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ÜBER DIE
MITTHEILUNGEN
VON
FREUNDEN DER NATURWISSENSCHAFTEN
in Wien;
gesammelt und herausgegeben
von s#
WILHELM HAIDINGER.
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I. Band. Nr. 1—6. Mai, Juni, Juli, August,
September, October 1846.
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ÜBER DIE
MITTHEILUNGEN
VON
FREUNDEN DER NAEURWISSENSCHAFTEN
in Wiens
gesammelt und herausgegeben
von
WILHELM HAIDINGER-
"I. Band. Nr. 1—6. Mai, Juni, Juli, August, September,
October 1846.
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WIEN 1847.
In Conimission bei Braumüller und Seidel.
Nie ermüdet stille steh’n.
Schiller.
Vorwort.
Wie hier gesammelt erscheinenden „Berichte“ geben
den Inhalt einer Reihe von Versammlungen, wie sie
sich nach und nach bei mir ausbildeten. Sie wurden
von einer derselben, der vom 27. April 1846 angefangen
durch meine Vermittelung der k. k. priv. Wiener Zei-
tung zugesandt, und erregten darin so viele Theilnahme,
dass ihre Aufsammlung nun nach einem halben Jahre
einer günstigen Aufnahme entgegensehen darf. Den
Berichten wurden noch einige andere mit denselben in
Verbindung stehende naturwissenschaftliche Aufsätze
beigefügt. |
Eine ausführlichere Nachricht über die Versamm-
lungen wäre hier noch nicht am rechten Orte. Ueber
die Berichte selbst darf jedoch erwähnt werden, dass
ihnen grösstentheils die eigenen Noten der Herren zum
Grunde liegen, die sie über ihre Vorträge mittheilten.
Es blieb daher wenig redaktorische Arbeit zu machen
übrig.
Die „Berichte“ werden den hochverehrlichen
Theilnehmern an der Subscription für die unter der
Presse befindlichen „Naturwissenschaftlichen Abhand-
lungen“ als ein Theil der durch die Mittel derselben
geleisteten Unternehmungen zugesandt, eben so denje-
nigen Herren, welche auch ohne Subscribenten zu
seyn, in dem Bande durch ihre werthvollen Mittheilun-
gen zur Reichhaltigkeit des Ganzen beigetragen haben,
IV
Für einen weiteren Kreis von Freunden der Ent-
wickelung naturwissenschaftlicher Studien und Arbeiten
ist der Preis möglichst mässig gestellt, um durch all-
gemeine Verbreitung die Theilnahme an denselben auch
für die Zukunft vorzubereiten, da bereits für fernere
Bekanntmachung in monatlichen Heften die gesetzli-
che Bewilligung vorliegt.
Wien, den 24. November 1846,
W, Haidinger.
Inhalt.
l. Versammlungs - Berichte,
1. Versammlung,
am 27. April.
. Fr. Simony. Skizzen aus den Alpen des Salzkammerguts
Fr, Ritter. v. Hauer. Zusammengewachsener Orthoceratit
und Ammonit . 2 R 3 “ n ”
Dr. S Reissek. .Befruchtung des Pflanzenkeims .
2. Versammlung, am 4. May.
W, Haidinger. Merkwürdige Farbenvertheilung am Cyan-
“ platinmagnesium . = . . . .
Fr. Simony. Vorgeschichtliche I im Salz-
‘ kammergut . » . Bw . n 2 .
W. Haidinger, Brandisit eine neue Mile Neue
Species von Breithaupt . ; - a ha er
A. Patera. Analyse des Korallenerzes von Idria - ; ;
W, Haidinger. Periklin als Varietät des Albits - ; :
3. Versammlung, am 11. May.
Er, Simony. Gletscher auf dem Dachsteingebirge
J. Czjzek. Geologische Karte der Umgegend von Wien
4. Versammlung, am 18. May.
A. Löwe. Analyse der Kupfererze und Tazzoni von Agordo
Dr. S. Reissek, Eigenthümliche Blüthenbildung von Cytisus
5 » Abbildungen kranker Kartoffeln . ;
Fr. Simony. Tiefen -, Durchschnitts- und en
des Hallstätter Sees . .- iret-
Dr. L. K. Schmarda. Einfluss des Lichts De irskbien BR
Dr R. Botzenhart. Natürliche Farben der Körper
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7. Hr. J, K. Hocheder. Vorkommen der Diamanten in Brasilien nach
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Virgil v. Helmreichen . 3 . E . 5 5
5. Versammlung, am 25. May.
V. Streflleur , k. k. Hauptmann. Reliefs des Wiener - Wald-
Gebirges . . Se . > - . . en
Dr. L. K. Schmarda. Hülsen des Müller'schen Trompeten-
Thierchens B E . - : - 2 > . -
Dr. L. K. Schmarda, Neue Formen von Infusorien . =
Fr. R. v. Hauer. Anwendung des Wasserglases um fossilen
Resten grössere Festigkeit zu geben .
W. Haidinger. Dichroskopische Loupe . . Eee. ©
5 Polarisationszustand des farbigen Lichts na-
türlicher opaker Körper. Dichrophan Eee De
Fr. Simony. Regeuflecke anf den Gebirgsseen . . .
W, Haidinger, Naturwissenschaftliche Abhandlungen, durch
Subseription . . A FERIEN. - 5 ae
6. Versammlung am 2. Juni.
A v, Morlot. Schichtenfolge von Teisendorf R
F. R. v. Hauer. Petrefacten des Anninger Berges bei Mödling
Dr, €. E. Hammerschmidt. Apparat für Mikroskopzeichnungen
Dr. S. Reissek. Algensporen »- . ...2.. Rs
W. Haidinger, Metamorphose von Brauneisenstein zn Roth-
eisenstein u. S. w. . - - R . s -
7. Versammlune, am S. Juni.
)
Dr. €, E. Hammerschmidt. Hydrophane Conchylien-Zeichnungen
=) 9 Neuer Käfer in Bernstein - .
2” = Neue Eidechse aus Ungarn
A. v. Morlot. Latente Metamorphose . . ; .
Dr, L. K, Schmarda. Wirbellose Thiere in den venetianischen
Lagunen und der Umgegend von Triest . . . .
W. Haidinger, Pleochroismus des Amethysts BRERs
8. Versammlung, am 15. Juni.
Dr. Moriz Hörnes, Fossile Säugethiere des Wiener Beckens
Prof. Leydolt Schriftgeanit DE 2.27 89
Fr, Simony. Kalkhöhlenbildung - - LER 5 3L.:
Dr. K. Langer Strukturverhältnisse der Knochen . . .
Fr. R v. Hauer. Cephalopoden von Hallstatt aus der Sunm-
lung des Fürsten von Metternich - . e . .
Seite
ve»
9. Versammlung, am 22. Juni.
. General - Münz - Probirer A. Löwe, Analysen von Jamesonit
und Berthierit . B s R ; z P ‘
Dr. Richard Comfort. Menschen-Racen - ‘ - - ß
Dr. Hammerschmidt. Pflanzen - Zellenleben { S s .
Dr. S. Reissek. Samenthierchen der Pflanzen . ‘
W. Haidinger. Prof. Zipser. Brand von Neusohl
” 5 Versammlungen nie
Aerzte und Naturforscher . .
» Warrington W. Smyth. EN Geo-
logische Karten der Landesaufnahme von Grossbritannien
und Irland & » : E R x A n; 2
10. Versammlung, am 30. Juni.
V. Streffleur. Feuerbildungen auf der Erdoberfläche . .
Dr. Hammerschmidt. Hartingers Farbendruck . . =
es 55 Paradisus Vindobonensis .
PR Eingeweidewürmer « « . s =
Prof. A, Schrötter, Molecularzustände. Bohnenerz
Arsenige Säure . - F
H , .
Dr. & Botzenhart. Polarisationsbüschel am Quarz, RL: 29
11. Versammlung , am 6. Juli.
Dr. R, Comfort. Familie der Equide . . 020%
Dr. S. Reissek. Zellnatur der Amylumkörner . . .
Joh. Kudernatsch, Urweltliche Seen in Steiermark .- .
Dr, v. Ferstl. Coralrag in Oesterreich . - >
A, Löwe, Hrn, Bergrath Haidingers Bericht über den Hagel-
sturm in Gratz vom 7, Uli . 2 2 0070208
12. Versammlung, am 13. Juli.
Joh, Czjzek, Bituminöses Holz des Wiener Beckens » .
V, Streffleur. Ursachen der Fluss- und Meeresdurchbrüche
Dr. M. Hörnes,. Struvit . = c - En
Dr. R, Botzenhart. Grundgestalt des Rises Te Kr
Dr, R. Comfort, Pferderacen EHE. er»
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65
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13. Versammlung am 20. Juli.
. Joh. Kudernatsch, Bestimmung des Kohlengehaltes im
Roheisen » . e - s ; s Fa 5 -
Dr. R. Comfort. Eintheilung der Wissenschaften . 5 R
V, Streffleur, Meeresströme und Salzgehalt des Meerwassers
14. Versammlung, am 3. August.
Dr. S. Reissek, Bau und Entwickelung des Getreidebrandes
V, Streffleur. Veränderungen des Meeresniveaus + .
Prof. F, Leydolt, Zwillinge des Ankerits °» .
Dr. R. Comfort, System der. Wirbelthiere . . P
15. Versammlung, am 10. August.
Otto Freiherr v. Ilingenau, Geognostische Wahrnehmungen
bei Tulleschitz - . . . er Er . I eo
Dr. S. Reissek, Flora von Wien, von A, Neilreich . °
16. Versammlung, am 10. August.
Dr..M. Hörnes. Mineraliensammlung der Frau Johanna, Edlen
von Henikstein . . & Eine e “ h E
Dr. H, M, Schmidt- Göbel, Dr. Helfer’s Sammlungen aus
Vorder- und Hinter-Indien ON 5
Dr. Hammerschmidt, C, Hellers Pflanzen-Sendung aus Mexico
C. Rumler. Duenbostels Oehlpumpe -
17. Versammlung, am 24. August.
V, Streffleur. Theorien der Umbildung der Erdoberfläche
Dr, Hammerschmidt. Ueber zwei wenig bekannte Thiere
aus Mexico, das Coendu, und Manavier - . A .
F. Ritter v. Hauer. Gebirgsschichten von Guttaring. und Alt-
hofen 5 & A 5 »
Prof. J. v, Pettko, Antike der eirektätien Eireiichaftent
in die Mineralogie - a - 2 > 2
18. Versammlung, am 31. August.
Prof RB, Kner, Sepienschulpe aus dem Grauwackengebirge
Prof, J, v, Pettko., Uebergänge trachytischer Gesteine .
Seite
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136
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ppm.
2.
3, Hr.
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”
2)
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Prof, J. v. Pettko. Basalt bei Kremnitz
Fr Parallelepipedische Grundgestalten” .
19. Versammlung, am 7. September.
Dr. Moriz Hörnes, Tertiäre a bei Matters-
dorf u. Ss. w . . . -
K, Rumler. Rittingers Babohnpe ne Kolben
F. R.v. Hauer. Caprinen der Gosauformation in Öbätkereich
20. Versammlung, am 14. September.
F. R. v. Hauer. J, R. v. Hauer und eig Die Forami-
niferen des Wiener Beckens . . - A
Dr. S. Reissek, Missbildung: des Maises
> Zell- und Krystallbildung »
Fr. Ritter v. Hauer. Naturwissenschaftliche Abhandlungen
von W. Haidinger
21. Versammlung, am 21. September.
A. Edler v. Würth. Geognostische Verhältnisse von Parschlug
Dr. R. Kner. Geognostlisches _aus Ost- Galizien . . -
A,Patera. Reinhold Freih. v. Reichenbach. Ammoniakbildung
F. R. v. Hauer. Monotis in den österreichischen Alpen
Dr, Richard Comfort, Mineralsysteme N RR
22. Versammlung, am 28. September.
J. Barrande. Geologie und Paläontologie des mittleren Böhmens
A Martin. Photographie auf Papier 4 s : 2
Dr. M.! Hörnes, Grauwackenversteinerungen von Rittberg
in Mähren . . . . . . ; 2 . R
Dr. Hammersclimidt, Zehnte Versammlung deutscher Land-
und Forstwirthe in Gratz . ; . 5 : e £
Dr. Reissek. Kartoffelfälle . .» R
h> Der 21, Band der Aübandliden Feng kais.
Leop.- Carol, Akademie, der Naturforscher
23. Versammlung , am 5. October.
Graf A. A. v. Keyserling. Aussia and the Ural Moun-
tains etc. » = ® . . 2 e . . . i
Dr, Hammerschmidt, Photographie, Daguerreotypie, Galva-
noplastik - .
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‚ Hr.
Fr. Ritter v. Hauer, Cephalopoden aus dem Bleiberger Mu- —_
schelmarmor . 174°
24. Versammlung, am 15. October.
Dr. S. Reissek, Die zwei neuen Kartoffelarten aus Neu-
fundland 3 E . B 4 5 . 176
<; Kleine Beiträge zur REN der In-
fusions - Thierchen von Dr. Ludwig K. Schmarda . 0
Dr. Hammerschmidt. Photographisches Bild . z R een
4 Neperische Rechenstäbe . B ea RR
Dr. 5 Schmarda. Adriatische Infusorien - Fauna . . »0.—
Dr. F. Rossi.. Neue Arachniden - . 2 . 180
J4 Se A, Patera und F. Markus, Explodirende Bach.
wolle -- . ; ar . . ; : ; . . 182
25. Versammlung, am 22. October.
J. Czjzek. Neue Kundorte der fossilen Fauna im ungari-
schen Becken - . - z A:
Dr. M. Heider. Besondere ern Br Zahlen . . 186
Dr. Hammerschmidt. Farbendruck . b R i ; AR
= Typographie i h i : ; „18%
26. Versammlung, am 29. October.
Fr. Ritter v. Hauer, Versteinerungen von Dienten in Salzburg —
Dr, S. Reissek. Entwickelungsgeschichte der Flachsfaser . 189
Fr, Ritter v. Hauer, Reinhold Freiherr v. Reichenbach über
den Ursprung der Ammoniaks -: 2.2.0... 190
Prof. Schrötter. Kalkspathanalyse von Hrn. v, Siemianowsky 193
Dr. Hammerschmidt, Oxyuris - Arten . ; Ä > 3 4194
Il. Specielle Mittheilungen.
Dr. S. Reissek, Ueber die Natur des kürzlich in Klein-Asien
vom Himmel gefallenen Manna - . . 495
ss Ueber den Mannaregen. (Nachtrag.) i -.200
Franz Ritter v. Hauer. Ueber die bei der Bohrung des arte-
sischen Brunnens im Bahnhofe der Wien-Raaber Eisen-
bahn in Wien durchfahrenen Tertiär - Schichten . . 201
Fr. Ritter v. Hauer. Ueber einen neuen Fundort tertiärer
Fischreste bei Poresesd in Siebenbürgen - : - 206
5. Hr. W, Haidinger, Ueber Hen, Friedrich Simony’s naturwissen-
schaftliche Aufnahmen und Untersuchungen in den Al-
6.
7.
pen des Salzkammergutes . .
» Friedrich Simony, Ueber die Spuren der vorgecihietitilene
Eiszeit im Salzkammergute
I. Das todte Gebirge .
U. Die Abrundung der Göbirgntheiie.
Ill. Karrenfelder . & - - 2
IV. Erratische Trümmer. Moränen .
V. Gletscherschlie . - ...
VI. Schluss . + e .
» A. A. Graf v, Keyserling. ee Aber das Werk:
Fussia and Ihe Ural Mountains
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I. Versammlungs - Berichte,
1. Versammlung, am 27. April 1846.
Wiener Zeitung vom 6, Mai 1846.
H.. Fr. Simony zeigte einer Anzahl von Freunden der
Naturwissenschaften seine geistvollen Skizzen aus den
Alpendes Salzkammergutes, deren Gegenstand in
der Wiener Zeitung vom 24. April angedeutet wurde, und
für welche hier die Aufmerksamkeit der verehrten Leser in
Anspruch genommen werden soll. (Siehe Specielle Mitthei-
lungen # 5.)
Hr. Franz Ritter v. Hauer zeigte ein paläontologi-
sches Schaustück aus dem k. k. Hof- Mineralien - Cabinette
vor, — ein echantillon celebre, — welches schon in frü-
heren Jahren vielfach die Aufmerksamkeit der Geognosten
beschäftigt hatte, nähmlich die in dem rothen Marmor aus
der Gegend von Hallstatt in einem Stücke zusammen
vorkommenden zwey Versteinerungen, eines sechs Zoll lan-
gen Orthoceratiten und eines vier und einen halben Zoll
im Durchmesser haltenden Ammoniten, die man früher als
bezeichnend für im Alter sehr weit von einander abstehende
Gebirgsbildungen zu betrachten gewohnt war. L. v. Buch
und Zippe, die bey ihrer Anwesenseit in Wien im Jahre
1832 diese eigenthümliche Zusammenstellung sahen, glaub-
ten daran eine künstliche Zusammenfügung zu erkennen.
(v. Leonh. und Bronn. Jahrb. 1833 p. 188.) Letzterer hatte
nähmlich den Mastixkitt an dem Stücke aufgefunden. Man
beruhigte sich um desto leichter bey dieser Ansicht, als es
dadurch möglich schien, einen in der Paläontologie durch
lange Zeit als Axiom betrachteten Satz auch fernerhin auf-
recht zu halten. Aber Hr. v. Hauer untersuchte das Stück
kürzlich genauer, und da ergab es sich, dass zwar aller-
dings der untere Theil des Orthoceratiten in Folge eines
zufälligen Bruches mit Mastix angekittet war, und daher
auch beym Erwärmen sich ablöste, der obere aber noch fest
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I, 1
Su
damit verbunden blieb, und dass der Ammonit selbst mit
dem Orthoceratiten unstreitig in einer und derselben Gebirgs-
schiehte begraben, und beym alimähligen Festwerden des
einst weichen Kalkschlammes nur auf natürlichem Wege
zusammengefügt wurde. Grauer Marmor ist an dem Stücke
nirgends zu sehen. Der Ammonit gehört nach v. Hauer
einer noch unbeschriebenen Art aus der Familie der Arietes
v. Buch an, einer Abtheilung, die man bisher nur im un-
teren Lias fand. Der Orthoceratit ist als neue Species von
Quenstedt beschrieben, und O. alveolaris benannt
worden. Das erwähnte Stück liefert demnach immer noch .
den vollgültigsten Beweis für das in der neueren Zeit auch
von Bou&, Quenstedt u. a. bereits anerkannte Zusam-
menvorkommen der genannten zwey Geschlechte in einer
und derselben Gebirgsschichte.
Herr Dr. S. Reissek erläuterte seine Beobachtungen
und Versuche über den physiologischen Vorgang hey der
Befruchtung des Pfianzenkeimes, die von ihm in
der Abhandlung der Leopoldinisch - Carolinischen Akademie
Bd. XXI. 2. 468. 1846 mitgetheilt wurden. Er begann mit
dem schon von Herodot miigetheilten Verfahren der
künstlichen Befruchtung der Dattelpalmen, der Befruchtung
eines weiblichen Individuums einer Fächerpalme in Berlin
durch ein männliches, das sich in Heidelberg befand, der
Ansichten Linne’s, endlich der neuern Forschungen und
Ansichten von A, Brown, Schleiden, Wydler, End-
licher u. A. über die Verlängerung des in die Narbe ge-
fallenen Blüthenstaubes, und die endliche Versetzung der
Zelle. Dr. Reissek’s Versuche bezweckten eine künst-
liche Versetzung der Pflanzenzellen, analog dem natürli-
chen Vorgange. Samenstaub wurde in Blatisubstanz, in
enizwey geschnittene Knollen gebracht, und überall ge-
schah die dem Vorgange bey der Befruchtung entsprechende
Zellenverlängerung, selbst bis zur Bildung neuer Zellen,
wie sich diess durch das Erscheinen einer grünlichen Fär-
bung am Ende der Verlängerung beurkundete. Der Vor-
gang bietet im Ganzen allerdings 'keine genaue Analogie
mit den Erfahrungen im Thierreiche dar.
W. Haidinger.
2, Versammlung, am 4. May.
Wiener Zeitung von 12, Mai 1846,
Hr. Bergrath Haidinger zeigte die merkwürdige
Farbenvertheilung an den Krystallen des Cyanplatinmag-
nesiums Pt6 Mg5 Cy1l, die ihm Herr Prof. Redten-
bacher in Prag mitgetheilt hatte. Hr Quadrat hatte
den Winter über in Redtenbacher's Laboratorio diese
und mehrere ähnliche Verbindungen chemisch untersucht.
Die zarten, rothen Krystalle, zwei Linien lang und '/; Linie
dick oder noch kleiner, sind in Rosen gruppirt, die in ge-
wissen Richtungen einen prachtvollen, metallähnlichen Glanz
besitzen. Es sind quadratische Prismen, in der ‚Richtung
der Axe karminroth, senkrecht darauf blutroth durchsich-
tig. Die Farben sind im polarisirten Lichte der dichrosko-
pischen Lonpe leicht zu trennen. Die Seitenflächen des
Prismas zeigen durch Reflex ein prachtvolles grünes Metall-
bronce, die Endfläche ein eben so prachtvolles, dunkles
Lasurblau. Bey der Stellung der Krystallaxe und der
dichroskopischen Loupe in einer Ebene geht alles mit Glas-
glanz zurückgeworfene Licht durch das ordinäre, alles mit
Metallglanz zurückgeworfene durch das extraordinäre Bild
der Letztern. Es ist also alles zurückgeworfene Licht ge-
radlinig aber entgegengesetzt polarisirt. Mehr in das Ein-
zelne gehende Angaben sind einer ausführlicheren Akhand-
lung vorbehalten.
Nach der von Hrn. Professor Gottlieb bei seiner
Durchreise erhaltenen Mittheilung ist die Auflösung des ro-
then, grünlich goldglänzeuden Salzes in Wasser farblos,
Diess ist wohl eine Collectivwirkung der kleinsten Theil-
chen von Roth und Grün. Auf einer vollkommen glatten
Spiegelfläche mit einem glatten Messer zerdrückt, erhält
man ein karminrothes Pulver, spiegelglatt aufgestrichen.
