund der Verachtungs-Höle zu
stürtzen , und zu einem rechten Schauspiel aller Welt zu
machen? Wie muB dieser bald durch deine Gnade mit einer
reichen Plutus-Habe prangen? Jener hingegen von nichts. aLs
eitel Mangel, Jammer und Noth zu sagen wissen? Wie siehel
dieser seine Tafel mit denen delicatesten Speisen und kost-
barsten Tractamenten bezieret vor sich stehen? Da jener sich
nur von diesem reichen Ueberfluß sein Leben kärglich zu er-
hallen wünschet? Wie muß jene grobe Sünden-Haut mit de-
nen prächtigsten Kleidern , edelsten Kleinodien und admira-
belsten Geschmeide behänget seyn? und jener mit einem
zerflickten und zerstickten Bettler -Mantel zufrieden leben?
Diesem muß alles nach seinem Wunsch und Verlangen aus-
schlagen ; dahingegen jener von allen seinen Seuffzern und
Thränen-vollen Jammer-Ach nicht eines erfüllet siebet. Und
was sage ich von andern , da ich selbsten Ursache über Ur-
sache habe? mich höchlich über dich zu beklagen, und dein
unbeständiges Glückes-Rad an meiner eignen Person zu be-
scufl'zen : Indeme ich von selbigem bald in die Höhe , bald
wieder in den tieffesten Abgrund hinunter getrieben worden?
Bald mußte ich von dir, O betrügliche und unbeständige For-
tuna, in die entlegensten Oerter verjaget, durch die gefähr-
lichsten Wege getrieben und verfolget werden. Bald musten
meine Hände durch dein Verhängnus einen Blut-gefärbten
Sebel ergreifien^ und mit selbigem einem allgemeinen Feinde
273
Trotz bieten. Kaum hatten die Hände das blutgierige kalte
Eisen ergriflPen, so wurde meines Generalen Hertz durch dei-
nen Antrieb eines andern beredet^ und dahin getrieben, daß
er mich von der Soi*te anderer Soldaten weg , und zu seinem
Kammer-Diener annahm. Alleine dieses kunte dir, 0 spie-
lende Gottin, noch kein Genügen leisten, sondern, da ich kaum
einige Freude und Vergnügung über die plötzliche Verände-
rung meines mühsamen und beschwehrlichen Standes ge-
schöpifet, und in solchem eine Weile zu verharren mich re-
solviret hatte, muBte ich, auf meines Herrn Befehle und durch
deine unbeständige , wanckelnde, aber doch dabey jederzeit
sehr schmeichelnde Gewalt getrieben, demblau-geschaumten,
Schiff-schmetternden tyrannischen Meer mich übergeben, auf
welchem ich gantzer fünff Jahre dermassen herum getrieben
und gestossen worden , daß zwischen meinem Leben und dem
Tode nur ein Daumen - dickes Bret gewesen, welches der-
massen von denen Himmelsteigenden tyrannischen Wellen
allbereit bestürmet worden, daß ich, mir nichts anderes, als
den erbärmlichsten Tod einbildende, meine Seele ihrem
Schöpfler gäntzlich anbefohlen , den Leib aber dem Neptuno
schon im Geist aufgeopflert hatte. Und würde ich gewißlich
nimmermehr diesen unpartheyischen grausamen Meeres-Flu-
then entronnen seyn, wann Du mich nicht zu fernem wun-
derlichen Glücks -Fällen aufgehoben, und mehrern Grimm
an mir auszuüben dir vorgesetzet hättest.«
»Dieses nun, meinte ich, würde Dir, unbarmhertzigc For-
tuna! einmahl genug seyn ; Nun hoffte ich, Deiner grausa-
men Verfolgungen erst ein gewünschtes Ende zu sehen. Aber
0 ungetreues Glücke I 0 verhaßte Stieff-Mutter aller Freuden!
Anfeinderin der Lust, Erweckerin der Noth, 0 todtes Leben !
ja was sage ich, du lebendiger Tod selbstenl Hast du all dei-
nen Grimm über mich allein auszuschütten beschlossen? Soll
ich alle Folter deiner unbeschreiblichen Grausamkeit, aus-
stehen? Hast du mich zu deinen ärgsten Sciaven erwählet,
oder will du nicht eher mich zu verfolgen nachlassen , biß
ich alle deine Marter und unbarmhertziges Verfahren über-
kommen, meinen Geist in den erbärmlichsten Tod aus meinem
Leibe blase %
»Aber was rede ich unglückseeliger Sotiero? Werde ich
nicht den Zorn dieser ohne dieß unbarmhertzigen Göttin im-
mer mehr über mich vergrössern? oder wohl gar verursachen,
daß sie ihr grausames Verhängnus auf einmahl im Grimm
274
über mich ausschüttet, und diesen Augenblick zu Boden
schJjjl|$et? Darum so besänfftige dich mein Geist, und ihr Lip-
pen bezähmet euch. Trachtet, wie ihr die harten Worte, und
das hefiftige Klagen über das biBhero verdrieBliche, getälir-
liehe, mtthsame und unbarmhertzige Verfahren dieser unbe-
ständigen Fortuna, wieder aussi^hnen, und dero Gnade, so sie
anjetzo gegen mich blicken lasset, mir künfftig hin beständig
erhalten möget. Leget hinfUro alle ungleiche Reden beyseits,
und bcfleissiget euch nun mehro, nach ttberstandenem Unge-
witterund grausamen Unglücks -Stürmen, die wieder auf-
gehende Freuden-Sonne und erwünschte Freuden-Sirahlcn
dieser mächtigen Glücks -Göttin mit tausendfachen Liebes-
KUssen zu umarmen , und dero Wunder-vollen Lauif und
Rühmenswürdige Schick-Saal mit unzehlbaren Lob-Gedichten
zu erheben. Alleine, was höre ich? Ist mir recht, so schlägt
schon die Stunde? Ja gewiß: Nun gehe Sotiero, und
suche deinen Herrn, welcher Deiner mit Schmertzen er-
wartet.«
Also hatte eine geraume Zeit Sotiero (Feredonis, eines jun-
gen Printzen von . • . ., welcher auf Universitäten vorjeizo
lebte, und auf selbigen alle Freude und Ergötzlichkeiten, so
unter Studenten geheget und ausgeübet zu werden pflegel,
zu geniessen, alles, was nur einen jungen Menschen vergnü-
gen, und den lieblichen Früling seiner Jahre versttssen
könne, auszuüben, und kürtzlich nicht die geringste Traurig-
keit sein frisches munteres Hertze berühren zu lassen, son-
dern im steten Freuden-Leben zu beharren, und, als ein all-
zeit lustiger Studentc, sich die Zeit seines Academischen
Lebens über aufzuführen, fest resolviret und vorgesetzet hatte)
seine bißherige Fata und wunderbahre Glücks- und Un-
glücks-Fälle bey sich selbsten gantz alleine bewundert und
erzehlet; wurde auch gewißlich noch eine ziemliche Anzahl
seines unbeständigen , zweiffelhafTten und hin und wieder
wanckendcn Glückes, von sich haben hören lassen, wenn nicht
der unversehene Glockenschlag seine Rede unierbrochen, und
ihme seiner aufgetragenen Verrichtungen erinnert hätte. Als
welchen nunmehro ein Genügen zu leisten, er von seinen ein-
samen Gedancken und höchst-vergnügten Widerholung seines
Wunder -vollen Lebens- Lauffes, abzustehen sich genöthigel
findet, und seines Herrn Studier-Stube zu verlassen.
U. s. w.
Als Beispiele für den charakteristischen Einschachtelungs-
slil, von dem der Schehnuffsky nichts zeigt, mögen noch zwei
Stellen folgen.
275
S. 336 fg. :
Mein PrinU aber^ welcbeiu die andern jederzeit das Prä ge-
lassen hatten, betrachtete indessen diese vorgestellte Syreoen
mit unverwandten Augen, erwöge allein ihre Blicke, überlegte
ihre Reden, besähe ihre Farbe, ob sie beständig oder verlin-
derlich wäre, observirte ihre Minen, ob selbige frech oder
erschrocken und blöde wären, und über alles andere liefi er
seine scharff-gesinnten Augen-Paar genaue Beobachtung ihrer
Lineamenten an der Stirne und gantzen Gesichte haben, omb
daraus deren Zustand, Gemüth und Neigung desto aecurater
zu judiciren, biß er endlich, naehdeme er selbige sämtlich
wohl erforsehet, (warumen solches geschehen, kan der ge-
neigte Leser, welcher vielleicht in der Liebes-Schul ileissiger
und öffter als ich (der ich mich in dergleichen Sachen noch
vor ein Kind erkennen muß) studiret, Selbsten bestens beur-
thcilen; Meine Meynung und Phantasie wäre. Mein Printz
wolte vielleicht nach dem Grund und Fundament der Liebe
sehen, und betrachten, ob nicht eine noch unbefleckte Jungfer,
deren Krantz und Reichthum ihme zu Theil werden könte,
unter selbigen za finden wäre. Dann mit gemeinen und offl
probirten Venus- Söldnerinnen zu conversiren, wolte ihme
das teutsohe Franckreich, so gemeiniglich, und mit geringen
Unkosten, bey dergleichen Unflathsvollen Schand-Ge&ssen zu
beschauen war, nicht verstatten; so wolte ihme auch die
SchärfTe des Göttlichen Gesetzes nicht erlauben, mit einer in
ehelicher Pflicht von dem Himmel selbsten ihrem eigenen
Manne zugethanen Frauen einige Vergnügung zu pflegen.
WeBwegen er dann sich jeder Zeit nach einer noch unbe-
fleckten unschuldigen Nymphe umbgethan, und viel lieber
den süssen Liebes- Streit gar entrathen, als daß er sich mit
einer garstigen Frantzösin, oder Höllen-stürtzenden Ehebre-
cherin solte beflecket haben. Weilen er nun aber ein und
andere gewisse unbetrügliche Merkmahle der Jungferschafll
aus eines Menschen Gesichte, und absonderlich aus denen Li-
niamenten der Stirne zu lesen wüste, so glaube ich dahero
sicher, daß dieses diejenige Ursach dieser scharffen Unter-
suchung gewesen seye) des Wirthes Muhme , so ein Mädgen
von funffzehen Jahren, aber doch ziemlich subtilen Verstände
und herrischer Alacrität, wie nichts weniger mit einer mehr
als gemeinen Schönheit von dem gütigen Himmel beschencket
war, und erst vorgestern von ihrem Vettern , so ein Becker
war, zu diesen ihren Vetter, um einiges Geld von ihme einzu-
fordern, abgeschicket worden, bey der Hand ergrieffen, und
neben sich an die rechte Seite setzte.
219
S. 505 (es ist die Nacht nach den Orgien im Walde) :
Da ich mich denn endlich gleichfalls nach einem Lager uni>
sähe, und also die rasende Trunkenheit meines von Baccho
bethörten Herrns bey gar geringer Ruhe und gleichsam nur
halb schlafTend bewachte, biß endlich Phoebus, durch seiner
vorgeschickten Heroldin, der Aurorae, Gold-geförbte Strahlen,
meinen Augen die bißherige Nacht-Fttnstemiß in ein helles
Tages-Liecht verwandelte, und mich also zu einen schuldigen
Morgen-OpfTer an mahnte: Da ich denn sogleich allen Schlaff
denen verdunckelten Augen entzöge, mich sogleich von mei-
nem harten Lager (welches die nechste und beste Banck war,
so mich zu meinem Printzen (welcher mit seinen übrigen vor-
nehmen Herren Compagnions und Mitbrüdern^ wie auch lieben
Mitschwestern , deren eine halb entdeckt, die andere gantz
entblösst, die dritte mit weit auseinander gesperrten Beinen
auf dem Rücken daläge, die blosse und harte Erde zu ihrer
Liegnstatt erwehlet hatten) am nechsten gesellte) aufmachte,
und endlich die noch im tieffen Schlaff liegende Bacchus- und
Venus 'Gompagnie aus ihren Sodomitischen Unflats- vollen
Schweins-Lager aufweckte, meldende, daß nunmehr der dritte
Tag, so sie wieder nach Memphis in ihre Musaea führen solte.
erschienen wäre, mit Bitte, zu befehlen, was sie nunmehro
haben weiten , ob man die Kutsche und Pferde wieder zum
Abmarch fertig machen lassen , oder den Wirth , noch mehr
Tractamenten anbey zu schaffen, anmahnen solte *:?
Sollte es einem Leser glaublich erscheinen, dass die mit-
gotheilten Stellen vom Verfasser des Schelmuffsky, der Ehr-
lichen Frau, der Harlequinaden , des Graf Ehrenfried her-
rührten 1
Ich glaube es nicht, und nehme vielmehr an, dass ein01)er-
deutscher oder dem südlichen Franken Angehöriger der Verfasser
des Studentenromans ist. Den Namen Hilarius auch seinerseits
zu verwenden, konnte ihm nicht verwehrt sein, wie ja auch
noch späterhin Andere sich desselben bedient haben (z. B.
Bürger), der Titel seines Buches musste ihn nahe legen. Viel-
leicht mochte der Verfasser auch noch seinem Buche dadurch
eine Empfehlung mit auf den Weg zu geben glauben, da die
unter diesem Namen damals ausgegangenen Werke (die Ehrliche
Frau; Harlequins Kindbetterin - Schmaus) sich gerade in der
Studentenwelt allgemeinster Beachtung erfreuten.
Noch erübrigt, zum Schlüsse auf die Angabe des Dresdner
»Materienkatalogs« (d. i. Standortskataiogs), von der wir aus-
277
gingen, zurttckzukommen. Sie kann einen authentischen Werth
nicht beanspruchen, da sie, wie Hr. Geh. Hofrath E. Förstemann
mir mitzutheilen die Güte gehabt hat, erst dem Anfange der
60er Jahre unseres Jahrhunderts angehört, und der Gelehrte, der
diesen Theil des Katalogs ausarbeitete , seine Angabe aus Wel-
ler's Index Pseudonymorum 4856 S. 72, in welchem Hilarius
durch Christian Reuter erklärt ist (vgl. meine Abhandlung S. 3
fg.), entnehmen konnte und entnommen haben wird. Die frü-
heren Kataloge kennen sie noch nicht.
Um möglichst Alles zu erledigen, will ich noch zwei unter
dem Namen Hilarius gehende Werke anführen, die möglicher-
weise noch auf Reuter hin angesehen werden könnten. Metner
Kenntniss^ haben sie sich bisher entzogen. Es sind:
Hilarius, Demaskirter Fabel-Hanß, 4748.
— , Entlarvter astronomischer Polter-Hanß, 4748.
Herr Lipsius lieferte einen Nachtrag su dm Bemerkungen
über die dramatische Choregie, (Vgl. Jahrg. 4885, S. 414 fg.) Mit
einer lithographierten Tafe].
Im December 4885 habe ich der Klasse BemerkuBgen über
die dramatische Choregie vorgelegt, welche vorzugsweise die
im G. I. A. II. n. 974 zusammengestellten Reste eines Verzeich-
nisses von vlKai JiovvaiayLai für unsre Kenntniss der inter-
essanten Einrichtung zu verwerthen bezweckten. Von dieser
Liste ist vor wenigen Wochen ein weiteres Bruchstück auf der
Akropolis zu Tage gekommen, welches ein paar damals offen ge-
bliebene Fragen zwar nicht zur endgiltigen Entscheidung, aber
doch einer solchen näher bringt. Das Stück ist im Schlussheft
der iq)r]ft€Qlg aqxacoXoyixri von 4886 veröffentlicht; ich theile
dasselbe in der Anlage nach einer Abschrift mit, welche 4ph der
Gefälligkeit von Dr. Lolling verdanke , weil dieselbe ein paar
Buchstaben mehr erkennen lässt.
Besonderes Interesse nimmt das neue Bruchstück insofern
in Anspruch, als das Jahr, für welches es allein eine vollständige
Liste der Sieger in den musischen Wettkämpfen der grossen
Dionysien bietet, das Jahr des Archen Philokles ist, in welchem
Aischylos mit der Orestie, wie aus deren Hypothesis bekannt,
den Sieg gewann. Denn dass nur dieser Sieg gemeint sein
kann, hat schon der griechische Herausgeber aus dem in
jener Hypothesis wiederkehrenden Namen des Choregen, Xe-
nokles von Aphidna , entnommen und danach die sichere
Ergänzung des vorn verstümmelten Archontennamens vor-
genommen. Neu ist ausser den Namen der siegreichen Phy-
len und Choregen in den drei anderen Wettkämpfen des Jah-
res der Name des Bühnendichters, welcher neben Aischylos
den Preis erlangte^ des Komikers Euphronios, von dessen Exi-
279
stens wir bisher überhaupt noch keine Kunde besassen. Ausser
der Liste des genannten Jahres ist von der des folgenden, dessen
Archon, wie wir nun erfahren, Habron hiess, während er bis
jetzt nach der fehlerhaften Ueberlieferung bei Diodor Bion ge-
nannt wurde, der Anfang über die Siege im Knabeq- und Mfln-
neragon erhalten ; über das vorausgehende Jahr lernen wir leider
nichts, da nur die beiden letzten Zeilenenden noch auf dem Stein-
stüek sichtbar sind. Das Angegebene bildet den Inhalt der mitt-
leren von den drei Columnen des Bruchstücks ; von der ersten
sind nur die Enden von 9 oder 4 0 Zeilen , von der letzten die
ersten 2 — 3 Buchstaben der ersten 9 Zeilen erhalten — sehr
■
geringfügige Reste, welchen aber doch bei näherer Betrachtung
einiger Ertrag sich abgewinnen lässt.
Zunächst ist leicht ersichtlich , dass das neue Bruchstück
auf dem Denkmal seine Stelle unter dem ältesten und wichtig-
sten von den früher bekannt gewordenen Stücken gehabt hat
und zwar so, dass entweder die beiden ersten Columnen des
neuen Fragments eine freilich nicht unmittelbare Fortsetzung
der beiden Columnen des alten (aj gebildet oder, was aber aus
bald zu erkennendem Grunde als minder wahrscheinlich zu be-
zeichnen ist, die erste Columne von jenem unter der zweiten
von diesem gestanden hat. Denn den neugefundenen Stein nicht
unter, sondern neben Stück a zu setzen verbietet sich darum,
weil damit die Choregie des Perikles für den durch letzteres be-
kannt gewordenenSieg des Aischylosin zu früheZeithinaufgerückt
würde, während umgekehrt Columne 4 des neuen Stücks vor
Columne 4 des alten zu stellen , woran der griechische Heraus-
geber dachte, deshalb unzulässig ist, weil bei diesem nach
Köhlers Zeugniss der linke Rand des Steins (und zwar als Stoss-
kante bearbeitet) erhalten ist. Danach kann jener Sieg des
Aischylos nicht erst Ol. BO, 4 , sondern spätestens Ol. 79, 4
fallen. Denn da die Liste der Sieger jedes Jahres 4 4 Zeilen be*
ansprucht, auf beiden Bruchslücken aber jede Jahresliste der
ersten Columne drei Zeilen hüher als die der zweiten Columne
anhebt, so muss jede Columne des Denkmals mindestens 30
Zeilen oder nahezu 3 Jahreslisten enthalten haben ; um wenig-
stens ein Jahr hinaufzugehn zwingt aber das von dem Archon-
tennamen der ersten Columne einzig erhaltene Schluss-y, denn
drei Jahre vor Philokles war Konon Archon. Erwägt man aber
weiter, dass das Denkmal, mit dessen leider nur dürftigen Trum-
280
mern wir es zu ihun haben, bestimmt war die Dionysischen
Siege von über anderthalb Jahrhunderten zu verzeichnen und
danach eine Zahl von nahezu zweitausend Zeilen umfasst haben
muss, so wird man sich der Annahme nicht entziehen dttrfen.
dass die Liinge der Golumnen nicht zu knapp bemessen war und
nicht unter 5S oder 63 Zeilen betragen haben wird. Damit aber
steigt die Wahrscheinlichkeit der oben empfohlenen Anordnums.
wonach die beiden ersten Columnen des neuen Bruchstttcks
unter die beiden Columnen des früher bekannten gehören. Dann
braucht man nur die Zahl von 63 Zeilen und einen grosseren
Abstand zwischen beiden Stücken vorauszusetzen, um für den
frühern Sieg des Aischylos auf das von Köhler vermuthele Jahr
der thebanischen Tetralogie [Ol. 78, i] zu gelangen, so wenig
auch die Möglichkeit für ausgeschlossen gelten soll, dass ein and-
rer Sieg des Tragikers verstanden ist, deren er ja nach den ver-
einigten Nachrichten der parischen Marmorchronik und der alten
Biographie in den Jahren von Ol. 73, 4 bis 80, 2 nicht weniger
als 43 davon getragen hat. Die in der ersten und dritten Co-
lumne unsres Stücks erwähnten tragischen Siege aber würden
annähernd auf Ol. 78, 4 und 84, 4 zu bestimmen sein. Leider
ist von dem Namen des Siegers in der ersten Columne nur der
Endbuchstabe, von dem in der dritten Columne nur die beiden
Anfangsbuchstaben erhalten. Wenn mir dennoch eine Vermu-
thung über beide Namen nicht bodenlos erscheint , so darf ich
mich darauf berufen, dass bei der grossen Fruchtbarkeit gerade
der tragischen Dichter wir mit einiger Wahrscheinlichkeit in
unsrer Liste bereits bekannte Namen erwarten dürfen , ebenso
wie z. B. in dem inschriftlich uns aufbewahrten Yerzeichniss
dramatischer Dichter mit der Zahl ihrer Siege (C.L A. n.n.977)
von den verstümmelten Namen sieben alterer Tragiker nur zwei
sich nicht auf sonsther bekannte Dichter ergänzen lassen.^) Von
dem Namen des eben hier zwischen Aischylos und Sophokles
genannten Polyphrasmon glaube ich in dem auf dem Stein noch
erkennbaren N den letzten Buchstaben erhalten, eine Vermu-
i) £uetes wird von Suidas und * EnixaqfJios als einer der Dichter ge-
nannt, die zu der gleichen Zeit in Athen wie Kpicharm in Syrakus Stücke
gaben, und ist danach für einen Komodiendichter angesehen worden, wäh-
rend V. Wilamowitz (Hermes IX S. 341) den Namen für blose Fiction er-
klärte, unglaublich schon wegen seiner Seltenheit, an welcher Meineke An-
stoss genommen hatte.
28t
thuDg, die über das Bereich bioser Möglichkeil dadurch einiger-
inassen herausgehoben wird, dass der fragliche Name ein län-
gerer gewesen sein muss, wie die Stellung des folgenden Worts
€Ölöaa{ii6) zu dem darüber stehenden Bx]oQriy€t erweist.
Ebenso meine ich in der dritten Columne in den Buchstaben KA
den Anfang des Namens von Karkinos muthmassen zu dürfen,
jenem Tragiker, der uns durch die Angriffe der Komödie auf
ihn und seine Söhne bekannt genug geworden ist. Wenn einer
der letzteren nach einer Stelle der Wespen bereits vor deren
Aufführungsjahr (Ol. 89, 4) selbst als tragischer Dichter aufge-
treten war, so ist die Annahme sicher nicht gewagt, dass sein
Vater Karkinos schon sieben Olympiaden zuvor einen Sieg ge-
wonnen hatte.
Aber wichtiger als solche Muthmassungen ist die sichere
Belehrung, welche aus den unter jenem K^ zu lesenden Buch-
staben YJ! zu schöpfen ist. Sie lassen keine andere Ergänzung
als VTtonQtTTjg zu und bezeugen somit, dass in dem fraglichen
Jahre der Wettkampf der tragischen Schauspieler bereits be-
standen hat. Er muss aber schon vor demselben seinen Anfang
genommen haben und zwar drei Jahre früher, wenn wir für die
zweite Columne des Steins genau die gleiche Zeilenzahl wie für
die erste voraussetzen dürfen ; nur dann erklärt sich, wie leicht
nachzurechnen, wie die nächste Jahreslisle der dritten Columne
auf Zeile 10 beginnt, während die der zweiten mit Zeile H ein-
setzt. In meinem früheren Beitrage habe ich jenen Agon für
Ol. 89, 4 nachgewiesen: wir können jetzt seine Eiqsetzung auf
Ol. 84 oder höchstens das Ende der vorausgehenden Olympiade
bestimmen und ihn somit dreissig Jahre weiter hinauf verfolgen,
ein Ergebniss , das bei der früher hervorgehobenen Bedeutung
dieses Wettkampfs von nicht geringem Interesse ist.
Auch noch auf eine andere Frage lässt sich jetzt eine be-
stimmtere Antwort ertheilen, als sie bislang möglich war. Wenn
wir heute wissen, dass die uns bruchstückweise erhaltene Stein-
tafel wenigstens drei Columnen enthielt, so dürfen wir die
gleiche Grösse für die Platte annehmen, welche, wie schon seit-
her feststand, jener vorausging. Setzen wir aber auch nur zwei
Columnen und eine Zahl von nur 53 Zeilen in Rechnui^, so
haben auf jener völlig verlornen Tafel mindestens 9 Jahrealisten
gestanden. Damit aber ist die hergebrachte Ansicht endgültig
beseitigt, welche als Epochenjahr unsrer Siegerliste das Jahr der
1887. ^9
282
Einführung des Komödien- Wettkfimpfs betrachtet. Denn ersleres
darf nach dem Gesagten nicht später als in die 76. Ol. gesetzt
werden, in welche den komischen Agon hinaufzurttcken die be-
kannten Zeugnisse der Aristotelischen Poetik nicht gestatten.
Dagegen bestätigt sich die Auflassung, von welcher die firüher
vorgeschlagene Ergänzung der leider sehr verstümmelten Ueber-
schrift des Denkmals ausging , dass die Listen mit dem Jahn«
begannen , in welchem die musischen Wettkämpfe der grossen
Dionysien eingerichtet waren. Dies Jahr genau zu bestimmen,
gestattet auch der neue Fund noch nicht; nur soviel lässt sich
behaupten , dass es nicht erst das Jahr gewesen sein kann, in
welchem Aischylos seine Persertrilogie zur Anfftlhrung ge-
bracht hat.
Das wichtigste Ergebniss meiner früheren Ausführungen,
dass der dramatische Wettkampf nicht Sache der Phylen , son-
dern der Choregen war,^) ist meines Wissens von keiner Seite
bestritten worden, auch nachdem es durch A. Müllers Handbuch
der scenischen Alterthümer weitere Verbreitung gefunden hat.
Es wäre also wohl an der Zeit das alte Vorurtheil nunmehr auf-
zugeben und nicht zur Deutung von auf das Bühnenspiel bezüg-
lichen Monumenten die siegreiche Phyle heranzuziehen, wie
jüngst geschehn (Hermes XXII S. 336).
4) Den gleichen Satz hat auch A. Brinck in der fleissigcn Dissertation
inscriptiones graecae ad choregiam pertinentes (Halle 4886) p. 90 tt. ao^
dem Vcrzeichoiss der dionysischen Siege abgeleitet, welches er p. 165 ff.
mit der Einführung der Cboregie oder mit dem Jahre 508 beginnen liisst
Verbesserungen.
S. au, Z. 23 HimUliq^, S. 129, Z. 24 lo dwell, S. 230, Z. *
"(hmoIIH, ebend. Z. 6 rendered fond, S. 234, Z. 4 7 (ji^»*kj).
TniM.
Berichte d. IC
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AE I N OCTPATO^ EXOP
K n M ni A A N
PPH f
Bepichted.K.S.6e8.d.Wiss.Phil.hist.CI.1887.
INHALT.
Seit«
Kuhler, Herders Legenden ,,Die ewge Weisheit' und ,Der
Friedensstifter" and ihre Quellen 105
Schnippelj Über das Runenschwert des Königlichen Histori-
schen Museums in Dresden. Mit 3 Tafeln 125
Fleischer, Studien über Dozy's Supplement aux dictionnaires
arabes, VII 17 J
Biihtlingkf Bemerkenswerthes ans Ramäjana, ed. Bomb.
Adhj. I— IV ' 213
Ratzely Die geographische Verbreitung des Bogens und der
Pfeile in Afrika. Mit 1 Tafel 233
Zarncke, Weitere Mittheilungen zu den Schriften Christian
Reuter'8 253
Lipsim, Nachtrag zu den Bemerkungen über die dramatische
Choregie. Mit 1 Tafel 278
Druck von Breitkopf A HJirt«! in Lcipxig.
BERICHTE
ÜBER DIE
VERHANDLUNGEN
DER KÖNIGLICH SÄCHSISCHEN
CtESELLSCHAFT der WISSENSCHAFTEN
ZU LEIPZIG.
PHILOLOGISCH-HISTORISCflE CLA8SE.
1887.
IV. V.
7fS LEIPZIG
BEI 8. HIRZEL
tS88.
284
datiert — ward Opitz von der Pest hingerafft (am 20. August .
Es wäre ihm also leichtlich nicht möglich gewesen, die etwa be-
absichtigte Rücklieferung der Handschrift zu bewirken, deren
Provenienz schwerlich einem Anderenin Danzig ausserihm be-
kannt war, und das Verschwinden warum so leichter zu erklären,
als die Handschrift des Anno nicht mehr als 3 bis 4 Doppel-
blätter betragen hat, bei so minimalem Umfange also leicht ver-
loren gehen konnte. Und wie mit dem Nachlasse Opitz'ens
herumgeschleudert wurde, wusste man aus Lindner's Umständ-
licher Nachricht [Hirschberg \ 740) .
Der erste, der gegen diese Annahme auftrat, war H. Hoff-
mann V. F. Er wies 4830 in der Diutiska I, 254 auf einen
Umstand hin, den bereits 1824 v. d. Hagen bemerkt hatte, ohne
daraus einen Schluss zu ziehen^], dass nämlich die Handschrift
des Williram unverletzt sei : »es ist nicht die mindeste Spar
vorhanden, dass aus diesem mit Bhedigers Wappen versehenen
Bande Blätter ausgelöset oder ausgeschnitten seien«. Das kann
ich aus eigner Kenntniss der Handschrift auf das Bestimmtesle
bestätigen. Von dem äusseren Doppelblatt des letzten Qua-
temio ist das Rückblatt bis auf einen, etwa 4 cm breilen Falz
abgeschnitten, und dieser Falz ist vom Buchbinder benutzt, um
die Handschrift an den hinteren Buchdeckel anzukleben. Dar-
über ist ein die ganze Deckelfläche einnehmendes Papierblalt
geklebt, und dies in die letzte Pergamentlage eingefügt, so dass
zwischen dem ersten und zweiten Blatt dieser der Falz des-
selben hervortritt. Alles ist, von einigen Wurmstichen abge-
sehen, unverletzt, das Papier genau dasselbe mit dem am vor-
deren Deckel und zu einigen Vorsatzblättern verwandten: in
diesem Einbände ist also der Anno nicht mehr vorhanden ge-
wesen. Da nun der weisspergamentene Einband mit Thomas
Rhediger's Wappen und Namen geziert ist '-^j , so war der Schluss,
den nun Hoff'mann zog, recht einleuchtend : »der Anno und die
Verse — vielleicht deutsehe ^j — von den Sacramenten (s. oben
i) V. d. H., Denkmale des Mittelallcrs, H (auch: Anecdolcun mediiaevi
specimen II), S. 49.
2) Das Wappen ist auf der Vorderseite wie auf der Rücksetie de^
Einbandes mit Gold eingepresst. Oberhalb des Wappens, doch noch inner-
halb der ovalen Einfassung steht der Name : Thomas Rediger ^ und ebenso
unterhalb des Wappens : Avec le temps,
3) Das ist wenig glaublich. Unter versus versteht das Mittelalter la-
teinische Hexameter, überdies ist beim Williram wie beim Anno die
285
den Titel) sind wahrscheinlich schon ehe der Williram in Rhe-
digers Besitz kam, davon getrennt gewesen, — und dann fragl
es sich überhaupt noch, ob Thomas Rhediger jemals beides
besessen hat«^). Jedenfalls, so viel musste jeder geneigt sein
zuzugeben, waren, da Thomas Rhediger am 5. Januar 4575
starb, schon lange vor Opitz die beiden Stücke nicht mehr bei
einander gewesen, also konnte aus der Benutzung des Wiiliram
nicht mehr auf die Benutzung auch des Anno geschlossen werden .
Diese Ansicht kann denn auch seitdem als durchgedrungen
gelten.
Freilich; ein Stachel musste zurückbleiben. Denn jene
obenerwähnten Gombinationen lagen so eminent nahe, dass man
sich wohl zu der prüfenden Frage veranlasst fühlen durfte, ob
denn der aus dem Einbände hergenommene entgegenstehende
Grund ein absolut entscheidender sei. Und da muss ich mich
w^undern, dass keiner der Fachgenossen bemerkt zu haben
scheint, dass unter jener Deduction Hoffmann's eine Anmerkung
steht, die dieselbe vollkommen wieder über den Haufen stösst.
Sie thut dies so vollständig, dass ich sie mir nicht anders er-
klären kann, als durch die Annahme, sie sei erst bei der Cor-
reclur während des Druckes hinzugefügt worden. In ihr wird
gesagt, dass der Einband, um den es sich doch allein gehandelt
hatte, Nichts beweisen könne, »denn viele Handschrr. aus der
ehemaligen Dombibliothek, die jetzt seit 4632 in der Rhediger-
sehen aufbewahrt werden, sind ebenso eingebunden.« Das ist
wahr, der Stempel befindet sich sogar noch heute auf der Rhe-
diger'schen Bibliothek und könnte auch heute noch zum Schmuck
der Einbanddeckel verwendet werden. Man ehrte durch seine
fortgesetzte Benutzung den Stifter der Bibliothek und hielt den
Namen dieser jedem Benutzer gegenwärtig. Also der Einband
des Williram kann füglich aus der Zeit nach 4638 stammen,
d. h. die Handschrift kann füglich zu Opitz'ens Zeit noch unge-
deutsche Sprache ausdrücklich durch theutonice hervorgehoben. Also die
Versus de sacramentis werden auch hier lateinische gewesen sein.
1) Wenn freilich Hoffmann dann fortfährt »Und darauf antworte ich
ganz einfach: nein, weil kein einziger schlesischer Litterator von dem
Verluste dieser Hs. als einer Rhedigerschen etwas weiss«, so verstehe ich
diesen Schluss nicht. Es hätte doch nur durch besondere Umstände ver-
anlasst sein können, wenn ein Litterator überhaupt des Verlustes dieser
3 oder 4 Blätter zu gedenken Veranlassung genommen hätte.
286
banden gewesen sein, also kann gar füglich damals auch noch
der Anno mit dem Williram zusammengehangen haben.
Um aber über diese etwas nebelhafte Möglichkeit hinaus-
zukommen, wandte ich mich, da nur eine zusammenhängende
Untersuchung der Rhediger'schen Einbände ein Resultat ver-
sprechen konnte, an Herrn Professor Markgraf, den gegenwärti-
gen Vorstand der Rhediger'schen Ribliothek, mit der Bitte, einmal
im Interesse der Sache eine solche Untersuchung vorzunehmen.
Der genannte Gelehrte erklärte sich dazu bereit und nach eini-
gen Wochen erhielt ich von ihm die nachstehende Mittheilung:
»Nach eingehender Untersuchung der mit dem Rhediger'schen
Wappen versehenen Einbände von Handschriften und Drucken
bin ich zu der sicheren Erkenntnis gelangt, dass diejenige Art, zu
der die Handschrift des Williram gehört, erst nach der Eröff-
nung der Bibliothek im Jahre 4664 ^) in Anwendung gekommen
ist.«
Damit ist die Frage entschieden. Zu Opitz'ens Zeit war
die Handschrift noch ungebunden, d. h. noch nicht in dem
gegenwärtigen Einbände, es können und es werden Williram
und Anno damals noch bei einander gewesen sein, uad jene
früheren Combinationen treten nun wieder voll in ihre Recht«
ein.
Auffallend bleibt es nun imuier, dass Opitz sich über seine
Handschrift des Anno gar nicht ausspricht; es wird dies doppell
auffallend, wenn sie noch mit der des Williram, von der er
ausführlicher handelt, zusammenhing. Wie nahe lag es, mit
einem Worte diesen Zusammenhang anzudeuten. Es scheint
wirklich, als habe er Grund gehabt, die Provenienz nicht zu
verrathen.
Da würdeich nun vor der Annahme nicht zurückschrecken,
er habe die paar Blätter mit dem für ihn so interessanten Ge-
dichte abgelöst und annectiert 2). Solche im Dienste der Wissen-
4) Bis dabiD hatte die Bibliothek unbenutzt gelogen, auch hatten lange
Zeit Differenzen mit den Nachkoniinen Thomas Rhediger's in Betreff der-
selben obgewaltet, die erst 4645 zu einem Vergleich führten.
9) Ob der Anno auf dem letzten leer gebliebenen Blatte des Wilüram
begann oder ob er eine Lage für sich ausmachte, ob also Opitz das letzte
Blatt des W. abschneiden musste oder nur eine Lage abldste, lässt sich
natürlich nicht mehr entscheiden. Doch halte ich Letzteres für das Wahr-
scheinlichere.
287
Schaft vorgenommene Entwendungen haben zu allen Zeiten
seitens der Gelehrtenweit eine recht milde Beurtheilung erfah-
ren; man nannte undnenntein solches Verfahren wohl »retten«.
So rettete Isaac Vossius den Codex argenteus aus Schweden, so
haben noch zu unseren Zeiten namhafte Gelehrte allerlei wich-
tige Funde gerettet. Man verzeiht die Handlung, wenn durch
sie der Wissenschaft eine Förderung gewährt wird, die bei dem
früheren Besitzer nicht in Aussicht stand. Ein Geldeswerth war
mit dem bischen Pergament damals absolut nicht verknüpft.
Freilich verrathen durfte Opitz sein Geheimnis immerhin nicht,
und darum schwieg er sich über seine Handschrift aus.
Das würde, wie gesagt, Opitzen in meinen Augen nicht eben
herabsetzen. Aber ich habe doch auch noch einen anderen Weg
versucht, um zu einer Aufklärung über sein Schweigen zu ge-
langen. Ich glaube, der Weg hat nicht zum Ziele geführt, aber
ich will ihn darlegen, schon damit Andere ihn nicht ein zweites
Mal zu betreten sich versucht sehen.
Hoffmann spricht a. a. 0. in der Anmerkung mit wunder-
lichem Euphemismus von den »vielen Handschriften der ehe-
maligen Dombibliothek, die jetzt seit 1632 in der Rhediger^ sehen
aufbewahrttt würden. In Wirklichkeit war der Vorgang dieser.
Im Herbst 1632 rückten Arnim und Duval mit Sachsen
und Schweden in Schlesien ein und nahmen den für sich abge-
schlossenen bischöflichen Tbeil der Stadt Breslau (den Dom und
die Saudinsel), der ausserhalb der städtischen Befestigungen
lag und von den Kaiserlichen besetzt w^ar, mit stürmender Hand.
Plündernd durchzogen die Soldaten die eroberten Strassen.
Eine gleichzeitige Niederschrift in einem gleich zu erwähnenden
Kataloge schildert das Schicksal der Dombibliothek folgender-
massen: »A'ß. Anno Christi 1632 die 9. Septembris hora quasi
octava matutina miles Siieco-Saxonicus Insulam D, Joanni sacram
omni apparatu plenam et insigni hac Bihliotheca decoratam
hosHliter occupavit et totaliter spoliavit^. Von späterer Hand
ist darunter gesehrieben : mnterierunt 298 manusctipti lihri in
membranay interierunt 218 manuscripti libri in charta, ablati
Stint 2213 libi'i impressia. W^enn daher die Rhediger*sche Biblio-
thek seit 1632 viele Handschriften aus der ehemaligen Dombi-
bliothek »aufbewahrt«, so stammen dieselben von den plündern-
den Soldaten, sei es direct, sei es indirect, her; vielleicht haben
die Nachkommen des Gründers, die auf die Bibliothek immer
288
noch einen privaten Anspruch erhoben zu haben scheinen, sie
angekauft, vielleicht sind sie auch durch andere Zwischenwege
und erst später dahin gelangt^). Leider fehlt es noch an einer
genauen Geschichte dieser interessanten Sammlung.
Wie nun, rousste ich mir sagen, wenn auch die Hand-
schrift des Williram und Anno der Dombibliothek gehört hätte?
wenn vielleicht schon durch die Soldaten der Anno vom Willi-
ram abgerissen, jener an Opitz, dieser an den Senator Michael
Flandrinius (von 4632 — 4646 im Rath) gelangt wäre, von dem
Opitz bekanntlich die Handschrift des Williram erhielt?^) Opitz
war während jener Ereignisse in Breslau, und blieb auch noch
eine Zeitlang dort, während sein Herr, der Burggraf von Dohna,
flüchtete. Dann würde sich ein kluges Schweigen über die
Provenienz der Handschrift ohne alle eigennützige Unterstellun-
gen vollkommen erklären.
Nun finden wir Opitz wirklich im Besitze von Pergamenten
(s. u.), die bei jener Plünderung des Domcapitels geraubt wor-
den waren, und eine von alter Hand des H/45. Jahrhunderts
herrührende Niederschrift auf dem Tilelblatte des Williram
schien ebenfalls auf diesen Weg zu weisen. Es steht dort
neben anderen Einzeichnungen, die zum Theil nur Federf>roben
sind, Ad cathe mit Rasur dahinter (wie es scheint), aus der
man noch einen übergelegten r-Strich herauserkennen roOcbte.
Das konnte gedeutet werden : Ad cathedrcUem [ecclesiamj, zur
Dombibliothek gehörig.
Von dieser besitzen wir einen Katalog, den Friedrich Ber-
ghius im Jahre 4615, also vor der Plünderung, beendete, und
der sich gegenwärtig auf der Universitätsbibliothek in Breslau
befindet. Diesen erbat ich und fand in ihm gleich auf einem
der ersten Blätter aufgeführt: In Reposiiorio tertio No. 43 :
Cantica Canticorum cum gloss. msc, in membrana. Diese Angabe
künnte gar füglich eine Verkürzung des langen Titels der Hand-
schrift: Glose Willerammi versifice et theutonice facte in Cantica
Canticorum sein. Aber auffallend bleibt do^h diese Brachylogie
4) Ist Hoffmann's Tormin »seit 1632oBctenixiössig sicher zustellen?
2) Es ist nicht nöthig anzunehmen, dass, als Opitz den Williram be-
nutzte, die Hs. bereits der Rhediger'schen Bibliothek angehörte. Anderer-
seits aber doch wohl das Einfachste; denn der Magistrat hatte damals be-
reits Ansprüche auf dieselbe und so konnte ein Senator ^ohl die Benutzung
gewähren.
289
des sorgfältigen Gelehrten, und vollends ein Widerspruch er-
hebt sich, den ich nicht zu entfernen vermag. Als Format wird
angegeben : in 8^^ magno^ und das Format des Williram ist klein
Folio, mindestens hoch 4 ^. Auch führt keines der constatier-
baren gedruckten Bücher, deren Format von Berghius ebenso
bezeichnet wird, auf das Format unserer Handschrift.
Demnach muss ich gerechte Bedenken tragen, in jener Num-
mer des Katalogs unsere Handschrift zu erblicken.
Nun heisst es freilich in demselben Katalog noch gegen
Ende : Sunt praeter ea hie alia quaedam manu scripta j itemque im--
pressa : seil vel non ligata vel mutilata, haud magni pretii u. s.w.
Darunter könnte unsere, damals noch ungebundene Willi-
ram-Anno-lIandschrift zu suchen sein. Aber dann müsste doch
die Hinweisung der Handschrift auf die Dombibliothek sicherer
sein als sie es ist. Denn die Silben Ad cathe können^ bei der
Unsicherheit der Rasur, auch ergänzt werden Ad cathenam, und
dass Handschriften wie diese an die Kette gelegt wurden, zeigt
eben jener Katalog, der den grössten Theil der Pergamenthand-
scbriften als catenaft bezeichnet. Auch finden sich auf dem Titel-
blatte des Williram mehrere Schnitte, die vielleicht zur An-
legung der Kette gedient haben.
Ich möchte demnach zu der Annahme zurückkehren, dass
Opitz die Blätter mit dem Anno und den Versus de sacramentis
von dem Williram abgelöst und deshalb die Provenienz dersel-
ben, verschwiegen habe. Aber in Breslau, wo man das volle
Material zur Hand hat, könnte man die Frage immerhin noch
einmal aufnehmen, ob vielleicht am Ende doch der Williram
früher der Dombibliothek angehört hätte. Sollten hiefür Mo-
mente geltend gemacht werden können, die die Angaben über
das Format bei Berghius aufwögen, so träte die oben von mir ge-
äusserte Yermuthung über den Besitzerwerb seitens Opitz'ens
wieder in erste Linie.
Es fragte sich nun, ob ein Versuch Aussicht auf Erfolg böte,
dem Nachlasse Opitz^ens nachzugehen, um die Pergamentblät-
tor des Anno wieder aufzufinden. Dass mit dem Nachlasse gleich
nach dem Tode übel umgegangen sei, wissen wir jetzt aus dem
Briefe des mit Opitz befreundeten Danziger Buchhändlers
Andreas Hünefeld, der bald nach dem Ende des Dichters an
290
Robert Roberiin nach Königsberg hierüber so schrieb^): «AlB
wir ihn den Montag zur Erde bestatteten, hatt daB gesindlein,
welches sonst dazu deputirt, dafi sie die SterbhSuser versie-
geln sollen, alle seine Kisten und Kasten geöffnet^ mit Ge-
walt entzwey geschlagen und spoliiret. Es hatte aber ein gut
freundt solches noch den Abend dem Oeconomo zu Marienburg
zu wiBen gethan, der solchesderObrigkeithochverwiesen, worauf
gedachter Kerl mit seinem Weibe eingesteckt, sein HaoB mit
Musquetieren besetzt, auch alles waB drin, versiegelt.«
Um von diesen Vorgängen genauere Kenntniss zu erhalten,
wandte ich mich an den Magistrat der Stadt Danzig mit der
Ritte, im Archive nach den damals offenbar aufgelaufenen Acten
recherchieren zu lassen. Wenige Tage nachdem mein Gesuch
abgegangen war, ward ich bereits durch eine Antwort erfreut,
welcher der derzeitige Archivar, Herr Arcbidiakonus Beriling,
den gewünschten Auszug aus den Acten für mich beigefügt
hatte. Ich kann nicht unterlassen, für diese bereitwillige Er-
ledigung meiner Bitte meinen aufrichtigsten Dank hier auch
öffentlich auszusprechen. Ich lasse die interessanten Mitthei-
lungen wörtlich folgen.
»Martin Opitz'ens Nachlassmasse, zu der, soweit in Danzig
bekannt, keine rechten Erben vorhanden waren, musste, wie
alle »bona caducaf von Beamten des Barggrafen, d. i. des Ver-
treters der Königlichen Rechte, inventarisiert und in Gewahrsam
genommen werden. Diese Versiegelung Hess der damalige
Burggraf, Hermann v. d. Recke, zwar vornehmen, aber in einer
Willkür, über die auch sonst vielfältig Klagen laut wurden,
nicht durch den burggräfliohen Notar, sondern durch einen
Unterbeamten, Matthias Fehl oder Peel. Während dieser mit der
Aufnahme des Nachlasses beschäftigt war, tauchte das Gerücht
auf, Peel entfremde viele Sachen aus der »haereditaet Opitii«,
und kam auch zu den Ohren des Grafen Gerhard Doenhoff, der
jederzeit Gönner und Beschützer des Dichters gewesen war.
Graf Doenhoff schrieb darüber an den Danziser Rath, und dieser
antwortet ihm schon am 25. Octbr. 4639, wie er es auch dem
Könige Wladislaus IV. unter demselben Datum meldet, Peel sei
sofort in Haft genommen und die Untersuchung gegen ihn ein>
1] Krause, G., Der frachtbringenden Gesellschaft ältester Ertzschrein.
Leipzig 1S55, S. 118.
291
geleilet; alle in der. Wohnung OpSto'ens vorgefundenen Sachen
seien inventarisiert und in Verwahrsam genommen. Um die
Frage sogleich zu erledigen^ ob aus Opitz^ens Nachlass etwas fort*
gekommen sei, so sei hier aus einem Schreiben des Danziger
Ralhes an den Grafen Doenhoff d. d. 24. MUrz 4640 angeführt,
dass der pp. Peel einer Unterschlagung nicht hat überführt
werden können. Auch der Vater Martin Opitz'ens bat keine
Beschuldigung der Art erhoben, obwohl er über die Verschleu*
derung des Nachlasses seines Sohnes sich beklagt, a
» Gegen Ende des Jahres 1 639 hatte sich zu Opitz'ens Nach-
lass sein Vater (Sebastian Opitz), der 4629 nach Lissa geflüchtet
war, als Erbe gemeldet und war zur Betreibung seiner An-
sprüche mit seinem Schwiegei*sohne nach Danzig gekommen.
Nachdem er sich legitimiert hatte, wurde ihm der gesammte Nach-
lass, einschliesslich der Bibliothek und der Papiere, ausgeliefert,
was im April 1640 bereits geschehen war. Von den Papieren,
die sich in Opitz'ens Nachlass befanden, hat der Vater eine An-
zahl Privilegien (32 scheinen es gewesen zu sein), die sich auf
die Breslauer Kirche bezogen, auf Mahnung des Danziger Rathes
an einen Abgesandten des Breslauer Erzbischofs, des Prinzen
Carl Ferdinand, ausgeliefert.« Diese 32 Urkunden waren offen-
bar bei der Plünderung des Domstiftes geraubt und Opitz hatte
sie an sich gebracht.
Von dem so dem Vater ausgebändigten Nachlasse ward ein
Theii in Danzig versteigert, wobei der Buchhändler Hünefeld mit
thätig war. Wir sind darüber untemchtet durch einen Brief
des Danziger Patriciers Georg Freute (auch Proite geschrieben)
an den Breslauer Ad vocaten Andreas Sanftieben vom 40. Januar
4642, den Lindner a. a. O. 11, 75 mitgetheilt hat. Da LindneWs
Buch sehr selten ist, so will ich die betreffende Stelle hersetzen:
»Worauf mein günstiger Herr wohlmeinend vernehmen wolle,
daß nach des Herrn Opitii tödtlichem Abgänge (welches im
Augusto des 4 639. Jahres geschehen) drey Vierteljahr verflossen,
ehe dann der Verkauf Opitianae Bibliothecae ins Werk ist ge-
richtet worden, bey welchem dann gegenwärtig nicht allein der
alte Opitz nebenst seinem Tochtermann, sondern auch Hünefeld's
Gesellen (Handlungsgehülfen), so mit Büchern handeln und
also sich gar wohl darauf vorstanden haben, davon einer der
principaiste die gedachte Bücher alle nach dem Catalogo durch-
suchet und hoch genug taxirt gehabt, da ich denn nebenst Herrn
292
Martino Ruarto concurriret, und jeder von uns eine ziemliche
Anzahl gutter Bücher, darunter auch MSSta (darunter scheint
der Schreiber aber nur Niederschriften von Opitz zu verstehen)
gewesen, über zweyhundert Floren gekauffet, wiewohl ich her-
nach in meinem grosse Defecte hier und dar befunden; und
hUtten wir noch mehr davon kaufen wollen, wenn nicht der
Herr Bartholomaeus Nigrinus, damaliger Pastor der Kirchen all-
hier zu St. Peter, der Tertius interveniens gewesen, welcher
den Rest vorgedachter Bibliothec an sich gekauffet hettec Aber
nach Ausweis des Katalogs fehlte schon damals Werlhvolies, so
z. B. das theure Kupferwerk, die Columna Trajani, das Opitz
nach Angabe seines Katalogs vom Fürsten von Liegnitz ge-
schenkt bekommen halte. »Welches Buch, ob ich schon fleißig
gesuchet, und darnach gefraget, habe ich es dennoch nicht fin-
den und erhalten können, daß es muß zuvor verkauffet, oder
aber, weil es in KupferstUcken bestanden, etwa verrissen oder
verworfen seyn.«
Eine Ergänzung zur Geschichte des Opitzischen Nachlas-
ses bietet dann noch »der gelehrte und berühmte Geschichts-
kundige unseres Landes (wie ihn Lindner nennt] , Herr Chri-
stian Ezecbiel, Pfarrer zu Peterwitz«, in dem 25. Stück von Gott-
sched's Beyträgen zur critischen Historie der deutschen Sprache
etc. S. 54 fg. Hier werden besonders die Bemühungen des
fürstlich Liegnitzischen Rathes B. W. Nüssler, Opitz'ens älte-
sten Freundes, um den Nachlass geschildert. Es handelte sich um
das Manuscript von Opitz^ens Dacia anliqua, die man als voll-
endetes Werk in seinem Nachlass vermuthete. Nüssler ver-
handelte brieflich mit dem alten Opitz, »welcher dermalen
noch zu Fraustadt im Elende gelebet«. Am S2. September
1641 endlich, nachdem die Auction in Danzig bereits gewesen,
konnte er an Andreas Sanftleben schreiben : »Tandem navis ex
Asia venit, et Senex noster Opitius cum MStis filii (auch hier
eigenhändige Niederschriften gemeint) et literis tuis comparuit,
quem etiam laetus lubcnsque suscepi (also war in Danzig nicht
Alles verkauft). Inveni in schedis istis haud pauca, quibus in-
primis capior . . . (aber die Dacia war nicht darunter) . . . Indicem
inveni, qui fidem cuivis facere poterit, quantum thesaurum
perdiderimus. Spem tamen senex nonnullam fecit illam Dantisci
erui posseu (daher denn der Brief Sanflleben's an Preute). Da-
rauf aber folgt die niederschlagende Schilderung: »Et ille (der
293
Vater) indignationem meam magis accendit, ubi de generi, ho-
minis agrestissimi, stupiditate mihi narravit, qui libros elMSta,
vestes et supellectilem reliquam vili pretio, in ipsius defuncti
dedecus et ignominiam, peno quasi sub hasta distraxit et vilis-
simis etiam e fece civium et mercatorum horouncionibus ven-
didit.« Ausserdem erscheint nach einer Niederschrift des Christian
Grypbius, die Ezechiel S. 58 zum Abdruck bringt, auch noch
ein Bruder: »De Opitio quaedam ex ore fratris ejus uterini, Se-
bastian!, accepi, qui Ravitii in Polonia sutor est.« Dieser Schuster
besass zwei Söhne, Sebastian und Martin. Auch an ihn werden
doch wohl noch Theile der Erbschaft distrahierl sein, da er
zweifelsohne neben dem Vater berechtigter Erbe war.
Bei solcher Sachlage würde es meines Erachtens vollkom-
men aussichtslos sein. Schritte zur Wiederauffindung der weni-
gen Pergamentblätter des Anno jetzt noch versuchen zu wollen.
2. So wir daz die Griechen hfirin redin.
So citiert Vs. 32 der Verfasser des Annoliedes seine Quelle,
nachdem er auseinandergesetzt, dass der Mensch aus zwei
Welten, der irdischen und der geistigen, gemischt sei^), weshalb
4) Bei Opitz fehlt nach Vs. 25 der Reim auf geistin. Die Lücke wird
scheinbar ergänzt durch die Handschr. des Yuicanius, und deren Les-
art erschien um so willkommener, je leichter sich der Ausfall in Opitz'ens
Handschr. durch Abirren des Auges (von geistin zu geistin) erklärte. Den-
noch ist es eine absolute Unmöglichkeit, dass die Worte der Handschr. des
Vulcanius:
Disi werlt ist daz eine deil
25. Daz ander ist geistin.
Dannini lisit man, daz zua werilte sin :
Diu eine da wir inne birin,
Diu ander ist geistin
so im Original gestanden haben könnten. Ist schon diu eine da wir inne
Inrin eine unnütze Wiederholung von Disi werlt in Vs. 24, so ist die wört-
liche Wiederholung von Vs. 25 drei Zeilen darauf völlig unerträglich. Das
Annolied bietet keine Anknüpfung für eine so beleidigende Annahme. Die
Sachlage ist nur so zu erklären, dass der gemeinsamen Vorlage der beiden
nandschriften der Reim auf Vs. 25 fehlte. Opitz*ens Handschr. liess die
Lücke unergänzt. Der Schreiber der Handschr. des Vulcanius (oder bereits
ein früherer) ergänzte die Lücke und fügte unnöthiger Weise, indem er
einmal im Zuge war, noch zwei weitere Verse zu, die freilich mehr gerade-
brecht als gedichtet waren.
294
man ihn für eine dritte Welt erklären müsse. Wirklich ßndet
sich bei den abendländischen Theologen eine solche Ansicht
nicht ausgesprochen. Freilich dass eine spiritualis creatura und
eine corporalis zu unterscheiden seien, dass der Mensch ct'ecUur
de spirituali et corporali substanlia, wird auch bei ihnen wohl
gelehrt ; es gehört ja auch zu den nächstliegenden Anschauun-
gen. Aber ich finde den Ausdruck mundus nicht dabei ver-
wandt, und ebensowenig kenne ich die scharf präcisierte Gegen-
überstellung des Menschen als gemischter dritter Welt. Man
kann daher von vornherein wohl vermuthen, dass der Dichter,
indem er dies ausspriJoht und sich dabei auf eine Quelle be-
ruft, in Betreff dieser wohl unterrichtet ist.
Und das ist denn auch der Fall. Jene Gliederung ist gerade-
zu eine der Grundlagen der griechisch-katholischen Dogmatik.
Schon Ongenes (485 — 254] hat den Gegensatz der zwei Welten,
der oberen geistigen und der unteren stofflichen, sehr bestimmt
durchgeführt, und dem Menschen seine Stellung als filzig und
ävaxQaaig beider angewiesen. Die eigentlichen Gründer aber
der griechischen Dogmatik sind bekanntlich die beiden Kappa-
docier aus dem Ende des 4. Jahrhunderts, Gregor von Nyssa und
Gregor von Nazianz. Bei ihnen wird das Verhältniss des Gei-
stigen zum Körperlichen, des Unsichtbaren zum Sichtbaren, des
Intelligibeln zum Sinnlichen recht eigentlich die Grundlage
ihrer dogmatischen Reflexionen. Man erkennt die in der Schule
Plato's erzeugten Gedankenrichtungen.
DerErstere, über dessen hier in Frage stehende Aufstellun-
gen wir eine Monographie von E. W. Möller besitzen (Gregorii
Nysseni doctrina de hominis natura, Halle 1854), erzählt, wie
Gott zuerst die Welt der geistigen und unsichtbaren Mächte ge-
schaffen habe : awrekiaag yaq 6 xviGzrjg top anXovv xai
voBQwrarov riov aoQazwv dvvdfiecov yL6ü(.iov^ darnach die W^elt
der Materie : //e^^ ov xal rov vXiymv x. t. A. De eo quid sit
adimag., Pariser Ausgabe von 163811, 22 D. Vgl.auchDeiisqui
praeraature abripiuntur, ebenda III, 325 C. Zuletzt wird der
Mensch geschaffen : rekevxalogTiov'Aara Trjvzriaiv u avd-Qionog,
gemischt aus beiden, um eine Verbindung der beiden getrennten
Welten herzustellen : l^ IzBQoyevibv avyKSTCQafievog rfiv q>vatv,
Trjg 9-Elag re v.al voegäg ovalag 7tQog rrjv e'/Marov ziov (Troixslior
avT(T) avvEQavcad-elaav ixoiqav '/MTafux-^^iOfjg De lis qui prae-
mature abripiuntur, ebd. 111, 325 B. So schuf Gott aus ihm
295
ein C(üov ügneQ riva /ir/rf v ytoaßov {wyj^eiftj rwv ovo xoaptwv
De 60 quid Sit ad imag. ebd. II^ 88 D. Man sieht, es fehlt nur die
directe Bezeiohnung, dass der Mensch der r^lrog xöa^tog sei :
der nöoftog avyyevrjg t&v dito ytoajitiDr ist in der That ein rgltog
'Aoatxog.
Bei Gregor von Nazianz heisst es in der Orat. 38, 40, Pariser
Ausgabe von 1778, I, S. 669 (vgl. auch Orat. 45, 6 u. 7, ebd.
S. 849), nachdem die Engel geschaffen sind: ovtcj ^ilv ovv o
vorjtog avrdj vrciartj xdajiiog . . . eTtel dh ra Ttquyta naXibg
elx^v avT(T)j öevreQov evvoel xoafiov, vkiKovy.al 6Qiof.iBvov; von
dieser Well wird gerühmt, wie herrlich da Alles zusammen-
passe und seinen Weg gehe, mit voller Regelmässigkeit (man
vergleiche Annolied 38 — 56). Aber es fehlte noch die Verbin-
dung der beiden Welten, ebenda 4 1 (S. 669) : ov/tco de ^v ^qa^a
l^ af^upot€QO)v j oidi reg jul^ig tCov ivavrlwv. Und so enl-
schliesst sich denn Gott, den Menschen zu schatten : xal tioov
6v i^ äfi(p0T€Qi0Vj äoQdtov re Xiyw xai bQarfig g)va6cogj
drjfiiovQyelj rhv avO^QioTtov . . . ßaatXia tojv irtl yfjgj ßaac-
l£Vü(,i6vov Svü)x}'ev, Da Gregor nun vorher schon zwei Welten
genannt hatte, so sollte man auch hier, wie bei dem Nyssener,
meinen, nunmehr müsse der Name der dritten Welt hervor-
treten, aber statt dessen bezeichnet er den Menschen, voll-
kommen widerspruchsvoll, abermals als: olöv riva ^6a(.iov
dsvrcQov ^). Wer mit Verstandniss ihm gefolgt ist, der muss sich
unwillkürlich zu der Correctur berechtigt halten olöv riva
KÖafnov tqItov,
Aber diese in der Sache liegende Benennung findet sich
nicht. Das kommt daher, weil sich ein anderer Gegensatz gel-
tend macht, der der grossen Welt, in der Geistiges und Körper-
liches getrennt ist, und ihr gegenüber der Welt, in der Beides
vereint ist, in dem Menschen. Darum wird der Mensch yLÖOfiog
Seixeqog oder i'reQog (nicht vglrog) genannt, noch gewöhnlicher
aber, da sich bei ihm im Kleinen die Elemente der grossen
Schöpfung vereinigen, f^iiviQÖ'^oafiog. Aber nach der eigenen
Darstellung der beiden Gregore war im Anschluss an den-^öofiog
voriTÖg und den y.öafiog vXcxög die Bezeichnung des xdafiog
i) In der Wiederholung Orat. 45, 7 (S. 850) heisst es etsQoy. Viel-
leicht die richtigere Lesart?
296
fiixrög als TQifog nöofiog auf der Hand liegend and konnte von
jedem denkenden Leser nnd HOrer gewagt werden.
Den tieferen Gedanken, der in dieser Darstellung liegt,
fasste Theodorus von Mopsuestia (7 429} so zusammen (Maj.
Spiciieg. Rom. IV, S. 527): o S-ebg ßovlofuvog elg iv %a navra
awfifp^ai 7te7colrfK€ %hv ävx^QWJtoVy und das war ein Zeichen
seiner Liebe, denn itSTtoirjxe tov avd-Qiaitov äaneg %c (piXiag
Ivixvqov Toig icäai, und Möller in Herzoges ReaiencyklopädieV^,
2. Aufl., S. 401 sagt: »Damit also die gesammte sichtbare
irdische Welt, dieser Spiegel göttlicher Weisheit und Macht,
nicht gleichsam blind und von der Theilnahme an den göttlichen
Gütern ausgeschlossen sei, musste in ihr selbst eine Verbindung
ihrer wesentlichen Elemente mit der höheren geistig-göttlichen
Natur hervorgebracht werden, wodurch zunächst das Göttliche
wie durch einen Spiegel in die irdische Welt hineingestrahlt,
darnach das Irdische, mit dem Göttlichen emporgehoben, der
Vergänglichkeit entzogen und verklärt werden könnte. Diese
centrale Bedeutung, Band zweier an sich entgegengesetzter
Welten zu sein, kommt dem Mensehen zu.« Gass (Symbolik
der griechischen Kirche, Berlin 1872) hat denn auch mit Recht
diese Auffassung unter die symbolischen Lehren der griechischen
Kirche aufgenommen. Vgl. das. S. 143 fg.
In der abendländischen Kirche ist jene Theorie der griechi-
schen Theologen wohl anfangs bei Ambrosius und Uieronymus
ebenfalls zu finden und durch sie in gelehrten theologischen
Kreisen bekannt geworden, »allein (so schreibt mir Ad. Hamack,
bei dem ich Auskunft erbeten hatte) die auguslinische Lehre
hat sie bald verdrängt. Jener griechischen Vorstellung liegt
halbverschleiert die Annahme zu Grunde, dass das Menschen-
wesen an und für sich und unverlierbar in seiner Consti-
tution ein göttliches Theil, gleichsam ein Stück &eia (pvotg,
besitze. Augustinus Lehre von der Sünde, und schon seine
Schöpfungslehre und Psychologie schloss diese Ansicht aber aus.
Somit drang der Mensch als Mikrokosmos, als 'dritte Schöpfung',
nicht in die officielle abendländische Kirchendogmatik.« An-
klänge an die griechischen Vorstellungen finden sich auch im
Abendlande, z. B. bei Ilonorius Augustodunensis. Aber gerade
dieser kann uns lehren, wie unklar dieselben waren. So er-
wähnt derselbe zwar, dass der Mensch de spirüuali et corporalt
snbstantia bestehe, nennt ihn auch MicrocosmuSj aber ganz schief.
297
Die Frage lautet: D. Unde corporcUis? M. De quatuor elementis :
unde et mia'ocosmtis i. e. minor mundus dicitur ; habet namque
ex terra camem^ ex aqua sanguinem, ex aere flatum, ex igne
calorem. Also der Name »Microcosinus« wird hier allein auf
die untere materielle Natur bezogen, nicht, wie es die Griechen
fassten, auf die Mischung der beiden Elemente der grossen
Welt.
Aus welchen Quellen nun entnahm der Dichter des Anno-
liedes seine Kenntniss? Man konnte zunächst denken an das
grosse dogmatische Hauptwerk der griechischen Kirche , an des
Johannes Damascenus (f 760) ''E^doacg äxQißijg rfjg d^&odd^ov
TtiaxBwg (Pariser Ausgabe von Lequin, 47<2, 1, 418 fg.), die
im karolingischen Zeitalter auch im Abendlande bekannt ward.
Aber dessen Ausdrucksweise stimmt nicht zu der unseres Dich-
ters. Er nennt nümlich, soweit ich beobachtet habe, die beiden
Substanzen, die geistige und körperliche, nicht Welten (xöa^toi)
sondern richtiger Naturen [q)vaug)^ befindet sich somit auch in
logisch richtigerem Zusammenhange der Rede, wenn er nun den
Menschen die zweite Welt ['KÖafiov de'öteQov) nennt. Aus ihm^
meine ich, würde der Ausdruck einer »dritten Welta sich
schwerlich ergeben haben. Auch soll die erste lateinische lieber-
Setzung desselben erst unter Eugen III. (1145 — 1153) entstan-
den sein. Musste aber unser Dichter des Griechischen mächtig
sein, um seine Kenntniss von der griechischen Auffassung zu
gewinnen, so konnte er sie auch direct aus den beiden Gregoren
oder aus anderen Werken griechischer Theologen oder aus
mündlicher Belehrung schöpfen. Und ich möchte glauben, dass
die Worte s6 wir daz die Griechen hörin redin hieraufweisen,
da sie uns den Dichter wie in Wechselrede mit griechischen
Theologen vorführen.
Sollte er wirklich Gelegenheit gehabt haben, Griechen über
ihre Dogmen sich aussprechen zu hören? Es ist nicht unmög-
lich. Denn an Verbindungen mitByzanz fehlte es damals keines-
wegs. Anno selber schickte Gesandte dorthin, offenbar während
er die Führung des Reiches in Händen hatte, und diese brachten
ihm Geschenke zurück. Die Vita I, 30 (Mon. G. H. Script. XI)
sagt von ihm : quod cum episiolis legatos suos ad Graeciae regem
direxity qui reversi dominici ligni parteni non modicam aliaque
regalium donoi^m insignia, rege transmittentß^ ipsipraesentarunt.
Auch der Erzbischof Gebhard von Salzbui'g (1060 — 1088) war
298
als Gesandter des Deutschen Kaisers in Byzanz gewesen. So
sagt die ViU Gebebardi, M. G. H., Scr. XI, 39, 34: Rationale
unum ex auro ei gemmis preciosissinm iniextumj aureis catenulü
dependenSy pene viille marcarum precio estimatum, quod imperator
Gredae funcUUort nostro Gebehardo archiepiscopo ^ dum, lega-
tione Cesaris illo functuSy filium eitis baptizaret, pro tntmere
donaverat.
Sollte unser Dichter eine solche Gesandtschaft nach Byzanz
mitgemacht haben? Wie dem sei, jedesfalls zeigt seine Kenntniss
der griechischen Lehre und die Weise, wie er citiert, dass er
ein hochgebildeter Mann war, der sicherlich einen grossen Theil
seiner Zeitgenossen an Weite des Blickes übertraf, und dass
wir ihn völlig verkennen würden, wenn wir ihm grobe, d. h.
auch für seine Zeit grobe, Unwissenheit zutrauen und etwa gar
glauben wollten, er habe seine Kenntnisse aus Schulbüchern
für Abcschützen entnommen.
3. Verschiedenes.
Da ich einmal zum Annoliede das Wort genommen habe,
so mag ich es mir nicht versagen, auch über einige brennende
Fragen, die vielfach, und gerade neuerdings wieder behandelt
sind, meine Ansicht auszusprechen — kurz, denn das Material
ist namentlich durch Kettner und Wilmanns ausführlich zu-
sammengearbeitet ^) worden — , auf die Gefahr hin, dass nieine
Darlegungen mehr als ein Pronunciamento denn als eine wissen-
schaftliche Begründung erscheinen werden. Ich befinde mich
dadurch jedesfalls in der willkommenen Lage, nicht auf Einzel-
heiten eingehen zu müssen^), was so leicht zu einem rechthabe-
rischen Tone verleitet.
h) Vgl. Kettner in der Zeitscbr. f.D. Philologie 9, 257 fg. 49, 324 fg..
und Wilmanns, Bcitriige zur Gesch. d. Öltcrcn deutschen Lttteratur,
Hft. S, Bonn 1886.
2) Doch mag eine Einzelheil hier zu erwähnen gestattet sein. Im AL.
sind die Worte Dan. 7, 7 et reliqua pedibtu suis concuicans von dem vierlen
Thiere, der bestia terribiliSf auf des zweite Thier, den ursus, übertragen.
Wilmanns meint, »der Dichter wollte das vierte Wellreich nicht so ab-
schreckend vorstellen, weil es das Reich ist, dem er selbst angehört.« Ich
glaube doch , dass der Grund ein elofacberer war. Schon Hieronymos
hatte das vierte Thier mit dem aper de siUsa in Ps. 79, 1 4 zusammengebracht,
299
I. Zunächst die Zeit der Entstehung. Ich muss durchaus
Rettner beitreten. Vor der Mitte der 80er Jahre kann die
Schilderung des Wirrwarrs im Deutschen Reiche (AL. 673 — 694)
nicht geschrieben sein, denn erst auf di6 Jahre seit 4080, eigent^.
lieh und voll erst auf das Jahr 1084 passen die Verse 679
und 680. Aber auch unmittdbar darnach können sie nicht
entstanden sein, denn wer damals über Anno schrieb, wusste,
dass er diese Jahre nicht mehr erlebt habe. Jene Schilderung
kann in einem Leben Anno's erst aus einer Zeit und von
einem Schriftsteller herrtlhren, der jene Jahre bereits aus der ge**
schicbtlichen Vogelperspective anschaute und dem die einzelnen
Stadien derselben nicht gegenwärtig waren. Da nun zu der künst-
lichen Annahme einer früheren Gestalt der Vita Annonismir kein
durchschlagender Grund vorhanden zu sein scheint ^ denn die
kleine Abweichung in Vs. 839 ist für unsem, durchaus seine
Selbständigkeit wahrenden Dichter zu geringfügig, um gegen-
über der durchgehenden sonstigen Uebereinstimmung mit der
Vita irgend ins Gewicht zu fallen — , so kann das Annolied
erst in oder nach 1405 entstanden sein, und wegen Vs. 505,
in welchem auch das nu besonders zu beachten ist, wahrschein-
lich erst in oder nach 1106. Einen terminus ad quem ergiebt
vielleicht Vs. 675, falls wir in der Vorenthaltung des Kaiser-
oder KOnigstitels eine Absicht vermuthen dürfen. Dann wäre
das Gedicht vor 1111 geschrieben, in welchem Jahre der todte
Kaiser bekanntlich aus dem Bann gelost und kirchlich beerdigt
ward.
II. Umgekehrt trete ich in Betreff der Zugehörigkeit der
Partie von den vier Weltmonarchien durchaus V^ilmanns bei,
gegenüber denen, die darin eine Herübemahme aus einem
anderen Werke, sei es durch den Verfasser selbst, sei es durch
einen späteren Interpolator i), erblicken, ja ich meine, man könnte
und dem entsprechend nennt auch der Dichter des AL. dasselbe ehir.
Dieses Thier aber kannten der Dichter und seine Leser zu gut um nicht an
der Schilderung Anstoss zu nehmen, dass dasselbe mit seinen Füssen eine
vernichtende Wirkung ausgeübt habe. Anders stand es mit dem zweiten
Thier, dem Bären ; dem war dies von den Lesern wohl zuzutrauen. Der
Dichter erlaubte sich also eine Uebertragung und bewies auch dadurch, wie
er seinem Stoff mit Freiheit gegenüberstehe.
\) Diese letztere, besonders durch Begemann auf der Rostocker
Philologenversammlung 4 874 vertretene Ansicht hat einen unleugbaren
Anhalt an der Schilderung, die Bonav. Vulcanius von seiner Handschrift
1887. 24
300
diesen von Hoffmann von Fallersleben einmal hingeworfenen
Gedanken^ der sich bisher durchaus unproductiv erwiesen hat,
nachgerade zu den Todten legen. Die Partie von den vier Monar-
chien ist mit dem Ganzen des Liedes aus einem Gusse, zeigt
denselben Stil , dieselben Quellen , dieselben Liebhabereien
und ist nach dem Geiste des Verfassers auch wohl motiviert.
Freilich nicht, wie Wilmanns es darzustellen versucht, dessen
Disposition mir viel zu schulmeisterlich — fast wie das Dik-
tat zu einem Secundaneraufsatze — erscheint und das Rich-
tige nicht trifil, denn auf einen Ruhm der Stadt Köln ist es in die-
ser Partie nicht besonders abgesehen ; wiesolltederauchausdieser
langen Darstellung hervortreten, an deren Schlüsse erst in ein-
fachster Weise auf Köln zurückgegangen wird ? Es ergiebt sich
der Excurs vielmehr aus der Eigenheit des Dichters, der ein
systematischer Kopf ist, in dem so etwas wie Philosophie der
Geschichte lebendig ist, und der bemüht ist, stets das Einzelne
an das Ganze zu heften und so zu begründen. Wie er eine all-
gemeine Schilderung von Gottes Weltenplane voraussendet, um
auf das Christenthum und Änno's Stellung in demselben zu ge-
langen, wie ihm hiezu nicht einmal die nur halbconsequente
Dogmatik des Occidents genügt, sondern er zu der abgerunde-
teren Symbolik der griechischen Kirche greift, so wirft er auch,
indem er von der Stadt Köln zu reden hat, eine Frage weltge-
schichtlichen Charakters hinein, die Frage, wodurch denn über-
haupt Städtegründungen veranlasst seien. Dieser Gedanke war
dem Mittelalter schon vom Alterthum her dahin beantwortet,
dass sie geschehen seien, um die Mitmenschen vergewaltigen zu
können. Erst als diese Vergewaltigung durch Ninus eingetreten
sei, sei auch von ihm der Städtebau ausgegangen. In derselben.
entwirft, nach der es in der That scheinen möchte, als ob ihr , wie der
Eingang (AL. 4 — 18), so auch die weltliche Partie von 447 an gefehlt habe.
Aber wie weit soll dann die Interpolation gegangen sein? Wir finden
keine Stelle, wo wir die Interpolation so könnten enden lassen, dass für
das Nachfolgende wieder ein Anschluss an die Verse vor 447 gewonnen
würde. Man wird inonoer zu der Annahme gezwungen, dass der Interpo-
lator nicht bloss von fremdber eine Partie entlehnt hätte, sondern er mttsste
immer noch eine Partie, die auf Anno zurückkehrte (547 f.), selbständig
hinzugesetzt haben, und dadurch verliert jene Vermuthung alle Wahr-
scheinlichkeit. Für jeden Interpolator lag überdies die Einschiebung einer
welllichen Partie fern, für den weitumschauenden Geist des Verfassers des
AL. lag sie nahe.
301
stets mit weitem Blick das Ganze ins Auge fassenden Weise giebt
unser Verfasser, wo er auf die Kämpfe mit den Römern kommt,
gleich einen erschöpfenden Ueberblick über die Kampfe Cäsar's
mit den Deutschen, wie sie ihm, freilich unhistorisch genug, vor-
schwebten ; in gleicher Weise erledigt er, wo von der trojani-
schen Abkunft der Franken die Rede sein soll, gleich die sämmt-
lichen Gründungen der vertriebenen Trojaner, und ebenso treibt
ihn sein aufis Ganze gerichteter Sinn, nachdem er Kölns Grün-
dung erwähnt hat, auch noch nachträglich der übrigen seiner
Ansicht nach römischen Städtegründungen am Rhein zu geden-
ken. Durch jenes Zurückgreifen auf den Ursprung der monar-
chischen Gewalt bietet sich ihm nun zugleich nicht nur eine
neue Veranlassung, seinem systematisierenden Vollständigkeits-
triebe Genüge zu thun, indem er die vier Monarchien durchgeht,
sondern auch eine bequeme Bi*ücke sich zu schlagen bis zur
Gründung Kölns.
Nur Eine Stelle — denn was sonst vorgebracht ist, halte
ich für nicht entscheidend — scheint Bedenken zu erregen
und auf ein, außerhalb des Annoliedes gelegenes Original hin-
zuweisen. Es sind dies die Verse AL. 503 fg., wo es auf den
ersten Blick scheinen möchte, als gebe das Annolied einen ent-
stellten Text :
Anno: Kaiserchronik:
Meginza was du ein kastei : Magenze ein stat gut
iz gem^rthe manig helit sneL Oppenheim ir ze hüte ;
• du worhte der helt snel
ingegen Magenze ein casteL
Der Bericht der Kaiserchronik scheint den Vorzug zu ver-
dienen, er ist scheinbar unanfechtbar : Casiel liegt jenseits des
Rheins, und Oppenheim konnte man vielleicht als einen vorge-
schobenen Posten von Mainz ansehen; demnach scheint das Anno-
lied abgekürzt und den Sinn verderbt zu haben, zumal wenn
wir ka^stel auch hier auf die rechtsrheinische Befestigung be-
ziehen wollen ; die Worte iz gem^rthe manig helit snel könnten gar
wohl als der Verlegenheilsvers eines Überarbeiters erscheinen.
Aber freilich, der Vers ist nicht schlimmer als Vs. 490, wo e§
von Colonia heisst: da wärin sint hirrin maniga, der mir völlig
ohne Grund verdächtigt zu werden scheint ; und die Notiz über
Mainz, wie sie das Annolied bietet, entspricht doch auch aus-
reichend der Wahrheit, nur ist mit kastei nicht die Befestigung
«4*
302
gegenaber, sondern das »Caslniiiic am linken Rheinufer gemeint,
das der Stadt ihren besonderen Charakter gewährte ond sie
— mit klager strategischer Berechnung — zn yiel grifeserer Bedeu-
tung erhob als die tibrigen Städte am Rhein besassen. Anderer-
seits ist der Zusammenträger der Kaiserchronik geneigt zu
verbessern. Er schreibt die Partie ans dem Annoliede nicht
einfach ab, er dröselt sie so zn sagen wieder auf und bedient
sich in bequemer Weise der einzelnen Theile an den ihm fttr
seinen Plan angemessen erscheinenden Stellen >^, auch Yerball-
homisierungen begegnen ihm dabei, so wenn er statt des Daniel
fälschlich den Nabuchodonosor (Kehr. 47, 44=AL. 476) und
statt des Engels den Daniel (Kehr. 49, 44 = AL. 260) einführt.
Er könnte also auch hier gar wohl die ausgeftihrtere und abwei-
chende Schilderung an die Stelle der einfacheren gesetzt haben,
und zur Evidenz wir dies durch die nachstehende Erwägung.
In der Kaiserchronik kommt der Reim gut : hüte noch zweimal
unmittelbar vor der Erwähnung von Mainz vor. Wir dürfen
diese Stellen nicht von einander trennen; wer die eine schrieb,
schrieb auch die anderen. Da heisst es nun in der Kaiserchronik
42, 34 bei Aufzählung der sedelhave:
Dize ain stat gut,
Bazparte der zehüte;
Andernach ain stat gütj
Engilnhaim der ze hüte.
Also Deuz, am rechten Rheinufer, vollkommen* durch Köln
4} Scboo Kehr. 3, 2 fg. ist aus AL. S6d fg. entnommen. In Kehr. 9,
1 9 scheint AL. 279 durch. — Beim Kampfe Cftsar^s mit den Deutschen wird
die Herübernahme aus dem AL. deutlicher: Kehr. 4 0, 4 fg. = AL. 285 fg.
Schwaben); Kehr. 4 0, 25 fg. = AL. 300 fg. (Baiern); Kehr. 4 4, 7 fg. = AL.
349 fg. (Sachsen); Kehr. 4 4, 35 fg. s AL. 845 fg. (Franken). Dann die
Slädtegründungen am Rhein, in Kehr, in richtiger historischer Reihenfolge,
im AL. in wohl begründeter Weise erst nachgeholt, Kehr. 42, 29 fg. := AL.
ca. 495 fg. Dann schiebt die Kehr, die Geschichte von Dulzmar u. Signator
ein. Es folgt Cttsar's Rückkehr nach Rom und der Bürgerkrieg, Kehr. 4 5, 6 fg.
a= AL. 397 fg. Die Erwähnung Aegyptens, im AL. emphatisch vorweg ge-
nommen (433 fg.), kommt wieder in der Kehr, erst am historisch richtigen
Orte (4 6, 30). Mitten in die Schilderung des Sieges Cttsar's ist aber in
Kehr, in unglücklichster Weise, und wohl nur durch Versehen, AL. 4 75 — ^260
= Kehr. 4 7, 4 2 — 49, 4 4 eingeschoben, unter Augustus wird dann das AL.
noch einmal herbeigezogen. Kehr. 24, 5 = AL. 485 fg., 507fg.und nochmals
Kehr. 24, 28 fg. = AL. 484 fg.
303
gedeckt, und ihm zum Schutze das mehr als 45 Meilen südlicher
gelegene Boppart I und Andernach, zwischen jenen beiden
Stddten (!), und ihm zum Schutze das mindestens 4S Meilen
südlicher, in der Ndhe von Mainz, und gar nicht am Rhein ge-
legene Ingelheim I Man sieht, der Verfasser weiss nicht, was er
sagt. Eine solche Verkehrtheit haben wir weder dem Verfasser
des Annoliedes zuzutrauen, noch brauchen wir sie irgend einem
anderen Originalverfasser aufzubürden ; sie reiht sich den übri-
gen Verkehrtheiten an, die die Kaiserchronik stellenweise unge-
niessbar machen: es ist eine Sudelei des Compilators oder lieber-
arbeiters, dessen Localkenntnisse nördlich über Mainz sich nicht
erstreckt zu haben scheinen, und somit haben wir keinen Grund,
die Verse in dem Annoliede für entstellt, für abgeleitet und
entlehnt zu halten. Auch die Steile, an der sie im AL. stehen,
ist nach der Disposition des Dichters wohl begründet. Denn
diese führt ihn zunächst nur auf Köln, und nur des Dichters
VoUstdndigkeitstrieb lässt ihn dann auch noch auf die anderen,
schon früheren Gründungen einen Blick werfen. Der Chronist
bringt jene Verse natürlich an anderer, der Chronologie ent-
sprechender Stelle.
Muss ich so, in Übereinstimmung mit Wilmanns, — nur in
anderer Motivierung — die Ansicht festhalten, dass der Excurs
von den vier Monarchien von Anfang an zum Annoliede gehört
hat und von dem Dichter desselben herrührt, so kann ich wie-
der Wilmanns' Annahme nicht beitreten, dass die Entstehung
des Annoliedes und sein Plan in irgend einem Verhältniss zu
den Gesta Trevirorum stehe ^) . Es wäre doch ein wunderlicher
Einfall gewesen, ein kurzes deutsches Gedicht einem ausführ-
lichen lateinischen Prosawerke als Concurrenten zur Seite stel-
len zu wollen : die Kreise für beide schlössen sich ja so ziemlich
aus und der Versuch wäre überdies ein winzig minimaler ge-
wesen. Und dann, wo zeigt sich im Annoliede ein Bestreben,
den Ruhm Köln's im Gegensatze zu Trier zu verkünden? der
Verfasser des Liedes ist ganz harmlos und unbefangen, er lässt
Trier vollkommen die Ehre, verlangt gar keine Präponderanz
für Köln, und es könnte ernsthaft verstimmen, wenn Wilmanns
den Vers 54 4 so ausdeuten will ; der, wenn auch oft überscharf-
1} vicn Wetteifer mit der Gtiscbichte Triers und gestützt auf sie, schuf
unser Dichter sein Loblied Kölns.« S. 53.
304
sinnige Gelelute ist doch Germanist genug, um zu wissen, dass
jene Worte das nicht bedeuten können, was er aus ihnen her-
auslesen möchte : ci minnen ist doch genau eine Uebersetzung
des amicitiae causa der Gesta Treviromm, und die Gesta Trev.
wollten doch schwerlich damit den Röhiem eineOberherrsdiafi
zugestehen. ^) Vers 546 aber ist ein zusammenfassender Sehluss-
vers, wie ihn der Dichter liebt. Vgl. AL. 292. 347 fg. 343 fg.
395 fg. 434. 477 fg. u. s. w.
Benutzt aber hat der Verfasser die Gesta Treviromm höchst
wahrscheinlich. Die älteste Gestalt derselben gehtbiszum Jahre
4 404, und das Werk wird auch den Geistlichen in Köln und
Umgegend bald bekannt geworden sein. Es stimmt diese An-
nahme sogar sehr gut zu der oben vertheidigten Ansicht, dass
das Annoiied zwischen 4 406 und 444 4 entstanden sei. Mir
erscheint dies Sachverhältniss einfacher zu sein als die an sich
ja nicht unmögliche, aber auch durch nichts geforderte An-
nahme, dass der Dichter des Liedes dieselben Quellen mit dem
Verfasser der Gesta Treviromm benutzt habe'). Die überein-
stimmenden Stellen sind bekanntlich AL. 397 fg. = Gesta Trev.
cap. 43 (Seriptores VIU, S. 442); AL. 509 fg. »Gesta Trev. cap.
45 (Scr. Vlll, S. 447). Möglicherweise auch die Erzählung von
Matemus, Vs. 537 fg., die freilich ohnedies in Köln ausreichend
bekannt gewesen sein wird, und Vs. 273 = Gesta Trev. 2. Be-
richt (Scr. VIII, S. 446, 24).
111. Zu Vs. 689 fg. hat man bisher auf die Stelle bei Justin,
oder auf eine ähnliche bei Lucan (Phars. 7, 825) hingewiesen,
aber die wirkliche Quelle ist der s. g. Pindams Thebanus, der
lateinische Homer. Hier heisst es in den Versen 4 und 5:
latrantumque dedit rostris exsangues inhumatis ossibus artus;
dem entspricht in allen Theilen das Deutsche :
daz di gidouftin lichamin
umbigravin ciworfin lägin
ci äse den bellindin
den gräwin walthundin.
4) Selbst Kettner sagt (19, 3S2), im AL. stehe »Köln an der Spitze
von 5 Städten im Rheinlande, darunter auch Triem. Und nun lese man
AL. 498 — 515, und sage, ob auch nur eine Spur davon dastehe.
2) Wilmanns' Annahme einer älteren Gestalt der Gesta Treviromm
muss ich auch hier, wie die gleiche Annahme bei der Vita Annonis, von
der Hand weisen.
305
Ob diese Bekanntschaft mit der Uebersetzung eines griechischen
Dichters, den das Mittelalter bekanntlich sehr vernachlässigte, in
Verbindung gebracht werden darf mit den oben besprochenen
Kenntnissen aus der griechischen Theologie, mag dahin gestellt
bleiben.
IV. Eigen ist der Ausdruck von Wilmanns S. 5^ wenn er
Schade's Ansicht mit den Worten wiedergiebt: »das Gedicht
könne nicht nach 4483 verfasst sein, weil der Dichter den
Leichnam Anno's noch in Siegburg wisse«. Noch in Siegburg?
Glaubt etwa Wilmanns (Schade sagt nichts dahin Deutendes],
dass der Leichnam 4483 aus Siegburg entfernt worden s^i?
Das wäre doch ein wunderliches Verfahren der Siegburger
Aebte und Mönche gewesen, wenn sie es sich so viel Geld,
Reisen und Bemühungen fast durch ein Jahrhundert hotten
kosten lassen, um den wunderthuenden Leichnam ihres Heiligen,
des Hauptschatzes ihres Klosters, los zu werden? Aus der
Translatio konnte Wilmanns doch ersehen, dass die im Grabe
noch gefundenen Knochen in den Reliquienschrein aufgenommen
und auf den Altar erhoben wurden, und dass die Kölner in
Menge nach Siegburg wallfahrleten , um den Heiligen dort zu
verehren. Eine, durch Herrn Prof. Lindner vermittelte Notiz
des Herrn Dr. Höhlbaum belehrt mich , dass nach Mittheilung
des dortigen Pfarrers die französische Regierung die Reliquien
bei Aufhebung der Abtei der Pfarre Birk bei Siegburg geschenkt
habe, »aber der Widerstand der Siegburger sei so stark ge-
wesen, dass man sie im Besitze des Schatzes belassen habe;
besonders sei dies Ergebniss durch die Siegburgerinnen herbei-
geführt, a Dort werden sie denn noch jetzt aufbewahrt, und
zwar noch in dem alten Schreine aus dem Jahre 4 483, den
Aeg. Müller (Siegburg und der Siegkreis, Siegburg 4859,
S. 454 fg.) beschrieben hat.
V. Am Niederrhein scheint der Verfasser des Annoliedes
nicht mehr bekannt gewesen zu sein. Er würde sonst schwer-
lich so naiv die Stelle aus Vergil Aen. 3, 349 auf Xanten (denn
das ist doch unter luzzele Tröie zu verstehen) haben übertragen
können. Nach der Mittheilung des Herrn Rectors Kniflfler in
Xanten existiert ein Bach gleichen oder ähnlichen Namens in
der Umgebung dieses Ortes nicht.
Herr Zamcke legte eine Abhandiuiig vor ttber Christian
Reuter als Passionsdichter.
Meine Deulicben MiUheilungen über Christian Reuter^s Ber-
liner Aufenthalt Hessen denselben in einem nicht eben vortheil*
haften Lichte erscheinen. Nicht wenig freut es mich daher,
hente von einem Werke desselben aus eben jener Zeit berichten
zu können, das wohl geeignet ist, seine moralische wie seine
schriftstellerische Persönlichkeit wieder zu heben. Von Herrn
Wendelin Freiherrn von Maltzahn wurde ich darauf aufmerksam
gemacht, dass sich auf der Bibliothek des Gymnasiums zum
grauen Kloster in Berlin ein mir noch unbekanntes Werk von
Chr. Reuter befinde. Durch freundliche Vermittlung des Herrn
Prof. Dr. H. Bellermann, ftlr die ich hier auch öffentlich meinen
Dank ausspreche, erlangte ich die Zusendung, und gebe nun
hier zunächst die bibliographische Beschreibung :
Christian Reuters | Paßions-Gedancken, | Über | Die Hi-
storie I Von dem | Bittern Leiden und Sterben | Unsers |
HErrn und Heylandes JEsu | CHristi, | Nach denen Text-
Worten I Der I Heiligen Vier Evangelisten | Aufs kürtzeste |
In Reime verfasset und in dieMusic übersetzet, |Von Johann
Theilen, | Capell-Meistern. | Mit Königl. Preußis. aller-
gnädigsten Freyheit. | (Zierleiste) | BERLIN, gedruckt bey
Johann Lorentz 4708.
16 unbezifferte Bll. 4^, sign. 9(— ÜD. Rückseite des Titels
und des letzten Blattes leer. -^ Der Titel ist nicht ganz klar ge-
fasst. Man müsste ihn zunächst so verstehen, als ob Chr. Reuter's
Passionsgedanken von Joh. Theile sowohl in Verse gebracht wie
in Musik gesetzt seien. Das aber ergäbe einen Unsinn, denn
was nach Auflösung und Entfernung der Reime zurückbleibt,
ist lediglich Heilige Schinft und nicht besondere Passionsgedan-
ken. Die etwas verschrobene Fassung ist wohl dadurch veran-
307
lasst, dass man auf dem das ganze Blatt einnehmenden Titel
beide Namen zu ihrem Rechte wollte gelangen lassen, ohne einer
grössern Anzahl von Zeilen zu bedürfen. Die Yoranstellung des
einfachen Namen Reuter's beweist, dass er eine damals in Ber-
lin bekannte Persönlichkeit war. Uebrigens ist diese Voranstellung
dadurch aufgewogen, dass des Componisten Name mit etwas
grösseren Typen und gesperrt gesetzt ist. Die Composition
selbst ist in dem Drucke nicht enthalten.
Ehe ich an eine Beschreibung und Erörterung dieser Dich-
tung gehe, ist es nöthig, dass wir uns über die damalige Behand-
lung der Texte zu den Passionsmusiken orientieren, die gerade in
jenen Jahren in einer bedeutungsvollen Krisis begrilTen waren.
Die nachstehende Darlegung ist dem trefflichen, auch in seinen
Nebenpartien stets grundlegenden Werke von Phil. Spitta über
Joh. Seb. Bach nicht wenig verpflichtet, besonders auch darum,
weil dasselbe in den meisten Fällen die Orte kennen lehrte,
wo die für diese Erörterung wichtigsten Drucke — fast durch*
weg, wie es scheint, Unica — zu finden waren. Dass mein
Gesichtskreis enger ist als der Spitta's, da mir die Renntniss des
Musikalischen abgeht, kommt hier weniger in Betracht, wo es
sich lediglich um einen Text und nicht um die Composition des-
selben handelt.
1. Die alten Passionstexie der protestantischen Kirche.
Überkommeoe Tradilion. Vopelius. Neue musikalische Forderungen:
Heinrieb Scbütz.
Das Absingen der Passionstexte nach einem der vier Evan-
gelisten hat der protestantische Gottesdienst aus der früheren
kirchlichen Uebung überkommen und vielfach gerne übernommen.
Wohl begreiflich. Passt sich doch in jenen ergreifenden Schil-
derungen, namentlich in der des Matthäus, Alles zusammen,
was das menschliche Herz der christlichen Religion an Trost,
Hoffnung und Kraft der Entsagung verdankt. Luther empfahl
4526 in seiner Anweisung )>Deutsche Messe und Ordnung des
Gottesdienstes« die Beibehaltung^], nur das Absingen aller vier
4) »Die Fasten, Palmtag und Marterwocben lassen wir bleiben; nicht
dass wir Jemand zu fasten zwingen, sondern dass die Passion und die Evan—
gelia, so auf dieselbige Zeit geordnet seind, bleiben sollen.« Es gebt hier-
308
Texte schien ihm zu viel ^) . Dennoeh hatte sich selbst letztere
Sitte hie und da im protestantischen Gebrauch gehalten, z. B.
in Merseburg. Meistens ward die Passion zweimal gesungen,
am Palmsonntage nach Matthäus, am Charfreitage nach Johannes,
in Dresden dreimal : am Sonntag Judica nach Matthäus, am Palm-
sonntage nach Lucas und am Cha'rfi'eitage nach Johannes.
Auch das Absingen mit vertheilten Rollen ward über-
nommen. Ein Sänger führte die Stimme des Evangelisten, er
sang den erzählenden Text des Evangeliums. Wo in diesem
Personen redend auftraten, wie Jesus, Petrus, Judas, Pilatus, der
Hohepriester, die Mägde desselben u. s. w., wurden die Worte
dieser von Andern gesungen, meist mehrere, je nach der Stimm-
lage, von einem und demselben Sänger, nur Jesus war stets
eine Rolle für sich. Bei den Chören betheiligten sich alle Stim-
aus freilich nicht deutlich hervor, ob L. an Ablesen oder Singen denkt.
Bagenhagen in der Braunschweigischen Kirchenordnung von 1528 (hoch-
deutscher Druck von 4534, 40) entfernte das Absingen. Es heisst da : »\ntt
den Karfreytag, des morgens umb siben vhr, wenn die Schüler jre Psalm
gesungen, vnd Leclion gelesen haben, vnd darzu ein Deutscher Psalm ge-
sungen ist von der gemeine, oder sonst allein deutsch gesungen, wo keine
Schüler sind , so soll ein predicant auff dem predigstul auß einem Buch
lesen deutsch, vom anfang zum ende, den passion des Herren, zusammen
gebracht aus den vier Euangelisten. Er soll aber anfangen von dem das
geschriben ist, wie der Herr ist auBgegangen über den bach Kidron auff
den Ölperg, etc. vnd schlechts lesen den Teit fein klar, bescheidenlich vnd
verstendig, biß auff die histori der aufferstehung des Herren. Er mag wol
anheben mit diesem tittel : »Diß ist der Passion, oder das Leiden vnsers
Herren Jhesu Christi , als die vier Euangelisten das haben beschriben«,
»Da vDser Herr Jhesus Christus mit seinen Jüngern nach dem Abendtmal den
lobgesang gesprochen hat, gieng er hinaus, als er pflag zu thun, über den
bach Kidron an den Oelberg, vnd seine Jünger volgten jm nach. Da sprach
er zu jhn : In dieser nacht werdet jr euch all ergern an mir, etc.«
Solchs ist dem volck mehr nütz, denn da man die Passion laut sang,
vnd die Priester giengen daruon, die Leyen aber verstunden es nicht. Vnd
es soll geschehen in allen Pfarren. Solchs lesen aber wirdt wol ein gute
stunde weren.«
Aus der Braunschweiger Kirchenordnung ging diese Bestimmung
wörtlich über in die Hamburger von 4 5S9 ; auch andere Kirchen Ordnungen
Niederdeutschlands enthalten dieselbe Anweisung. Dass aber dennoch die
gesungene Passion sich vieler Orten auch im Protestantismus erhielt, dafür
gibt oben die geschichtliche Darstellung hinreichende Beweise.
4) »Doch nicht also, daß man das Hungertuch, Palmensch ießen,
Bilde decken, und was des Gaukelwerks mehr ist, halte oder vier Passion
singe, oder acht Stunden am Charfreitap: an der Passion zu predigen habe.«
309
men, auch der Sänger des Jesus; und hier pflegte wohl selbst
die Rede der beiden falschen Zeugen als vierstimmiger Chor
behandelt zu werden.
Dieser dramatische Charakter der Aufführung ward nur
wenig berührt, als zur Zeit der Blttthe des mehrstimmigen Ge-
sangs in Anknüpfung an eine Übung, die bereits bei den Jatei-
nischen Passionen in Gebrauch gewesen war, auch mehrstimmige
Compositionen der deutschen Evangelientexte aufkamen (zuerst
i. J. 4576?}, denn auch bei ihnen ward auf Unterscheidung der
verschiedenen Redenden durch verschiedenartige Beschränkung
und Modificierung des Chors Bedacht genommen, ganz abgesehen
von jenen Mittelformen, in denen der Evangelist und Christus
einstimmig zu singen fortfuhren, alles Übrige mehrstimmig ge-
setzt war.
Bei beiden Arten der Composition aber war der Text ledig-
lich und unverändert der des betreffenden Evangeliums. Nur
zu Anfang ward eine einfache Formulierung des Titels mit ab-
gesungen :
[Höret] Das [bittere] Leiden [uDd Sterben] unseres Herren Jesu
Christi, wie es uns beschreibet der heilige Evangeliste Matthäus (Mar-
cus, Lucas, Johannes)/ oder atAch: St. Matthäus (etc.) beschreibet,
oder : nach dem heiligen Matthäo (etc.),
meist vom gesammten Chor; und am Schlüsse folgte ein an den
Erlöser gerichteter Dankspruch:
Dank sei dem Herren, der uns erlöset hat durch sein Leiden von
der Höllen.
Freier ward dieser Schluss in den motettenartigen Composi-
tionen (z. B. von Joh. Machold 1593, und Christoph Demantius
4634) behandelt, die jene alte Formel nicht verwenden.
In der Zeit vor der Reformation waren die Texte wohl nur
lateinisch gesungen worden und auch die Handschrift mit geist-
lichen Compositionen, die der j»erste protestantische Tonsetzerc,
Joh. Walther in Torgau, 4530 dem ihm befreundeten Luther
zum Geschenke machte, enthielt noch eine lateinische Passion ^].
Anders ward dies, als die protestantischen Grundsätze um sich
griffen und Luther^s Bibelübersetzung die Möglichkeit gewahrte,
sich auch hier der deutschen Sprache zu bedienen. Der eben
4) Vgl. 0. Kade, Der neu aufgefundene Luther-Codex vom Jahre 4530,
Dresden o. J. (4874), S. 4i5.
310
genannte Freund Luther^s war es, der bereits in dem erwähnten
Jahre zwei deutsche Passionen, nach Matthäus (fttr den Palm-
sonntag) und nach Johannes (für Charfreitag), componiert hatte >).
Von demselben Tonkttnstler existiert eine aus den Evangelisten
zusammengesetzte Passion aus dem Jahre 4 552 ^) . Im Jahre 4 559
schenkte Caspar Peschel jun. dem Stadtrath zu Meissen |ein
Cancional, das auch eine Hatthäuspassion enthielt 3). Die erste
gedruckte, ebenfalls eine Matthäuspassion, von Clemens Ste-
phani, gewesenem Cantor zu Nürnberg, erschien in Nürnberg
4570; »Gantz lieblich zu singen, in vnterschiedliche Personen
außgeteiletf. Von da an häuften sich die deutschen Passionen«
Ph. Spitta^ in dem genannten Werke, II, S. 307 f. führt noch
Gesangbücher von 4 573 und 4 587 an, ferner die Matthäuspassion
von Melch. Vulpius 4643, die Matthäus- und Johannespassion
von Thom. Mancinus 46S0, eine Lucaspassion von Christoph
Schultz 4653. Undin motettenartiger Composition die von Je h.
Machold 4593, von Christoph Demantius 4634, und die
aus beiden Formen gemischte Matthäuspassion von .Barthol.
Gese 4588, sowie die Jobannespassion desselben 4643.
Auch in Leipzig gehörte, als Chr. Reuter hier studierte, die
Passion zum regelmässigen Gottesdienst. Am Palmsonntage sang
der Archidiaconus — doch wohl in der Rolle des Evangelisten —
anstatt des Evangeliums vor dem hohen Altare unter Mitwirkung
der Schüler die Passion deutsch nach dem Evangelisten Matthäus.
Auch am Charfreitage trat an Stelle des gesungenen Evangeliums-
1) Vgl. 0. Kadc a. a. 0. S. 126 und 127. Zu bedauern ist es, dass die
dort gegebenen Mitthoilungen über den Umfang so oberflUchlich orientieren.
Dieselben Passionen (vollständig?) finden sich dann nach Kade's Angaben
in dem von ihm so genannten »WalUier's Canlional«, Handschrift v. J. 1545
(Bl. 277 und 283).
2) Vgl. R. Eitner in den Monatsheften für Musikgeschichte, 4. Jahrg.,
1872, S. 59 f. der Beilage. Auf dem Titel heisst es: »durch die vier Evan-
gelien beschrieben, in eine action gest^llet«. Zu bedauern ist auch hier der
Mangel an näheren Angaben über den Text, ganz besonders aber, dass aus
dem Vorwort der Hs., »welches sich über die Feier der Passionszeil aus-
spricht«. Nichts mitgetheilt wird. Ein Missvcrständniss, das Spitta ver-
muthct, möge hier aufgeklärt werden: wenn es unter 'Discantus' heisst:
»die person des hoenpriesters magde der thurhutterin«, so ist nicht die Per-
son des Hohenpriesters, sondern die der Magd desselben gemeint. Vgl.
Job. 18, 17.
3) Vgl. Ambros, Gesch. d. Mus. 3, 416.
311
textesdie Passion, diesmal nach Johannes, welche nun der unterste
Diaconus absang. »Die Passionen nach Marcus und Lucas fanden
in der Liturgie keine Berücksichtigungv. Der letzte Druck dieser,
noch ganz die alte einfache Weise beibehaltenden Passionen
ist vielleicht die Aufnahme derselben sammt den zugehörigen
Noten in das »Neue Leipziger Gesangbuch«, welches der Cantor zu
St. Nicolai, Gottfried Yopelius vonZittau, 4 68S herausgab <] .
Erst durch Consistorialbeschluss vom SlO. März 4766 wurden
diese einfachen alten choralischen Passionen in Leipzig abge-
schafft: die Diaconen waren gemeiniglich der Musik nicht kun-
dig gewesen; die Verrichtung war ihnen in Folge dessen be-
schwerlich gefallen; es war ein »Obelklang« entstanden, »auch
der Gottesdienst zwar verlängert, aber zur Erbauung wenig för-
derlich gemacht worden«. Bereits seit dem Jahre 4724 hatte
eine modernere Passionsaufführung der alten Concurrenz zu
machen begonnen, indem sie sich einen Platz in der Charfreitags-
Vesper, abwechselnd in der Thomas- und Nicolaikirche, erobert
hatle; seit 4766 ward sie auf Anregung des regierenden Bürger-
meisters die Nachfolgerin der alten im Vormittagsgottesdienst ;
doch vereinfachte sich die Sitte insofern, als fortan nur eine und
dieselbe Musik in beiden Kirchen und in jeder nur einmal im
Jahr aufgeführt ward; in der Wahl des Tages wechselten die
Kirchen ab : führte die eine am Palmsonntage auf, so die andere
am Gharfreitage, und im folgenden Jahre umgekehrt. Die Tho-
maskirche als Prinzipalkirche begann die Beihe^).
4) Die MatthäuspassioD steht S. 4 79 — 287, die Jobannespassion S.
227 — 263. Bei ersterer ist es sehr auffallend, dass die Titelworte »Höret
an das Leiden unsers Herren Jesu Christi, nach dem heiligen Mattheo«,
nicht vom Chor, sondern mit vom Evangelisten gesungen werden, und dass
ein Danklied zum Schlüsse ganz fehlt. Bei der Johannespassion singt der
Chor nicht nur den Titel : »Das Leiden unsers Herrn Jesu Christi, wie es
St. Johannes beschreibet«, sondern auch die hergebrachte Danksagung
(s. 0.)- Aber auch in Merseburg sang der Evangelist den Titel. In der
neuen Auflage des Leipz. Gesangbuches von 4 693 fehlen die Passionen.
2) Vgl. Acta, die veränderte Einrichtung des öffentlichen Gottes-
dienstes zu Palmarum und am Char-Freytagc, ingleichen die Abschaffung
der bisherigen Absingung der Passions-Historie nach dem Matthäo und Jo-
hanne in den beiden Hauptkirchen zu S. Thomae und Nicolai in Leipzig.
4 766, (Ephoralarchiv Ablh. 111, Absch. I B. No 4 6. Repos. Z, Loc. 45.)
Dem Actenstück beigeheftet sind die Texte der in den beiden ersten Jahren
zur Aufführung gelangten Passionsmusiken :
4 . »Text zur Passionsmusik, welche auf hohe Verordnung .... vor
312
Als GhristiaD Reuter in Leipzig noch des Studiums der Theo-
logie sich befliss, wird er auch den Gottesdienst besucht haben:
da hat er nur jene alten choralischen Passionen des Vopelius zu
hören bekommen und gewiss auch den Druck derselben in dem
Gesangbuch ihres Componisten gekannt.
Aber längst bereits war der Boden, auf dem diese alte
Übung beruhte, unterwühlt, und vielleicht war Christian Reuler
selber von Merseburg her nicht mehr ganz unberührt von der
neuen Richtung. Hatte schon das Eintreten in die motetten-
artige Gomposition das Bedürfniss nach reicherer musikalischer
Entfaltung offenbart, so suchte dasselbe neue Wege der Be-
friedigung, als mit dem Bekanntwerden der italienischen Musik
eine ganz neue Epoche der musikalischen Entwicklung in
Deutschland begann, deren erste Symptome auf dem Gebiete
der Passionsmusik wohl bei Melchior Vulpius (Matthäuspassion
4613) und bei Christoph Schultz (Lucaspassion 4653) hervor-
treten.
Es ist beachtenswerth, dass wir fortan von Thüringern
alle die Neuerungen ins Werk gesetzt oder doch angeregt finden,
die wir in der weiteren Geschichte der Passionen zu verzeich-
nen haben.
Jener Umschwung geht von demselben Manne aus, dem
wir auch die Composition der ersten deutschen Oper, der Dafne
von Martin Opitz, 4627, verdanken, von Heinrich Schütz aus
Köstritz (geb. 4585].^) Derselbe hatte seine musikalische Aus-
bildung in Italien empfangen, und bereits seine 4623 herausge-
gebene DHistoria von der Auferstehung Jesu Christi« zeigt die
und nach der Predigt aufgeführet wird.« — Das Ganze ist wesentlich Cantate.
Bibelt^xtkommtnurvor: Jes. 63,4. Matth. 26, 38.39. Luc. 22,6. Matth.a7,5.
Joh. 4 8,20. II Jes. 53, 4. Matth. 27, 25. ebda. 27, 38. Marc. 4 5, 37. —
Sonst nur Choral, Arie, Arioso und Rccitativ, welches letztere aber auch
durchaus lyrisch, keineswegs erzählend ist.
2. »Die Leidensgeschichle unseres Erlösers aus dem heiligen Evange-
listen Lucas mit untermischten Chören, Liederversen und Arien vor
und nach der Frühpredigt musikalisch aufgeführet.« — Von Luc. 22, 39 an
der volle Text des Evangelisten bis 23, 54. Die Einrichtung des Textes ent-
spricht der Angabe das Titels. Von dem alten Eingangstitel und der allen
Dankformel am Schlüsse ist natürlich Nichts mehr vorhanden.
4) Vgl. Heinrich Schütz. Sämmtliche Werke. Hsgg.v.Ph.Spilta, LBd.
Leipzig 4885.
313
neue concertierende Weise : vier Violen di gamba begleiten den
Gesang; die Interloquenten sind wie in der motettenartigen Com-
Position. mehrstimmig gesetzt (nur Cleophas nicht), doch giebt
der Componist es frei, nur eine Stimme singen, die andere in-
strumentieren zu lassen ; den Eindruck der Aufführung räth er
noch dadurch zu erhöhen, dass von den Interloquenten nur der
Sänger des Evangelisten sichtbar sei. Uebrigens ist der Text
einfach der der Evangelien, anfangs gemischt, dann überwiegend
nach Lucas mit geringen Einschiebungen aus Marcus und Jo-
hannes. Der Titel (sechsstimmig) ist ähnlich den Passionstiteln :
»Die Auferstehung unsers Herren Jesu Christi, wie uns die von
den vierEvangelistenbeschrieben wird«; desgleichen der Schluss:
»Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch Jesum
Christum, unsern Herrn. Victoria«, der freilich in der Musik
überaus schwungvoll behandelt ist. Man sieht, das Neue liegt
hier wesentlich im Musikalischen, die Textbebandlung ändert
noch Nichts an der alten Weise. Wesentlich ebenso steht es mit
den eigentlichen Passionen, die erst den letzten Lebensjahren
des Componisten angehören (f 1672). Er hat sicher ihrer drei
geschrieben, nach Matthäus, Lucas und Johannes (diese letztere
besitzen wir in doppelter Gestalt) , um die Mitte der 60er Jahre,
während die Authenticität der Marcus-Passion wohl mit Recht
beanstandet wird. In der handschriftlichen Ueberlieferung fehlt
alle Instrumental-Begleitung und Kenner sind der Ansicht, dass
sie,abweichend von der eben erwähnten und von manchen anderen
ähnlichen Compositionen Schütz'ens, gar nicht beabsichtigt sei,
dass er sich die Aufführung wirklich in der Form der alten chorali-
sehen Passionen gedacht habe. Der Text der Evangelien ist un-
verändert, auch motettenartige Composition kommt hier bei den
Interloquenten nicht vor; die Titel sind gleichmässig die ge-
wöhnlichen einfachen: »Das Leiden unsers Herrn Jesu Christi,
wie es (uns das) beschreibet der heilige Evangeliste Matthäus
(Lucas , Johannes)«. Aber die alte einfache Schlussformel hat
dem musikalischen Bedürfniss nicht mehr genügen wollen, wie
das ja bereits bei der motettenartigen Composition und auch bei
Christoph Schultz der Fall gewesen war. Alle drei Passionen
schliessen bei Schütz mit einer empfindungsvollen Kirchenlied-
Strophe, Matthäus mit der Schlussstrophe des Bonnus'schen
Liedes »Ach wir armen Sünder«:
314
Ehre sei Dir, Gbriste, der Du littest Noth,
An dem Stamm des Kreuzes für uns den biltern Tod,
Und herrschest mit dem Vater dort in Ewigkeit,
Hilf uns armen Sündern zu der Seligkeit
Kyrie eleison, Christo eleison.
Lucas mit der neunten Strophe des alten Kirchenliedes
»Da Jesus an dem Kreuze stund«:
Wer Gottes Marter in Ehren hat
Und oft belracht sein bittern Tod,
Des will er eben pflegen
Wohl hie auf Erd mit seiner Gnad
und dort in dem ewigen Leben.
Johannes mit der Schlussstrophe des Liedes der Böhmischen
Brüder »Christus, der uns selig macht« :
0 hilf, Christe, Gottes Sohn
Durch dein bitter Leiden,
Dass wir. Dir stets untertban.
All Untugend meiden,
Deinen Tod und sein Ursach
Fruchtbariich bedenken,
Dafür, wiewohl arm und schwach,
Dir Dankopfer schenken.
Sollte die Marcuspassion echt sein, so müsste sie die ältere
sein (dem doch die Chöre zu widersprechen scheinen), denn
es hat sich der Componist in ihr noch an die alte Schlussformel
gehalten. Durchweg aber fehlen bei Schütz noch ganz die lyri-
schen Einlagen im Innern der Handlung. Es ist ganz unhistorisch,
wenn man die Behauptung aufgestellt hat, die Passionen von
Schütz hätten diese Ergänzung »zweifellos« gefunden, sie hätten
sie gar nicht entbehren können, es »verstehe sich ganz von selbst,
dass die Gemeinde sich während derselben durch Choralgesang
betheiligt habe«. Das ist ein Hineintragen der späteren Ent-
wicklung in die Vorgeschichte, vor dem sich der Geschicht-
schreiber zu hüten hat.*)
Da somit in der Textbehandlung die Form der Schütze-
schen Passionen nicht nennenswerth abweicht von der früheren
choralischen, so mag es gestattet sein, das Urtheil eines Kenners
4) Das Richtige hat schon Chrysander (4 858), G. F. Händel, 1, S. 428.
315
über den abweichenden Charakter der Musik anzuführen. »Aber
nur äusserlich betrachtet«, sagt Friedrich Spitla*) »gleichen die
Passionen von Schütz jenen alten , für uns antiquirten Choral-
passionen. Das zeigt sich zunächst und am deutlichsten an den
Chören. Da ßndet sich Nichts mehr von der altkirchlichen Ein-
tönigkeit, sondern überall die lebendigste melodische und rhyth-
mische Bewegung. Dazu kommt, dass in gewissen, später näher
zu bestimmenden Grenzen der Ausdruck in den verschiedenen
Chören, den verschiedenen Situationen entsprechend, ein höchst
mannigfaltiger ist. Wir stehen in der That auf dem Boden der
neuen, durch Schützes Bemühung in Deutschland von Italien aus
eingeführten Kunst. Dasselbe zeigt sich bei den Sologesängen,
die, zum Theil wenigstens, nur geschrieben dem alten einför-
migen Choraltone gleichen; in der That bieten sie meistens, wie
man richtig gesagt hat, »das unter der Choralmaske versteckte
moderne Recitativa, das sich häufig zu einem wahrhaft riesigen
Pathos erhebt und melodisch so bewegt ist, dass man gemeint
hat^ Schütz könne sich die Aufführung gar nicht ohne Begleitung
gedacht haben.«
2. Die Erweiterung des Evangelientextes dnreh eingelegte
Oesangsstficke.
Die Gesangsstücke Ausdruck der Gemeindesiimmung : Sebastiani, Theile
(mit Ausnahme einer Strophe), Merseburger Gesangbuch, Rudolstädter
Passion. — Eindringen der Gesangsstücke in die Handlung selbst: Funcke.
Die nächsten Spuren des durch das musikalische Interesse
gesteigerten lyrischen Elementes finden wir am nördlichsten
Gestade Deutschlands, in den beiden Seestädten Königsberg
und Lübeck. Aber auch hier waren es Thüringer, denen dieser
Fortschritt verdankt wird.
Im Jahre 4672 erschien in Königsberg »in Verlegung des
Authorisa, des Churfürstl. Gapellmeisters Johann Sebastiani
aus Weimar^ eine Matth^uspassion mit »5 singenden und 6
spielenden Stimmen nebst dem Basso continuo«, »worinnen zuEr-
i) Die Passionen nach den vier Evangelisten von H. Schütz. Ein
Beitrag v. Fr. Sp. Leipzig 4 886, S. 6.
4 887. 32
316
weckuDg mehrer Devotion unterschiedliche Verse aus denen ge-
wöhnlichen Kirchen-Liedern mit eingefuhret und dem Text ao-
comodiret worden a.^) Die Dedication und die Anrede an den
Leser beweisen^ dass die Musik bereits früher aufgeführt worden
war und gefallen hatte — in Königsberg wie anderswo — , es
dem Componisten bisher nur an den Mitteln lur Drucklegung
gefehlt habe ; er sagt uns dann, er habe » auf diese reciiirende
und dergleichen nach heutiger Manier eingerichtete, auch mit
Kirchenliedern ausgezierte Goncert-Art« dieEvangelia auf Sonn-
wie Festtage durchs ganze Jahr gesetzet, und fordert Liebhaber
zum Verlage auf. Ebenso werden Anweisungen für die Musik-
dirigenten in Betreff der Instrumente wie der Stimmen gegeben.
Ein Gedicht in Alexandrinern von der bekannten Königsberger
Dichterin Gertraut Möllerin folgt dieser Anrede, sammt ein paar
elenden Versen in trochäischen Tetrametern von einem Unge-
4) Das Leyden und Sler-|ben unsers HERRN und | Heylandes | Jesu
Christi, | nach dem heiligen Matthaeo. | In eine recitirende Har- | oioni
von 5. singenden und 6. spielenden | Stimmen, nebst dem Basse Con-
tinuo ge- | setzet-, Worinnen zu erweckung mehrer Devo- | tion unter-
schiedliche Verse aus denen ge-| wohnlichen Kirchen-Liedern mit ein-
gefuhret, I und dem Texte accomodiret werden. | von | Sr. Cburfl.
Durch), zu Brandenb. | bestalten Gapell Meister in Preußen, j Johanne
Sebastian!, Vinarid Thuringo. | {Strich.) \ Königsberg, | Gedruckt durch
Friderich Reusnern, 4 672. | In Verlegung des Authoris.
Mit Leisteneinfassung, 4®. Ein Bogen von 4 BIL, sig. )(, enthillt ausser
dem Titel die Dedication an den Churfürsten Friedrich Wilhelm, die Anrede
an den Leser und die oben erwähnten Gedichte. Die Stimmen und die In-
strumente sind jedes für sich signiert. In dem mir vorliegenden Exemplare
ist der Titelbogen dem Cantus beigebunden. Es sind 42 Hefte, ohne be-
sonderen Titel, die nachstehenden Überschriften in einer Zeile oberhalb der
Noten :
Cantus, das Weib Pilati und zwey Mägde, 6 Bll., sig. A. B.
Evangelista. In Nomine JESU Crucifixi. 4 5 Bll., sign. % — 2). Letzte
Seite leer.
JESUS, 7 Bll., sign. a. S.
Tenor secundus, Petrus, Pilatus, Caipbas. 4 BI1. sign. )(.
Alto. Judas. 4 Bil., sign. ):(, letzte Seite leer.
Die 7 Hefte für die Instrumente sind die folgenden : In Nomine JESU,
Bassus Continuus (4 2 BIL); Violino primo (4 Bll.); Violino secondo (4 Bll.};
Viola di Gamba 6 di Braccio Prima (8 Bll.); Viola di Gamba ö di Braccio
2da. (8 Bll.); desgl. Terza (4 Bll.); Viola 4ta Bassa (6 Bll.).
Exemplnr, und zwur mit des Componisten Autograph, auf der Dniv.-
Bibl. in Königsberg i. Pr.
317
nanDlen. Der Text für sich allein ward 4 686 abermals abge-
druckt. 1) Ich beieiohne die beiden Ausgaben im Folgenden durch
A und B. Wir ersehen aus dem Titel von B, dass die Absingung
am Charfreitag statt fand.
Titel: »Höret d. L.u. St. u.H. J. Chr. nach d. heil. Matthaeoa
und Schlussgesang: »D. s. d. H. , d. u. e. b. d. s. L. v. d. H.«,
also ganz die alten Formeln, werden vom Chor gesungen. Dann
beginnt der Text, vollkommen ttbereinstimmend mit dem Evang.
Matth. 26, 1 —27, 66. Zweimal trat, wenigstens in der Schloss-
kirche, wahrend des Absingens der »Priester« vor den Altar,
das erste Mal nach dem Schlüsse des ersten Passion scapitels (26,
75) um den Passionstext Esa. 53 , zum zweiten Male nach Jesu
Abführung zur Kreuzigung, hinter 27, 34, um den 22. Psalm
abzulesen.
Dem Ganzen (auch dem Titel) voran ging eine Symphonie,
und eine solche leitete auch den Beginn des zweiten Passions-
capitels (Matth. 27) ein ; auch ward hinter 26,37, um für Christi
zagendes Gebet die richtige Stimmung zu erzeugen , eine kurze
Symphonie eingeschoben, und nach B auch hinter 27, 44 , also
zu stimmungsvoller Vorbereitung auf Christi Tod ; in A habeich
die letztere nicht gefunden.
Ward so musikalisch auf Erzeugung einer lyrischen Stimmung
hingewirkt, so diente demselben Zwecke, und gewiss nicht mit.
geringerem Erfolge, die Einlage verschiedener, auf die Situation
wohlberechneter Strophen, ja ganzer Strophenreihen, aus Kirchen-
liedern.
4 ) Kunze Nachricht, | Wie die | PASSION | am Char-Freytage zu
Schloß, I wie auch in denen dreyen Städten, und | auf Churfürstl. Frey-
heiten , in einer | recitirenden Harmonie abge- | handelt, | Und | Nebst
denen darin befindlichen Liedern | gesungen wird, | Der Gemeine zum
besten I zusammen gezogen, | Woraus sie Selbsten mit lesen und (singen
kan. I Wobey mit angefüget | ein | Dancksagungs- Liedchen | für das
bittre Leyden und | Sterben | JESU CHRISTI. | (ZderleisteJ \ Königsberg, |
Gedruckt bey den Reusnerischen Erben, | im Jahr 4 686.
46 unbez. Bll. 8^., sign. 91. Sd. Rückseite des Titels leer. Exemplar
auf der Univ.-Bibl. in K()nigsberg i. Pr.
Königsberg bestand bis 4724 aus drei Städten mit besonderen Ma-
gistraten : Altstadt, Löbenicht, Kneiphof. Zum Schlosse, das natürlich
seine eigene Gerichtsbarkeit hatte, gehörten fünf Vorstädte oder Freiheiten:
die Burgfreiheit , Tragheim , der vordere und hintere Rossgarten und die
Neue Sorge oder Königsstadt und ein Theil von Sackbeim.
318
Es kommen an nicht weniger als zwölf Stellen derartige
Einschiebungen vor, sechs in jedem der beiden Gapitel. Hinler
26, 42, wo Christus auf seinen bevorstehenden Tod hindeutet:
0 Welt ich muß dich lassen,
hinter 26,29 nach der Einsetzung des heiligen Abendmahls:
GoU sey gelobet und gebenedeyet,
hinter 26,36, wo Christus sich zum Gebet entfernt:
Vater unser im Himmelreich
Gib, dass nicht bet' allein der Mund,
Hilf, dass es geh von Hertzengrund.
hinter 26,42, nach dem orgehungsvollen Gebet des Heilandes
Dein Will' gescheh, Herr Gott, zugleich
Auff Erden, wie im Himmelreich,
Gib uns Gedult in Leidenszeit,
Gehorsam seyn in Lieb und Leid,
hinter 26,66, als das Todesurtheil über Christus ausgesprochen
ist:
0 Lamb Gottes unschuldig,
hinter 26, 75 (des Petrus Reue):
Erbarm dich mein, o Herre Gott
hinter 27,5 (des Judas Selbstmord]:
Führ' uns, Herr, in Versuchung nicht,
Wenn uns der böse Geist anficht.
hinter 27,23 , nachdem der Chor gerufen hat »Lass ihn kreuzigen« :
0 Lamb Gottes unschuldig
(der i. »Vers«, der bekanntlich mit dem ersten übereinstimmt),
hinter 27,34, wo Christus hinausgeführt wird :
0 Lamb Gottes unschuldig (»Vers« 3j,
hinter 27,44, wo Christus am Kreuz geschmäht wird (es werden
2»yerseff vorgeschrieben, und in B auch zum Abdruck gebracht):
Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott,
Der Du lidst Marter, Angst und Spott,
319
hinter 87,46, nachdem Christus die Worte »Eli, Eli, Lama asab-
thani« ausgestossen :
Herr, meinen Geist befehl ich Dir,
Mein Gott, mein Gott, weich nicht von mir,
Nimb mich in Deine Httnde.
0 wahrer Gott, aus aller Noth
Hilff mir am letzten Ende,
hinter 87^50, als Christus verschieden ist:
Mit Fried' und Freud fahr ich dahin
Der Tod ist mein Schlaff worden, <)
endlich hinter 27,60, nachdem Christi Bestattung erzählt ist, be-
gnügt sich der Componist nicht mit Einern :»Versea, sondern
wünscht ein ganzes Lied gesungen , obwohl er in der Vorrede
sich event. auch mit »einem Verse« befriedigt erklärt:
0 Traurigi^eit, o Herzeleid
(8 »Verse«, die in B auch sämmtlich in den Text aufgenommen sind).
Unsicher bin ich darüber, ob diese eingelegten Verse be-
stimmt gewesen sind, von der ganzen Gemeine gesungen zu
werden. Der Titel von B bezeugt ja, dass der Gemeinde das
Mitsingen nicht verboten war, aber gerade die eingelegten Stro-
phen sind durchaus als Solostrophen behandelt, die in A dem
^Cantus' zugewiesen werden. Und in B heisst es ausdrücklich :
DÄllhier singet ein Knab dazwischen allein«, und : »Allhie (oder :
Hier) singet der Knab allein« , auch wo schliesslich 8 Strophen
verlangt werden : »Allhier singet der Knab allein folgendes Lied«.
Oder wurde eben darum die leitende Stimme allein zu hören
gegeben , damit sich der Gesang der Gemeinde ihr anschliessen
könne?
Der zweite Sohn des sangesreichen Thüringen, der weit in
den Norden die neue Richtung verpflanzte, war der bekannte
und viel umhergetriebene Musiker Joh. Theile aus Naumburg,
geb. 1646, der Schüler Heinrich Schütz'ens, der 4673 Capell-
4 ) In B heisst es : »Hier in zwischen wird die Motet außen Esaia 87
V. 4 'Bcce quomodo moritur justus' (von Gallus) gesungen, oder anstalt
dessen : Mit Fried und Freud u. s. w.« Also nicht Kuhnau war der erste,
der diesen »sinnigen Einfall« hatte, wie Ph. Spitta, J. S. Bach II, 324 meint.
320
meister in Lübeck war. Auch er gab dort in dem genannten
Jahre eine Matthäuspassion mit Instrumentalmusik heraus, >)
die er seinem damaligen Herrn , dem Herzog Christian Albrecht
von Schleswig, Goadjutor des Stiftes Lübeck, und seiner Ge-
mahlin widmete. Lateinische und deutsche Gedichte, darunter
ein sehr rühmendes von dem bekannten Organisten an der Marien-
kirche, Dieter. Buxtehude,^] eröffnen das Werk, daran schliessen
sich Anweisungen des Componisten , wie der Text auch <dine
Instrunientalbegleitung könne gesungen und wie an die Stelle
4) PASSIO,! Domini Nostri JEsu Christi | sccund um Evang: Matthsum,:
Con 6l sino Stroroent: | Oder | Das Leiden und Sterben ansers UErm |
JESU CHRISTI, I Nach dem H. Evangelisten Matthaso ; | Gesetzet | (mit
5. Strom: in denen Rittornellen. 5. Voc. zu den Chören. Person : Christi t
mit 2 Violdig. ovor Bratz: Persona Evangelist: mit 2. Bratz: | und die
übrigen PersonsD Solo, &c. | Und ohne Instrumenten Musicalisch abge-
sungen) I von I Dero zu Schleßwtg , Holstein , Regierenden Hochfürstl.