Die glatte Fläche gibt in der dichroskopischen Loupe das
Lasurblaue im untern Bilde, kein Grün. Mit etwas Wasser
befeuchtet, verschwindet jede Farbe alsobald. Nach der
Verdunstung hat sich eine glänzend metallischgrüne Schichte
gebildet, dıe beim durchfallenden Lichte karminroth ist. Im
2°
eu
Dichroskop ist das obere Bild geblichgrün, das untere blau-
lichgrün metallisch glänzend.
Dieses Vorkommen der metallischen und der nicht me-
tallischen Farben, durch die Untersuchung im polarisirten
Lichte nach senkrecht auf einander stehenden Richtungen
orientirt, bildet eine ganz neue Classe von optischen Er-
scheinungen; es ist ein wahrer Dichroismus der Ober-
fläche durch Reflexion, ähnlich den Erscheinungen,
welche man bisher am durchgelassenen Lichte beobachtet hat.
Hr. Friedr. Simony hielt einen Vortrag über die
Spuren der vorgeschichtlichen Gleischerausdehnung im
Salzkammergute, in welchem er zuerst aus {den verschie-
denen Abrundungen der Oberfläche des Dachstein-, Priel-
und Höllengebirges, die innerhalb ziemlich scharfer Grän-
zen des Terrains bis zu einem gewissen Höhen-Niveau auf-
wärts und bis zu einer bestimmten ‚Erstreckung abwärts
verfolgt werden können; dann aus den Karrenfeldern, bei
deren näheren Beschreibung er nachwies, dass sie nicht
durch Regen oder durch die Schmelzwässer des Winter-
schnees, sondern bloss durch die mit Moränenschntt, als
einem starken Reibungs - und Schliffmaterial gemengten
Schmelzwässer mächtig aufgelagerter Gletscher gebildet
worden sein konnten; und endlich aus den erratischen Geschie-
ben und deutlichen Moränen, welche zerstreut in dem ganzen
Gebirge vorkommen, den Beweis stellt, dass die genannten
Gebirge sämmtlich von grossen Gletschern überdeckt waren,
welche sich mindestens bis in die angrenzenden Hanuptthäler
erstreckt hatten. Alle erwähnten Erscheinungen wurden von
Simony zugleich durch eine gauze Reihe sehr genauer von
ihm selbst an Ort und Stelle aufgenommenen Handzeich-
nungen anschaulich nachgewiesen. Die Publication des gan-
zen von ihm gehaltenen Vortrages erfolgt gegenwärtig in den
Blättern dieser Zeitung. (Siehe Specielle Mittheilungen J%6.)
Brandisit, eine neue Mineralspecies. Herr
Bau-Directions-Adjunet Liebener, in Innsbruck , hatte
ein glimmerähnliches Mineral vom Monzoniberge im Fassa-
thal, wo es mit Pieonast zusammen vorkommt, an Hrn.
Bergrath Haidinger mit dem Bemerken eingeschickt, dass
es sich ungeachtet dieser Aehnlichkeit von dem Glimmer
_ En
wesentlich unterscheide. Eingeladen, da er doch die speci-
fische Selbstständigkeit erkannt, auch einen Nahmen vor-
zuschlagen, gab Liebener den Nahmen Brandisit, Sr.
Exc. dem vielverdienten Herrn Landes - Gouverneur von
Tyrol, Clemens Grafen von Brandis zu Ehren, Während
der Zeit hatte der Mineralienhändler Augustin ähnliche
Stücke nach Freiberg gebracht, und Hr. Prof. Breithaupt
gab der Species den Nahmen Disterrit von unbekann-
ter Etymologie. Auf eine Anfrage antwortete dieser Hrn.
Haidinger mit dem Wunsche der Beibehaltung des letz-
teren Nahmens, weil er längst den Personennahmen abhold
sei. Nur die Nahen nach verstorbenen Männern der Wis-
senschaft sollten als Denkmahle gelten. Doch bleibt Herr
Prof. Breithaupt bei dieser Ansicht ziemlich allein, und
alle übrigen Mineralogen stimmen in der Praxis überein,
durch die Nahmen die Zeit des Fortschrittes der Wissen-
schaft zu bezeichnen. Das Denkmahl ehrt den, dem es ge-
setzt wird, aber auch den der es setzt. Die Wahl des Nahmens
kann also nicht zweifelhaft bleiben, und Bergrath Haidin-
ger glaubt, dass man diese interessante Tyroler Mineral-
species gerne mit Liebeners Nahmen Brandisit in die
Systeme einführen wird.
Die Formen des Brandisites sind regelmässige sechssei-
tige Prismen, des rhomboedrischen Krystallsystems. Theil-
barkeit nach der Endfläche. Perlmutterglanz und Glasglanz,
auf den End- und den Seitenflächen; Farbe lauchgrün, bis ins
röthlichgraue. Optisch einaxig. Dichromatisch, Basis lauch-
grün, Axe leberbraun. Härte = 45, zwischen Fluss und
Apatit. Gewicht = 3.015 ... 3.062 v. Hauer. Dünne Blätt-
chen nicht biegsam, nicht elastisch.
Vor dem Löthrehre Reaction auf Kieselsäure, Thonerde,
Eisen.
Herr General - Landes - und Haupt - Münzprobirer, A.
Löwe, ist mit einer Analyse des Brandisits beschäftiget.
Herr Prof. Breithaupt ist im Begriffe ehestens fol-
gende neue Mineralspecies bekannt zu machen: 1) Plinian,
ein Arsenikkies von Ehrenfriedersdorf in Sachsen; 2) Spi-
nellus superius, eine Eisen-und Zinkspinellart vos Boden-
mais in Baiern; 3) Zygadit, von Andreasberg am Harz,
u.
mit dem Stilbit vorkommend, und dem Heulandit ähnlich,
aber härter; 4) Konichalzit, ein vanadinhältiger Ku-
pfer- und Kalk - Malachit aus Spanien ; 5) und 6) Kastor
und Follux von Elba. Wasserhell wie Quarz, und dem-
. selben auch in der Form ähnlich, obwohl sie augitisch ist.
Sie enthalten Kieselerde und mehr oder weniger Thonerde
und Lithion. 7) Siderodot, ein kalkhaltiger Spatheisen-
stein, Gewicht =3.41 von Radstadt in Salzburg.
Hr. Adolph Patera theilte vorläufig die Resultate
einer chemischen Untersuchung des Korallenerzes von Idria
mit, die er im Laboratorio des k.k. General-Land- und Haupt-
Münz - Probiramtes machte. Bekanntlich betrachten einige
Mineralogen die Varietäten desselben als blosse Concretio-
nen oder concentrisch-schalige Absonderungen, wie Reuss,
Haüy, der jedoch auch die entgegengesetzte Meinung an-
führt , ohne sie zu bestreiten, Blumenbach und Haus-
mann, Mohs dagegen, Brochant, Haidinger, be-
trachten sie als Anhäufungen von Conchylienresten. Letz-
terer hatte den Namen Hipponyx auf die patellenähnlichen
Schalen bezogen, in dem „Berichte über die Mineralien-
sammlung der k. k. Hofkammer im Münz - und Bergwesen.“
Patera führte zweierlei Formen von Schalen an, die sich
jedoch durch ihre Dicke von allen verwandten Gasteropoden
generisch unterscheiden, auch Bivalvenreste. Es kommen
indessen auch, neben den fossilen Resten noch wirkliche
Coneretionen vor, Bein ausgeschiedene Schalen erlitten ei-
nige 30 pCt. Glühverlust. Die weissgehrannten Schalen aber
gaben in einer qualitativen Analyse Kieselsäure, Thonerde,
Phosphorsäure , Kalkerde und Fluor. Die Ermittelung des
quantitativen Verhältnisses dieser Bestandtheile, soll Gegen-
stand einer späteren Mittheilung werden.
Die grosse Menge der in den Schalen enthaltenen Phos-
phorsäure ist höchst merkwürdig. Berthier führt bereits
eine Analyse mit folgenden Verhältnissen an: Fluophosphat
von Kalk 40.0, kohlensaurer Kalk 7.0, kohlensaure Magnesia
5:5, Thon 38.5, Kohle 2.0, Wasser und Bitumen 7.0. Sie
bezog sich aber nicht auf die Schalen, sondern auf ganze
Stücke des Korallenerzes.
=
Herr Bergrath Haidinger theilte einige Bemerkungen
über denPeriklin mit, denerals Varietätdes Albits
bezeichnet. Er hatte ihn mitMohs zuerst von demselben und
den Feldspathen überhaupt unterschieden. Breithanpt gab
ihm den Nahmen. Gustav Rose betrachtete ihn immer
als Albit. Haidinger zeigte mehrere Albite, die mit Adu-
larkrystallen besetzt waren, eben so Feldspathkrystalle von
geringern Durchsichtigkeitsgraden, mit Albit besetzt, Alles
in möglichst paralleler Steilung. Erstere waren von Pfitsch
in Ty go; letztere vom Cavalierberg bei Hirschberg in Schle-
sien. Er nimmt an, dass in der Bildung dieser Kıystalle ZU-
erst eine Verbindung von Natron - und Kalifeldspath krystal-
lisirte , die beyde auf die Form Einfluss nahmen, dass aber
später, indem die Gesteine selbst in verändertem Verhält-
nisse sich befanden, auch der mindere Antheil der Mischung
sich aus den Krystallen herauszog, und öfters an der Ober-
fläche sich wieder ansetzte. Nach Thaulow enthält der
Periklin vom St Gotthard bloss Natron, gar kein Kali. In
dem Fortgange der Metamorphose bleibt in den Graniten
Kalifeldspath noch zuletzt mit zweiaxigem Kaliglimmer und
Quarz übrig. Albit oder Natronfeldspath kommt nach G u-
stav Rose ausschliesslich auf Gängen vor. Eine ausführ-
lichere Abhandlung über diesen Gegenstand wird in Po«-
gendorff's Annalen erscheinen. (Bd. LXVIH. p. 471.)
3. Versammlung, am 11. Mai.
Wiener Zeitung vom 16, Mai 1846,
Hr. Friedrich Simony reihte an seinen am 4. Mai
abgehaltenen Vertrag über die Spuren ‘der vorge-
Behrentisehen Eiszeit im Salzkammergute
einen zweiten über die Verhältnisse der gegenwär-
tigen Gletscher auf dem Dachsteinzebirge
an. Zuerst gab er eine gedrängte Verse der
Gestaltung” und Ausdehnune des Terrains der drei
Gletscherpartien, des grossen Dre® Eisfeldes, des
todten Schnees und des Gosau-Gletschers, de-
ren Gesammtllächenraum er auf nahe 3000 Joch bestimmt.
el
Die Entstehung und Fortbildung der Dachstein-
Gletscher leitet er von den grossen Flächen ab, welche um
die höchsten Zinnen des Gebirges in und über der ewigen
Schneegränze liegen, vorzüglich hebt er als für die Glet-
scherbildung besonders günstig die an der Ostseite des ho-
hen Dachsteins gelegenen, von diesem terassenförmig ab-
steigenden, weitausgedehnten Stufen des Gebirgsplateaus,
wovon die höchste in einem Niveau von 8100‘ über dem Mee-
re allein über 400 Joch Flächenraum fasst, heraus. Hierauf
beschrieb er die verschiedenen Aggregatstufen der
Gletschermassen, den Hochschnee,, Firn, das Halbeis
und endlich das compacte Gletschereis, und erwähnte den
Prozess, durch welchen die erste der Aggregatformen all-
mählig bis in die letzte übergeht. Die deutlich unterscheid-
baren, verschieden mächtigen, mit der Oberfläche paralle-
len Schichten des Firns, die alljährigen Ueberbleibsel
des niedergefallenen und unvollständig abgeschmolzenen
Schnees, das Nichtabschmelzen der Firnmassen an ihrer un-
tern Fläche und das Verharren oder doch nur verhältniss-
mässig geringe Anwachsen der Mächtigkeit der Firnmassen
geben ihm den Beweis, dass alle Firnfelder,. ihre Un-
terlage möge eine noch so geringe Neiguug haben, entwe-
der durch Eigenschwere, oder Seitendruck fortwährend
(d. h. Sommer und Winter) nach abwärts gedrängt
werden, weil sonst, wenn diess nicht der Fall wäre, die
Firnfelder in einem Jahrhundert um mehrere hundert Fuss
in senkrechter Mächtigkeit zunehmen müssten. Von der ver-
schiedenen Höhen-, Breiten- und Längenausdehnung, so
wie von dem durch die grössere oder geringere Neigung der
Unterlage bedingten schnelleren oder langsameren Abwärts-
rücken der Firn- und Hochschneemassen, und endlich von
der Gestaltung des unter derFirnlinie (durchschnittlich 7500°
über dem Meere) gelegenen Terrains leitet Simony das
Vorhanden- oder Nichtvorhandenseyn des eigentlichen Glet-
schereises, die verschiedenen Verhältnisse seiner Ausdeh-
nung, seiner Erstreckung in verschiedene Niveaus, seines
jährlichen Vorrückens oder Zurückziehens und seines all-
mähligen Anwachsens oder Abnehmens ab. Hierauf be-
sprach er die verschiedenen Formen der Zerklüftung
Bee a
und Trümmerung im Firn und Eis, und gab den Un-
terschied zwischen Firn- und Eisschründen vorzüglich da-
hin an, dass die Ersteren parallele, die Letzieren keil-
förmig zusammenstossende Wände zeigen, was auf ganz
verschiedene Ursachen der Entstehung hindeutet. Als ein
beinahe allgemeines Gesetz stellte er auf, dass sowohl
Firn- als Eisklüfte die Abdachungslipie ihrer Massen quer
durchschneiden, dass, wo ein Gletscher- oder Firnstrom
ohne seitliche Hindernisse oder Einwirkungen gerade ab-
wärts zu rücken vermag, er nach der Stärke der Abda-
chung seiner Unterlage in grösseren oder kleineren Zwi-
schenräumen parallel zerklüftet, wo dagegen jene Statt
finden , die Zerklüftung unregelmässig und verworren wird,
oft ganz in Trümmerung übergeht. Als eine auffallende Er-
scheinung erwähnte er die kraterförmigen oft 100 Fuss
im Durchmesser haltenden Schlünde und Kessel mit-
ten in den Firn-Ebenen, die das Merkwürdige an sich
haben, dass sie alljährlich auf denselben Stellen verharren,
und für die es noch keine genügende Erklärung gibt; fer-
ner beschrieb er die auf dem Carls-Eisfelde und dem tod-
ten Schnee sich vorfindenden Katarakten, in der Masse
des Gletschers, welche die Bildung von Karrenbrun-
nen veranlassen und die durch das Zusammentreffen einer
obern und untern Kluft entstehen. In Beziehung auf die
Bewegung der Gletscher legt er auf die Theorie
Saussure’s, nach welcher sich die Firn - und Eismassen
bloss nach dem Gesetze der Schwere abwärts be-
wegen, mehr Gewicht als auf die neuere Annahme eines
innern Wachsens und Ausdehnens der Firn - und Eismas-
sen. Dann gab er die von alten Aelplern seit 50 Jahren so
wie seine eigenen seit vier Jahren gemachten Beobach-
tungen über das Wachsen der Dachsteingletscher
an, nach welchen vorzüglich die unterste Terasse des
Carls-Eisfeldes unausgesetzt alljährig um einige Fuss vor-
rückt und auch in ihrer Höhe immer mehr anschwillt.
Nach Simony’s Meinung dürfte der Hallstätter Glet-
scher sobald er den etwa 10 Klafter hohen Felswall, der
ihn an seinem Abschwung umschliesst, und an dem er jetzt
schon langsam aufwärts rückt, erstiegen hat, höchstens
= 70 =
nur noch einige Decennien brauchen, um wieder das drei
viertel Stunden entfernte Taubenkar, welches die deut-
lichsten Spuren eines schon früher vorhandenen Gletschers
zeigt, zu erreichen und nach und nach mit seinen Eislasten
auszufüllen. Schliesslich führte er noch die Sage von
der „verwunschenen Alm“ an, nach welcher da, wo
jetzt der Hallstätter Gletscher seine mächtigen Eisströme
ausbreitet, eine üppige Alpe gelegen haben soll, und er-
wähnte zugleich der gleichlautenden Sagen die von dem
Folgefonden und Snöhettan in Norwegen, von dem ewigen
Schneeberg im Salzburgischen und von mehreren Gletschern
der Schweiz und Tirols, welche Sagen als die Nachklänge
einer Tradition aus fernen, doch historischen Zeiten erschei-
nen, in welchen die Gletscher Europas (ob an allen Orten
gleichzeitig?) eine weit geringere Ausdehnung hatten, als
gegenwärtig. Diese Tradition wird dadurch wichtig, dass
sie zwischen der Periode der nun aus vieien bereits beob-
achteten Thatsachen nachweislichen grossen Gletscheraus-
dehnung und der jetzigen des gemässigten Klimas in unsern
Ländern eine wärmere Epoche, und somit schon einen
dreifachen Wechsel der Temperatur-Verhält-
nisse in unserem Welttheilnur seit jener Zeit,
wo das Festland Europas seine jüngste, seine
segenwärtige Gestalt bereits vollständig an-
genommen hatte, vermuthen lässt.
Hr. J. C2jäZek zeigte eine topographische Karte der
nächsten Umgebung von Wien, nach seinen eige-
nen Beobachtungen und Untersuchungen geognostisch
illuminirt. Bekanntlich haben wir bisher noch keine Karte die-
ser Art, indem die von Partsch, in Wien, bei Heubner 1845
erschienene, nicht so viel Detail der einzelnen Schichten ent-
hält. Hr. C2jZek hatte damit begonnen, für das k. k. Oberst-
Jägermeisteramt die Schichten der Kalk- und Sandsteine,
sammt den sie umgebenden neuern Ablagerungen in den
östlichen Ausläufern der Alpen auf das Genaueste zn stu-
diren. Herr Bergrath Haidinger veranlasste ihn , das
Gemälde der ganzen Umgegend Wiens, mit einem Radius
von drei bis vier Meilen, durch eine eben so ins Einzelne
gehende Uutersuchung zu ergänzen. Die mitgetheilte Karte
—
ist nun das Resultat seiner Arbeit, ein langjähriges Deside-
rat für die Umgebungen unserer Residenz, zu einer Zeit,
wo längst andere Städte dergleichen Nachweise nicht mehr
entbehren. Wenn auch noch erst Manusecript, lässt sich
nicht zweifeln, dass bei der von dem Verfasser beabsich-
tigten Subscriptien zur Herausgabe der Karte sich auch eine
angemessene Theilnahme des Publicums ergeben wird. Herr
CzäjzZek fand durchgängig die Schichten des Wiener-Sand-
steines unter die Kalksteine einfallend. Von den Tertiär- und
neueren Schichten sind folgende durch eigene Farben unter-
schieden: 1) Tegel. 2) Sandstein und Cerithienkalk. 3) Sand
mit Tegellagen und Schotter. 4) Leithakalk. 5) Conglomerat.
6) Quarz- und Urfelsgeröll mit Sandlagen. 7) Süsswasser-
kalk. 8) Löss 9) Oberer Schotter von Wiener-Sandsteinge-
schieben. 10) Die Fluss-Alluvionen. Dazu kommen noch die
erratischen Blöcke in der Nachbarschaft von Sieghartskir-
chen und Königstetten, die Kalktuffe, so wie die Vorkom-
men oder Spuren von Braunkohlen und Alpenkohlen, die
letztern unter dem Kalksteine und über dem Wiener Sand-
steine. Diese detaillirte Ausführung gibt der Karte einen bke-
sondern Werth durch die innige Beziehung des thonigen,
sandigen, schotterigen u. a. Untergrundes zn einer land-
wirthschaftlichen Benützung,
4. Versammlung , am 18. Mai,
Wiener Zeitung vom 23. Mai 1846,
Herr A. Löwe, k. k. General-Land- und Hauptmünz-
Probirer , theilte die Resultate einer chemisch - analyti-
schen Untersuchung des Kupfererzes von Agordo
im Venetianischen, und einiger davon abhängigen Hütten-
‚ praducte , insbesondere der sogenannten Tazzoni, mit,
welche im vorigen Jahre der k. k. Bergpractikant , Hr.
Marcus Lipold, gegenwärtig in Bleiberg in Kärnthen,
im Laboratorium des k. k. General-Land- und Hauptmünz-
Probiramtes unter Löwe's Leitung angestellt hatte. Das
Erz selbst wurde aus nahe 2 Atomen Kupferkies mit 3 Ato-
5 > ’ Uli Ai
men Schwefelkies, di. 2(Cu + Fe) +3Fe zusammenge-
BE |
setzt gefunden. Wird dasselbe im Verlaufe des Hütten-
prozesses geröstet, so bildet sich im Innern der Erzstücke
ein Kern (Tazzone) von Schwefelmetallen und die äusere
Hülle, welche den Schwefel verloren hat, wird oxydirt.