Durchläuchtigkeit | Capellmeister | Johan Thoilen von Nauenburg. |
( Btichdnickerzeichm des Mich» Volck) \ Lübeck , | In Verlegung Michael
Volcken, | Gedruckt durch Seel. Gottfried Jägers Erben. | (Strich,) |
ANNO M.DC.LXXIII.
3 Bll. fol. sign. )( u. )( )(, enthaltend Titel, Dedication, Gedichte und
Vorrede ; angeheftet an den Basso Continuo, 6 Bll. fol. sign. (*), (**), (***>
Dazu noch 4 weitere Hefte für die Instrumente; Viola de gamba. 1., 8 Bll.
fol., sign. (AMD); Viola de gamba. 2., 8 Bll. fol., sign, (a)— (d); Viola da
braccio4., 3 BU. fol., sign. A, B ; Viola da braccio 2., 3 Bll. fol., sign, a, b;
dann 7 Hefte für die Stimmen: Evangelista, 8 Bll. fol., sign. S(—!£); JESUS.
Basso., 4 Bll. fol., sign, (a), (B); Basso [Caiphas,Pilatus], 2B11. fol.,sign.(9); Alto
[Judas] 2 Bll. fol., sign. (a); Tenore [Petrus], 2 BU. fol. sign. o;CaQto 4.[Dxor
Pilati und die Einlagen], 2 Bll. fol., sign. (A)-, Canto 2. [Ancilla I a.2], 3 BU.
fol., sign. A.
Exemplar auf der Königl. Univ.-Bibl. in Upsala, von wo Herr Biblio-
thekar Dr. Aksel Andersson die grosse Güte hatte es mir zuzusenden. Dass
ich auf dies Exemplar, das einzige, wie es scheint, welches sich erhalten
hat, aufmerksam wurde, verdanke ich Herrn C. Stiehl in Lübeck, der
sich in meinem Interesse an hervorragende Kenner der Musikgeschichte
wandte und bei Herrn R. Eitner die gewünschte Auskunft fand. hUen
diesen Herren spreche ich meinen herzlichen Dank aus.
2) i. Edler Theile, soll ich bringen 2. Er, Geehrter, wird gelobet
Ihm zu Ehren ein Gedicht? Von der klugbegabten Welt.
Gerne! wolt es mir gelingen, Ob gleich Neidhart httfltig tobet,
Wör'es Seines FreundesPflicht. Dem, was rühmlich ist, miß-
Aber nein, ich muß aus- ß»ilt,
bleiben Dennoch muß sein Lob be^
Und Gelehrte lassen schrei- stehen
ben. Und wird nimmer untergehen.
321
der von ihm »einftiltig dazu gesetzten Ariena »deutsche Kirchen-
Psalmen« konnten gesetzt werden.
Der Text ist unverändert der des Evangeliums; wie bei Se-
bastiani ; auch der Titel ist der alte : »D. L. u. St. uns. H. J. Chr.
nach dem Beil. Matth.c Aber bei der Danksagung hat die alte
Formel bereits einem Liede von 4 Strophen zu 4 Versen Platz
gemacht, das hier schon 'Aria' genannt wird :
Habe Danck, 0 Gottes Sohn
Für Dein Leiden Spott and Hohn
Beides wird vom Chor (Tutti) gesungen. Ebenso sind Stro-
phen von Kirchenliedern eingeschoben, doch in geringerem Um-
fange als bei Sebastiani; hatte dieser nicht weniger als 42
eingelegt, so Theile eigentlich nur 3. Hinter 26,29, nach Ein-
setzung des heil. Abendmahls, zwei Strophen :
4. 0 Gottes Sohn, Du Heil der Sünder
2. Lass würdig mich, 0 Gott, geniessen
Im Abendmahl Dein Blutvergiessen,
hii^ter 26,68 (nicht 66, wie bei Sebastiani), bei Christi Ver-
spottung, eine Solo-Arie von zwei Strophen :
4. Du dultig Lam, 0 Gottes Sohn,
Ach, was Verspeiung. Spott und Hohn
must Du von tollen Scharen dulten
'%. Ach, es geht meiner Seelen nah,
bereits hinter 26,75^ der Reue Petri, die allerdings zu ermahnend
lyrischer Einlage vorzüglich aufforderte, wieder zwei Strophen,
offenbar hier aber als zur Rolle des Petrus gehörig angesehen :
3. Fürsten haben grofi Belieben
An dehm, was Er schreibt und
dicht,
Rühmen Sein lobwerthes Üben,
Lassen Ihrer Gnaden Licht
Strahlen auff die schönen
Sachen,
Die Er künstlich weiß zu
machen.
4. Fahre fort, berühmt zu werden
Durch die Kunst, berühmter
Theil,
Dring zum Himmel von der
Erden,
Dichte von dem Menschen-Heil :
Christi Tod wird dich erheben
Und das rechte Leben geben.
322
i . Acb, wo soll ich mich binweDdeo
Meine Notb zu übersebn I
Wird GoU keine Gnade senden,
Ach, so isis mit mir geschehn.
Mein boß Gewissen plaget mich.
Daß ich geflucht so freventlich
Und dreymal meinen Gott verlliiignet
%. Weint Ihr Aagon Tbränenqnellen,
hinter S7, 34, der HinausführuDg Jesu, zwei Strophen:
1 . Ach der Marter, ach der Pein !
Muß man Jesum so verhöhnen?
2. Ach des Jammers, ach der Notb!
Ach, ist denn ganz kein Verschonen?
Die drei Einlagen hinter 26, 29. 26, 68. 27, 34 werden nur
vomCantol gesungen; bei allen übrigen Stimmen heisst es: lacet.
Ob auch hier die Gemeinde mit einstimmen sollte, mit dieser
Frage steht es wie bei Sebastian! . Die Einlage hinter 26, 75
wird vom Tenor (Petrus) gesungen, also auch hiedurch wie durch
den Inhalt der Strophen, der Rolle des Petrus zugewiesen.
Alle Einlagen führen, wie ebenso das Danklied am Schlüsse,
den Namen *Aria', mit der Nebenbezeichnung ^Ganto Solo', 'Te-
nore Solo', 'Tutti\
Dem Titel voran ging auch hier eine Sinfonia der Instru-
mentalmusik, aber im weiteren Verlauf wiederholt sie sich
nicht. Man muss also sagen, dass das musikalische Element
sich bei Theile weniger geltend machte als bei Sebastiani.
Ungefähr auf gleicher Stufe mit Theile's Verfahren halten
sich die Einlagen, wie das Merseburger Passions-Gesangbucb
von 1709*) sie angibt. Dort wurden noch sämmtliche vier
4) Auserlesene | Passions- | Gesänge, | wie auch | Die Historie vom
blu- I tigen Leiden und Sterben | unsers Heylandes ChrisU | JEsu, |
and wie solche von dem Chor, | nach dem Matthaeo, Marco, | Luca,
und Johanne, | abgesungen wird; | Nebst dem Kern | aller Passions-
Gebete I und I Betrachtung der sieben | Worte Christi. | Mit Königl.
und Churf. Sachs. | allergnädigsten priyilegio. | {Strich,) \ Merseburg, |
verlegts Georg Christ. Forberger. | 4709.
Titeibl., dessen Rückseite leer, und 308 bezifferte Seiten schmal 80,
sign. ?( — 9?. Exemplar auf der gräflichen Bibliothek in Wernigerode.
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Passiouea »von dem Chor« »abgesungeot ; seit wann in der an-
gegebenen Weise ) erfahren wir nicht; vielleicht war es eine
schon länger eingeführte Übung, die schon Christian Reuter in
den 80er Jahren mitgesungen haben mochte. Vielleicht hatte
aber auch Theile selber Einfluss darauf gehabt, da er im An-
fang der 90 er Jahren in Merseburg angestellt war. Ober die
Musik sind wir nicht unterrichtet, da das Gesangbuch nur die
Texte bietet.
Wir wollen nur die Matthäus-Passion in^s Auge fassen. Der
Titel in alter Form, »Höret d. L. uns. H. J. Chr., nach d. Heil.
Matth.«, wird hier wie bei Vopelius nicht vom Chor, sondern von
dem Evangelisten gesungen. Auch das gewöhnliche Danklied
fehlt hier. Es trat an seine Stelle wohl ein von der ganzen Ge-
meinde gesungenes Passionslied.
Eingeschoben sind, von ^iner Ausnahme abgesehen, nur
solche Lieder, die in dem Gesangbuche stehen und auf die daher
nur hingewiesen wird. Hier scheint es sicher zu sein, dass sie
bestimmt waren, von der Gemeinde gesungen zu werden; denn
es heisst im Texte: »(Hier wird gesungen ausdemLiede
Pag. 21 )a. Man mag hieraus zurückschli essen auf die Übung in
Königsberg und Ltibeck, wie andererseits aus den Notenheften
der letzteren, dass auch in Merseburg eine Knabenstimme die
Führung des Gesanges übernahm. Die Einlagen sind die folgen-
den. Hinter 26, 39, während des Gebets Christi auf dem Oel-
berge:
»Hier wird gesungen aus dem Liede, Jesu Leiden, Pein und Tod, der
2. 3. und 4. Verß, Pag. 24.«
hinter 26, 49, dem Judaskusse:
»Hier wird gesungen aus dem Liede, Jesu Leiden, Pein und Tod, d.
6. Verß, Pag. 24.«
hinter 26, 75, Petri Reue :
»Hier wird aus dem Liede, Jesu Leiden, Pein und Tod, gesungen der
4 0. Verß, Pag. 24.«
hinter 27, 5, des Judas Tod:
»Hier wird etc. der 4 4. Verß, Pag. 24 .«
hinter 27, 26, der Überlieferung Christi zur Kreuzigung:
»Hier wird gesungen, Ach weinet, seufFtzet doch, gants.«
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Das Lied steht S. 63 des Gesangbuches und enthalt 5 Strophen.
Endlich hinter S7, SO, als Christus verschieden ist, werden
zwei Strophen gesungen, die nicht im Gesangbuch stehen, und
die^aher in extenso mitgetheilt werden, aber ohne Angabe einer
Melodie :
i . 0 mein Herr iesa Christ,
Der du so geduldig bist
Für mich am Kreuz gestorben.
Amen zu aller Stand
Sprech ich von Hertzen Grund.
Hier konnte die Gemeinde schwerlich mitsingen ; aber daraus
auf ein Schweigen auch bei den übrigen Einlagen zu schliessen,
ist doch schwerlich erlaubt.
Die drei übrigen Passionen sind nicht nur ebenfalls ohne
Danksagung, sondern auch ohne Titel. Vielleicht ward der Titel
wie bei der Matthäuspassion vom Evangelisten gesungen und
brauchte daher hier nicht wiederholt zu werden : der Evangelist
beginnt sofort mit dem Texte. Jede derselben enthält fünf Ein-
lagen, auch hier zuweilen ganze Lieder. Von selbständigen Ein-
lagen, die sich nicht im Gesangbuche linden, kommt hier nur
eine vor, die natürlich in extenso mitgetheilt wird, bei Petri
Reue, hinter Marcus 14, 72 mit ganz allgemeinem Inhalt:
Herr, sieh' nicht an die Sünde mein,
Thu ab all Ungerechtiglceit,
Und mach' in mir das Hertze rein
Dieselbe auch hinter Lucas 22, 62. In der Johannespassion
wird bei derselben Gelegenheit (Ev. Job. 18, 27) derselbe Ge-
sangbuchsvers wie in der Matthäuspassion (Ev. Matth. 26, 75)
gesungen, der 10. Vers des Liedes: Jesu Leiden, Noth und Pein.
Hier mag gleich die Besprechung einer Passion ihre Stelle
finden, die ebenfalls Thüringen angehört und auch schon einer
etwas früheren Zeit zugewiesen werden darf, als die der Titel
nennt, dieRudolstädter Passion von 4688, denn es heisst auf
dem Titel »wie solche in der Hocbgräfl. Schwartzb. Hof-Gapelle . .
pflegt musiciret zu werdent. Man hat es also mit einer bereits
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zur Sitte gewordenen Aufführung zu thun^). Diese Passion,
die uns nur in einem Textesabdruck erhalten ist und von der
uns weder der Verfasser noch der Gomponist genannt wird, ist
ein sehr umfängliches Werk 3] . DerText ist zusammengesetzt aus
den vier Evangelien, und stimmt, von geringen Varianten al>-
gesehen, ganz zu der »Historia vom Leiden, Sterben und Be-
grabniB Jesu Christi«, wie sie der erste Theil des Merseburger
Gesangbuches enthält'), nicht zu verwechseln mit den oben be-
sprochenen Einzelpassionen, die vom Chor abgesungen wurden.
Die 'Historia^ des Merseburger Gesangbuches war nur zum Lesen
bestimmt: war sie für die Rudolstädter Hof-Capelle compo-
niert worden? Merkwürdig ist freilich, dass keine Spur von
Vertheilung an die einzelnen Personen hervortritt, während doch
sonst die Texte dem Evangelisten wie den verschiedenen Reden-
den ihre Partien diaiogartig zuweisen. Hier geht Alles in zu-
sammenhängender Erzählung fort. Sollte dieser Text bloss ge-
lesen und sollten nur die Einlagen gesungen worden sein?
Man möchte meinen, dem widerspräche der Titel, doch wird
weiterhin noch eine Bemerkung mitgetheilt werden, die dennoch
hiefUr sprechen möchte.
Auch die Eintheilung lehnt sich an die der ^Historia' an.
Diese zerlegt die Passionsgeschichle in fünf »Hauptstücke«. Aus
diesen sind in Budolstadt, ganz opernhaft, * Actus' geworden,
und zwar sechs. Denn gegen Ende wird das lyrische Element
der Einlage so überwiegend und so umfangreich, dass das letzte
4) Sollte trotzdem die Composition und Herrichtung von Ph. Heinr.
Erlebacb herrühren, der seit 4 683 Capellmeister in Budolstadt war?
2) Die Hochtröstlicbe Geschieht | des bittern | Leidens und Sterbens |
unsers Herrn und Heilandes | Jesu Christi, | Aus { denen 4. Evangelisten
zusammen getragen, | in VI. ACTUS abgetheilet, | und mit füglichen
Arien und Liedern | hie und da untermenget, | Wie solche | in der Hoch-
gräfl. Schwartzb. Hof Cappella | zu Rudolstadt | die H. MarterWoche
durch von Tag zu Tage | pflegt musicirt zu werden. | {Zierleiste.) | Rudol-
stadt, I druckts Johann Rudolph Löwe, A.C. MDCLXXXIIX.
56, von k an bezifferte Seiten 40, sign. %—®. Zu ihnen zählt auch
das Titelblatt, dessen Rückseite leer ist.
Exemplar auf der Bibliothek des Fürstlichen Ministeriums zu Sonders-
hausen, Abth. Schwarzburgica. — Sehr verbunden bin ich Herrn Biblio-
thekar S. Ziese für seine Bemühungen bei Aufsuchung des Exemplars.
3) Es wird wohl eine in Thüringen allgemein eingeführte harmo-
nistische Zusammenstellung gewesen sein (von wem?). Bediente sich ihrer
vielleicht bereits Job. Walther im Jahre 4559?
326 —
Hauptsiück »voD der Ausführung und Creuzigung Christi« id %
Actus hat zerlegt werden müssen. Der V. schliesst nun mit
Christi Tode, und das Folgendeist 'Actus VI' überwiesen, unter
dem Titel : »Der im Grab verwahrte Jesus«. Ähnliche Titel haben
auch die übrigen Actß (»Von dem im Garten ängstlichen Jesu«,
»Der von Pilato zum Tode verurtheilte Jesus« etc.), nur dem
ersten fehlt ein solcher; wie es öfter geht, hat hier der allge-
meine Titel einen Specialtitel nicht aufkommen lassen.
Voran wird ein Choral (eine Strophe) gesungen, an Stelle,
wie es scheint, der Symphonie, die wir mehrfach den Anfang
haben machen sehen :
0 hilff Christe, Gottes Sohn
Durch Dein bitter Leiden
Dann folgt der Titel : »Das L. und St. Uns. H. J. Chr. nach
denen vier Evangelisten«. Ob er mitgesungen ward, wissen wir
nicht; doch ist es mehr als wahrscheinlich, da die Worte zwischen
dem Choral und dem Beginn des Textes stehen. Am Beschluss
des Ganzen folgt in drei Strophen das Danklied:
4. Wir danken Dir für Deinen Tod
9. 0 Gottes Lamm, Herr Jesu Christ
3. Erhalt für ihm (dem Teufel) dein Kirch und Wort
Ausserdem aber enthalten alle Acte ihre besonderen Eingangs-
strophen, natürlich auch hier wieder mit Ausnahme des ersten.
Sie werden ^Aria^ genannt und bestehen meist aus geistlichen
Liedern von 3, doch auch von 6 Strophen. Auch Paul Gerhardts
Lied »Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld« wird 'Aria' ge-
heissen. Desgleichen hat jeder Act seinen eigenen* Beschluss,
natürlich mit Ausnahme des letzten, wo das allgemeine Be-
schlusslied zugleich den besonderen Act schliesst. Auch sie be-
stehen in der Begel aus geistlichen Liedern von 3 bis 5 Strophen,
und werden ebenfalls Arien genannt; doch kommt einmal auch
nur eine Strophe vor und am Ende von Act IV heisst es noch
nach dem geistlichen Liede von 5 Strophen: »Der Chor be-
schleußt: Erschein mir in dem Bilde etc.«
327
Man sieht, wie der Text umrahmt wird von lyrischen Ein-
lagen, die durchweg der Stimmung der Gemeinde Ausdruck
verleihen. Ebenso reichlich sind sie aber auch im Innern der
Acte vorhanden. Diese Acte zerfallen in einzelne Abschnitte,
die (wenn wir von den ersten Seiten absehen, wo die Anord-
nung noch widerspruchsvoll ist) jeder seine besondere Über-
schrift haben und nach Vorführung des Bibeltextes mit einem
geistlichen Liede von einer oder mehreren, einmal sogar zwOlf
Strophen schliessen, z.B.:
Christus warnet für Gegenwehr, und heilet Malcht Ohr.
Und Judas nahet sich zu Jesu ihn zu küssen
• •
Da aber sahen die um Ihn waren, was das werden wolte, sprachen sie
zu Ihno: Herr, sollen wir mit dem Schwert drein schlagen?
bis: Und er rühret sein Ohr an, und heilet ihn.
4.
Das mag ja wahre Liebe heissen,
der wahren Liebe höchster Grad ;
Den ärgsten Feinden Guts erweisen
für ihre gröste Fre veithat.
2.
Hilff Jesu, wie ich von dir führe
Jesus von Caipha zum Tode verdammet.
Da fraget Ihn der Hohepriester abermal bis: Sie aber sprachen :
VV^as dürffen wir weiter Zeugniß? Wir haben's selbst gehöret aus sei-
nem Munde.
So bist du nun des Todes schuldig,
Du heiTger und gerechter Gott?
2.
Die Unschuld soll nun schuldig werden,
das Leben soll des Todes seyn.
Das Lied »0 Lamm Gottes, unschuldig« wird hier ebenfalls in
seinen drei Strophen an drei Stellen wirkungsvoll verwandt.
£benso, am Schluss von zwei Abschnitten hinter einander:
a) Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sund der Welt,
erbarm dich unser!
b) Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sund der Welt,
gib uns deinen Fried, Amen.
328
Oder an anderer Stelle, ebenfalls collectenartig , als Jo-
hannes die Mutter Jesu zu sich nimmt:
Alle Wiltben und Wäyseo vertheidige und versorge,
Erhör uns, lieber Herre Gott.
Aller Menschen dich erbarme,
Erhör uns, lieber Herre Gott^}.
Hier drängt sich nun noch eine besondere Beobachtung auf.
Nicht alle Überschriften der Abschnitte haben, dem oben Ange-
führten entsprechend, einen epischen Charakter; sehr viele
lauten anders, z. B. i>Bey der Einsetzung des H. Abendmahls«,
»Aria tlber der Junger Antwort ....«, «Auf die Hertzens-Angst
und blutigen Schweiss«, »Als Jesus bey seiner Verantwortung
geschlagen worden«, »Auf Pelri Falk, »Auf die im Tempel ge-
worffene 30 Silberlinge«, »Bey dem ersten Jesus- Wort am Greutz«,
»Auf des Creutzes Unterschriffl«, »Auf den Tod Christi«, »Als
unter andern Wundern sich die Gräber öffnen«, »Auf die eröff-
nete Seite«, »Als Jesus begraben«. Diese Ueberschriften , ob-
wohl sie oberhalb des prosaischen Textes stehen, sind doch
offenbar nicht Ueberschriften zu diesem, sondern zu den folgen-
den Liedstrophen. Und so möchte man sich zu der Vermuthung
gedrangt sehen, dass letztere den eigentlichen Inhalt ausmachten,
der prosaische Text nur als erklärende und motivierende Ein-
leitung anzusehen sei. Dann würde es auch sehr glaublich sein,
dass er nur gelesen, oder wenn auch in alter Weise choraliter
gesungen, doch ohne Vertheilung auf die verschiedenen Personen
vorgetragen ward.
Sollte diese Möglichkeit in Wirklichkeit stattgefunden haben,
so würde uns die Rudolstädter Passion eine ganz eigenthümUche
Lösung des Problems bieten, das Ueberwogen des musikalisch-
lyrischen Elementes, dem Zeitgeschmack entsprechend, zum
Ausdruck zu bringen, indem man, das Epische in seinem Rechte
belassend, aber auch einfach als episch behandelnd, das Lyrische
4] Einmal möchte es scheinen, als ob auch Prosa eingeschoben sei.
Bei Judtt Verralh heisst es »Sieh, was der leid'ge Geiti nicht thut; das ist
ein Zeichen vor dem Jüngsten Tag«. Aber hier ist eine Lücke, wie uns die
folgenden Zeilen, offenbar die zweite Strophe, beweisen : »Wo bleibt die
brüderliche Lieb? die gantze Welt ist voller Dieb : Kein Treu noch Glaub'
ist in der Welt, ein jeder spricht: Hätt ich nur Geldl Das ist ein Zeichen
vor dem Jüngsten Tag.«
329
ganz und allein in die Stimmung der Gemeinde, wie das Epos sie
hervorrief, verlegte, also nicht ein musikalisch behandeltes Epi-
sches mit lyrischen Klangen durchzog, sondern das Epische mit
lyrischem Geftthlserguss umrahmte, umwogte und umkleidete,
und das Lyrische so zu einer zusammenhangenden selbstän-
digen Bedeutung erhob.
Aber auf diesem Wege ging die Entwicklung zur Zeit nicht
weiter. Vielmehr zeigt uns gleich das nächste Werk, welches
wir zu nennen haben, die ersten Ansätze zum Betreten eines
ganz entgegengesetzten Weges, zu dem Versuche, das lyrische
Element immer mehr in die Handlung selbst hineinzulegen und
dem Ausdruck der Gemeindestimmung, die doch der Ausgangs-
punkt des lyrischen Elementes war, ihre Selbständigkeit voll-
kommen zu nehmen.
Nicht aus dem eigentlichen Thüringen, aber doch aus dem
benachbarten Erzgebirge, aus dem Städtchen Nossen, stammte
Friedrich Funcke, dervon 4664 — 4694Cantorin Lüneburg
war >). Von ihm besitzen wir eine Lucaspassion ^) aus dem Jahre
4683, doch nur den Text. Auch Funcke bietet noch den ein-
fachen alten Titel, der vom Chor gesungen wird: »Das L. u. St.
uns. H. J. Chr., naph dem heiligen Evangelisten Lucao. Der
Beschlussgesang des^Choi*s aber ist auch hier frei:
4 ) Lehrreiche Mittheilungen über ihn verdanken wir dem Hrn. Semi-
naroberlehrer Bode in Lüneburg. Vgl. die Blatter für Hymnologie von
Fischer u. Linke, Altenburg. Jahrg. 4884 S. 4 35 f., 4885 S. 95 f. 184 f., 4886
S. 60 f.
%) Die I Geschichte, | Von dem seligmachenden | Leiden und Sterben |
Unsers süssesten Heylandes | JEsu Christi, | Von dem heiligen Evan-
gelisten Luca im 22 und 1 23 Capitel seines Evangelii auff- | gezeichnet, |
Aus heiliger Göttlicher SchrifTt mit etlichen | Zwischen-Sätzen erweitert,
in die Musik gesetzet, und | durch dieselbe am Sonntage Qvinqvagesima,
an welchem die | öffentlichen Predigten über das Leiden Christi ange-
fangen I werden, nach Mittage vor der ersten Predigt in der | Haupt-
Kirchen zu St. Johannis | fürgestellet | von | Friederich Funcken. | (Zier-
leiste.) I Lüneburg, | Gedruckt bey Johann Stern. | (Strich.) \ ANNO
MDCLXXXIIL
8 Bl. (2 Bogen) 40, sign. ?(, ®. Exemplar auf dem Rathsarchiv unter
den Acten de Cantoribus Johaunei. Dass dieses Heft, das auf der Biblio-
thek des Johanneum vermuthet werden musste (vgl. Programm des Johan-
neum, Ostern 4 870, S. 24 Anm.j, aufgefunden und mir zugänglich geworden
ist, verdanke ich den Bemühungen des Hrn. Oberlehrers W. GOrges in
Lüneburg.
330
0 süsser Heiland, Jesu Christ,
Der Du der Mittler wordea bist,
Wir danken Dir von Hertzen,
Der Evangelist beginDt mit Luc. 22, 39, wSihrend Heinr.
Schütz und die Merseburger Passion sclion mit Luc. %9, 4 ein-
setzen; man musste wohl auf Kürzung Bedacht nehmen, da die
Aufführung in Lüneburg am »Nachmittage vor der ersten Pre-
digt« stattfand. Von da an folgt der Text genau dem Evange-
lium. Das musikalische Element macht sich schon äusserlich
dadurch geltend, dass das Ganze in 98 Satze getheilt ist, die be-
ziffert sind (z. B. 4. Chorus; 2. Evangelista; 3. Jesus; 4. Bv-
angel. ; 5. Jesus ... 96. Anette; 97. Chorus; 98. Chorus).
Hier zählen auch blosse Musikstücke mit: 7. Sinfonia in Contra-
puncto (nach der Erscheinung des Engels 22, 43) ; 9. Sinfonia
(gleich darauf, innerhalb 22, 44, so dass das Gebet Jesu beson-
ders stimmungsvoll bedacht ist) ; 70. Lamento (nach 23, 34 , der
Rede Jesu auf dem Wege zur Kreuzigung).
Dann ist aber auch dieser Text mit Einlagen durchwoben,
und diese tragen hier einen von den früheren ganz abweicben-
den Charakter. Bisher waren die Einlagen der die Handlung
begleitende Stimmungsausdruck der Gemeinde, nur in Theile's
Lübecker Passion war das Lied bei Petri Reue diesem persönlich
beigelegt, nicht der Gemeinde, und daher auch wie die sonstige
Rolle des Petrus dem Tenor zugewiesen. Hier aber sind der
Stimmungslieder nur sehr wenige. Merkwürdiger Weise hier
gerade bei Petri Reue, hinter 22, 62 :
Bußfertiger Sünder.
Mein Sund sind schwer und über-gioß,
Und reuen mich von Hertzen,
Herr, halt mir fast,
Weß Du Dich mir versprochen hast I
Dann ist bei Jesu Tode, hinter 23, 46, ein eigenes aus 8 Strophen
bestehendes «Dancklied« eingefügt :
Jesu, meines Lebens Leben,
Jesu, meines Todes Tod,
Die ersten 7 Strophen schliessen gleichmassig mit dem Refrain
331
Ta^seDd, tausendmal sey dir,
Liebster Jesu, Daock dafür.
Die achte Strophe aber:
Vor dein Ach und tieffe Pein
Wil ich ewig danckbar seyn.
Und hinter 23, 53, der Bestattung Jesu, folgt eine *Ariette':
Lass mich, Jesu, deinen Tod
Trösten in der letzten Noth ;
Gib, dass ich scheid fröhlich ab
Und mit Ruh geh' in mein Grabl
Alle übrigen Einlagen aber sind Jesus in den Mund gelegt,
gehören also zur Handlung. Sie bieten entweder eine Ergänzung
seiner Worte aus einem andern Evangelium, wie bei 2S, 46, wo
nach Matth. 26, 41 hinzugereimt ist:
Willig, willig ist der Geist,
Aber schwach ist Fleisch und Blut,
Das selten kan und thut
Was uns zum Guten weist.
Meist aber sind alttestamentliche Stellen^ die man als Prophe-
zeiungen auf Christus nahm, seinen Reden in Reimen eingefügt.
So hinter 22, 48 (bei Judas Kuss), nach Psalm 41, 10:
Wilst du nun mit Füssen treten
Den, der dich so lang genehrt
Und gelehrt?
Den du viel mal hast gehört
Brünstig für dich beten?
Zu 22, 51, während Jesu Gefangennehmung, nach Psalm 41, 9:
Dieses ist das Bubenstück,
Und böse Tück,
Das sie über mich beschlossen.
So noch an weiteren 8 Stellen: hinter 22, 53 im Anschluss an
Ps. 69, 15 ; hinter 22, 70 nach Luc. 2, 35 (?) und Jesaias 53, 12;
ganz frei eingeschoben, ohne Anlehnung an biblische Worte
Jesu, hinter 23, 10 nach Ps. 22, 13. 1 4 ; ebenso frei eingeschoben
hinter 23, 25 nach Ps. 69, 3 f., mit Yoranstellung von Ps. 69, 2
in Prosa; hinter 23, 31 nach Jos. 53, 4. 5 ; wiederum frei ein-
geschoben hinter 23, 34 nach Ps. 22, 19; desgleichen hinter
4887. S3
332
23, 35 nach Ps. 23, S, mit Voranstellung von Ps. 22, 7 in Prosa;
desgleichen frei eingeschoben hinter 23, 37, da ja Lucas des
Durstes Jesu und des bittem Gallentrankes nicht gedenkt, naob
Ps. 69, 22:
Meiner hat man ganz vergessen,
Bittre Gallen soll ich essen,
Ach sie geben ihrem Lebens- Fürsten
Sauren Essig in den größten Dürsten.
Mit der Poesie des guten Funcke war es nun freilieh nicht
weit her: hoffen wir, dass seine Musik um so besser gewesen
ist. Die einfache Herttbernahme der auf Christus gedeulelen
Stellen des alten Testamentes macht sich in seinem Munde mehr-
fach geschmacklos. So, wenn Christus vor Berodes, umringt
Von seinen Feinden und Anklägern, nach Psalm 22, 13. 44 in
die Worte ausbricht:
Mein Gott, sei nicht fern von mir !
Große Farren haben mich umgeben,
Fette Ochsen trachten itzt nach meinem Leben.
Wie grausam spenrn sie auf die Rachen I
Was soll ich machen?
Mein Gott, ich klag* es Dir,
Sei nicht fern von mir !
Oder wenn er hinter 23,21 nach Jes. 53,4.5 klagt:
Ihr und andre Menschen-Kinder,
Ihr freche Sünder,
Habt mir Müh' und Last gemacht
Und in solche Noth gebracht ;
Ja durch eure Missethalen
Bin ich gar ans Creutz gerathen !
Oder hinter 23,35 in Anlehnung an Ps. 22,8:
Alle, alte, die mich sehen
Und fürUber gehen.
Spotten mein,
Sperren Maul und Nasen aufT,
Ihre Köpfe schütteln sie im Laste i^Sturm.
0 der Peint
\c\\ bin ein Wurm.
Also mit dem Maßstäbe der Poesie gemessen, ist die Leistung
Friedr. Foncke's eine wenig bedeutende , aber geschiehtlich ist
sie von hohem Interesse als das bis jetzt bekannte älteste Symptom
einer Richtung, die wir fortan eine Zeit lang herrschen sehen.
j
333
3. Die Yerirrnng zur Oper.
Hunold (Seebach), Postel. — König.
Allen bisherigen Passionen war es gemeinsam, dass der
evangelische Text noch unangetastet gelassen war, freilich in
erstem Anfange durch Theile. in weiterem Umfange durch Funcke
in nicht unbedenklicher Weise erweitert. Diese Richtung, das
Passionsdrama selber poetisch-musikalisch zu modeln, war der
erste Schritt auf der Bahn zum Opernhaften, das in den letzten
Decennien des 4 7. Jahrhunderts die musikalischen Köpfe zu be-
herrschen begann. Auch diese Richtung findet ihren Ausgangs-
punkt in ThttringeUi ihre consequente Ausführung in Hamburg,
wo damals die Oper in die erste Linie des geistigen Interesses
getreten war.
In Weissenfeis war unter der dort residierenden albertini-
schen Nebenlinie ein lebhaftes Interesse für Musik gepflegt
worden. Schon in den 80er Jahren hatte Johann Adolph I. den
berühmten, wegen seiner Verdienste vom Kaiser geadelten
Musiker Joh. Philipp von Krieger dorthin berufen, der 1672
eine Studienreise nach Italien angetreten hatte, woer in Venedig,
Bologna, Rom und Neapel der Belehrung der berühmtesten ita-
lienischen Musiker theilhaft geworden war. Es war also be-
sonders die italienische Musik, die in Weissenfeis geübt ward.
Hier trafum das Jahrl 704 der hochbegabte,rege und der deutschen
Poesie seit langem zugewandte Theologe Erdm. Neumeister
mit ihm zusammen, der zum Hofprediger daselbst ernannt worden
war. Schon früher hatten die beiden MUnner in Verbindung
gestanden , und bereits seit 1 700 hatte Neumeister für dieWeissen-
felserHofcapelle geistliche Poesien gedichtet; nicht ohneEinfluss
hierauf war wohl der Umstand gewesen , dass Neumeister sich
1696 mit einer Weissenfelserin verheirathet hatte. Aus dem
Verkehr dieser beiden Männer waren die »Geistlichen Cantaten«
Neumeister's erwachsen ^ die 1705 zusammengestellt in Halle
erschienen.^) Es sind Cantaten auf die säramtlichen Sonntage
des Kirchenjahres vom ersten Advent an, und auf einige Fest-
tage des .lahres, gewissermassen den lyrisch-elhischen Gehalt
des betr. Predigttextes in Verse bringend. Ks war eine ganz
I) Ich benutzte ein Exemplar der HBinhurger Stadtbibliothek.
23'
334
neue Form protestantischer Kirchenmusik. Die Vorrede ist sehr
instructiv. Die Herttbemahme aus dem Italienischen, die schon
der Titel zu erkennen gab (denn »Cantata ist ein itah'anisches
Wort, weiches die Virtuosen dieser Nation ersonnen«), wird
offen hervorgekehrt und die, namentlich musikalischen, Vorzüge
dieser Dichtungsform werden lebhaft gerühmt; auf Krieger's
Vorliebe für dieselbe wird als durchschlagende Autorität Bezug
genommen. Dass man hier der Form nach ganz auf das Gebiet
der weltlichen Musik gerathen war, verhehlt sich der Verfasser
nicht. »Soll ich's kürtzlich aussprechen , so siehet eine Caniala
nicht anders aus, als ein Stück aus einer Opera; von Slylo Reci-
tativo und Arien zusammengesetzt«. Dem daraus drohenden
Vorwurf sucht er noch gegen Schluss der Vorrede entgegenzu-
treten: »Doch hatte ich oben gesagt: Eine Cantata sähe aus, wie
ein Stück aus einer Opera; so dürifte fast muthmaBen, daß
sich Mancher ärgern möchte, und dencken: Wie eine Kirchen-
Musik und Opera zusammen stimmten? Vielleicht, wie Christus
und Belial? £twan wie Licht und Finsternis? Und demnach
hätte man lieber, werden sie sprechen, eine andere Arth erwählen
sollen. Wie wohl darüber will ich mich rechtfertigen lassen,
wenn man mir erst beantwortet hat : Warum man nicht andere
Geistliche Lieder abschaffet, welche mit Weltlichen und manch-
mal schändlichen Liedern eben einerley genus versuum haben?
Warumb man nicht die Instrumenta musica zerschlägt, welche
heute sich in der Kirche hören lassen, und doch wohl gestern
bey einer üppigen W'eltlust aufwarten müssen? Sodann: Ob
diese Arth Gedichte, wenn sie gleich ihr Modell von Theatrali-
schen Versen abborget; nicht dadurch geheiliget, indem dass sie
zur Ehre Gottes gewiedmet wird?«
Dagegen war schwerlich viel einzuwenden. Anders aber
stellte sich die Sache, als man die weitere Consequenz zog, und
die Form der »Opera« auch auf die Passionen anzuwenden begann.
Hamburg war damals die Hochburg der deutschen Oper,
und von W^eissenfels nach Hamburg waren die Fäden bereits ge-
sponnen: derComponist, der den damaligen Höhepunkt ihrer Ent-
wicklungbezeicbnete,Reinh. Keiser, stammte aus der Umgegend
von Weissenfeis — man sieht, welch ein Füllhorn musikalischer
Kräfte für ganz Deutschland Thüringen damals war — , und sein
Freund Christian Friedr. Hunold, als Schriftsteller 'Menantes'
genannt, war auf dem Gymnasium in Weissenfeis gebildet. Er
335
halte sich im Jahr 1700 Dach Hamburg begeben , und dort war
es ihm bald gelungen, sich einen literarischen Wirkungskreis
zu gründen ; auch Singspiele und Operntexte lieferte er, die natür-
lich ganz dem italienischen Geschmacke huldigten, den bereits
Keiser's Freund Kusser dort eingeführt hatte. Die Beziehungen
beider tfänner zu Weissenfeis waren nicht erloschen — zog sich
doch Keiser 1706 dorthin zurück — und so erhielten sie alsbald
auch von dem Erscheinen derNeumeister'schen Cantaten Kennt-
niss, dieHunold jubelnd begrüsste^) und sofort in ausgedehnter
Weise nachzuahmen und zu benutzen begann. Schnell machte
er sich an's Werk und verwandte die neue Form für die Her-
stellung einer Passion. Keiser componierte sie und in der stillen
Woche 1705 oder 1706 ward sie Montags und Mittwochs zur
Vesperzeit aufgeführt, in letzterem Jahre auch in Hunold' s oTheatr.
Galanten und Geistlichen Gedichten« zum Druck gebracht.^) Ob
die Gonsequenz, die Hunold aus Neumeister's Cantaten zog, die
vollkommen richtige war, darf man in Frage stellen; die geistige
4) Die Vorrede zu den »Theatralischen Galanten u. Geistlichen Ge-
dichten von Menantes, Hamburg 4 706« führt uns recht In das Fiirund Wider
jener Tage betreffs der Anwendung der italienischen Form auf geistliche
Stoffe hinein. »Kluge und verständige Leute, die sie lesen (Neumeister's Canta-
ten) und dabey vernehmen, wie man solche in der SchloßliirchezuWeissen-
fels und anderen Orten musiciret, werden über die lobwUrdigste Anwen-
dung einer schönen Poesie ein nicht geringes Vergnügen finden, und sich
wenig daran kehren, wenn mancher allesverwirfft, was in geistlichen Sachen
nur einen Italiänischen Nahmen oder Ubrsprung führet, gleichsam als ob
in den blossen Wörtern, alsCantataund Oratorio, eine solche Ketzerey stöke,
die den Innhalt der allerreinsten und geistreichsten Sachen aus derSchriffl
vergifften könnte.« Dass auch Hunold's Oratorium viele Gegner gefunden
hatte, beweist die zweite Vorrede , die er bei dem Druck der ersten noch
hinzuzufügen für nöthig erachtete. »Dass zudem die Italiftner die aller-
schönste Art erfunden , einen Text in der Musik beweglich auszudrücken,
solches sagen ja alle, die diese Profession verstehen.«
Wie selbiger | In einem |
Stillen Woche, | Montags
2) Der Blutige | Und | Sterbende | JESUS,
ORATORIO] Musicalisch gesetzt, | Und in der
undMittewochs zur [ Vesper-Zeit aufgeführet worden, | Durch | Reinhard
KKisERN, I Hochfürstl. Mecklenburgischen | Capell-Mcistern.
Bildet den Anfang der zweiten Hälfte der Theatralischen etc. Gedichte
von Menantes, Hamburg 4 706, die für sich signiert (a — f) u. beziffert (80 S.)
Ist, von der jedoch das Oratorium nur bis S. 33 reicht. — Der erste Vor-
bericht S. 5 ist unterzeichnet 'Menantes', ein sich anschliessender zweiter
dagegen *Ch. Fr. Hunold'.
Ich benutzte ein Exemplar aus der Bibl. d. D.Gesellsch. (449b)aufder
Sladtbibliothck in Leipzig.
336
Strömung Hamburgs, die ganz auf Theater und italienische Oper
gerichtet war, beherrschte ihn offenbar und leitete seine Schritte.
Den Gegensatz seiner Arbeit zu den bisherigen Passionen
setzt der Verfasser selbst auseinander. Er entschuldigt sich,
falls man sein Werk mangelhaft finden solle: »Zwar so man
diese Passion nach Art der andern einrichten wollen , wttrde
man die Entschuldigung seiner Unvollkommenheit nicht nöthig
haben, weil man sodann durch den Evangelisten und aus Büchern
gezogene geistliche Gesänge sich helffen können. Allein so hat
man gemeinet, dieses Leiden, welches wir ohne diess nicht leb-
haft gnung in unsere Hertzen bilden kOnnen, bey dieser heiligen
Zeit nachdrücklicher vorzustellen, wenn man es durchaus in
Versen und sonder Evangelisten , gleichwie die Italiänische so
genau nie Oratorien, abfasste, so dass alles auf einander aus sich
selber fliesset. Ein vortrefflicher Mann in Weissenfels hat durch
seine herausgegebenen geistlichen Cantaten gewiesen, wie unver-
gleichlich manseine Poesie in der Schrifft anwenden könne u.s. w.«
Ein ganz neues Bild tritt hier vor uns hin. Weder der alte
Eingang, noch ein Danklied am Schlüsse, Nichts mehr von der
Rolle des Evangelisten, Nichts üb^haupt mehr vom Evangelien-
texte. Wir finden einfach eine Oper, die man sich auch auf der
Buhne aufgeführt denken könnte. Nur als Zwischenbemerkung,
gewissermassen als scenische Anweisung, werden noch einige
W^orte aus dem Bibeltexte oder doch ein Anklang an sie ver-
wandt, wie z. B. »(es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel
und stärckete ihn)«, oder »(Und da der Hahn krähte, erinnerte
sich Petrus der Worte Jesu, und ging hinaus und weinte bitter-
lich)«, »(Und zogen ihn aus, und legten ihm einen Purpur-Mantel
an, und flochten eine Krone von Dornen)«, »(Und da sie ihn ge-
kreutziget hatten, theilten sie seine Kleider unter sich, und
wurflen das Loß darum)« u. s. w., namentlich gegen Ende häu-
figer. Aber manche Anweisungen sind auch ganz ohne solche
Anklänge, z. B. »(Jesus wird zum Hohen-Priester gefUhret)«,
»(sie speyen ihm ins Angesicht)«, öfter »(Jesus schweigt)«, von
Pilatus: »(Nimmt Wasser und wäscht seine Hände)«, »(Siebet
Jesum geissein)«, »(Siehet Jesum von Geissein annoch bluten) t,
»(Siehet Jesum creutzigen)« u. s. w. An eine wirkliche theatra-
lische Auffuhrung ist nun gewiss nicht zu denken; jene Notizen
innerhalb des Oratorientextes sollten also nur zur Motivierung
des letzleren dienen und sein Verst<lndniss erleichtern.
337
Die Personen sind natttriicb die desEvangeKeniextes, denen
zum Schlüsse nur noch ein »Chor der Weiber und Jünger« hin-
zugefügt ist. Daneben aber hat der Dichter zwei weibliche
Rollen eingeführt, einmal eine symbolische, die Tochter Zion,
bei deren Worten meist Stellea au« dem tiohenliede Salomonis
zu Grunde liegen , und dann die Mutter des Herrn, Maria. Sie
vertreten eig^nClioh die Stiriimung der Gemetode, und oft könnte
man glauben, es wirklich mit Ghor^esang odcvr sclb^ Gemeiiide-
gesang zu thun zu haben, bis dann wieder eine specielle Be-
zeichnung diese Behauptung als unrichtig erweist. B^ide haben
lange Cantaten zu singen, z. B. die Tochter Zion :
Gantata.
Aus dem Hohen Liedc Salomonis Cap. 6.
Wo bleibet mein Veriangen?
Wo ist Dein Fremiä denn hingegangen?
Du schönstes Weib, das eh die Welt gekannt,
Wo hat Dein Freund sich hingewandt?
Mein Freund ging hin in seinen (irrten ;
Mein Freund wird jetzt der Rosen werten.
A^ia.
Zions Frühling kommt gegangeHi
Denn die Purpur-Rosen prangen
In dem Paradiese schön.
Doch ! muss Dein Freund mit Blute nun bezahlen,
Was Du mit Lust verbrochen hasti
Ach herbes Weh, so mich umfast!
Nein, auf! mein Herz, schau was Dich trösten kan!
Weide Dich
In dem Garten Deiner Lust,
Seeliglich.
Bau den blut-besprUtzten Neicken,
Daß sie nimmermehr verwelclcen.
Einen Thron in Deiner Brust.
Zions Frühling kommt gegangen,
Denn die Purpur-Rosen prangen
In dem Paradiese schön.
Ja, leget ihm den Purpur-Mantel an,
Ob eurer Thorheit gleich entfttlU,
Daß ihr dem Könige der Welt
Die Ehre habt gethan.
n
338
Der Dornen Strauch, die dieses Haapt verletzen,
Trftgi Rosen, welche mich ergötzen ;
Die Rose in seiner rechten Hand
Wird Zion als das Scepter zugewandt.
Ja, beuget euch und fallt zu dessen Füssen,
Vor dem ihr in dem Pfuhl einst werdet zittern müssen.
Ebenso mag eine Cantate der Maria hier Platz änden, bei
AbfttbniDg Jesu zum HobeDpriester :
Gantata.
Wohin, mein Fürst! mein Heyland! ach wohin?
Wohin führt Gott verruchter Menschen-Sinn?
Arta.
Fürst verkiahrter Engels-Orden,
Bistu darum Mensch geworden,
Um der Menschen Spott zu seyn?
Richter der und jener Erden,
Solst du selbst gerichtet werden.
Gehst du so ein Urtheil ein?
Kein König nimmt der Sciaven Ortheil an,
Nur Gott hats uns zu gute selbst gethan.
Aria.
Ach, ungemeine Liebe,
Die Du, mein Heyland, trägst I
Ach Schmertz-beseelte Triebe I
Die Du, mein liebster Sohn, erregst.
Der Mutter aller Erden
Wird keine Pflantze weggerafft.
So muß zugleich der Saflft
Der Schmertzens-Thrtfnen Zeuge werden.
Hier leydet selbst der Baum des Lebens,
Mein Hertze greiffl der BoBbeit Messer an :
Ihr Thränen aber rinnt vergebens,
Und aller Schmertz ist gar umsonst gethan.
Aria.
Schau, Scel', auf Deine Sünden,
Du bist's, die Jesum greiffen last,
Und Deine Stricke binden
Ihn zu der Marter fest.
Ach I ungemeine Liebe,
Die Du, mein Heyland trügst.
Ach, Schmertz-beseelte Triebe,
Die Du, mein liebster Sohn, erregst!
\
339 —
Auch Duette zwischen diesen beiden und Jesus kommen
vor. Zwischen Jesus und der Tochter Zion :
Arla ä 2.
Süsser Trost, durch dieses Leyden,
„ ^ J mein \ ., . j wehrte Braut \
"»* \ deiD / ^"*^^ \ Liebster Brftutgam / '^'^^ ^^'•*''""'-
Aus dem Schlagen ins Gesiebte
Fallen lauter Lebens-Frücbte,
Die der Seelen Emde seyn.
/ Meine Freundin, nach der \ .
\ Und mein Freund, nach dieser/ ®"'
Wollen wir auf Rosen weyden.
Süsser Trost u. s. w.
Dann zwischen Jesus und der Maria :
Aria ä 2.
/ Schreib diesen Trost in deine \
\ Der Trost schreibt sich in meine / ®* ®*
I ch / ^^^^^^ "^^^ ^^^ Leide
An jene seeige Freude.
/ Da siehst du deinen \ ^ .
\ Da seh ich meinen / ^°""
Zur Rechten auf des Höchsten Thron,
Ja ewiglich.
Schreib diesen u. s. w.
Auch ein Duett der beiden Frauen:
Aria k 2.
Mein Gott, es ist vollbracht.
Dein Leiden ist verschwunden,
Der Anfang seeiger Stunden
Ist nun für uns gemacht.
Beglückte Sterbens-Nacht (
Mein Gott, es ist vollbracht.
Petrus ist, vielleicht seiner Stimmlage wegen, besonders
reich musikalisch ausgestattet. Bei der Gefangennehmung Jesu :
Petr. zu Judas.
Verdammte Mördei^Schaar,
Die Du, Verfluchter, hast zu Dir genommen.
340
Aria.
Waffuet euch, ihr Himmel,
Stürlzt das Mord -Getümmel
Der verfluchten Welt !
Berge, Meer und Flammen^
Fallt auf sie zusammen,
Ehe Jesus fttllt.
Walfnet euch, ihr Himmel u. s. w.
Eine grosse Reue-Gantate hat Petrus dann, nachdem er den
Herrn verläugnet:
Ganiata.
Aria.
0 Jammer, Schrecken, Angst und Weh!
Ich schwimm in einer Schmertieos^See.
Ich Sünder, ach, ich bin verloren,
Ich habe Gott viermahl verschworen ;
Der Fluch, der mich aus Eden stieB,
Hat ilzo neue Kraft bekommen.
Und stO0t mich aus dem ParadieB,
In das mich Jesus aufgenommen.
Aria.
0 Jammer u. s. w.
Doch führt der Fluch dich in die Wüsten,
Wo gifftger Sünden Schlangen nisten»
So falle nun, weils Gott bewust,
Ihm wiederum zu Fusse,
Und schlage mit dem Slab der Busse
An deine FelsenBrust (weil Petrus von Christo einem
Felsen verglichen worden, vgl.
k. Mos. cap. SO.)
DasseineThrttnen-Fluht den Grimm des Höchsten stillt
Und Wasser vor das Heyl der armen Seelen quillt.
Aria.
Mein Jesus, lass dich doch erweichen,
Und ThrSlnen, die so schmertzlich seyn,
Dem Wasser in der Taufe gleichen,
So wird mein Kleid der Seelen rein.
0 Jammer, Schrecken, Angst und Web,
Ich schwimm in einer Schmertzens-See.
Ganz frei ist ihm noch bei Ghristi Abführung undGeisselung
eine Partie zugewiesen, deren erste Hdifte sehr anschaulich das
wahrend derselben Geschehende uns vor Augen ftthrt:
341
(Petrus stehet Jesum ins Geriehts-Hauß föbren)
Wen bringet ihr, verdammte Sünder?
Wohin mit Ihm?
Ins Rieht- und Marler-Hauß?
Wie kleidet ihr da Jesum aus?
Worzu? WoU ihr Gott nackend schänden?
Wornach greifft ihr mit den verfluchten Hönden?
Nach Geissein? Ach! knns möglich seyn!
Mein Gott! warum pflantzt deine Krafft
Den Gliedern die Bewegung ein?
Ja» hat der Herr die Menschen drum geschafft.
Daß sie zu seiner Qual und Pein
Sich als ein böses Werckzeug regen?
Mein Gott! warum? Ach bloß um unsernt wegen.
Aria.
Jesus, bloß um unsernt wegen
Wird dein bellger Leib mit SeblKgen
Jämmerlich verstellt.
Deine Wunden, deine Beulen
Sollen unsre Narben heilen,
Daß die Welt
(Welche Liebe!) Gott gefällt.
Jesus, bloß u. s. w.
Die Verzweiflung des Judiis wird geschildert:
Mein Meister : wie? es träumet mirl —
Mein Herr, ja Gott wie? ras' ich hier? —
Wird selbst von mir verdammet !
So wird der Himmel wohl vor mich verschlossen seyn.
Drum öffne dich, du Grund,
Der vor Verfluchte flammet,
Und schlinge selbst den ärgsten Höllen-Hand,
Den Schaum verdammter Juden ein I
Aria.
Nun verschlingt, ihr Höllen-Schaaren, *
Schlingt, in welchen ihr gefahren.
Eh' er Jesum bat gestürtzt.
Sünden-Strick, der meinen Geist,
Zur Gcwissens-Folter reist,
Banden, die Yerzwcinung hocken,
Werdet (ungeheures Schrecken 1)
Durch den letzten Strick verkürzt.
Nun verecfalingt u. s. w.
Charakteristisch in ihrer Bnitaiitilt ist die Aria des Caiphas:
342
Bindet und führet ihn vor das Gericht I
Schonet ihn nicht,
Welcher so viele Bestriclite verführt!
(zn Jesu)
Sind wir noch Heuchler? ja Ottern und Schlangen?
Ltfsterslu annoch, indem du gefangen?
Sclave, nein König I gib selber Bericht,
Welcherlei Ehre dir itzo gebührt.
Bindet u. s. w.
Schon diese Beispiele zeigen, wie vollkommen frei vom
evangelischen Texte sich die Worte halten. Daneben kommen
nun auch Stellen vor, namentlich im einfachen Dialog, die ge-
nauer dem Texte folgen, aber sie sind gering an Zahl. Zwei
Beispiele mögen sie charakterisieren: .Das Oratorium beginnt mit
einem Tutti, dem Lobgesang der Jünger (Matth. S6,30), ganz
freier Dichtung :
Unendlich preist das Hertze
Ein unbegreiflich Gut ;
Denn Gottes Leib und Blut
Speist selber Seel und Muht.
Drum preiset unser Hertze
Ein unbegreiflich Gut.
Dann heisst es weiter (die in eckige Klammern geschlossenen
Worte finden im evangelischen Texte keine Entsprechung):
Jesus.
(Matth. 26,i8) Was Ihr alhier genossen,
Wird nun vor euch am Greulzes-Stamm vergossen,
(das. 30) Auf I lasst uns nach dem Oehlberg gehn,
[Da werdet ihr des Leydens Anfang sehn].
Chor der Jünger.
[Wir sind betrübt,
Weil Jesus uns nicht bessre Hoffnung giebt.]
Jesus,
(das. 31) Ja, ehe noch die Nacht vergeht,
So ärgert ihr euch all* an mir,
Weil es geschrieben steht:
Man wird mich als den Hirten schlagen,
So wird die Furcht die SchafTe drauf vorjagen.
Petrus,
(das. 33) Und ärgerten sie sich auch all an Dir,
So bleibet doch mein Hertze rein
Und an Beständigkeit ein Felsen oder Stein.
343
Jesus,
(das. 84) Und ^wahrlicb, eh die Nacht
Noch ihre Dunkelheit vollbracht,
Ja, ehe noch der Hahn wird krähen..
Werd' ich mich schon von Dir dreynial verl&ugnel sehen.
Petrus,
(das. 85) Und wenn ich mit Dir sterben mUsle,
Will ich doch, Herr, nicht Dein Verlüugner seyn.
Tutti.
(ebda.) Ja wenn uns Todt und Erde küsste,
Bleibt unser Hertz von aller Falschheit rein.
Noch etwas enger ist der Anschluss in Jesu Rede, nach-
dem Petrus dem Maichus das Ohr abgehauen hat:
Jesus (zu Petro).
(M. 26,58) Ach! Stecke nur Dein Schwert an seinen Orth.
(das. 58) Wie, meinst Du nicht, das dieses abzuwenden
Mein Vater mir wohl Hülffe könte senden?
(das. 54) Allein, wie würde doch die SchrifTt beslehn?
Es muss also ergehn.
(zu den Kriegsknechten)
(das. 55) Ihr seyd zu mir mit Schwerdtern und mit Stangen
Als einem Mörder ausgegangen,
Da ihr mir nicht gewehrt,
Wenn ich im Tempel stets gelehrt,
Und mich daselbst nicht habet greiflen wollen,
(das. 56) Doch so hat sich die Schrififl erfüllen sollen.
Doch genug der Mittheilungen über dies poetisch wenig
bedeutende Werk, das, wie man sieht, vollkommen im Stil einer
italienischen Oper gehalten ist. Im Anhang theiit Hunold
einige Arien mit, als Probe derer, die Hr. Lic. Postel für eine
Passion verfertigt habe. Er meint den uns gegenwärtig sehr
bekannten Text der Johannespassion, den Händel 1704 compo-
niert hat.^j Dieser aber bezeichnet durchaus keine Veränderung
in der Entwicklung. Wir haben es bei ihm noch ganz mit der
alten Form zu thun. Der Evangelientext von Job. 49, 4 — 42 ist
unverändert beibehalten, und nur mit lyrischen Strophen durch-
webt, die der Empfindung der Gemeinde Ausdruck verleihen.
iNur freilich, diese sind nicht mehr Strophen kirchlicher Lieder,
i ) Vgl. G. F. HfindersWerke. Ausgabe der Deutschen Htf ndelgesellschaft,
Lief. IX.
344
sondern frei erfundene s. g. Arien ; auch Duette finden sich.
Solche lyrische Einschübe kommen vor hinter <9, 5. 42. 45. 48.
22. 24. 28, in 30 und hinter 30. 34. 40. 42, also im Ganzen
zwölf. Von den Arien , die Uunold für bedeutend genug er-
achtete, um sie zum Abdruck zu bringen, wollen wir, schon des
Rhythmus wegen ; eine mittheilen. Hinter 49,5, als Jesu die
Dornenkrone aufgesetzt ist :
Aria (Duett).
Schauet, mein Jesus ist Rosen zu gleichen,
Welche den Purpur mit Dornen umhüllen;
Seine Holdseligkeit trotzet den Sträuchen J)
Welche die Felder utn Jericho füllen.
Sollen dann heilen die Wunden der Sünden,
Müssen uns eintzig die BItttler verbinden.
Vielleicht war es für Postel günstig , da^s er noch unbeirrt
war durch Necimeister's Cantate.
Mit dreister, nicht selten wörtlicher Benutzung Hunold's
verfasste im Jahre ^744, ohne seine Vorlage zu nennen, ein SS.
Theol. Stud. Johann Georg See ba eh in Gotha ein Oratorium
»Der leidende und sterbende Jesus, der getOdtete Fürst des Lebens
und der gecreutzigte Herr der Herrlichkeit«. 2) Das lyrische
Element ist hier etwas gemindert, die Maria tritt ganz zurück,
wahrend die Tochter Zion, hier »die Braut Christi« genannt,
ihre Rolle beibehalten hat. Duette kommen nicht vor. Dagegen
ist eine »Stimme der Gerechtigkeit« eingeführt, und zum Schlüsse
die ilaadlung noch bis zur BesLittung (ortgesetzl. Componiert
ist es schwerlich worden . wenigstens in der Vorrede hoflt der
Verfasser noch auf eineo christlichen Musicus, der sich »bemUhete,
der Poesie durch eine andächtige Composition das rechte Leben
und die Seele zu geben«. Der Verfasser, ein Schwiegersohn
des Rudolstädter Capellraeislers Ph. H. Erlebach, ist wohl der-
selbe, den Jöcher als »Hof-Diaconus und geislreichen Poeten zu
Hildburghausen« aufführt und der nach ihm vor 1784 starb. Das
von ihm begangene Plagiat scheint ihm bis jetzt nicht vorgerückt
worden zu sein.
Dagegen einen Schritt weiter auf der durch Hunold betre-
4) Bei Hunold: Streichen.
i) Gotha, bei Gp. Reyher, 474 4 ; 8 RH. u. 64 8. 80. Exemplar auf der
gräfl. Bibl. in Wernigerode, Hb. 7:>8.
345
ieuen Baku tbat Benjamin Neakirch, der ein mudikaliscbes
Drama »Weinender Petruse schrieb, das 4724 »Zur Passions-
Andacht« herauskamt) Es ist durchaus freie Erfindung , die
mit dem evangelischen Texte Nichts mehr zu thun hat. Die
»siegenden Personenit sind: 4. Petrus; S. Judas Ischarioth;
3. PhiHppus; 4. Zion; 5. BeKal; 6. Die Verzweiflung; 7. Der
Glaube; 8. Maria Magdalena; 9. Johannes. Die »Chorea: 4. Chor
der Jünger; t, Chor der Hidiischen Geister; 3. Chor der Engel
und Frommen. Man erkennt schon hieraus den Charakter der
Dichtung.
Die Handlung beginnt nach der Verläugnung des Herrn,
doch ehe Judas sich erhenkt hat. In der ersten Ȁhhandlung(c
lange Reue- und Yerzweiflungs-Cantate des Petrus^ zum Schluss
in die Stig[)mung der Hoffnung Übergehend^ dann noch gesteigerte
Verzweiflung des Judas, darauf Zwiegespräch zwischen beiden;
Philippus und etliche Jünger treten zu ihnen, auch ihr Zuspruch
verschlägt nicht, Petrus geht »betrübt«, Judas »voll Verzweiflung«
ab. Die zweite Abhandlung führt fast nur symbolische Figuren
1) AndacbtsUbung | Zur | Kirchen Music. | In Cantaten, Oden, und |
Arien. | Nach denen Sonn- und | Fest-Tags-Evangelien | und Episteln.
Welchen beygefüget j Herrn Benjamin Neukirchs, | Weinender Petrus
Zur Paßions-Andacht. | Strich, \ Fronckfurt und Leipzig, 4 724.
3 unbez.BlI., dann447 bez. Seiten, darauf 8 unbez. Bll. (mit Register)
8^. Dieser Theil bezeichnet sich als »Evangelische Kern-u. Denck-SprUche«.
Darauf beginnt mit neuer Paginierung (S. 4 — 56) eine zweite Abtheilung, die
in »Cantaten«,«Oden« u. »Arien« zerfällt. Letzteresindgezähltvon Ibis XXXV.
An sie schliesst sirh in dem von inlr benutzten Exemplar (aus der gröfl.
Bibl. in Wernigerode, Hb. 554) als XXXVII (während der Gustos auf der
voraufgehenden Seite richtig; XXXVI angiebt):
B. N. 1 Weinender | PETRUS, | Singende Personen : | u.s.w.
Diese letzte Partie umfasst 4 4 unbezii{)erte Bltttter, sign, im Anschluss
an das Voraufgehende E2— F. Es fehlt BJ. Ei, wodurch sich die oben her-
vortretende Differenz in der Bezifferung erklärt.
Sicherlich ist dies nicht der erste Druck. Die Angabe auf dem Titel
behandelt das Werk als ein bereits bekanntes; auch wäre es 47S4 nicht
mehr nöthig gewesen, die Apostrophe an Kaiser Joseph (s.oben) zu ändern.
Es wird also wohl bereits 4744 im Einzeldruck erschienen sein. Eine Aus-
gabe der »Andachteübung«, Frankfurt 4725, führt Jördens auf, und zwar so,
als ob das ganze Buch von B. Neukirch sei. Daran ist nicht zu denken. Die
»Kern- u. Denck-Sprüche« sind von eiAem Geistlichen , der in der Vorrede
diese Gedichte, die er bisher in seine Predigten eingelegt gehabt habe, für
seine Gemeinde bestimmt. Höchstens möchte mit den Cantaten Neukirch's
Antheil beginnen , obwohl auch dies nicht wahrscheinlich ist, da der Titel
alsdann anders gefasst sein müsslc.
346
vor. Z ton tritt auf in Trauerkleidern, verstört über Jesu Tod, doch
auf seine Auferstehung hoffend; Belial jubelt ttber das Ende des
Reiches Christi; seine Dienerin , die Verzweiflung, warnt aber
vor zu frühzeitigem Frohlocken , so lange sich Petrus ihr noch
nicht ergeben habe müsse noch Hofl'nung vorhanden sein; Petrus
wird dann vom Glauben und der Verzweiflung in die Mitte ge-
nommen, in zweifelnder Stimmung jammert er weiter, aber als
die Höllengeister jauchzend heranstttrmen , begiebt er sich auf
die Seite:
Du bist zu schwach und musst nur weichen.
Die dritte Abhandlung führt Maria Magdalena und Johannes auf
die Bühne, erstere in Klagen, letzteren sie tröslend. Zu ihnen
trilt Petrus, noch immer in der allen Stimmung; aber die Hin-
weisung darauf, dass Christus ja für die Sünden der Welt, also
auch für die seinigen gestorben sei, richtet ihn wieder auf. Er
schlägt der Hölle ein Schnippchen :
Rase, Satan, rase, Hölle I Petrus steht durch Christi Blut I
Ein Chor der Engel und Frommen beschliesst :
Freude 1
Freuet euch, ihr Himmels-Kinder
über einen armen Sünder,
Der von Hertzen Busse thut!