Die damit angestellten Analysen zeigten, dass die Schale
der Hauptsache nach Eisenoxyd ist, worin sich noch et-
was Schwefelkupfer nebst schwefe!lsaurem Kupferoxyd und
schwefelsaurem Eisenoxydul vorfindet; wesshalb auch die
Schale von dem gerösteten Erze abgeschlagen und im
Wasser ausgelaugt wird, theils um das darin befindliche
Kupfer durch hineingelegtes Eisen als Cementkupfer zu fäl-
len, theils um Eisenvitriol zu erzeugen. Der Kern muss in ei-
nem erweichten Zustande sich in die Mitte der umgeben-
den Schale zusammengezogen haben und zeigt nun eine dem
Buntkupfererze ähnliche Beschaffenheit. Die Analyse
lieferte indessen etwas abweichende Zahlenresultate, nah-
mentlich mehr Schwefel und Eisen, die Berechnung führte zu
der Formel 2 Cu +3 fe, die eine Verbindung von 2 Ato-
men Schwefelkupfer mit 3 Atomen Einfachschwefeleisen
darstellt
Herr Dr. Reissek gab über eine eigenthümliche
Pflanzenbildung Nachricht, welche in diesem Augen-
blicke im k. k. botanischen Garten zu Wien von Jeder-
mann beobachtet werden kann. Seit mehreren Jahren be-
findet sich daselbst ein Strauch des gemeinen Goldregens
(Cytisus Laburnim), einer Pflanze, welche jetzt überall
in Gärten und Parkanlagen blüht, und goldgelbe Blüthen
in langen herabhängenden Trauben besitzt. Der in Sprache
stehende Strauch trug bisher immer gelbe Blüthen. Heuer
zeigten sich plötzlich auf einigen Aesten gelbe, auf an-
dern rothe Blüthen, und sogar auf demselben Aste in
der Tiefe gelbe, höher rothe Blüthen, so wie in einer und
derselben Traube hie und da gelbe und rothe Blüthen. Die
rothblühenden Aeste waren vollkommen gleich mit der
rothblühenden Varietät des Goldregens (C. Adami). Die-
ses Verhältniss an und für sich schon höchst auffallend,
wurde jedoch an Merkwürdigkeit weit übertroffen von
einem andern. Es zeigte sich nähmlich an einem gelbbtü-
thigen Aste des Strauches ein Zweig ganz übereinstim-
ae WE
mend mit Cylisus purpureus, einer schr abweichend ge-
bildeten Pflanze, welche nur fusshoch ist und einzeln ste-
hende rothe Blüthen zwischen kleinen Blättern trägt. Dr.
Reissek bezeichnete diese Erscheinung als eine der lehr-
reichsten und seltensten, wovon dıe Wissenschaft bis jetzt
kein ähnliches Beispiel kennt. Zugleich wurden lebende
Exemplare vorgezeigt.
Herr Dr. Reissek zeigte hierauf Abbildungen
kranker Kartoffeln aus den verschiedenen Stadien
vor, und erläutete dieselben mit Hinweisung auf seine frü-
heren ausführlichen, über dieselbe Krankheit zum Theil in der
Wiener Zeitung gegebenen Mittheilungen. Das Resultat seiner
mehr als halbjährigen Untersuchungen über diesen Gegen-
stand ist: Dass die Kartoffelkrankheit eine einfache Fäule
sei, welche in ihren organischen Metamorphosen wesent-
lich mit der Fäule bei Aepfeln, Rüben, Kohl, Artischoken,
überhaupt mit jeder Pilanzenfäule übereinstimmt. Von einem
eontagiösen und seuchenartigen Charakter des Uebels kann
keine Rede sein. Die Fäule war vorübergehend, sie wird
sich in gewissen Jahren bei eintretenden gleich ungünsti-
gen atmosphärischen Einflüssen, ‚wie die des vorigen Jah-
res, wiederhohlen, eine Fortpflanzung des Uebels aber
durch Ansteckung und eine allgemeine Degeneration der
Kartoffel sei nicht zu befürchten. So weit seine jetzigen
Beobachtungen und Versuche reichen, entstehen aus kranken
Kartoffeln unter günstigen Verhältnissen ‚doch wieder ge-
sunde, so ungefähr, wie sich aus einem, wenn gleich an-
gefaulten Kohlkopfe Samen entwickeln, welche gesunde
Pflanzen erzeugen. Schliesslich versprach derselbe die zahl-
reichen über den Gegenstand von ihm entworfenen mikros-
kopischen Analysen und Zeichnungen nach ihrer Vollendung
vorzuzeigen und zu erläutern.
Herr Friedrich Simony legte seine Tiefen-,
Durehschnitts- und Perspeetiv-Karten Se HR
stätter See cin Oberösterreich) vor und erläuterte diesel-
ben durch eine Darlegung aller interessanten Ergebnisse
seiner auf demselben vorgenommenen zahlreichen Messun-
gen und Sondirungen. Hier folgt im Auszuge das Wesent-
lichste seiner Mittheilungen : Der Hallstätter-See, zwei
= DE
Stunden südlich von Ischl gelegen , hat eine Länge von
4370 W. Kl.;, seine grösste Breite (rechtwinklig durch
die gewundene Längenlinie gemessen) beträgt 770 Kl.;
seine mittlere Breite, aus dem Flächenraume und der
Länge berechnet, 552,5 Kl. (die in den topogr. Werken an-
gebene grösste Breite von 1120 W. Kl. ist nicht als wahre
Breite zu betrachten , da sie die natürliche Windung des
Beckens in einer Diagonale schneidet); der Flächenraum
bei mittlerem Wasserstand beträgt 1509 Joch oder 2.414.400
Quadrat Kl.; seine grösste Tiefe 66 Kl. (nicht 105 Kl.
wie häufig angegeben wurde.)
Das Verhältniss der grössten Tiefe zur Länge ist 1:662.
Das Verhältniss der grössten Tiefe zur mittleren Breite
1:8,37.
In Uebereinstimmung mit den steilen Ufern und Abfäl-
len der Gebirge, die den See umschliessen, zeigen sich
auch die Seiten des Beckens fast durchgängig steil
niedergehend, nicht selten seukrechte Wände von 20
bis 50 Klaftern Höhe bildend.
Dagegen ist der eigentliche Boden desselben kei-
neswegs, wie man sich gewöhnlich vorstellte, ein unregel-
mässiges Chaos von Gräben, Dümpfeln, Hügeln und Trüm-
mer-Haufwerk , sondern eine beinahe ‚regelmässige
Ebene, welche in der Gegend der grössten Tiefe (zwi-
schen dem sogenannten „Pfaffengfäll“und Weergra-
ben) nach einer Ausdehnung von 300 Kl. Länge und bei-
nahe eben so viel Breite vollkommen horizontal ist , von
da in der Längenerstreckung nach Süden, gegen die Ein-
mündung der Traun zu Anfangs kaum merklich, dann aber
allmählig stärker ansteigt bis zu dem Punkte, der nur noch
49 Kl. tief unter dem Wasserspiegel und 200 Kl. einwärts
vom Anfange des Sees liegt, von welchem aus sich dann
das Schuttgehänge der Traun plötzlich steil — in einem
Winkel von 30° gegen die Mündung des Flusses erhebt.
In dem nördlichen Längenverlauf steigt diese Ebene von
der tiefsten Stelle aus etwas rascher und in einer viel kür-
zeren Strecke zu der durch die Schuttablagerung der Gosau
hervorgebrachten Verengerung des Beckens bis zu 16 Kl.
ur
unter dem Wasserspiegel, fällt dann, aber nur langsam, in
der untern Hälfte des Sees nach dessen Mitte bis zu 24
Kl. ohne jedoch nochmahls jene wagrechte Flächung zu
erreichen und steigt endlich, in eine unregelmässig gerun-
dete Beckenform sich zusammen ziehend nach dem untern
See-Ende zur Ausmündung der Traun rasch auf.
Folgende Tabelle der in der gekrümmten Längenlinie
des Sces nach Abständen von 200 Kl. von Simony un-
ternommenen Sondirungen versinnlicht ziemlich deutlich die
Form des Längendurchschnittes des ganzen Was-
serbeckens.
Entfernung von der Ein- Senkrechte Tiefendifferenz
mündung der Traun ab- Tiefe der Horizontal-
wärts, abstände.
a A en es
WO Kl. . . » Bazla., 5'/, Kl.
600 Kl., eechen den Shlinen- je
amt und dem Grubkreuz. . 57° „ | 2'/, Kl
ERROR RR RT 1
1000 Kl., zwischen dem Mühl-
bach im Markte und Grub. 62 ,„
BE U NEED TR RENT,
HIIELIS sunn er Ba U 57
1600 Kl., zwischen dem Hunds-
ort und Weergraben . . 66 „=
|
|
|
|
a. 00. olmiaait aunh. cni-bER MR)
24, arms ana
en a han Ron
ER LÄIEN oh un nn ug una
PER LA ENLUE BUNEHENHERENERUMERT?: ia
en ee: h
= Win
Zwischen 2500 und 3000 Kl. nächst der Gosaumühle,
liegt die grösste Verengerung des Sees, in welcher der
Letztere nur eine Tiefe von 16 Kl. behält.
Entfernung von der Ein- Senkrechte Tiefendifferenz
mündung der Traun ab- Tiefe. der Horizontal-
wärts. abstände.
SBOBERFa era 7eih m 119 U | Kl
3200 Kl. 23 r
A UTRSER. a
Zwischen 3200 und 2400 K]. fällt die tiefste Stelle des
untern Sees = 24KIl.
EIER EEE TE
SEE ah irn 5 Mi.
Zwischen 3600 und 3800 Kl. ist noch eine Vertiefung
von 20'/, Kl.
SENFER er ns re IE
Der ei
21 8: ee 16 Kl.
Die weitere Länge bis zu 4370 Kl., d. h. bis zum Aus-
lauf der Traun, ist bloss durch die Klausbauten unter Was-
ser gesetztes Wiesenland, dessen Fläche kaum einige Fuss
unter dem Wasserspiegel liegt. Nur die Traun durchschnei-
det die Untiefe in Form eines 2 Klafter tiefen Grabens.
Als besonders beachtenswerth hebt Simony die in das
Becken vortretenden, zuerst in einen Winkel von 30—35°
abfallenden, dann aber sich allmählig immer mehr verflä-
chenden Schuttablagerungen der Traun, des
Waldbachs, des Mühlbachs, der Gosau und des
Zlianbaches hervor, welche das Becken des Sees fort-
während verkleinern, und in dem Verlaufe von einigen
tausend Jahren vollständig ausfüllen werden, und zwar mit
dem Schutte der verschiedenen Formationen des Ausseer,
Hallstätter und Gosauer Bezirkes. Eben diese
Schuttablagerungen weisen nach, wie sich in einem ver-
hältnissmässig kleinen Raum, wie dem des Haillstätter Sees,
Schichten verschiedener Verflächung , verschiedener For-.
mation, und auch mit sehr verschiedenem Korn der Men-
gungsbestandtheile durch ruhige Ablagerung allmählig bil-
den können.
tı Ku
Et. 5
Hr. Simony beabsichtigt eine ähnliche Aufnahme
aller Seen des Salzkammergutes, und auf die Grundlage
der zu erhaltenden Resultate, eine specielle Darlegung
der verschiedenen Verhältnisse der gegenwärtigen Ablage-
rungen in den Alpenseebecken, so wie eine Parallelisirung
derselben mit analogen Gebilden der älteren Formationen
der Alpen.
Herr Dr. Ludwig K. Schmarda theilte mehrere
neue Beobachtungen über den Einfluss des Lichtes
auf die Infusionsthierchen mit. Mehrere derselben
machte er in den medicinisechen Jahrbüchern des Oesterrei-
chischen Kaiserstaates, 1845, Heft XII, bekannt. Er gab
zuerst eine gedrängte Uebersicht der älteren Beobachtun-
gen von Priestley, Ingenhouss, ®. Fr. Müller,
Treviranus, Du Fray, Gruithuisen, Schweigger,
Lorent; erwähnte hierauf die vonMorren, Dutrochet,
Kützing, Carus, Ehrenberg, Pechy und Tell-
kampf, so wie derjenigen, welche er selbst in den medi-
einischen Jahrbüchern des Oesterreichischen Kaiserstaates
(1845, Heft XI1.) bekannt gemacht hatte. Die Resultate
seiner neuen Beobachtungen derselben sind im Folgenden
enthalten:
1) Viele Infusorien leben und entstehen auch an licht-
losen Orten: 2) kräftiger entwickelt sich das Leben der
mikroskopischen Thierwelt im Lichte; 3) die grünen Thier-
chen der sogenannten Priestley’schen Materie entste-
hen nur im Lichte.
Darauf folgte eine Reihe von Thatsachen über die
Lichtempfindung der Irfusionsthierchen; die Schluss-
folgerungen aus denselben sind:
1) Mehrere Infusorien zeigen eine deutliche Lichtem-
pfindung; 2) einige fliehen das Licht, wie Volvox globator
und die von Treviranus beobachteten unbestimmten
Formen; andere suchen es, wie Monas vinosa, M. sulfu-
rosa und M. Dunali , Pandorina morum, Chlamidomonas
pulvisculus, Euglena viridis, E. deses, E. triquetra und
Stentor niger; 3) als Empfindungsorgan scheint bei Vol-
vox, den Chlamidomonaden und Euglenen der rothe Pig-
mentfleck zu dienen, dessen Natur als Auge Ehrenberg
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I. 2
-
Jr
schon 1831 festgestellt und J. Müller bestätigt hat, bey
den übrigen scheint die ganze Leibesmasse wie bei den
augenloser und doch für das Licht empfänglichen Polypen
der Sitz der Lichtwahrnehmung zu sein.
Hr. Dr. R. Botzenhart theilte eine Beobachtung in
Betreff der natürlichen Farben der Körper mit, und erläuterte
sie durch das Vorzeigen von geglätteten farbigen Papieren.
Wird das von farbigen Körpern zurückgesendete Licht mit-
telst der diehroskopischen Loupe analysirt, ‚so erscheint,
wenn der Hauptschnitt des Kalkspath-Rhomboeders der Re-
flexionsebene parallel oder darauf senkrecht ist, bei einer
gewissen Schiefe der Incidenz, dem Polarisationswinkel,
das Eine der beiden Bilder beinahe weiss, während das An-
dere die Farbe des betrachteten Körpers zeigt. Das Licht
des weissen Bildes ist in der Einfallsebene , das des farbigen
senkrecht auf die Einfallsebene polarisirt: Dr. Botzenhart
schliesst aus dieser Beobachtung, dass ein Theil des auf far-
bige Körper auffallenden Lichtes an ihrer Oberfläche in Be-
zug auf Farbe unverändert zurückgeworfen wird, und dass
der farbige Antheil des zurückgesendeten Lichtes nach vor-
ausgegangener Brechung durch innere Reflexion, also aus
dem Innern der farbigen Körper zu uns gelangt.
Da diese Erscheinung an allen bisher untersuchten Kör-
pern beobachtet wurde, so gilt sie als ein fernerer Beleg für
die bis in eine gewisse Tiefe gehende Durchsichtigkeit aller
Körper. j
Schon Newton erklärte die natürlichen Farben der
Körper aus innern Reflexionen, und diese Erklärung ist auch
bisher gewöhnlich angenommen worden. Nach Dr. Botzen-
hart liefert die mitgetheilte leicht zu wiederholende Beobh-
achtung einen experimentellen Beweis für die Rich-
tigkeit dieser Ansicht.
Hr. J. K. Hocheder, Secretär bei der k. k. Central-
Bergbau-Direction , theilte den Inhalt einer Nachricht mit,
welche der gegenwärtig mit Staatsunterstützung in Brasi-
lien reisende k. k. Berg-Controllor, Virgilv. Helmrei-
chen, über dass Vorkommen der Diamanten und
ihre Gewinnungsmethode auf der Serra do Grao-Mogor in
der Provinz Minas - Geraes in Brasilien eingesandt hatte.
_
Man findet die Diamanten in zwei verschiedenen Arten von
Gebirgsgesteinen, nähmlich entweder in dem festen Itako-
lumit, oder in dem sogenannten Cascalho theils lose, theils
in den zusammengebackenen Geschieben fest eingewachsen.
v. Helmreichen besuchte die Gegend, wo man auf die
ersteren gearbeitet hatte im Jahre 1541 , auch die Diaman-
ten-Waschungen der Serra do Grao- Mogör (16° bis 17°
südl. Breite uud 46° bis 47° westl. Länge von Paris) sind
vor ihm von keinem Europäischen Reisenden besucht wor-
den. Bekanntlich hatte man die Diamauten früher nur in
dem Sande der Anschwemmungen angetroffen. Die unterste
Lage derselben, gewöhnlich voll grober Geschiebe, ist oft-
mahls der Gegenstand der Bearbeitung auf Gold und Edel-
steine. Der Cascalho des Corrego- da Ulinga im Lande
der Botocuden ist wegen seiner Topase bekannt, so wie
der Corrego de Sa. Anna Gold und Chrysoberylle ent-
hält. Die Diamanten auf der Serra do Grao-Mogör werden
gewöhnlich aus den Ablagerungen, dem Gurgulho-Cascalho
des oberflächlich zerstörten Itacolumitgebirges gewonnen,
in einer Längenerstreckung von ungefähr 3 Legoas (18 auf
einen Grad) von Patieiro bis Taquara, bei einer Breite von
1 bis 2 Legoas. In dem festen Itacolumite, eiuem fast rei-
nen Quarzgestein, sind sie seltener. Auch befolgen sie
darin ein eigenthümliches Gesetz des Vorkommens. Der
Itacolumit ist nähmlich zum Theile deutlich geschichtet,
zum Theile durch und durch gleichförmig und massig. Diese
letztern Massen sind in mehr rundlichen oder länglich sphä-
roidischen Partien in dem erstern eingewachsen. So kann
man an dem steil ansteigenden schroffen, zerrissenen, linken
Gehänge des Corrego dos Bois acht verschiedene, theils
abgesonderte, theils zusammenhängende solche massige
Itacolumitkörper, aus denen Diamanten gewonnen worden
sind, die eine Grösse von ungefähr 15 Klafter Länge und
3 bis 4 Klafter Breite haben, unterscheiden. Die Diaman-
ten führenden Körper sind von weisslicher, licht gelb-
licher oder röthlicher Farbe mit einer einige Zoll dicken
grauen oder schmutzig weissen Rinde. Sie haben oft ein
conglomeratartiges Ansehen von rundlichen oder verschieden-
artigen, neben einander liegenden, abgerundeten Quarzmas-
9x
Mi
sen, die sie enthalten, und die von den Arbeitern Tauben-
eyer (ovos de Pomba) genannt werden; viele der Quarz-
eyer sind mit einer Glimmer- oder Talkhaut überzogen. Es
kommen auch platte Stücke von schiefrigem Gefüge darun-
ter vor, oder glasiger Quarz, der scharf von der umgeben-
den Masse abschneidet. Sie sind vielleicht also selbst rege-
nerirte Gebilde, wenn auch unzweifelhaft aus der Ursprungs-
periode des Itacolumites selbst.
Ein Negersclave, Crioulo Joao Paulo, fand im
Jahre 1827 den ersten in festem Itacolumit eingewachsenen
Diamant in einem Felsenstück , das sein Herr, Constan-
tinho Figueiredo, zur Gewinnung der Zerstörungs-Ab-
lagerungen zwischen den Gesteinschichten, hatte abspren-
sen lassen. Er arbeitete sodann dort heimlich auf seme
eigene Rechnung an Sonn-und Feiertagen, brach den Ita-
columit mit Brechstangen. pulverte ihn mit dem Fäustel und
wusch den Sand mit der hölzernen Waschschüssel oder
Batca aus.
Im Jahre 1830 entdeckte Lorenzo Gomes da Silva
ebenfalls einen Diamant von etwa 2 Grän im Gestein, und
stach ihn mit dem Messer heraus, ohne weiter nachzusu-
chen. Erst im Jahre 1836 fing Lino Jose de Mello auf
Paulo’s Mittheilung zu arbeiten an, und seitdem wurde
Mehreres gewonnen, unter andern ein Diamant von 7'/, Ka-
rat; doch zerschlug man die meisten FHtacolumite , um die
Diamanten herauszulesen. Von den unversehrt erhaltenen
Stücken erwähnt v. Helmreichen, dass drei sich in
Brasilien befinden, und zwar in dem Besitze des Dr. Jose
Agostinho Vieira de Mattos in der Cidade Diaman-
tina, des Dr Joaquim Jose Rodriguez Torres, kai-
serlich Brasilianischen Marine - Ministers in Rio Janeiro,
und im National - Museo zu Rio de Janeiro. Ihr Ge-
wicht ist etwa auf 2 Grän, 2 Grän und °/, Grän zu schät-
zen. Das Stück des kaiserlich Russischen Gesandten am
Brasilianischen Hofe, Staatsraths v. Lomonosoff, aus
festem, weissem, körnigem, quarzigem Itacolumit, mit
grünlichen Glimmerblättehen und röthlichen Glimmerlagen
bestehend, enthält zwei eingewachsene Diamanten, von
welchen keiner das Gewicht von '/, Grän erreichen dürfte.
ae
Nach der Angabe der Arbeiter war die Rinde der dia-
mantenführenden Körper weicher als das Innere. Aber
schon gegen das Ende des Jahres 1535 wurde die Arbeit,
als nicht hinlänglich ergiebig, eingestellt, wogegen die Ar-
beit in den weichen Schichten der Sande noch immer (1843)
schwunghaft betrieben wurde, indem die Bevölkerung der
Serra do Grao Mogor zwischen 7000 und 8000 Köpfe be-
trug, die jährlich viele tausend Karate Diamanten erbeute-
ten. Die Art des Vorkommens in den Werken ist sehr
deutlich in lithographirten Tafeln dargestellt, so wie auch
das eigentliche der Ausbeutung unterliegende Vorkommen
des Schuttlandes, in Canälen (canues), Schichtungsspalten
(frinchas),, unterirdischen Aushöhlungen (corrumes), auf
den Ufergehängen (copiaras, taboleiros), in den Becken
(leitos) der Bäche, und in Flüssen (vargems, corregos , ri-
beirios und rios). Noch viele andere interessante und neue
Mittheilungen, wissenschaftlicher, technischer und statisti-
scher Natur, enthält die von Hrn. Hocheder besorgte Her-
ausgabe der Mittheilung. ‘(Wien 1846, bei Braumüller und
Seidel).
Hr. Bergrath Haidinger zeigte an, dass der be-
rühmte Mineraloge und Geognost, Herr Professor Carl
Naumann von Leipzig, in Kurzem nach Wien kommen
würde, um die hiesigen Sammlungen zu besichtigen, und
sodann eine geognostische Reise längs der Alpen zu unter-
nehmer, die er später bis nach Sicilien ausdehnen wird. Wir
dürfen von dem Scharfblicke des Bearbeiters der schönen
geognostischen Karte von Sachsen auch in unsern Gegenden
manchen lehrreichen Beytrag, erwarten.
5. Versammlung, am 25. Mai.
Wiener Zeitung vom 3830. Mai 1846.
Hr. V, Streffleur, k. k. Hauptmann, zeigte drei
von ihm verfertigte Reliefs von Detail - Gebirgsbildungen
im Wienerwald - Gebirge vor: eines den Wienerwald
darstellend, von Altenmarkt bis über den Donaudurchbruch
am Bisamberge, und zwei andere, in vielfach grösse-
rem Masstabe, die Gegenden von Sittendorf und Maier-
ling, an der Zusammenstoss-Linie der Kalk- und Sand-
stein- Formation. Er knüpfte daran einige Betrachtungen
über die Entstehung des Wienerwald-Gebir-
ges, und über die Ursachen der in demselben vorkommen-
den Höhen - und Schichtungsverhältnisse ungefähr in fol-
gender Weise:
„Wenn es wirklich allgemeine Gesetze gibt, nach wel-
chen die verschiedenen Gesteinarten auf der Erdoberfläche
verbreitet vorkommen, so können auch die Gesteinslage-
rungen im Wienerwalde nicht als ein isolirtes Phänomen
betrachtet werden, sondern es ist zu deren Erklärung auf
die Ursachen der Verbreitung des Karpathen- und Wiener-
Sandsteines, so wie des Kalkes überhaupt zurück zu ge-
hen. Wie aber sind solche Gesetze zu finden? Bei einer
Untersuchung der emporhebenden feurigen Einwirkungen
nicht, da wir hier gar keinen Masstab und Anhaltspunet
über die Vertheilung der Gesteine im Raume haben, indem
bei den hebenden Kräften weder die Intensität, noch
die Zeit, noch der Ort des Vorkommens irgend einer Be-
rechnung unterliegt. Bei der Annahme von Niederschlägen
aus ruhigen Meeresbeeken eben so wenig, da man nicht
wissen kann, warum sich solche Wasserbecken dort oder
da gebildet haben, und wie die jüngeren Gesteine auf die
Gipfel der höheren Berge gekommen sind ; — wohl aber
gelangt mau zu bestimmten Gesetzen über die Anhäufun-
gen und die Vertheilung der Gesteine im Raume, wenn
man die Einwirkung der Rotation der Erde mit in Be-
rücksichtigung zieht. Die Erdoberfläche ist mit einer nahe
berechenbaren Wassermenge bedeckt, die Rotation ist das
wirkende Agens; durch sie wird das Wasser in bestimm-
ten Richtungen in Bewegung gesetzt; es bilden sich
Ströme; die festen Materien werden an bestimmten Ot-
ten zusammengetragen, und erhärten zu Gesteinsmassen ;
in den bewegten Tiefen der Strömungen sind die Nieder-
schläge und Ansätze gehindert , das jüngere Gestein wächst
zwischen den Strömungen auf den älteren Seedämmen auf,
und lagert sich, scheinbar aufgerichtet, an die Seitenwän-
23 —
de dieser Dämme. Sperrt eine Binne sich ab, wonach Ruhe
in derselben eintritt, so lagern sich die Gesteme in die
Tiefe; es entsteht dadurch die sogenannte abweichende La-
gerung, nicht durch Hebung, sondern durch den Wech-
selvon Bewegung und Ruhe an den einzelnen Punc-
ten der Erdoberfläche u. s. w.“
Nach diesen allgemeinen Erörterungen zeigte Hr. Streff-
leur, auf eigens hierzu eingerichteten Karten, die Strom-
richtungen und Dammbildungen (späteren Gebirge) auf den
Hemisphären,, dann in Europa, und ging so aus dem Gros-
sen in das Kleine auf die Verhältnisse im Wienerwald-Ge-
birge über. Eine Haupt-Rotations-Strömung zog einst zwi-
schen den Alpen und dem Böhmischen Urgebirgsstocke ge-
gen Südwesten, durch Baiern und die niedere Schweiz. In
dieser Rinne, die in der Gegend von Wien eine concave
Form bildete, lag der Stromstrich den Alpen näher; von
ihm links setzte sich der Kalk an den Alpendamm, der
Sandstein aber lagerte sich mehr in der Tiefe rechts des
Stromstriches im eingehenden Winkel, so wie man Sand-
ablagerungen an solchen Stellen in jedem Bache findet,
und zwar bildete sich der Wiener Sandstein, theils die nie-
deren Reste eines zerstörten Urdammes (vom Tatra zu den
Alpen) bedeckend, theils ansteigend zu dem Böhmischen
Urgebirgsstocke, so dass man ihn jetzt gegen die Alpen
einfallend und vom Kalke überlagert findet. Später,
bei allmähliger Senkung der Meeresoberfläche hatte das
Strombett in der Rotations-Rinne sich verengt, das Wasser
senkie sich ausfurchend zwischen den Böhmischen Urge-
birgstock und das Ausgehende des Wiener Sandsteines, in
der Ausdehnung des heutigen hohen Randes des Donautha-
les, und nachdem das Meer diese Gegend ganz verlassen
hatte, sieht man nunmehr die Schichtenköpfe des Wiener
Sandsteines widersinnig gegen die Donau gekehrt.‘
„Den Einfluss , welchen die Rotation auf die Bildung der
Erdoberfläche nehmen soll, hat Hr. Streffleur ausführlich
in einem grösseren Werke besprochen, das in einigen Wo-
chen die Presse verlassen und den Titel führen wird:
„Die Entstehung der Continente und Gebirge, und die
Veränderungen im Niveau der Meere unter dem Einflusse der
24 —
Rotation, nebst einer Uebersicht der Geschichte des Euro-
päischen Bodens in geognostisch-orographischer Beziehung.“
Mit einem Atlasse, enthaltend sechs kleine Weltkarten, die
verschiedenen Bildungs-Epochen der Erdoberfläche darstel-
lend, zwei geognostischen Karten von Europa und zwei
Figurentafeln. Wien, Beck’sche Buchhandlung.
Herr Dr. Ludwig K. Schmarda gab eine Notiz über
die Hülsen des Müller'schen Trompeten-Thier-
chens Stenilor Milleri Ehr.
Dieses Thierchen wurde zuerst von Trembley in den
Philosophical Transactions 1746 beschrieben; Rösel nannte
es schalmeiähnlicher Afterpolyp, Linne Hydra sienlorea,
0. Fr. Müller Vorticella stentorea, Schrank Linzu
sienlorea. Ehrenberg nannte es dem Begründer der Na-
turgeschichte der Infusionsthierchen zu Ehren S/entor Mül-
leri. — Ausserdem wurde der Müller’'sche Stentor von
Ledermüller, Götze, Eichhorn, Bory de St. Vin-
cent, Focke, Czermak u. m. A. beobachtet.
In der Nähe von Wien findet er sich in den Lachen
zwischen Lainz und Ober St. Veit, im botanischen Garten
der Universität und im Prater zu allen Jahreszeiten auch im
Winter unter dem Eise.
Schon Müller hatte einmahl drei 'Trompetenthierchen
in einer durchsichtigen schleimigen Hülle gefunden, in die
sie sich zurückzogen, und aus der sie nach Willkühr wieder
hervorgingen. (Animalcula Infusoria 1756. p. 303.) Schrank
stellte sie unter seine Röhrenthierchen, und scheint sie nur
in üieser Hülle beobachtet zu haben. Er nennt sie posaunen-
artigen Laichkrautwurm (Linza sienlorea), und sagt, ihre
Hülle bestände aus einer schleimartigen Gallerte von becher-
förmiger Gestalt (Fauna boica B. III. Abtheilung 2. S. 313).
— Ehrenberg erwähnt bloss, dass sie beim Absterben
einen Schleim absondern. — Ich fand schon im Winter 18+®/,,
braune Kapseln im Wasser, in welchem Sientoren sich be-
fanden; im letzten Winter fand ich sie jedoch sehr zahlreich
in braunen Hülsen sitzen, aus welcheu sie sich hervorstreck-
ten und willkührlich wieder zurückzogen. Besonders zahl-
reich zeigten sie sich an der Oberfläche des Wassers mit
dem hinteren Ende nach aufwärts gekehrt, und an den
Be (RER
Wänden der Gläser. — Die Hülsen sind eylindrische und
conische Röhren von ’/, — /, Linie Länge von brauner
Farbe: aussen sind sie rauh ; dasGewebe ist körnig, ziem-
lieh dicht mit stellenweise dunkler gefärbten Flecken. —
Wenn man das entfaltete und wirbelnde Thier beunruhi-
get, so zieht es sich ganz in die Kapsel. Wenn sie die
Kapsel verlassen oder man dieselbe mit einer Nadel zer-
reisst, so schwimmen die Thierchen frey umher, wie die
Stentoren in den gewöhnlichen Verhältnissen.
Ausgetrocknet nimmt die Hülse eine hornartige Beschaf-
fenheit an, und behält ziemlich unverändert ihre Form.
Nach einer vorgenommenen freilich nur nothdürftigen che-
mischen Untersuchung scheint sie eher ein leim- als ein
schleimartiges Product zu seyn.
Die Thierchen wurden in der Abbildung im contrahir-
ten und expandirten Zustand in ihren Gehäusen vorge-
zeiget.
Nebstdem zeigte Hr. Dr. Schmarda die Abbildungen
von neun neuenFormenvon polygastrischen In-
fusorien und einem neuen Räderthiere vor.
Cryptomonas urceolaris , Gyges niger, Aslasia marga:
ritifera, Euglena oxyuris, Euglena chlorophoenicea, Eu-
glena ovum, Peridinium adriaticum, Peridinium tabula-
tum, Bursaria tesselata, Listrion rosirum.
Hr. Franz Ritter v. Hauer berichtete über eine neue
Anwendung des von Hofrath Fuchs in München entdeck-
ten Wasserglases zum Festmachen von organi-
schen Ueberresten. Muschelschalen, Knochen u. s. w.,
wenn sie in gewissen Gebirgsschichten begraben waren,
und dann durch längere Zeit der Einwirkung der Atmo-
sphärilien ausgesetzt sind, verlieren alle Consistenz, und
gehen in einen weichen pulverigen Zustand über. Noch in
den Sammlungen zerfallen dann häufig die ausgezeichnet-
sten Exemplare, selbst wenn es gelingt , sie mit grosser Be-
hutsamkeitan den Fundorter unverletzt zu erhalten. AufBerg-
rath Haidingers Vorschlag versuchte nun Hr. v. Hauer
durch Tränkung mit Wasserglas diesem Uebelstande vorzu-
beugen. Diese Substanz, welche gegenwärtig in Weissgrün
in Böhmen fabriksmässig erzeugt und in Wien in Bat-
u \
kas Waarenlager (Engel-Apotheke am Hof) käuflich zu
haben ist, wurde mit gleichen Theilen warmen Wassers
verdünnt, und auf die zu festigenden Gegenstände mittelst
eines Pinsels behutsam aufgestrichen. Die poröse Kalk-
masse saugt die Flüssigkeit leicht ein, und ist das Ganze
getrocknet, so werden die so behandelten organischen Reste
so fest, dass ein weiteres leichtes Zerbrechen nicht mehr
zu befürchten steht. Die grosse Festigkeit, welche sie
dabei erlangen, erklärt sich vorzüglich durch die Bildung
wirklicher Doppelsalze von kieselsaurem Kali mit kiesel-
saurer Kalkerde, welche hier, so wie bei der Anwendung
von hydraulischen Mörteln Statt findet.
Herr Bergrath Haidinger zeigte die vor acht Tagen
von Hın. Dr. R. Botzenbart bei den Untersuchungen
über den Zustand des von gefärbten Körpern reflectirten
weissen und farbigen Lichtes erwähnte diehroskopische
Loupe und ihre Einrichtung. Sie besteht aus einem aus
Isländischem Doppelspath durch Theilbarkeit erhaltenen läng-
lichen rhombischen Prisma mit schiefer Basis. An die Enden
werden Glasprismen von 18° angeklebt, um die Schiefe zn
corrigiren. Man sieht nun der Länge nach hindyrch; ein
kleines Quadrat, auf einer Seite in einer Blendung ausge-
schnitten, erblickt man doppelt. Dieser Apparat wird nun
noch mit einer Linse, oder besser mit einer aplanatischen
Loupe combinirt, und zweckmässig; in eine Röhre gefasst.
Man erhält dadurch einen kleinen, tragbaren Polarisatiens-
Apparat, der besonders für die Untersuchung kleiner Kry-
stalle im polarisirten Lichte anwendbar, und wegen der
vollkommenen Farblosigkeit der Bilder höchst empfindlich
gegen die Farben ist. Die zwei Bilder sind nach dem Ge-
setze der krystallinischen Körper überhaupt in senkrechten
Richtungen gegen einander polarisirt, der ordinäre Strahl
in der Richtung beider Bilder, der extraordinäre senkrecht
darauf. Man unterscheidet sie ebenfalls an den contrastiren-
den gelben Büscheln. Geht nun das gewöhnliche Licht durch
einen zweifarbigen, dichromatischen,, Körper so hindurch ,
dass die zwei senkrecht auf einander stehenden Lichtbüschel
verschiedene Farben haben, so wird durch ‚die dichroskopi-
sche (von ?txp00s zweifarbig und x0reo schen) Loupe die
Hi
Farbe getrennt und im möglichsten Contraste gegen einander
zur Vergleichung gebracht. Mit einem Glimmerblättchen,
oder einer Bergkrystallplatte combinirt, kann sie in vielen
Fällen ähnlich Arago’s polariscope a lunules als Polariskop
gebraucht werden. Mehrere Exemplare wurden vorgezeigt,
die von Herrn Mechanikus Eckling in Wien gefertigt
waren, T
Herr Bergrath Haidinger machte einige Bemerkun-
gen zu der vor acht Tagen erhaltenen, höchst interessan-
ten Mittheilung des Herrn Dr. Botzenhart über den Pola-
risationszustand desfarbigenreflectirtenLich-
tes. Die zwei Bilder der dichroskopischen Loupe zeigen
allerdings, und zwar das ordinäre das weisse von der Ober-
fläche zurückgeworfene Licht , das untere, extraordinäre,
dieFarbe desKörpers. Man könnte vielleicht daraus schlies-
sen, dass überhaupt das farbige Licht extraordinär oder
senkrecht auf die Einfallsebene polarisirt wäre. Diess ist
aber nicht der Fall; es ist gewöhnliches Licht: Wenn man
nämlich mattfarbiges Papier beobachtet, oder andere far-
bige Körper mit glanzloser Oberfläche, wie etwa die so
verschiedenartig gefärbten Blumenblätter, so sind beide Bil-
der ganz gleichfarbig, das gewöhnliche Licht des Körpers
farbig, wie es aus dem Innern desselben kommt, wird in
zwei gleichfarbige, senkrecht auf einander polarisirte Strah-
len zerlegt. Mattes weisses Papier gibt beide Bilder gleich,
wenn es durch gefärbtes Glas von der Sonne beschienen
wird. Glänzendes Beinglas gibt zwei gleichgefärbte Bil-
der, wenn man durch das reflectirteBild des gefärbten Gla-
ses hindurchsieht, sonst bleibt das obere von der Reflexion
weiss. Durch gefärbtes Glas von der Sonne beschienenes
schwarzes Glas, zeigt das obere Bild gefärbt, das untere
schwarz; derselbe Zustand des Lichtes folgt ‚aus der Be-
trachtung durchsichtiger Körper, deren Oberfläche man nach
Belieben spiegeln läst, oder in Schatten stellt. Zur Erläu-
terung zeigte Bergrath Haidinger eine eigenthümliche
Vorrichtung, welche er Diehrophan (are erscheinen)
nennt, um das zweifarbig gemischte Licht anzudeuten, wel-
ches man durch Transmission beobachtet. Von einem ge-
wöhnlichen Spiegel unter dem Polarisationswinkel reflectir-
BE "SL
tes Licht wird von einer farbigen Glasplatte unter demsel-
ben Winkel in das Auge geworfen. Man färbt den ersten
Strahl beliebig durch farbige Glasplatten. Sieht man nun
mit der dichroskopischen Loupe bloss durch die erste far-
bige Glasplatte, so sind beide Bilder gleichfarbig, oder fast
ganz so; denn eine einzige Platte polarisirt das Licht noch
sehr wenig. Lässt man die Beleuchtung des Spiegels wir-
ken, so modifieirt der Reflex des polarisirten Lichtes die
Erscheinung dergestalt, dass man die Farbe am Ende bloss
im untern Bilde übrig behält. Der gleichzeitige, stärkere
Eindruck desselben polarisirten Lichtes überwältigt den der
schwächern Farbe. Man kann die Beobachtung der Farben
im Dichrophan entweder durch schickliche Combination hel-
lerer und dunklerer Farbentöne, oder durch beigelegte matt-
seschliffene Glasplatten stimmen.
Hr. FriedriehSimony beschrieb das Phänomen der
sogenannten Regenflecke auf den Gebirgsseen,
welches er vorzugsweise auf dem Hallstätter See durch
mehrere Jahre hindurch, zu allen Monaten und Tagzeiten,
so wie unter allen Temperatur-Verhältnissen (nur strenge
Winterkälte ausgenommen), häufig beobachtet nat. Nach
seinen Angaben zeigt sich dasselbe fast jedesmahl kurz vor
eintretendem mehrtägigen Regenwetter oder auch im Ver-
laufe desselben, und zwar am vollständigsten ausgebildet
unmittelbar während eines Regens bei Windstille. Da ent-
stehen auf der schimmernden Oberfläche des Sees (nur sel-
ten zeigt dieser einen vollständig ruhigen Spiegel, sondern
befindet sich fast immer in einer, wenn auch dem Auge im
Einzelnen nicht erkennbaren Osecillation, durch welche der
Spiegelglanz des Wassers und dessen natürliche schwarz-
srüne Farbe immer mehr oder weniger gebrochen erscheint),
oft plötzlich, oft wieder nur allmählig stellenweise schwarz-
grüne, beinahe fettglänzende Flecke von verschiedenen
Dimensionen und Formumrissen , die inmitten der schim-
mernden farblosen Fläche gerade wie zerflossene Massen
ausgegossenen Oehles aussehen. Die Formen der Flecke
sind sehr verschieden, mehr und minder rund , oder länglich,
oft buchtig, oft bilden sie lange gerade oder gewundene
Streifen, die bald dem Längenverlaufe des Sees folgen,
= We
bald denselben quer oder in Diagonalen durchziehen. Die
Dimensionen wechseln von einigen Fuss bis zu mehreren
hundert Klaftern Länge und Breite. Dem Vorkommnissorte
nach sind die Flecke nicht fixirt, sie zeigen sich bei jedes-
maliger Bildung auf andern Stellen und in veränderten Um-
rissen, bald mehr, bald minder häufig, bald ganz vereinzelt,
bald in verschiedene Gruppen zusammengereiht, bald wieder
regellos zerstreut. Besonders auffallend erscheint ihr manch-
mal stundenlanges Verharren an einer Stelle und die zeit-
weise Stetigkeit ihrer Gestalt. Werden sie von einem fah-
renden Kahne durchschnitten, so fliessen ihre scharf von der
schimmernden Hauptfläche abgegränzten Ränder, die durch
den Ruderschlag und das durchfahrende Schiff partiell zer-
stört wurden, sehr schnell und meist wieder genau in der
vorigen Form zusammen. Unter solchen Umständen vermag
oft nur ein aufmerksames Auge die langsame Umstaltung
der Flecke, ihre allmählige Grössenabnahme, ihr Verschwin-
den uud Wiedererscheinen zu beobachten. Sobald eine fühl-
bare gleichmässige Luftströmung über der Seefläche eintritt,
sebald das Wetter sich ändert, oder selbst, wenn nur für
kurze Zeit die Sonne durch die Regenwolken bricht und
den See beleuchtet , hört das wechselvolle Spiel dieser son-
derbaren Erscheinung auf; oft genug verschwindet die letz-
tere aber auch ohne alle äussere sichtbare Veranlassung, und
der See erscheint plötzlich wieder spiegelglänzend oder
durchgängig schimmernd, wie vorher.
Es würde schwer fallen, bei einer bloss vereinzelten Be-
obachtuug für dieses Phänomen eine selbst nur annähernde
Erklärung zu finden, wenn man nicht daneben ähnliche Er-
scheinungen in Betracht ziehen könnte, bei denen Ursache
und Wirkung augenfälliger sind. Simony führte eine Reihe
von solchen ebenfalls von ihm auf dem Hallstätter See beob-
achteten Erscheinungen auf, die sich in Beziehung auf äus-
sere Form mehr oder minder an die beschriebenen Regen-
flecke anreihen lassen, und die unwiderlegbar ihre Entste-
hung bloss der Wirkung der Luftströmungen zu danken ha-
ben, welche letztere vorzüglich in solchen engen, von hohen
Gebirgen eingeschlossenen Thälern, wie das Becken von
Hallstatt, fortwährenden Aenderungen unterworfen sind und
—. 30 —
oft auf ganz kleinen Erstreckungen, sowohl in Beziehung
auf Richtung und Schnelligkeit der Bewegung, als auch in
Beziehung auf Teemperatursverhältnisse eine solche Mannig-
faltigkeit und so schnellen Wechsel zeigen, wie man nie
im Flachlande zu beobachten Gelegenheit hat, und wie sie
sich auch nur auf so leicht beweglichen Flächen, wie Seen,
auf denen sich jede auch noch so leise Luftbewegung nach
ihrer Stärke, Richtung, so wie nach ihrem Umfange kenn-
bar macht, wahrnehmen lassen.
Wenn aber auch aus solehen Aehnlichkeiten geschlossen
werden kann, dass die Regenflecke ihr Entstehen
den Wirkungen der Luftströmung zu danken ha-
ben, so sind sie damit noch nicht vollständig erklärt. Hierzu
gehören mehrfache physikalische Beobachtungen und Unter-
suchungen, die Simony bisher aus Mangel an den nöthi-
gen Apparaten nicht unternehmen konnte, die er jedoch im
Laufe dieses Sommers machen zu können hofft. Schliesslich
sprach er noch die Vermuthung aus, dass die Entstehung
der Regenflecke auf Seeflächen und die Bildung der verein-
zelnten Cumulus-Gruppen in bestimmten Luftebenen auf
gleichen, oder doch verwandten Ursachen beruhen dürfte.