Freude I
Freuet euch u. s. w.
Dies Drama, in Acte (Abhandlungen) und Auftritte getheilt,
sieht ganz so aus, als wäre es wirklich zur Aufführung auf der
Bühne bestimmt gewesen, was in Hamburg nicht auffallen kann,
wo ja »Salomon«, »Nebucadnezar« und »Jerusalems Zerstörung«
aufgeführt worden sind. Entstanden ist es zur Zeit der Regie-
rung Kaiser Joseph's I. (4705 — 4711), vielleicht gegen Ende der-
selben, denn eine Apostrophe an denselben ist so geändert, dass
man sieht, zwischen der Abfassung und der Veröffentlichung
musste der Kaiser gestorben sein. Bei der Erwähnung des
Joseph von Arimathia heisst es:
0 tbeurer Joseph t Deinen Nahmen
Hat wohl der Himmel ausersehn I
Es wird auch einst geschehn,
Dass, wo ja nicht von Deinem Saamen,
347
Dennoch ein Held nach Deinem Nahmen,
Die Welt erfreun,
Und ja wohl kurtze Zeit, doch König wird und Kayser sein.
Der Stil ist Doch durchaus der geschwollene Lohensteinische) den
Neukirch später ablegte, und aus diesem Grunde könnte man ge-
neigt sein, die Entstehung näher an das Jahr 4705 als an 474 4 zu
rücken.
Noch eine andere Entwicklung der Passionstexte, die eigent-
lich die richtige Foiiführung und Anwendung der Neumeister-
sehen Cantaten gewesen wäre, mag hier gestreift werden, obwohl
sie der Zeit nach nicht mehr in das von uns zu umspannende
Gebiet gehört, ich meine die völlige Aufgabe des epischen und
auch des dramatischen Oehaftes, um nur und allein das Lyrische
zu betonen, also die äusserste Consequenz des vielleicht in der
Rudolstädter Passion eingeschlagenen Weges. So wird eigent-
lich das Ganze ^ine grosse Cantate, der epische Inhalt schrumpft
zusammen zur blossen Motivierung des lyrischen. Dies ist wohl
zuerst geschehen durch Joh. Ulrich König 4744 in dem Ora-
torium »Thränen unter dem Kreuze Jesuc. Auch dies entstand
in Hamburg und auch hierzu hatte Keiser die Composition ge-
liefert.^) Hier ist Alles vollkommen lyrisch gehalten. Der Fort-
gang der Handlung wird durch einige wenige Notizen angedeutet,
wie: »Jesus wird ans Creutz geschlagene; tJesus wird am Creutz
erhöhet«; »Um die dritte Stunde«; »Die sechste Stunde«; »Die
neunte Stunde«; sonst nur noch an vier Stellen. Hie und da durch
Hinweisung in dem lyrischen Erguss einer der singenden Per-
sonen, wie z.B. der Maria Cleophas:
Bin Übelthäter selbst fängt an
Und lästert den, so nichts gethan.
Nur an drei Stellen findet sich noch die Handlung in Gesprächs-
form vorgeführt. Bas ist der Fall einmal bei der Scene mit den
beiden Schachern :
4) Thronen | Unter dem Creutze | JESU, | In einem ORATORIO, |
Montags, Dienstags und Mitt* | wochs zur Vesper -Zeit | In der stillen
Woche I Musicalisch aufgeführt. | M.DCC.XI.
Es erschien in dem Buche: »Theatralische, geistliche, vermischte und
Galante Gedichte, Allen Kennern und Liebhabern der edlen Poesie, zur Be-
lustigung ans Licht gestellt von König. Hamburg u. Leipzig, bei Joh.
v.Wiering, im Jahr47U. 406 S.80. Das genannteOratorium steht S. 307— SiS.
Ich benutzte das Exemplar auf der Leipziger Stadtbibliothek aus der
Bibl. d. D. Gesellsch. 376.
4887. 24
348
Der fromme SchSdier.
Cnseliger Gefährte meiner Pe»,
Da weist, daft wir des Todes schuldig seyo.
Doch der, so unter uns hier wird gezeblet,
Hai nichl gefehlet
(2tt Jesu)
Herr, schliesse mich in Dein Gedfichtnift eiu.
Wo Du dereinst in Deinem Reich wirst seyn.
Jesus.
Fürwahr, Fürwahr, ich sage Dir,
Du kömmst heut noch ins Paradieß mit mir.
DaDD die Worte Jesu :
Lass diese Sflnde nicht auf ihrem Haupte ruh*n,
Sie wissen nicht, Herr, was sie thuu.
Und die Anbefehlung seiner Mutter au Johanues :
Jesus:
Weib, weine nicht, da steht Dein Sohn.
Maria (Aria).
Jesus.
Mein Freund, sieh Deine Mutter an !
S. Joh.
Ich bin ihr, auf Dein Wort, stets zugethan.
Hierzu mag man auch noch die letzten Worte Jesu rechneD,
die in freier Wiedergabe in den Text aufgenommen sind. Alles
Uebrige ist GefUhlserguss , in jener Mischung von Arie und Re-
citativ, die den Charakter der Gantate ausmacht. Auch das
Recitativ ist durchaus lyrisch. Die TrUger der Empfindung sind
die handelnden Personen selbst (einmal kommt sogar ein Duett
vor) , doch sprechen sie meistens die Geftihle der Gemeinde aus.
Direct kommt diese zum Ausdruck als iChor der christlichen
Kirche«, und ihre Worte unterscheiden sich als »Choräle in ange-
messener Weise von dem Übrigen. Solcher Choräle sind sieben :
4. Ein Lümmlein geht und trägt die Schuld,
5. Wann mein Stündlein vorhanden ist,
3. 0 grosse Lieb, 0 Lieb ohn alle Maasse !
4. In meines Hertzens Wunde,
5. So fahr ich hin zu Jesu Christ,
6. 0 grosse Noht! Gott selbst liegt tod !
7. Jesu, der Du wärest todt.
Man sieht, wie das Werk an Halbheit leidet.
349
4. Die Reaction«
Brockes 4712. Christian Reuter bereits 4708.
Jene Verirrung, die die Passion zum musikalischen Drama,
zur Oper, gemacht hatte, musste eine Reaction hervorrufen und
bald, denn es widerspricht dem Gefühl, den Gegenstand reli-
giöser Verehrung zum Objecte des blossen, wenn auch noch so
edlen Ergötzens herabgezogen und ihn in eine Reihe mit andern
Darstellungen der Kunst gestellt zu sehen.
Risher musste man annehmen, dass der bekannte Ham-
burger Dichter und Rathsherr, Licentiat und Comes Palatinus,
R. H. Rrockes der erste gewesen sei, der eine Rückkehr von
dieser Yerirrung eingeleitet habe. Er liess im Jahre 4748 in sei-
ner Wohnung eivue aus den vier Evangelien zusammengestellte
Passion aufführen , deren Composition natürlich wieder von
Keiser war,^) deren Text er selbst gearbeitet hatte.^
Hier ist zurückgekehrt zu der alten Form, freilich zugleich
mit Reibehaltung der einmal Mode gewordenen freieren Dich-
tung. Die Rolle des Evangelisten ist wieder au^enommen, aber
ganz frei gestaltet. Z» B. lautet der Anfang:
Evang. : Als Jesus nun zu Tische sasse
Und er das Ost6r-*Lamm, das Bild von seinem Tod,
Mit seinen Jüngern asse,
Nahm er das Brodt,
Und wie Er es» dem Hikshsten dankend, brach,
Gab Er es ihnen hin, und sprach :
Jesus : Das ist mein Leib. Kommt, nehmet, esset,
Damit ihr meiner nicht vergesset!
Evang. : Und bald hernach
Nahm er den Kelch, und dankte, gab ihn ihnen
Und sprach :
Jesus : Dies ist mein Leib im Neuen Testament
u. s. w.
Die Erzählung wird durch dieses freie Verfahren sehr verkürzt.
1) Das Gedicht ist bekanntlich oft componiert, auch von Telemann,
Händel (474$), MatUieson (4748) und von Sttilzel.
a) «4)er für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus, aus
den 4 Evangelisten in gebundener Rede vorgestellet, und in der stillen
Woche in des Herrn Verfassers Behausung musicalisch aufgeführet. Im
Jahr ^742.« Ich benulzte den Druck, der dem Bethlehemitischen Kinder-
m«rd de88eU>en Dlokters (nach Marino) angehängt ist.
24»
350
Auch die redenden Personen und die Chdre sind ebenso behan-
delt. Als Beispiel diene die Scene von Petri Verleugnung des
Herrn:
E^ang. : DieA sähe Petrus ao, der drausseii bey dem Feuer
Sich heimlich hingesetzt lodern kam eine Magd,
Die, gleich sobald sie ihn erblickiei sagt :
Magd: Ich schwüre hoch und theuer,
Daß dieser auch von Jesus Schaar.
Petrus: Wer? ich?
Nein, wahrlich nein, du irrest dich.
Evang» : Nicht lang hernach fing noch ein' ander' an :
2. Magd: So viel ich mich erinnern kann,
Bist du mit dem, der hier gefangen,
Viel umgegangen.
Drum wund'r ich mich, daß du dich hieher wagest.
Petrus: Welch toll Geschwätz? ich weiß nicht, was du sagest;
Ich kenne wahrlich seiner nicht.
Evang. : Gleich drauf sag't ihm ein' ander^ ins Gesicht :
3. Magd : Du bist fürwahr von seinen Leuten,
Und suchst umsonst, dich weiß zu brennen.
Im Garten war'st du Ihm zur Seiten,
Auch gibts die Sprache zu erkennen.
Petrus: Ich will versinken and vergeben :
(Arioao) Mich stürz des Wetters Blitz und Strahl,
Wenn ich, auch nur ein einzigsmehl,
Hier diesen Menschen sonst gesehen.
Evang. : Drauf krehele der Hahn.
Sobald der beis're Klang
Durch Petrus Ohren drang,
Herübergenommen istausHunold die »Tochter Ziona, welche
die gesammte Handlung mit ihren Arien begleitet und die ge-
sangliche Hauptrolle hat, ferner die lyrische Ausdebnung der
Rolle des Petrus. Ausserdem ist ein »Chor der glaubigen Seelen«
eingeführt, dem Anfang und £nde, aber auch manche Partie in
der Mitte aufällt (mehrfach auch: »Eine glaubige Seele«). Es ist
schwer, den eigentlichen Unterschied zwischen den Expectora-
tionen der Tochter'Zion und der gläubigen Seele zu definieren.
Ausserdem aber hat Brockes von König den »Choral der Christ-
liehen Kirche« angenommen, wie sich denn der vornehme Mäcen
auch wohl noch sonst hie und da Anleihen bei den von ihm pro-
351
legierten und bewirtheten Dichtern gestattete. Dieser Chor, der
direct die Gemeinde darstellt und nur bekannte Kirchenlieder
singt, kommt auffallenderweise nicht,, wie es doch bei König
der Fall ist, im Beginne vor, der hier dem »Chor der gläubigen
Seelen« zugewiesen ist, währender doch, hinter dem Ghord.
gl. S., denBeschluss macht. Ist etwa hiebei die Überlegung mass-
gebend gewesen, dass die christliche Gemeinde erst in Stim-
mung versetzt werden müsse, ehe sie solche äussern könne? Im
Verlaufe der Handlung kommt dann dieser Chor mehrfach vor, zu-
eilst bei Petri Reue :
Ach GoU und Herr, Vs. 1 u. 2.
bei Christi Kreuzigung:
0 Traurigkeit, o Hertzeleid, Vs. 3.
bei Christi Tode :
Wann mein Stündlein vorhanden ist, Vs. 8.
und als Schlüssle horal:
Amen, mein lieber etc., Vs. 2.
Ziemlich genau dem Charakter der Brockes sehen Behand-*
luog entspricht die Passion von Henrici (Picander) v. J. 4725,
die Ph. Spitta im Anhange zu Job, S. Bach, Bd. 11, S. 873 heraus-
gegeben hat. Auch hier ist der Text frei und verkürzt behan-
delt, ja noch kürzer als bei Brockes.
Diese Rückkehr zur alten Form war ja zw^r nur eine halbe,
denn das christliche Gemüth verlangt mehr Ehrerbietung vor
der lapidaren Einfachheit und Grösse des Evangelientexte«, als
diese freie, tändelnde Bearbeitung bewies, aber immerhin war
man doch bisher berechtigt, den wackern Brockes für den Ersten
zu halten, der sich dem Missbrauch, der einzureisaen drohte,
entgegensetzte. Nunmehr aber wissen wir, dass e3 bereits vor
ihm ein Anderer getban hatte, wenn freilich auch er noch nicht
in vollkommener Weise, aber doch bereits durdigreifender als
Brockes, eben unser Christian Beuter.
Dass Chr. Reuter im Gegensatze zu der Hamburger Tändelei
gedichtet hat, ergiebt sich daraus, dass er Hunold's Arbeit offen-«
bar kannte. Der Ausdruck auf dem Titel »Paßions-Gedankena^
der dort nur wenig Berechtigung hat, scheint mir von Hunokl
übernommen, der seine Vorrede mit den Worten schliesst: nim
Uebrigen weiß man dem geehrten Leser und sieh selber nichts
352
schöDeres, als rechtschaffene PaBions^Gedanken zu wanscheD«,
und der seinen Text »meine Geistlichen Betrachtungen« nennt .
Entscheidender aber ist, dass offenbar an einer Steile Chr. Reuter
dem Hunold ein paar Worte nachgeschrieben hat. Wenn dieser
Christus zu Petrus sagen lasst:
Ja, ehe noch der Hahn wird krtthen,
Werd' ich mich schon von dir dreymal veriängnet sehen,
und es bei Chr. Reuter heisst:
In dieser Nacht, eh' dafi der Hahn wird kreben.
So werd' ich mich von dir dreymal verleugnet sehen,
so kann das doch nur durch Entlehnung erklärt werden.
Natürlich wird Reuter Alles mit Johann Theile ül>erlegt
haben und dessen Wunsch und Rath wird gewiss für ihn
massgebend gewesen sein. Wir haben Theile bereits einmal als
Componisten einer Matthäuspassion kennen gelernt — 4673,
es war jetzt über dreissig Jahre her — , als er noch Capell-
meister des Herzogs von Holstein-Gottorp war. Seitdem war
es ihm übel ergangen. Sein Herzog war bald darauf durch den
Krieg vertrieben worden, und Theile hatte mit nach Hamburg
flüchten müssen , wo er sich an dem dortigen Musikleben be-
theiligte, schwerlich aber in der Richtung, die dort immer mehr
um sich griff. Im Jahr 4678 ward dort eine Oper von ihm
»Adam und Eva«, und 1684 ein Oratorium »Dfe Geburt Christi«
aufgeführt. Aber nicht lange nachher verliess er Hamburg
und folgte einem Rufe nach WolfenbOttel; wo 4685 Rosenmttller
gestorben war. Doch auch hier war seines Bleibens nicht lange.
Zwar ernannte ihn der Herzog Christian II. von Merseburg
(4694 — 4695) zu seinem Capellmeister, aber bei dessen Tode
war es auch mit dieser Anstellung wieder vorbei. Theile knüpfte
dann mit dem Wiener Hofe Verbindungen an, ohne doch wohl
selbst da gewesen zu sein, die zu recht ansehnlichen Geschenken,
aber nicht zu einer Anstellung führten. Im Jahr 4704 begab
auch er sich nach Berlin, wohin der Ruf des prachtliebenden
und freigebigen Königs und dessen, der Kunst und Musik mit
Verständniss zugethaner Gemahlin so viele Talente lockte. Die
Königin soll ihm auch eine Capellmeisterstelle zugesagt haben,
aber Anfang 4705 starb sie und mit seinen Hoffnungen war es
wieder nichts. Wie lange er noch in Berlin blieb, wissen wir
nicht. Später lebte er »als Capellmeister«, weldier Titel fbm
853
natürlich verblieb, wieder in Merseburg, — ob in Allste) l'ong,
weiss ich nicht — ; schliesslieh soll er 4724 in seinem 79. Jdhre
bei einem Sohne in Naumburg gestorben sein. Reuter und
Theiie konnten sich schon von Merseburg her kennen, wohin sich^
wie wir wissen, Reuter von Leipeig aus (>fter begab. Sie wären
dann bereits alte Rekannte gewesen, als sie sich nach dem Jahre
4704 in Rerlin wieder trafen, sie beide in gleicher bedrängter
Lage, von gleichen Wünschen und Hoffnungen in der Schwebe
gehalten, und durch den Tod der Königin beide gleich nieder*
geschlagen. Jetst verbanden sie sich zu gemeinsamer Uerstel*
lung einer Passionsmusik, einer Matthäuspassion. Theiie wird
seine alte einfache, würdige Auffassung der Passionsmusik nicht
aufgegeben haben, und auch Reuter's Auffassung mochte in den
alten Eindrücken wureeln, die er in Merseburg und Leipzig
empfangen hatte. Wir werden sehen, dass wir das Leipziger
Gesangbuch als Aushülfe bei seiner Passionsarbeit annehmen
dürfen.
Leider besitzen wir nur den Text, und alle Remühungen
sind vergebens gewesen, der Composition habhaft zu werden.
Wir Bind also aliein auf Reuter^s Arbeit angewiesen.
Was diese hauptsächlich von den alten Passionstexten unter-
scheidet und worin auch Reuter dem Zuge der Zeit nachgab,
war, dass Alles in Verse, und meist in Reime gebracht ist, aber
doch in einer den Originaltext möglichst wenig schädigenden
Weise.
Voran steht die Versifioierung des alten hergebrachten Ein-
ganges, der in Leipzig und Merseburg lautete : «Höret das Lei-
den u. 8. w.a Die Umreimung lautet einfach in Reuter's pbra-
senloser Redeweise :
Höret an, ihr frommen Christen,
Was die vier Evangelisten
Von des Herren Jesa Noth
Und von seinem biitern Todt
AufTgezeichnet und geschrieben,
Das der Welt zum Trost geblieben.
In Leipzig und Merseburg wurden die Titelworie vom Evange-
listen gesungen. Theiie blieb hier bei dem, wie er es früher
gehalten hatte und wie die meisten Gompositionen es hielten., er
theilte die Worte dem Chor zu.
Der Sdhiussgesang fällt der ^Christlichen Gemeinet zu, es
354
ist aber nicht der alte hergebrachte, sonderD derselbe, mit dem
Heinrich Schütz seine Johannes-Passion schloss :
0 hilff, Christe, Gottes Sohn etc.
Die Strophe steht bei Vopelius S. 454 . Sollte Reuter von dieser
Passion in Leipzig oder Dresden Kenntniss erlangt haben? oder
Theile? Möglich ist es immerhin.
Von jenen beiden Gesängen eingerahmt steht nun der
versifioierte Text des Matthäus. Reuter folgt demselben Wort
fttr Wort, nur 26,43 fehlt, desgl. 26,24; 26,29; 26,34 zweite
Hälfte und 32; 26,50 zweite Hälfte; 26,56 Schluss; 26,64 Schluss;
27,8-40; 27,48; 27,35 zweite Hälfte; 27,43; 27,53 Schluss;
27,57 Schluss; 27,64; 27,64 in der Mitte. Bei den meisten
liegt der Grund auf der Hand und beruht auf einer verständigen
Ueberlegung. So fehlen alle Hinweisungen auf alttestament-
liehe Weissagungen , auch manche schwierige Andeutungen in
Jesu Reden. Wenn 27,64 die Besorgniss der Juden nicht er-
wähnt ist, die Jünger möchten den Leib des Herrn stehlen, so
war es gewiss Zartgefühl seitens des vielleicht etwas rationa-
listisch angehauchten Verfassers, der diese nicht unbedenkliche
Hypothese gar nicht zum Ausdruck kommen Hess. Auch Er-
wähnungen, die ohne weitere Bedeutung und Folge sind, fehlen,
so z. B. 27,64, dass die beiden Marien sich dem Grabe gegen-
über gesetzt hätten. Auch auf Ueberlegung beruht es wohl, dass
27,48 die Angabe fortgelassen ist, Pilatus habe es gewusst, dass
Christus nur aus Neid überantwortet sei. Dies nützt für den
Verlauf der Handlung Nichts, lässt aber die schliessliche Aus-
lieferung durch Pilatus unbegreiflich erscheinen. Auch dass
26,67 und 68 ausgelassen ist, wo von der rohen Behandlung
und Verhöhnung Jesu die Rede ist, erklärt sich yvohlj da ja 27,30
dieselbe Scene sich wiederholt, und hier an der richtigen Stelle,
denn es ist wenig erklärlich , wie der noch nicht Verurtheiite
bereits der Willkür der Umstehenden sollte überlassen gewesen
sein. Es war gewiss im Interesse der Gomposition besser, jene
Scene nur einmal , und erst nach Christi Verurtheilung spielen
zu lassen. Auch kann man es begreifen, wenn 27,57 die Be-
merkung unbenutzt gelassen ist, dass Joseph von Arimathia ein
.Jünger des Herrn gewesen sei; das konnte vielleicht die Vorstel-
lung verwirren. Auffallend dagegen muss man es finden, dass
26, 56 die Angabe fehlt, dass alle Jünger von Jesu geflohen
seien, da dies doch die traurige Vereinsamung des Heilandes in
355
den folgenden Scßneo so einfach wie ergreifend andeutet. •---
Ferner fehlen häufig die Worte des Evangelisten , die nur die
Rede eines der Interloquenten einfuhren: hier tritt einfach der
Redende ohne Weiteres ein, so: 26, 10. 23. 25 (hier fehlt: Er
sprach zu ihm). 33. 34. 35. 62. 64. 72; 27,5. 22.23 (zweimal).
Namentlich geschieht dies, wo Reden und Widerreden auf ein-
ander folgen. Da die verschiedenen Personen durch die verschiede-
nen Sftngerausreichend angedeutet waren, somachtdermonotone
Zwischengesang des Evangelisten : )Nlesus aber spracht u. 3. nur
einen si^^renden und das Interesse hemmenden Eindruck, und der
Dichter, da er ja den Text des Evangeliums doch einmal nicht
wörtlich beibehielt, handelte nur im Interesse der Sache, wenn er
auch hier frei verfuhr ; namentlich z. B. das wilde Losbrechen des
Chores musste einen viel bedeutenderen Eindruck machen, wenn
es ohne eine derartige Einführung erfolgte.
Der Titel nennt sich i^nach denen Text-Worten der Heiligen
vier Evangelisten in Reime verfasset«. Das ist zu viel gesagt.
Der Text ist in allem Wesentlichen einfach der des Matthäus.
Nur die Scene mit den beiden Schachern ist mit Recht zu
bedeutend erschienen um sie entbehren zu können ; so ist denn
Lucas 23, 39—43 an die Stelle von Matth. 27, 44 getreten, oder,
richtiger, mit diesem Verse verquickt worden. Ferner ist Matth.
26, 47 ergänzt aus Luc. 22, 8, und zur Ausführung von Martth.
26,48 ist Marcus 4 4,4 3 undLucas22,40 benutzt worden. Ebenso
ist zu Matth. 26,54 der Name des Simon Petrus aus Johannes
48,40 entnommen. Auch bei Matth. 27,46 ist zur Charakteri-
stik des Barrabas Marcus 45,7 herbeigezogen, auch hat vielleicht
noch bei einer oder der anderen Stelle ein Ausdruck aus einem
d^" anderen Evangelien vorgeschwebt, im Ganzen aber haben
wir einfach eine Matthttus-Passion vor uns.
Das also w*ar die Grundlage des Textes. Wenden wir uns
nun zu seiner Bearbeitung.
Der Evangelientext ist also in Reime gebracht, und ich will
nicht in Abrede stellen, dass der Reim hie und da etwas Ge-
zwungenes bekommen hat und der Dichter mit einem Flickwort
operiert^ z. B. bei 26, 4 8 nach Lucas undMarcus: »folget ihm nach,
und wo er eingehet, da sprechet zu dem Hauswirthe«, wofür es
hier heisst :
Dem folget nach biß in das Haus,
Wo er gegansen ein und aus.
^ 356
oder weDB es bei 26,34 für die einfachen Worte: »Da sprach
Jesus eil ihnen« heisst :
So thtft er sonder Fragen
Za seinen Jüngern dieses sagen,
oder zu Matth. 27,48:
[Der] Nahm eiDsn Sohwamm ood füllte ihn mit Eftsig,
Den steckt er auf ein Rohr, und wollte unablässig
Mit einem Labsaal Jesum noch bedienen.
Aber solche Stelien kommen in der Thai ungemein seilen
vor. Nur müssen wir auf unserer Hut sein , für ein Flickwort
zu halten, was nur uns als ein solches erscheint, weil die Bedeu-
tung früher eine andere war als jetzt, z. B. Mattb. S6, 55:
Und zu derselben Stunde
Sprach Jesus mit behertztem Monde,
oder 27,6 :
Die Hohenpriester sprachen mit behertztem Sinn,
denn das Wort »beherzt« hatte früher eine weitere Verwendung
als gegenwärtig. Vgl. Grimm, Deutsches W.-B. I, 4340. Man
muss, wenn man sich über die ausserordentliche Schwierigkeit
der Aufgabe einigermassen klar geworden ist, zugestehen, dass
Beuter derselben in vorzüglichem Grade sieh gewachsen gezeigt
hat. Ebenso ist die öftere Anwendung des Pronomens »derselbe«,
oderselbige« nicht zu beanstanden , das uns heute fremder ge*
worden ist. Auch muss man, was das Metrum betrifft, beachten,
dass der Druck nicht ganz oorrect ist, z. B. in dem Verse »So
theilten die Spötter und die Neider« ist zu schreiben: Hheileten«,
eine Form, die damals völlig ohne Anstoss war. Ebenso ist der
kurze Vers »Den sie verlangten« zu yndern in weriangeten«
(: Gefangenen). Sollte Beuter's Passion einmal herausgegeben
werden , so müsste der Herausgeber auf die Herstellung der
Verse ein Augenmerk haben, wie ebenso auf die richtige gram-
matische Form (z. B. 'ihm' als Druckfehler für 'Ihn' u.s. w.).
Dabei ist aber zu achten auf den Wechsel des Bhythmus, wovon
unten noch mehr.
In vorzüglicher Weise hat der Verfasser das Becitativ und
die gewöhnlichen Beden der Sprechenden in einem ganz freien
iambischen Bhythmus gedichtet, in Zeilen von verschiedener
Länge, und die Beime bald einfach neben einander, bald ver-
857
schränkt, bald id einem Verse gant fehlend. So bekommt die
Rede etwas ungemein Leichtes und Natürliches^ sich ganz der
Darslellung Anschmiegendes. Sie ahneU in den frei gemessenen
Versen deniRecitativ in Reuter's Oper^), aber sie ist ernster und
gravitätischer durch die meist viel grossere Länge der Verse.
Besonders zu beachten innerhalb des Recitatfvs sind noch die
halben Reime, die nur auf die letzte Silbe mit e fallen. Es sind
die folgenden : zusammen : Aelteat^n (vgl . Jobänn^m : Jerusalem) ;
Bethanien : Aussätzigen ; Aeltesten : selbigen ; dens^lb^n : creü-
tzig^n ; demselbigen : creutziglen ; Scbädelstätt : gecreutziget;
gecreutzigten: denselbigen ; Schriftgelehrtön: A^Itest^n ; Priester:
Pharise^r. Sie grenzen nahe an Reimlosigkeit und tragen mit
dazu bei, die Rede der Prosa zu nähern.
Ich stelle ein paar Beispiele her, ohne irgend wie auszu-
wählen: die tUebtige Haltung im Ganzen und die kleinen Schwä-
chen im Einzelnen, wie künstlich erzielte Reime und Fl ick werte,
halten sich durchweg in gleicher Weise die Wage. Anfang:
EvnDgelist:
Da Jesus nun auf Erdeo
Sein Tbun in allem wohl vollbracht
Und was durch ihn vollendet sotllte werden.
Sprach Er zu seinen Jüngern mit Bedacht:
Jesus:
Euch wird, wohl wissend seyn.
Wie daß nach zweyen Tagen
Das Osler-Fest fällt ein,
Und daß des Menschen Sohn
Man fälschlich wird verklagen ;
Verfolgung, Spott und allen Hohn,
Ja, gar den Tod wird Jesus leyden müssen;
Das laß ich euch zuletzt, ihr meine Jünger, wissen.
\) Der eigentliche Terminus teefanicus für diese aus Italien herüber-
gekommene Form des Reciftativ war MMadrigal«. Die Vörtheile dieser
Form empfahl bereits 4 6B8 Caspar Ziegier in seinem Buche r »Von den Ma-
drigalen, einer schönen und zur Musik bequemsten Art Verse, wie sie nach
der Italiäner Manier in unserer deutsohen Sprache auszuarbeiten. Leipzig,
1653.« Er führt alle Freiheiten dieser Form auf, in denen ihr Wesen beruhe :
»weil ein Madrigal so gar keinen Zwang leiden kann, daß es auch zu mehr-
malen einer schlichten Rede ähnlicher als einem Pot^mati sein will«. Vgl.
Ph. Spitta, J. S. Bach I, 466fg. Eigentlfch hatte dasselbe schon 4645 Phil.
Harsdörfer angerathen in der Nachrede zu Job. Klaj Trauerspiel »Der Lei-
dende Christus«. Ganz diesevi Charakter, und In vortrefflicher Ausführung,
trägt Reuter's Recitativ.
358
Evang.
Da scblugeo sieb zusammen
Die Hohenpriester und die Aeltesten
Des Volcks, and hielten Ba»h,
Wie daß sie Jesu eiaer Uebelthal
liit List bezeugen möchten
Und Ihn dadurch zum Tode brfichten :
Weil aber Ostern nahe war,
So fürchteten dieselben auch Gefahr.
Dmmb wolten sie dabey
Auch sehr behutsam gehen,
Damit im. Volke nicht ein Aufruhr möcht entstehen.
Sie sprachen unter sich mit folgendem Geschrey :
Jesus.
Geht nach der Stadt und stfumt euch nicht.
Alda wird euch ein Mensch entgegen kommen.
Der einen Wasser-Krug lu sich genoromeo;
Dem folget nach biß in das Hauß»
Wo er gegangen ein und aus.
Daselbst so könnet ihr nur nach dem Wirthe fragen,
Und sprecht zu ihm : »Der Meister liißt Dir sagen,
Daß seine Zeit vorhanden sey ;
Er will bey Dir die Ostern halten.«
So wird er alsofort
I Euch weisen an denselben Ort,
I Woselbst ihr euer Thun nach Wunsche könnt verwalten.
Nach Christi Tode wird die Aufregung der Natur wie folgt ge-
i schildert :
I
Evang.
Und siehe, durch das göttliche Geschicke
Zureiß des Tempels Vorbang in zwey Stücke
Von ober an bis unten aus,
Der Erd-Kreiß der erbebete.
Und was darauf nur lebete
Kam an ein Zittern (Nom.), Furcht und Graoß.
Die Felsen die zerrissen,
Die Graber thttten sich auch auff.
Viel Leiber, welche Ittngst vollendet ihren LaufT,
Die stunden auff, sobald der Heyland anfferstanden.
Und gingen jeglicher aus seiner Grabes-Thür
Auch wiederumb herfür.
Der Hauptmann und die bey Ihm waren
Und Jesum halffen da bewahren,
Als sie die grossen Wunder sahen.
Die nach dem Tode Jesu da geschahen,
Erschraken sehr und sprachen unter sich :
959
Der Söhloss Iftotet, nachdem die Juden den Pilatus um die Haler
gebeten haben :
Bvang.
Pilatus sprach zu ihnen :
Pilatus:
Ich will euch auch hierinnen dienen :
Da habet ihr die Hüter.
Geht hin, ihr sorgenden GemUther,
Verwahrt das Grab biß an den dritten Tag,
Damit sich kein Betrug dabey ereignen mag.
Evangelist:
Sie gingen hierauf nach des Grabes Thür,
Und stelleten allda die Hüter für;
Zum Ueberfluß, daß nichts zu fürchten solte seyn,
Versiegelten sie auch dep fürgeweltzten Stein.
In dies iarobische Recitativ fügen sich nun die Reden mit
s^ehobenerem Ausdruck ein. Hier wird besonders oft mit gutem
Effect der trochaische Rhythmus verwandt. So rufen die Juden :
Ja nicht, ja nicht auf das Fest t
die Jtlnger:
H6rr, bin ichs ? so sag es frey ,
ob ich dein Verräther sey?
Jesus, bei der Einsetzung des Abendmahls:
N6hm(, das ist mein Leib, und esset,
Daß ihr meiner nicht vergesset.
Judas m den Krfegsknechten :
M^rkt esl den ich werde küssen,
D^n greifft alle tapfTer an.
Die zwei falschen Zeugen:
Pilatus :
und wieder:
was wir vor Gerichte sprechen,
Das hat dieser Mensch gesagt.
Bist Du denn der Juden König?
welchen unter diesen zweyen
Wolt ihr daB ich sol befreyen?
und so öfter. Resonders ergreifend wirken die trochHisoben
860
T«Uratnd(er. in der Scene, wh» PeUus ala AohStoger Jeau denun*
eiert wird. Man fUblt, mit welchem Gewicht sie auf ihn herab-
drttcken :
Magd:
Und du wärest auch mit Jesu, der von Nazareth sich nennet.
Die andere Magd.
Dieser Mensch war auch mit ieso, öer von Nftzareih »ich nennet.
Chorus [der Umstehenden) :
Wärlich, du bist auch ein Freund von dem grofien UebelthMter;
Du magst läugnen« wie da will, deine Sprach ist dein Verrtfther.
Aber auch Daktylen kommen vor. Als Christus verurtheilt ist
und die Krieg^knechte ihn verhöhnen, ruft der Chorus derseU)en
— und man hört im Rhythmus den spöttischen Ton — ;
Dtt König der Juden, aeyi von uns g^grüssei!
Bedeutungsvoller hoch sind die strophischen Elemente des
Textes, die einen nicht geringen Theil desselben ausmachen.
Sie gehören , von den beiden noch zu erwähnenden Strophen
der Christlichen Gemeinde abgesehen, sämmtlich in die Hand-
lung, haben also Arien- Charakter; doch ist zu beachten, dass
der Name 'Arie', den doch Theile 1673 ganz unbefangen ge-
braucht hatte, nie verwandt wird. Wir haben es eben mit
einem Trutz-Hamburg au Ihiln.
Die Strophen sind entweder frei erfundene oder aus dem
Gesangbuch entnommene. Beide Arten gehöreüO bald ei^^r ein-
zelnen Person, bald einem Chor an. Auch hier wechselt iambi-
scher und trochäischer Rhythmus ; der letzlere wird mit Vorliebe
verwendet, besonders wo eine trotzige oder unwillige Stim-
mung zum Ausdruck gebracht wird. Gleich Im Anfange singt
Christus (vgl. über diese Strophe den Nachtrag):
Vergiessen wird man mir mein Btot,
Dazu mein Leben rauben,
Das leid' ich alles dir zu gut :
Das halt mit festem Glauben.
Den Tod verschlingt das Leben mein,
Mein Unschuld trttgt die Sttnde deiik :
Da btot du seelig ^^ordea.
Und der Chor der Jttager unwillig in Troohüen:
361
W6rzu dienet dag Verprassen?
Hätte man verkauffen lassen
Dieses Wasser, und das Geld
Dafür Leuten hingegeben»
Die in grosser Armuth leben
Auf der schnöden Jammer- Welt!
Und Judas herausfordernd und brutal :
SAgt, was wollet ihr mir geben?
So will ich von Hertzen gern
Euch verrathen meinen Herrn,
Und mit Fleiße dahin streben.
Wie man ihn in einer Schlinge
Bald für Euch gefangen bringe.
Auch Jesus zürnend^ aber zugleich tief ergreifend:
KOnnt ihr denn nicht eine Stunde
Mit mir wachen? wachet dochl
Ruft zu Gott mit Hertz und Munde,
Damit kein beschwertes Joch
Eure Httupter Überfalle.
Wachet, betet mit mir alle !
Und Caiphas, uninuthig über Jesu Schweigen:
Ich beschwere dich bey Gott,
I>aß du uns die Wahrheit ^gest.
Daß du über uns nicht klagest,
Wenn dich treffen soll die Noth.
Bist du Gottes Sohn, so sage
Mir Bescheid auf meine Frage I
Auch der Chor der das Kreuz Umstehenden:
Ändern hat er helfen können.
Und sich selber hiiflt er nicht.
Ist ein König er zu nennen,
Der den Tempel Gottes bricht,
So kann er vom Creutze steigen
Und letzt seine Macht bezeugen.
Von besonderer Wirkung in seiner Kurze und mit seinen
halben Reimen ist der wiederholte Ruf des Chores :
LAß dens^lbto
Cr^utzigön I
und gewiss wird der Componist es verstanden haben, ihn durch
die Musik doppelt wirksam zu machen.
Die Liederstrophen, die sich sAmmtlich in Vopelius Letp-
362
ziger Gesangbuch finden, und die, wie ich daher glauben möchte,
Reuter aus diesem entlehnt hat, sind;
4 . bei Petri Reue (im Leipziger Gesangbuch S. 655) :
Ach Herr, mich armen Sünder
Straf nicht in deinem Zorn
2. bei der Rekehrung desSebSchers (im Leipziger Gesang-
buch S. 918):
Freu dich sehrt 0 meine Seele,
Und vergiß all Noth und Qual,
Sie werden, trotzdem es Kirchenlieder sind, ausdrücklich dem
Petrus und dem Schacher in den Mund gelegt, und wir dürfen
uns dabei wohl erinnern, dass Theile der erste war, der, und
zwar gerade bei der Reue des Petrus, das lyrische Element in
die Handlung selbst hineintrug.
Zu diesen treten dann noch drei Kirehenliederstrophen, die
der »Christlichen Gemeine« zugewiesen werden. Den Schluss-
chor habe ich schon erwähnt (0 hilff, Christa; Gottes Sohn) ; die
andern beiden werden angestimmt:
4 . bei Jesu Tode (im Leipziger Gesangbuch S. i 57) :
0 grosse Noth, Gott selbst liegt todt,
Am Creutz ist er gestorben
2. bei Jesu Regräbniss (Leipziger Gesangbuch S, 156):
0 Traurigkeit I 0 Hertieleyd !
Ist das nicht zu beklagen ?
Gott des Vaters einig Kind
Wird ins Grab getragen.
£s dtlrfte aus der vorstehenden Darstellung zur Genüge
hervorgegangen sein, dass Chr. Reuter^s Passion eine achtungs-
werthe und tüchtige Leistung ist, die doppelt bedeutsam er-
scheint, wenn wir sie, wie es hier versucht worden ist, in den
ihr zukommenden historischen Zusammenhang rücken.
Die Frage ist erlaubt, ob etwa Rrockes Reuter's Werk ge-
kannt habe und durch ihn auf einen andern Weg, als ihn Hunold
und König eingeschlagen hatten, geleitet worden sei. Glaublich
ist es gar wohl. Aber Anklänge habe ich nur einen einzigen ge-
funden, bei Einsetzung des heiligen Abendmahls, wo Rrockes sagt:
363
Das ist mQin Leib, kommt, nehmet, esset,
Damit ihr meiner nicht vergesset.
Fast genau ebenso hiess es bei Chr. Reuter:
Nehmt, das ist mein Leib, und esset,
DaB ihr meiner nicht vergesset.
Ob er ausreicht, um EutlehDung anzunehmen, mag dahin gestellt
bleiben: die Frage ist für uns nicht von Wichtigkeit. Uamdg*
lieh wäre ja nicht, dass die Worte aus Lucas 22, 19 (»solches
thut zu meinem Gedäcbtnissa] unabhängig zu dem Reim: 'nicht
vergesset' auf 'esset* geführt hatten.
Die fernere Entwicklung der Passionsdarstellungen hat uns
hier nicht zu beschäftigen. Die von Reuter eingeschlagene Re-
action ging ihren Weg v^eiter und fahrte, was allein das Rieh-
tige und Würdige war, zur Wiederaufnahme des evangelischen.
Textes in seiner ursprünglichen Gestalt. Zur Hebung desselben
aber fuhr man fort, und mit vollem Rechte, das lyrische Element,
mochte es nun der Handlung oder der Gemeinde angehören, frei
zu behandeln, bald im Anschluss an die Formen der italienischen
Musik, bald an den Choralgesang der Gemeinde, i) Der Zufall
hat gewollt, dass der junge Händel bereits eine Johannespassion
in dieser Form componiert hatte, ehe die Yerirrung zur Oper
eingetreten war. Er hat dann bekanntlich auch Brockes' Passion
in Musik gesetzt, auch sie gehörte wenigstens bereits der Re-
action an. Aber der Meister der zu voller genialer Abrundung
gelangten Passion ist Joh. Seh. Bach. Seine sämmtlichen Com-
Positionen gehören hieher.^) — Eine zweite, mehr nach vorne
greifende Entwicklung war die auf Grundlage der Neumeister-
schen Gantaten sich vollziehende, die das Episch-dramatische
vollkommen abstreifte und nur das Lyrische festhielt, Reste des
ersteren nur zur Motivierung verwandte. Setzen wir uns über
volle Uebereinstimmung des Inhaltes hinweg, so dürfen wir wohl
Händel's Messias als die classische Leistung in dieser Richtung
4) Gegenwärtig gilt diese, lyrische Umlüeidung für so unerlässlich,
dass man selbst die Wiederaufnahme aiter Passioaen mit solcher ausstattet,
so die des Mancious (Schöberlein II, 896 f.) uad die von Heinrich Schütz
(von Verschiedenen in verschiedener Weise).
5) Falls er nicht anch den Picander'schen Text von 4725 componiert
hat Vgl. Ph. Spitta, Joh. Seb. Bach H, S. SS«.
4887. 25
364
bezeichnen. Beide Richtungen sehen wir neben einander her-
gehen. Als in Leipzig im Jahr 4766 das alte Absingen der Passion
im Vormittagsgottesdienst abgeschaiSt und dafür wirkliche Pas-
sionsmusik eingeführt ward, gehörten die beiden in den ersten
Jahren aufgeführten Kirchenmusiken diesen beiden Richtungen
an : die erste, gleich 1766 zuerst in der Thomaskirche aufgeführte
war eine Cantate, mit nur wenigen biblischen Versen als Motiv
und zum Verständniss der Musik ; die zweite, 4 767 zuerst in der
Nicolaikirche aufgeführte war eine Lucdspassion in der nun-
mehr fest gewonnenen Gestalt. Jene nannte sich »PaBion»-
musik«, diese »die Leidensgeschichte unseres Erlösersa.
Das zwischen beiden liegende ZwittergeschOpf aber, die
geistliche Oper, ist — Gottlob — nach einigen schwäcUichen
Lebensversuchen ^) vollkommen wiederverschwunden. An ihrer
Verdrängung gebührt ein wesentlicher Antheil auch unserem
Christian Reuter.
Nachtrag.
Das Vorstehende war bereits abgesetzt, als ich noch einen
neuen Passionstext kennen lernte, der zwar keine Verschiebung
des entworfenen Entwicklungsganges bedeutet, der aber inner-
halb dieser Entwicklung eine interessante Stelle einnimmt. Es
ist dies eine Matthäuspassion von Christian Clajus, Cantor
in Halberstadt^ vom Jahre 4693,^] der sich auch auf »alten
4) Seebach's Oratorium von 17U s. oben S. 344. Im Jahr 4749
erschien noch 6\n derartiges Stück von Joachim Beccau, dessen Titel
sehr charakteristisch die Richtung des Textes angiebt: Heilige Fastenlast
oder: das Leyden und Sterben unsers Herrn Jesu Christi u. s. w. In : Zu-
lässige Vei'kürzung müBiger Stunden. Hamburg, 4749. Wgh Pfa^S|nKU,
J. S. Bach, 11, 325. Auch hier ist Alles vollkommen in dramatische Ifand-
lung aufgelöst.
2) HISTORIA I Des bittern Leydens und Sterbens j.Ünsers Erlösers
und Heylandes | JEsu Christi, | Nach dem H. Evangelisten Matth^, |
Wie dieselbe am heil. Car-Frey- | tage im Dom und Unserer liebv
Frau- I en, wie auch in der Kirchen S. Johannte am | SoiUage JudiO
und Car-Freytage, mit | untermengten sehOneo Seuffsem und Slofi«-
Gebethlein, umb Erweokung mehrer Devo- | tion gMleret, musicire
und abgesun- | gen wird, | Auch mit 44. seMVnen Geistreichen Liederr
so wech- I sals-weyse des Naehmittag&s tor und nach der Pre* | digt
im Dom bey des HErrn CHristi Leich«Predigt | musieiret werden, ver>
\
365
Gd>rauch« heruft, doch ist damit schwerlich seia besonderer
Text, sondern nur die «Absingong der Passion überhaupt ge-
meint. Sein Text steht so ganz im Kreise der neuen italienisch-
conoertierenden Musik, dass bei ihm von einem wirklich »alten
Gebrauch« nicht die Rede sein kann.
Der Text reiht sich an die Behandlung durch Sebastiani
und Theile; die eingelegten Strophen sind, auch hier von einer
einzigen Strophe abgesehen, nur der Stimmungsausdruck der
Gemeinde, aber diese Strophen sind in einer Fülle eingelegt,
dass dies Ueberwiegen des lyrischen Elementes sich der Rudol-
Städter Passion von 1688 nähert, während, vielleicht (s. o.)
von dieser abweichend, der Text zweifelsohne musikalisch com-
poniert war und dramatisch vorgetragen ward. So fällt der
Halberslädter Passion immerhin die Vertretung einer interessan-
ten Stufe in der Entwicklung zu.
Obwohl uns die Noten der Composition nicht erhalten sind,
so sehen wir doch, wie bedeutend das musikalische Element
entwickelt war. Jeder der beiden Theile, in die die Passion
zerfällt, entsprechend den beiden Capiteln des Evangeliums,
wird mit einer ^Sonata' eröfifnet. Bei der ersten heisst es noch
ausdrücklich: ^ä 4. Violett, d 4. Violdig.', was bei der zweiten
vielleicht nur als nunmehr selbstverständlich fortgelassen ist.
Auch bei dem Gesänge wird die Instrumentalbegleitung ange-
'i
mehret; | Allen JESUS liebenden Hertzen zu dienst | und Nutz herfür
gegeben, uodzafinden | Bey | CHRISTIANO CLAJO, | Cantore der Hohen
Stiffte-Kirchen | in Halberstadt. | (Strich.) \ Gedruckt im Jahr 4 693.
4 unbeziff. Bogen 8^, sign. % — 2). — Exemplar in der Bibliothek d.
D. Gesellsch. 4 45 auf der Stadtbibliothek in Leipzig.
Dieser selbe Druck erschien auch mit dem folgenden, allgemeiner ge-
haltenen Titel (beide Titel sind angeklebt, obwohl das Blatt zum ersten
Bogen gehört) :
Leuchtendes | Carfreytags Flämlein, | Das ist: | Andächtige Musi-
calische Betrachtung | Des bittern Leydens | JEsu Christi, | Nach dem
H. Evangelisten Matthaeo, | mit untermengeten, und zur Andacht die-
nen- I den schönen Seuffzem und StoB-Gebetlein , | fdrnehmer geist-
reicher Mttnner, aus denen | gebräuchlichen Evangelischen Gesang- |
Büchern, | Zu nöthiger GemüthsErmunterung , wann | die Pafiion»-
Historie nach alten Gebrauch am Gar- | Freytage in denen Kirchen ab-
gesungen I wird, I JESUS liebenden Christen zu Dienst- | und Nutz her-
, fürgegeben durch | Chhistiakum Clajuh, ) Hertzbergensem, der hoben
Stims-Kir- I eben zu Halberstadt Cantorem. J (Strich.) | Im Jahr 4693.
Exemplar in demselben Bande mit obigem.
25*
366
geben. So Utsisst es: »MU i. Stimm, und Viold.c, bei Einftlli-
rang des Evangelisten : »3. Violdig.« anddann noch einmal : »mit
Violdig.«; desgleichen bei Jesus: »mit S. VioLc u. s. w.
Der Evangelientext bietet nichts Besonderes, er ist genau
der Bibel entsprechend, dramatisch an den Evangelisten, die
Interloquenten und den Chor vertheilt.^) Nur macht sich auch
hier das Musikalische in Wiederholungen geltend. Bei den
Worten S6, 28 : »Herr bin ichs« folgen auf einander Ten. Cant.
Bass. Chor. In 97, 24 wird »Barrabam« dreimal wiederholt, des-
gleichen in 27, 23 die Worte »Laß ihn kreuzigen« dreimal.
Wichtiger sind, wie erwähnt, die lyrischen Einlagen. Sie
haben zunächst den alten Titeleingang und die alte Dankformel
am Schlüsse verdrangt. Jener wird ersetzt durch einen doppel-
ten Gesang, den der Chor, nachdem die ^Sonata' beendigt ist,
vorträgt, zuerst den Choraivers: »Herr Jesu Christ, wahr Mensch
und Gott«, dann eine neu gedichtete Arie : »Kommt, ihr Gott er-
gebnen Hertzencc; der »Beschluß« wird »mit 4 . Stimm.« gesungen :
»Wir danken Dir von gantzem Hertzen , 0 Jesu, unser bester
Schatz, Für Deine Schmach, für Deine Schmertzen u. s. w.«
Im Innern des Textes sind nicht weniger als 53 Strophen
eingetragen, nämlich 30 Strophen im ersten Theil (Matth. Cap.
26), und 23 im zweiten (Matth. Cap. 27). Die Einlagen stehen
hinter 26, 2. 4. 12. 13; in 45; hinter 16. 48. 29. 32. 33. 36.
39. 41. 42. 44. 49; in 50; hinter 50 (2 Strophen). 54. 56. 61 ;
in 63 (2 Strophen) ; hinter 66 ; in 67 ; hinter 72. 75 (3 Stro-
phen). II Hinter 27, 2; in 3 ; hinter 5. 14 (2 Strophen). 20. 23.
25. 26. 30. 32 (2 Strophen, die zweite vom Chor gesungen). 34.
38. 40. 46. 49. 50 (2 Strophen). 54 (2 Strophen). 58. 60. Bei
weitaus der Mehrzahl heisst es stets : amit 1 . Stimm.«, worunter
man doch wohl den Cantus, die Stimme des »Knaben«, zu ver-
stehen hat, wie bei Sebastian! in Königsberg. Nur hinter 26,16,
wo es von Judas heisst, dass er von da an Gelegenheit suchte,
wie er den Herrn verriethe, wird für das lyrische Intermezzo
angegeben : »Mit 2. Cant. und Viel.« Allerdings weicht auch
der Charakter dieser Einlage dem Texte nach von den sonstigen
ab. Die Verse lauten :
4) Es scheint fast, als sei die Zahl der Interloquenten noch vermehrt,
indem die prophetischen Citate ans dem alten Testament von besonderen
Stimmen vorgetragen zu sein scheinen. So wird in S7, 9 'Jeremias* als
redend eingeführt, und in 27, 85 ein 'Propheta*.
367
0 ni6 erhörtes Bubenstück,
0 Greul voo allen büsea Thaten !
Der Jünger denckt den Meister zu verrathen.
Ach» Jude, scheue doch zurück!
Doch nein, wer einmahl ist zum Matnmehicken worden,
Sucht stets Gelegenheit, die Frommen zu ermorden.
Die übrigen Eiulagen sind Choralstrophen, entweder bereits be-
kannte (»fttrnehmer geistreicher Männer, aus denen gebräuch-
lichen Evangelischen Gesang-Bttcherna, wie der zweite Titel
des Büchleins sagt), hie und da auch wohl neu gemachte. Bei
einigen von diesen, nämlich den hinter S6, 36 und 42, und
hinter 27, 5 eingeschobenen lautet die Anweisung abweichend :
»Mit I. Stimm.«; ist das ein Druckfehler oder hat es damit seine
Richtigkeit? Die Entscheidung muss ich den Musikkennern
überlassen. Der Ausdruck 'Aria' kommt nur Einmal, bei der
zweiten Eingangsstrophe vor.
Alle diese Einlagen sind, wie erwähnt, Ausdruck der Ge-
meindestimmung, nur eine Strophe macht davon eine Aus-
nahme und gehört der Handlung an. Wie bei Theile (Lübeck
4673) eine Strophe dem Petrus in den Mund gelegt war, so hier
eine Strophe Christo, gleich die erste, hinter 26, 2 :
Vergiessen wird man mir mein Blut,
Dazu mein Leben rauben,
Das leid ich alles dir zu gut,
Das halt mit festem Glauben I
Der Tod verschlingt das Leben mein,
Mein Unschuld trägt die Sünde dein,
Da bistu seelig worden.
Zu beachten ist, dass Christian Reuter sich derselben
Strophe an derselben Stelle bedient hat.
Auch für die Privatandacht, für die Leetüre, wurde der
Passionstext mit lyrischen Strophen durchsetzt. So haben wir
eine »Kurtze Passions-Andacht«, die etwa gegen das Jahr 4700 in
Schneeberg von einem Ungenannten herausgegeben worden ist.^)
4) Kurtze | PASSIONS- | ANDACHT, | V^ie solche von Christlichen
Hertzen, nach der Anweisung des | Evangelisten Lucä, mit unter-
mengten I kurtzen Seufftzern, aus dem bekand- | ten, und hier in etwas
verttn | derten Paßions-Lied : | Jesu Leiden, Pein u. Tod. | kau ange-
stellet werden. | {Ein aus Druckzieraten hergestelltes Kreuz) \ SCHNEE-
BERG, I Druckts Heinrich Fulde.
2 unbez. Bogen 80, sign. K, ^.
368
Es ist die Lucaspassion , die beiden Gapitel 22 und 23 voll-
ständig, dazwisciien vertheilt die Strophen jenes Liedes : «Jesu
Leiden, Pein und Tod«, iu welchem bekanntlich die ganze Lei-
densgeschichte durchgegangen wird. Aber der Herausgeber
hat sich bedeutende Veränderungen, Umstellungen wie Zusätze
und Auslassungen, gestattet. Vom Originaltexte, der 34 StropheD
enthält, haben nur die folgenden Aufnahme gefunden (Zwischen-
schiebungen eigener Strophen bezeichne ich durch Sternchen) :
4.****** 3. 4. 5.* 6.* 8. 10. 9.****** 16. 19. 18.* 21.
28. 26. 27. 29. 31. 33. Also bietet das Eingeschobene, das 33
Strophen enthält, deren 1 5 eigener Mache. Selbstverständlich
kommt hier durchweg nur die lyrische Stimmung des Lesenden
zum Ausdruck. — Ein Lied von 6 Strophen geht dem Passions-
texte voran: »Jesu, deine Paßion, will ich jetzt bedencken.a
ÖFFENTLICHE GESAMMTSITZUNG
AM 44. NOVEMBER 4887
ZUR FEIER DES TODESTAGES LEIBNIZ'ENS,
Herr Wachsmuth legte Neue Beiträge zur Topographie von
Athen vor.
Erste Serie.
Bei meiner jüngsten Reise nach Griechenland, die vor allen
Dingen Athen selbst sich zum Zielpunkte nahm, hatte ich nicht
vornehmlich die Absicht, neue topographische Forschungen an-
zustellen , sondern vielmehr die das monumentale Material ^u
sammeln für die lange verfolgte Aufgabe, das Bild des städtischen
Lebens der Hellenen ah Athen vorzuführen etwa in der Art und
Weise, in der ich bei meiner Antrittsvorlesung ^) versuchte den
Peiraieus als Muster eines hellenischen Seeplatzes mit all seinem
reichen Treiben und Leben zu zeichnen. Aber es konnte nicht
ausbleiben, dass ich die Gelegenheit wahrnahm, alte und neue
topographische Controversen an Ort und Stelle zu studieren und
zu lernen was nur dort gelernt werden kann. Ich gedenke einige
der wichtigsten dieser Ergebnisse in eingehenderer Behandlung
vorzulegen : wenn ich dabei nicht durchweg zu einer Änderung
der Ansichten gelangt bin , die ich in früheren Jahren zu be-
gründen unternahm , sondern öfters auch eine Bestätigung und
Verstärkung schon längst ausgesprochener Ansichten gefunden
zu haben glaube, so wird man dies nicht für eigensinnige Recht-
haberei halten. Fehlt es doch auch wahrlich nicht an Belegen
dafür, wie gern und freudig ich bereit war mich durch unbe-
4) Seitdem gedruckt in Conrad's Jahrb. f. Nationalökonomie (N. F.
Bd. XIII) 4886, S. 88 fT.
I ■
370
fangen aufgenommene Thaisachen eines Besseren belehren zu
lassen.
I. Das Aphrodision und der Kantharoshafen.
Seit den epochemachenden Abhandlungen von Curtius 'de
portubus Athenarum' sowie von Ulrichs 'über das attische Empo-
rium im Piraeus^ und 'die Topographie der Häfen von Athen', die
alle 4842 und 1843 erschienen i), hat man sich gewöhnt die ver-
schiedenen Theile des grossen Peiraieushafens so zu bestimmen,
dass die nur wenig in das Land eingreifende Ausbuchtung, die
gleich rechts von der Einfahrt durch die Molen, also an dem
südlichen Uferrand sich befindet, als der dritte Kriegshafen an-
zusehen und als Kav&aQoy kifi'qv zu bezeichnen sei, dass ferner
der innere Theil des Hafens das Emporion mit seinen ftlnf
grossen Hallengebauden bilde , und dass zwischen beiden das
Aphrodision gesucht werden müsse. Und auch daran, dass
letzteres am Ufer selbst gelegen war, hätte füglich nie gezweifelt
werden sollen, da dies von Pausanias t 4, 3 ausdrücklich be-
zeugt ist 2) und indirekt bestätigt wird durch die gleich zu er-
wähnende Angabe des antiken Topographen Menekles, der das-
selbe in einer Reihe mit den Schiffswerften und den Hallen-
anlagen am Band des Hafens aufführte, so dass für die Lage
dieses Heiligthumes in der That kein anderer Platz geeigneter
erscheinen, musste, als der Yorsprung der die ebenbezeichnete
Ausbuchtung von dem Innern Hafen scheidet, auf welchem die
modernen Quaräntainegebäude liegen, wie ja Aphrodisia sich
oft auf Vorgebirgen finden^. Und doch ist diese Annahme jetzt
urkundlich widerlegt und damit die ganze Yertheilung der
Hafenräume in Frage gestellt.
Als man diesen Winter zur Gewinnung von Steinen eine
4) Die Abhandlungen von Ulrichs, arspiünglich in verschiedenen
Zeitschriften erschienen, sind jetzt belcaonUieb in d. 'Üeiseo u* ForschnngeD
in GriechenK' II S. 456 ff. u. 484 £ wieder abgedniclct.
5) Freilich meint Hirsehfeld in der Arcb. Zeitung XXXI S. 4 05 die
Worte des Pausanias n^os^ t^ ^akaoot] bedeuteten aur 'Über den Hafen' (was
auf den grOssten Theil der Peiraieusstadt zutreffen würde) und sucht deshalb
das Aphrodision auf dem Landrücken zwischen Zea^ und Kantharosh^n
(vgl. auch Ber. dieser Ges. 4878 S. 9 f.).
3) So soboD Dodwell. Heise a. s. w« II S. 2j58 uad zuletat wiederMilcb-
höfer, erl Text zu den Karten v. AtUka I S. 49.
371
lange Strecke der wohl erhaltenen Fortifieationsmauer auf der
Eeiioneia abbrach • — es ist das ja leider auch jetzt noch ein
sehr häufiges Geschick wohl, erhaltener antiker Steinihauem in
Hellas als Steinbrüche zn dienen — , wurden auch zwei In-
schriften bkssgelegt , die aus der Zeit des kononischen Blauer-
baus stammen und nur flttcbtig und nnregelmttssig in den Stein
eingemeisselte Notizen über die bei diesem Bau vergebenen
Arbeiten enthatten. Die eine lautet: '
fi¥}p6g i$ %0L xax rj^ii^ap U(}ya Levyeut ravQ iUd'ovg
ayovai (iLü&og HPIA, aidriQuai^ fiuj&og PhH*.
Die andere, auf die es uns hier ankommt, dagegen besagt:
in EvßovUdcv aQxovtog (394/3) anb %ov ^rj^eiov
xaira ToUcpQodlacov htl de^ia i^iovvc jTIHHPAAA
. fiiad^oj (TT^g) /drjfjtood'ivrig BouüTto[g l7tX\ rfi JCQoaaywyfj
rvjv XLd'Wv 2) . -
Ddss diese Inschriften sich auf den Wiederaufbau dei*
Peiraieusmauern zur Zeit des korinthischen Krieges beziehen,
ist ja durch die Datirung sicher gestellt; man ersieht aber aus
ihnen beiläufig, dass bereits im letzten Monate des Archontats-
Jahres des Diopbantos (Ol. 96, 2) der Bau begonnen, dass mithin,
selbst angenommen, dass das Archontatsjahr des Diopfhantos erst
Mitte Juli 394 v. Chr. zu Ende ging^), schon vor dem Seesi^g
des Konon bei Knidos die Athener den Entschluss gefassi hatten,
mit eigenen Kräften und wohl audb schon im Vertrauen auf die
Unterstützung der verbündeten Böotier^ Argiver und Korinther
wenigstens die Ummauerung des Peiraieus wiederzubeginnen.
Der Seesieg des Konon hat dann nur die reichen Geldmittel des
Persers und die Mannschaften der persischen Flotte in den Dienst
des nun auch gleich auf die Schenkelmauem ausgedehnten
Unternehmens gestellt. Und so ist denn jetzt in noch weit
4) fiitwnoy ist der Mittelpfeiler des offenbar zweithürigen Thores 'wie
i)ei der Skeaolhek des Pfailon (s. Hermes XVII S. 570).
2) In Keiug auf die ErgSazung bemerke ich, dass nach Boiwtio eine
Lücke und abgeschabte Stelle im Steine sich findet; Foucart glaubte noch
«fn A zu erkennen und las Boiiintos tilxf Tt^oaayntypf was mir auch durch
seine Obersetzung triebt versttf ndlicb geworden TSt.
. a) So setzt Unger in Müller's Handb. der Alt. Wiss. I S. SSV Ol. 96, 3
mit 47 Juli 394 an (nach attischem Kalender).
372
höherem Grade als bisher ersichtlich, dass in den gewifhniichen
historischen Ersahlungen der Antheil des Konon an dem Werk
viel KU einseitig hervorgehoben ist. Obwohl ja auch bisher schon
aus dem glücklich geretteten Zeugniss des Philoohoros wie ans
einigen Inschriften^) zu erkennen war, dass der Staat der
Athener den Wiederaufbau damals ttbemahm und an die zehn
Phyien übertrug, die ihrerseits aus der Staatskasse mit Geldern
versehene Gommissionen besteilten, sowie dass die Archonten
des Jahres den Grundstein legten und des zum Andenken den
bekannten 'Hermes am Pforteben' weihten, der auf seiner Basis
neben dem Namen der Archonten die Inschrift trog :
Bei dem Beginne des Baues der Hauer, sowie es befohlen
Rath und Volk von Athen, weiheten diese den Gott.
Jetzt sieht man aber, dass nicht einmal die Anregung zu diesem
Plan von Konon ausgegangen sein kann. Doch lehren ja die
theils erst neuerdings bekannt gewordenen oder richtig ver-
wertheten Inschriften mit den Rechnungsablagen der Teixosvoioi
(C. t. Att, II N. 830 — 832], dass der Bau auch dann wenigstens
noch drei Jahre (bis 391/0 v. Chr., Arcbontatsjahr des Philokles)
4 ) Die Erzählung des Philocboros steht Dach Harpokr. u. <JL W. ^£^^1^^
o nqos jj TivXidi und nqoff tj nvXidi *Eq(A^g im fünften Buche seiner Atthis,
d. h. in dem Theile seines Gescbichtswerices, der die kononische Zeit be-
handelte. Die einfachste Annahme ist also jedenfalls, dass auch die Er-
zählung des Atthidographen, die an die Stiftung des Hermesbildes anknüpft,
eben in die kononische Zeit zu weisen ist. Die Annahme die ich früher ver-
treten habe (Stadt Athen 1 S. 690 Aon. %), dass Philocboros bei der Erwäh-
nung der kononischen Restauration dieses erhaltenen Denkmals des ersten
Baus gedacht, ist an sich nicht besonders wahrscheinlich, und das aq^afjieyo^
riQmoy des Epigrammes setzt nicht mit Nothwendigkeit diese Ummaue-
rung des Peiraieus als die überhaupt erste voraus, sondern braucht nur den
Beginn des jetzigen Baus seinem weiteren Fortgang entgegenzustellen. In
den Worten des Philocboros an der ersten Stelle bei Harpokr. 01 ^ a^/oki«^
taU (pvXaU hvid^Bcay^E^fi^v xtA. ist vor xal^ ^vXaig jedenfalls eine Lücke
anzunehmen; ob sie mit Bergk Rhein. Mus. XXXIX S. 648 Anm. 2 durch
nhy oder mit Wilamowitz, aiM Kydathen S. 807 Anm. 4 1 durch xoy Iletqaia
TeixiCeiy a^j^oKTCf' auszufüllen, kann zweifelhaft sein ; der Sinn Ist unzwei-
felhaft und die Thfitigkeit der Phyien ja durch die Inschriften (C. •'. AU, II
N. 880 — 888; vgl. auch Mitth. d. Inst. III S. 50 (f.) genauer bekannt. Dass
ebd. für nvXAy« xov jiitMoy mitLeake n. thy is^moy so schreiben
i)ind das Thor der Peiraieusmauer , das nach dem acrv d. h. der Kapitale
führte, zu verstehen sei, habe ich neulich (Jahrb. L Nat. Ökon. 4886 S. 86)
bereits angedeutet
373
in Anspruch nahm^). Und wenn bereits durch ein Belobigungs-
dekret (C. t. Au. II N. 461) die freiwillige Beihttife eines
Argivers (Aristomaehos) bezeugt war, so ist jetzt durch unsere
zweite Inschrift auch die Mitwirkung eines Böotiers (Demosthenes)
urkundlich besttttigt.