Herr Bergrath Haidinger erwähnte den in der Ent-
wicklung der Literatur - Verhältnisse in Wien schon längst
fühlbaren Mangel, dass es kein Organ gab, in welchem
naturwissenschaftliche Abhandlungen eingereiht und auf an-
gemessene Art der Oeffentlichkeit übergeben werden konn-
ten, die nicht mit Vortheil einzeln für sich als selbstständige
Werke in den Buchhandel gebracht werden können. In Folge
mehrerer Besprechungen mit verschiedenen Personen, ob es
nicht wünschenswerth wäre, zu diesem Zwecke den Weg
einer Subscription zu versuchen, etwa zu20 fl, C. M. jähr-
lich, hatten sich vorläufig so viele Beitrittserklärungen er-
geben, dass Herr Bergrath Haidinger vorschlug, durch
die ehrenwerthe Buchhandlung der Herren Braumüller
und Seidel in dem gewöhnlichen Wege die Subscription
einzuleiten, woselbst die Subscriptionsbogen alsogleich auf-
gelegt werden sollen. BergrathHaidinger würde ehestens
den ausführlicheren Plan des Unternehmens durch die Buch-
handlung und die Wiener Zeitung darlegen und zu Beiträgen
. — 3 I
einladen. Das Werk selbst würde den Titel erhalten. „Na-
turwissenschaftliche Abhandlungen, gesam-
melt und durch Subscription herausgegeben
von W. Haidinger.“
6. Versammlung, am 2. Juni.
Wiener Zeitung vom 6, Juni 1846.
Herr A. v. Morlot aus Bern hatte kürzlich die in der
Geschichte der Alpengeognosie so wichtige Gegend von
Teissendorf besucht. Er zeigte zwei Profile der
Schichtenfolgen derselben in der Gränzregion von
Nummuliten-, Sand- und Kalkstein uud dem Fukoidensand-
stein und Mergel, und erläuterte dieselben.
Das erste Profil durchschneidet den Teissenberg über
dem Eisenhüttenwerke Achthal, das zweite durchschneidet
dasselbe Gebirg eine halbe Stunde weiter westlich über
Neukirch und erstreckt sich bis Traunstein.
Was die Lagerungsverhältnisse betrifft, so fallen die
Schichten bei den Formationen der Nummuliten und Fukoi-
den mit 30—40° nach Süden, und da, von Süden nach Nor-
den gehend, der Nummulitensandstein auf den Fukoiden-
sandstein folgt, so muss der erstere unter den letzteren
einschiessen und auch älter sein, wenn wenigstens die
ganze Schichtenmasse nicht übergekippt ist, wie es auch
die Herren Boue, Lillv.Lilienbach undMurchison
angenommen haben, die alle den Nummulitensandstein über
den Fukoidensandstein setzen. In der Schweiz, wo beide
Formationen charakteristisch auftreten, sieht Professor Stu-
der den Fukoidensandstein für das eberste Glied aller alpi-
nischen Gebilde an. — Diesen widerstreitenden Ansichten
gegenüber möchte man den Entscheid der Frage späteren
Forschungen überlassen, die uns wohl mit ausgesprochene-
ren Ueberlagerungen bekannt machen werden.
Das kleine Wasser, die Ach, bildet die Gränze zwi-
schen beiden Formationen, die Fukoidenmergelschiefer, de-
ren Schichtenköpfe das rechte oder südliche Thalgehänge
== SB
bilden, sieht man noch bis ins Flussbett anstehend und es
ist auch natürlich , dass sich das Wasser in diesen leicht
zerstörbaren Schichten tiefer eingefressen habe. Der Hü-
gelrücken, der das linke oder nördliche 'Thalgehänge bil-
det, besteht aus der Nummulitenformation: Gelbe Sand-
steine, gelbe und rothe Kalke und 'Thoneisensteinlager. Die
bisher beschriebenen allgemeinen Lagerungsverhältnisse sind
von Lill v. Lilienbach in seinem ersten Profil der Salz-
burgergebirge (Leonh. und Bronns Jahrbuch 1830) ganz
richtig angegeben worden.
An dem nördlichen Thalgehänge, also auf dem Num-
mulitensandstein, mehr in der Tiefe des Thales und nicht
weit hinauf reichend, liegt ein nicht sehr dichtes, ganz
schichtungsloses Conglomerat. Es sind Geschiebe von der
Nummulitenformation und hauptsächlich von allen Varitäten
von Alpengesteinen, vom Alpenkalke bis zum Granit, der
nahmentlich ia Blöcken bis zu ein Paar Kubikschuh Grösse
vorkommt. Es ist aber, wohlgemerkt, Alpengranit. Das
Conglomerat ist mehr oder weniger lose, mit vielen Poren
oder Zwischenräumen , muss jedoch zuweilen im neuen
Erbstollen, der eine gute Strecke darin getrieben wird, frei-
lich fast ganz in der Richtung des Streichens , geschossen
werden, und liefert anderswo Mühlsteine. Im Ganzen scheint
es dem längs den Salzburgeralpen so vielverbreiteten Con-
slomerat des Diluviums zu entsprechen. Als man im Thal-
weg die Ausgrabungen anstellte zu der Fundamentlegung
des Eisenhüttenwerkes Achthal, da fand man neben aller-
hand Schutt und Geröll, grosse, bis zu 200 Zentner ge-
schätzte Blöcke eines Gesteins, das man nicht anders als
Granit zu nennen wesste. In der grobkörnigen, schön kry-
stallinischen Masse erkannte man grünen und weissen Feld-
spath, mit Quarz und keinem Glimmer. Andere Varietäten
sind roth und haben Glimmer, diese kann man schon Gra-
nit nennen, die ersteren dürften eher Porphyre heissen. Es
ist überhaupt ein fremdartiges Gestein, das in den Alpen
nicht bekannt ist.
Diese Erscheinung ist an und für sich auffallend, wird
es aber noch viel mehr, wenn wir sie mit einer ganz ähnli-
chen in der Schweiz zusammenstellen. Im Thale von Hab-
_—
kern, ebenfalls in der Gränzregion der Nummuliten- und Fu-
koidenformation finden sich ebenfalls in der Thalsohle eine
Menge, mitunter sehr grosse Blöcke (bis 110° Länge und
200.000 Kubikschuh Inhalt) eines schönen, rothen, grobkör-
nigen Granits, der den Alpen durchaus fremd ist. Eine grüne
Varietät, sehr ähnlich der von Achthal, ist auch gefunden
worden. Leopold von Buch und Professor Studer
suchten vergebens nach der anstehenden Gesteinmasse, die
diese Blöcke geliefert haben sollte. Es waren immer nur
lose Blöcke zu sehen, aber in so grosser Menge, dass man
vermuthen musste, der Granit sei an Ort und Stelle von
unten hinaufgeschoben worden. Endlich machte Hr. Carl
Brunner, Sohn des bekannten Chemikers, die merkwür-
dige Entdeckung eines schönen Granitblocks, der in den ge-
wundenen Schichten der Fukoidenschiefer steckte und allem
Anscheine nach förmlich davon eingeschlossen war. Dieses
Vorkommen ist von Prof. Studer in den Verhandlungen
der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft unter
der Bezeichnung „erratische Blöcke aus der Secundär-Epo-
che‘‘ beschrieben worden. — Aehnliches soll immer im glei-
chen Striche, in der nähmlichen Region der Alpen in Italien
vorkommen. Endlich nach den bekannten Beschreibungen
des Granits vom Bolgen im Thale von Sonthofen scheinen °
dort ähnliche Verhältnisse obzuwalten, dort kommt auch,
wie in Italien, Trapp vor, der wohl nicht ohne Bedeutung ist.
Diese Angaben werden hier aufgestellt, weniger um
eine zu frühzeitige theoretische Erklärung hervorzurufen ,
als um die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf einen so
interessanten Gegenstand zu lenken, wodurch vielleicht
noch mehr ähnliche Phänomene zu Tage gefördert werden
können.
Das zweite Profil stellt wesentlich dieselben Lagerungs-
Verhältnisse der Nummuliten- und Fukoidenformation vor,
nur fehlen hier auf dem Plateau von Neukirchen das Conglo-
merat und die fremden Granitblöcke. Hingegen lässt sich
das Profil gegen Norden ergänzen, wenn ınan wenigstens
die Beobachtungen auf der Landstrasse von Siegsdorf nach
Traunstein damit verbindet. Den Weg gehend, kommt man
zuerst an die sogenannte Blaue Wand, eine gute Enthlös-
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I, 3
—_— 34 —
sung von bedeutenden Mergelschichten, die etwa 30° gegen
Norden einfallen. Als untergeordnet bemerkt man Lagen
und Körner eines Sandsteines, wahre, charakteristische
Molasse , auch bedeutende Zwischenlager eines klein-
körnigen, dichten Conglomerats, das man wohl Nagelfluh
(Molasse-Nagelfluh) nennen kann. Aus diesen Mergeln im
Dollberger Graben hat der Salinen-Cassier Mainhold in
Traunstein sich schöne Fossilien gesammelt, die keinen
Zweifel übrig lassen, dass man es hier mit der eigentlichen
Tertiärformation zu thun hat. Endlich weiter gegen Traun-
stein verschwindet die Molasse, und man sieht nichts mehr,
als das mächtige, grobgeschichtete, horizontal gelagerte
Conglomerat des Diluviums.
Herr Franz Ritter von Hauer zeigte Petrefacten
aus dem Alpenkalk vor, von einem bisher nicht ge-
kannten Fundorte unweit Mödling, den er in Gesellschaft
der Herren Dr. v. Ferstl und Adolph Patera vor we-
nigen Tagen auffand. Derselbe befindet sich nicht weit vom
Wege, der von Mödling über eine Einsattlung zwischen
den letzten Gehängen des Anninger-Berges und dem
sogenannten Eichkogel nach Gumpoldskirchen führt. Ver-
lässt man, von Mödling kommend, auf dem höchsten Puncte
dieses Sattels, der durch ein Kreuz bezeichnet ist, den er-
wähnten Weg und wendet sich rechts gegen den Gebirgs-
stock des Anninger selbst, so sieht man gleich Anfangs
zahlreiche Steinbrüche, die aber durchgehends in: Cerithien-
kalk und Sandsteine betrieben werden. Weiterhin, noch
nördlich von einem verfallenen Meierhofe, der auf den
Karten mit dem Nahmen Schuberthaus bezeichnet ist, lie-
gen viele Steinhaufen von Alpenkalkstein umher, in wel-
chem man zahlreiche Fossilien findet. Es zeigten sich dar-
unter Korallenstöcke denı Geschlechte Lilhodendron oder
Caryophyllia angehörig, Krinoidenstielgireder, eine grosse
glatte Terebratula, ganz ähnlich der 7. perovalis, meh-
rere Lima-Arten, eine Os/rea und manche andere weniger
vollständig erhaltene Stücke. Im allgemeinen deuten diese
Fossilien unzweifelhaft auf Jura-Bildungen. Auch Horn-
steinknollen kommen häufig in diesem Kalksteine vor. Uebri-
gens fanden sich alle Fossilien nur im Schutte und Gerölle.
der Ort, wo sie anstehend im festen Gestein vorkommen ,
dürfte näher dem Hauptstocke des Anninger selbst aufzusu-
chen sein.
Herr Dr. Hammerschmidt sprach über den Nutzen
der Mikroskope als Bildungsmittel, und zeigte eine von
ihm erfundene Vorrichtung zur bildlichen Darstellung mi-
kroskopischer Gegenstände. Obschon Sonnen- und Gasmi-
kroskope für die Demonstration grosse Vortheile vor den
gewöhnlichen Mikroskopen gewähren, so sind erstere doch,
mancher Umständlichkeit wegen, einer ausgebreiteten An-
wendung zum Unterrichte in der Naturgeschichte nicht
fähig. Der vorgezeigte Apparat ist sehr einfach, nicht
kostspielig und auf jedes gewöhnliche Mikroskop anwend-
bar, dabei leicht und ohne grosse Vorbereitung zu hand-
haben, während zur Beleuchtung eine argandische Lampe
genügt. Derselbe Apparat kann einer Seits zur Demon-
stration bei Vorträgen über mikroskopische Gegenstände ,
anderer Seits zum Nachzeichnen, ja selbst zum Daguerreo-
typiren mikroskopischer Gegenstände verwendet werden,
in welch letzterem Falle jedoch die Anwendung von Son-
nenlicht nöthig ist. Die ausführliche Beschreibung des Ap-
parates wird in der vonHerrn Dr. Hammerschmidt her-
ausgegebenen „Allgemeinen Oesterreichischen Zeitschrift“
für den Landwirth ete. Nr. 23 vom 9. Juni 1846, und in
einem der nächsten Hefte des Dingler’schen polyt.
Journales mitgetheilt.
Herr Dr. S Reissek gab eine Uebersicht der Anato-
mie, Physiologie und Systematik der Algen. Es wurden
aus derMenge bekannter Thatsachen besonders die interes-
santen physiologischen und anatomischen Verhältnisse der
Algensporen, die zumeist erst durch die Entdeckungen
der letzten Jahre aufgeklärt worden sind, erörtert. Wir
verdanken selbe den Untersuchungen von Unger, Thu-
ret, Kützing, Nägeli, Flotow, Decaisne, Are-
scheug. Dr. Reissek erklärte insbesondere die Bil-
dung, das Austreten, thierähnliche Fertbestehen und endli-
che Keimen der Sporen bei Vaucheria, Achlya, Conferva,
Ulothrix und anologe Erscheinungen bei Oseillaloria,, No-
sloc, Fucus, Sphaerococecus, zum Theile nach eigenen
3*
— 36. —
Beobachtungen. Eben so wurde die Bildung des rothen
Schnees in den Alpen und Polargegenden, seine Metamor-
phose und Verwandtschaft mit der Färbung der Gewässer
erläutert. Die Gränze zwischen Thier und Pflanze stellt
sich aus dem Complexe der bisher beobachteten Erschei-
nungen auch bei jeder Zurückweisung einer primitiven Ent-
stehung Beider in den niedrigsten Classen als kaum vorhan-
den dar. Namentlich geht diess aus der chemischen Zu-
sammensetzung hervor. Die geographische Verbreitung der
Algen, interessante Verhältnisse ihres Vorkommens, ihr
Gebrauch wurde besprochen, und die Typen derselben durch
trockene Exemplare und Zeichnungen an der Tafel ver-
sinnlicht.
Hr. Bergrath Haidinger zeigte eine Anzahl von Ei-
sensteinstufen, um als Belege für den Vorgang der Ver-
änderung, der Metamorph-.ose von Brauneisenstein zu
Rotheisenstein zu dienen, insbesondere den von braunem
zu rothem Glaskopf, aber auch von aufeinander fol-
senden Bildungen der Eisensteine überhaupt. Man kennt
vollständige Geoden,, um und um von braunem Glaskopf be-
gränzt, Niemand hat rothen Glaskopf anders als in Fragmen-
ten, in Quarz und dichten Rotheisensteinen oder Glaskopf-
splittern eingewachsen gesehen. Vor einiger Zeit war von
Krantz in Berlin an das k. k. Hofmineralien-Cabinet ein
Mineral eingesendet worden, das die Form des Nadeleisen-
erzes zeigte, aber aus reinem Eisenoxyd ohne Wasser be-
stand. Die Frage lag nun nahe, was denn aus dem brau-
nen Glaskopf, der auch Eisenoxydhydrat ist, werde, wenn
er sein Wasser verliert; nichts anders als rother Glas-
kopf. Mancherlei Stücke wurden nun als Belege vorgezeigt,
eines das zum Theile aus rothem, zum Theile aus braunem
Glaskopf besteht, mehrere der Gangbreccien aus rothem
Glaskopf und Quarz, und an einem andern Stücke konnte
die Bildung der bekannten Flusshexaeder, mit Quarz erfüllt,
und der Absatz von Glaskopf auf einander bezogen werden.
Ferner die schönen schuppigen Glasköpfe von Tilkerode am
Harz, welche die Form des Giaskopfs beibehalten haben,
aber nicht mehr dessen faserige Structur, indem die Indi-
viduen ven Eisenglanz in denselben schon schuppig zu kıy-
u a
— 37 —
stallisiren beginnen. An einigen Stellen war sogar schon
wieder Spatheisenstein, oder kohlensaures Eisenoxydul, an
der Stelle des Eisenglanzes, ohne Veränderung der Form
neu gebildet worden. Bei einigen Stücken war augenschein-
lich Quarzmaterie an die Stelle des rothen Glaskopfes ge-
treten, und zeigte sich nun pseudomorph in hämatitischen
Gestalten, obwohl der Quarz selbst als Chalzedon eben-
falls eigenthümliche Gestalten dieser Art anzunehmen fähig
ist. Die schönen braunen Glasköpfe von Antonio Pereira
in Brasilien brechen gangartig in einem Brauneisenstein,
der in seiner Structur ganz an die körnigen Magneteisen-
steinvorkommen erinnert. Er wird von Klüften in der Rich-
tung der Gangspalten selbst durchsetzt, von welcher aus
er in rothen Glaskopf verwandelt ist. Auch die Grundmasse
ist entsprechend zum Theil Rotheisenstein geworden. An-
gereiht an die vorhergehenden Stücke wurde eine Pseudo-
morphose von körnig zusammengesetzten Kalkspath nach
krystallisirtem, der ursprünglich mit Schwefelkies über-
deckt war, welcher nun selbst als dichter Rotheisenstein
erscheint.
Aus diesen und mehreren andern zum Theil bekannten,
zum Theil neu beobachteten 'Thatsachen wurde gefolgert.
dass die Veränderung von braunem Glaskopf zu rothem un-
zweifelhaft sei, dass aber auch in der auf einander folgen-
den Bildung der fünf wichtigsten eisenhaltigen Species in
der Natur wichtige Verschiedenheiten des elektrochemischen
Zustandes Statt finden. Nur Eisenoxydhydrat wird gleich-
zeitig mit dem Bestehen organischen Lebens gebildet,
selbst von diesem nur pulveriges, dichtes, oder verbunden
mit organischen Säuren oder etwa Phosphorsäure. Kohlen-
'saures Eisenoxydul oder Spatheisenstein ist reduetive kato-
gene Bildung, erst in Thon. u. s: w.; in grossen Krystallin-
dividuen erst in älteren Schichten. Schwefelkies, eben-
falls reductiv, schon in Torf und Thon und in allen ältern
‚Schichten. Eisenoxydul oder Magneteisenstein bildet Körner
und Krystalle inıBasalt, in Syeniten ist. er meist derb, wäh-
rend die Umgebung krystallinisch wird. Der Hämatit, Ei-
senoxyd, bleibt zuletzt übrig. Er verlangt eine verhältniss-
mässig zum Druck mehr erhöhte Temperatur. In wahren
1
Graniten erscheint nur mehr Eisenglanz und Schwefelkies.
Nur im Oligoklasgranit ist noch Magneteisenstein.
Die mannigfaltigsten Pseudomorphosen erscheinen von
den Eisensteinen unter einander. Noch wurde ein wichti-
ges Stück vorgezeigt, grosse tafelartige Eisenglanzkrystalle
von Neuberg, in Spatheisenstein eingewachsen, so dass
die Individuen des letztern sichtlich zu beiden Seiten der
Tafeln zusammengehören. Eis schiesst gerade so in Lehm-
brey an. Aber der Druck dauert während der fortgesetzten
Eisenglanzbildung fort, der Spatheisenstein verschwindet ,.
die Blätter werden krummgedrückt , es bleiben statt Spath-
eisensteinlagern in Thonschiefer , Eisenglimmer, etwa noch
mit Schwefelkies im Gneiss übrig.
Die Erzniederlagen von Brauneisenstein, Spatheisen-
stein, Magneteisenstein, Eisenglanz erscheinen nach allen
Vergleichungen in ähnlicher metamorphischer und zwar ka-
togener Reihenfolge wie die aufeinanderfolgenden Zustände
von ursprüuglich vegetabilischen Producten: Torf, Treibholz,
Humus, als Anfangspunet , und die Reihe der Braunkohle,
Alpenkohle, Schwarzkohle, des Anthrazits und Graphits,
Eine weitere Ausführung dieses Gegenstandes wird in dem
nächsten Bande der Abhandlungen der königl. Böhmischen
Gesellschaft der Wissenschaften erscheinen.
7. Versammlung am 8 Juni,
Wiener Zeitung vom 20. Juni 1846.
Herr Dr. Hammerschmidt machte auf die Eigen-
schaften einiger Conehylien aufmerksam, die Farben
im Wasser zu verändern, und zeigte diessfalls eine
durch den bekannten Reisenden Cumming auf den Phi-
lippinischen Inseln entdeckte Schnecke: Bulimus fulgelrum ,
deren weise Zikzak-Streifen auf gelblicher Grundfarbe im
Wasser verschwinden, und nur wenn die Schale wieder
trocken ist, sichtbar werden. Diese Erscheinung wurde durch
die grössere Porosität und die grössere Wassereinsaugungs-
= ww
Fähigkeit der bemerkten Streifen erklärt, wodurch sie durch-
sichtig, und sohin mit dem durchscheinenden Untergrund
gleichfärbig werden , ähnlich den Erscheinungen am Hydro-
phan, Herr Dr. Hammerschmidt erhielt dieses Exemplar
von Hrn. Cumming selbst, von dem auch mehrere Stücke
dem k. k. Hof-Naturalien-Cabinette mitgetheilt wurden.
Herr Dr. Hammerschmidt zeigte ferner einen in
Bernstein eingeschlossenen Käfer aus der Ord-
nung der Heteromeren, Unterabtheilung der Vesicantien,
von der Grösse der Lylla vesicaloria (Spanische Fliege):
Nach der Ansicht der Herren Dr. Kollar und Dr. Red-
tenbacher dürfte dieses neue höchst interessante Inseet
eine neue Gattung bilden. Nähere Untersuchungen werden
ihm seinen Platz im Systeme geben.
Endlich wies Herr Dr. Hammerschmidt den Anwe-
senden eine neue von ihm in Ungarn, in der Gegend von
Pesth, entdeckte Eidechse, von ausgezeichneter Art vür.
Dieselbe hat in Grösse und Form Aehnlichkeit mit der bei
uns in der Gegend von Mödling vorkommenden grossen
Lacerla viridis, unterscheidet sich jedoch von derselben
durch rosenrothe, ins Rothbraune schattirte, über den Kör-
per zerstreute grössere Flecken von 2 — 3 Linien Durch-
messer auf grasgrünem Grunde, auch zieht sich über den
Rücken ein olivengrüner Streifen. Das 'Thier ist über einen
Schuh lang. Das von dem Entdecker dem k. k. Natura-
lien-Cabinitte zugemittelte Exemplar wurde als eine bis-
her unbekannte Varietät der Lacerta viridis bestimmt. Da
Herr Dr. Hammerschmidt nur drei Weibchen und
kein Männchen fand, so beabsichtigt er, die Aufstellung
'einer neuen selbstständigen Art bis nach dem Resultate
einer eben eingeleiteten Aufsammlung von mehreren neuen
Individuen zu verschieben.
Hr. A. v. Morlot theilte einige Betrachtungen
mit. über die im jetzigen Sprachgebrauche als plutonisch
oder besser als eruptiv bezeichneten Massengesteine.
Die Wernerische Geologie hatte diese Gesteine den
geschichteten Gebirgs-Formationen eingereiht und betrach-
tete sie als darin eingelagert, folglich auch als gleichen
Alters mit den Schichten, in denen sie auftreten. Es ist
an
auch ganz richtig, dass besonders oft in Sachsen, dem
Geburtslande jener Theorie, der Grünstein der Grauwacke
so eingelagert, so eng damit verbunden ist, dass man ihn
gar nicht davon trennen kann, und eigentlich kein Recht
hat, ihn anders zu betrachten, als es die Schule der Nep-
tunisten that.
Allein diese erste einfache Ansicht reichte bald nicht
mehr aus, es war in der Natur noch mehr und anderes da,
als Einlagerung, und Hutton in Schottland machte gros-
ses Aufsehen, als er Granitgänge in Gneiss nachwies,, un-
„ter Umständen;, die deutlich zeigten, dass der Granit als
eine flüssige Mndse in den schon bestehenden Gneiss ein-
gedrungen war. Die erste nothwendige Folgerung war,
dass jener Granit jünger sei als der Gneiss, den er durch-
‚setzte, und dass also der Granit überhaupt kein Urgebirge
sei. Aehnliche Thatsachen wurden bald mehr aufgestellt,
man sah die verschiedenen Arten der Massengesteine gang-
förmig auftreten , folgerte natürlich für alle, dass sie flüs-
sig gewesen sein müssten, und da man durch die Basalte
als Mittelglied jene Erscheinungen sehr schnell mit den
brennenden Vulkanen und ihren Laven verband, so gelangte
man bald dazu, alle Massengesteine als feurig- flüssig aus
dem Erdinnern emporgestiegen und in die geschichteten Ge-
birge eingedrungen, zu betrachten. — Als nun noch La-
place gerade zu der Zeit auf ganz anderem Wege darthat,
die Erde sei früher in flüssigem Zustande gewesen, so war
es kein Wunder, wenn die Ansicht als Lehrsatz aufge-
stellt wurde, der im Wesentlichen folgender Massen lau-
tete: Die Erde ist früher in feurig-flüssigem Zustande ge-
wesen, und hat sich seither stetig abgekühlt; die grösste
Masse ihres Innern ist aber noch feurig-füssig geblieben,
und ihre zeitweisen Ausbrüche in die feste Rinde und bis
an die Oberfläche haben alle Arten von Massengesteinen,
von Granit bis zur Lava, geliefert.—Die geschichteten kry-
stallinischen Gebirgsmassen, wie Gneiss und Glimmerschie-
fer, sollten das Product der ursprünglichen Erstarrung der
erst feurig-flüssigen Erdoberfläche sein. — So sprachen die
Plutonisten.
= ER: >
Aber auch diese Ansicht, so schön und grossartig sie
war, konnte bald nicht mehr Alles erklären. Man beobach-
tete geschichtete Gebirgsmassen, mit allen Andeutungen
sedimentärer Entsehung , sogar mit eingeschlossenen orga-
nischen Resten, die aber in der Nähe der sie durch-
brechenden plutonischen Gesteine einen viel krystallinische-
ren Charakter annehmen; die organischen Spuren ver-
schwinden, und man gelangt durch solehe Uebergänge zu
dem, was man für ein ursprüngliches Erstarrungs- Product
der flüssigen Erdoberfläche hielt. — Man modificirte daher
die Theorie, die geschichteten Urgebirge verschwanden
nan auch, und man sagte, sie wären früher Sediment-For-
mationen gewesen, die aber durch den Contact der plutoni-
schen Massen und die Einwirkung grosser Hitze umgewan-
delt worden wären. — Das ist die Lehre des Metamor-
phismus, wie sie in ihrem gegenwärtigen ersten Stadium
von Leopold v. Buch begründet, und von Lyell ver-
fochten wird, und was mit Recht Contactmetamorphis-
mus genannt werden kann.
Aber auch mit diesem reicht man nicht mehr aus.
Keilhau in Schweden und Studer in der Schweiz zei-
gen, dass viele eminent metamorphische Gebirgsmassen in
keinem siehtlichen Zusammenhange und Contact mit wirk-
lichen plutonischen Massen stehen, deren Contactwirkung ,
im Kleinen oft aber gar nicht zu bemerken, gewiss über-
trieben worden ist. — Es scheint, als ob der Prozess der
Metamorphose im Innern der Gebirgsmasse selbst, ohne
äusseren Einfluss vor sich gegangen sei, und es schwebt
ein noch sehr dunkler, schwankender Begriff vor, zu des-
sen bestimmterer Entwickelung ein passender Nahme als
Erkennungs-Symbol das Seinige beitragen kann. Es wird
daher vorgeschlagen, im Gegensatze zum erläuterten Con-
tact - Metamorphismus, diesen entstehenden Begriff als La-
iente Metamorphose zu bezeichnen.
In der Entwickelungsgeschichte der Geologie zeigt sich
das Verdienst der theoretischen Speculationen "umfassender
Geister. — Dem grossen Werner verdanken wir den er-
sten ordnenden ‚Begriff der sedimentären, geschichteten ,
regelmässigen Structur der Erdrinde überhaupt. — Hutton
RT.
und die Plntonisten haben uns mit den nicht geschichteten,
mit den Massengesteinen bekannt gemacht. — Leopold v.
Buch, als Repräsentant des Contact -Metamorphismus hat
die grosse Wahrheit der Umwandlung der Gebirgsmassen
zur Anerkennung gebracht. — Was die latente Metamor-
phose bringen wird, ob sie den innern, tiefern Zusammen-
hang der sedimentären, der metamorphischen und der erup-
tiven Massen aufdecken wird — das wird die Zeit, die
alles reift und alles richtet, und alles umwandelt —
zeigen.
Um aber wieder auf die Massengesteine zu kommen,
so betrachte man sie in Beziehung auf ihre geologisch-geo-
graphische Verbreitung. Es fällt sogleich auf, dass ihr Auf-
treten an gewisse Gesteinsregionen geknüpft ist. Der charak-
teristische Grauwackengrünstein ist nieht nur innig verbun-
den (nach Werner eingelagert) mit der Grauwacke , son-
dern er tritt fast ausschliesslich nur in der Region der Grau-
wacke auf. Wo man Grauwacke auf den geologischen Kar-
ten verzeichnet findet, da findet man gewöhnlich Lager,
Stöcke, Gänge von Grünstein, oft sehr zahlreich in der Ge-
gend zerstreut; aber so wie wir die Gränze des Grau-
wackengebirges überschreiten und auf Thonschiefer oder
Kohlenformation treten, so verschwinden alle Spuren des
Grünsteines und wir stossen entweder auf Melaphyr im
Kohlengebirge oder auf Eurite im 'Thonschiefergebiet. —
Noch auffallender und schon lange erkannt ist der Verband
zwischen Rothliegendem und roihem Quarzporphyr. Nichts
häufiger im Gebiet des Rothliegenden als die Eruptionen
des Porphyrs , während man ihn selien anderswo antrifft. —
Die schöne geologische Karte von Sachsen zeigt uns die
grosse Granulit-Insel von Mitweyda und Waldheim voller
Serpentinkuppen und Züge, aber über die Gränze des Gra-
nulits hinaus, im älter sein sollenden Glimmerschiefer und
Thonschiefer, der die Insel rings umgibt, keine Spur mehr
davon.
Dass, in Sachsen wenigstens, der Granit bloss im soge-
nannten Urschiefergebirg vorkommt, im Gneiss und Glim-
merschiefer, wäre nicht so auffallend, denn, wenn der Gra-
nit zu den ältesten Eruptionen gehört, die vor der Ablage-
a
rung der Grauwacke und folgenden Schichtenmassen Statt
fanden, so ist es natürlich, dass er diese nicht durchbre-
chen konnte. Anders ist es aber z. B. mit dem Grünstein.
Wenn er in die Grauwacke von unten eingedrungen ist, so
konnte es erst nach Bildung desselben geschehen, also zur
Zeit, wo Thonschiefer, Glinimerschiefer und Gneiss schon
da waren. — Warum ist aber der Grünstein nicht auch in
diese gedrungen, warum der Serpentin nur in den Granulit,
der rothe Prophyr fast ausschliesslich nur in den rothen Sand-
stein? — Wenn diese Eruptivgebilde aus dem feurig - flüssi-
gen Erdkern kommen, so hätten sie ziemlich gleichgiltig an
verschiedenen Orten die feste Erdrinde durchbrechen sollen.
Wie ungenügend ist hier die plutonische Lehre — wie soll
es die Contact - Metamorphose deuten! — — Man könnte
wohl sagen, dass, so wie die Eruptivgebilde die geschich-
teten Massen umgewandelt hätten, so hätten auch umge-
kehrt , nach dem Prineip von Wirkung und Gegenwirkung,
die verschiedenartigen geschichteten Massen, die sie durch-
brechenden feurigen Gebilde modificirt, so dass aus einer
und derselben feurig-flüssigen Grundmasse , je nachdem sie
in Gneiss, Granulit, Grauwacke oder Sandstein (um bei
diesen zu bleiben), eindrang — Granit, Serpentin, Grün-
stein oder Porphyr wurde.
So führt das System der Contact- Metamorphose noth-
wendig auf ein entsprechendes: die inverse Metamor-
phose. — Allein die gleichen Einwürfe , die gegen die er-
stere gelten, treffen auf diese im vollen Masse.
Eine andere Vermuthung lässt sich noch aufstellen. Legt
man alle früheren Systeme bei Seite, erwägt man gewisse
Vebergänge von metamorphischen Gesteinen in eigentlich
massige oder eruptive und hedenkt, dass diese Erscheinung
von selbst darauf hinleitet, beiden den gleichen Ursprung
zuzuschreiben, beide als das Resultat einer gleichen nur zu
verschiedener Intensität gesteigerten Ursache zu erken-
nen ,,— so wird man auf den Gedanken gebracht, die Erup-
tivgebilde seien nichts anders als die in grösserer Tiefe bis
zum höchsten Grade der Umwandlung, dem Flüssigwerden
gebrachten Sedimentbildungen.
= us
Dieser Umstand, den Mohs besonders lebhaft gefühlt
und tief erwogen zu haben scheint, — mag ihn auf den so
sonderbar klingenden Begriff der gleichzeitigen Ent-
stehung gebracht haben. Allein es ist klar, dass dieser
Begriff eigentlich in demjenigen der latenten Metamor-
phose enthalten ist. Es wäre allerdings z. B. der Gra-
nit mit dem Gneiss, in den er gangförmig aufsetzt , streng
genommen —- gleichzeitiger Entstehung, — denn er ist
aus der gleichen sedimentären Masse, — aus der gleich-
zeitig der Gneiss durch dieselbe Ursache hervorging — ent-
standen.
So aufgefasst , hatte Mohs vollkommen Recht.
Die erwähnten Eruptivgebilde brachen nur in dem Ge-
biete der sie liefernden Sedimentmassen hervor, deren
petrographischen Charakter sie auch mehr eder weniger tra-
gen, — daher in den Regionen, wo sie hervorbrechen,, die
Sedimentmassen auch oft bis an die Oberfläche Spuren
von mehr oder weniger weit gediehener Umwandlung zei-
‘gen. — Die Eruptivmassen wären sonach die Folge, das
Product, die Wirkung der Metamorphose und nicht, wie
bisher angenommen wurde, die Ursache derselben. — Das
"Wie und Warum dieses Prozesses zu erklären, ist vorläu-
fig nicht möglich, man sieht aber, dass die ganze Ideen-
verbindung wieder auf neuem Wege direct zum Begriff der
latenten Metamorphose führt.
Vom Trachyt ist nicht gesprochen worden, weil er im
Ganzen weniger bekannt ist. Jedoch scheint er im Allge-
meinen mehr am Rande der grossen tertiären Becken auf-
zutreten und ist, in Ungarn und Siebenbürgen wenigstens,
auf eine merkwürdige Weise mil der " Tertiärformation ver-
bunden, es walten da ganz andere Umstände vor als im
mittleren Frankreich.
Der Basalt hingegen bildet eine grosse vollständige
‘Ausnahme von den Regeln, die das Auftreten der älteren
Massengesteine bedingen. Er durchbricht gleichgültig alle
Formationen und alle Gesteine, vom Granit und Gneiss bis
zum Trachyt und den jüngsten Tertiärschichten inbegrif-
fen, — und bleibt dabei doch beständig gleich in seinem
mineralogischen Charakter. — Es mag aber auch voreilig
A
gewesen sein, wenn man ohne weiters den Basalt mit den
ältern plutonischen Massen verbunden hat, er schliesst sich
eng an die neuern Laven an und ist oft selbst ausgezeich-
net vulkanisch. Was aber die eigentlichen vulkanischen
Bildungen anbelangt, so ist es eiustweilen gar nicht nö-
thig, sie durch latente Metamorphose zu erklären, beson-
ders da sie so wenig tiefer erforscht sind; auch ist es gar
nicht gesagt, dass die eine Theorie alles erklären solle,
es passt ja nicht alles auf den gleichen Leisten.
Hier dürfte erwähnt werden, dass Bergrath Haidin-
&er auf rein mineralogischem Wege, durch tieferes Stu-
dium der Pseudomorphosen auf den nähmlichen Begriff der
latenten Metamorphose gebracht wird. Seine systemati-
schen Erklärungen der Umwandlungsprozesse reichen schon
weit, können und müssen freilieh noch bestritten werden;
aber die Thatsache steht fest, dass im Innern der Gebirgs-
massen die sie zusammensetzenden Mineralkörper vielfache
nnd mitunter regelmässig geordnete vollständige Umwand-
lungen erleiden. _
Herr vonM ooriot fügte noch folgenden wörtlichen Aus-
zug aus Felix de Boucheporn, „Eludes sur Chistoire
de la lerre etc. Paris 1844,* Seite 265, bei, um zu zei-
gen, dass auch Andere und schon früher auf die ähnlichen
Folgerungen gekommen sind: „„Betrachtet man im weiteren
geologischen Sinne die plutonischen Gebirgsmassen, . so
kann man nicht umhin , zu bemerken, dass bei mehreren
ein gewisser Verband zwischen ihnen und den Sediment-
massen, mit welchen sie gewöhnlich auftreten, obwaltet.
Die Verbindung der Serpentine und der Talkschiefer , der Por-
phyre mit den Sandsteinen, der Eurite mit den Thonschie-
fern, der Grünsteine mit den Kalksteinen, ist eben so be-
kannt, wie diejenige der Gneisse mit den Graniten.“
„Dieser Umstand war den tiefen Mineralogen Deutsch-
lands nicht entgangen, und sie hatten diese Felsarten in
die Gebirgsformationen eingereiht. Der Einfluss der Ideen
Huttons, die dahin gingen, alle plutonischen Gebilde als
aus dem Erdinnern heraufgedrungen zu betrachten, verdun-
kelte den Begriff dieses merkwürdigen Verbandes. — Aber
die Theorie des Metamorphismus durch den Contaet feuri-
= MW >
ger Massen, eire moderne Ableitung aus den Hutton i-
schen Ideen scheint. wieder auf jenen Weg zurückzufüh-
ren. Nur scheint es, als ob diese 'Theorie, einer Seits
übertrieben, anderer Seits zu beschränkt worden ist,
nähmlich in Bezug auf die plutonischen Massen, welche
gewisse Sedimentformationen stets beg'eiten. — Oder bes-
ser gesagt, die Rolle des Metamorphismus ist ganz umge-
kehrt worden; es war verkehrt, die plutonischeu Massen
als die Ursache der Metamorphose anzusehen, — es sind
vielmehr die plutonischen Massen die Wirkung der Meta-
morphose.‘“*
Herr Dr. Ludwig K. Schmarda theilte einige Be-
merkungen mit: Ueber die Verbreitung der wirbel-
losen Thiere an mehreren Puncten der nördlichen Kü-
sten des adriatischen Meeres mit besonderer Berücksichti-
gung der Meeres- Fauna der venetianischen Lagu-
nen und der Umgebung von Triest.
Zwerst erwähnte er die Arbeiter der ältern Forscher:
V. Donati, @ OlJivi, B. Zendrini, dann die von
St. Renieri, die Fauna venela von G. v. Martens in
dessen Reise nach Venedig. In neuester Zeit haben sich
D. Nardo, Gravenhorst, Grube, Will, durch die
Beschreibung neuer Thiere um die nähere Kenntniss ver-
dient gemacht. In Triest befindet sich Hr. Koch, ein äus-
serst fleissiger Sammler und Beobachter, der im Besitze
einer Menge Notizen über das Vorkommen der Thiere ist,
eine sehr belehrende Sammlung von Seethieren angelegt
hat und in jeder Beziehung die Aufmerksamkeit der reisen-
den Naturforscher verdient.
Die venetianischen Lagunen liegen beinahe in der Mitte
der mit dem Meere communicirenden Seen und Sümpfe, die
in eınem Bogen von Grado bis Comacchio die venetianische
Ebene begränzen; sie verdanken ihren Ursprung den Flüs-
sen, die von den Alpen in das adriatische Meer strömen und
durch ihre Niederschläge die Bildung der Inseln und Dü-
nen bedingten. Die Länge der venetianischen Lagunen be-
trägt 30 ıtalienische Meilen, die Breite A—8; die Oberfläche
bei 180 italienische Geviertmeilen. Durch fortlaufende Dämme
sind sie gegen die Landseite vor der Verschlammung
Eur et
durch die süssen Gewässer geschützt, gegen die Seeseite
durch die Lidi.
Die Lidi sind lange schmale Inseln, die, obwohl be-
baut, noch jetzt ihren Charakter als Dünen zeigen, und
schützen die Lagunen vor Stürmen. Durch die grössere
Ruhe des Meeres in den Lagunen, durch den weichen
schlammigen, nur in den tiefen Wasserrinnen thonigen
Grund und die geringe Tiefe wird der Fauna ein eigen-
thümlicher Charakter gegeben.
Man unterscheidet die todte und die lebendige Lagune.
Die todte Lagune ist grössten Theils trocken und: theil-
weise mit Vegetation bedeckt; nur zur Zeit hoher Fluthen
wird sie unter Wasser gesetzt. Sie ist von einer unzähl-
baren Menge Wasserrinnen der verschiedenartigsien Grösse
durchfurcht und wird dadurch in Bänke getheilt, zwischen
denen sich oft grosse Wasserbebälter (Salzseen) befinden.
Die Gräben wimmeln von Nereiden und trägen Crustaceen,
auch viele Muscheln finden sich, sehr häufig Cardium. Die
Seen sind von wirbellosen Thieren und Fischen bevölkert
und dienen grossen Schwärmen von Seevögeln zum Auf-
enthalte.
Die lebendige Lagune ist vom Wasser überfluthet,, das
zur Zeit der Ebbe durch die Gräben und Kanäle grossen
Theils abfliesst und der Lagune dann das Aussehen eines
Morastes ertheilt. Männer, Knaben und Weiber durchwa-
ten dann den Schlammgrund, um zwischen den Seege-
wächsen Muscheln und Krabben zu sammeln. Hier finden
sich am zahlreichsten Cancer Moenas » Cardium rusticum
und Solen cultellus , von Würmern, die Nachts im bläuli-
chen Lichte glänzende Polynoe fulgurans.
In den tieferen Theilen bleibt jedoch das Wasser auch
zur Zeit der Ebbe; hier bilden Ulven und Conferven einen
in der Fluth leicht beweglichen üppigen Rasen, auf dem
Ophiuren und kleine Asterien langsam kriechen; hier sitzen
Seeanemonen und die träge Bulla hydalis, Muscheln und
Crustaceen verbergen sich unter dem wallenden grünen
Teppich. Dort, wo der Grund einen Zusatz von Sand hat,
findet sich die Zostera , unter deren Wurzeln der nest-
bauende Gobius niger seine Wohnung für die Laichzeit
anlegt, die er bis zum Ausschlüpfen der Jungen beschützt.
Die Lidi bieten an ihrer der hohen See zugewendeten
Seite dem Forscher einen grossen Reichthum zweischaliger
Mollusken, die im Sande stecken und deren Schalen den
Strand besonders nach Stürmen in bedeutender Zahl be-
decken, Am häufigsten finden sich mehrere Arten von So-
len, Tellina , Mactra und Donax. Die Schalen der im Sande
der Dünen lebenden Muscheln sind im Ganzen schöner,
glänzender und glatter als die der Lagunen aber auch brü-
chiger. Von Crustaceen kommt Cancer depuratus sehr
häufig vor, der sich beinahe blitzschnell im Sande vergräbt,
sobald er eine Gefahr bemerkt. Von Anneliden findet sich
Arenicola zahlreich im Sande. — Im Muschelsande finden
sich auch kleine Serpula- und Dentalium- Arten und nach
Martens mehrere kleine Nautilus und Nummulites
radialus.