Was' lehrt denn nun aber diese Hn siM aufgefundene In-
schrift hinsfchtlioh des Aphrodision's? Foucart^) glaubte den
Platz genau bestimmen zu kennen, indem er eine Reihe un-
sicherer oder falscher Posten in die Rechnung einsetzte. Falsch
ist vor allem die Auffassung der Zahlen der Geldsumme als An-
gabe der Distanz nach attischem Fuss, nicht richtig auch die Be-
rechnung des attischen Fusses, dessen Grösse von 0,387 m jetzt
durch Dörpfeld ttber jeden Zweifel erhoben ist, ganz unsicher
ferner die Bestimmung des arj^slov.
Aber vornehmlich halte ich daran fest, dass hier kein an-
deres als das bekannte Aphrodision am Peiraieushafen gemeint
sein kann , da eben nur dieses so kurzweg als t6 Jiq>Qodlaiop
bezeichnet wird.
Zweimal noch wird 'das Aphrodision' im Peiraieus so
schlechthin erwähnt. Einmal in dem oft besprochenen, durch
die Scholien zu Aristoph. Frieden V. 144 erhaltenen Zeugniss
des Periegeten Men ekles (Frg. 4 bei MOUer, frg. hist. Gr. lY
S. 450] , welches ich gleich vollständig hersetze , weil es für
diese ganze Betrachtung von fundamentaler Bedeutung ist. Es
lautet im codex Venetus: KaXliKQarrjg ij Mepe%X^g kr %ij^ tjcsqI
M^rwy yqaq>uyif ovvug * ^e^ec di 6 üeiQaievg kifxivag TQeig.
Ttarrag nXeiOTOvg' elg fiiv katw 6 Ktxr&aQov kifxijv nakt/ufievog^
er ip TOT yeofQia i^rJKavTa (dieses sicher verderbte Wort lässt
der Ravennas ganz aus ; Dindorf vermuthete statt dessen i^i;-
O'ArjTo oder i§(fiiiod6firi%Oy Meineke exerc. in Athen. I p. 39 i^fjg).
4) Irrthümlich aber ist die ADnahme die sich bei neueren Gelehrten
öfters findet (z. B. Breitenbach zu Xenoph. Hellen. IV 8, 40; Curtius, Gr.
Gesch. IIP S. 275. 277], dass selbst im Jahre 378 der Bau der Peiraieus-
mauern noch nicht vollendet gewesen und erst damals infolge des miss-
glückten Handstreiches des Sphodrias die Hafenstadt vollständig ummauert
worden sei. Denn Xenophon Hellen. V 4, 20 und 34 gebraucht nur den
Ausdruck änvliaTo^ Jjy (o Ilstqauvs) und invXiaaay tov Usigaia ; man hatte
also nur die h()lzemen Thore nicht eingesetzt , weil man auf einen Überfall
nicht gefasat war ; die ümmauemng aber war völlig zu Ende geführt.
2} Er gab die beiden Inschriften kürzlich im BüUeÜn de Corr. Hell.
4 887 S. 4 36 ff. heraus.
374
eltaJigjffoSifftovj elt» xincltp toD Xi^ivoq aroalrripte*. Uodzuni
Andern beisst es in einer kürzlich gefundenen, hochlnteressanieii,
leider slark yerstOmniehen athenisehen I nsc br i f i (ajäs römisdier
Zeit), welche Reslaaration8arl>e{ten an verschiedenen Öffent-
lichen und heiligen Anlagen aufzählt [^EqmA. af%. 1884 8. 470
Z. 45 tfnxT^ag ^ag Iv r^t fiByaltp [ki^ipi otTtb roh fiigovg (?)] ^)
rav TtBQtnJieiOfiipov toTg f^etofloig xal rr^ Ji<pfodialq9
xal ralg avoetlg fiixQi tcöp Klsld'fttpp.
Es ergiebt sich aus diesen Zeugnissen gleichmässig , dass
man unter 'dem Aphrodision* im Peiraieus ein an dem Ufer des
grossen Petraieushafens gelegenes Ifeiligthum verstand, also doch
sicher eben den von Pausanias TtQog t^ dttk&aaj} im Peiraieus
erwähnten Tempel der Aphrodite. Freilich erzfthlt von diesem
Tempel der einzige Zeuge, der ihn erwähnt, Pausanias a. a. 0.
Folgendes: TCQog dh rfj ^aXaüoj} Koptav ^ttodoftriaep l4q>QoölTtjg
hqov^ tqtiiqevg ^axedaifiovlfap xare^yaüafÄevog Ttegl Krldor
trjv iv %ji KaQtxfi XBqQovria(i) . KviöiOL yaQ rtpiuHnv lAq>QodiT¥pf
liialiava xal acpLai rqia iarlv (statt des überlieferten OfpUfiv
Ibotiv ist nämlich wie ich vermuthe a(plat y iarlv zu lesen)
leQa Tfjg &eov' rb ^thv yccQ a^xatotarov Jw^hudog^ fieva di rb
^AxQaiag , v^dnarov Si f/y Kvidiav ol Ttokkalj Kvliioi di ävrot
xaXovaiv EiktXouxv. Das sieht ja nun allerdings ganz so aus, als
ob eben erst* Konon ein Heiiigthum der Aphrodite hier gestiftet
und zwar eben der knidischen zur Feier des Andenkens an die
berühmte knidieche Seeschlacht. Da nun diese selbst erst Ende
Juli 394 fällt nach Massgabe des Datums der Sonnenfinsternids,
die kurze Zeit darauf eintrat und von den Astronomen auf den
H.August 394 berechnet ist, ja nach der Erzählung Xenophon's
Hellen. IV 8, 7 — 40 Konon erst im Sommer 393 nach Athen
gekommen sein kann, so ist es allerdings unmöglich, dass im
Laufe des Archontenjahres des Eubulides, in das unsere In-
schrift fällt und welches mit dem Juli 393 zu Ende geht, schon
der Bau des Ronon vollendet gewesen sein kann. Deshalb will
nun Foucart in der Inschrift vielmehr ein anderes Aphrodision,
(las des Themistokles, bezeichnet sehen.
4) Die von mir eingesetzte Ergänzung bleibt in ihrem letzten Theile
ja allerdings problematitch ; aber der Genitiv töB m^ixXBiofiipov ftthrt doch
im Zusammenhang mit ftixQi tm¥ xA. nothwendig auf eine Fassung, die mit
der versuchten sachlich sich deckt.
375
Die einzige Htterarische Nachricht über dieses Themisto-
kleischeAphrodision findetsich bei demScholiasten zu Hermogenes
Ttefl liewp Bach II Kap. Tte^l yXvx.vtt]vog (in Walz's Rhetor.
Gr. VI S. 39S) : xal %ä Ttegi ttjg aQiüveQag, ort ircl @Bfttato-
TcXiovg TQirj^ovg kfpavri xad'etoftivri • o-d'ev Hai ^era Trjv vUrjv
Ji7taQxov!/kg>QodlTrig leQOp lÖQvaaTO epüeigaul, wg^A^iAiliviog
o ^a^TTTQsißg iv rq) n^ql ßwfiwv. Auf Grund dieser Erzählung
hatte man schon langst zwei Aphrodisien im Peiraieus ange-
nommen, das Themistokleische der Aparchos und das Kononische
der Enpioia. Nun hat zwar bereits Ulrichs a. a. 0. S. 480
Anm. 53 mit Recht den unerhörten Beinamen der Aphrodite
entfernt, indem er si^ii lAitaqxov einfach irtaqxriv schrieb;
aber es ist kaum zulässig mit ihm die ganze Erzählung über die
Themistokleische Stiftung auf eine Verwechselung der beiden
Seehelden Themistokles und Konon zurückzuführen. Das erlaubt
meines Erachtens schon nicht die Autorität des alten athenischen
Scribeaten Ammonios , der eine Monographie Tteql ßiafiwv xor^
ioQTwp schrieb^). Dazu kommt auch noch das leider gerade an
entscheidender Stelle verstümmelte Zeugniss jener schon oben er>
wähnten Restaurationsinschrift, in der Z. 44 mitten unter Stiftun-
gen des Peiraieus auch erwähnt wird das Heiligthum einer Göttin,
8 Id^oato QefiUfTOTikfjg nqb rfig Tte^l SaXa^lva vavfjiaxlag ;
freilich ist von dem Namen der Göttin, der im Genitiv stand,
eben nur rjg erhalten. Es scheint mir aber unter den obwalten-
den Verhaltnissen keine allzu kühne Vermuthung, dass dies die
letzte Silbe von li(pQo5lrrig sei ; denn wenn hier die Stiftung
vor, dort nach der Salaminischen Schlacht erfolgt, so erledigt
sich das einfach durch die Erwägung , dass das Gelöbniss der
Schlacht vorausging, seine Ausführung ihr folgte. Also eine von
Themistokles herrührende heilige Stiftung der Aphrodite im
Peiraieus ist gewiss nicht zu bezweifeln , wenngleich sie über
Hain und Altar nicht hinausgegangen zu sein braucht ^j. Zweifel-
haft bleibt nur, ob wir uns diese Anlage räumlich von der ko-
nonischen geschieden denken müssen oder nicht. Wie man aber
auch sich zu dieser Frage stellen möge, sicher ist in der Mauer-
I) S. Meinake, AwU, erit, in AU^en. p. SM.
%) Dass i;erade nur ein Altar gestiftet $«i , folgt allerdings noch nicht
mit Sicherheit aus dem Umstand, den Curtius a. a. 0. p. 37 Anm. 4 hervor*
hob, dass die betreffende Notiz in einer Schrift tib^X ßtafiö^y (vielmehr negl
ßtofjiAy xttl koQt&y) stand.
376
bauinschrift dieselbe Cultstätte gemeint, an der Konon seinen
Bau errichtete : also bestand auch vor dem Bau eines kononi—
sehen Prachttempels hier ein Apbrodision, mindestens ein Hain
mit Altar (wahrscheinlich also doch eben das Themistokleiscfae) .
Der ganze Conplex muss sich aber — das wurde oben be-
reits festgestellt — bis an das Ufer erstreckt haben und danach
kann nun — das ist das Zweite, was sich mit Bestimmtheit er-
giebt — keine Frage mehr sein, dass das Aphrodision in der
Nahe der in ihrem Laufe ja feststehenden Fortificationen an dem
Uferrand der Eetioneia gelegen habe« Hier müssen also die
Franzosen, die jetzt das Aphrodision wieder aufzudecken suchen,
vor allem ihre Tastversuche anstellen.
Daraus resultiert aber zugleich drittens, dass wir bisher
die Yor dem Aphrodision von Menekles u. a. 0. erwähnten
veoifia nicht, richtig aufgefasst oder gedeutet haben. Denn die
feste Reihenfolge in der gleichmassig wie bei dem Topographen
Menekles nun auch in der Öfters erwähnten Inschrift a. a. O.
die vsiiiQia^ das Aphrodision und die Hallen des Emporions auf-
treten^ gestatten nicht die Annahme festzuhalten, die sich bis-
her von selbst empfahl, dass unter den pediqia des Menekles
die Schiffshäuser zu verstehen seien, deren Reste an der dem
Aphrodision entgegengesetzten Seite in dem bisher so genannten
Kantharoshafen , d, h. der südlichen Ausbuchtung noch vor
einiger Zeit zu erkennen waren (sie sind auf dem alten Schau-
bert'schen Plane des Peiraieus noch verzeichnet, jetzt allerdings
verschwunden) .
Wenn schon bei dem Topographen das Springen von einem
Ufer nach dem andern auffallend wäre, so ist es die Wiederkehr
dieser Absonderlichkeit in dem officiellen Dokument erst recht
und hier durch den Zusammenhang geradezu ausgeschlossen.
Denn hier wird das Erstrecken der xjnnfsqai bis zu den xAe^^a
von einem durch die genannten drei Gattungen von Anlagen
ringsum besetzten Raum aus angegeben und es muss erwartet
werden , dass dabei die Aufzählung der Anlagen in bestimmter
Abfolge gegeben sei. Das würde, wenn die bisherige Deutung
der v€(üQta richtig wäre , aber nur dann der Fall sein , wenn
gesagt würde Totf TteQin^leiOfiivov voig ffenß^loig aal rai^ aroaig
Tial rq jifpqoSialif , Dazu kommt noch eins; diese tfnmtTQat
können k^um etwas andres als Haine gewesen sein; das Wort
ist zwar neu , muss aber doch als eine Variante zu tpvxvrJQiov
377
gelten, ttber welchen Ausdruck zu vergleichen ist Athen. XI
S. 503* Nlx4xvdQog 6 Qva%Bi^voq xaksla&al g>rjai tlmiTfiQia
xol Tovg äkaiüdeig xal avaxlovg TOTtovQ.volg ^eoig ävecfiivovg
iv olg HoTiv ava^yv^ai (abgekürzt ist die Glosse bei Hesyob. u.
d. W. tfßtniTT^Qia wiederholt). Dass nun ein Hain die ganze lang-
gestreckte Küste der Eetioneia von den Holen (xksld'Qa) bis zu
dem Aphrodision in der Nähe der an das Ufer sich senkenden
Befestigungsmauer sich ausgedehnt habe , ist an sich unglaub-
lich, und jedenfalls sind die tpinnT^ai beim Zeahafen offenbar
nur unmittelbar an den Molen selbst vorhanden^).
Da ist nun vor allen Dingen zu betonen , dass der Begriff
ve(ü(fia ja sich keineswegs auf Schiffshäuser beschränkt; er um-
schliesst vielmehr alle auf die Marine bezüglichen Anlagen,
auch die Zeughäuser, Bauplätze für die Schiffe u. s. w. Es ge-
nügt in dieser Beziehung für unsern Zweck auf die Ausführungen
von BiH^kh, Staatsh. d. Aih. III S. 64 ff., zu verweisen, obwohl
dieselben aus dem inzwischen ganz neu oder genauer als bisher
bekannt gewordenen urkundlichen Material in einigen Punkten
modifidert, in andern ergänzt werden können oder müssen. Es
liegt also keinerlei Noihigung vor , die rad^ia in dem grossen
Peiraieushafen lediglich auf Schiffshäuser zu beziehen; vielmehr
können auch sonstige Werftanlagen mit diesem Ausdruck be-
zeichnet sein.
Und solche in einiger Ausdehnung auf der Eetioneiaküste
anzunehmen empfiehlt sich auch aus andern Gründen. Erstens
eignet sich dieses Terrain sehr wohl zu Schiffsbauplätzen,
während solche bei dem Munychiahafen sich gar nicht finden
konnten, auch der sog. Kantharoshafen muss mit seinen min-
destens 94 Schiffshäusern dicht besetzt gewesen sein, zumal der
eine Grenzstein, der den Ankerplatz der für den Verkehr mit
den Nachbarorten bestimmten Marktschiffe (TtoQ&fiBla) bezeich-
nete, bereits ein Stück innerhalb dieser Ausbuchtung gefunden,
also ein Theil derselben dem gewöhnlichen Verkehr offen ge-
standen haben muss. An dem Zeahafen kann es vavTcriyut wohl
gegeben haben, aber wenn man sich nach den erhaltenen Resten
das Bild der o. 200 Schiffshäuser, die hier erriohtet waren , re-
construiert, bleibt sicher kein sehr umfangreicher Platz für die
^) '£fp, ägX' 4SS4 S. 470 Z. 48 ^vxT^«r$' w ngog t[oT\s y6ii$guH\^ t]ov
378
neuzuerbauenden Schiffe Obrig. Dagegen ist das Eetioneiaufer
mit seinem flacheren^ massig geneigten <tetHdien Theil wohl ge-
eignet zu Schiffsbau und Stapedauf. Ich darf anfahren, dass auch
noch heutigen Tages solche Schiffisbauplatze hier angelegt sind.
Auch die einzigen hier noch sichtbaren Spuren des Alterthums,
in dem Felsen geebnete Rampen und Steindämme, stimmen
durchaus zu dieser Annahme.
Von Schiffshausern finden sich dagegen auf der Eetioneia
keinerlei Reste, und da hier am Rande jetzt überall Steine ge-
brochen werden, hatten sicher einige Überbleibsel zu Tage
treten müssen. Aber wir wissen ja, dass mehrere Schiffe der
Marine auch einfach auf das Land gezogen wurden und unter
freiem Himmel [vTtal&Qioi) liegen blieben: auch dafttr wäre
hier geeigneter Platz.
Man kann noch hervorheben , dass dem Getriebe des Han-
delshafens die Kriegsschiffe hier ebenso entzogen waren wie in
der gegenüberliegenden Bucht und insbesondre dass zusammen-
hangende Ansiedelung auf der Eetioneia ganz fehlte, wahrend
unmittelbar oberhalb jener Bucht zahlreiche Reste von Hauser-
gründungen wahrzunehmen sind.
Wird also der Annahme, dass auf dem Eetioneiaufer in dem
eben naber dargelegten Sinne sich ausgedehnte Theile der
Werftanlagen. namentlich in dem mehr nach Osten gelegenen
Theile befanden, nichts im Wege stehen, manches dieselbe em-
pfehlen, so wird nun eben durch diese Annahme eine Deutung
der vBioqta in dem grossen Hafen, die Menekles und die Inschrift
erwähnen, erm(^glicht, bei der alle die oben geäusserten Be-
denken mit einem Schlag wegfallen. Es sind dann eben die
auf beiden Ufern ^) gelegenen vetogia (im sog. Kantharos und
auf der Eetioneia), die zunächst den Molen lagen, zuerst erwähnt,
dann wird das den veioQia auf der Eetioneia benachbarte Aphro-
dision genannt ; es folgen der Reihe nach die fünf Hallen , die
bis zu den vedfQia auf der andern Seite heranreichen.
Eine Anschauung, die allmählich Platz gegriffen 3), ist
4) Man könnte daran denken, falls diese Annahme gich bewahrt, dass
in dem cormpten it^^na des Menekles ein ii hcatiqt^y o. dgl. stecke.
5) Nur Perrot hat bei der Besprechung von G. Hinstin, de Piraeo
Aikenarwn propugnactUo (Paris 4877)^ in Rev. crit. 4877 11 S. 282 sich von
diesem Fehler freigehalten, ist aber infolge der Verwirrung, die er übrigens
in die topographische Frage brachte, nnbeachtet geblieben. Zu besonderer
379
freilich UDmijglich, wenn die eben vorgetragene Auffassung das
Richtige trifft; darüber ist zuletzt noch mit ein paar Worten zu
sprechen. Man glaubt einen besonders von der Natur abge-
grenzten kleineren Hafen innerhalb des grossen annehmen zu
müssen, der speciell alsKantharoshafen bezeichnet werden
konnte, und meint, dass das eben der in der südlichen Aus-
buchtung gelegene Kriegshafen gewesen sei. Auch diese An-
schauung rührt von Ulrichs her. Der umsichtige Topograph hatte
zwar ursprünglich (S. 194 Anm. 46) es noch offen gelassen, ob
nicht der ganze grosse Hafen diesen Namen geführt, dann aber
(S. 1 79 Anm. 53) als er das entscheidende Zeugniss des Menekles,
das ich oben anführte, behandelte, hier eine Lücke statuiert^)
und diese so ausgefüllt, dass nun der Kantharos allerdings nur
als ein Theil des grossen Hafens erschien (er las elg fikv (6 fie^
yiarog XifX'qp, evS-a iv de^if TtQunov) 6 Kavd-aqov ktyiriv) . Doch
ist das ja nichts als eine willkürliche Änderung der Oberliefe-
rung. Nimmt man aber die Worte so, wie sie da stehen, so
bieten sie einen an sich durchaus verständigen Sinn. ^Es gibt\
sagt Menekles, 'in der Hafenstadt drei verschliessbare Häfen.
Der eine ist der Kantharoshafen , an dem die peufQux, dann das
Aphrodision, dann rings um den Hafen die fünf Hallen liegen'.
Dies Nebeneinanderstellen von reioQia^ Aphrodision und Hallen-
gebäuden ist ja sachlich durchaus correct und nun durch die
schlagende Parallele in der öfters angeführten Restaurations-
inschrift direkt bestätigt. Und auch grammatisch ist es durch-
aus unbedenklich zu sagen nicht bloss kifAi^Pj iv (p ra vetj^ia^
sondern auch li^riv, Iv ^ ro !Aq)Qodlator , al azoaly wie z. B.
Xenophon Anab. IV 8, 22 Ttokiv oixovfxerriv iv ttjf Ei^elvqf
n6vz((} und gar VI 4, 5 to ofog Iv rtfi kifiivt schreibt, um den
am Ufers Rand gelegenen Berg zu bezeichnen. Was zwingt
denn also in dem ganz unverdächtigen Zeugniss nun doch eine
Verstümmelung anzunehmen? Doch gewiss nicht die Notizen
der offiziellen Übergabeurkunden der Werftenaufseher, in denen
neben einander stehen die Schiffshäuser ev Mowix^(f oder
Movpixiccaiv , die iv Ziif und die Iv Kavd-äqov kcfiiw: denn
den allgemeinen Ausdruck iv Uei^aui konnte man hier natttr-
Freude gereichte es mir aber, zu hören, dass Dörpfeld schon seit einiger
Zeit den Namen Kantharos für den ganzen grossen Hafen gebraucht.
4) Ich selbst habe mich dem früher (Stadt Athen I S. 314) ange-
schlossen und sogar eine neue Ergänzung vorgeschlagen.
1887. 26
380
iich nicht brauchen; die Bezeichnung ist aber gleich gut, mas
man unter Rantharos sich den ganzen grossen Hafen oder Dur
einen Theil desselben vorstellen. Sonst geht mit einer einzigen
Ausnahme alles, was wir in der Litteratur über den Kantharos
finden, zurück auf einen Vers in dem Aristophanischen FriedeD
(V. 4 45) . Es hat dort der auf dem Mistkäfer [xaV'd-aQog] reitende
Trygaios, befragt was er thun wolle wenn er in's Meer falle.
— natttriich nur des Wortwitzes halber — geantwortet, er werde
als Schiff einen NaxischenKantharos (eine kleine Art von Schiffen,
benutzen, und fährt nun fort die Vieldeutigkeit des Wortes
'AOLv&aQog auszunutzen, indem er auf die weitere Frage, welcher
Hafen ihn denn da aufnehmen werde, den Bescheid gibt kv
Heiqaul di^Ttov^ an Kav^aQov kifii^v (^zu dem Ende gibt's im
Peiraieus eine Käferbucht'j . Aus diesen Wortwitzeleien ist Air
unsere Frage freilich nichts zu entnehmen, und die Erklärungen
der Grammatiker zu dieser Stelle , die sich dann wie gewöhn-
lich in die späten Lexika fortgepflanzt haben , wiederholen nur
was aus Aristophanes zu entnehmen war. Die einzige Aus-
nahme aber bildet eine Erwähnung bei Plutarch, Phokion 28,
wo erzählt wird, dass ein Myste, als er gerade ein Schweinchen
im Kantharoshafen wusch , von einem Seeungethtlm halb ver-
schlungen worden sei. Man wird zugeben, dass nicht bloss für
diese Scene jeder beliebige andere Theil des Hafens ebenso gut
passe wie der, wo die Schiffshäuser der Marine lagen , sondern
sogar das Benutzen eines Kriegshafens zum Zweck einer solchen
wenn auch immer gottesdienstlichen Waschung an sich nicht
eben wahrscheinlich sei.
Also nennen wir den ganzen grossen Peiraieushafen einfach
wieder Kantharos. Vielleicht bestätigt die Richtigkeit dieser
Auffassung sogar der Name selbst. Die Alten nennen den Hafen
entweder Kar&aQov kifii^v oder Kdvd'aQog kifirjv (so Plutarch
a. a. O. und Suidas u. d. W.). Gedeutet ist der Name im Alter-
thum nicht : denn wenn es in einem Scholion zu Aristophanes
a. a. O. heisst, der Hafen habe seinen Namen von einem Heros
Kantharos, so ist erstens dieser Heros sonst ganz unbekannt
und seine Existenz durch das späte Scholion keineswegs ver-
bürgt; und zweitens wäre er, wenn er wirklich existiert hat,
eben wie so viele ähnliche Gestalten, nicht ein wirklicher
inwvv^g^ sondern nur nachträglich hinzuerfunden. Ich kann
aber die Vermuthung nicht unterdrücken , dass, wie mancher
381
andere Hafen, z. B. der Ktßtotog kifdriv (Ladenbucht) in Ale-
xandria oder der BavQaxog Xifiriv (Frosohbai) an dem innersten
Winkel des Golfe de Bomboj dieser Kantharos seinen Namen von
der Gestalt erhalten habe. Das würde freilich auf die bis jetzt
so genannte flache Ausbuchtung durchaus nicht zutreffen ; aber
womit Hesse sich der grosse Peiraieushafen nebst seinen zwei
Ausbuchtungen passender vergleichen als mit dem zweihenk-
ligen Trinkgefäss, das die Griechen eben nav&aQoq nannten?
II. Kallirrhoe — Enneakrnnos.
Die Fixirung der Kallirrhoe hat für die geschichtliche £nt-
wickelung der Stadt Athen nicht minder grosse Bedeutung als
für deren Topographie. Unser HauptfUhrer fttr die letztere ver-
sagt ja nun aber leider an diesem entscheidenden Punkte, da
er die Kallirrhoe und die Gebäude ihrer Umgebung inmitten der
Periegese der Agora auf dem Kerameikos erwähnt.
Pausanias gibt — in dieser Überzeugung hat keiner der
zahlreichen neuerlichen Angriffe auf die Autorität dieses Perie-
geten auch nur im Geringsten irre machen können — im Übrigen
eine zusammenhängende Periegese der Stadt, welche die örtliche
Abfolge nach Möglichkeit festzuhalten sich bemüht; immer ab-
gesehen von solchen Excursen, wo er an eine in richtiger
Reihenfolge besprochene Stiftung gleich die Erwähnung einer
oder einiger verwandten anreiht, welche Excurse ich kurz im
Gegensatz zu der topographischen Darstellung antiquarische
nennen möchte. Wenn er bei der Behandlung der einzelnen
Sehenswürdigkeilen in grossem Umfang auch die ihm vorlie-
gende periegetische Litteratur (im weitesten Sinne des Wortes]
und Localschriftstellerei verwerthet, so ist das begreiflich, ja im
Grunde nur natürlich : wer der jetzt an eine ähnliche Aufgabe
herantritt macht es denn eigentlich anders? Dass ihm dabei
gelegentlich seine Notizen in arge VerwiiTung gerathen sind,
ist ja zuzugeben : nur bedarf das jedes Mal eines speciellen und
stricten Beweises, auch jetzt noch, nachdem es Mode geworden
ist, Pausanias sehr verächtlich zu behandeln.
Es ist zwar richtig — und dies erwiesen zu haben ist ein
wirkliches Verdienst von Kalkmann ^) — , dass Pausanias bei
\] Kalkmann, Pausanias der Perieget. Berlin 4 SS6.
26*
382
der Benutzung seiner liUerarischen Quellen allerhand eigenth&m-
liche Einkleidungen gebraucht, dass er insbesondere einzeloeo
Leuten^ mit denen er persönlich zu yerk^ren vorgiebt, die An-
sichten in den Mund legt , die er bei seinen Autoren vorfand.
Diese Art, oder nach unserer Anschauung diese Unart, todtes ge-
lehrtes Wissen in unmittelbare Rede und Gegenrede umzusetzen,
ist ja aber weiten Kreisen der antiken Compilatoren eigen:
schlagende Parallelen nach verschiedenen Seiten hin giebt z. B.
ein Autor, den man zu den eigentlich rhetorischen Scribenten
kaum rechnen wird, Gellius in seinen Noctes Atticae. Es wOrde
aber doch ein sehr rascher Schluss sein, wenn man nun wegen
dieser 'Schwindelmanier', wie sie Kalkmann nennt, annähme,
dass bei Pausanias die ganze Einkleidung seines Buches in die
Foi*m einer Reisebeschreibung im Wesentlichen bloss fiDgiil
wurde, während nur ganz ausnahmsweise einmal Autopsie an-
zuerkennen sei.
Dazu ist die Sache doch wirklich nicht angethan. Wer so
entsetzlich monoton und pedantisch immer und immer wieder
beschreibt: 'wenn man in die Stadt hineinkommt, liegt rechts
dies, nicht weit davon jenes, in der Nähe ein Drittes, darflber
hinaus ein Viertes u. s. f.', der schreibt mit dem lästigen Eifer
eines Autopten : um anmuthige Belebung seiner Darstellung ist
es ihm mit diesem topographischen Rahmen , in den das ganze
bunte Gewebe eingespannt ist, wahrlich nicht zu thun ; ihm ist
mindestens geordnete Wegeführung eine Hauptsache. Und
sicher ist die topographische Autorität des Pausanias fttr uns
dadurch nicht erschüttert; dass man ihm Abhängigkeit von einer
älteren Quelle nachweist. Denn , um es hier einmal ganz bei
Seite zu lassen , dass bei Kalkmann , der diese Abhängigkeit
zuerst in grösserem Zusammenhang verfolgt hat, die Einzelnacb-
weise bestimmter Quellen mir vielfach nichts weniger als sicher,
öfters positiv verunglückt zu sein scheinen, so ist es für uds ja
nur ein Vortheil, wenn wir statt des Pausanias selbst, der
sicher ein recht schwacher Geist war, einen so bewährten Führer
wie z. B. Polemon, den gelehrtesten aller Periegeten , vor uns
haben.
Wenden wir diese Grundsätze auf die Topographie von
Athen an, so liegt dem der behauptet, dass die zusammen-
hängende Periegese an der Stelle, wo P. der Kallirrhoe gedenkt,
zerrissen sei, der Beweis ob, dass dies geschehen. Diesen Be-
383
weis möchte ich in erster Linie durch eine strenge Interpreta-
tion einer Stelle des Thukydides führen, indem ich zunächst
ganz von allen sonstigen topographischen Erwägungen absehe.
Es ist das keine andere Stelle als die klassische Ausführung des
Historikers über die Urzustände von Athen, von welcher jede
Stadtgeschichte Athens ausgehen muss und über die Jeder, der
diesen Problemen einmal näher getreten ist, sich ein Urtheil ge-
bildet hat, ohne dass es bisher gelungen wäre, die wünschens-
wertbe Einigung zu erzielen.
Thukydides U 15, 3 beschreibt zunächst lAira den Umfang
der ältesten Stadt, wie er nach seiner Hypothese in ältester,
das heisst Yortheseischer Zeit bestanden hat (im Gegensatz zu
der Zeit nach Theseus , wo durch dessen ^woiyna^og eine Ver-
grösserung der Stadt eintrat), mit den Worten xb Ttgo tovvov
(das heisst Qi^oiatg) ^ aycQOTtokig fj vvv ovaa TtoXig rjv xal % b
Hier wäre nun vor allen Dingen zu betonen , dass mit der
Bezeichnung vjtb Trjv auLQOTtoXiv oder vnb rf] aKQOTVokec die
Lage solcher Stiftungen angegeben zu werden pflegt, die noch
nicht in der eigentlichen Unterstadt , sondern noch am Abhang
des Burghügels auf halber oder viertel Höhe liegen, wie Paneion,
Dionysostheater, Pelasgikon^). Dass auch Thukydides diesem
Sprachgebrauch folgte zeigt sich gleich im Folgenden, wo er
(47, 4) ib n^laoyixbv nalovfisvov %b VTtb ttjv axqoTioXiv
erwähnt. Nach Thukydides' Annahme bildete also die älteste
Gemeinde auf athenischem Stadtboden die Besiedelung der Burg-
höhe und des Abhangs des Burghügels, namentlich seines süd-
lichen Abhanges. Unter v6%og aber ist in dieser älteren Zeit,
die nur die vier Hauptwinde unterschied (noch nicht acht oder
zwölf wie die Späteren), eben einfach Süden verstanden und
bildet den direkten Gegensatz zum Norden {ßoQiag): vgl. z. B.
Plat. Krit. p. 4 42»-^.
Wie kam Thukydides auf diese Hypothese? Ich erkenne
an, dass bei dem jetzigen Stand unserer Kenntniss von dem Um-
fang der alten Pelasgerveste und den Überresten der Pelagischen
Mauer es nahe liegt daran zu denken, dass dem Historiker eben
das Bild des üekayixbv veixog vor der Seele gestanden habe.
4) S. Bötticher III SppUbl. d. Philol. S. 295 ; vgl. Stadt Athen I S. 299
und S. 374 Anm. 4.
384
Nichtsdestoweniger würde diese Vorstellung durchaus irrig sein.
Denn es handelt sich hier nicht um irgend welche dunkele und
verwischte Überlieferungen (flber die Zustande vor Theseus gab
es auch zur Zeit des Thukydides in Athen keine Tradition),
sondern nur um eine von Thukydides selbst ausgesonnene Hypo-
these, die er eben im Folgenden begründet, nicht unter Hinweis
auf eine Überlieferung, vielmehr indem er aus bestimmten In-
dicien, wie sie im Sprachgebrauche, in der Lage alter Heilig-
thümer, im relieiösen Brauch sich erhalten haben, einen Schluss
zieht*) . Treffend bemerkt hierüber Torstrik im Philologus XXXI
S. 88 f. »die besprochene Stelle ist anziehend . .. .wegen des
Blicks, den sie uns in die Methode eröffnet, die dieser über-
legene Forscher anwendet. Der eben geschilderte Grundsatz
(dass das in vorhistorischen Zeiten überhaupt Gebrauchte sich
in religiösen und superstitidsen Handlungen der historischen
Zeit erhält) wird von den heutigen Alterthumsforschern und
Mythologen täglich angewendet Da ist es nun interessant
zu sehen, dass ein paar Jahrtausende vor uns schon derselbe
Grundsatz geübt worden und gar nicht als ob es etwas Beson-
deres wäre, mit der ganzen Einfalt und Anspruchslosigkeit,
die uns in der griechischen Kunst und Wissenschaft immer von
neuem überrascht und rührt.« Hätte nun aber Thukvdides
seine Vorstellung von dem Urathen gewonnen durch einen Hin-
blick auf die alte Pelasgerveste, so hätte er das eben kurz und
deutlich gesagt. Da er aber unter den TexfuriQia dieselbe mit
keinem Worte erwähnt, so hat er eben auch nicht an sie gedacht.
Noch weniger aber ist es zulässig anzunehmen, dass Thukydides
sich dieses Urathen seiner Seits ummauert vorgestellt habe. Das
widerspricht völlig den in den ersten Kapiteln seines Werkes
mit Energie durchgeführten und erläutei*ten Grundansehau-
ungen von den ältesten Zuständen in Hellas, wobei es ganz
gleichgültig ist, ob diese Anschauungen historisch richtig sind
oder nicht: es sind eben seine Anschauungen und nach diesen
1) Ich unterlasse es deswegen auch von Thukydides seihst nicht an*
geführte Momente hervorzuheben, von denen man sonst wohl glauben
könnte, dass sie das Entstehen dieser Vorstellung begünstigt: wie die Thu-
kydides doch gewiss wohlbekannte Thatsache, dass noch bis zur Tyrannen-
zeit herab die Stadt ihre Entwickeiung 2u einem guten Theil nach Süden
nahm, wie denn ihre Rhede im Phaleros lag.
385
livaren die Hellenen der ältesten Zeit äveixiOTOi (1 2,2 und 5,4)
und hatten ag)Qäxrovg ohdiCBig (I 6, 4 ) .
Die Thatsachen, auf denen er seine Hypothesen über das
Urathen aufbaut, führt er ja aber selbst im Einzelnen auf, und
sie müssen wir zunächst eingehender betrachten. > Es sind ihrer
vier: erstens die Lage uralter Stiftungen der bedeutendsten
Stadtgötter auf der Burg [xa yaq Uqa kv avrfi vr axQOTtolic
^xa aQxatorara rfig re üokiddogy) ytal akkcjv S'B&p eavi),
zweitens die Lage anderer alter Heiligthümer, des Zeus, der Ge,
des Dionysos iv ki^raig^ des Pythion, die zwar 6^cii aber TtQog
Tovto To lAfQog trjg Ttokeiog fialtara YdQVTai, drittens der aus
ältester Zeit fortgeführte Gebrauch des Wassers der Enneakrunos-
Kallirrhoe, viertens der Name ^öXe^ (officiell) nochjetztfür Akro-
polis gebraucht [xaleirai de dia rrjv naXaiav Tavrrj iiarol%rjaiv
Tcal fj äxQOTtokig fiixQ^ Tovde Uti vn Id^valiov Ttökig, wobei
Datürüch ravTj] wie überall durch den Zusammenhang genauer
bestimmt^) wird).
Yon diesen vier Gründen springt die Beweiskraft zweier
ohne Weiteres in die Augen, die des ersten und des vierten:
beide beweisen schlagend die Besiedelung der Akropolis-Hohe
in ältester Zeit; für die Besiedelung des südlichen Burgabhanges
beweisen sie aber gar nichts. Für diesen Theil der Hypothese
müssen wir das rexfirjQiop also in den an zweiter und
i) Dass hier irgendwo eine Lücke anzunehmen ist, darüber herrscht
Einverstandniss; betreffs der Ausfüllung sind die Ansichten sehr verschie-
den, Classen setzte nach ^6o>y i<rn ein xal xie t^ff jidn^vas , nach axqo-
tioIb^ vielmehr xal vji avift t^s i I4^vaias Wilamowitz in Hermes XXI
p. 617 (warum ich das für unrichtig halte, ist unten gesagt), ebenda die
Worte T« aQx«^<x '^V^ t£ TToUäSog Stahl, und ihm habe ich mich im Wesent-
lichen angeschlossen , da auch mir der Begriff des Alters der Heiligthümer
unerlässiich scheint (man könnte auch an xrig ta ji^vas xal tov jJibc no^
XUioswxid Ähnliches denken).
2; So bezeichnet Tff VT i; im Vorhergehenden (5) in den (von Classen ohne
genügenden Grund in ihrer Ächtheit angezweifelten, freilich an sich ent-
behrlichen) Worten t^Qvxai xal aXXa leg« ravtrj aQxatd, wie eben wieder
der Zusammenhang lehrt, die zuvor genauer beschriebene Gegend l|(tf und
nQbg tovto rb fiiqog itj^ noXamg. Es würde durchaus nicht zulttssig sein,
aus dem Wiederkehr desselben Wortes nach kurzem Zwischenraum zu
schliessen, dass das Wort beide Male dasselbe bedeutet. Es ist beiläufig
für die Art desThukydides bezeichnend, wie wenig er sich vor der Wieder-
holung desselben Wortes in kürzesten Abständen scheut, wie z. B. eben an
unserer Stelle drei Mal hintereinander xal akktoy, xal iiXXa, xal ig &XXtt,
386
dritter Stelle vorgebrachten Indicien suchen. Betrachten wir
zunächst den zweiten Beweisgrund: xor^ tu e^w n^bg tovto %b
fiiQog Ttjg Ttökecjg fiäklov idQVTat^ %6 tb %ovdtjbg 'cov^Okvfirtiov
xai üb TlvS-tov %al rb rfjg F'qg xal Tb kp ^IpLvaig dvovvoov xt/..
Auch hier muss zuvörderst der Begriff der einzelnen Worte
scharf festgestellt werden. Was sind %h e^o»? entnehmen wir
aus dem Vorhergehenden zur nothwendigen Ergänzung itqiz
xa aq%aubxa%a^ so sind es die ältesten e^ai gegründeten Heilig-
thttmer; unter e^cu kann aber nicht etwa verstanden werden
€^cu Tf\g äx^oTtöletog, so dass sie noch am Burgabhang liegen.
Wenn solche Stiftungen bezeichnet werden sollten ^ so würde
Thukydides eben einfach auch hier vTvb xijv omgÖTcokiv (oder
^öXip) gesagt haben. Vielmehr ist der zu ergänzende Begriff
deutlich durch das folgende tovto xb fiiQog xfjg nokewg ge>
geben (die Stiftungen liegen zwar ausserhalb dieses Theiles,
aber doch nach ihm hin) . Und mit tovxo xb fiegog xrjg Ttolewg
kann schon an sich nicht blos die äxQOTVolig gemeint sein, die
eben einfach än^OTtohg genannt worden wäre, sondern es kann
nur der ganze hier bezeichnete Komplex, Burghöhe und Sttd-
abhang des Burghttgels zusammen verstanden werden: und auch
sachlich ergiebt nur dies einen verständigen Sinn.
Doch bevor wir das weiter verfolgen, ist wichtig festzu-
stellen, dass somit alte heilige Stiftungen am Südabhang des
BurghUgels der heimische Historiker an dieser Stelle nicht an-
führt, und doch wären sie für den Erweis des zweiten Theiles
seiner Hypothese so wichtig gewesen. Wir dürfen also sagen,
er kannte an diesem Südabhang keine sehr alten Stiftungen ;
woraus dann mit Nothwendigkeit weiter folgt, es gab hier keine.
Und das ist für die geschicblliche Entwicklung dieses Theiles
des Burghügels ein sehr wichtiges Nebenergebniss , das seine
volle Bedeutung erst durch die jetzt ermöglichte genauere Fest-
stellung der Geschichte des Pelasgikons erhält.
Jene ausserhalb des von Thukydides construirlen Urathens
gelegenen Stiflungen sollen nun offenbar dienen, den eben her-
vorgehobenen Mangel zu ersetzen : nur unter dieser Voraus-
setzung begreift sich überhaupt eine Anführung derselben; denn
dass sie die Besi«delung der Burghöhe nicht beweisen können, ist
einleuchtend. Dieser Supplementairbeweis für die Besiedelung
des südlichen Burgabhanges hat aber — so müssen wir folgern,
wenn wir, ohne uns um irgend welche sonstige topographische
387
Wissenschaft zu kümmern, lediglich die eine Voraussetzung
machen, dass ein Schriftsteller wie Thukydides genau weiss
was er schreibt, man also seine Worte scharf nehmen darf —
er hat nur dann Sinn, wenn die angeführten Heiligthümer in der
Niederung lagen, aber in der Nähe des Südabhangs der Burg.
Also nicht etwa im Südwesten oder Westen in der ganzen Hügel-
gegend des Pnyx (dem sogen. Pnyx-Gebirge), auch nicht auf
dem Westabhang des Burghügels: denn in beiden Fällen würde
ja der Schluss auf die Besiedelung dieser betreffenden Gegend
zu ziehen sein. Dagegen können in der Niederung, wo die
Äcker lagen und eine eigentliche Bewohnung nicht eingetreten
war (die Felshügel waren sicherer und auch gesunder zum Be-
wohnen] doch Heiligthümer gestiftet sein und die vereinte Lage
mehrerer wird einen Schluss auf Ansiedelung in der Nähe ge-
statten. Wir können mithin nur im Süden oder Südosten des
Burgabhanges diese Heiligthümer voraussetzen; von so be-
legenen Stiftungen kann sehr wohl der Ausdruck gelten TtQog
TOVTO To fie^og Tijg TtoXswg idqvtcLc und wenn man das vor-
sichtige f^äXkov betont; wird man sich namentlich für Südosten
entscheiden.
Wenn wir nun aber hinzunehmen, dass im Südosten, da,
wo später der von Peisistratos begonnene, dann von Aotiochos
umgebaute und von Hadrian vollendete Prachtbau des Olym-
pischen Zeus lag, von Alters her eine heilige Stätte des Gottes
sich befand, auf der schon Deukalion einen Tempel erbaut
haben sollte (Paus. I 48,8), dass in dem von Hadrian herge-
richteten grossen TteQißolog des Gottes ein alter Hain der Olym-
pischen Ge sich befand (Paus. I 18,7j, dass eben dicht beim
Olympieion auch das Pythion lag (Paus. H9,1; Strab. IX p.404),
so kann füglich nicht gezweifelt werden, dass Thukydides eben
diese Stiftungen meint; auch, wenn wir leider nicht in der
Lage sind das Heiligthum des Dionysos ir Al^ivatg genauer zu
fixiren, für das wir mit Sicherheit nur annehmen können, dass
es' gleichfalls in der Niederung lag; denn auf athenischen Fels-
hügeln giebt es keine Sümpfe.
Immerhin behält die ganze Beweisführung des Thukydides
für uns noch etwas Befremdliches, so lange wir an die Gestalt
des Burghügels, sowie sie sich uns jetzt darstellt, denken. Hier
muss nun aber eine wesentliche Modification eintreten.
Die jüngsten Ausgrabungen auf der Akropolis haben ja ge-
388
iehrt, dass das Pia Dum der Burg-Oberfl&che, soweit man über-
haupt von einem solchen reden darf, erst nach den Perserkriegen
hergestellt worden ist, dass der Burgfelsen nach allen Seiten
schon innerhalb der von Kimon (und Perikles) gezogenen oberen
Burgmauer nach allen Seiten abfiel und dass die damals in den
inneren Burgraum hineingezogenen Ränder erst durch beträcht-
liche Aufschüttung erhöht werden mussten (bei denen eben die
von den Persern zertrümmerten Bauten und Monumente als
Schuttmasse dienten] . Insbesondere zeigt sich schon jetzt hin-
länglich deutlich, wie stark der ganze Burgfelsen nach Südosten
geneigt war, so dass vor dem Beginn der pelasgischen Festung
hier ein gutes Stück der südöstlichen Partie gar nicht mehr zum
Burgplateau, sondern bereits zu dem Südabhang gerechnet
werden musste. Und eben deswegen war es nöthig, dass die
pelasgische Fortißcation schon etwa in der Mitte des Ostrandes
des Burghügels und noch zehn Meter innerhalb der Linie der
nachpersischen Burgmauer an den natürlichen Felsen ansetzte,
um nun in weitem Bogen den Südabhang des Burghügels zu
umspannen. Die letzten Tage meiner Anwesenheit in Athen
wurde gerade noch auf eine längere Strecke diese pelasgische
Mauer bloss gelegt; sie ist, wie ich erfahre, südlich bis zu der
Stelle verfolgt, wo die Kimonische Burgmauer auf sie aufsetzt.
Als nun nach den Perserkriegen die Umgürtung des durch Auf-
schüttungen erweiterten Burgplanums durchgeführt war, fiel
ein Stück der alten pelasgischen Festungsmauern, die natürlich
vor allem auch durch die persische Zerstörung gelitten haben
müssen, noch innerhalb des jetzigen inneren Burgraumes, und
wurde hier, soweit sie noch stand , mit zugeschüttet. Und nun
begann und wurde durch das fünfte und zum Theil noch vierte
Jahrhundert und wohl noch später fortgesetzt die Umgestaltung
des Südabhanges des Burghügels durch die Beschneidung der
Felswände, wie sie die Anlagen für das Theater, die ver-
schiedenen zum Asklepieion gehörigen Räume und Anderes er-
heischten.
In der ältesten Zeit, wo noch keinerlei künstliche Eingriffe
in die natürlichen Verhältnisse stattgefunden hatten, war aber
hier zwischen Südabbang und Burghöhe ein unmittelbarer Zu-
sammenhang: und einem Athener des fünften Jahrhunderts,
der sich um die Erforschung der ältesten Zustände seiner Vater-
stadt bemühte, kann dies Verhältniss nicht unbekannt gewesen
389
sein. Wir haben also in Thukydides' Urathen eine zusammen-
bringende Besiedelung des Burgfelsens, der nach Norden im
^Wesentlichen steil abfiel i), aber nach Südosten sich neigte und
in allmählicher Senkung zur Niederung überging. Wenn also
hier auf der Südostpartie ein wie immer beschaffener Aufgang
zur Burghohe vorhanden war und die Communikation mit der
südlich gelegenen Niederung vermittelte, so begreift es sich nun
völlig, wie die Stiftung des Olympieions und der benachbarten
Heiligthümer zum Beweis der Besiedelung des Sttdabhangs der
Burg von Thukydides verwandt werden konnte.
Um das bisher Festgestellte zusammenzufassen, so liegt
das Verfahren, das Thukydides anwendet um Ergebnisse für die
Erkenntniss der Zustände der ältesten athenischen Gemeinde zu
gewinnen, nun klar vor uns. Er findet^ dass im officiellen
Sprachgebrauche die Akropolis noch zu seiner Zeit Ttölig heisst :
also, schliesst er, bildete diese einmal die Gemeinde. Diesen
Schluss bestätigt ihm auch die Lage der ältesten Heiligthümer
der Hauptgötter der Gemeinde auf der Burg. Die so gewonnene
Vorstellung steht dem grossen Historiker auch in vollem Ein-
klang mit dem Bild, das er sich von der ältesten Periode der
hellenischen Geschichte entworfen hat, zu welcher Zeit er ein
fortwährendes j» bellum omnium contra omnes« voraussetzt. In
solcher Zeit mussten ja naturgemäss vor allem Berghöhen zur
Niederlassung aufgesucht werden , da sie einigen Schutz gegen
plötzlichen Überfall gewährten. Soweit steht alles in schönstem
Einklang. Nun fällt aber dem überall das Faktische mit
stt*engster Gewissenhaftigkeit prüfenden Forscher auf, dass eine
Gruppe uralter Stiftungen in der Niederung südöstlich des Burg-
hügels belegen ist. Wie ist diese Thatsache mit der bereits ge-
sicherten Vorstellung von der Lage der ältesten Ansiedelung auf
athenischem Stadtboden in Zusammenhang zu bringen? Die
Ansiedelung sich bis dorthin ausdehnen zu lassen, geht nicht
wohl an; denn einmal würde der Umfang dieser ältesten Nieder-
lassung zu gross, und zum Andern ginge ja dann der durch die
Zeitverhällnisse erforderte Schutz der gesicherten Lage auf er-
höhtem Terrain ganz verloren (vielmehr wäre hier der Überfall
von den nahen Agrahügeln mit Leichtigkeit auszuführen ge-
1] Mit einer interessanten Ausnahme, über die der zweitnächste Auf-
satz handeln wird.
1
390
wesen) . Also darf nur aDgenommeD werden, dass diese Gruppe
in der Nähe der ältesten Polis, nach ihr zu lag, mithin der
Burghttgelansser auf der Höhe, namentlich an seinem slld liehen
Abhang besiedelt war, womit zugleich die natürlichen Verhält-
nisse gat stimmen, da der steil abfallende Nordabhang von der
Burghöhe fast ganz geschieden war, dagegen dieser Sttdabhang
ursprünglich in allmählicher Abdachung nach der Niederung
herunterging, insbesondere nach Südosten sich in einer Reihe
von Absätzen senkte, so dass auf Burghöhe und diesen Theiien
des Abhangs eine zusammenhängende Niederlassung ausführbar
war und das so erschlossene Urathen in der That auch nach jener
Gruppe hin sich wandte, beziehungsweise jene nach diesem.
Es bleibt das vierte Stück, das von der Enneakrunos
handelt. Wir beginnen wieder mit einer Exegese der fiber-
lieferten Worte (5), xal rf] ic^iQ^fj rfj vvv fikv xuiv %vqQvviMtv ovrw
axevaaapviov ^EvveaicQovp(^ utakovfiivf]^ v6 dk nakai q>ar€QMV
Tütr Tirjycjp ovaüv KakkiQQoi] wrofiaafiivf] exeivoi re kyyiK
ovarj rä TtXeiaTOv ä£ia exQ^övro xai vvv in anb rov aQxaiov
TtQÖ re ya^Lxwv xai eg äkla twv hqwv voiiiCetai Tirß vdcm
XQrjaO-at.
Hier ist zunächst ixeivoc für ixeivi} schon von Bekker corri-
girt und es kann hier ein Zeitbegriflf eben so wenig entbehrt als
in exeivj] hineingelegt werden. Femer darf für nleUfvav nicht
mit Torstrik a. a. 0. S. 86 aus cod. B TtkeiOTa eingesetzt werden:
es handelt sich um die bedeutendsten, nicht um die meisten
Ceremonien. Die Worte geben keinen Gegensatz, wie er durch
pUv und de zu bezeichnen wäre, sondern stellen die beiden Ge-
danken parallel neben einander: sowohl die Alten brauchten
das Kall irrhoe- Wasser zu den wichtigsten Ceremonien, als auch
heutigen Tages noch ist es üblich, es zum Brautbad und andern
heiligen Handlungen nach alter Sitte zu verwenden.
Es bestand also zur Zeit des Thukydides der Brauch, aiis
jenem Quellhause zu heiligen Ceremonien das W^asser zu holen,
von Alters her fort: und diese Sitte, die er auch in älteste Zeit
zurückführt (getreu dem acht hellenischen Grundsatz, Mm Gottes-
dienst ändert sich nichts^}, soll ihm nun auch zur weiteren Be-
kräftigung seiner Hypothese über Urathen dienen. Wie ist das
möglich? Das hinzugefügte kyyvg ovaj] zeigt den Weg: den da-
maligen Athenern lag die Quelle nahe, und so ist es gekommen,
dass sie sich ihres Wassers bedienten. Den jetzigen Athenern
391
dagegen — das ist indirect, aber mit Nothwendigkeit aus dieser
Ausfahrung zu entnehmen — liegt sie fern, und nur weil as ein
alter religiöser Brauch ist, bedienen sie sieh ihrer xal vvv m.
Machen wir uns den Gang der Combinalion des Thukydides
klar, so leuchtet ein, dass die Benutzung des Kallirrhoe-Wassers
zu seiner Zeit etwas gehabt haben muss, was sich nicht aus der
gegenwärtigen Gestalt der Dinge erklären Hess, vielmehr be-
fremdete : mit andern Worten, sie muss von dem jetzigen städti-
schen Mittelpunkte weit entfernt gelegen haben. Und zwar ist
nach allem, was bisher dargelegt ist, eben so unzweifelhaft,
dass sie, um für die Hypothese von der Ausdehnung jenes
Urathen beweiskräftig zu sein, eben wieder südlich oder viel-
mehr südöstlich der Burg gelegen haben muss. Setzen wir den
anderen Fall, die fragliche Quelle habe etwa am Nordwestfuss
des Burghügeis gelegen, so würde Thukydides nimmermehr zu
einem solchen Schlüsse gekommen sein : was war einfacher,
als dass man die nächst dem Markte (oder gar auf dem Markte
selbst) gelegene Quelle benutzte? wie konnte man daraus* auf
die Existenz einer uralten Polis schliessen , die auf der Burg-
höhe gelegen sich nach Süden herabsenkte? Dagegen lag sie
im Südosten dem damaligen städtischen Treiben so fern als
möglich, da dies sich eben um den Markt concentrirte und um
die Strassen, die nach Nordwesten führten; war doch die fre-
quenteste Vorstadt ganz nach Nordwesten in den äusseren Kera-
meikos vorgeschoben, und übrigens die Stadtgrenze weit nach
Norden ausgedehnt. Jenen Alten aber lag die Quelle nahe, ins-
besondere wieder dann, wenn wir die oben eingehender be-
sprochene Neigung des Burgterrains nach Südost und die Zu-
gänglicbkeit desselben an der Südostecke uns vergegenwärtigen.
Damit ist meines Erachtens nun durch das Zeugniss des
Thukydides erstens ausgeschlossen die Möglichkeit anzunehmen,
dass Pausanias die Enneakrunos gelegentlich seiner Wande-
rungen auf der Agora angetroffen (oder, wenn man lieber will,
bei seiner Beschreibung der Agora die £nneaki*unos in richtiger
topographischer Anreihung habe erwähnen können) . Zweitens
aber sind wir für die Fixirung der Kallirrhoe-Enneakrunos eben
so definitiv nach der südöstlichen Partie des Stadtgebiets, also
in die Nähe des Olympieions gewiesen. Nun setzt nicht bloss
die Beschreibung im Ps. Platonischen Axiochos p. 364 ^ die
Rallirrhoe in die Nähe des Uisos, sondern ein aus guter ale-
392
xandrinischer Erudition^) stammendes Zeugniss [Etyin. Magn. u.
d. W. ^Ew€a%Qovvog) sagt ebenso ausdrücklich, dass die Ennea-
krunos bei dem Ilisos {TtaQa rbv ^Iliaaov) lag.
Und eben nalie des Olympieions befindet sich im eigent-
lichsten Sinne des Wortes Tragä tbv ^Ikiaaov die bis auf den
heutigen Tag Kallirhoi genannte Quelle. Es durchsetzt nämlich
hier das Ilisosbett, dasselbe in grosser Breite quer durchziehend,
ein senkrechter Felsriff, der durch einen Vorsprung in zwei
ungleiche Hälften geschieden ist: die linke (östliche) ist hoher
und ihrerseits wieder in zwei Grotten gegliedert. Hier quoll
das Wasser, das in dem oberen Ilisosbett einsickerte, und wahr-
scheinlich auch das seiner Nachbarschaft 3), in unterirdischcD
Stollen gefasst, hervor; gleichwie bei dem sog. Xowqo vi]»
JäfpQodlrrjg am Rande der Terrasse, auf der das alte Korinth
lag, das Quellwasser aus engen Gängen hervorströmt.
Der Name Kallirhoi haftet an dieser Gegend bereits, als
zum ersten Male direkte Kunde von Hellas nach dem gebildeten
Europa gelangte; bei dem sog. Wiener Anonymus § 7 erscheint
er schon; ja auch der Graeculus, der an den Rand des codex
Glareanus des Photius einige geographische und sprachliche
Notizen beischrieb, kannte den Namen bereits^), beziehungs-
i) ^EyveaxQovvos ' Kf^tjvr} ^^^vr^ai naget toy 'IXiaaoy, § ngait^v
KaXXt^Qorj iaxey (in den Worten nq. K. I. erkennt Meineke den Vers eines
Alexandrinischen Dichters; das in Prosa ganz ungebräucbliche itrxsy spricht
entschieden dafür), i[(p* jjs xa Xovxqa tuis yafxovfiiyatg fittiaci. Dann folgt
Citat des Verses des Polyzelos (Meineke, Com. Gr. II p. 868). Aosdrttcklicb
wird die Quelle dieser Nachricht am Schluss als ein rhetorisches Lexikon
bezeichnet, offenbar dasselbe, aus dem Harpokrat. u. d. W. Xovrqotpoqoi
imd Genossen (Phot. Suid.], auch Pollux III 43 schöpften, das auch das
Komikercitat gegeben haben muss. Danach wird der bei Harpokr. citirt«
noXvmitpayof nsgi vtgrjy&y als gemeinschaftliche Quelle gelten dürfen.
Dieser selbst kann aber, wie schon längst vermutbet ist, kein anderer sein
als der Kallimachier Philostephanos aus Kyrene, der in seiner ganzen geo-
graphisch-antiquarischen Schriftstellerei ein getreuer Schüler seines
Meisters war. Wir kommen also mit diesen Nachrichten in den Kreis der
Kallimachischen Schale hinein , deren durch Umfang und Tiefe bewunde-
rungswerthe antiquarische Studien noch nicht wie sie es verdienen ver-
folgt und gewürdigt sind.
S) Der Lauf der zahlreichen Stollengänge, deren Öffnungen sich noch
in den Nischen der Ostpartie des Feisriffes nachweisen lassen , müsste ge-
nauer verfolgt werden , um die Provenienz der verschiedenen Wasserzu-
flüsse festzustellen.
8) Bei Phot. u. d. W. Xovtqo^ogog steht zu den Worten ix t$r rvr fdi*'
393
weise bezeugt er, dass der Name noch zu seiner Zeit an dieser
Stätte bewahrt blieb.
Diese Rallirrhoe wurde von den Tyrannen in eine ivpect"
xQowog verwandelt, d. h. sie bauten ein Brunnenhaus mit
neun Öffnungen, aus denen das zusammengefasste Wasser
hervorsprudelte. Denn fälschlich bezieht man die xqovvoL auf
die das Wasser zuleitenden Stollen und meint sogar, wenn man
deren neun nachweist (es waren faktisch dereinst sogar wohl
mehr als neun], 'damit die Identität dieser Anlage mit der
Enneakrunos dargelegt zu haben. Früher sprudelte das Wasser
eben q>av€QÜv TttiyGtv hervor; die Tyrannen verdeckten das
Ganze und stellten durch ihren Bau eine ivvea-KQovvog her,
was alles ja Thukydides so deutlich wie möglich sagt, d. h. in
dem Bau waren neun wahrscheinlich künstlerisch wohlverzierte
BrunnenOffhungen. Und wenn Kratinos sich die Parodie erlaubte
ava^ ^^Ttoklov, rtjv Ijttav rwv ^eviiaviov
ytavaxovai rcrjyal • icoder.äycQOVvov arof-ia,
^IXiaoog Iv cpaQvyyc rl av eiTCoifi eri]
so verstand er doch unter den zwölf xQovvoi auch Brunnen-
mündungen, nicht Kanäle, die er nach seinem Bilde vielmehr
ev cpaqvyyi gesucht hätte.
Freilich hat die Stätte jetzt durch verschiedenartige Ab-
bröckelung sich sehr verändert. Aber eins sieht man doch klar,
dass ein Einwand , der gegen die Anlage eines Brunnenhauses
an dieser Stelle aus dem jetzigen Zustand entnommen werden
könnte, nicht zutrifft. Jetzt wird nämlich diese ganze Stelle,
sobald der llisos stärker anschwillt [nach Regen, namentlich im
Frühjahr), von den trüben Fluthen des Flusses in einem starken
Wasserfall überschwemmt , der den c. 6 m hohen Felsen her-
unterstürzt. Im Alterthum war dagegen Vorkehrung getroffen
dies zu verhindern. Es wurde nämlich das Wasser des llisos
auf der rechten Seite an der Enneakrunosanlage vorbeigeleitet.
'£yyeaxQovyov xaXovfiiyr^i' XQtjyt^^, n^oxB^ov dl KaXXiQorjg von junger, etwa
aus Anfang des 45. Jahrhunderts (s. Phot. lex. p. 4 42 ed. Lips. Anm. 2}
stammender Hand itXXa %al yvv aünj KakXiQoij xaXeiTai, Dieselbe Hand
bemerkte zu der Gl. Kid'tnQtay richtig to xuXovfMByoy Kaqvdijc (noch jetzt
Karydi) und zu der Gl. /if^Xaytov nediov ähnlich xo vvv Xsyofieyoy reiXoty-
toy (mir unbekannt), endlich zu der 61. hno /LiaXijc folgendes: äXXa xovro
to (i^riiAtt xQf^ytfif^ yavXioi (doch wohl NavnXioif) xa&oXov fiaXrjy Xi*
394
Man sieht in dem westlichen Theil des oben erwähnten Fels-
riffes, der hier schon an und für sich niedriger ist als auf der
östlichen Hälfte, mit grosser Sorgfalt einen bis 4 m 75 tiefen
Einschnitt in einer Breite von 372 — ^ ^ ^^d in einer Länge
von 33 Schritt eingehauen (auf dem Blatt X des Atlas von Athea
von Curtius und Kaupert ist dieser Einschnitt roth gezeichnet
und mit N. 3 angegeben). Vom Ende dieses eingeschnittenen
Felskanals stürzte sich das Wasser den Felsabhang, der hier
noch 4 m hoch ist, in die Westbucht herunter. Das alte Bett
des Ilisos liegt also rechts (westlich) der Kallirrhoe und in dieses
wurde auch durch einen Kanal , der vom Olympieion herläuft,
dann plötzlich in stumpfen Winkel abbiegt, das Wasser dieser
Gegend vor die Ausbuchtung geleitet ^) . Man sieht also deutlich,
es wurde für nöthig gehalten, die Osthälfte vor dem Überfluthen
des Ilisos zu schützen : warum? doch wohl eben weil hier eine
Anlage war, die geschützt werden musste.
Nun hat man freilich Kallirrhoe und Enneakrunos scheiden
wollen: zu Thukydides' Zeit sei der Name Kallirrhoe aus dem
Gedächtniss der Athener schon verschwunden gewesen und nur
ein so gelehrter Forscher wie Thukydides habe ihn noch ge-
kannt. In der That geht hier alles auf die Worte des Thukydides
zurück, dessen Ausdrucksweise wohl zu dieser Annahme ver-
führen konnte: jene anderen Zeugnisse aus dem rhetorischen
Lexikon (Ix rfjg vvv fiev^EpveaxQovvov TcaXovuivrjg y^QtjyrjQj rtqo-
TSQOV de KakliQQOTjg Harpokr. Phot.) wiederholen ja lediglich
Thukydides' Zeugniss. Aber der Historiker hebt doch nur hervor,
dass der Name Enneakrunos erst durch den Bau des Peisistratos
aufgekommen sei (wahrscheinlich im Hinblick auf Herodotos.
der VI 137 ganz naiv von Enneakrunos zur Zeit des Kekrops
gesprochen halle), dass aber der alte Name Kallirrhoe sei. Und
dass er in der That nicht ganz ausser Gebrauch gekommen,
zeigt ja doch schon die bereits von Löschke angeführte Vase aas
dem 5. Jahrb., die die KaXiQorj TtQrjprj darstellt in ihrer Ver-
wendung zum lovTQov vvg.iq>ni6v (C. i. Gr. III N. 8036). Und
wir müssen das Zeugniss des ziemlich späten *) Axiochos jetzt
4 ) Auf der Karte bei Curtius mit a bezeichnet ; gleich unterhalb des
stumpfen Winkels war über den Kanal eine Platte (0^56 m breit, 4,81 laagj
gelegt, fttr deren Auflage der Felsen hergerichtet ist (die Ränder sind ia
den Felsen eingeschnitten).
2) Vgl. Usener, Epicurea p. LVII.
395
gleichfalls als UDKweifelhafi mit verwenden ; denn diese Kallir-
rboe am Ilisos von der Enneakrunos am Uisos kann nun ja doch
Niemand mehr mit einem Schein der Probabilität scheiden
wollen.
Also das halte ich für ganz sicher, dass Kallirrhoe und
Enneakrunos eins sind und dass die Stelle, an der der Name
Kallirrhoe haften blieb bis auf den heutigen Tag, eben die
Enneakrunos ist, fttr die vulgär Kallirrhoe immer weiter gesagt
sein wird, welcher Name ganz von selbst wieder allein hervor-
trat, als der neunmUndige Bau verschwunden war. Ich möchte
aber meinerseits nicht auf eine Einzelpolemik gegen die neueren
Vorschlage eintreten, die gemacht sind die 'unglückselige En-
neakrunosepisode' wegzuschaffen; es scheint mir auch im We-
sentlichen von Anderen bereits das Nöthige gesagt zu sein, z. B.
Milchhöfer 1) und Curtius'); bei der jüngsten Behandlung dieses
Problems, die mir bekannt geworden^) und die eine Be*
sprechung von anderer Seite noch nicht erfahren hat, kann ich
nur Einem meine bewundernde Anerkennung nicht versagen,
der stolzen Zuversicht mit der sie schliesst, 'die Enneakrunos-
episode dürfte nun definitiv aus der Welt geschafft sein'.
III. Eridanos und Eykloboros.
Dem, was im Rheinischen Museum Bd. XL S. 469 ff. über
Eridanos und Ilisos ausgeführt ist, habe ich jetzt nur eine wei-
tere Bestätigung hinzuzufügen , wie sie sich mir ergeben hat,
als ich den Lauf der beiden Flussbette, um die es sich hier
handelt, des von Kaisariani kommenden kürzeren Armes (dort
mit B bezeichnet) und des von Norden kommenden längeren (A)
an Ort und Stelle verfolgte. Der Arm B ist nämlich seinem ganzen
Charakter nach durchaus ähnlich dem Bett des Ilisos unterhalb
des Zusammenflusses der beiden Arme; namentlich ist das linke
Ufer dieses Armes ganz gleich dem des weiteren Laufes. Um-
gekehrt ist das Bett des Nordlaufes A wesentlich verschieden
4) Bei Baumeister, Denkm. des Altertb. I S. 4S6.
3) Hermes XXI S. 303; vgl. auch Erdmann im 'philol. Anzeiger^ (4885)
XV p. 87 ff.
3) Von Wecklein in den Silzungsbr. der Münchener Akad. 48S7 S. 97,
der meint, das nXijcloy des Pausanias (diese Wurzel alles Übels) sei nur
Wiedergabe des iyyvs bei Thukydides II h 5.
4887. 37
396
von dem des IlisoS; so dass die Annahme, dass dieser und nicht
wie bisher vermuthet wurde jener kürzere der Eridanos sei,
sich auch auf die Gleichheit des geologischen Charakters des
Bettes stutzen darf. Allerdings ist im Laufe A das Wasser jetzt
für gewöhnlich betrHchtlicher als im Laufe B; aber dass auch
dieser unverUchtlich anschwellen kann zeigt die starke Arrosion
der Ufer.
In dem soeben ausgegebenen Hefte (achter Halbband) von
Mttller's Handbuch der kl. Alt. Wiss. (Bd. HI S. 295 Anm. i]
schlägt Lolling eine neue Namengebung vor, indem er hinwirft,
ob nicht der Bach, der die Nordgrenze der jetzigen Stadt bildet
(von Curtius KvKloßoQog getauft) unter Eridanos zu verstehen
sei. Was für diese Vermuthung spricht, hebt Lolling selbst
hervor: die platonische Urburg erhielte dann in ihm nach Nor-
den hin eine Uhnliche Abgrenzung wie nach Süden im Uisos.
Und wenn auch nicht ganz unbedeutend , so doch nicht an sieh
ausschlaggebend wäre das Bedenken, dass nach Pausanias (I
49, 5) der Eridanos in den llisos floss, während dies jetzt ja
bekanntlich für jenen Bach im Nordwesten der Stadt nicht zu-
trifft; er verliert sich jetzt bei der Baumschule; man könnte ja
immerhin mit Lolling den Ausweg vorschlagen, dass der Lauf
dieses Baches ursprünglich weiter gereioht und in den Uisos
eingemündet haben könnte. Auch ist, wie ich gleich zeigen
werde, das Einzige, was wir vom Kvx.i.oß60og erfahren, keines-
wegs dazu angethan, um die Vermuthung von Curtius betreffs
dieses Baches zu sichern. Ich würde also, da die von mir gegen
die gewöhnliche Benennung des oberen llisosbettes hervor-
gehobenen Bedenken dabei ihre Geltung behalten und erledigt
werden könnten ^ meiner Seits dem Vorschlag Lolling's gern
zustimmen, wenn nicht meines Erachtens es unabweislich wäre
den 'Eridanos' im Nordosten der Stadt zu suchen. Einmal er-
wähnt Pausanias (a. a. O.) bei seiner Wanderung in dieser
Gegend und nicht bei der im Nordwesten den Eridanos, und
zum Andern zeigt die Polemik des Gewährsmannes, dem Strabon
IX S. 397 folgt (Apollodoros) ^j, dass der Eridanos nahe beim
Lykeion floss ; denn er führt zu Gunsten des von Kallimachos
verlachten alteren Epikers, der die Jungfrauen der Athener
4) In seinem Commenlar zum Homerischen Scbiffskataloge: s. Niese
Rhein. Mus XXXII S. 275.
397
'das reine Nass des Eridanos' schöpfen liess, an, dass noch zu
seiner Zeit vor dem Diocharischen Thor nahe beim
Lykeion Quellen reinen und trinkbaren Wassers zu finden
seien. Es wird also doch wohl bei der von mir im Rhein. Mus.
a. a. 0. vorgeschlagenen Benennung sein Bewenden haben
müssen.
Was wir vom Kykloboros wissen, ist freilich zu wenig,
um eine bestimmte Entscheidung zu geben ; doch scheint gerade
der Charakter, der diesem FlUsschen nach allen vorhandenen
Zeugnissen zukommt, auf den unschuldigen Wasserlauf, der
vom Lykabettos herunterkommt und in der Ebene sich verläuft,
nicht zuzutreffen. Er war nUmlich ein laultosender Giessbaoh:
deshalb vergleicht Aristophanes in den Rittern 137 die lärmende
Stimme des Kleon mit seinem Geräusch [KvKkoßoQov cpcovijv
f-X^^)' ^'i^d ebenso sagt Dikäopolis in den Acbarnern V. 354
voD Kleon's leidenschaftlichem Gebahren mit einer kühnen Neu*
bildung xäxvTclofioQei %a7tXvv£v.
Noch an zwei andern Stellen erwähnt ihn Aristophanes.
Pollux X 485 Iv jQafxaGiv ij Nwßfif It/Qiarocpavrjg (fr. 275 D.)
/c€Qi Tov KvxkoßoQOv Tov 7toTafiou kiyujv '
o tf ig t6 7tkiv^elov yevofievog i§€TQeipe,
liier ist zwar im Verse etwas nicht in Ordnung; es muss aber
doch jedenfalls von irgend einer Überschwemmung die Rede
' sein , bei der der Kykloboros in eine Ziegelei eingetreten war.
Und fr. ine. 539
(^f.ir]P ö^ €yioye ') top Kv%koß6qov xaTuvai^
woraus nichts weiter mit Sicherheit folgt.
Die Erklärungen der antiken Grammatiker zu der Stelle
aus den Rittern ^] können ferner nicht lediglich aus den Worten
des Dichters selbst entnommen sein, sondern beruhen auf
anderswoher geschöpfter Kenntniss. Die erste Erklärung schil-
dert den Kykloboros zunächst in zutreffender Weise als reissen-
den Giessbach : KvxloßoQog noxa^iog xiltv u^-d^rjvalcjv ovx äel
ovöh diä TtCLVcbg qsvjv äkka x€tf,iaQQOvg {(prjaip ow xqaxelav
(pnyyrjv €X(ov xaxkd/ieQ 6 TtoTafibg iiceidäv ^it]) .
i ) So Brunck für iyat.
2) Suidas u. d. W. KvxXoßoQo^ ist eben daher geflossen und auch
Hesych u. d. W. KvxXoßoQo^' nojafAog' xit^lg Sh x^^Q^^Q^** fiBta %p6q>ov
qiovcay hat keinen andern Ursprung, wenn auch der specifisch zutreffende
Ausdruck x^Q^^Q^ nur hier gebraucht ist.
27»
398
An zweiter Stelle steht noch eine eigenthttmliche Nolii
a?Mog' Ttora^idg t^q ^VTLurjg xuiiiqqovg 6 KvxXoßoQog vni)
Jlx^rjvaliov xiaa-d^eLg (xriv naxotpiovlav ot/f %ov KXitavty; ti-
'/MOB Tffi rixi(f Tov Ttovafiov), Curtius in den kurzen Erläuteniogeo
zu Blatt II des 'Atlas von Athen' S. H aborsetzi das ^vondeo
Athenern zum Theil überdeckt\ Das kann jedoch in
Xioa&elg schwerlich liegen : das Wort bedeutet ausschliesslicb
^zugeschüttet', was ja in dieser knappen Fassung bestimmt«rt
Deutung nicht erlaubt. Würe es ganz wörtlich zu nehmeo.
so hätten die Athener (nalttrlich in spaterer Zeit als der de>
Aristophanes) das Bett des Giessbaches ganz zugeschüttet; sie
mUssten dann das Wasser irgend wie aufgefangen und entweder
w ie die Oinaier das ihres Giessbaches ^) zur Berieselung ihrer
Ländereien in einem ähnlichen Kanalsystem verwerlhet oder
vielleicht in eine Leitung eingeführt haben; es würde dann
freilich wohl vergebliche Mühe sein, den Bach noch jetzt zu
suchen.
Aber auch wenn wir dies letzte Zeugniss ganz ausser Spiel
lassen, bleibt doch so viel stehen, dass wir es mit einem reissen-
den Sturzbach zu thun haben , der nach starken Regengüssen
in beträchtlicher Stärke floss und sich mit starkem Rauschen
weithin vernehmbar machte. Das wirdjeder am einfachsten von
einem Bach verstehen , der sich durch eine enge Bergschiach(
herunterstürzt. Und deren gab es ja in Attika mehrere, z. B.
den von Oinoe , von dem deshalb Bursian (Geogr. v. Griech. I
S. 257) vermuthet, sein eigentlicher Name sei Kmikoßoqo^ ge-
wesen. Auch das ist ja nur eine Möglichkeit. Aber an die .N^fbc
des Baches bei Athen zu denken zwingt allerdings nichts; und
selbst der llisos bei der Kallirrhoe musste, wenn er ange-
schwollen war, viel stärker lärmen, als jener von Curtius für
den KvnXoßoQog in Anspruch genommene Bach. Aber specifisrJi
bezeichnend konnte das Lärmen überhaupt nur bei starkem Ge-
fälle durch eine enge Schlucht sein.
Wenn Curtius a. a. O. endlich den Namen Kvxloß6^o<;
selbst aussagen lässl, dass ^er den Stadtboden kreisförmig voi'
zog', so würde dieses Merkmal erstens für den llisos viel charak-
teristischer sein als für jenen Bach ; und zweitens könnte aucb
diese Bedeutung nur dann in das W'ort hineingelegt werden,
1) S. Stadt Athen I S. 97 Anm. 4.
399
wenn der Stadtboden als Centrum irgendwie sonst angedeutet
wAre oder sicher stünde. Sonst liegt in dem Worte an sich doch
nichts als der Begriff des Vings um sich fressen' und der ist bei
einem wirbelnden, tosenden Giessbach ja auch ohne Weiteres
verständlich.
IV. Der KSnigspalast anf der Bnrg und die pelasgische
Maner.
Die Akropolis in Athen war ursprünglich eine KOnigsburg,
wie andere in hellenischen Landen auch : sie war zwar ausge-
stattet mit den ältesten und ehrwürdigsten Heiiigthümem der
Schutzgötter der Stadt, aber in erster Linie eben befestigter
Platz, die Citadelle der Hauptstadt. Wann diese Befestigung
entstanden, davon ist keine Kunde auf uns gekommen: die
Athener schrieben den Bau der Mauer dem räthselhaften Volk
der Pelasger zu, die nachher aus dem Lande getrieben wurden ^).
Die Benutzung dieser Pelasgerveste lässt sich bis zu den
Perserkriegen nachweisen. Nicht bloss Ende des siebenten Jahr-
hunderts hatte sich Kylon, um sich der Herrschaft zu bemäch-
tigen, in Besitz der Burg gesetzt und nur Hunger und Wasser-
mangel erzwang die Übergabe^). Unter den Peisistratiden woirde
die Akropolis wieder die Fürstenburg, in die sich nach der Er-
mordung des Hipparcbos Hippias ganz zurückzog und auf der
er sich wohl auch gegen die Spartaner hatte halten können,
hätten ihn nicht andere Gründe zur Kapitulation gezwungen^).
Und selbst in den Perserkriegen wurde die Burg nur durch
Überrumpelung genommen^).
Die von den Persern zerstörte Pelasgerveste, die zuletzt als
Zwingburg gedient hatte, wieder aufzubauen widerstrebte offen-
bar der frisch gestärkten Demokratie, der der Gedanke an aUes
was mit den Tyrannen zusammenhing ein Gräuel war. Man be-
schloss also die Citadelle nicht in der alten Weise wiederherzu-
stellen ; was um so eher unterlassen werden konnte als jetzt die
Stadt in ihrem ganzen Umfang mit einer zeitgemässen Um-
4) Herodot Vi 4 37 ; Philochoros fr. 5 Müll, im Schol. Lucian. catapl.
Dion. Hai. I 28.
2) Thukyd. I 426.
3) Herodot V 64 f.
4) Herodot VIII 53.
400
mauerung geschützt war. Um so mehr trat der Gedanke in dei
Vordergrund, die ganze Burg zu einem grossartigen Mittelpanki
des Gottesdienstes umzuwandeln und hier alle Pracht der
mächtig aufstrebenden Künste zu Ehren der Götter zu ent-
fallen. Um aber die f^ieyakoTCsvQov aßarov ayLQOTtoXiv zu einen
UQov rif.iBvog (Aristoph. Lysislr. 482) umzuschaffen, war es zu-
nächst nöthig ein grösseres Planum auf der Oberfläche der Bar:
herzustellen : denn ein solches fehlte bisher trotz der ersten
Applanirungsarbeiten der Pelasger, von denen der älteste Allhi-
dograph Kleidemos *) spricht. So wurde der Beschluss gefassi
vor Allem die Oberfläche selbst nach allen Seiten auszudehnes
und überall an den Bändern Aufschüttungen zu machen, die
getragen wurden von den rings um diese Oberfläche selbst neu
angelegten Mauern. Zu diesen Aufschüttungen wurden — wie
die Ausgrabungen der letzten Jahre uns bekanntlich gelehrt
haben — die Trümmer der zerstörten Tempel, die zerschlagenen
Monumente, die beschädigten Statuen rücksichtslos verwandt.
Diesem glücklichen Umstand verdanken wir es nun, das5
wir uns jetzt ein deutliches Bild davon machen können, wie es
auf der Akropolis im 6. Jahrhundert aussah, wovon wir bis jelzi
ja sogut wie gar nichts wussten; denn das wenige, was wir zu
wissen glaubten, hat sich als irrig herausgestellt.
Aber die Überraschungen hören nicht auf: nicht bloss die
Zeit des Selon und der Tyrannen steigt vor unsem Augen aus
den Trümmern wieder auf. Noch auf viel frühere Zeiten, die
bereits in dem Dämmerschein oder völligem Dunkel der Fabeln
liegen, fällt jetzt ein heller Lichtstrahl.
In dieser Beziehung gerade ist der Sommer dieses Jahres
ergiebiger gewesen als bisher irgend eine andere Periode der
Ausgrabungen auf der Burg und zwar nach zwei Seiten. Erstens
sind nun einige Beste des ältesten Königspalastes wieder auf-
gedeckt und zum Andern ist uns in sehr merkwürdiger und
ganz unerwarteter Weise eine Besonderheit jener ältesten (pe-
lasgischen] Fortifikation klar geworden, oder mit einem Worte,
die alte Fürstenburg ist uns in wesentlichen Theilen ihrer An-
lage wieder erkennbar geworden.
\] Fr. 22 Müll, bei Bekker , Ar. Gr. I p. 449, 27 *xal ^nidtCoy i/r
ttxQonoXiy': sie werden wohl namentlich die stärksten Spitzen des zackigen
Felslerrains weggeschlagen und beim Erechthcion einige Flüchen herge-
tcllt haben.
401
£rechtheus hatte auf der Akropolis sein festes Haus, das
bereits in der ältesten Urkunde der griechischen Litteratur er-
wähnt wird : in der Odyssee heisst es tj 79 f. von Athene
Y'/.ero eg MaQa&iova %al evQvayviav t^&rjvrjv^
dvve <J* ^Eqex^og Tivxtvov dofxov.
Das ist die wohlbekannte aber zugleich auch einzige litterarische
Nachricht, die uns über den Königspalast auf der Burg erhalten
ist. Dadurch wurde ja freilich die Vermuthung nahe gelegt,
dass an dem Nordrand der Burg etwa in seiner Mitte, auf dem
höchsten Punkte dieses Theiles , da wo später das Erechtheion
sich befand, weithin in das Land sichtbar der Königspalast ge-
standen haben möge.
Und in der That macht alles, w*as wir von dem soge-
nannten Erechtheion in historischer Zeit erfahren, den Eindruck,
dass wir uns hier auf einer von Alters her geheiligten und mit
dem Königshaus eng verbundenen Stötte befinden. Es war ja
hier der merkwürdigste Complex von Cultstätten, die eben, weil
sie nach griechischem Ritus am Boden hafteten und nicht ver-
rückbar waren, später der Architectur ein unendlich schwieriges
Problem boten. Hier war ja vereint der eigentliche Cul träum
der Stadtgöttin Athene und der Altar des Poseidon, hier die
Wunderzeichen der beiden um den Besitz Athens streitenden
Nebenbuhler, der heilige Ölbaum und die Salzquelle; auch
Ilephästos hatte hier seinen Dienst. Hier wurde gleichfalls als
Hausgeist die Schlange des Erechtheus gehegt und des Erech-
theus-heros treue Pflegerin Pandrosos verehrt; hier zeigte man
auch die Königsgräber des Kekrops und Erichthonios.
Jetzt sind nun nördlich und östlich des Erechtheions in
einem Terrain, das tiefer liegt als der Tempelboden, selbst als
das Pflaster vor der Nordseite, mächtige Grundmauern aus
Burgkalkbruchsteinen zum Vorschein gekommen; dieselben
gliedern sich in mehrere Gemächer und es zeigt sich, dass
Haupttheile dieses Gebäudes dem Heiligthume weichen mussten,
das sich über ihnen erhob. Es kann keinem Zweifei unter-
liegen, dass wir es hier mit dem Königspalast zu tbun haben,
und nicht bloss dies. Wir wissen ja jetzt — und zwar durch
die glänzenden Entdeckungen Dörpfeld's — mit voller Sicherheit
und vielem Detail, wie in den ältesten Zeiten die Fürstenpaläste
gebaut waren, und dürfen dieselbe Einrichtung für die athe-
402
nischeKOnigsburg voraussetzen. Ich erinnere kurz an die Haupt-
thatsachen.
In Tiryns wurde zuerst (1884) der Palast eines Herrschers
der Heroenzeit blossgelegt : jetzt stellte sich heraus (Dörpfeld
selbst hob es sofort hervor), dass auch auf der Pergamos von
Troja bisher einem Tempel zugeschriebene R^ume nichts wareo
als Theile eines nach demselben Bauplan errichteten Herrscher-
hauses. Und im Sommer 1886 deckte die archäologische Ge-
sellschaft unmittelbar unter der höchsten Spitze des Berges, auf
dem Mykene liegt, Reste auf, die wiederum dieselben Haupt-
slUcke des Königspalastes erkennen liessen.
Das Grundschema, nach dem der Haupttheil der alten Köni^s-
paläsle gebaut wurde, lässt sich am besten an Tiryns exempli-
ficiren. Den durch das Burgthor und verschiedene Propyläen
Herantretenden empfängt auf der höchsten Stelle der Burg ein
weiter, offener, ringsum von Säulenhallen umgebener Hof, in
dem ein mächtiger Altar errichtet ist : das ist das Centrum des
ganzen Palastes. Von ihm führen zwei Stufen in die Vorballe,
dessen offene Front von zwei Säulen getragen wird. Grosse
zweiflügelige Thüren verbinden die Vorhalle mit dem Vorsaal,
und dieser steht wiederum durch eine mächtige ThUr mit dem
geschlossenen Männersaal in Verbindung. In dessen Mitte er-
hebt sich der Heerd, von vier Säulen umstanden, weiche einen
Oberbau tragen, dessen Bestimmung sowohl war dem Bauch
des Heerdes Abzug zu bieten als Licht in den ziemlich dunkeio
Raum zu bringen.
Mit diesem Grundschema steht — wie eben Dörpfeld über-
zeugend ausgeführt hat — die Homerische Schilderung des
Anaktenhauses in bester Übereinstimmung: wir sind daher t)e-
fugt, die Homerischen Bezeichnungen zu übertragen, den Ho(
avkfj zu nennen, seinen Altar als den des Zeus Herkeios an-
zusehen, die Vorhalle als aXO^ovaa, den Vorsaal als Ttgödofiog,
den Männersaal als fiiyoQov zu bezeichnen.
Denselben Grundriss, sage ich, muss nun auch der Palast
der heroischen Könige auf der Akropolis von Athen gehabt
haben. Dieser Schluss wäre für mich an sich zwingend. Zum
Glück kann ich aber noch eine directe Bestätigung dafür an-
führen, die mir schlagend erscheint.
Sieht man das Planum der Burg von Alhen an, so tritt uns
im Zusammenhang mit den jetzt aufgefundenen Resten folgendes
i
403
Bild entgegen. Auch in heroischen Zeiten war der Hauptauf-
gang der Burg vom Westen. Und zwar wurde hier — ahnlicl:
wie in Tiryns — der Ankommende, nachdem er das erste Burg-
thor durchschritten y durch eine höchst coroplicierte Reihe ge>
wundener Thorgassen und Thore (nicht weniger als neun
werden genannt) >] geführt. Hatte man sie überwunden und
war da angekommen, wo die Perikleischen Propyläen ab-
schliessen, so begab man sich auf leise ansteigendem Terrain
nordöstlich nach dem Kdnigspalast zu. Hier musste — nach
obiger Analogie — das Erste, worauf man stiess, der Hof mit
dem Altar des Zeus Herkeios sein. Von dem Hof selbst ist ja
freilich Nichts erhalten: aber auch hier bewies der Cultus seine
cooservierende Kraft. Der Altar des Zeus Herkeios, der
für jedes Haus der gottesdienstliche Mittelpunkt war, durfte
nicht abgebrochen werden. Ihn müssen wir erwaiten an dieser
Stelle auch spater noch zu finden.
Und in der Tbat das erste aus dem oben angedeuteten
Complex von Heiligthümem, die zum Erechtheion gehörten, auf
das man von den Propyläen herwandernd stiess, war das Pan*
drosion ; und in diesem Pandrosion befand sich, wie die beste
Autorität Philochoros (Fr. 146 Müll, bei Dionys. Hai. de Di-
narch.13) bezeugt, der Altar des Zeus Herkeios. Was ist dieser
Altar anders, was kann er anders sein als der durch den un-
auslöschbaren Dienst geweihte Altar des Königspalastes?
Hier lag also die avlrj] an sie schlössen sich aX%^ovaa, TtQo-
dofiog und ^iyaqov an, die nun mit Sicherheit unter den
Räumen des eigentlichen Erechtheion angesetzt werden müssen.
Auch in dieser Beziehung ist die Parallele mit Tiryns und My>
kene überraschend; denn an beiden Orten wurde der alte
Herrscherpalast in historischer Zeit von einem Tempel überdeckt.
Eine zweite überraschende Parallele zu Tiryns und auch
Mykene bietet der zweite Fund dieses Sommers auf der
4) Das sind die oft besprochenen lyyia nvXai des Polemon (Fr. 49 in
Schoi. Sopb. Oed. Kol. 4S9), die ich, wie man weiss, nie anders als von
diesem Hauptaufgang verstanden hal>e : weshalb ich die Sache jetzt für
ganz sicher halte, kann nur eine zusammenhängende Besprechung des Pc-
iBSgikon nach den uns jetzt zu Gebote stehenden Mitteln zeigen, die Ich
jetzt nicht geben will, um so weniger als ich von den bevorstehenden Aus-
grabungen auf der Burg wie am SUdabhange des Burghügels auch für diese
Frage noch weitere Aufschlüsse erhoffe.
404
athenischen Akropolis, der zugleich wieder eine fundamenUle
Anschauung; die wir über die Burg uns aus dem späteren Be-
stand gebildet hatten, tlber den Haufen wirft, die Ansicht, für
die Pausanias' (I, S2,4) Worte die klassische Fassung bieten:
ig Tijv aKgoTtoXir iariv € a 0 ö 0 g ^ila' kreqav de ov Ttaqi-
Xerat rcaaa Artoronog ovaa.
Bereits die ältesten Burgbauer, die wir in Tiryns und My-
kene thätig sehen, hatten begriffen, dass eine Grundbedinguns
der Wehrhaftigkeit fester Plätze, wie es Adler einmal ausge-
drfickt hat, ein Minimum von Thoren und Pforten sei. So finden
wir in Tiryns und Mykene je nur ein Hauptthor, das die fahr-
bare Strasse aufnimmt, mit allen Mitteln, die damals zu Ge-
bote standen, verwahrt, an einer ganz abgewandten Steile aber
in sehr charakteristischer Weise an beiden Plätzen noch ein
Nebenthor, das nur Fussgängern diente.
Während in Tiryns, das auch hier wieder das instructivste
Beispiel bietet, der für Wagen und Pferde passierbare Haupl-
zugang im Osten lag, befand sich jener Nebenaufgang im Westen.
Gleich hinter dem Königspalast führt hier eine Treppe von dem
Oberbau nach der sogenannten Mittelburg, dann geht der Weg
durch die Burgmauer, hier durch einen gewaltigen viereckigen
Thurm gedeckt und sich plötzlich wendend, eine ziemlich steile
und schmale Treppe den Burgabhang so rasch als möglich
hinunter, immer an den Fels und die Burgmauer angeschmiegt
und ausserdem geschützt durch einen halbrunden Vorbau, der
aus den colossalsten Werkstücken gefügt ist. Man konnte so
bei Belagerungen auf kürzestem Wege von dem Hinterhofe des
Palastes an den Abhang des Hügels und in die Niederung ge-
langen, sei es, dass es sich um einen plötzlichen Ausfall, sei es,
dass es sich um ein unerwartetes Durchschlagen der flüchten-
den Mannschaft handelte. Dass der Weg daneben auch für ge-
wöhnliche Zeiten praktischen Zwecken gedient hat, scheint un-
abweisbar, wenn wir sie auch nicht errathen können.
In Mykene sehen wir, dass bei der verwandten Anlage dieser
praktische Zweck im Wasserholen bestand. Denn auch hier,
wo der eine Hauptzugang durch das »Löwenthor« gesperrt war
befand sich im Nordosten ein solches kleines Nebenthor, von
dem aus man nächsten Weges nach der Hauptquelle des Ge-
bietes gelangte. Auch dieses Thor war sowohl an einer Stelle
angelegt, wo eine Felsenrundung natürlichen Schutz bot, und
405
zugleich durch einen Flankierungsthurm und eine besondere
Thorgasse vorzüglich gedeckt.
Gerade solcher abseits gelegene Nebenaufgang wie inTiryns
hat sich nun jetzt in Athen gefunden. Dicht Ostlich vom Erech-
theion, wir dürfen also jetzt sagen, gleich hinter dem Königs-
palast, senkt sich das Terrain zu einer Mulde, die in nordöstlicher
Richtung den Burgberg herunterläuft. Als diese (unmittelbar
südlich des modernen, »Tholos« genannten Gebäudes sich hin-
ziehende) Felsspalte, die ganz mit vorpersischen Trümmern aus-
gefüllt war. aufgeräumt wurde, zeigte sich eine schmale Treppe,
aus demselben Material wie die Grundmauern des Palastes ge-
baut, die unter der Perikleischen Burgmauer weiter läuft, da wo
sie plötzlich sich senkt, südlich durch einen viereckigen Thurm
beherrscht. Es ist abzuwarten, dass Ausgrabungen ausserhalb
der jetzigen Burgmauer den unteren Lauf feststellen (meine
Nachrichten reichen bis zum 4 . October). Schon jetzt ahnt man,
dass sie in der Höhle münden wird, die auf dem Kaupertschen
Plan der Akropolis bei Jahn-Michaelis mit 60 bezeichnet ist und
von der Raupert bereits vermuthete, dass von hier ein Aufgang
zur Burg möglich war.
Auch dieser Punkt ist ausserordentlich geschickt gewählt;
der jäh abfallende Felsspalt, der bedeutende Felsvorsprung
westlich dieses Zuganges vereinen sich mit künstlicher Forti-
fication zu sicherster Deckung. Auch hier führt dieser Neben-
weg dicht hinter dem Rönigspalaste abseits von dem Haupt-
zugang rasch in die Niederung. Auch hier ist wie die Anlage
so ihre Bestimmung mit der von Tiryns unzweifelhaft identisch.
So beginnen wir Blicke zu thun hinter den Vorhang, der
die ältesten Zeiten griechischer Entwickelung bereits den
Hellenen verdeckte, als sie anfingen ihre Erinnerungen litte-
ransch aufzuzeichnen. Gewisse Grundzüge einer meisterhaft
ausgebildeten Baukunst kehren an den verschiedensten Orten
in Hellas und selbst jenseits des ägäischen Meeres wieder:
Culturzusammenhänge fangen an sich uns au&uthun, an die
die Alten selbst keine Erinnerung mehr bewahrt hatten.
Herr Fleischer legte vor : Eine Stimme aus dem Morgenlande
über Doztfs Supplement aux dictionnaires arabes.
War Goethe bei dem :
»Orient und Occident
Sind nicht mehr zu trennen«
der ganzen Inhaltsfttde dieser Worte sich schon bewusst? Ich
glaube kaum; — zur Beantwortung dieser Frage mit einem
zweifellosen Ja müssten wohl selbst s e i n e m ahnungSTollen Tief-
blicke noch mehr und andere Thatsachen vorgelegen haben.
Aber als ächter vates hat er damit ein vaticinium ausge-
sprochen , an dessen vollständiger Erfüllung unsere Gegenwart
immer mächtiger arbeitet, nicht mehr bloss durch Menschen-
und Waaren verkehr, sondern auch durch Austausch geistiger
Güter, welcher sich in weiterer Entwicklung sogar schon zu
wissenschaftlichem Wettkampfe zuspitzt. Dass der unter dem
8. Januar 4886 erlassene Aufruf Sr. Majestät Oskar II., KOntgs
von Schweden und Norwegen zur Bearbeitung der zwei von Ihm
gestellten Preisaufgaben : Geschichte der semitischen Sprachen,
und : Darstellung des Gulturzustandes der Araber vor Moham-
med , durch Zeitungen oder Briefe rasch bis nach Bagdad vor-
dringen und dort einen mohammedanischen Gelehrten zur Mit-
bewerbung anregen werde, — wer hätte das für möglich ge-
halten? Und doch: das Wunder ist geschehen! Jetzt schon,
noch ehe von christlich-europäischer Seite ein einziger Mitbe-
werber aufgetreten ist, liegt vor den Preisrichtern ein stattlicher,
starker Grossoctavband zur Lösung der zweiten Aufgabe , der
Darstellung des Gulturzustandes der Araber vor Mohammed von
dem Verfasser, j^j^IlXxJI ^^^)i\ ^j^ .>^*^ JuaJI , ( — nach
dem Ehrentitel el Seijid angeblich aus Mohammeds Geschlecht — )
407
durchgängig mit eigener Hand in schönem, kräftigem und deut-
lichem Neshi geschrieben. Nach vorausgeschickter Inhalts-
angabe, einer Ansprache {\^[hs>) an den König und einer
zweiten an die Preisrichter, behandelt er seinen Gegenstand in
einer Einleitung (jUJüu) und siebzehn liauptstUcken (v!>^'} ^^^
mehr oder weniger Abschnitten {6yai) . Als mohammedanischer
Schulgelehrler steht er mit der Annahme allgemeiner Gültigkeit
und Glaubwürdigkeit der einheimischen geschichtlichen lieber-
lieferung noch ganz auf morgenlandischem Standpunkte, und
wir Europäer werden uns voraussichtlich bei weitern Unter-
handlungen mit unsern asiatischen Fachgenossen über die Noth-
wendigkeit historischer Kritik noch zu verständigen haben;
jedenfalls aber verdient Herrn Mahmüd's Preisschrift als das
erste derartige Erzeugniss internationaler Literatur und als wohl
geordnete und eingetheilte Zusammenstellung des von den altern
arabischen Schriftstellern zur Lösung der betreffenden Frage ge-
lieferten Materials hohe Achtung und eingehende Würdigung.
Eine weniger hervorragende, aber doch gattungs verwandte
Erscheinung bildet den Gegenstand dieses Vortrags. Es ist eine
Recension über Dozy's Supplement aux dictionnaires arabes von
Ibrahim alJ&zigl in fünf Nummern dervon ihmmitDr.Bes^rahZal-
zal und Dr. Haiti Sa^^dah in Beirut herausgegebenen, leider schon
mit dem ersten Jahrgange 4884 und 1885 wieder erloschenen all-
gemeinen wissenschaftlichen Monatsschrift »Der Arzte (wv^^aLÜ).
Eine Neuigkeit im eigentlichen Sinne, wie das vorgenannte
Werk, ist diese Recension übrigens schon deswegen nicht, weil
Herr Ibr^htm als Kritiker eineseuropäischenArabisteo wenigstens
zwei Vorganger hat: seinen eigenen Vater Ndstf in der von Prof.
A. Mehren mit lateinischer Ueberselzung und Anmerkung heraus-
gegebenen Epistola critica ad de Sacyum über dessen Ausgabe
von Hartrt's Mak^men und »ScheYkh Mouhammed Tantawy« in
den »Observations sur la traduction de quelques vers arabes«
in de Sacy's Grammaire arabe, aus den M^langes Asiatiques
der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften vollständig
aufgenommen in meine Beiträge zur arabischen Sprachkunde
(Kleinere Schriften, Band 1). Graf Carlo von Landberg hatte die
Gute mir die genannte Monatsschrift zuzuschicken und mich
auf jene Recension aufmerksam zu machen. Da ich selbst das
Dozy^sche Werk in den sieben Stücken der Dozy-Studien in
408
unsern Sitzungsberichten kritisch behandelt hatte, so war die
Sache für mich natürlich von doppeltem Interesse, zumal da
Herrn Ibr^him's grundsätzliche Stellung zu Dozy im Gegensalze
zu der meinigen steht : er ein Gegner der von Dozy vertretenen
und durchgeführten Erweiterung des Begriffes arabische Sprache,
ich ein Anhänger derselben, was von vornherein eine bemerk-
bare und auch wirklich durch die Entstehung bestätigte Ver-
schiedenheit in Auffassung und Erklärung mancher Einzelheiten
erwarten Hess.
Im Allgemeinen hat sich die Kritik, wie morgenländische
Gelehrte sie an einander üben, nie gerade durch Höflichkeil
ausgezeichnet , und ältere Zeiten weisen darin sogar wahre
Muster von Grobheit auf; später ist sie theilweise darch cod-
fessionelle Gegensätze verbittert worden. Wenigstens dieser
letzte Einfluss fällt hier ganz hinweg, da Herr Ibr^htm ebenfalls
dem christlichen Bekenntnisse angehört, und wenn auch der
etwas empfindliche, leicht reizbare Dozy, w^enn er die Recension
erlebt hätte, stellenweise mit ihrem Tone ziemlich unzufrieden
gewesen sein möchte . so ist derselbe doch im Ganzen ein ge-
mässigter, ja sie tönt zuletzt sogar in reinen Wohlklang aus, in-
dem Herr Ibrähtm seinen Landsleuten den auf dieses Werk ver-
wendeten unermüdlichen Fleiss Dozy's als Muster für ähnliche
nun von ihnen zu erwartende Leistungen aufstellt.
Das folgende ist eine, soweit die Urverschiedenbeit des
Arabischen und Deutschen es gestattet , Sinn und Hallung des
Originals genau wiedergebende, nichts abschwächende und
nichts verstärkende Uebersetzung der Recension.
liSupplement caix dictionnaires arabesu.^) von dem rühmlich
bekannten ^j Dozy, einem der Leidener Orientalisten , ein aus^
führliches, über 4700 Folioseiten starkes Werk, in welchem er
alle von ihm in den altarabischen Wörterbüchern nicht ge-
fundenen, aber in den Schriftwerken der Neueren (^>>J^1) und
J) Vorhergeht die arab. Uebersetzung: i^j*i^ oL4*:?\jtii »S^,
2} .^uXJI wvaI?» Wörtlich : wohlberufen, bicn rcaomm^.
409
im Genieioarabischen Aegyptens, Syriens und Nordwestafrika's
vorkommenden Wörter niedergelegt hat. Nachdem er, wie er
in der Vorrede des Buches sagt , länger als dreissig Jahre mehr
als vierhundert Bände geschichtlicher , lexikalischer und ara-
bisch-humanistischer Werke durchgelesen hatte, stellte er in
acht Jahren die aufgezeichneten Zusätze zusammen und brachte
sie in Ordnung ; er hat demnach im Ganzen auf die Abfassung
dieses Werkes unverdrossen und unermüdlich ^) gegen vierzig
Jahre verwendet, ohne in allem diesen einen Lohn noch Gewinn
zu suchen , ausser die Verwirklichung der seinem Geiste vor-
schwebenden Idee, und dazu angetrieben durch sein Bestreben
dieses wichtige Werk zustande zu bringen nnd das hohe unver-
gängliche Verdienst zu erwerben, nämlich dieses : die nach den
Zeiten der rein arabisch sprechenden älteren Araber aufge-
kommenen neueren Wörter und die vielen neuen bei ihnen noch
nicht vorkommenden Gebrauchsweisen des von ihnen festge-
stellten Sprachmaterials und manche in jenen Schriften ent-
haltenen dunklen Ausdrücke zu erklären, mit anderen Worten:
die Lücke auszufüllen, welche die nur das Reinarabische
pflegenden arabischen Schriftsteller gelassen haben, indem sie
sich von allen sprachlichen Neuerungen fernhielten und es ver-
schmähten Abweichungen vom ächten Sprachgebrauch Vorschub
zu leisten und sie in ihre Schriften aufzunehmen , diese Lücke,
sage ich, auszufüllen, um dadurch zu einer Fixirung der unge-
wöhnlichen Erscheinungen der gesammten Sprache, der neueren
sowohl als der alten, und zu einer Darstellung aller ihrer Aus-
drucksformen zu gelangen.
Es ist dies bei Gott! ^j eine Leistung, im Danke für welche
selbst die arabisch Sprechenden hinter den Arabislen nicht
zurückbleiben dürfen; denn abgesehen von der dadurch er-
leichterten Aufhellung des in jenen Schriftwerken Räthsel-
haften und Dunkein, gewinnt der welcher es studirt die Kennt-
niss von vielen neueren Erscheinungen in Wissenschaften,
Künsten, Gebräuchen, Kleidertrachten, Gefässen, Gerätbschaften
u. s. w. von denen die Wörterbücher noch nichts wissen,
1) 1x^3 y>0^, |J^ Lib L^ jb jj iu^ o^*^;^ er 1«
Das gedruckte »xjLia slatl Jb hatte bereits Graf von Landberg berichtigt.
2) /Jh=^Jl j**^J ®'8- so wahr Gott lebl!
410
während man andrerseits zur Befriedigung zeitgenössischer Be-
dürfnisse genöthigt ist, den erweiterten Sprachgebrauch aufzu-
nehmen. Der Lieferung des Beweises hierfür überhebt uns
lange unmittelbare Erfahrung, die bestandige Wiederholung
hierher gehöriger Falle in der' Sprachpraxis und die Mühe
welche die Behandlung der Ausdrucksform einen Jeden kostet,
der etwas aus europaischen und amerikanischen Schriften
arabisch zu übersetzen sucht oder selbst über zeitgenössische
Gegenstände und Angelegenheiten zu sprechen unternimmt.
Wir haben nun , trotz der uns kurz zugemessenen Müsse und
der sich drangenden Geschäfte, dieses Werk durchgesehen,
seinen Inhalt Seite für Seite so weit es uns möglich war unter-
sucht und gefunden dass es viele lehrreiche Einzelheiten und
ausgezeichnete, unsrer Sprache zum Nutzen gereichende Be-
merkungen enthalt , die verdienen^ dass das Werk selbst des-
wegen in die Reihe der edelsten Literaturschatze gestellt und
sein Verfasser so lange noch ein Araber das Aäd (qt) ausspricht,
selig gepriesen werde. Doch haben wir in dem was wir da-
von gelesen haben, hie und da Stellen gefunden zu denen das
und jenes zu bemerken ist ; wir wollen daher hier einige der-
selben besprechen, nicht um Fehler aufzustechen und zu tadeln,
noch um das Verdienst dieses Mannes herabzusetzen und seine
Gelehrsamkeit als übel angewendet darzustellen, sondern um
das Recht der Kritik zu wahren, durch welche, als eine Haupt-
stütze der Wissenschaft in unserem Zeitalter, das Schlechte von
dem Guten geschieden und das Aechte durch klaren Beweis als
solches hingestellt wird.
Und finden wir denn : bei aller Tüchtigkeit des Forschens, bei
allerHöhedesStrebens,beiallerAnsdaucr im Beobachten und Auf-
zeichnen cntbehrteder Mann das beste Mittel zum Verstandniss der
arabischen Sprache, sowohl der klassischen als der modernen, in-
dem er unsrer Meinung nach nie eines der arabisch-sprechenden
Lander, wieAegypten oderSyrien, bereist und nurmitwenigAra-
bernmündlichverkehrt, sondern dieSprache lediglich ausBücbern
gelernt hatte, mit Hülfe von Leuten unter seinen Volksgenossen
die Orientalisten genannt werden ^j . Vielleicht auch hatte er
^ - i
mit Verweisung auf das dem letzten Worte entsprechende m Orientalistes«
in einer Anmerkung unter dem Texte.
411
mündlich mit einigen unter diesen verkehrt, welche in den
arabisch-sprechenden Ländern gereist waren und von ihnen
einige gemeinarabische Wörter gelernt, dergleichen sie in ihren
Notizbüchern aufzeichnen, in der Meinung damit etwas be-
deutendes gewonnen zu haben. Wenn aber Jemand in Bezie-
hung auf die arabische Sprache eine so hohe und schwierige Auf-
gabe bis zu einem solchen Grade bewältigen will, dass er den
Gedanken in sich aufkommen lassen könnte, er werde noch die
volle Herrschaft über die Sprache erlangen : so muss er sich zu-
erst noth wendig ganz in die Sprache einleben, dieselbe den sie
Sprechenden ablernen, in ihrem Lande solange herum wandern
und sich aufhalten, bis er ihre Sprache gründlich versteht
und vor Fehlgriffen sicher ist , wenn er als ein unter sie auf«
genommener Auswärtiger arabisch spricht. Ohne Zweifel ist
dies der bedeutendste an dem Verfasser dieses Werkes auszu-
stellende Mangel, zugleich der Grund der Yergeblicbkeit eines
Theiles seiner Mühe und Anstrengung, indem man oft bemerkt,
wie er über eine Sache auf eine Weise spricht, dass seine
Worte grosse Mühe und lange Ueberlegung verrathen , die sie
ihn gekostet haben, während das ganze Ergebniss grundlos ist.
Oft ist auch die Sache selbst klar und offenbar, nur der Umstand,
dass er ein Fremder ist und mit den Leuten, denen die Sache
selbst angehört, nie persönlich umgegangen ist, hat ihn nicht
zur Erkenntniss derselben gelangen lassen. Wie nahe lag es
ihm da sein eigenes ürtheil durch das einiger andrer Sprachge-
lehrten zu ergänzen, die ihm zum Richtigen verhelfen und die
auf das Suchen und Forschen verwendete schwere Mühe erspart
hätten I Aber sich darüber auszusprechen war nicht mehr
möglich; so ist das Buch seinen Weg fortgegangen und das
darüber zu Sagende ist jetzt nachzuliefern.
Der erste ihn, treffende Tadel ist der, dass er in diesem
Buche alles, was er mit arabischen Buchstaben geschrieben sah,
zusammengeworfen hat, ohne weder Sprachwidriges noch Falsch-
geschriebenes in Betracht zu ziehen , ohne gemeine und fehler-
hafte Ausdrücke auszunehmen und selbst ohne nur einmal etwas
darüber zu bemerken, damit der solche Dinge Entlehnende be-
stimmt wisse , wie es damit steht. So führt er z. B. ein in
Bocthor's Wörterbuch , ein im Geschichtswerke Ibn Haldün's
und ein in Ibn 6ubeir vorkommendes Wort in gleicher Weise
an, während man weiss, dass Bocthor die Redeweise von
4887. 28
412
Aegypten, Syrien, Magrib und Tunis heranzog und aus dem
Munde von Eseltreibern , Berbern , Lotterbuben und anderem
Uaschtschgesindel zu seiner Zeit gangbare Worte entlehnte,
obgleidi diese Menschenklasse bekanntlich eine Sprache reden,
die allen andern Klassen widerlich und keineswegs geeignet ist,
sich ihrer bei Unterredung über ernste Gegenstande und über-
haupt im Gespräche mit andern Personen zu bedienen, weil
diese grOsstentheils in obscünen Ausdrücken und niedrigen
Idiotismen besteht, von denen die meisten auch der allgemein
bekannten fehlerhaften Volkssprache angehören. Auch hat er
wohl das und jenes Wort auf eigne Hand gebildet , um die Be-
deutungen gewisser französischer Wörter auszudrilcken , wo
dann der von ihm gebrauchte Ausdruck von der arabischen
Redeweise weit abweicht und sich dem Verstfindniss der
arabisdi Sprechenden völlig entzieht. So giebt er, nämlich
Boethor, als arabische üeberselzung von »adeptee ->Jf ^% J^:>b:
dies aber ist ein Ausdruck den man in allen seinen Bestand-
theiien einem Ai'aber mehrmals zu hören geben könnte , ohne
ihm die Bedeutung, die Boethor damit ausdrücken wollte, be-
i;reifiich zu machen. So übersetzt er ascensionnel mit (^Ujy,
d^iroque mit ^^^sfjJL^', ^tymologiste mit |»^üüt J^L vJ^^c:
während doch zwischen ,»^IX!t und JL^! [wie B. hätte schrei-
ben sollen] ein Unterschied ist. Manchmal verkehrt er, statt
zu übersetzen , den Sinn eines Wortes in das Gegentheil ; so
soll öterniser auf arabisch heissen Ji^l ^It *bt , während doch
i5;^^ wie aus seiner Ableitung erhellt, die anfangslose Ewig-
keit ist. So drückt er sich also so aus, wie wenn jemand sagte:
Erhöhe ihn Gott recht tiefl Und in dieselbe Kategorie stelle
man unzählige andere verfehlte Ausdrücke und W*orte, mit
denen er, weil ihm das rechte Wort nicht gegenwärtig ^var,
blossen Bedeutung darzustellen suchte oder französische Wörter
buchstäblich übersetzen zu müssen glaubte, wodurch aber seine
Phrase sich in ihrer ganzen Haltung als französisch darstellt,
nur dass er sie in ein von seiner Muttersprache entldbntes Ge-
wand gekleidet hat. Da giebt es ferner andere Schriften, nach-
lässig hingeworfene Sammlungen von Wörtern der gemeinsten
Volkssprache; noch dazu arg entstellt durch Abschreibefehler,
413
sind einige von ihnen bekannt unter dem Namen vocabulaires ;
diese stecken noch mehr voll Fehler als Bocthor's Wörterbuch
und einen grossen Tfaeil ihres Inhaltes bilden ausser Gebrauch
gesetzte Wörter , die einst in Spanien üblich waren, aber zum
eigentlichen Arabischen gar nicht gehören, wie Jüyl und
/ ÄiÄj für Q^^ , nackt, ^j^^^t für s^j in der Bedeutung von
X4kJ» Schmaus, g-JaiUjW für v-^w^svc ^t wunderbare Sache,
um jemand herum für : er förderte und unterstützte ihn ;
^ &<><
Jsjt^^j für ^c^, er war rathlos; ^>.a> er schlug seine Backen,
für : er schlug ihn darauf (gab ihm Maulschellen) ; ^^ju von
Tauben für SJc, girren (roucouler); ^l<^^ für i^Lpj und
^j^Ji', Verschmitztheit und Verstandesfeinheit ; (jäjU (ji.lS für:
mit Reis gekochtes Fleisch ; ^9^ für wJUj , Fuchs ; tJ^j^S
für ein Gewächs, vielleicht die Kresse ; j^\ für eine Sämerei
von der man nicht weiss was sie ist; v^y> für «^tJuo Tinte;
wJU^ für ^uJr, Wachtel; Jj^^j für (jks^^il ^^jaLL^ Regen-
Würmer; Ji^^^jS^ für Oj, Hagel, und ähnliche Wörter mehr,
theils frei gebildet, von denen kein Wurzelwort bekannt ist,
theils verderbt aus Wörtern der Sprachen von Fremden, die zu
jener Zeit mit den Arabern verkehrten. Wir glauben nur nicht
dass sie noch heutzutage bei irgend jemand in Gebrauch sind,
es müsste sich denn etwas davon als Seltenheit im Munde un-
bekannter Magrebiner oder Tunesen erhalten haben. Andere
Wörter sind aus gut arabischen verderbt oder als Neubildungen
davon abgeleitet, wie äIoä für ^ii^A^ Kamm; y^-^vU;;; für
»Lä^ Lippen; »^-^^ von einem Manne für ^,^y>, kühn, eigent-
lieh Ä/öi-> ^3; «jis». und q^;^^ d. h. q^J^ Schnecke,
Muschel; jXcol, d. h. Jjü' er strauchelte und stolperte; (joh'»
in der Bed. von jj^^tan tauchen; id)tju;^ q« d. h. (i<<IJ ^^^«^ q^
28*
414
von damals; _>^ d. h. _>^l, ein Wort zum Antreiben;
desgleichen jLJlLu für .J;, Leibgürtel; A(,.*5>* für «*>K n>th:
x/t«uyft3- für J^j, scheinbar so genannt, weil die Hand fUof
Finger hat ; daher auch der Ausdruck einiger unsrer gemeinen
Leute ;j«^**^, d. h. lege Deine fünf in meine.*) Zu dem Sonder-
barsten aber was er aus diesen Wörterverzeichnissen genommen
« o ^ «
hat gehört swcsj für ö^^, wovon er auch eine andre, noch
übler lautende Schreibart H^ mit ximt s\^\ beibringt.
Was die heutzutage bekannten gemeinsprachlichen Ausdrücke
und vorzüglich die völlig verwerflichen darunter betrifft , wie
:a^^ 2a^^ \J^^ Alftc o'^^j^ ^^ y^^ J^^-^, -^j-
jji^y, Jaj^, ^ d. h. ^Jl^\j^\j und «li, ^jJ», ^,,^^! ^^^
und ähnliche, so sind diese in so grosser Anzahl da, dass
wenn man dieses Buch genau darauf ansähe, man finden würde,
dass der grösste Theil davon aus dergleichen von der gebildeten
Sprache nicht aufgenommenen Ausdrücken besteht, hinsichtlich
derer es für uns unverständlich ist, was sich der Verfasser als
Grund ihrer Aufnahme gedacht hat^). Ueber den Grand, wei-
chen der Verfasser für ihre Aufnahme zu haben slaubte, sind
wir im Dunkeln und es ist uns nicht klar geworden, zu welchem
Zwecke der Verfasser so eifrig dahinter her ist, sie zu sammeln
und in diesem werth vollen Buche unterzubringen. Denn wenn
die Absicht dabei war, diese Wörter dem Grundbestande der
Sprache anzuschliessen, so dass nun auch die Begierungs-
beamten und Schriftsteller ihren Federn erlauben dürften davon
Gebrauch zu machen, so gränzt dieser unverständige Anspruch
an Ungereimtheit; die geringste Folge davon wäre die Nieder-
reissung der Eckpfeiler der Sprache, die Entstellung ihrer
h) Dazu Landberg: In Aegyplen, 2u«wwcLi>, er ass mit ihm mittels
seiner fünf Finger. In Oberaegypten x.»*«»^ d. h. er schlug ihn mit der
flachen Hand.
2) Hierzu Landberg: Wir hingegen keineswegs; denn die Wichtig-
keit der Aufnahme dieser von der klassischen Sprache Eurückgewiesenep
Wörter ist für uns selbstverständlich.
415
Schönheit und die Vermehrung ihrer Worte bis zu einem Grade,
der weit ttber die Grenzen des menschlichen ' Gedächtnisses
hinausginge , und zwar unnöthiger und unnützer Weise. Ist
die Absicht aber die, die Schriften der Neueren oder die Sprache
des gemeinen Mannes verstehen zu helfen: nun so sind jene
aus Bocthor's Wörterbuch und seinesgleichen aufgenommenen
Ausdrücke nicht in die genannten Schriften eingedrungen, und
von dem aus den alten Vocabularien Aufgenommenen ist heut-
zutage kaum noch etwas in Gebrauch. So bliebe als Zweck
übrig , dass dieses Buch die Stelle eines alle von den Arabern
jemals gebrauchten, in den rein arabischen Schriften aber nicht
vorkommenden Ausdrücke enthaltenden geschichtlichen Sam-
melwerkes einnehmen, aber keine Belehrung über den wirk-
lichen Sprachgebrauch bezwecken solle. Aber auch bei dieser
Betrachtungsweise ist das geschichtliche Interesse nur unvoll-
kommen gewahrt, denn es hütte auf die verschiedenen Wort-
gattungen aufmerksam machen und auch das Neugebildete und
Gemeinsprachliche, das Arabische und Arabisirte, das Ge-
bräuchliche und ausser Gebrauch gekommene bezeichnen sollen.
Dazu genügt es nicht als Beleg zu einem Worte die Schrift an-
zugeben, aus welcher es entlehnt ist, denn ungeachtet z. B.
Bocthor, wie wir oben gesagt haben, auf gemeinarabische
Wörter ordentlich versessen ist; und gerade recht unanständige
mit Vorliebe aufführt, so nimmt er doch oft auch ein neuge-
bildetes Wort aus dem Sprachgebrauche der tüchtigsten neueren
Prosaisten und ausgezeichnetsten Dichter und darunter be-
sonders wissenschaftliche W^örter, wie Kunstausdrücke der
Himmelskunde , der Geometrie und anderer W^issenschaften ;
dasselbe gilt von vielen anderen Schriftstellern aus denen er
Wörter genommen hat, und in deren Sprache man Gutes und
Schlechtes neben einander findet (wörtlich, in deren Sprache
man reines trinkbares und fauliges untrinkbares findet, man
auf Sand und feste Erde tritt). Im Allgemeinen stellt sich
dieses W' erk dar als Sammelpunkt der Extreme und Zusammen-
fiuss des Zweifelhaften ; aber wie viel näher lag es ihm . ein
Werk zu begründen und anzubahnen, welches sich im An-
schluss daran die Aufgabe gestellt hätte , eine der genannten
Richtungen entschieden durchzuführen ohne das Richtige darin
durch das Unrichtige zu entwerthen und das darin enthaltene
Nützliche nicht zum Theil unbrauchbar zu machen.
416
Die in diesem Werke aogeftthriea Wörter sind grOssten-
theils ohne Vocal- und andere Lesezeichen, ein die Nützlichkeit
des Buches bedeutend verringernder Mangel. Der Verbsser
bat auch selbst in seinem Vorworte daraufhingewiesen und be-
kannt, die Erfüllung dieser Aufgabe sei ihm nicht möglich ge-
wesen. Die Aufgabe eines zuverlässigen Berichterstatters sei
die Wiedergabe des von ihm Aufgefundenen , so vrie es eben
beschaffen sei; deswegen gebe er oft ein von ihm aufgefun-
denes verderbtes Wort in derselben Gestalt wieder und über-
lasse die Berichtigung desselben dem Leser. Bei^iele dieser
Anführungsweise sind folgende : ^) das Wort SJul so ohne alle
Bezeichnung der Aussprache, nimmt er aus Bocthor als arabische
Uebersetzung von idiot herüber, ohne etwas hinzuzufügen. Das
ist ein äusserst seltsames Wort, von dem wir nicht wissen wie
es wirklich heissen soll , wenn es nicht etwa aus &L^ (albern >
was jenes franz. Wort bedeutet, verderbt ist. Dazu gehört
ferner das was er unter dem Artikel ^3\ sagt: »(pl.) semhie
tatouage« d. h. ein Plural, scheint Tätowirung (*-%! zu be-
m
deuten. Dazu die Worte eines Ungenannten : »3 S^^^ x>^;>
iuiu^J y>^ JL xs^jtt^ q!j^! ;ji3*j l;?->3<» (abessiniscben
Ursprungs: in ihrem Gesichte solche ^jt, wie bekanntlich im
Gesichte der Abessinierin] . Das ist ein offenbarer Schreibfehler,
wie man auch die Berichtigung desselben bei Betrachtung der
Stelle durch das geringste Nachdenken von selbst auffindet.
Die Worte müssen ursprünglich gelautet haben: »l^i^*, 3
iUi..jj<^JI y>-^ J '^^j^^ J^"^^ {J^=^y '^ ihrem Gesichte sind
solche j\^\ [Zeichen, Zeichnungen) wie bekanntlich im Gesichte
der Abessinier«. Durch Schreibfehler ist aber das ^LS1 der Ur-
schrift in qj?, wie das iLiL*^5 derselben mit Zusatz des Re-
lativ-,^ in Äj^^Ai^Jl übergegangen, — das letzlere im Wider-
spruch mit dem Sinne, der sich beim ersten Blick auf die Stelle
4) In der 1. Ausg. von Bocthor, Paris 4828, steht: »Idiot, e, adj.
Stapide. scXjU aLL ajvX»-. in**r.«
417
dem Leser als selbstverständlich aufdrängt, da mit diesem
Worte ('xJ^:svJt) ja unverkennbar das ganze Volk als Gattung
gemeint ist (die aber ^..iilXA^t heisst) . Zu dieser Kategorie ge-
hört ferner bei ihm: »bj^« was er mit otribut, impc^t« (arab.
— L3- oder 'tL^yo) erklärt. Das Wort aber bedeutet nichts der-
artiges, vielleicht soll es heissen ^^ oder '^\^^ (etwas zu
entrichtendes, abzuführendes)'; ferner »A^M^y^jU in der Be-
deutung von ßyj-] (die Seide) aus Boctfaor herfibergenommen,
aber wie es scheint in der dem Verfasser (Dozy) vorliegenden
Ausgabe verdruckt, wogegen in der zu Paris im J. 4864 ge-
druckten Ausgabe (richtig) a-^mj^^I steht. ^) Nachher bringt er
auch dieses j^^wo^^Jt und erklärt es mit »soie m^lee de coton«.
Obgleich aber die bezüglichen Worte eines europäischen Schrift-
stellers (des Engländers Burton) diese Uebersetzung verlangen,
widerspricht sie doch der unter den arabisch Sprechenden all-
gemein gebräuchlichen Bedeutung (Seide schlechthin, nach dem
Persischen *^-j^). Ferner unter dem Artikel (jVjy: \^j^>
.Luv> SAA y^L y^y^^a (NowaiH, Espagne 470). Diese
Worte sind offenbar zum Theil verderbt : /J^^ lässt sich nicht
rechtfertigen; es muss durchaus mit Verbindung der beiden
/Ä heissen t'j^^ was die regelmässige Wortform des Bein-
arabischen ist; eine etwaige Berufung darauf, dass es, so wie
es eben in der Handschrift steht (sprachlich richtig oder un-
richtig) wiedergegeben sei, ist daher ungültig. Ferner sagt
weder ein rein- noch ein gemeinsprechender Araber >^L
.LuJ 'jUa (für tausend hundert Dinare); das Richtige ist hundert
vor tausend zu setzen. Dazu kommt, dass der Verfasser die
angeführte Stelle als Beleg für »r^i^a gegeben , aber sie nur
durch »traduire qqn. en justice« übersetzt hat, was die schon
i) Und so auch in der 4. Ausg. v. J. 4 838. Es ist demoach Dozy's
*AjM.jt einfach zu streichen.
41S
ib tlen arabiäebeo WörterbOcherD aiifegcbeiie BedeaUms ist:
eä baue daher keioeD Zweck, sie hier so wiederiK>leii.* Aber
solche Worte wie dieses stehen noch viele andere in dem Werke,
die der Verfasser aufgenommen bat, wiewohl sie klar and deat-
lich in den arabischen W^drterbücfaem stehen, wie z. B.
in der Bedeaiung von .^*' ä^,^'. der dessen Meinansen das
Bechte treffen . sieh besldtisen : er hat dasselbe aafsefohrt od>1
mit einer Stelle ans den Mak^men Hariri's belebst, obgleich ^
in (jrauharl's Sah^ steht: im Kamüs allerdinss ist nur in ud-
« & 9
genügender Weise davon die Rede. Ebenso » ^^
^S^ JoJUi.« jagement sain et solide: » jiÄ>i>^w*i fttr_
h^^tX'*" das Werkzeus womit das Getreide ausaekömt wird
f^.AüJ, waJ« mit ..^^ eines Gegenstandes, und
«>juJU alle diese Ausdrücke stehen im KAmüs. Auch «-«^
' • «*
1^ •« mit der Scbärfung des zweiten Consonanteo in
beiden . hat er als ausschliesslich in Versen gebraucht darne-
stellt, während sie die allgemeinen Dialektformen des Stam-
mes Hamdän sind, wie die Schriftsteller über die Formen-
lehre ausdrücklich angeben. Ferner: jix-«JLj.«, was er
nicht erklärt, während es im Kamüs unter \^^ so an-
gegeben ist: (ein Teufelskerl) y^ö u*^^ ^^ y^ ^Jb^ Jo*,.
Äjb^ s>L^x..*mJL' JJü (in der im J. 4289 in Cairo gedruckten
Ausgabe [des Kiimüs^ aber steht &JLt. mit dem Kesr des Pro-
nominalsufßxeS; was ein Fehler ist) d.h. 9Si Ju^, wie man (in
lobendem Sinne) sagt u5ü v^l >(; dann hat man daraus ein
sich als nur ein Wort darstellendes Compositum gemacht, und
endlich zur Bedeutungsverstärkung, wie bei K^b statt sb.