Der Lido von Palestrina ist durch einen kolossalen
Marmordamm (die Murazzi) gegen den Andrang des Mee-
res geschützt und an seinen vom Wasser bespülten Thei-
len von Seethieren anderer Art bevölkert. Ausser ganzen
Colonien von Miesmuscheln, welche die Steine umspinnen,
finden sich Balanus, Trochus, Patella, Cancer marmoralus
und C. poressa am öftesten. Es ist eine Aehnlichkeit sicht-
bar mit der Fauna der östlichen Meeresufer.
Die Ufer an der gegenüberliegenden Küste sind stei-
ler, das Meer selbst in geringeren Entfernungen vom
Ufer tiefer, die Meeresströmmung stärker und schneller,
der Grund nicht schlammig, sondern selbst am Strande
sandig oder felsig. Hier finden sich Pholas, Haliotis,
Patella, Chiton, Fissurella, Rostellaria, Murex. Die
Gasteropoden herrschen vor, während an der venetiani-
schen Küste die Bivalven überwiegen , welche sich mit
ihren schwächeren Bewegungswerkzeugen in dem lockern
Boden leicht eingraben können. Von Crustaceen finden sich
ausser den bei den Murazzi genannten eine grosse Zahl
von Isopoden, die sich unter den Steinen verbergen.
Herr Bergrath Haidinger zeigte die eigenthümliche
Vertheilung der Farben im Amethyste. Seit län-
A
gerer Zeit mit der Aufsuchung der Gesetze beschäftigt, ge-
lang esihm erst kürzlich, sie deutlich zu orientiren. Der Ame-
thyst ist ein trichromatischer Körper, oder zeigt drei ver-
schiedene Fundamental-Farbentöne in verschiedenen Rich-
tungen, obwohl die Krystalle in das rhomboedrische Sy-
stem gehören. Haidinger beobachtete die genauere Son-
derung nach den Krystallflächen zuerst an einer Platte in
dem physikalischen Kabinett der k. k. Universität, die ihm
von Herrn Regierungsraih von Ettingshausen mitge-
theilt wurde. Seitdem liess er mehrere Krystalle, aus dem
k. k. Hofmineralien-Kabineite von Hrn. Kustos Partsch
erhalten, in den geeigneten Richtungen schleifen, und diese
wurden, nebst mehreren anderen Amethysten vorgezeigt.
Die Austheilung der Farbe ist nun so: Schon im gewöhn-
lichen Lichte ist die violblaue Farbe des Amethystsam meisten
röthlich, wenn man senkrecht auf die abwechselnden brei-
ten Flächen der Quarzoide oder sechsseitigen Pyramiden
hinsieht. In demselben optischen Hauptschnitte, also die
Axe weder rechts noch links geneigt, aber in der Rich-
tung jener Fläche (P der Krystallographen) ist die Farbe
mehr blaulich violett. Eine dritte Richtung, senkrecht auf
beiden vorhergehenden gibt ein mittleres Violett. Nennt
man die Farbe in der genannten Folge 1, 2 und 3, so
zerlegt sich durch die dichroskopische Loupe 1 in ein obe-
res schönes Violblau und ein unteres Rosenroth, 2 in ein
oberes eben solches, schönes Violblau, und ein unteres
Blassblau oder Blaulichweiss. Die dritte Farbe wird nicht
nach den beiden vorhergehenden orientirt, oder senkrecht
darauf zerlegt, sondern gibt nach der Richtung der rhom-
boedrischen Hauptaxe der sechsseitigen prismatischen und
pyramidenförmigen Krystalle ein oberes röthliches und ein
unteres blauliches Vioiblau. Der Amethyst unterscheidet sich
also von allen anderen pleochromatischen Körpern durch
diese Farbenzertheilung, die gewiss mit der Circularpolari-
sation des Quarzes zusammenhängt.
Bergrath Haidinger bemerkte noch, dass man schon
. durch eine senkrecht auf die Axe geschnittene Amethyst-
platte gegen linearpolarisirtes Licht gesehen, die röthlichen
Farbentöne nach Kreuzen und den begleitenden Räumen
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I, 4
orientirt wahrnehmen kann, eıne Erscheinung, welche
durch eine linearpolarisirende Platte," eiwa von Turmalin
zum vollständigen Kreuze mit den farbigen Ringen der ein-
axigen Krystalle gesteigert wird.
Der Amethyst zeigt nähmlich_als aus Schichten rech-
ter und linker Quarz - Individuen zusammengesetzt , diese
Erscheinung vollständig.
8. Versammlung, am 15. Juni.
Wiener Zeitung vom 2. Juli 1846,
Am 15. Juni gab Herr Dr. Morız Hörnes einen
LVeberblick der fossilen Säugethiere des Wiener
Beckens. Er wies nach, wie höchst interessant das Stu-
dium derselben sei, indem wir nicht nur dadurch neue
merkwürdige Thierformen kennen lernen, welche oft Lüc-
ken in den Systemen der lebenden Thiere ausfüllen, son-
dern auch in geognostischer Beziehung Aufschluss über die
Stellung der Schichten, in welchen sie begraben sind, er-
halten. Bis jetzt wurden im Wiener Becken Reste von
20 Arten fossiler Säugethiere aufgefunden und zwar: Aus
der Familie Ursina, Bären, Ursus spelaeus, Blumenbach,
Höhlenbär. Der Schädel des Höhlenbären war etwa um
ı/, länger als der des braunen und schwarzen, übrigens
war diese Art eiwas schlanker und grösser als unsere jet-
zigen Bären. Aufgelunden wurden hiervon 2 lose Eck-
zähne und 4 Backenzähne aus dem Tuffsteinbruch zu Neu-
stift bei Scheibbs V. ©. W. W., ferner ein ganzer Schä-
del in der Gegend von Kremsmünster. — Aus der Familie
Cunina, Hunde, Hyuena spelaeu, Goldfuss, Höhlenhyäne.
Die Hyänen, welche bekanntlich gegenwärtig nur Afrika
und das südliche Asien bewohnen, erscheinen in Europa
bei Beginn der Tertiär-Epoche nnd waren in der Diluvial-
zeit häufig in Deutschland, Frankreich und Belgien zu fin-
den. In ihrer Zahnbildung ist diese Hyäne der noch leben-
den sehr ähnlich, übertraf dieselbe jedech ar Grösse. Auf-
— Bir =
gefunden wurden 2 Eckzähne, der eine am Kalvarienberg
bei Baden, der andere zu Dorf Mauer bei Wien. — Aus
der Familie der Mäuse, Murina, Cricelus vulgaris Kaup,
Hamster. Im verflossenen Jahre wurden 2 schöne, wohler-
haltene Schädel von diesem Thiere in Pötzleinsdorf aus einer
Tiefe von anderthalb Klaftern ausgegraben. — Aus der Fa-
milie der Proboscidea , Rüsselthiere, Zlephas primigenius ;
Blumenbach. Der vorweltliche Elephant oder Mammuth
war wenig grösser als der noch lebende asiatische Elephant;
welchem er auch am nächsten verwandt war. Ausgegraben
wurden: mehrere Backenzähne in der Gegend von Krems
und in Tuln, ein 8 Schuh langer, 4 Zoll dicker, sehr stark
gekrümmter Stosszahn, Schulterblatt- und Fusswurzelkno-
chen in Rabensburg in Unterösterreich, eine schuhlange, drei-
eckige Spitze eines Stosszahnes zu Rakowetz bei Pawlowitz
in Mähren («bei Gelegenheit der Anlage der Eisenbahn), ein
Bruchstück eines Stosszahnes im Seitenstetter-Hof in Wien.
— Aus derselben Familie, dem vorweltlichen Elephanten am
nächsten steht Mastodon anguslidexs, Cuvier. In seiner
Bildung zeigt dieses Thier auffallende Aehnlichkeit mit der
des Elephanten, unterscheidet sich jedoch durch die Construe-
etion der Mahlzähne, welche beim Elephanten aus einer ge-
wissen Anzahl senkrecht geschichteter Blätter gebildet sind,
eine sehr flache Krone haben und nur wenig über das Zahn-
fleisch erhaben sind. Die Mahlzähne des Mastodons hingegen
bestehen nicht aus vertikal geschichteten Blättern, ihre Kro-
nen sind mit Hökern und Zacken besetzt, welche am lebenden
Thiere hoch über das Zahnfleisch hinausragen mussten. Am
31. Juli 1827 wurden im nordöstlichen Theile der grossen Sand-
grube am Rennwege nächst dem Belvedere in einer Tiefe
von ungefähr S Wiener Klafter 2 vollkommen erhaltene
rechte und linke Unterkieferhälften, jede mit 2 Mahlzähnen,
dann mehrere lose Zähne und ein von der Spitze bis an die
Wurzel 7 Schuh langer, am Grunde 5 Zoll dicker Stosszahn
ausgegraken — ausserdem wurde noch eine wohlerhaltene
rechte Unterkieferhälfte mit 2 Mahlzähnen von dem k. k.
Herrn Hofrathe Grafen A. Breunner bei Grafenegg
nächst Krems und ein Kieferfragment mit mehreren losen
Zähnen im Leithakalk beiBruck an der Leitha aufgefunden.
[7 >
4
a
— Aus derselben Familie haben wir noch anzuführen das Dino-
I!herium , von öswog fürchterlich, und Onpıo» wildes Thier;
diese von Klipstein im tertiären Sande von Eppelsheim ent-
deckte Gattung weicht durch ihre zwei grossen abwärts und
rückwärts gebogenen Stosszähne im Unterkiefer, so sehr
von den bekannten 'Thierformen ab, dass die Ansichten, ob
das Dinotherium ein Land - oder Wasserthier war , noch im-
mer getheilt sind. Vom Dinolherium kommen im Wiener
Becken 3 Arten vor: Dinolherium giganleum Kaup;,
medium Kaup, und Cuvieri Kaup. Von der ersten
Art wurden 2 vollständige rechte und linke Kieferhälften,
jede mit 5 Zähnen, ın Eisgrub in Mähren, mehrere Backen-
zähne in Wilfersdorf, Bruck an der Leitha und in der Sand-
srube nächst dem Belvedere aufgefunden. Von der zwei-
ien Art kennt man einen Zahn von Enzersdorf bei Mödling
‚und die dritte Art wird durch mehrere Zähne von Neu-
dörfel bei Schlosshof repräsentirt. Aus der Familie der
Pachydermala, Dickhäuter, Rhinoceros lichorhinus Cu-
vier. Ein von dem gegenwärtig lebenden Rhinoce-
ros wenig verschiedenes Thier. Nur Asien und Afrika
beherbergt die noch lebenden Arten. In der jüngern Ter-
tiär- und der Diluvialzeit hingegen spielten die nun fossi-
len Rhinocerosarten auch in Europa eine mächtige Rolle,
und hatten so ziemlich dieselbe Verbreitung wie der Mam-
muth. Aufgefunden wurden von dieser Art nur 2 Mahl-
zähne am Kalvarienberg bei Baden. Desto häufiger kom-
men im Wiener Becken Reste von einer zweiten Art vor,
welche aber Kaup, da diese Thiere kein Horn haben, als
eigene Gattung trennte, und Acerolherien chornlose Thiere)
nannte. — Von dieser Gattung ist es insbesonders das
Acerotlherium ineisivum Kaup, von welchem man meh-
rere Theile des Skeletes in den verschiedensten Schich-
ten auffand, denn es wurden nicht nur ein ganzer wohl-
erhaltener Oberkiefer mit 14 Zähnen, sondern auch Unter-
kieferhälften aus einer Tiefe von 7 Klaftern in der Ziegelei
zu Inzersdorf am Wienerberg zu Tage gefördert; auch
wohlerhaltene .Unterkiefer aus dem Leithakalk zu Loretto
und zu Goyss am Neusiedlersee,, endlich sogar ein Kiefer-
fragment aus der Braunkohle des Braunkohlenwerkes des
— 53 —
Herrn A. Miesbach in Gloggnitz ausgegraben. — Mehrere
lose Zähne wurden in Bruck an der Leitha, Eisgrub , Kal-
varienberg in Baden und in Hohenwarth bei Mühlbach
nächst Krems aufgefunden. — Aus derselben Familie ist
noch zu erwähnen Palaeotherium aurelianense Cuvier.
(raAacos alt) dem Tapir ähnliche Thiere mit bewegli-
chem Rüssel an einem dicken Kopf. Aufgefunden wurden
2 lose Zähne im Leithakalk bei Bruck an der Leitha. Aus
der Familie der Seligera, Borstenthiere, Anthracolherium
Cuvier, Kohlenthier (av$pa& Kohle, da zwei der zu-
erst bekannt gewordenen Arten derselben in Steinkohlenla-
gern gefunden wurden), ein Thier, welches die nächste
Verwandschaft mit der Gattung der Bisamschweine, Dico-
iyles Cuvier, hat. Von dieser Gattung kommen im
Wiener Becken 2 Arten vor: Anthracolherium vindobo-
nense Partsch, ein Kieferfragment mit 6 Mahlzähnen und
einem Eckzahn aus der Sandgrube nächst dem Belvedere;
Anthracolherium neosladense Partsch, eine vortreif-
lich erhaltene Kinnlade mit 6 Zähnen in Braurkohle ein-
geschlossen, aus dem Braunkohlen-Bergwerke von Schauer-
leiten bei Wiener Neustadt. — Aus der Familie der Solid-
ungula, Pferde, Eguus fossilis v. Meyer; dieses Thier-
war dem lebenden Pferde höchst ähnlich und hatte etwa
die Grösse des Zebras. -- Von seinen Ueberresten ist das
Diluvium von Europa und Asien, wo es grössten Theils mit
dem Nashorn und Mammuth lebte, oft ganz erfüllt. Es wur-
den mehrere Backenzähne zu Gurhof bei Melk, zu Oeden-
burg und in der Sulz bei Kaltenleutgeben aufgefunden.
Von diesem Genus trennte Kaup 2 Thierformen, welche
sich bei aller Aehnlichkeit mit'den Pferden durch ihre Ba-
ckenzähne, deren Schmelzschicht viel zahlreichere zickzack-
artige Falten bildet, von denselben ;unterscheiden, und
nannte sie Hippolherium, Pferdethier (inzos Pferd). Von
diesem Hippotherium kommen im Wiener Becken 2 Spe-
cies ver: Hippolherium gracile Kaup, welches dem
Maulthiere an Grösse glich. — In den Ziegeleien bei Laa
am Wienerberge wurde ein. ganzer wohlerhaltener Oberkie-
fer mit allen Backen- und Schneidezähnen ausgegraben ,
auch zu Inzersdorf wurden mehrere Zähne zefunden.
Hippotherium nanum K a up, von der Grösse eines klei-
nen Esels. Aufgefunden wurden hiervon eine wohlerhal-
tene rechte Kinnlade mit 7 Backern- und 6 Schneide-
zähnen, dann ein Schienbein mit den Fusswurzelknochen
und dem Hufe in dem Braunkohlenwerke von- Glogg-
nitz, dann mehrere Backenzähne und ein Kieferfrag-
ment, nebst vielen Röhrenknochen, aus der Ziegelei am
Wienerberge bei Laa. Aus der Familie der Tylopoda ,
Kamehle, Palaeomeryx Kaupii v. Meyer; von den
Hirschen durch Mangel eines Geweihes und durch hervortre-
tende Eckzähne verschieden. — Aufgefunden wurden hier-
von 5 lose Backenzähne in dem Leithakalk bei Manners-
dorf. Aus der Familie Cervina, Hirsche, Cervus me-
gaceros Hart., der Riesenhirsch oder vielmehr das Rie-
sen-Elenn war nicht grösser als das gemeine Rennthier,
hatte aber ungeheure Geweihe , die nicht selten 6 Fuss lang
und deıen oberste Enden 12 bis 13 Fuss von einander ent-
fernt waren. Man kennt davon ein Kieferfragment mit 2
wohlerhaltenen Backenzähnen vom Kalvarienberg bei Ba-
den. Aus der Familie der Phocina, Robben, Phoca vi-
ulina Lin., der gemeine Seehund; das Gebiss dieser
Thiere ist dem der Raubthiere ähnlich. Im Pesther Uni-
versitäts- Museum befindet sich der ganze wohlerhaltene
Hinterfuss mit den Fusswurzelknochen von Holitsch in Un-
gSarn. Endlich aus der Familie der Sirenae, oder Seekühe,
Halitherium Cristolü Fitzinger, ein dem Dugong
sehr verwandtes Thier. Im April 1839 wurde aus den
nächsten Sandgruben bei Linz ein wohlerhaltener Unter-
kiefer ausgegraben, welcher gegenwärtig eine Zierde des
Museums Francisco -Carolinum daselbst ist, auch wurde
ein Backenzahn zu Wallsee V. ©. W. W. aufgefunden. —
Der grösste Theil dieser zwanzig Arten fossiler Säuge-
thiere kommt im Diluvium vor, eine bedeutende Anzahl ist
im Leithakalk vergraben und nur wenige finden sich in den
Sandieisten, welche Lagen im Tegel bilden. Herr Dr. Hör-
nes erwähnte noch, dass alle angeführten Reste, mit Aus-
nahme der zwei zuletzt genannten, im k. k. Hof-Minera-
lien- Kabinett aufbewahrt werden, auch erläuterte derselbe
seine Mittheilung durch Vorzeigen einer grossen Anzahl
höchst genauer und schöner Zeichnungen.
Herr Professor Leydolt erläuterte durch mehrere vor-
gezeigte Schaustufen die besondere und merkwürdige Bil-
dung des Schriftgranites. Er zeigte, dass dieses Ge-
birgsgestein aus sehr grossen mehr oder weniger regelmäs-
sigen Individuen von Feldspath zusammengesetzt ist, in
welchen oft eine sehr grosse Anzahl, von Quarz -Individuen
und einzelne hlattförmige Kıystalle von Glimmer einge-
wachsen sind. — Da der Feldspath innerhalb gewisser
Grenzen immer einem und demselben Individuum angehört,
so ist dadurch die am Schriftgranite schon längst beobach-
tete eigenthümliche Theilbarkeit hinlänglich erklärt. Beson-
ders merkwürdig ist, dass die in einem Iodividuo einge-
wachsenen Krystalle ven Quarz, oft viele Hunderte an
Zahl, sich alle in paralleler Stellung befinden, also alle
nach einem gleichen Gesetze gebildet wurden. Wo zwei
von solchen Feldspath - Individuen zusammenstossen , stö-
ren sie sich gegenseitig in der Bildung, und sie werden
daher nicht von Krystall- sondern von Zusammensetzungs-
flächen begränzt, und es zeigen sich also auch beim Zer-
schlagen eines grossen Stückes von Schriftgranit dreierlei
Flächen, nähmlich Zusammensetzungs-, 'Theilungs- und
Bruchflächen. Wenn man bedenkt, welche grosse Wich-
tigkeit die Zusammensetzungs- Flächen in der Geognosie
haben, wie schwer sie oft zu erkennen sind, und wie sel-
ten sie richtig erkannt werden, so wird man leicht den
Nutzen einsehen, den das genaue Studium dieser Flächen
am Schriftgranite gewährt.
Wenn im Schriftgranite Drusenräume sich befinden, so
bilden sich in diesen grosse Feldspath-Kırystalle, aus wel-
chen dann viele Krystalle von Quarz in paralleler Lage
hervorragen; im Innern eines solchen Feldspath - Krystalles
sind beide Species zu Schriftgranit vereiniget.
Herr Professor Leydolt hob vorzüglich die unzwei-
felhafte Gleichzeitigkeit der Bildung der beiden Species,
des Quarzes und des Feldspaths hervor.
Hr. Friedr. Simony sprach über die Höhlenbil-
dungenin den geschichteten Kalken,sowie über
I —
gewisse, ausgedehnteren Alpenkalkstöcken eigenthümliche,
mit dem Nahmen „Karstbildung‘“ bezeichnete Ge-
staltungen der Gebirgsoberfläche, welche mit
den Höhlenbildungen in innigem Zusammenhange stehen.
Nach der Art des Entstehens unterscheidet er primitive
und sekundäre Höhlen.
Unter den erstern begreift er alle jene Hohlräume im
Innern der Gebirgsmassen, die während der langen Epo-
ehe des Ueberganges der im Meere oder in Binnenwässern
abgelagerten Straten aus weichem, zähem Meergrund in
starren Fels, durch plutonische oder überhaupt in-
nere Einwirkung gebildet wurden und zwar entweder
durch von gesteigerter Wärmeistark expandirte Wasser-
dämpfe oder durch bei ‘chemischen Processen aus ver-
schiedenen Erdtiefen entbundene Gase, die beide, ‚durch
die noch weichen sedimentären Straten Ausgang nach der
Erdoberfläche suchend, häufig den grossen Druck der mäch-
tigen Auflagerungen nicht überwinden, sie nicht durchbre-
chen konnten und so in und zwischen den Absatzschichten
mehr oder minder regelmässige, blasen- oder schlauchför-
mige Auftreibungen von sehr wechselnden, oft sehr
grossen Dimensionen bilden mussten.
Auch durch die, während des Austrocknens der sedi-
mentären Bildungen ungleich Statt findende Zusammen-
ziehung, durch locale Abrutschungen und Ver-
werfungen der Straten konnten in derselben Epoche häu-
fig ähnliche Höhlenformen entstanden sein. Diese primitiven
Gebilde sind, da sie fast immer den grösseru Tiefen der For-
mationen angehören, wenn auch höchst wahrscheinlich in
grosser Menge vorhanden, doch nur selten dem Menschen
zugänglich und nur eine verhältnissmässig geringe Anzahl
derselben ist entweder durch Bergbaue geöffnet oder steht
durch erweiterte Klüfte, Spalten oder Wassercanäle mit der
Aussenfläche der Erde in Verbindung. Ist eine derarlige
Höhle zugänglich, so lässt sich schon in der metamorphi-
schen Beschaffenheit ihrer Wandmassen, in ihrer Ausklei-
dung mit heterogenen krystallinischen Sioffen, auch in der
Abweichung der Stellung der sie umschliessenden Fels-
Er
schichten von den allgemeinen Lagerungsverhältnissen des
Gebirges die primitive Entstehung erkennen.