1 ) Graf von Landberg bemerkt zu Dozy's Rechtfertigung : » Aber nicht
aufgenommen in die Europäisch-arabischen Wörterbücher«.
419
G-
ein 9- angehängt. Damit steht in Verbindung, dass er un-
nöthigerweise auch die regelmässig abgeleiteten Wörter auf-
nimmt, wie ^^^-^u» und|K>JU, ^vXäi und y»! Comparative von
^ o >
is^iAi und ^^2£>, das letztere in der Bedeutung von oy^;
desgl. ,1^, Relativnomen von J^ als term. techn. der Geo-
graphen und Astronomen, während er das Wort J^ selbst in
dieser Bedeutung, dessen Aufnahme doch näher lag und dem
Zwecke seines Werkes mehr entsprach, auslässt, ebenso ^^J^
als Qualificativ eines Pferdes, obgleich es nichts anderes be-
deutet als: zuNegd gehörig (daher stammend u. s. w.); ferner,
dass die Araber sagen ».li 'i^c. (geringe Gabe} mit Bezeich-
nung des Adjectiv-femininums durch ein angehängtes ö , was
doch ganz regelmässig ist, da .ji zu der Wortklasse wie v^..oud
(fem. xaäas), nicht zu der wie jcXc (fem. ebenfalls JlXc) ge-
hört. Nach Analogie dieser Fälle von unnöthigerweise aufge-
nommenen Wörtern hat man auch alle ähnlichen zu beurtheilen.
Häufig geht er fehl in Bezug auf rein lexikalische Fragen,
indem er ohne gehörige Sachkenntniss dieses fUr falsch, jenes
für richtig erklärt , wie es ihm im Artikel .Uü begegnet. In
der Hauptsache sagt er da folgendes: Dieses Wort steht in
Wtislenfeld's Ausgabe von IbnHallik^n's biographischem Werke
in der Pluralform qU^is. Diesen PI. aber halte ich für ver-
werflich; nach meiner Meinung muss es oLLbJs heissen, wie
in der Bulaker Ausgabe u. s. w. Aber beide sind irrthümlich;
das Richtige ist oUai» mit zwei Dammah, PI. von J^ä, dem
PI. von ^liä; o^Ltiä, ist, wie man im Tag al ^arüs bemerkt
findet, gemeinarabisch. Etwas ähnliches ist ihm in dem Artikel
vi;^- begegnet, wo er ^^LjLXsit mit a des zweiten Stammcon-
sonanten schreibt, und sagt : »Dies ist, wie Lane bestätigt, so-
wohl Singular als Plural«, wozu er dann die Worte eines ün-
420
genaDnten anführt: »w^^ ,«^>-^t :j^y dyui fLi>Ji ^ü»
qLS'lX^U, und weiter sagt: »De Sacy und de Slane Tocalisiren
an dieser Stelle qL^cN^I mit Kesr (des -, und Siikün des j);
ich aber halte QLj;LXi!^t mit ä des zweiten StammconsonaDteü
fUr richtiger, weil nach dem vorher gesagten diese Form gleich-
massig für den Singular und Plural gebraucht wird« u. s. w.
Das Richtige ist nämlich gerade das Gegentheil von dem was er
da sagt. Gleichmassig als Sg. und PI. braucht man ^I^J^
mit Kesr des h, denn erstens kommt es vor als Infinitiv von der-
selben Form wie qU^ , dann aber auch als Plural von v^^x>
mit zwei a, wie qIoJ^ PI. von cXJ^; qL^cX^ aber ist nur
Infinitiv^ denn der Plural hat überhaupt nie die Form q^«
indessen ist hierbei zu bemerken, dass beide Lesarten sich
sprachlich rechtfertigen lassen, indem der Infinitiv eine ße-
griffsgattung darstellt, und demnach, wie alle übrigen Gat-
tungsDomina sowohl den Singular als den Plural unter sich be-
greift. — Etwas Sonderbares ist ihm in dieser Hinsicht auch in-
sofern begegnet, als er gegen Lane tadelnd bemerkt, derselbe
habe ^Jü^b^j ääju^! durch äI Is^l^ erklart. Er sa^t: »Er
(Lane) hat diese Erklärung buchstäblich von den arabischea
Schriftstellern herübergenommen; aber sie ist zur Darstellung
der Bedeutung dieses Ausdruckes unzureichend«; er selbst
nimmt dazu die darauf bezügliche Stelle eines der oben er-
wähnten Wörterverzeichnisse zu Hülfe, nämlich dasjenige, wel-
ches er mit der Abkürzung »Voc« — d.i.Vocabulaire*) bezeichnet:
die angebliche Hülfe besteht darin, dass dieser Ausdruck in dem
genannten Voc. unter dem Worte j«jü (ja, so ist es) angeführt
sei, und demnach Zustimmung und Annahme ausdrückt, so
dass die Bedeutung von jOC:>L<^ b^ o^iJUMt sei , ich sagte
zu ihm: »Ja«, d. h. ich bewillige dir das, um was du mich er-
^) Nicht so, sondern, Vocabulista; s. Dozy's Pröface S. X und Liste
des auteurs citös. Explication des abr^viations S. XXVIIlb Z. U n. <5.
421
suchst. (Bis hierher nicht der Wortlaut aber der Sinn der
Worte des Verfassers). Das ist aber eine sonderbare Deutung,
die nie einem Araber oder Niohtaraber eingefallen ist und die
auch weder ein Gelehrter noch ein Laie annehmen kann. Aber
noch sonderbarer ist, dass er denSpracheigentbümern, zu denen
er sich in Betreff der Spracbkenntniss doch nur so verhalt, wie
wir oben gezeigt haben, Fehler nachweisen zu wollen wagt,
und dass er, noch mehr, gegen ihre Gelehrten ein solches Buch
zu Hdlfe nimmt , von dem schon früher die Rede gewesen ist,
so dass es nicht nöthig ist, seine Charakterisirung hier zu
wiederholen. Aber doch noch sonderbarer als dieses alles ist
es dass Dozy selbst in der Vorrede seines Werkes, da wo er zur
Angabe der bekanntesten Bücher kommt, auf die er sich in
seinen Entlehnungen gestützt habe, unter ihnen dieses Buch als
eins von unbekanntem Verfasser und Zeitalter nennt ; wonach
wir nicht wissen , wie es ihm moralisch möglich gewesen ist,
sich demselben bei den Entlehnungen daraus so vertrauensvoll
hinzugeben, ja, damit noch nicht genug, das Buch sogar als Auto-
rität denvertrauenswürdigsten und zuverlässigsten Gelehrten ent-
gegenzustellen. Die Worte mit denen Lane den genannten Aus-
druck erklärt sind dieselben wie in6auharrs$ahäh und beinahe
die nämlichen wie im E^müs. Mögen die Verständigen hiernach
urtheiienl Ebenso beschuldigt er unter dem Artikel ^^^
Tebrizt, den Commentator der Gedichtsammlung Ham^sah , in
den Worten wA^iAJb l-^^^JLb tu »Jasil\ 0»:^^^ (ich habe das
1
Silber vergoldet) eine falsche Erklärung gegeben zu haben, in-
dem er im Sinne unsres xjL:>^ Liui^ ^L^t sagt »der Gom-
mentator hat falsch gehört und falsch verstanden, denn das
Verbum ist nicht .^ sondern ,^\^ und dessen Bedeutung
nicht: er hat das Silber vergoldet, sondern : er hat es gereinigt
und geläutert«. Das hat er genommen aus einem Buche über
die Geschichte der 'Abb^diden von einem Schriftsteller dessen
Namen er nicht angiebt. Nun steht zwar keines von beiden
Wörtern in den uns vorliegenden Wörterbüchern, aber einem
Manne wie Tebrlzl darf man einen andern nur unter der Be-
dingung entgegenstellen, dass dieser zu den grössten und an-
erkanntesten Sprachautoritäten gehört. Ferner bestehtzwischen
1
422
^ (eig. bedecken, überziehen) und 'iLiasu\ &^^', dem Silber
einen täuschenden Ueberzug geben, offenbar SinDesverwandt-
schaft, und es ist daher nicht verwunderlich, dass er (Tebrizi
in dem Exemplare irgend eines Wörterbuchs diesen Ausdruck
vorgefunden hat. Aber auch angenommen, dass ,^f* anderswo
nicht in dieser Bedeutung vorkomme, so ist doch wenigstens
die Bestätigung des angeblichen y5^ durch einen zuverldssigeo
Gewährsmann zu verlangen. Ist diese nicht zu beschaffen, so
heisst dies nichts anders als einellngewissheit durch eine andere
bestätigen wollen.
V^on derselben Art ist, was er über das aus dem Muhit al
Muhit angeführte gemeinarabiscbe «aj %^, vom Hühnerge-
schrei (Gackern) sagt: »Er (der Verfasser des M. al M.) meint
die ursprüngliche Form davon sei Jbu' (komm!) was aber sehr
unwahrscheinlich isla u. s. w. Dies ist ein rein willktthrlicber
und bloss muthmasslicher Ausspruch. Hätte er unsre gemeinen
Leute jemals sagen hören: »Ljü* La^« d. h. SImH JLju*, so würde
er die Angabe des M. al M. nicht so unwahrscheinlich gefunden
haben , da bü sich von La^u nur durch den Zusatz des ^ zur
Dehnung des Vocals unterscheidet, ausserdem dass jenes j*j
zur richtigen Wiedergabe der Art wie unsre gemeinen Leute
es aussprechen am Ende mit einem Alif zu schreiben ist : Im*.
Sonderbarerweise hat er unter Jljü und ^iLjü das daraus ab-
gekürzte Lxj und^^^' nicht angegeben , obgleich er sonst solche
W örter so eifrig zusammenstellt, und beide im M. al M. stehen.
Willkührlich verfahrt er bisweilen in der Bedeutungsan-
gabe mancher Wörter, z. B. in der Stelle aus Ibn Batütab. ^vo
dieser als von Berbern gehört folgendes anführt. »Sie (die
Neger) sagen der Genuss des Fleisches eines weissen Menschen
sei schädlich, weil er nicht reif, der Neger hingegen nach ihrer
Meinung ein wirklich reifer Mensch sei«. Nach Anführung der
französischen Uebersetzung dieser Worte, in ihrer, sich von
selbst aufdrängenden, natürlichen Bedeutung sagt er darauf
423
9
zurückkommend, er möchte ^^^Aiai lieber durch «.«^ (verdaulich
sein) erklären, so dass der Sinn wäre: » das Fleisch des Weissen
ist schädlich , weil es unverdaulich, dahingegen das des Negers
nach ihrer Meinung das wirklich verdauliche ista. Welch un-
wahrscheinliche Erklärung! Die Aerzte drücken den Begriff
von j^xQ^ bisweilen durch ,a^^ aus; aber das ist ein ihrem
Sprachgebrauch eigenthümlicher wissenschaftlicher Ausdruck,
der weder mit der ursprünglichen Bedeutung etwas zu schaffen
hat, noch im Sinne der an jener Stelle Sprechenden liegt; diese
wollen damit nur sagen , das Fleisch des Weissen sei roh , weil
sie keine Einwirkung des Sonnenbrandes auf ihn wahrnehmen,
das der Schwarzen hingegen reif (gar), weil die Sonne auf das-
selbe offenbar ebenso eingewirkt habe, wie das Feuer auf die
seinem Anhauche ausgesetzten Gegenstände.
Etwas derselben Art ist ihm in dem Artikel cl^A> in der
Erklärung von vii^SiA^t in dem Ausdrucke c;jt^Aj>!Jt v^^^-U? be-
gegnet, worin es heisst: der und der »yoJI viilcK^l J^ q^
und wenn Ibn al Attr sagt a.am!jI( vi^tJo!^ / ^J^^ i^^j^J ^^^Y
meint c:;tcX.>^{ stehe hier überall in der Bedeutung von ÄJL:5:uiJI
la police, und übersetzt die Worte Ibn al Atir's so, als sei da-
mit gemeint : der Polizeimeister über die Strasse nach Mekkah
während der Dauer der Wallfahrtsceremonien daselbst. Dem
wesentlichen Sinne nach liegt dies allerdings nicht weit vom
Richtigen ab, aber am natürlichsten und w^ahrscheinlichsten
sind mit ii;!cXj>!i! die Verbrechen (j^Jty^t) und die vorkom-
menden Missethaten (otXUt) gemeint. Es ist dies eins der
Wörter welche in den klassischen Wörterbüchern, mit einer
dieser nahekommenden Bedeutung stehen ; das Abweichen da-
von zu dieser Deutung ist somit nichts anders als ein der
Sprache angethaner Zwang. Derselben Art ist seine folgende
Erklärung von cxX> durch apprenti, celui qui apprend *un
metier, die er aus folgenden Worten Hatib's gefolgert hat. »Die
Wohlhabenheit ist in ihrer Stadt allgemein, sogar in den Werk-
stätten , wo die dort betriebenen Gewerbszweige viele vij!vAs>l
vereinigen, wie die der Stiefelmacher u. dergl.cf Er erklärt
also vi^^iAp*! hier durch Handwerkerlehrlinge , was sich aller-
424
dings aus dem ZusammeDbange ergiebt, obne dass jedocb diese
Bedeutung im geringsteu in dem Worte selbst läge, sondern
cl^lJo^l sind eben nur, wie es in den (klass.) Wörterbttchern
heisst, ^^y^Jt j^liudjt, die jungen Burschen, und dies >vill
Hattb ausdrücken. In demselben Artikel führt er folgende
Worte eines andern Schriftstellers an, v^Jb> c:jtjLs»t fcJLc JU;:J,
er brachte die vi>tvXs>5 von Haleb zum Aufruhr gegen ihn, er-
klärt da dasselbe Wort durch les gens du bas peuple und zeiht
Quatrem^re eines Fehlers, dass dieser o!jL>yi hier durcji les
jeunes gens erklärt habe, aber das Bichtige ist was Quatremere
sagt, als die richtige sich von selbst darbietende Bedeutung des
Wortes, neben welcher seine Deutung sich offenbar als un-
nöthig darstellt.
Wenn man das ganze Buch aufmerksam durchgeht, findet
man eine verwunderlich grosse Anzahl dieser unbegründeten
Vermuthungen. Man sieht wie der Verfasser bald, indem er
sich mit der Erklärung der Wörter abmüht, ihnen trotz
des Vorhandenseins klarer Bestimmungen, willkührlicbe Be-
deutungen beilegt, bald sich soweit gehen lässt, Schriftsteller
ohne alle Autorität für das Aechtarabische zu citieren und ihnen
Angaben zu entnehmen, welche für jeden der die geringste Be-
kanntschaft mit dem Aechtara bischen hat, offenbar falsch sind.
So in seiner Erklärung von UjS ^j^ durch se lever prompte-
ment, brusquement ; der Ausdruck enthält nichts woraus diese
Bedeutung genommen werden könnte, sondern gehört zu dem
sogenannten HJ^j^ o^ (dem bloss verstärkenden Zustands-
ausdruck) wiedies in denSchriften der Grammatikerausdrücklich
festgestellt ist. Ferner in seiner Erklärung von -^^^ jy>
durch desarmer, öter les armes, die Waffen abnehmen und die
damit Versehenen waffenlos machen. Diese Bedeutung ist in
solcher Verbindung unnatürlich ; ^^ hat in derselben nur die
Bedeutung von ß^ und steht ursprünglich vom Schwerte, wel-
ches 8A4X Q^ ^y?V. entblösst aus seiner Scheide gezogen wird:
weiterhin gebraucht man das Wort aber auch in freierer Weise
425
und die von Dozy angegebene Bedeutung giebt z. B. den Sinn
von -^l^t Q* ?Oy> er entkleidete, beraubte ihn der Waffen,
nahm sie ihm ab. Etwas ähnliches thut er bei der Erklärung
der Worte des Abulfarag: ,L^ aäLäj äjL.^ q^^ ^Ji^ ä-JI V^
»jJlma /cX»3« [II, 366»», 9—7 v. u.], wo er jlaä durch f^
und (joLfiAjf, injurier, outrager, erklärt. Aber diese Bedeu-
tung steht durchaus in keinem OriginalwOrterbuch , auch wird
sie weder vom acht*- noch vom gemeinarabischen Spracbge-
brauch unterstützt. Es ist mit «lad gemeint (k>^t J^a> «Li
ÄLoJt 3^ das Band der Freundschaft oder des freundschaftlichen
Verkehrs «erreissen, wie in dem nachher [II, 367*, 6—8,] von
ihm selbst als Beleg angeführten Ausspruch Mohammeds, ^^
vi5Ui^ ^^«4^ s-ft£^3 u5oJ3d ^j% , 0 Knüpfe wieder an mit einem der
sich von dir getrennt hat, und sprich von Schuld frei einen der
dir Unrecht gelhan hat«, wo er dasselbe Wort durch rompre
Tamitie ou le commerce avec qqn. erklärt. Zu derselben Kate-
gorie gehört seine Erklärung von iLyo^j>^t durch r^gles d^une
langue , entlehnt aus Bocthor in dessen Erklärung von Gram-
maire. Aber das ist eine der subjectiv-willkührlichsten Er-
klärungen Bocthor^s und man hat nie etwas derartiges gehört
ausser bezüglich des Wortes Kämüs, welches der gemeine Mann
schlechthin von jedem Originalwörterbuch gebraucht. Nun
taugt aber bekanntlich nicht alles was ein Einzelner sagt ohne
Nachdenken und kritische Prüfung zu weiterer Anführung und
zur Anwendung als Beleg ; sonst virttrde ja auch die Anführung
von Sprachfehlern , Wortverdrehungen , falscher Consonanten-
aussprache und unrichtigem Näsein zulässig sein und dadurch
die Sprache selbst verderbt werden. Einen lexikalischen Miss-
griff hat er femer begangen in seinen Worten über ^1, wo er
angiebt, es komme vor in der Bedeutung von |»y> ^ 9 certaine-
mentff [I, 32*, 9 flg.;] und als Beispiel davon al Fahrfs Worte
anführt: ^y>^l (.s5U^ oUb '%^ ^^um' ^ ^t, ebendahin die
426
- 9
Worte eines Andern zieht : 5^^ &a9 / öaj J qÜCo vJdL^ .^o \3\^
(^.^3 ^t cLjMyjt Q« und ebenso das (^j^\ tj^ ^^ l§H^^ !^^>^
.y^. eines gemeinarabischen, aegyptischen Dichters [loin de
moi Tamourl certainement Tamoür blesse]. Alles dies be-
ruht auf Verwechselung verschiedener Dinge und gnindloser
Vermuthung (ääjL^). AI Fahri's Worte sind in späterer Ueber-
lieferung oder schon in ihrer ursprünglichen Gestalt mit einem
Sprachfehler behaftet; der richtige Ausdruck ist: My^y^\ ^!
^->y5 «5Ua^ oLw ^I^ «wenn du dich weghebest — ; wo nicht,
steche ich dir auch das andere Auge aus«,)) d. h. wenn du dich
weghebest, so gehe in Frieden, SCcXxJL oder ein sinnver-
wandtes Wort ; wenn aber nicht, so u.s. w. Diese Satzbildung
ist im guten Arabisch sehr häufig und der Belege dafür giebt es
unzählige. Ein Dichter sagt :
»Ich spreche zu ihm: Brich auf! Verweile niebt
länger bei uns! —
Wo nicht, so sei wenigstens innerlich und äusser-
lich ein ächter Moslim«.
y^^ ^1 ist soviel als üLP ^! ^] somit dient 'S\ hier zum
Ausdruck der Beschränkung (.-Aa-:5:üJ). Endlich das »9l
r r^'^J^^^^ ist aus einem in der Sprache der gemeinen Leute
gedichteten Liede, bei welchen oft "^l in der Bedeutung des
satzeinleitenden ^1 (<>U>L;:aä^:j1 ^I s. Lane unter ^t Seite 76^
Z. 5 f]g.) steht und demnach aus diesem verderbt ist. Sie sagen
z. B. ^i ^JJ^ Ji o^ ^t und ^iLs ii ^yo! St und Ü\
Jilc J^. Q^ und nach Analogie dieser Beispiele sind ähnliche
i) Richtig erklärt und mit Beispielen belegt schon in de Sacy's
Gramm, arabe. II § 876 S. 484—486.
2) S. meine Klein. Schriften I. S. 504 Z. 42 flg. zu de Sacy I, 558,
45 flg.
427
Ausdrücke zu beurtheilen ^) . Betrachtet man diese Beispiele
eins nach dem andern, so gehören sie alle zu den Gebrauchs-
weisen von ^t, welches ursprünglich , wie die Lehrer der
Syntax bemerken , eine Bestätigung, /^^ä^^, ausdrückt, wo-
nach der Sprachgebrauch des gemeinen Mannes, allerdings mit
Verwechselung von ^t und ^{ dem der ächten Araber getreu
a
geblieben ist.
Etwas Aehnliches ist ihm bei der Besprechung des gemein-
arabischen 9(^5Jua begegnet. Er sagt darüber im Wesentlichen
die ursprüngliche Form dieses Ausdruckes sei J^t ^\ ^ uVj ^ ;
man habe dann das J vor dem Pronominalsuffix weggelassen,
und so sei daraus ^^500 ^ geworden , dann weiter das ^ und
das ^y vor einem Nomen [JjüJt er «^ «Aj ^] und dasselbe mit
^t vor einem Verbum, so dass man schliesslich z. B. ^^,\ ^Jo
[st. -.«^.t qI ^ ^ (Aj ^] gesagt habe. Hierzu rechnet er dann
das gewöhnliche »Ju JJ' ^y^ [de toute necessit^], denn ju ge-
hört nach seiner Angabe zu den BestätigungswOrtem u. s. w.
In Wahrheit ist aber die richtige Form des gemeinarabischen
^^Jü und sJu: (^^ und s^ welches so gebraucht rein
arabisch und allgemein bekannt ist; später hat man durch
Wortverkürzung (Synkope) das ^ weggelassen und ^Ju ge*
sagt. Das gewöhnliche vXj JJ^ ^r ^^^^ ^^^ ^'^ offenbarer Fehler,
in welchen man dadurch verfiel dass man die Bedeutung dieses
Ju nicht mehr kannte. Die Form dieses Ausdruckes ist ^y
Ju jac »unvermeidlich, unausbleiblich«, wie manche Leute
4) S. Tratte de la langue arabe vulgaire par le Scheikh Mohammed
Ayyad el-Tantawy S. 73 Z. 48 ^^a^ ^I v^ JIS » U m'a dit que je devais
absolament Tamener «.
4887. 29
428
auch den Fehler begehen in sagen: gyt ^ >|f ju^j ^ statt
3^ ^1 juu: Li, indem sie die ^dnrcfa "SS ansgedrackle] Beschrän-
kung gleichsam nodi verstärken wollen, wodurch aber die Be-
deutung g^en ihre Absieht in das gerade Gegentheil des ur-
sprttnglichen Ausdruckes umschlägt.
Sonderbarerweise stellt er dergleich^i subjective Ter-
muthungen ohne Rücksicht auf; dagegen stossen ihm fiber klare,
unzweifelhafte Dinge Zweifel auf; so wird er bei dem aus Boc-
thor genommenen i^j=>^ ä^^ ^ bedenklich und fragt dann, ob
dies vielleicht eine Entstellung von LJj sei? Dasselbe ist der
Fall wo er die Worte eines Anderen auflührt: Jq^oL^JI ^i^.
^'S\^ ,^yj^'^ y^^b;,l^ J^{ ^ Ji-o« [11, S. 196» Z.7 — 5 v. u/.
da hat er die Bedeutung von ^-«ajl;! nicht verstanden und sagt:
»semble signifier personnellementc; dies ist ja aber durch die
Erklärung von q^H^I in den Originalwörterbttdiem bestätigt
und dieser Zweifel somit unstatthaft. Offenbar hat er daher
die Bedeutung dem Zusammenhange, nicht dem Worte selbst
entnommen, wie in ähnlichen frdheren Fällen. Häufig vermischt
er in der Angabe von Wortformen unnberlegt verschiedenes,
wie wenn er sagt, »^kX1\ i3j^^^ <fJsü\ C5^* beide Formen nadi
Bocthor. Er bezieht somit die dreiconsonantige (erste) Form
ausschliesslich auf das Herz , die vermehrte (vierte) aber auf
das Blut; aber beide bedeuten ein und dasselbe, und diese
Unterscheidung hat keinen andern Gi*und als die Untd)eriegt-
heit Bocthor's, der im ersten Beispiel die in der gemeinen
Sprachweise fibliche Form angiebt, in dem zweiten aber die
hocharabische aufstellt. Denn der gemeine Mann sagt nicht
f Äj^t, wiewohl in dem abwechselnden Gebrauch der einen wie
der andern Form an und ftlr sich nichts Ungewöhnliches liegt.
Bisweilen versieht er sich in Aufstellung der Wortstämme, so
setzt er \^K^^h*ai\ in der Bedeutung von ^^jX^\ t-^^^^^f A^
räumlich und zeitlich ebenmässig Fortlaufende, Zusammen'
hängende, unter einen Artikel w-.J?od, macht das Wort xo
einem selbständigen Stamme, während das Richtige gewesen
429
wäre, es zusammen mit den von ihm unter dem Wortstamme
V9O' aufgeführten Bedeutungen der achten Form zu stellen.
Dann und wann begeht er Sprach- und Formfehler in der
Vocalisation, wie wenn er sagt »äLU jJ-^'^ «Ic^^jXä! « mit dem
Aecusativ der beiden Nennwörter; er scheint ^^X^! für transitiv
zu halten und übersetzt: »satisfairesavengeance«. Ebenso sagter
nachhen>X4ld ^^Xä^U mit dem Aecusativ von wJld, übersetzt aber
^tre satisfait, widerspricht also in seiner Vocalisation seiner Ueber-
setzung. Diehierauf folgenden Worte eines Dichters führt er so an :
)>Ju5üt ^«>|>d ^y^:iJit\ cX3« mit Bezeichnung des \XkS als No-
minativ; dadurch ist aber wunderlicherweise doch nicht auf
die Intransivität des Zeitwortes aufmerksam gemacht worden.
Ebendahin gehört dass er Kj^ß schreibt slatt lh^LL^, da das
Wort türkisch, aus ^, ein, und o^Ub, Stein, zusammengesetzt
ist ; ferner dass er unter dem Stamme q(^^ schreibt : ^^öo\
y^i,%4J^ ^^^ mitPamm des Nun, was er dann auch eine Zeile wei-
terhin wiederholt, wahrend es doch nachdem in den Grundlehren
der Formenlehre Festgestellten richtig v;>w4i heisst, obgleich
das Wort ein ^ zum Mittelconsonanten hat; ferner, dass er
■•
unter (j^». , wo er bei Anführung der Dichterstelle ^^^^ J^
«• ••
ääJl^ H^^ A'^ d^s ^ '^^ ÄÄJ^ mitFath vocalisirt, und dann
meint, es müsse dieses Wort ein Passivparticip sein, ohne weiter
etwas hinzuzufügen , das ist eine wunderliche , in keiner Weise
zurechtfertigende und von den OriginalwOrterbüchern nicht
unterstützte Behauptung; denn das Wort ist ohne Widerrede
immer intransitiv [also ääJl^ zu lesen].
Im Gegensatze hierzu findet man in dem Buche, wenn man es
genau einsieht, schöne Bemerkungen von treffender Richtigkeit,
feine Berichtigungen der früheren Schriftsteller dieses Faches,
wie sie liur von umfassender Belesenheit ausgehen können. So
wenn er gegen Lane's Uebersetzung der Worte eines Schrift-
29*
» ^
-/
y ,
430
siellers ^h:uS\ ^ Jaj ^i ^^^^^ ^^ ^ ^|; lP^* *^^ *^^^
stellang macht . > Lane übersetzt 9JJ»S\ i^ ^2u ^ gieidibe-
deutend mit jüC^Jl U^; dies ist aber nicht richtig; deno
j3ÄJt hat die Bedeutung von y^gjJt ; wenn er es fibersetzt hätte
\a^\ Lt ÄLLä« ^, so wäre es sinnentsprechender gewesen f.
Das ist eine ausgezeichnet scharfsinnige Bemerkung, wenn auch
beide Uebersetzungen im Ganzen ein und dasselbe ausdrücken,
indem Dozy die eigentliche und wesentliche Bedeutung des
o
Wortes bestimmt; denn die Formen Jms und ^^ sind aner-
kanntermassen oft gleichbedeutend, wie Jjo» und J^j^ : «^
und \.>A^; J^Xc und J^aXc und ebenso Jai und ^J^ wie io
den Originalwörterbüchem zu finden ist. Ebenso wenn er
gegen die von einem Andern unter einem der früher erwähnten
Wortstämme gegebene üeberselzung von »»q^ ^f^^ ^
gleichbedeutend mit s^äa^J! jy> tadelnd bemerkt »das ist
falsch; das Richtige ist: er schickte gegen ihn eine ikXjy> d. i.
eine Abtheilung Reiterei in Uebereinstimmung mit der Angabe
Freytag^sc Damit hat es seine Richtigkeit, wiewohl der Aus-
druck hier, da die W^eglassung des Objectes etwas Hartes bat,
an und für sich nicht zu empfehlen ist, wozu noch kommt, dass
man in diesem Sinne eigentlich aJLc cy> sagt und aI jy> sieb
nur durch künstliche Deutung [il detacha un corps de la
cavalerie pour lui, c*est-ä-dire pour le combatlre] rechtfertigen
lässt. So femer, wenn er gegen Freytag*s Erklärung von
^aL^wLm.1 als gleichbedeutend mit v..&i:> bemerkt : »In dieserBe-
deutung sagt man .^j^J^cz^ in Passivform, wie ^ob s^j^J^^,
er ist zum Chalifen ernannt worden u. s. wa.
Ausserdem macht er richtige Bemerkungen über viele
Wörter der späteren und Gemeinsprache, sowie zur Auf-
klärung ihrer ursprünglichen Bedeutungen und der Gegen-
431 - —
Stände von denen sie hergenommen sind, durch eigene Auf-
findung oder durch Anlehnung an Andere, — Bemerkungen
welche eindringende Ueberlegung und reiche Sachkenntniss be-
weisen. Ueberhaupt, wenn ihm bei diesem Werke nur das Ver-
dienst zukäme, dass er darin Dinge zusammengestellt hat, wie
vor ihm kein Anderer, und dass er sich deswegen die Mühe ge-
geben hat hunderte von Büchern durchzulesen , in Verbindung
mit seiner umfassenden Kenntniss einer solchen Summe von alt-
arabischer Sprachgelehrsamkeit, ohne dabei im Verkehr zu
stehen mit den Eigenthümern dieser Sprache und ohne mit den
gelehrten und schöngeistigen Vertretern derselben Bespre-
chungen zu halten, so würde das für ihn ein Verdienst bilden,
welches lautes Zeugniss ablegte für seinen Kenntnissreichthum
und die Grösse und Kraft seines Scharfsinnes. Und hierin thut
es ihm keinen Abbruch, dass er aus Uebereilung sich in der
Feststellung einiger Punkte der alten Sprache und einiger ihr
an gehörigen Bedeutungen geirrt hat; denn das gehört zu den
Dingen von denen nun einmal kein Sterblicher frei ist, und er
hat hinsichtlich dieses Umstandes jeden arabischen und nicht-
arabischen Gelehrten , der überhaupt geschriftstellert hat zum
Vorgänger. Freilich hat er an dieser grossen Anstrengung und
ausdauernden Mühewaltung im Dienste der altarabischen Sprache
selbst nicht genug, da sein Hauptstreben auf die Gemeinsprache
und die aus den fremdländischen Sprachen überhaupt in die-
selbe eingeflossenen Bestandtheile gerichtet war und er dabei
doch von dem späterarabischen nur einen im Verhältniss
zu dem was die Erzeugnisse der neueren Schriftsteller ent-
halten unbedeutenden Theil behandelt hat. Zu verwundem ist
dass er aus den Diw^iinen späterer arabischer Dichter, wie aus
dem des Mutanabbt^ Ibn H^nl, ihrer Zeitgenossen und der
später lebenden nichts beigebracht hat ebensowenig aus vielen
allgemein bekannten schöngeistigen Schriften, wie den RasMl
des Hamadänt, Howaresmt und den Angehörigen dieser ganzen
Klasse von Schriftstellern, welche sich das Altarabische kraft
ihrer Kenntniss seiner Innern Bildungs- und Ableitungsgesetze
in freierer Weise fortbildeten und aus seinem unerschöpflichen
Ocean wahrhafte Perlen hervorholten, indem sie dieselben mit
Auswahl auf den Faden schriftstellerischer Verwerthung auf-
reihten und sie zu Halsschmuck ihrer W^erke verwandten. Diese
Schriften verdienten ohne Zweifel die Entlehnung aus ihnen
432
mehr als die Tausend und eine Nacht und Aehnliches. Auch
hat er nichts entlehnt aus dem JiJiiüt s^\aü (der Befriediguo^
des Durstigen] von Haffägi, obgleich dieses Werk zu demselben
Zwecke angelegt ist wie das unsers Schriftstellers und dies in
vorzüglicherer Weise leistet als das Mu'arrab von GawällkJ. das
Wörterbuch Bocthor's und Freytag's und ihnen ähnliche. Daiu
kommt, dass er auch aus denjenigen Schriften, die er über-
haupt benutzt hat, wie z. B. das Geschichtswerk Ihn Haldön s.
nicht vollständig genug entlehnt hat, denn er hat darin vor-
kommende Wörter übersehen, so unter Anderen das Wort
ÄjtcXP (Göttliche Rechtleitung) in der Bedeutung von : der deo
ig
Thieren von Gott anerschaffene Instinkt , das Wort (j«Jü ;sich
civilisieren) im Gegensatze zu ^Ji.s>y:>:l\ (in Rohheit versinken
oder bleiben), das Wort K^ für die in der Seele festge-
wurzelte Beschaffenheit [^ e^ts], das Wort «jt^ (eig. Ver-
theilungen) für v-o^yto Geldauflagen, die siebente Form j^'
als der ersten Form _Jo entsprechende Passivform, ^j^ ^^
(in den Handschriften ,Äsliu was aber falsch ist) d. h. ^^as-
ser in welchem Schnee aufgelöst worden ist, ^^jjJiX^^ '^^
Nachrichten-Ueberlieferer, |»^J^ in der Bedeutung von Ju^,
Herr , und andere Wörter, deren in den altarabischen Wörter-
büchern keine Erwähnung geschieht. Dies alles zusammeoge-
nommen gehört unzweifelhaft zu den Unvollkommenheiten wei-
che in seinem Werke eine grosse Lücke zurückgelassen haben
und machen nöthig dasselbe eingehend zu kritisieren und neu zu
behandeln zur Verbesserung des Irrigen darin und zum Nachtrage
des darin Fehlenden. Bei alledem leugnen wir nicht dass darin
eine Menge lehrreicher Dinge enthalten sind zu denen wir ohne
dasselbe zu gelangen nicht im Stande gewesen wären, weil uns
die meisten der Schriften aus denen er entlehnt hat nicht zu-
gänglich sind. Und vielleicht ist der grösste Nutzen den ein
Araber daraus ziehen kann der, dass er sich dadurch ange-
trieben fühlt sein Besti'eben darauf zu richten, ihm nachzu-
folgen in der Unternehmung eines ebenso ausgezeichneten
Werkes, zu einer Zeit wo die schriftstellerische Laufbahn sich
433
•
auch bei uns weit geöffnet hat und wo wir selbst lebhaft das
Bedtlrfniss eines Werkes empfinden, dessen wir uns bei der
Behandlung des Äechtarabischen bedienen können und welches
uns vieler Mtthe überhebt in der Anschaffung neuerer Werke
zu welchen wir nur mit äusserster Anstrengung gelangen können.
Möge Gott gnädig sein einem Menschen der das Rechte weiss
und danach handelt. Den Lohn der so Handelnden aber lässt
Gott nicht verloren gehend.
In der Fortsetzung meiner Kleinern Schriften behalte ich
mir vor, auf mehrere in dieser Recension besprochene Punkte
lexikalischer und grammatikalischer Natur zurückzukommen
und dabei zum Theil Dozy^s Auffassung derselben zu recht-
fertigen.
SITZUNG AM 10. DECEMBER 1887.
Herr v. d. Gabelentz handelte über das taoistische Werk W^n-tsT.
Die gegenwärtige Mittheilung kann nur eine vorläufige sein.
Vor anderthalb Monaten erhielt ich aus China ein in jüngster Zeit
unter dem Namen Rf-sip-rf tsi*, die zweiundzwanzig Meister,
veröffentlichtes Sammelwerk in 83 Heften , darunter ein Werk
in zwei Heften betitelt: W^n-tst tsuän-ngi, etwa s. v. a. W^n-
tsT mit Excursen oder Glossen.
Das Werk ist in folgende zwölf Bücher getheilt :
I. Logos-Urquell.
II. Wesen- Wahrheit.
III. Die zehn Dinge, an denen (der heilige Mensch) festhält.
IV. SachgemSsse Worte,
y. Logos und Tugend.
VI. Höhere Tugend.
VII. Das Verborgene klar [? w^i-ming bedeutet sonst den
Glanz des Mondes] .
VIH. Spontaneität.
IX. Niedere Tugend.
X. Höhere Humanität.
XI. Höhere Rechtlichkeit.
XII. Höhere Sitte.
Über den Verfasser und das Alter des Buches sind die Nach-
richten und Meinungen unsicher. Wir wissen nicht, wer und was
jener W^n-tsf war , der hier als ein unmittelbarer Schüler des
Laöts? im Gespräche mit ihm eingeführt wird. Und ebenso schwebt
die Ächtheitsfrage im Dunkel. Wäre das Buch acht, so besässen
wir in ihm nächst dem Taö-tek-king das Zweitälteste Denkmal
des Taoismus , Aussprüche des alten Meisters selbst , viel um-
fangreicher als das Buch, das er eigenhändig verfasst haben soll.
Nach A. Wylie, Notes on Chinese Literature p. 175, steht soviel
fest, dass das Buch schon vor der Zeit der T'ang-Dynastie, 7. Jahrh.
n. Chr. , bekannt war. In der Einleitung zu den Sip-tsT 6nde
— - 435
ich die Ndchricht, dass unter Kaiser Yuen-tsung, 743—756, Lao-
tsY, Wen-tsY, 6uang-tsY und Liet-tsY als (taoistische) Classiker
galten. Sollten die bibliographischen Nachrichten nicht noch
weiter zurttckftthren, so läge darin immer noch kein zwingender
Grund zu ungünstigen Schlussfolgerungen. Denn erstens ist im
^^' Mittelreiche der Fall gar nicht unerhört, dass alte Bttcher im Laufe
der Jahrhunderte mit verschiedenen Aufschriften versehen, wohl
U auch von den Herausgebern nach Büchern und Capiteln ver-
schiedentlich eingetheilt werden. Und zweitens waren es immer
nur wenige Werke der taoistischen Literatur, die wegen ihrer
wahrhaft künstlerischen Schönheiten auch ausserhalb der Secte
Beachtung fanden. Reichten die stilistischen Vorzüge unseres
Schriftstellers an die des Lao-tsY, Liet-tsTf , Cuang-tsY, Han-fei-tsY,
Hot-kuan-tsY heran, so wäre das Stillschweigen der Literarhisto-
riker viel bedenklicher. So lege ich auch darauf wenig Gewicht,
dass SsTf-ma Ts*ien, der Verfasser des SsY-ki, die Stelle des Wen-tsT,
die von des Lao-tst Vorbildung redet, B. VI Bl. 2a, nicht benutzt
hat. Erwähnen soll er den Wen-tsl' als einen Zeitgenossen des
Gonfucius (Vorrede zum Wen-tsY Bl. 4 a), ich habe aber die be-
treffende Stelle nicht finden können. Auffälliger war es mir,
ihn von den Gommentatoren des Lao-tsY, soweit sie mir zugäng-
lich sind, kaum oitirt zu finden. Europäische Erklärer hätten
einem solchen Ohrenzeugen, wenn sie seinem Zeugnisse trauten,
das erste Wort gegönnt, jede seiner Parallelstellen ausgenutzt.
In der chinesischen Philologenschule aber gilt dies nicht für un-
erlässlich: Wort- und Sacherklärungen, zumal geschichtliche,
Paraphrasen des Textes, wohl auch homiletische Ergüsse pflegen
die Anmerkungen zu füllen.
Wie die Dinge liegen, sind wir auf die Erwägung mehrinnerer
Merkmale angewiesen, und einiges hierher gehörige soll im fol-
genden besprochen werden.
4) Dass Lao-tsY eigentliche Schüler gehabt hätte, ist sonst
nirgends belegt. Er war bekanntlich bis in sein Alter Reichs-
archivar am Hofe der Tscheu-Kaiser, als solcher voraussichtlich
ein genauer Kenner der vaterländischen Geschichte und Ein-
richtungen. Den zunehmenden Verfall der kaiserlichen Macht,
der Reichseinheit und der ganzen chinesischen Gesittung konnte
Niemand besser beobachten als er. Hemmen konnte er ihn aber
auch nicht; sich vorzudrängen, um selbst einzugreifen hätte weder
seiner Neigung noch seiner Überzeugung entsprochen ; ein be-
436
scbaalicbes Leben zwischen seinen Bttchern und Acten mochte
ihm immer noch am Ersten zusagen, Hess es ihm doch wenig-
stens Masse zur Ausgestaltung seiner Philosophie. Endlich wurde
ihm sei es sein Amt , sei es der Aufenthalt in der Residenz an-
erträglich; er wanderte aus gen Westen, machte unterwegs noch
einen Aufenthalt bei einem Grenzbeamten, schrieb für diesen die
Summe seiner philosophischen Anschauungen auf, jenes kleine,
tiefsinnige Buch, das man später den Kanon vom Logos und der
Tugend (Taö-tek-king; genannt hat, — wanderte dann weiter
und ist verschollen. Man hat ihn einen verborgenen Weisen ge-
nannt , und in der That ist das lAene qui latuü bene vixih ganz
im Sinne seiner Philosophie. Ein Hehl aber hat er seiner An-
schauungen nicht gemacht. Wir wissen von seiner Unterredung
mit dem jungen Confucius, und wie dann einmal des Letzteren
Schttler fragten: Einer behaupte, man solle übelthaten mit Wohl-
thaten vergelten; was davon zu halten sei? Der dies behauptete,
war eben Lao-tsY. Auch war ja das Lehrwesen im damaligen
China das denkbar freieste. Ein Mann genoss als Gelehrter oder
Denker Ansehen; man wandte sich an ihn um Aaskunft, schloss
sich ihm an und trat als sein Schttler in eine Art freier Glientel
zu ihm. Es wäre fast zu verwundem, wenn der tiefsinnige
Staatshistoriker und Mystiker nicht auch Schttler in diesem Sinne
des Wortes gehabt hätte.
2) Gesetzt, Wen-tslf war einer dieser Schttler, so wollen wir
mit der Überlieferung annehmen, dass er ein Zeitgenosse des
Confucius, also an Jahren viel jttnger als sein Meister gewesen
sei. Dann ist weiter anzunehmen, dass des Letzteren Aus-
spruche, wie sie von dem Schttler ttberliefert wurden, nach In-
halt und Form enge Verwandtschaft mit dem Tao-tek-king zeigen.
Nur die systematische Anordnung dieses Buches mochte späteren
Datums sein, die belehrenden Gespräche werden sich in freierem
Gange bewegt, gewiss auch allerhand Dinge erörtert haben, die
in dem kleinen Buche kaum im Vorttbergehen gestreift sind. So-
weit ich sehe, triflft Alles dies zu. Ist das Buch acht, so darf man
sagen: Der Schttler hat den Sinn und die Ausdrucksweisen des
Lehrers gut aufgefasst, aber sehr oft den Gesprächston in eine
etwas schwülstige Rhetorik umgesetzt. Dann ist es eben nicht
der Stil, aber immerhin doch die Terminologie des Meisters.
Nichts aber spricht dafttr, dass dem Schriftsteller das Tao-tek-
king vorgelegen habe, sonst wttrde an den betreffenden Stellen
437
seine Abhängip^keit von einer solchen Vorlage viel deutlicher zu
Tage treten ; und wenn er im Einzelnen die Gedanken des Lehrers
richtig wiedergeben mag , so scheint ihm doch nicht immer ihr
innerer Zusammenhang klar geworden zu sein.
3) Was wir oft und tief durchdacht haben pflegt wohl mit
der Zeit feste, sprachliche Formen anzunehmen, die wir dann in
Reden und Schriften wiederholen, so oft wir auf den Gegenstand
kommen, und die, scharf ausgeprägt wie sie sind, sich dann auch
unsern Hörern einprägen. Es sind Aussprüche von besonderer
Kraft, an denen man nichts mehr zu bessern weiss. Sie können
innerhalb der Schule sprichwörtlichen Werth erlangen; ob sie
ihn wirklich erlangt haben , vermag nur der Erfolg zu lehren.
Das Tao-tek-king ist reich an solchen Kernsprüchen , und wir
dürfen uns nicht wundern , wenn wir deren viele bei Wen-tsTf
wörtlich wiederfinden.
4) Lao-tsY und seine Nachfolger, schon früher der Staats-
und Rechtsphilosoph Kuan-tsY (f 645 v. Chr.), lieben es, citaten-
weise ihren Schriften Reimsprüche einzuflechten, deren Ursprung
wir nicht mehr kennen. Diese Verse tragen ein gewisses, ihnen
gemeinsames sprachliches Gepräge, und man darf annehmen, dass
sie Reste einer alten lehrgedichtlichen Literatur sind. Auch solche
Yerse führte Wen-ts'i gern an, und auch dies mag auf Erinnerung
an den mündlichen Verkehr mit seinem Lehrer beruhen.
5) Die taoistischen Schriftsteller haben frühzeitig Geschmack
daran gefunden, Lao-tsY und Confucius als Vertreter zweier phi*
losophischen Richtungen im Zwiegespräche aufzuführen. Jenem,
dem Mystiker, dem nichts zu hoch und nichts zu tief ist, fällt
dabei die Rolle des Faust zu, Confucius spielt den Wagner, über
den man sich schliesslich wundert :
Wie nur dem Kopf nicht aUe Hoffnung schwindet,
Der immerfort an schalem Zeuge klebt.
Das Mittel ist so wirksam und bei der Vorliebe der Chinesen
für die dialogische Form so naheliegend, dass man wohl darauf
gefasst sein könnte, es auch hier angewandt zu sehen. Es ist so
wohlfeil, den Gegner zum Hanswurste zuzustutzen , nur ist die
Operation am Cadaver bequemer auszuführen , als am Leben-
den, der sich wehren könnte. Und dann setzt es doch voraus
dass man den Gegner schon als solchen kenne und beachte.
Wen-ts'i' führt wohl (Buch I, B). 46) den Confucius gelegentlich
ein, aber nur als einen Frager, dem der Meister Antwort ertheilt.
438
Mao wird an die zwei kurzen Gespräche in SsY-kt, Buch LXIII
und in den »Hausgesprächen«, Kung-tsY kia-iu, Gap. XI erinnert.
Der Grundton ist überall derselbe : dem schaffensdurstigen jungen
Manne wird gerathen , sich in sich selbst zurückzuziehen ; aber
zu einem Streite, zu Ausfäliigkeiten kommt es nicht. Im Weiteren
widmet der Verfasser, soviel ich sehe, dem Confucius, nicht ein-
mal eine namenlose Polemik, ja gelegentlich iSsst er den Lao-tsi
Dinge sagen, gegen die ein Confucianer nicht viel einwenden
könnte. So z. B. Buch XI, Bl. 3a: »Die Regierung der Staaten
hat ewige Prinzipien, und dem Volke zu nützen ist das Grund-
princip ; Verwaltung und Erziehung haben ihre Norm , und zu
den Handlungen anzuleiten ist das Motiva. Dann freilich fährt
er fort : »Wenn man des Volkes Nutzen förderte, brauchte man
nicht das Alterthum zum Vorbilde zu nehmen ; wenn man für die
Geschäfte sorgte, brauchte man nicht die Volkssitten zu über-
wachen. Daher der heilige Mensch lässt sich die Gesetze im Ein-
klänge mit der Zeit ändern, die Gebräuche im Einklänge mit der
Volkssitte wechseln. Kleidung und Gera the richten sich ein Jedes
nach seiner Bestimmung , Gesetze und Vorschriften halten sich
an das jeweilig Angemessene. Darum ist eine Abweichung vom
Alten noch nicht (gleich) zu verwerfen und aus der Überwa-
chung der Volkssitten noch nicht viel Wesens zu machen. Der
alten Könige Bücher vorzulesen ist nicht soviel werth wie ihre
Reden zu hören ; ihre Reden zu hören, ist nicht soviel werth w^ie
erfassen, warum sie reden. Wer erfasst warum sie reden, redet
was man nicht zu reden vermag. Darum der Logos^ kann er be-
sprochen werden, ist nicht der ewige Logos, der Name, kann er
genannt werden, ist nicht der ewige Name«. — Man sieht, jetzt
ist der Verfasser wieder ganz im Fahrwasser seines Meisters,
wenn er auch nicht eben sehr sicher Gours einhält. Wenn ein
Schüler sich ehrlich bemüht aus dem Gedächtnisse die Aussprüche
eines Meisters niederzuschreiben, dessen Gedankenflug für ihn zu
hoch war, so mag wohl das Ergebniss ähnlich ausfallen. Ein selb-
ständiger Kopf aber hätte hier Veranlassung zu einem Angriffe
auf die Confucianer gehabt, wenn anders sie ihm schon als geg-
nerische Macht bekannt waren.
6) An der Sprache des Buches habe ich kein Merkmal einer
späteren Entstehung wahrnehmen können. Die Darstellungsform
ist, abweichend von der Art der meisten Philosophen jener Zeil,
nicht dialogisch. Aussprüche des Lao-tsY werden eingeführt mit
439
der stehenden Formel: »Lao-tsY spracha. Etwa ein dutzendmal
geht einleitend voraus: »Wen-tsY fragte . . .a Dann knüpft sieh
aber an des Meisters Antwort kein Wechselgespräch; man sieht,
dass es dem Verfasser nicht um den Verlauf, sondern nur um
den Inhalt und das Ergebniss der belehrenden Besprechung zu
thun ist. Auch Nachrichten über Lao-tsl werden gelegentlich
eingeflochten (Buch VI, BI. 2a). Einmal ist ein Fürst, Fing-
wÄng, der Frager, und Wen-tsü giebt die Antwort (V, 9b) . Jener
Name ist unter den Lehnsfürsten der fraglichen Zeit mehrfach
vertreten , giebt daher ^ so zusatzlos wie er dasteht, keinen An-
halt zu weiteren geschichtlichen Schlüssen. Der Satzbau ist von
alterthümlicher Kürze, und ob gewisse Ungleichheiten im Stile
der verschiedenen Abschnitte nothwendig auf spätere Einschal-
tungen schliessen lassen, wage ich wenigstens noch nicht zu
entscheiden. Ein Fälscher aus der nachclassischen Zeit würde
sich voraussichtlich an classische Stilmuster gehalten haben, in
erster Reihe natürlich an Lao-tsY selbst. Hier aber empfängt
man eher den Eindruck, dass der Verfasser seines Meisters Reden,
soweit er sie wörtlich behalten , möglichst wörtlich niederge-
schrieben , im Übrigen aber frei stilisirt habe. Der Erfolg hing
dann davon ab , wie weit er seinen Gegenstand durchdrungen
hatte, und wie tief er von diesem durchdrungen war. Zuweilen
schwingt er sich zu wahrer Schönheit und Grösse empor, so
gleich zu Anfange , wo er fast in der Begeisterung eines Psal-
misten redet :
t>Lao-tsY sprach: Es giebt ein Wesen unbestimmt beschaffen,
früher als Himmel und Erde lebend , ein Gebilde ohne Gestalt,
gar verborgen und dunkel, schweigend und still, regungslos
und gleichgültig ; man vernimmt nicht seinen Ton. Ich habe ihm
nothgedrungen (oder zwangsweise?) einen Namen gegeben, es
als Logos bezeichnet.
Dieser Logos ist in seiner Höhe unermesslich, in seiner Tiefe
unergründlich ; er bedeckt und umhüllt Himmel und Erde, ist
begabt mit Gestaltlosigkeit, fliesst quellend hervor, schwillt an
ohne überzuströmen. Durch Trübung beruhigt er, ernst und
klar ausseiet er sich ^) .
1) Die Antithese und das damit beabsichtigte scheinbare Paradoxon
waren in der Übersetzung nicht genügend zuzuspitzen. Man denke an das
Wasser, das unagekehrt in der Ruhe sich klärt, in der Bewegung sich trübt.
440
Er ist unerschöpflich ; für ihn giebt es weder Morgen noch
Abend; zeigt er sich, so ist es (scheinbar) nicht mehr als eine
Hand voll. Gebunden vermag er sich auszudehnen, verdunkelt
vermag er zu leuchten, in Milde vermag er fest zu sein. £r ent-
hält das Yim, giebt von sich das Yang und stellt auf die drei
Leuchten (Sonne, Mond und Sterne) . Die Berge sind durch ihn
hoch, die Tiefwasser durch ihn tief, die Vierfttssler laufen kraft
seiner , die Vögel fliegen kraft seiner, das Wild wandert kraft
seiner, der Phönix flattert kraft seiner, der Sterne Lauf vollzieht
sich durch ihn. Durch Vergehen gewinnt er Bestand, durch
Niedrigkeit Würde, durch ZurtLcktreten den Vortritt.
Vor Alters die drei Erhabenen (mythischen Kaiser : Fuk-hi
Schin-nüng und Hoang-ti) besassen das Logos Ganzheit. Sie
standen in der rechten Mitte, mit den Geistern gemeinsam ver-
wandelten sie sich, wandelten umher um überall Ruhe zu schaffen.
So vermochten sie denn wie der Himmel zu kreisen, wie die Erde
festzustehen, wie Räder umzulaufen ohne Stockung, wie W^asser
dahinzugleiten ohne Stillestand, mit der Aussenwelt gemeinsam
aufzuhören und anzufangen (sich im Einklänge zu halten), wie
Windsich zu erbeben, wie Wolken sich auszudehnen, wie Donner
zu dröhnen , wie Regen sich niederzulassen. Ein einheitliches
Wechselwirken ohne Unterlass. Was geschnitzt und geglättet
f= verkünstelt) war kehrte zum Urzustände zurück. Ohne za
thuen thatig, waren sie im Einklänge mit Leben und Tod ; ohne
zu thuen redend , drangen sie hindurch zur Tugend, Ruhe und
Zufriedenheit; ohne Bemühen gelangten sie zur Harmonie. So
viele Verschiedenheiten sie hatten^ schickten sie sich in's Leben,
wahrten den Einklang mit Yim und Yang , hielten sich gemäss
den vier Jahreszeiten und in Übereinstimmung mit den fünf Ele-
menten. Sie tränkten Gräser und Bäume , durchdrangen Erze
und Steine. Vögel und Vierfüssler waren stark und gross, Ge-
fieder und Behaarung waren glänzend und weich. Der Vögel
Eier verdarben nicht, der Vierfüssler Leibesfrüchte kamen nicht
um. Kein Vater hatte das Elend des Sohnes zu beklagen , kein
älterer Bruder den Verlust des jüngeren zu beweinen. Die Un-
mündigen verwaisten nicht , die Ehefrauen verwittweten nicht.
Regenbogen (= falscher Schein?) wurde nicht gesehen , Raub
und Deube nicht geübt. Das war die Wirkung der bewahrten
Tugend.
Der himmlisch ewige Logos erzeugt die Wesen und besitzt
441
sie nicht, bewirkt Wandel und herrscht doch nicht. Alle Wesen
leben abhängig von ihm, keines weiss es ihm Dank; sie sterben
abhängig von ihm, keines vermag ihn zu hassen. Er sammelt
an und häufet auf und wird doch nicht reicher; er vertheilt
Wohlthaten, spendet Gaben und wird doch nicht ärmer.
Wie plötzlich, wie unsUtI unmöglich ihn darzustellen I
Wie unstät, wie plötzlich I wie unbeschränkt er wirkt!
Wie tief, wie dunkel I wie gestaltlos er wechselt!
Wie wirksam, wie erfolgreich I nicht miissig sich regend I
Wie er je nach Hörte oder Weichheit sich zu- und aufrollt I
Wie er je nach Yim oder Yang nieder- und aufschaut!«
7) Im Tao-tek-king werden von Lao-tsY nur ausnahmsweise
Gegenstände der Naturphilosophie und die dualistischen Kate-
gorien der landläufigen Metaphysik berührt (so in capp. XLII
und LXXYIII). Im Wen-tsY ist von diesen Dingen sehr häufig
die Rede, was an sich nicht befremden kann. Ob aber der In-
halt immer in die Zeit und in des Lao-tsY Lehre passe, wird noch
besonderer Prüfung bedürfen. Die Stelle Buch YIII, 48a, wo
von Confucius und dem noch jüngeren Mek-tsY die Rede ist, und
gewiss noch manche andere wird man ohne Weiteres wegstrei-
chen. Verdächtig sind mir auch solche Stellen, wo dem Lao-tsY
Aussprüche über den »edeln Menschen«, kiün-tsT, in den Mund
gelegt werden. Die Herausgeber selbst betrachten das I., X. und
XII. Buch als verdächtig; mir leuchtet noch nicht ein, warum?
Den von mir in der Übersetzung mitgetheilten Abschnitt würde
wohl Jeder vermissen, und zwingende Gründe, ihn einem An-
deren als dem Verfasser der für acht geltenden Bücher zuzu-
schreiben, liegen meines Erachtens nicht vor. Zudem wäre doch
auch an die Möglichkeit zu denken , dass das Buch zum Theile
von Wen-tsY selbst, zu anderen Theilen auf Grund seiner Reden
von seinen Schülern oder Freunden niedergeschrieben sei. End-
lich beruht jener Abstrich lediglich darauf, dass jene Bücher nicht
mit glossirt sind; der Glossator aberlebte im Zeitalter der Sung-
Dynastie, ungefähr anderthalb Jahrtausende nach dem vermeint-
lichen Verfasser (vgl. die Bemerkungen am Schlüsse des Inhalts-
verzeichnisses).
8) Lao-tsi ist bekanntlich einer von den Schriftstellern, zu
deren Verständniss Sprachkenntniss allein sehr wenig nützt.
Der Mystiker verlangt zu seiner Deutung einen verwandten Geist,
der ihm ahnend entgegenkomme. So wird nun auch das Urtheil
442
über den Wen-ts¥ nur zum kleinsten Theile von philologischen
Erwägungen abhängen. Man wird sich immer wieder zu fragen
haben: Ist es wahrscheinlich, dass der alte Meister so gelehrt,
dass ihn der Schüler so verstanden , vielleicht missverstanden
habe? Eins aber scheint mir schon jetzt unbestreitbar: kurzer
Hand abweisen darf man diesen Schriftsteller nicht; künftig
wird sich die Lao-tsY-Forschung sehr ernstlich mit ihm zu be-
schäftigen, vielleicht sich endgültig mit ihm abzufinden, viel-
leicht auch ihn mit hohem Gewinne zu verwerthen haben. Sehr
nahe liegt hier das Beispiel der sogenannten Hausgespi^che des
Gonfucius, K'üng-tsT kiä-iu. Mit denen steht es eigentlich noch
schlimmer. Man nimmt an , dass ein Buch dieses Namens vor
der Zeit der Bücherverbrennung vorhanden gewesen, dann ver-
loren gegangen und endlich, vielleicht im 3. Jahriiunderte unsrer
Zeitrechnung aus alten schriftlichen und mündlichen Überliefe^
rungen neu zusammengefügt worden sei. Vom Inhalte aber ist
ein grosser Theil so ganz im Sinne und in der Art des Gonfucius,
dass man insoweit an der geschichtlichen Wahrheit jener Über-
lieferungen gar nicht zweifeln mag und die Hausgespräche gern
und getrost zu Hülfe nimmt , wo es gilt , ein lebenswahres Bild
des Gonfucius zu gewinnen. Mindestens gleiche Beachtung, aber
auch gleiche Vorsicht verlangt unser Schriftsteller.
Nachtrag
zu der S. 227 fgg. besprochenen Inschrift.
In Vers 6, y hatten Kielhorn und ich F«Fr als Adjectiv ge-
fasst und mit dem folgenden ^mi^-H verbunden. Erst durch die
sogleich mitzutheilende ganz neue Auffassung Hermann Jacobi's
kam ich auf den Gedanken in Tm^ das Pronomen substantivum
»sich(( zu sehen und in Folge dessen den Vers so zu übersetzen :
»Da durch seinen (des Fürsten) glänzenden, nach allen Seiten sich
verbreitenden Ruhm das ganze Firmament seit lange blendend
vreiss geworden ist, so setzt der Mond, um sich bei den Men-
schen bekannt zu machen, sein Zeichen, das Reh, Tag und
Nacht in grosser Gestalt hin«. Der Dichter will nach meiner
Meinung sagen, dass durch das Licht, welches der Ruhm des
Fürsten verbreitet hat, der Mond seit lange unsichtbar gewesen
sei und schliesslich, um bei den Menschen seine ehemalige
Existenz einigermaassen in Erinnerung zu bringen, sein Zeichen,
das Reh, in Gestalt eines wirklichen Rehes erscheinen lasse und
zwar nicht wMe früher, nur bei Nacht und auch dann nur vor-
übergehend, sondern Tag und Nacht, d. i. stets. Dieses wird
dadurch ermöglicht, dass der Ruhm des Fürsten die Nacht zum
Tage macht.
Jacobi's Uebersetzung lautet: »Auf der Scheibe der Haupt-
und Neben-Himmelsgegenden, welche seit langem durch des
Fürsten leuchtenden, überall hingelangenden Ruhm weiss ge-
worden ist, ruft der Mond, um (ausser des Fürsten Ruhm) auch
sich noch im Andenken der Menschen zu erhalten, Tag und
Nacht einen riesigen Gazellenflecken hervor«. Hierzu folgende
Erläuterung: »Der Ruhm überstrahlt den Mond, der sich in
Folse dessen als schwarzer Flecken auf der weissen Scheibe des
Universums projicirt ; daraus dass dieser Flecken als T^tHTS" be-
zeichnet wird, geht hervor, dass die Scheibe des Universums
4887. 30
444
als Mond zu betrachten ista. Eine nicht weniger phantastische
Vorstellung findet Jacobi in folgendem Verse des Gaudavaba :
Obgleich ich mich mit dieser neuen Auffassung nicht ganz
befreunden kann, so halte ich sie doch für sinnreich und der
Beachtung wohl werth.
In Vers 9. a hatte ich tfCT vermuthet, das mir einen bessern
Sinn als "STSJ zu ergeben schien. Cappeller schlägt statt dessen
tc<^i »eingedrungen (in Andere)« vor und verweist auf HilHsi,
^c^Tf u. s. w. Ohne Zweifel noch passender. Eben so gut
wäre fwSlj welches vielleicht den deutlichen, aber, wie Kiel-
horn bemerkt, doch nicht mit Sicherheit zu bestimmenden Zügen
näher liegt.
Zu Vers ^ i hat mir ein guter Freund auch einige Ver-
muthungen mitgetheilt, die ich aber nicht zu billigen vermag ;
jedoch bin ich der Meinung, dass auch mit der Annahme von
S^ftrnfpjm H^üT ein guter Sinn zu erzielen wäre. Vielleicht
hat der Autor eine Zweideutigkeit beabsichtigt. Auch möchte
ich noch bemerken, dass MJ^chlPiHH vielleicht in näherer Be-
ziehung zu IfllM^i" steht, und dass der Scherz der Bhakti durch
die Stimmung des Gottes (Hyld) veranlasst worden ist*
0. Böhtlingk.
t • •• <
Drnck ron Broitkopf & H&rtel in Leipzig.
Protector der Königlich Sächsischen Gesellschaft
der Wissenschaften
SEINE MAJESTÄT DER KÖNIG.
Ehrenmitglied.
Seine Excellenz der Staatsminister des Gultus und öffentlichen
Unterrichts Carl Friedlich von Gerber.
Ordentliche einheimische Mitglieder der philologisch-
historischen Classe.
Geheimer Hofrath Friedrich Zarncke in Leipzig, Secretär der
philol.-histor. Classe bis Ende des Jahres 1888.
Professor Adolf Ebert in Leipzig, stellvertretender Secretär der
philol.-histor. Classe bis Ende des Jahres 1888.
Geheimer Rath Otto Böhtlingk in Leipzig.
Professor Berthold Delbrück in Jena.
Georg Ebers in Leipzig.
Alfred Fleckeisen in Dresden.
Geheimer Rath Heinrich Leberecht Fleischer in Leipzig.
Professor Hans Georg Conon von der Gabelentz In Leipzig.
Geheimer Hofrath Gustav Hartenstein in Jena.
4887.
II
Hofrath Maoc Heinze in Leipzig.
Professor Friedrich Otto Hultsch in Dresden.
Oberbibliothekar Reinhold Köhler in Weimar.
Geheimer Hofrath Christoph Ludolf Ehrenfried Krehl in Leipzig.
Professor August Leskien in Leipzig.
Hermann Lipsius in Leipzig.
Wilhelm Maurenbrecher in Leipzig.
Geheimer Hofrath Johannes Adolph Overbeck in Leipzig.
Professor Friedrich Ratzel in Leipzig.
Geheimer Hofrath Otto Ribbeck in Leipzig.
Geheimer Rath Wilhelm Röscher in Leipzig.
Geheimer Hofrath Anton Springer in Leipzig.
Georg Voigt in Leipzig.
Professor Moritz Voigt in Leipzig.
Geheimer Hofrath Curt Wachsmuth in Leipzig.
Professor Ernst Windisch in Leipzig.
Frühere ordentliche einheimische, gegenwärtig auswärtige
Mitglieder der philologisch-historischen Classe.
Professor Theodor Mommsen in Berlin.
Geheimer Hofrath Erwin Rohde in Heidelberg.
Geheimer Regierungsrath Hermann Sauppe in Göttingen.
Kirchenrath Eberhard Schrader in Berlin.
Ordentliche einheimische Mitglieder der mathematisch-
physischen Classe.
Geheimer Hofrath Carl Ludwig in Leipzig, Secretär der mathem.-
phys. Classe bis Ende des Jahres 4889.
Professor Adolph Mayer in Leipzig, stellvertretender Secretür
der mathem.-phys. Classe bis £nde des Jahres 1889.
Professor Rudolf Böhm in Leipzig.
Gebeimer Medicinalrath Christian Wilhelm Braune in Leipzig.
Professor Heinrich Bruns in Leipzig.
Oberbergrath Hermann Credner in Leipzig.
Geheimer Rath Moritz Wilhelm Drobisch in Leipzig.
III
Geheimer Hofrath Uans Bruno Geinüz in Dresden.
Professor Paul Flechsig in Leipzig.
Geheimer Rath Wilhelm Gottlieb Hankel in Leipzig.
Professor Axel Harnack in Dresden.
Geheimer Medicinalrath Wilhelm His in Leipzig.
Professor Johann August Ludwig Wilhelm Kiwp in Leipzig.
Geheimer Hofrath Rudolph Leuckart in Leipzig.
Professor Sophus Lie in Leipzig.
Ca7'l Neumann in Leipzig.
Wilhelm Ostwald in Leipzig.
Wilhelm Pfeffer in Leipzig.
Wilhelm Scheibner in Leipzig.
Geheimer Hofrath August Schenk in Leipzig.
Geheimer Ralh Oskar Schlömilch in Dresden.
Hofrath Rudolf Wilhelm Schmitt in Dresden.
Professor Johannes Thomae in Jena.
Geheimer Hofrath August Töpler in Dresden.
Gustav Wiedemann in Leipzig.
Professor Johannes Wislicenus in Leipzig.
Wilhelm Wundt in Leipzig.
Geheimer Rath Gustav Anton Zeuner in Dresden.
Geheimer Öergrath Ferdinand Zirkel in Leipzig.
Ausserordentliche Mitglieder der mathematisch-physischen
Classe.
Professor Edmund Drechsel in Leipzig.
Frühere ordentliche einheimische, gegenwärtig auswärtige
Mitglieder der mathematisch-physischen Classe.
Geheimer Hofrath Carl Gegenbaur in Heidelberg.
Professor Felix Klein in Göttingen.
Adalbert Krüger in Kiel.
Ferdinand Freiherr von Richthofen in Berlin.
Geheimer Hofrath Wilhelm Weber in Göttingen.
IV
Archivar:
Oberbibliothekar Joseph Heinrich Gustav Ernst Fürstemann in
Leipzig.
Verstorbene Mitglieder.
Ehrenmitglieder.
Johann Paul von Falkenstein 1882.
Karl August Wilhelm Eduard von Wietersheim 1865.
Philologisch'historische Glasse.
Eduard Albrecht 4876.
Christoph Friedrich vo7i Aynmon
4850.
Wilhelm Adolf Becker 4 846.
Hermann Brockhaus 4877.
Conrad Bursian 4883.
Georg Curtius 4885.
Johann Gustav Droysen 4884.
Gustav Flügel 4870.
Friedrich Franke 4874.
Hans Conon von der Gabelentz
4874.
Ernst Gotthelf Gersdorf 4874.
Carl Göttling 4869.
Hermann Alfred von Gutschmid
4887.
Gustav Hänel 4878.
Ferdinand Hand 4854.
Friedrich Christian August
Hasse 4848.
Moritz Haupt 4874.
Gottfried Hermann 4848.
Friedrich Jacobs 4847.
Otto Jahn 4869.
Ludwig Lange 4885.
Carl Joachim Marquardt 4882.
Andreas Ludwig Jacob Michelsen
4884.
Carl Nipperdey 4875.
Carl von Noorden 4883.
Oscar Ferdinand Peschel 4875.
Ludwig Preller 4864.
Friedrich Wilhelm Rüschl 4876.
^ii(/uj;/ Schleicher 4868.
August Seidler 4854.
Gustav Seyffarth 4885.
CaW Bernhard Stark 4879.
/oÄann ^Fm«/ Otto Sto6te 4887.
Friedrich Tuch 4867.
Friedrich August Ukei^t 4854.
Wilhelm Wachsmuth 4866.
CarZ Georj von Wächter 4880.
iln/on We5/e?'fW07jn 4869.
Mathematisch-physische Classe.
Heinrich d^ Arrest 4875. Ludwig Albert Wilhelm von
Heinrich Richard Baltzer iS8T. Bezold 4868.
Carl Bruhns 1881.
Carl Gustav Carus 1869.
Julius Cohnheim 1884.
Johann Wolfgang Döbereiner
1849.
Otto Linne Erdmann 1869.
Gustav Theodor Fechner 1887.
Otto Funke 1879.
Peter Andreas Hansen 1874.
Wilhelm Hofmeister 1877.
Emil Huschke 1858.
Hermann Kolbe 1884.
Gustav Kunze 1851.
Carl Gotthelf Lehmann 1863.
Bernhard August von Lindenau
1854.
Richard Felix Marchand 1850.
Georg Mettenius 1866.
August Ferdinand Möbius 1 868.
Carl Friedrich Naumann 1 873 .
Eduard Pöppig 1868.
Ferdinand Reich 1882.
Theodor Scheerer 1875.
Matthias Jacob Schieiden 1 881 .
Christian Friedrich Schwägri-
chen 1853.
Ludwig Friedrich Wilhelm Au-
gust Seebeck 1849.
Samuel Friedrich Nathanael von
Stein 1885.
Alfred Wilhelm Volkmann 1877.
Eduard Friedrich Weber 1 871 .
jErw«^ Heinrich Weber 1878.
Johann Carl Friedrich Zöllner
1882.
Leipzig, am -31. December <887.
Verzeichniss
der bei der Königi. Sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften im Jahre 1887 eingegangenen Schriften.
4 . Von gelehrten Gesellschaften, Universitäten und öffentlichen
Behörden herausgegebene und periodische Schriften.
Deutschland.
AbbandluDgen der Kgl. Akademie d.Wissensch. zu Berlin. Aus d.J. 1886.
Berlin 4 887.
Sitzungsberichte der Königi. Preuss. Akad. d. Wissensch. zu Berlin. 4S86,
No. 40—53. 4887, No. 4—39. Berlin 4887.
Die Venus-Durchgänge 4874 und 4882. Bericht über die deutschen Beob-
achtungen. Im Auftrage der Commission für die Beobachtung des
Venus-Durchgangs bsg. v. A. Auwers. Bd. 4. Berlin 4887.
Puchsteifiy OttOy Das ionische Capitell. 47. Progr. z. Winckelmannsfeste der
Archaeologischen Gesellschaft zu Berlin. Berlin 4887.
Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrg. Xl\,
No. 48. 49. Jahrg. XX, No. 4 — 47. Berlin 4886. 87.
Rüdorff, Frdr.y Die Fortschritte der Chemie in den letzten fünfundzwanzig
Jahren. Rede in der Aula der Königi. Technischen Hochschale zu
Berlin am 24.Mfirz 4887 gehalten. Berlin 4887.
Die Fortschritte der Physik im J. 4 879 (Jahrg. 35), Abth. 4—3. Dargestellt
von d. Physikalischen Gesellschaft zu Berlin. Im J. 4884 (Jahrg. 37,,
Abth. 4—3. Berlin 4885—87.
Verhandlungen der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin im Jahre 4886
(Jahrg. 5). Berlin 4 887.
Centralblatt für Physiologie. Unter Mitwirkung der Physiologischen Gesell-
schaft zu Berlin herausgegeben. Bd. 4 (4887), No. 4 — 20. Berlin d. J.
Verhandlungen der Physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrg. 4886/87.
No. 4— 48. Jahrg. 4 887/88, Nr. 4— 3. Berlin 4 887.
Jahrbuch der Kgl. Preuss. geologischen Landesanstalt und Bergakademie zu
Berlin f. d. J. 4885. Berlin 4886.
Abhandlungen zur geolog. Specialkarte von Preussen und den Thüringischen
Staaten. Bd. VII, H. 3. 4. VIII, H. 2. Nebst Atlas zu VII, 4. VIII, 2.
Berlin 4 887.
Societatum Litterae. Verzeichniss der in den Publicationen der Akademien
u. Vereine aller Länder erscheinenden Einzelarbeiten auf d. Gebiete
der Naturwissenschaften. Hsg. v. E. Huth. Jahrg. 4887 u. 4887, No. 4.
Berlin 4887.
VII
Jahrbücher des Vereins von Alterlhumsfreunden im Rbeiolande. H. 82. 83.
Bonn 4886. 87.
3. Jahresbericht des Vereins für Naturwissenschaften zu Braunschweig
f. d. Vereinsjahre 4884/82 u. 4882/83. 4. Jahresbericht f. d. Vereins-
jahre 4 883/84 bis 4885/86. Braunschweig 4 883. 87.
Vierundsechzigster Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterlän-
dische Cultur. Enthält den Generalbericht über die Arbeiten und
Veränderungen der Gesellschaft im J. 4886. Breslau 4887. Nebst
Ergänzungsheft : Zach. Allerts Tagebuch aus dem J. 4 627. Herausg.
V. Jul. Krebs. Breslau 4 887.
Jahrbuch des Königl. Sachs, meteorologischen Institutes. Jahrg. 3 (4 885).
Jahrg. 4 (4886), Lief. 4, Abth. 4.2. Chemnitz 4 886. 87.
Resultate der meteorolog. Beobachtungen angestellt auf der Sternwarte
Leipzig im J. 4 884. Veröffentlicht von der Direktion des Kgl. Sachs,
meteorolog. Institutes in Chemnitz (Sep.-A.). Im J. 4885 (Sep.-A.).
Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. N.F. Bd. 6, H. 4.
Danzig 4887.
Zeitschrift des k. sächsischen statistischen Bureaus. Redig. v. V. Bühmert.
Jahrg. 32 (4886), H. 4—4. Jahrg. 33 (4887), Supplementheft. Dresden
4886. 87.
Jahresbericht der Gesellschaft für Natur- u. Heilkunde in Dresden. Sitzungs-
periode 4886—87. Dresden 4887.
Sitzungsberichte und Abhandlungen der naturwissenschaftl, Gesellschaft
Isis in Dresden. Jahrg. 4886, Juli— Dec. Jahrg. 4887, Jan. — Juni.
Dresden 4 887.
Kgl. Sächsisches Polytechnikum zu Dresden. Ergänzung zum Programm f.d.
Studienjahr 4886/87, enthalt, d. Verzeichniss d. Vorlesungen f. d.
Sommersem. 4887. — Programm f. d. Studienjahr, bez. Wintersem.
4 887/88.
Mittheilungen des Vereins f. d. Geschichte u. Alterthumskunde zu Erfurt.
H. 4 3. Erfurt 4887.
Sitzungsberichte der physikal.-medicinischen Societät in Erlangen. H. 48.
Erlangen 4886.
Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a/M. f. d. Rech-
nungsjahr 4 885 — 86. Frankfurt a/M. 4887.
Jahrbuch für d. Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen auf d. Jahr
4887. Th. 4. 3. Freiberg'4887.
25. Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde.
Giessen 4887.
Neues Lausitzisches Magazin. Im Auftrag d. Oberlausitz. Gesellsch. d.
V^issensch. herausgeg. von Prof. Dr. Schönwälder. Bd. 62, H. 4. 2.
Bd. 63, H. 4. Görlitz 4886. 87.
Abhandlungen der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu G ötti n ge n.
Bd. 38, aus d. J. 4886. Göttingen 4886.
Nachrichten von der König!. Gesellschaft der Wissenschaften und der
Georg-Augusts-Universitäteusd. J. 4 886. Göttingen 4886.
Bericht über die im Jahr 4886 den Herzogl. Saromiangen zugegangenen
Geschenke. Gotha 4887.
Leopoldina. Amtl. Organ d. kais. Leopoldinisch-Carolinisch-deutschen Akad.
der Naturforscher. H.XXII, No. 24— 24. XXIII, No. 3-r-20. Halle
4887.
Till
Abhandlongen der Naturforschen den Gesellschaft zu Halle. Bd. 46, H. 4.
Halle 4 886.
Bericht über die Sitzungen der Naturforschenden Gesellschaft za Halle im
J. 4 885. 86. Halle 4885. 86.
Zeitschrift für Naturwissenschaften. Originalabbandlungen u. Berichte.
Hrsg. vom Naturwiss. Verein f. Sachsen und Thüringen in Halle.
4. Folge Bd. 5, 4886 (d. ganzen Reihe 59. Bd.], H.4--6. Bd. 6, 4887
(d. ganzen Reihe 60. Bd.), H. 4—4. Halle 4886. 87.
Verhandlungen des naturhistor.-medicin. Vereins zu Heidelberg. N. F.
Bd. 4, H. 4. Heidelberg 4 887.
Chronik der Universität zu Kiel f. d. J. 4 886/87; Verzeichniss d. Vorlas.
Winter 4 886^87, Sommer 4 887; Bloss, Frdr., Naturaltsmus u. Mate-
rialismus in Griechenland zu Piatons Zeit. Hensen, Vict., Die Natur-
wissenschaft im Universitätsverband. Eudocci ars astronomica qaalis
in Charta aegyptiaca superest denuo edita a Frdr. Blass. Volbehr,
Frdr,, Professoren und Docenten derChristian-AIbrechts-l'niversitat
zu Kiel 4 665 — 4 887 (Beilage zur Chronik). — 43 Dissertationen vom
J. 4 886/87.
Ergebnisse der Beobachtungsstationen an den deutschen Küsten über die
physikalischen Eigenschaften der Ostsee u. Nordsee u. die Fischerei.
Jahrg. 4886, H. 4-~4S. Berlin 4887.
Fünfter Bericht der Commission zur wissenschaftl. Untersuchung der deut-
schen Meere in Kiel f. d. Jahre 4 88i— 86. Jahrg. 4 2 — 46. Berlin 4 887.
Schriften der physikal.-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg. Jahrg.
27 (4886). Königsberg 4 887.
Vierteljahrsschrift der astronom. Gesellschaft. Jahrg. 22, H. 4—3. Leip-
zig 4887.
Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte u. Alterthumskunde.
Bd. 6, H. 4. 2. Lübeck 4886. 87.
Jahresbericht u. Abhandlungen des Naturwissenschaftl. Vereins in Ma gde-
bürg. 4886. Magdeburg 4 887.
Jahresbericht der Fürsten- u. Landesschule Meissen vom Juli 4886 — Juli
4 887. Meissen 4887.
Abhandlungen der mathem.-physikal. Ci. d. k. bayer. Akad. d. Wissenscfa.
Bd. 4 5 (in d. Reihe d. Denkschr. d. 58. Bd.), Abth. 3. Bd. 46 (in d.
Reihe d. Denkschr. d. 56. Bd.), Abth. 4. München 4886. 87.
Sitzungsberichte der mathem.-physikal. Cl. der k. bayer. Akad. d. Wiss.
zu München. Jahrg. 4 886, H. 2. 3. Jahrg. 4 887, H. 4. 2. München
4 886. 87.
Sitzungsberichte der philos.-philol. u. histor. Cl. der k. bayer. Akad. d.
Wiss. zu München. Jahrg. 4 886, H. 3. 4. Jahrg. 4887, Bd. I, H. 4—3.
Bd. II, H. 4. 2. München 4 886. 87.
Hertivig, R,, Gedächtnisrede auf Carl Theodor v. Siebold, gehalten in der
ötTentl. Sitzung der k. bayer. Akad. d. Wiss. zur Feier ihres 427. Stif«
tungstages am 19. März 4886. München 4 886.
Bauernfeind, C. M, v., Gedächtnisrede auf Joseph v. Fraunhofer zur Feier
seines 4 00. Geburtstages. München 4 887.
Giesebrecht, TV. r., Gedächtnisrede auf Leopold v. Ranke, gehalten in der
ölTentl. Sitzung der k. bayer. Akad. d. Wiss. zur Feier ihres 428. Stif-
tungstages am 28. März 4 887. München 4 887.
IX
Achtundzwanzigste Plenarversaromlung der histor. Comroission bei der k.
bayer. Akad. d. Wissensch. Bericht des Secretariats. München 4887.
Sitzungsberichte der Gesellschaft f. Morphologie u. Physiologie in MUnchen.
Jahrg. 2 (4886), H. 4—3. München 4 886. 87.
44. Jahresbericht des Westfälischen Prozinzial -Vereins f. Wissenschaft u.
Kunst für 4885. Münster 4886.
Jahresbericht der naturhistorischen Gesellschaft zu Nürnberg. 4886
(nebst Abhandlungen, Bd. 8, Bogen 4.5). Nürnberg 4887.
Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. Bd. 4, H. 3 (Jahrg. 4 886).
— Mittheilungen aus dem Germanischen Museum. Bd. 4 , H. 3
; Jahrg. 4886). — Katalog der im Germanischen Museum befindlichen
Kartenspiele u. Spielkarten. Nürnberg 4886.
Zeitschrift der historischen Gesellschaft für die Provinz Posen. Jahrg. 2,
H. 8. 4. Posen 4886. 87.
Jahresbericht des Vereins für Erdkunde zu Stettin. 4886. Stettin 4887.
Wurttembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Hsg. v. d. Kgl.
Statist. Landesamt. Jahrg. 9 (4886), H. 4—4. Stuttgart 4886. 87.
Zuwachs der Grossherzogl. Bibliothek zu Weimar i. d. J. 4885 u. 48S6.
Weimar 4 887.
Jahrbücher des Nassauschen Vereins für Naturkunde. Jahrg. 40. Wies-
baden 4887.
Sitzungsberichte der physikal.-medicin. Gesellschaft in Würzburg.
Jahrg. 4886. Würzburg 4 886.
Verhandlungen der physikal.-medicin. Gesellschaft in Würzburg. N. F.
Bd. 20. Würzburg 4 887.
Oesterreich-Ungarn.
Rad Jugoslavenske Akademije znanosti i umjetnosti [Agram]. Knjiga
82—84. ü Zagrebu 4886. 87.
Viestnik Hrvatskoga arkeologickoga Drul^tva. Godina IX, Br. 4 — 4. U Za-
grebu 4 887.
Magyar tudom. Akad^miai Almanach, 4 886-ra. 4887-re. Budapest
4 885. 86.
A Magyar tudom. Akad6mia Emlökbeszödek. Köt. 3, Sz. 3 — 10. 4, 4 — 5.
Budapest 4885—87.
A Magyar tudom. Akademia Ertösitoje. Evfoly. 4 9 (4 883), Sz. 3—6. 20 (4886),
4—7. 24 (4887), 4— 3. Budapest 4 885— 87.
A Magyar tudom. Akademia Evkönyvei. Köt. 4 7, D. 3. 4. Budapest 4885. 86.
Mathematische u. naturwiss. Berichte aus Ungarn. Mit Unterstützung der
Ungar. Akad. d. Wissensch. herausgeg. Bd. 3. 4. Budapest 4885. 86.
Ethnologische Mittheilungen aus Ungarn. Hsg. v. A. Herrmann. Jahrg. 4
(4 887), H. 4. Budapest 4887.
Ungarische Revue. Mit Unterst, d. Ungar. Akad. d. Wiss. herausgeg. 4885,
H. 8—40. 4886 (Jahrg. 6), H. 4—40. 4887, 4—7. Budapest d. J.
Irodalnmtört^neti Eml6kek. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Kötet 4 . Buda-
pest 4886.
Ertekezäsek a mathematikai tudomänyok köräböl. Köt. 4 4, Sz. 4 0. Köt. 42,
Sz. 4— H. Köt. 4 3, Sz. 4. 2. Budapest 4 885—87.
Ert«kez6sek a nyelv- ^s szöptudomanyok köröböl. Kiadja a Magyar tudom.
Akad^mia. Köt. 42, Sz. 6—42. Köt.48, Sz. 4—4 2. Budapest 4885. 86.
Ertekez6sek a termäszetiudomänyok kör^böl. Köt. 44, Sz. 9. K6t. 43.
Sz. 4—49. Köt. 46, Sz. 4—6. Köt. 47, Sz. 4. Budapest 488&— 87.
Arcbaeologiai frtesitö. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Uj folyam, KOt. 3,
3—5. Köt. 6, 4—5. Köt. 7, 4. 2. Budapest 4885. 86.
Mathematikai 6s term^szettudomänyi Ertesitö. Kiadja a Magyar tudom.
Akad. Köt. 3, 6—9. h, 4—9. 5, 4—5. Budapest 4885—87.
Archaeologiai Közlem^nyek. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Köt. 44 (Ij
folyam Köt. 4 4). 4 5. Budapest 488e.
Mathematikai 6s termöszettudomdnyi Közlem^nyek. Kiadja a Mag>'ar tudom.
Akad. Köt. 20. 24, 4—5. Budapest 4885.
Nvelvtudomänyi Közlem6nyek. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Köt. 49,
2. 3. 20, 4. 2. Budapest 4885. 86.
Codex diplomaticus Hungaricus Andegavensis. T. 5. Budapest 4887.
Historiae Hungaricae Fontes domestici. Vol. 4. Chronica roinora. Au8picii$
et sumptibus Acad. scient. Hung. Budapest 4885.
Monumenta comitialia rcgni Hungariae. T. 9 (4598—4 604). Budapest 4885.
Monumenta comitialia regni Transsylvaniae. T. 4 4. Budapest 4886.
Nyclveml6ktär. R6gi magyar codexek. Kiadja a Magyar tudom. Akad. Köt.
43. Budapest 4886.
R6gi magyar költök Tara. Kötet 5 (XVI. szäzadbeli magyar költök müvei.
Kötet 4). Budapest 4 886.
Balassa, Josse f, A phonctica elemei, különös tekinteltel a magyar nyelvre.
Budapest 4 886.
Csoma, Sandor Körösi^ Dolgozatai. Összegyüjtötte Duka Tivadar. Kiadja a
Magyar tudom. Akad. Budapest 4 885.
Üankö, Jozsef, A Franczia könyvdisz a rcnaissance korban. Budapest 4886.
Feßrpataky, Z.., A kiräiyi kanczelMria az Arpädok koräban. Budapest 4885.
, Magyarorszägi vörosok r6gi sz^madaskönyvei. Budapest 4885.
Hellebrant, Arpädf Catalogus libroinim saeculo XV impressorum quotquot
in bibliotheca Acad. litt. Hungar. asservantur. Budapestini 4 886.
Jpolyif Arnold, Rimay Jänos ällamiratai äs Ieve1ez6se. A Magyar tudom.
Akad. törtänelmi bizottsägänak megbizäsäböl. Budapest 4887.
König, Gyula, A mösodrendii 6s k6tfüggetlen vältozöt tartalmazö parcziAÜs
difTerencziälegyenletek elm6lete. Budapest 4885.
Majläth, B6la, A Szönyi b6ke okmänytura. Budapest 4885.
Mihalkovics, Gdza, Agerinczes ällatok kivälasztöäs ivarszerveinek fejl6döse.
Budapest 4885.
Munkdcsif Bern,, Votjäk nepkölt6szeti hagyomdnyok. Kiadja a Magyar
tudom. Akad. Budapest 4 887.
Sydry, Alb. Bdrö, A heraldika vez6rfonala. Budapest 4886.
(iväry, L., Diplomatarium relationum Gabrielis Bethlen cum Venetorum
republica. Budapest 4886.
Szädeczky, L., Bäthory Istvän lengyel kirälylyö välasstäsa. 4574 — 76. A
Magyar tudom. Akad. tört6nelmi bizottsäga megbizilsäböl. Budapest
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Szenlkldray, J., A Dunai hajöhadak törtänete. Budapest 4886.
XI
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Thaly, A'., A szökesi Gröf Bercs^nyi csaläd. 452S— -4885. Kötet 4. S. Buda-
pest 4885. 87.
Feb'c5, A, Magyarorszägi lörök kinostäri defterek. Kötet 4. Budapest 4886.
Wlassics, Gyula, A bünkisärlet äs bevägzett büncselekmäny. Kötet 4. 2.
Budapest 4885. 87.
Verzeichnis d. öffentl. Vorlesungen an der k. k. Franz-Josefs*Universittft zu
Czernowitz im Sommer-Sem. 4 887, Winter-Sem. 4887/88. —
Uebersicbt der akad. Behörden, Winter-Sem. 4887/88.
Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquelien. Herausgeg. vom
histor. Vereine für Steiermark. Jahrg. 22. Graz 4887.
Mittbeilungen des histor. Vereines für Steiermark. Heft 35. Graz 4 887.
Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol u. Vorarlberg. 3. Folge. Heft 30.
Innsbruck 4886.
Berichte des nalurwiss.- medizinischen Vereines in Innsbruck. Jahrg. 4 5
(4 884/85 u. 4 885/86). Innsbruck 4 886.
Revue aus dem Inhalte der Medicin. Abiheilung des »Orvos-termäszettu-
domdnyi Ertesitö« (Medicin.- naturxv'iss. Mitlheilungen). Organ der
medicin. -naturwiss. Scction des Siebenbürgischen Museumvereins.
Bd. 9 (4887), H. 4. 2. Klausenburg 4887. — Revue aus d. Inhalte
der Natungviss. Abtheilung. Bd. 9 (4887), H. 4. 2. Klausenburg 4 887.
Abhandlungen der mathem. -naturwiss. Gl. der k. böhmischen Gesellschaft
d. Wissenschaften. 7. Folge, Bd. 4. Prag 4 886. — Abhandlungen
der Classe f. Philos., Geschichte u. Philologie. 7. Folge, Bd. 4. Praj;
4 886.
Jahresbericht der k. böhmischen Gesellschaft d. Wisse o Schäften, erstattet
am 46. Jan. 4 886; 45. Jan. 4887. Prag 4886. 87.
Sitzungsberichte der k. böhmischen Gesellschaft d. Wissensch. Mathem.-
naturw. Gl. Jahrg. 1885. 86. Prag 4 886. 87. — Philos.-hist.-philol.
Gl. Jahrg. 4 885. 86. Prag 4886. 87.
Regesta diplomatica nee non epistolaria Bohemiae et Moraviae. Opera Jos.
Emier. P. III (4344—33), Vol. 4—5. P. IV (4333 — 46), Vol. 4 — 5
(Sumptibus R. scientiarum Societatis Bobemiae). Pragae 4 884—86.
Jahresbericht der Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag.
Vereinsj. 4886/87 (38. Jahrg.). Prag 4887.
Magnetische und meteorologische Beobachtungen an der k. k. Sternwarte
zu Prag im J. 4886. Jahrg. 47. Prag 4 887.
Personalstand der k. k. Deutschen Carl-Ferdinands-Universität in Prag zu
Anfang d. Studienjahres 4887 — 88.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen.
Jahrg. 25, No. 4—4. Prag 4886. 87.
Lotos. Jahrbuch f. Naturwissenschaft. Im Auftrag des Vereines »Lotos«
herausg. N. F. Bd. 7. 8 (der ganzen Reihe Bd. 35. 36). Prag 4 887. 88.
Verhandlungen des Vereins f. Natur- u. Heilkunde zu Presburg. N. F.
Heft 5 (Jahrg. 4 881-83). 6 (Jahrg. 4884—86). Presburg 4 884. 87.
Bulletino di archeologia e storia dalmata. Anno 9 (4886), No. 42. Anno 10
(4887), No. 4—9. 44. Spalalo 4886. 87.
Anzeiger der Kaiserl. Akad. d. Wissenschaften in Wien. Matb.-pbys. Gl.
Jahrg. 23 (4 886), No. 25—27. Jahrg. 24 (1887), No. 4—25.
XII
Archiv für Österreich. Geschichte. Herausg. von der zur Pflege vaterländ.
Geschichte aufgestellten Commission der kaiserl. Akad. d.Wissenscb.
Bd. 68, 2. Hälfte. Bd. 69, 4. u. 2. Httlfte. Bd. 70. Wien 4 887.
Denkschriften der kaiserK Akad. d. Wtssensch. Mathem.-natar^'. CI. Bd.
54. 52. Wien 4886. 87.
Denkschriften der kaiserl. Akad. d. WIssensch. Philos.-histor. Gl. Register
(II) zu den Bänden 45—35. Wien 4886.
Sitzungsberichte der kaiserl. Akad. d. Wiss. Mathem.-naturu-. CI. Bd. 93
(4 886), Abth. I, Heft 4. 5. Abth. II, Heft 3—5. Abth. Hl. Heft 4—5.
Bd. 94 (4886). Abth. I, Heft 4—5. Abth. II, Heft 4—5. Abth. III,
Heft 4—5. Bd. 95 (4887), Abth. II, Heft 4. 2. Wien 4886. 87.
Sitzungsberichte der kaiserl. Akad. d. Wissensch. Pbilos.-histor.CI. Bd. 4 42
(4 886), Heft 4.2. Bd. 143 (4 886), Heft 4. 2. Bd. 444 (48S7,, Heft 4.
Wien 4 886. 87.
Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien. 4886. Bd. 29
(N. F. Bd. 49). Wien 4886.
Verhandlungen der k. k. zoologisch- botanischen Gesellschaft in Wien.
4886, III. u. IV. Quartal. 4 887.- 1. u. II. Quartal. Wien 4 886. 87.
Annalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums. Bd. 2, No. 4 — 4« W^ien
4887.
Abhandlungen der k. Je. geologischen Reichsanstalt. Bd. 42, No. 4. W^ien
4886.
Jahrbuch d. k. k. geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 4 886 (Bd. 36), H. 4.
Wien 4 886.
Verhandlungen d. k. k. geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 4886, No. 4 3 — 48.
Jahrg. 4887, No. 4.
Belgien.
Annales de l'Acadömie d'arch^ologie de Belgique. T. 44 (IV. S^r. T. 4).
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Annuaire de TAcad^mie R. des sciences , des lettres et des beaux-arts de
Belgique. 4886 (Annöe 52). 4 887 (Ann^e 53). Bruxelles d. J.
Bulletins de l'Acadämie R. des sciences, des lettres et des beaux-arts de
Belgique. Annöe 55 (4 885), III. S^r. T. 9. 4 0. Ann^e 56 (4 886),
III. S6r. T. 44. 42. Ann6e 57 (4887), IH. S6r. T. 43. Bruxelles d. J.
Catalogue des livres de la bibliotb^ue de l'Acad. des sciences, des lettres
et des beaux-arts de Belgique. P. I. II, 4. 2. Bruxelles 4 881. 83. 87.
Mömoires couronn^s et autres Mömoires p. p. l'Acad. R. des sciences, des
lettres et des beaux-arts de Belgique. Collection in-S®. T. 37 — 39.
Bruxelles 4 886.
M^moires couronn^s et M^moires des savants (^trangers p. p. l'Acad. R. des
sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique. T. 47. 48. Bru-
xelles 4886.
M^moires de l'Acad. R. des sciences, des lettres et des beaux-arls de Belgi-
que. T. 46. Bruxelles 4886.
Acad. R. des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique. Notices
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Regesta diplomatica historiae Danicae, cura Societatis Keg. scient. Danicae.
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R. Irish Academy. Todd Lecture Series. Vol. 2, P. 1. Dublin 1885.
The Transactions of the R. Irish Academy. Vol. 27 (Polite Hterature and
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The scientific Proceedings of the R. Dublin Society. N. Ser. Vol. 3, P. 3—6.
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Journal of the R. Microscopical Society, containing its Transactions and
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Report on the scientific results of the exploring voyage of H. M. S. Chal-
lenger, 1873—76. Zoology, Vol. 17. 18, P. I. II and Plates. 19. 20. 21,
Textand Plates. 22. — Botany Vol. 2. London 1886. 87.
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Classe des lettres. Vol. 23. Paris, Lyon 1885 — 86.
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1255 (Collection de documents in^dits pour servir ä l'histoire du
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de Lyon). Lyon 1885.
XIV
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Acad^mie des sciences et lettres de Montpellier. M^moires de la section
des lettres. T. 7, Fase. 3 (Ann^e 1885/86}. — Mömoires de la sectioa
de m6d^cine. T. 6, Fase. 4 (Ann^e 4885/86). Montpellier 4886.
Bulletin de la Soci^t^ des sciences de Nan c y (ancienne Soci6t^ des sciences
naturelles de Strasbourg) . S6r. 11. T. 8, Fase. 49. Ann6e 49 (4886).
Paris 4 886.
Comitö international des poids et mesures. Proc^s-verbaui des s^ances de
4886. Paris 4887.
Journal de TEcole poly techoique , publ. p. le Conseil d' Instruction de
cet ötablissemeot. Cah. 56. Paris 4886.
Mission scientifique du Cap Hörn, 4889 — 83. T. 3. Magn^tisroe terrestre.
Paris 4 886.
Bulletin de la Soci6tä matbömatique de France. T. 4 4, No. 5. T. 4 5,
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Holland und Luxemburg.
Jaarboek van de Kon. Akad. v. Wetensch. gevestigd te Amsterdam,
voor 4 885.
Verhandelingen d. Kon. Akad. v. Weteoschappen. Afdeel. Natuurkunde.
DeelXXV. Amsterdam 4887.
Verslagen en Mededeelingen der Kon. Akad. v. Wetensch. Afdeel. Letter-
kunde. III.Reeks, Deel 3. Amsterdam 4887. — Afdeel. Natuurkunde.
III.Reeks, Deel 2. Amsterdam 4 886.
Judas Machabaeus. Nupta ad amicam. Carmina in certamine poet. in-
dicto ab Acad. Reg. disciplinarum Neerlandica praemio et lande
ornata. Amstelod. 4 886.
Bijdragen tot de Dierkunde, nitg. door het Genootschap »Natura artis ma-
gistra« te Amsterdam. Afiev. 4 3. Amsterdam 4886.
Annales de l'Ecole Polytechnique de Delft. T. 2, Livr. 3. 4. T. 3, Livr. 4 — 3.
Leide 4 886. 87.
Archives n^erlandaises des sciences exactes et naturelles, publikes par
la Soci4t6 HoUandaise des sciences ä Harlem. T. 24, Livr. 2 — 5.
T. 22, Livr. 4—3. Harlem 4 886. 87.
Programme van de Hollandsche Maatschappij der wetenschappen te Haar-
lem voor het jaar 4 884. 85. — Naamlijsl van directeuren en leden
van de HoU. Maatscb. d. wetenschappen te Haarlem. 24. mei 4885.
Natuurkundige Verhandelingen van de Hollandsche Maatschappij der weten-
schappen. in. Verzameling. Deel 4, St. 3. 4. Deel 5, St. 4. Haarlem
4883. 87.
Archives du Mus^e Teyler. S6r. II. Vol. 3, P. 4. Harlem 4887.
Foodation Teyler. Catalogue de la biblioth^que, dress^ p. C. Ekama. Livr.
6. 6. Harlem 4 886.
Handelingen en Mededeelingen van de Maatschappij der Nederlandsche
Letterkunde te Leiden over het jaar 4886. Leiden 4886.
Levensberigten der afgestorvene medeleden van de Maatschappij der Neder-
landsche Letterkunde te Leiden. Bijlage tot de Handelingen van 4886.
Leiden 4 886.
XV
Nederlandsch kruidkundig Archief. Verslagen en Mededeelingen der
Nederlandsche botanische Vereeniging. Ser. 11. Deal 5, St. 4.
Nijmegen i887.
Aanteekeningen van het verhandelde in de sectie-vergaderingen van hat
Provinc. Utrechtsche Genootschap van kunsten en wetenscbappen,
ter geiegenheid van de algem. vergaderingen gehouden d. 28. Sept.
1886. Utrecht 4886.
Questions mises au concours par la Sociätö des arts et des sciences
^tablie ä Utrecht, 4 887.
Verslag van het verhandelde in de algem. vergader. van het Provinc. Ut-
rechtsche Genootschap van kunsten en wetensch. , gehouden d.
28. Sept. 4 886. Utrecht 4886.
Fränkel, Sigm., Die arana&ischen Fremdwörter Im Arabischen. Eine
von »het Provinz. Utrechtsche Genootschap van kunsten en weten-
scbappen« gekrönte Preisschrift. Leiden 4886.
Bijdragen en Mededeelingen van het Historisch Genootschap gevestigd te
Utrecht. Deel 4 0. Utrecht 4 887.
Werken van het Historisch Genootschap gevestigd te Utrecht. N. Ser. 43 — 45.
Utrecht 4886.87.
Onderzoekingen gedaan in het Physiol. Laboratorium der Utrechtsche
Hoogeschool. Uitgeg. door Donders en Engelmano. 111. Reeks.
Deel X, St. 2. Utrecht 4 887.
Pnblications de l'Institut R. Grand-Ducal de Luxembourg. Section des
sciences naturelles. T. 20« Luxembourg 4 886.
Oservations möt^orologiques, faites ä Luxembourg p. F. Reuter. Vol. 3. 4.
Luxembourg 4 887.
Italien.
Bollettino delle pubblicazioni italiane ricevute per diritto di stampa. 4886,
No. 24 e Indici S. 4—4 55. 4 887, No. 25—47. Firenze 4886. 87.
Bollettino delle opere moderne straniere acquistate dalle biblioteche pub-
bliche governative del regno d'Italia. Vol. 4 (4886), No. 5. 6 e In-
dice. Vol. 2 (4887), No. 4—3. Roma 4886. 87.
Novi Commentarii Academiae scientiarium Instituti Bononiensls. T. 4—4 0.
Bononiae 4834 — 49, und Indices generales In Nov. Comment.
Bononiae 4 855. — Memorie dell'Accademia delle scienze dell'Isti-
tulo di Bologna. T. 4 — 12. Bologna 4 850 — 64, und Indici generali.
Bologna 4864. — Seiie ü. T. 4—40. Bologna 4862—70 und Indici
generali. Bologna 4874. — Serie HL T. 4—40. Bologna 4874—79,
und Indici generali. Bologna 4880. — Ser. IV. T. 4—7. Bologna
4880—86.
Galvani, Luigi, Opere edite e inedite. Raccolte e pubbl. p. cora dell'Acca-
demia delle scienze delHstituto di Bologna. Bologna 4844. Nebst
Aggiunta. Bologna 4842.
Giudice, Franc, del, Universalitä dei mezzi di previdenza, difesa, e salvezza
per le calamitä degl' incendi. Opera premiata daU'Accademia delle
scienze deli'lstituto di Bologna. Bologna 4 848.
Della instituzione de' pompieri per grandi cillä e terre minori. Opera
premiata daU'Accademia delle scienze deiristituto di Bologna. Bo-
logna 4 852.
XVI
Pubblicazioni del R. Istituto di studi superiori pratici e di perfeziooamento
in Fi reo ze. Sezione di filosofia e filologia. Hondoni, G., I piüanticbi
frammenti del Costituto Fiorentino. Firenze 4 882. Del Vecchio, A.^
Le seconde nozze del conjuge superstite. Studio storico. Fireoze 1885.
— Sezione di roedicina e chirurgia e Scuola di farmacia. Archivio
della Scuola d'anatomia patologica, diretto da G. Pellizari. Vol. II.
Firenze 4 883. Filippi^ A., Esegesi medico legale sul Methodns tesli-
ficandi di G. B. Codroncbi. Firenze 4883. — Sezione di scienze fisicbe
e nalurali. Luciani^ L., Ltnee generali della fisiologia del cervelletto.
Prima memoria. Firenze 4 884. Röitit A., Osservazioni continue della
elettricitä atmosferica. Firenze 4 884.
Reale Istituto Lombardo di scienze e lettere. Rendiconti. Ser. II, Vol. 49.
Milano 4886.
Memorie della R. Accademia di scienze, lettere ed arti di Mode na. Ser. I.
T. 20, P. 3. Ser. II. Vol. 4. Modena 4 882. 86.
Annali della R. Scuola normale superiore di Pisa. Della Serie Vol. 8 (Scienze
fisicbe e natural!, Vol. 4). Pisa 4 887.
Atti della Societä Toscana di scienze naturali residente in Pisa. Memorie,
Vol. 8, Fase. 4. 2. Pisa 4886. 87.
Processi verbali della Societä Toscana di scienze naturali residente in Pisa.
Vol. 5, adunanza del 4 4. Nov. 4886, 9. Genn.. 4 3. Marzo, 8. Haggio,
3. Luglio 4 887.
Atti della R. Accademia de'Lincei. Serie IV. Memorie della Classe di scienze
fisicbe, matemat. e naturali. Vol. 4, Roma 4 885. — Memorie detla
classe di scienze morali, storiche e filologicbe. Vol. 4.2, P. 2 fNo-
tizie degli scavi, 4 886, Genn. — Dicembre e Indice topografico,.
Roma 4885. 86. —Rendiconti. Vol. 2, II. Sem., Fase. 40—42. Vol.
3, I. Sem., Fase. 4 — 4 3. II. Sem., Fase. 4 — 5. Roma 4 886. 87.
Mittbeilungen des Kais. Deutseben Arcbaeologiscben Instituts. Römische
Abtbeilung (Bullettino delF Imp. Istituto Arcbeologico Germaoico.
Sezione Romana). Bd. 4, H. 4. Bd. 2. H. 4—3. Rom 4 886. 87.
Atti della R. Accademia delle scienze di Torin o. Vol. XXII, Disp. 4 — 4 3.
Torino 4 887.
Bollettino meteorologico ed astronomico deir Osservatorio della R. üniver-
Sita di Torino. Anno 24 (4 886). Parte meteorologica. Torino 4887.
Atti del R. Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti. T. 8, Disp. 40. T. 4,
Disp. 4—4 0 e Appendice. T. 5, Disp. 4. Venezia 4 884/85—1886/87.
Russland.
Meteorologiscbe Beobacbtungen angestellt in Dorpat. Bd. 5, S. 4 — 64
(Dorpat4886. 87).
Weihra%tchj K., Zwanzigjährige Mittelwertbe aus den meteorologischen Be-
obacbtungen 4 866 — 4 885 für Dorpat. Ergänzungsheft zum 4. Bande
der Dorpater meteorolog. Beobacbtungen. Dorpat 4 887.
Beriebt über die Ergebnisse der Beobachtungen an den Regenstationen der
Kaiserlichen livländ. gemeinnützigen u. Ökonom. Societät f. d. J. 4 885.
Dorpat 4886.
Bidrag tili kännedom af Finlands natur och foik, utg. af Finska Vetenskaps-
Societ. Haftet 44. Helsingfors 4887.
WII
ObservatioDR publikes par riostttut mötäorologiqae central de la Soci6t6 des
sciences de Finlande. Vol. 1, Livr. 4 (Observations mötöorol. faites
ä Helsingfors en 4882). Vol. 2, Livr. 1 (Observat. mätöorol. faites k
Helsingfors en 4883). Helsingfors 4886.
Exploration internationale des r6gions polaires, 4888/83 et 4883/84. Expe-
dition polaire finlandaise. T. II. Observations faites aux stations de
Sodankylä et de Kultala p. S. Lemström et £. Biese. Helsingfors
4887.*
Universitetskija Izvestija. God 26 (1886), No. 4 0— 42. God 27 (4887), No.
4—9. Kiev4886. 87.
Bulletin de la Sociätö Imp^r. des Naturalistös deMoscou. T. 62 (Annäe
4886), No. 4. T. 63 (Ann6e 4887), No. 4—8. Moscou 4887.
Meteorologische Beobachtungen, ausgeführt am Meteorol. Observatorium
d. Landwirthschaftlichen Akademie zu Moskau von A: A. Fad^i^fT.
4886, 2. H&lfte (Beilage z. Bulletin de la Soc. Imp. des Natural, de
Moscou, T. 62). Moscou 4887.
Bulletin de TAcadömie Imperiale des sciences de St.-Pdtersbourg.
T. XXXI, No. 3. 4. T. XXXII, No. 4. St.-P6tersbourg 4886. 87.
M^moires de TAcadömie Imperiale des sciences de St.-Pötersbourg.
VII. S6rie. T. 34, No. 7—4 3. T. 33, No. 4—7. St.-P6tersbourg 4 886. 87.
Repertorium für Meteorologie, hsg. v. d. kais. Akademie d. Wissensch.,
redig. v. H. Wild. Bd. 4 0. St. Petersburg 4887. —Supplementband 2
{Rykatschew, M., Über den Aufgang und Zugang der Gewässer des
Russischen Reichs). 3 {Wahlen, E., Wahre Tagesmittel u. tägliche
Variation d. Temperatur an 48 Stationen des Russischen Reichs).
4 [Leyst, E., Katalog d. meteorolog. Beobachtungen in Russland und
Finnland). St. Petersburg 4887.
Annalen d. physikalischen Centralobservatoriums ; herausg. vonH. Wild.
Jahrg. 4886, Th. 4.-2. Jahrg. 4886, Th. 4. St. Petersburg 4886. 87.
Acta Horti Petropolitani. T. 9, Fase. 2. Petropoli 4886.
Trudy S.-Peterburgskago Obscestva estestvoispytatelej. T. 47, 4. St. Peter-
burg 4886.
Juridiceskaja Bibliografija izdav. Judd. Fakultetom Imp. S. Peterburgskago
üniversiteta. God 3 (4886), No. 7—9. S.Pelerburg 4886. 87.
Protokoly zasidanij soveta Imperat. S.-Peterburgskago Üniversiteta. No.
33—35. S. Peterburg 4886. 87.
Wedenski, N., Über die Beziehungen zwischen Reizung und Erregung im
Tetanus. S. Peterburg 4 886.
Sazonovic, Pesni o d^vu§ke-voin& i byliny o stavre Godinovice. Varsaval 886.
Correspondenzblatt des Naturforscher- Vereins zu Riga. Jahrg. 30. Riga
4887.
Magnetische Beobachtungen des Tifliser Physikal. Observatoriums in den
Jahren 4884—85, hsg. v. J. Mielberg. Tiflis 4887.
Meteorologische Beobachtungen des Tifliser Physikal. Observatoriums im
J. 4 885, hsg. V. J. Mielberg. Tiflis 4886.
Schweden und Norwegen.
Sveriges offentliga Bibliotek Stockholm, Upsala, Lund. Accessions-Katalog.
4 (4 886). Stockholm 4887.
Forhandlinger ved de Skandinaviske Naturforskeres 43^« Mode i Christi-
ania 7.-42. Juli 4886. Christiania 4887.
2
XYIII
Forhandlinger i Videnskabs-Selskabet i Christi an ia. Aar 4886. Christi-
ania 4887.
Caspariy C. P., Eine Augustin fälschlich beigelegte Homtlia de sacrtlegiis
(Hsg. von der Gesellschaft d. Wissensch. zu ChristiaDia). Christi-
ania 4886.
Lieblein, /., Handel und Schiffahrt auf dem Rothen Meere in alten Zeiten.
Nach ägyptischen Quellen (Hsg. von der Gesellschaft d. Wissensch.
zu Christiania). Christiania 4886.
Publication der Norweg. Commission d. Europäischen Gradmessung. Geo-
dätische Arbeiten H. 5. Christiania 4887.
Ddgivet af den Norske Gradmaalingskommission. Vandstandsobservationer
Hefte 4. Christiania 4887.
Schübeier, F. C, Viridarium Norvegicum. Norges Vaextrige. Bd. 4, H. 2
og Bd. S, H. 4 . Udgivet som Univ.-Progr. for andet Semester 1 886.
Christiania 4 886.
Agricola, Joann,, Apophthegmata nonnuUa. Nunc primum edid. Lud. Daae
(Programme academ. quo inclytae Universität! Heidelbergensi inier
saecularia sollemnia gratulatur Univ. Regi Christianensis) . Christi-
aniae 4886.
Drachmann, A. B,, Catuls digtning belyst i forhold til den tidligere grseske
og latinske litteratur. Kj0benhavn 4 887. Guderne hos Vergil. KJ0-
benhavn 4887.
Stenersen, L. B,, Catuls digtning oplyst i dens sammenhasng med den tid-
ligere graßske og latinske literatur. Kristiania 4887. Udsigt over den
romerske Satires forskjellige arter. Kristiania 4887.
Den Norske Nordhavs-Expedition 4876 — 78. XVII. Zoologi. DanieUsen,
D, C, Alcyonida. XVIII. A. B. Mohn, H., Nordhavets dybder, tem-
peratur og stremninger. Christiania 4 887.
Acta Universitatis Lundensis. Lunds Universitets Ars-Skrift. T. 22 (4885 —
86), I. II. Lund 4886. 87.
Kongl. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademiens Manadsblad. Arg. 45
(4886). Stockholm 4886— 87.
Antiquarisk Tidskrift för Sverige utg. af Kongl. Vitterhets Historie och An-
tiquitets Akademien genom Bror Emil Hildebrand. Delen 9, 4. i.
4 0, 4.2. Stockholm 4887.
Entomologisk Tidskrift, pä föranstaltende af Entomologiska Föreningen
i Stockholm utg. af Jac. Spängberg. Arg. 7 (4 886), H. 4 — 4. Stock-
holm 4886.
Troms0 Museums Aarshefter. 40. Tromsd 4887. — Troms« Museums
Aarsberetning for 4886. Troms0 4887.
Nova Acta Reg. Societatis scientiamm Upsa Mensis. Ser. III. Vol. XIII,
Fase. 2. Upsaliae 4887.
Bulletin mensuel de TObservatoire m^t^orologique de TUniversit^ d'Cpsal.
Vol. 48 (4 886). üpsal 4886—87.
Schweiz.
Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft in Locle
44. — 43. Aug. 4 885. 68. Jahresversammlung. Jahresbericht 4884/85.
Neuenburg 4886. — Verhandlungen in Genf 40. — 42. Aug. 4886. 69.
Jahresversammlung. Jahresbericht 4 886/86. Genf 4886.
XIX
Compte-rendu des travaux prösentös ä la 68. sessioa de la Social^ Helv. des
sciences naturelles r^unie ä Locle 41.— 43. aoüt 4885 (Archives des
Sciences phys. et naturelles, Sept. 4885). Gen^ve 4885. — Compte-
rendu des travaux pr6s. ä la 69. Session ä Gen^ve 40. — 42. aoüt 4886
(Arch. d. sc. phys. et nat., Sept.-Oct. 4886). Gen^ve 4886.
Basler Chroniken. Herausgeg. von der Historischen u. Antiquarischen Ge-
sellschaft in Basel. Bd. 3. Hsg. durch W. Vischer. Leipzig 4887.
Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. Th. 8, H. 2.
Basel 4887.
Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern aus d. J. 4885,
H. 3 (No. 4 433—42). Aus d. J. 4 886 [No. 44 48—68). Bern 4886. 87.
Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündens. N. F. Jahrg.
30 (Vereinsjahr 4 885/86). C hur 4 887.
Viertel Jahrsschrift d. naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Jahrg. 82,
H. 4. Zürich 4887.
Spanien.
Discursos leidos ante la Real Academia de ciencias morales y politicas en
la recepcion publica de Franc. Silvela 4887. Eug. Montero Bios
4887. Madrid 4887.
Real Academia de ciencias morales y politicas. Aüo de 4887. Madrid 4887.
Real Academia de ciencias morales y politicas. Programa para los concur-
sos ordinarios de 4888 y 4889. Madrid 4 887.
Vanvila y CoUado, M., El poder civil en Espana. Memoria premiada por la
R. Acad. de cienc. mor. y pol. T. 6. Madrid 4 887. — Soler y
Arqu^s, Carlos, Ideal de la familia. Memoria premiada por la R.
Acad. de cienc. mor. y pol. Madrid 4887.
Nordamerika.
Transactions of Ihe American Philological Association. Vol. 47 (4886). Boston
4 887.
Proceedings of the American Oriental Society, at New Haven, Oct. 4886;
at Boston, May 4 887.
Johns Hopkins University Circulars. Vol. 6, No. 54 — 59. Baltimore
4 886. 87.
Eleventh Annual Report of the President of the Johns Hopkins University,
4886. Baltimore 4886.
American Journal of Mathematics pure and applied. Publ. under the
auspices of the Johns Hopkins University. Vol. IX, No. 2 — 4. Vol. X,
No. 4. Baltimore 4887.
Johns Hopkins University Studies in historical and political science.
V. Ser., 1—4. 7—44. Baltimore 4887.
Memoirs of the American Academy of arts and sciences [Boston]. Vol. 2,
P. 4, No. 5. Vol. 4 4 (Centennial Volume), P. 4, N. 5. Boston
4877. 86.
Proceedings of the American Academy of arts and sciences. N. S. Vol. XIV
(WholeSer. Vol. XXII), P. 4. 2. From May4886 to May 4887. Selected
from the Records. Boston 4 887.
2*
Bulletin of the Buffalo Society of Natural History. Vol. Y, No. 2. Buf-
falo 4886.
Bulletin of the Museum of comparative Zodiogy, at Harvard College, Cam-
bridge, Mass. Vol. XIII, No. S— 5. Cambridge, Mass. 4886. 87.
Memoirs of the Museum of comparative Zoölogy, at Harvard College, Cam-
bridge, Mass. Voi. XVI, No. 4. 9. Cambridge, Mass. 4887.
Annual Report of the Curator of the Museum of comparative Zoölogy, at
Harvard College, Cambridge, Mass., for 4886/87. Cambridge, Mass.
4887.
Annals of the Astronomicai Observatory of Harvard College. Vol. 47. Cano-
bridge, Mass. 4 887.
Pttblications of the Washburn Observatory of the üniversity of Wisconsin.
Vol. 5. Madison 4887..
Memorias de la Sociedad cientifica »Antonio Alzate«. T. 4, Cuad. 4 — 4.
Mexico 4887.
The geological and natural history Survey of .Minnesota. The 43. 4 4. annual
Report, for the year 4884. 4885. Minneapolis (St. Paul) 4885. 86.
Proceedings and Transactions of the R.Society of Canada for the year 4885.
Vol. 3. Montreal 4886. For the year 4886. Vol. 4. Montreal 4887.
The Canadian Record of science, including the Proceedings of the Natural
history Society of Montreal and replaciog the Canadian Naturalist.
Vol. 2, No. 5. 6. Montreal 4887.
Transactions of the Connecticut Academy of arts and sciences. Vol. 7, P. 4 .
New Haven 4886.
Transactions of the Astronomicai Observatory of Yale Üniversity. Vol. 4,
P. 4. New Haven 4 887.
Annals of the New York Academy of sciences (late Lyceum of natura!
history). Vol. III, No. 44. 42. Vol. IV, No. 4.8. New York 4 885. 87.
Transactions of the New York Academy of sciences. Vol. IV. V, No. 4.
7. 8. New York 4885—87.
Bulletin of the American Geographlcal Society. 4 885, No. 4. 5. 4886, No.
2—5. Vol. 4» (4887), No. 4—3. New York 4886. 87.
Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadelphia. 4886,
P. 8 (Oct.— Dec). 4887, P. 4 (Jan.— AprU), 2 (April— Aug.). Phila-
delphia 4887.
Transactions of the Wagner Free Institute of science of Philadelphia. Vol. 4.
Philadelphia 4887.
Proceedings of the American Philosophical Society, held at Philadelphia,
for promoting useful knowledge. Vol. XXIII, No. 424. Vol. XXIV,
No. 4 25. Philadelphia 4886. 87.
The Transactions of the Academy of science of St. Louis. Vol. 4, No. 4.
St. Louis 4 886.
Peabody Academy of science. 4 9^ Report of the Trustees. Salem, Mass.
4 887.
Bulletin of the California Academy of sciences. Vol. 2, No. 5 — 7. San
Francisco 4886. 87.
Kosmos. An eclectic monthly Journal of natura, science and art. Vol. 4 ,
No. 4. 2. San Francisco 4887.
Anuario del Observatorio astronömico nacional de Tacubaya, para el aiio
de 4888 (Ano VIII). Mexico 4887.
XXI
Proceedings of the Canadian Institute, Torouto, beiog a contlnuatioD of
the Canadian Joamal of science , literature and history. III. Ser.
Vol. 4, Fase. 2. Vol. 5, Fase. 4. Toronto 4887.
Memoirsof the National Academy of sciences. Vol. 8, P. 2. Washington
4886.
Circulars of information and Bulletins of the Bnreau of Education for 4885.
4687, No. 4. 8. Washington 4886. 87.
Fonrth Annual Report of the Bureau of Ethnology to the Secretary of the
Smithsonian Institution. 4882—88. By J. W. Powell. Washington
4886.
Report of the Commissioner of Agrtculture Cor the year 4885. Washington
4885.
Report of the Commissioner of Education for the year 4884 — 85. Washing-
ton 4 886.
Smithsonian Mlscellaneous Collections. Vol. 28 — SO. Washington 4887.
Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Institution for
the year 4884, P. 11. For the year 4885, P. I. Washington 4885. 86.
Annual Report of the Chief Signal-Officer to the Secretary of war for the
year 4 885, P. I. II. Washington 4 885.
Report of the Superintendent of the U. S. Coast and Geodetic Survey,
showing the progress of the work during the fiscal year endiog with
June 4885. P. I (Text). II (Sketches). Washington 4886.
Bulletin of the ü. S. Geological Survey. No. S0-~d9. Washington 4886.87.
Monographs of the U. S. Geological Survey. Vol. X. XI. Washington 4 885. 86.
Sixth Annual Report of the U. S. Geological Survey to the Secretary of
the Interior 4 884—85, by J. W. Powell. Washington 4885.
U. S. Geological Survey. Mineral Resources of the United States. Calendar
year 4 885. Washington 4886.
Südamerika.
Anales de la Sociedad cientifica Argentina. T. 22, Entrega 5. 6. T. 23,
Entr. 4—6. T. 24, Entr. 4. Buenos Aires 4887.
Actas de la Academia nacional de ciencias en Cördoba. T. V, Entrega 3.
Buenos Aires 4886.
Boletin de la Academia nacional de ciencias de la Republica Argentina.
T. IX, Entrega 4—4. Buenos Aires 4886.
Archivos do Moseu Nacional doRiode Janeiro. Vol. 6. Rio de Janeiro
4885.
Verhandlungen des deutschen wissenschaftlichen Vereins zu Santiago.
H. 4. Valparaiso 4 886.
Asien.
Notulen van de algemeene en bestuurs-vergaderingen van het Bataviaasch
Genootschap van kunsten en wetenschappen. Deel 24 (4886), No.
2—4. Deel 25 (4887), No. 4—8. Batavia 4886. 87.
Tijdschrift voor Indische taal-, land- en volkenkuode, uitgeg. door het
Bataviaasch Genootschap van kunsten en wetenschappen. Deel 34,
Afl. 2 (Vervolg). 3—6. Deel 32, AO. 4. Batavia 4886. 87.
XXII
Chijs, /. A. van der, Calalogus der Numismatische Verzameling van hei Ba-
taviaasch Geoootscbap van kunsten en wetenschappen. Derde dmk.
Batavia/s Hage 4886.
— De vestiging van het nederlandsch gezag over de Banda - EUandea
4 599 — 4621. Uitgeg. door het.Batav. Genootscb. van kunsten en
wetensch. Batavia 4886.
Dagh -Register, gehouden int Casteel Batavia vant passerende daer ter
plaetse als over geheel Nederlandts-India anno 4640 — 44. Uitgeg.
door het Batav. Genootscl}. van kunsten en wetensch., met mede-
werking van de Nederlandsch-Indische Regeering en onder toexicht
van J. A. van der Cbijs. Batavia, 's Hage 4887.
Groeneveldt, W. P., Catalogus der Archaeologische Verzameling van bet
Batav. Genootsch. van kunsten en wetenschappen. Batavia 4887.
Nederlandsch-Indisch Plakaatboek 4602 — 4844, door J. H. van der Cbijs.
Uitgeg. d. het Bataviaasch Genootschap van kunsten en weten-
schappen. Deel 4. Batavia, 's Hage 4887.
Realia. Register op de generale resolutiän van het Kasteel Batavia 4632 —
4 805. Uitgeg. d. het Batav. Genootsch. van kunsten en wetenschap-
pen. Deel 3. *s Hage, Batavia 4886.
Observations made at the Magnetical and Meteorological Observatory at Ba-
tavia. Publ. by Order of the Government of Netherlands India. Vol.
6, Suppl. Vol. 7. Batavia 4886.
Natuurkundige Tijdschrift voor Nederlandsch-IndiS, uitgeg. d. de Kon.
NatuurkundigeVereeniging inNederlandsch-Indiö. Deel46(VllI.Ser.,
D. 7). Batavia 4 887.
Photographie du Volcan Krakatau. Avec texte par R. D. M. Verbeek. Buiten-
zorg 4886.
Cotes , E, C, and C. Swinhoe , A Catalogue of the Moths of India. P. I.
Sphinges. Calcutta (India Mnseum) 4887.
Journal of the China Brauch of the R. Asiatic Society. N. Ser. Vol. 24,
(4886), No. 3—6. Shanghai 4887.
Imperial University of Japan (Teikoku Daigaku). The Calendar for the year
4 886/87. Tokyo 4886.
Journal of the College of science, Imperial University, Japan. Vol. 4, P.
4—4. Tokyo 4886. 87.
Mittheilungen aus der Medicinischen Facultät der Kais. Japanischen Uni-
versität. Bd. 4, No. 4. Tokyo 4 887.
Australien.
Journal and Proceedings of the R. Society of New South Wales. Vol. 49
(4885). Sydney 4886.
Technological, Industrie 1 and sanitary Museum, Sydney. Report of the
Committee of management for 4 886. Sydney o. J.
XXIII
2. Einzelne Schriften.
AsIUmrner, CA., The geologic distribution of natural gas in the United
States, o. 0. 4886.
The geologic relations of the Nanticoke disaster. o. 0. 1887.
Ctt/tn, Stewart, China in America. A study in the iife of the Chinese in the
Eastern cities of the United States. Philadelphia 4887.
Engelkardt, B. d\ Observations astronomiques faites dans son observatoire
äDresde. P. 4. Dresde 4886.
Esperanto, Internationale Sprache. Vorrede u. vollständiges Lehrbuch.
Warschau 4887.
Löwenberg, B., Contribution au traitement du Coryza. Paris 4884.
Travaux originaux communiquös au troisi^me Congr^s otologique
international (Bäle, Sept. 4884). Bdle 4885.
Loomis, Elias, Contributions to meteorology. Chapter II. Revised edition.
New Haven 4 887.
Saint'Lager, Histoire des Herbiers. Paris 4 885.
Recherches historiques sur les mots »Plantes mäles« et »Plantes fe-
melles«. Paris 4884.
Seydler, A., Untersuchungen über verschiedene mögliche Formen des
Kraftgesetzes zwischen Massentheilchen (S. A.). Prag 4887.
Teige, Jos., Blätter aus der altböhmischen Genealogie. Wien 4887.
Weihrauch, K,, Einfluss des Widerstandes auf die Pendelbewegung bei ab-
lenkenden Kräften, mit Anwendung auf das Foucault'sche Pendel
(S. A.). 4887.
Wernicke, Alex., Die Grundlage der Euklidischen Geometrie des Maasses
(Prgr.). Braunschweig 4887.
Winkler, Clem., Mittheilungen über das Germanium (S. A.). Leipzig 4887.
Druck von Breitkopf & H&rtel in Leipzig.
INHALT.
Zarnc/Ut Zum Annoliede 283
Zarncke, GhriBtian Reuter als Pasaionsdichier 306
Waehsmuth, Neue Beitrage zur Topographie von Athen. . 369
Fleischer, Eine Stimme aus dem Morgenlande über Dozy's
Supplement aux dictionnaires arabes 406
c. d. Gahelentz, Über das taoistische Werk Wön-tai. . . .434
Böhtlingk, Nachtrag zu der S. 227 fgg. besprochenen Inschrift 443
Druck von Breitkopf k Härtel in L4>ipzi{c.
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20Ä 019 98^ *°^ .
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