Unter den Begriff secundärer Höhlenbildung fasst Hr.
Simony alle jene, die Gebirgsschichten in den verschie-
densten Tiefen durchsetzenden, doch meist mehr der Ober-
fläche nahe liegenden Hohlräume zusammen, welche erst
nach der Epoche der vollständigen Erhärtung der sedimen-
tären Massen durch äussern Einfluss deratmosphä-
rischen Agentien langsam gebildet wurden und noch
fortgebildet werden. Durch eine grosse Reihe aus der Natur
entlehnter Beispiele, — von den feinsten Gebirgsadern,
deren Ausmündung zu Tage sich in Felsflächen oft nur
durch eine kaum bemerkbare winzige Oeffaung, in lich-
ten Kalkwänden oft nur durch einen senkrechten aus
einem Punct plötzlich herabsteigenden schwärzlichen Strei-
fen erkennen lässt, bis zu den zahlreich vorkommen-
den, besonders in steilen Felsmauern leicht zu beobach-
tenden eyförmigen oder länglichen Ausflusslöchern, von
den schlot- oder canalförmigen,, mäandrisch durch Bergmas-
sen sich windenden , sehr langen Wasserläufen bis zu den
mächtigsten Felslabyrinthen — wies er nach, dass die mei-
sten Höhlen ihre erste Entstehung den, durch die vorzüg-
lich in. Kalk - Formationen häufig vorkommenden Zerklüf-
tungen und Schichtungsabsonderungen im Innern des Ge-
birges eingedrungen und sich wieder Ausgang suchenden
Regen-, Schnee-und Gletscherwassern, ihre Erweiterung
aber vorzüglich der durch den vermehrten Zutritt bald
feuchter, bald trockener, bald wärmerer, bald kälterer
Luft eingeleiteten Verwitterung und Auskröcklung des oh-
nehin oft schon von seinem ersten Erhärten an leicht theil-
baren Gesteins zu danken haben. Als einen Beweis, wel-
chen Einfluss der Zutritt der Luft überhaupt und ins-
besondere der Wechsel des Feuchtigkeits- und
Temperaturzustandes derselben bei der Höhlenbil-
dung vorzüglich in gewissen Schichten übt, sind manche
grosse gewölbe - oder kellerähnliche in hohen Gebirgspar-
tien oft mitten in Wänden vorkommende Höhlungen, in
welche die Ausmündungen ganz unscheinbarer unterirdischer
Wasseradern sich plötzlich erweitern , zu nehmen. Ist nur
=
einmal eine kleine Oeffnung nach Aussen von dem Wasser
ausgenagt, so beginnt um diese herum die Ausbröckelung
des Gesteins, und zwar immer im grösseren Verhältniss
über der Wasserader, bis sich im Laufe der Zeit durch
fortgesetztes Abbrechen und Ablösen kleinerer und grös-
serer locker gewordener Steintheile ein „Palfen‘ oder
„Ofen,“ ein Gewölbe gebildet hat, das sich nach rück-
wärts nischenartig schliesst, und bloss im Hintergrunde
des steigenden oder fallenden Bodens eine kleine, oft kaum
merkbare Spalte oder Oeffnung zeigt, durch welche mehr
oder weniger Wasser temporär oder permanent hervor-
quillt, das meist etwas Zersetzungs-Materiale,, feinern oder
gröbern Sand aus dem Innern mit sich führt und im Grunde
des Gewölbes ablagert; oder welches Gewölbe bei fort-
dauernder Erweiterung endlich eine ganze Gebirgspartie
tunnelartig durchsetzt oder ein Felslabyrinth mit
mehrfachen Ausmündungen bildet. Als ein Beispiel der
grossartigsten Art einer nachweislich auf diese Weise
entstandenen , tunnelartigen Höhlenbildung zeigte Hr Si-
mony zwei Zeichnungen von dem „Almberger Loche“
aus dem Grundelseer Gebirge bei Aussee in Steiermark vor.
Nachdem er noch Beispiele jener in den Gebirgen des
Salzkammergutes zahlreich vorkommenden, unmittelbar un-
ter der Oberfläche des Bodens befindlichen, auf ähnliche
Art entstandenen Höhlen, durch deren Einsturz sich ver-
schiedene offene Kessel bilden, in Zeichnungen vorgelegt
hatte, ging er auf den Einfluss über, welchen eine häufige
Höhlenbildung auf die Gestaltung des Terrains mancher Ge-
birge ausübt. Jene wellige Beschaffenheit und Zerrissen-
heit der Oberfläche des Dachstein- und Prielge-
birges, welche den Typus der Karstbildung be-
zeichnet, die unzähligen Kessel, kraterartigen Mulden und
tief eingeschrittenen Schluchten, welche die Hochplateaux
der beiden genannten Alpenstöcke nach allen Richtungen
dicht überdecken, sind grössten Theils als Resultate
unzähliger Einstürze srösserer und kleinerer
runder oder langer Höhlen, die näher oder tiefer
der Oberfläche lagen, anzusehen. Selbst mauche grosse
und weite Schluchten, beträchtliche Kessel und Sackthäler
rn Me
haben ihr erstes Entstehen dem Einsturze ausgedehnter
primitiver oder secundärer Höhlen zu danken. Zur Begrün-
dung dieser Ansicht führte er zahlreiche Thatsachen und
Beispiele auf. So bezeichnete er das oben erwähnte Alm-
berger Loch als eine Höhle, deren endlicher Einsturz ersı
eine tiefe Scharte, dann durch weitere Abbrüche der Sei-
tenwände eine steile Schlucht und endlich einen gerundeten
Einschnitt eines Gebirgsgehänges bilden wird; ferner das
Thiergartenloch auf dem Dachsteingebirge, ein jetzt noch
unzugänglicher kreisrunder Schlund , bereits das Ergebniss
eines Höhlensturzes, muss sich einst in eine weite Gebirgs-
mulde verwandeln, die Mazocha bei Brünn wird nach einer
langen Reihe von Jahrtausenden zu einem in das Punqua-
thal einmündenden Sackthal umstaltet werden.
Herr Dr. Carl Langer betrachtete die Structur-
Verhältnisse der Knochen, namentlich in Bezug auf
dıe Möglichkeit, Knochen verschiedener Thiere mikrosko-
pisch von einander zu unterscheiden; er bemerkte, dass der
Typus der Knochenstructur bei allen 'Thieren wesentlich
derselbe sei, dass sich Knochen der Säugethiere in keiner
Weise von Knochen der Vögel mikroskopisch unterscheiden
lassen, dass aber für die compacte Substanz der langen
Knochen von Amphibien ein Vorwalten primärer (der Peri-
pherie gleichlaufenden) Lamellen bezeichnend sei, so bei
Monitor, Python, Emys, Rana; dass sich ferner bei Am-
phibien eine interessante Reihe in Bezug auf die Grössen-
verhältnisse der Knochenkörperchen ergebe, die mit der der
Blutkörperchen ziemlich gleichen Schritt halte. Herr Dr.
Langer fand die grössten Knochenkörperchen bei den Pe-
rennibranchiaten, Siren, Proteus, kleinere bei Salamandra,
Rana, und die kleinsten bei den Amphibien ohne Meta-
morphose. Fernere Details über die Knochen der Fische
versprach er folgen zu lassen. x
Herr Franz Ritter von Hauer zeigte eine Reihe von
Versteinerungen aus den Marmorschichten der Um-
gebung von Hallstatt vor. Die erste Veranlassung sich
mit der Untersuchung derselben zu beschäftigen erhielt
Herr v. Hauer durch die reichen Sammlungen, welche
Herr F. Simony als Ausbeute seiner mehrjährigen For-
in
schungen in den dortigen Gebirgen im vorigen Sommer
nach Wien brachte. Se. Durchlaucht der Herr Fürst von
Metternich war Besitzer derselben. Durch die gross-
müthige Unterstützung desselben wurde es möglich, die
vielen neuen und interessanten Gegenstände, die sie ent-
halten , abbilden zu lassen und ihre Publication vorzuberei-
ten. Das zu untersuchende Material wurde späterhin noch
durch Mittheilungen von verschiedenen Seiten vervollstän-
digt; so sendete Herr Bergmeister Ramsauer in Hall-
statt auf die Bitte des Herrn Bergrathes W. Haidinger
die merkwürdigsten Stücke seiner reichen Sammlung zur
Untersuchung nach Wien; der Kustos des k. k. Hof-Mine-
ralien -Cabinets, Hr. Paul Partsch, theilte mit grösster
Liberalität eine Reihe ungemein interressanter Gegenstände
aus den ihm unterstehenden Sammlungen zur Untersuchung
mit. Sehr Vieles endlich fand sich in dem k. k. montani-
stischen Museo und in der Sammlung Sr. Exec. des k.k.
Herrn Hofkammer - Vice- Präsidenten, Ritters v. Hauer.
Am wichtigsten unter allen auf diese Weise mitgetheil-
ten Fossilien schienen die Cephalopoden. Ihre Untersuchung
ist nun vollendet, und bildete den Gegenstand von Herrn
v. Hauer’s Mittheilung. Es liessen sich darunter über
24 Arten, die 6 verschiedenen Geschlechtern angehören,
unterscheiden , und zwar:
1) Ammonites, 16 Arten, mitunter von sehr an-
sehnlicher Grösse (über 2 Schuh Durchmesser). Die
Mehrzahl derselben ist so weit von allen schon bekannten
Arten verschieden, dass sie nicht einmal in eine der von
v. Buch und d’Orbigny gebildeten Familien einzureihen
sind. So z. B. A. Metternichü v. Hau., eine prachtvolle
Art, die insbesondere durch die grosse Anzahl von Loben
und Sätteln, deren man an jeder Seite des Umganges
18-19 zählt, charakterisirt ist. Ein sehr schönes, ganz
freies Exemplar dieser Art, dem Herrn Fürsten v. Meit-
ternich gehörig, wurde vorgezeigt. Ein anderes, von
24 Zoll Durchmesser, von Herrn Bergmeister Ramsauer
aufgefunden, befindet sich im k. k, montanistischen Museo.
Es sitzt auf einer grossen Marmorplatte auf, an welcher
man noch überdiess” zahllose andere Fossilien; Ammoniten,
_ A
Orthoceren, Belemniten u. s. w. erkennt. Ammonites ga-
lealus v. Hau. und A. Ramsaueri Quenstedt sind insbe-
sondere durch die grossen Verschiedenheiten, welche die
Schale bei jüngeren und älteren Individuen zeigt, bemer-
kenswerth. A. tornalus Brenn mit sehr schön längsge-
streifter Schale u.a. m. Einige Arten schliessen sich näher
schon bekannten Familien an, so z. B. A. neojurensis Quen-
stedt und A. debilis v. Hau. der Familie der Heterophyllen
d’Orb.; A. salinarius v. Hau. der Familie der Arieten v.
Buch; A. bicrenatus v. Hau. der Familie der Ornaten v.
Buch u. s. w. Zwei Arten endlich sind identisch mit schon
an anderen Fundorten bekannten Ammoniten. Sie sind: A.
Johannis Austriae v. Klipstein, der zu St. Cassian in Süd-
tirol und A. discoides v. Ziethen, der in den Juraschichten
in Württemberg, Frankreich u. s. w. gefunden wurde.
2) Goniatites, eine neue Art. Sie erhielt den Na-
men @. decoralus v. Hau.
3) Clymenia? Das Exemplar ist nicht vollständig
genug erhalten, um die Art mit Sicherheit zu bestimmen.
4) Nautilus, drei Arten. Eine davon N, mesodicus
Quenstedt stimmt sehr nahe überein mit N. gäganteus
D’Orbigny aus der französischen Juraformation.
5) Orthoceras, 5—6 Arten. Einige davon suchte
Herr Prof. Quenstedt mit Arten aus dem Uebergangs-
gebirge zu vereinigen. Bei genauer Untersuchung jedoch
ergaben sich Verschiedenheiten, wichtig genug, um die
Aufstellung neuer Arten zu rechtfertigen.
6) Belemnites. Die Arten nicht näher zu unter-
scheiden.
Man hat die Marmorschichten der Gegend von Hallstatt
den verschiedenartigsten Gebirgsbildungen einzureihen ver-
sucht, und in der That lassen sich aus den angeführten
Fossilien mit gleichem Rechte Gründe für jede dieser Pa-
rallelisirungen ableiten. So sprechen die Orthoceren, die
Ciymenia und der Goniatit für Uebergangskalk. Ein Theil
der Ammoniten, der Nautilus- Arten und die Belemniten
für Lias oder Oolith, andere Ammoniten für Neocomien
oder untere Kreide. Es scheint sich demnach hier abermals
zu bestätigen, dass die Gesetze der Vertheilung organi-
a
scher Reste, die man insbesondere im nordwestlichen Europa
mit nun schon so grosser Schärfe nachzuweisen vermochte,
auf das Alpengebiet nicht anwendbar sind. Daraus folgt
aber noch nicht, dass das Studium der organischen Reste
für die geognostische Kenntniss dieses Gebietes überhaupt
keinen Werth habe. Es lässt sich vielmehr mit der gröss-
ten Wahrscheinlichkeit voraussetzen, und theilweise auch
durch bereits gemachte Beobachtungen nachweisen, dass
die Vertheilung organischer Reste hier so wie dort an feste
Gesetze gebunden sei, deren Erforschung und Entwicklung
in der nächsten Zukunft zu erwarten steht. Hat man erst
einmal die Aufeinanderfolge der einzelnen Alpengesteine
ermittelt, kennt man die jedem derselben eigenthümlichen
Fossilien, so werden sich wohl Parallelisirungen im Gros-
sen mit Leichtigkeit von selbst ergeben, während alle der-
artigen Versuche mit einzelnen Schichten zu wenig befrie-
digenden Resultaten geführt haben.
Eine ausführliche Mittheilung über die hier angedeute-
ten Thatsachen wird in kurzer Zeit dem Publikum vorgelegt
werden. Sämmtliche Abbildungen der neuen Arten, ge-
zeichnet und lithographirt von dem k. k. Bergwesens-Prak-
tikanten Hrn. Eduard Pöschl, sind bereits vollendet.
Sie sind mit einer gewissenhaften Genauigkeit ausgeführt,
die man nur zu oft bei Abbildungen vermisst , deren Anfer-
tigung nicht den Händen eines mit den wissenschaftlichen
Anforderungen vertrauten, und mit begeisterter Liebe der
Sache selbst ergebenen Zeichners anvertraut ist.
9, Versammlung, am 22. Juni.
Wiener Zeitung vom 7. Juli 1846.
Herr A. Löwe, k. k. General-Land- und Haupt-
münz - Probirer ,„ berichtete über die Analysen der
beiden Mineralien Jamesonit und Berthierit von
einem neuen Vorkommen zu Arany-Idka in Ober-Ungarn,
nach Exemplaren aus dem k k. montanischen Museo, welche
ausser der interessanten naturwissenschaftlichen Beziehung
=. ==
auch noch eine technische Wichtigkeit besitzen, in so ferne
diese, an Antimon reichen Mineralien, bisher insbesondere
in Frankreich, als Material für die Antimongewinnung die-
nen. Die chemische Zusammensetzung des Jamesonits bot
in so ferne eine Abweichung von den bisher untersuchten
Stücken dar, als derselbe eine bedeutende Menge Silber
enthielt, das selbst goldhältig befunden wurde; der Zent-
ner Erz gab auf dozimastischem Wege ermittelt 45%, Loth
Silber oder 2 Mark 13 Loth 3 Quintel. Der Berthierit zeigte
dieselbe Zusammensetzung wie der von Anglar in Frank-
reich. Die Formel für den Jamesonit ergab Sich nach Ab-
zug der fremdartigen Bestandtheile übereinstimmend mit
den früheren Analysen als 2 Pb Sb--Phb.
In 100 Theilen besteht dieser Jamesonit nach Löw e's
Analyse aus
Schwefel . . 18.069
Antimon . . 32,168
Blei“ 5.4: 53668
Kupfer _.. ., ....1,729
Silber ... .. 1,440
Eisen ..ı.... 2,909
ZUDK... . ns . 0.339
Wismuth . . 0,214
Gold. . . .. Spur
Gangart . . 2,815
99,351.
Die übrigen Eigenschaften desselbeu wichen von den
bereits bekannten nicht ab; das specifische Gewicht wurde
zu 5,601 gefunden; Farbe und Glanz metallisch stahlgrau ;
vor dem Löthrohre auf Kohle leicht schmelzbar, und die-
selbe mit Blei so wie mit Antimondämpfen beschlagend.
Der Berthierit wurde von Hrn. Johann v. Pettko,
gegenwärtig supplirenden Professor der Mineralogie und
Geognosie zu Schemnitz, in dem Laboratorium des k. k.
General-Probiramtes untersucht, nnd gab dieselbe Zusam-
menseizung wie der Berthierit von Anglar ‚ nämlich von der
Formel Fesb. v. Pettko’s Analyse gab auf 100 Theile
berechnet:
a
Eisen . . . 12,848
Antimon . . 57,882
Schwefel. . 29,270
Auch die übrigen Eigenschaften stimmten überein, z.B.
das specifische Gewicht —= 4,043, und das charakteristische
Verhalten des Berthierits in Salzsäure, mit Entwickelung
von Schwefel - Wasserstoffgas, ohne Abscheidung von
Schwefel, sich vollständig aufzulösen. '
Hr. A. Löwe verband mit dieser, schon in mineralogi-
scher Beziehung interessanten Mittheilung , die Verglei-
chung des Vorkommens der beiden erwähnten Mineralien,
mit einem von Berthier angegebenen , zu Carcassone in
den Kleinen Pyrenäen und zu Pont - Vieux im Departement
des Puy de Dome, welche dort brechende Erze Berthier
untersucht, und die Gewinnung des Antimons, so wie des
Silbers und Goldes in den Annales des Mines beschrie-
ben hat; denn es ist auffallend, welche Uebereinstimmung
in den Verhältnissen des Vorkommens und der Zusam-
mensetzung der Erze von Arany-Idka in Ober - Ungarn
und der Localitäten von Carcassone und Pont-Vieux in
Frankreich besteht. Hier wie dort ist der Jamesonit silber-
und goldhaltig gefunden worden , und insbesondere sind es
auch die ärmeren kiesigen Erze, welche reich an Gold sind.
Der k. k. Werksverwalter J. Tutschnag in Arany-Idka
hat auch diese Verhältnisse zuerst erkannt, und auf die An-
timongewinnung aufmerksam gemacht.
Nachdem Jamesonit und Berthierit zusammen vorkom-
men, so läge der Vorschlag sehr nahe, sie wie in Frank-
reich für sich zu verhütten, und diese Versuche sollen auf
Grundlage der Erfahrungen Berthier’s, welcher in seinem
Laboratorium an der Ecole des Mines über diesen Gegen-
stand gründliche Untersuchungen angestellt hat, in dem La-
boratorium des k. k. General-Land- und Hauptmünzprobir-
amtes mit den zu Arany-Idka einbrechenden Erzen wieder-
holt werden, in der Absicht, auf die technische Wichtig-
keit dieser Mineralien, deren naturhistorische Beschaffen-
heit jetzt erst näher bestimmt wurde, unter der Vorausset-
zung, dass deren allgemeineres Vorkommen sich bestäti-
gen sollte, aufmerksam gemacht zu haben.
— 65 —
Herr Dr. Richard Comfort gab eine systematische
Eintheilung der Menschen-Racen nach einem neuen Prin-
cipe. Unter Race, abgeleitet von dem lateinischen Worte
radix, versteht man die Vereinigung wesentlicher Merk-
male, die sich in mehreren Generationen forterben. Die
Eintheilung beruht auf Skelet-Bildung, der Schädel- und
der Gesichtsform. Die Hautfarbe gilt als zweites Merk-
mal, welches mehr Ergebniss klimatischer Einflüsse, also
erworben, so wie ersteres Moment wesentlicher und mehr
angeboren erscheint.
Die Hautfarbe wäre also mehr Form ; die Knochenbil-
dung Wesen. Viele Gelehrte würdigten bereits diesen Ge-
genstand ihrer Aufmerksamkeit; sie theilten die Menschen
in #4, 5, 20, wohl noch mehr Racen; keines dieser Systeme
ist ganz befriedigend, es fehlt ihnen, nach Dr. Comfort’s
Ausdruck, der philososhische Stämpel der Natur. Bereits
vor zehn Jahren stellte er sein natürliches System
der Menschen-Racen auf, durch welches viele der
bisher noch nicht gelösten Schwierigkeiten beseitigt werden.
Als Vorfrage wurde der bis jetzt noch nicht überall
als vollkommen geschlichtet angenommene Streit, ob das
Geschlecht der Erdbewohner von einem oder mehreren
Paaren abstammen, erwähnt. Als die von der weissen
Race abspringendsten, sowohl in Hinsicht auf Knochen-
bildung als Hautfarbe stellen sich die Neger; die Gegner
der Genesis behaupteten, Europäer, z. B. Portugiesen,
welche durch 0 Jahre ununterbrochen in Afrika lebten,
wären wohl schwarz wie Neger geworden, ihre Knochen-
bildung sei aber dieselbe geblieben; die Neger - Physio-
gnomie und der Neger-Typus sei zu den Zeiten der Römer
nicht verschieden von dem der Gegenwart; Neger, in käl-
tere Zonen gebracht, bleichen sich nur unmerklich; der Ne-
ger- Typus durch Vermischung mit Weissen verliere sich
erst nach Jahrhunderten; ferner gibt es wieder viele wilde
Völker in Afrika, die den Neger-Typus nicht besitzen, so
wie viele andere in Ausser-Afrikanischen Ländern, welche
zwar unter dem Aequator lebend, doch davon frei sind;
lauter Gründe, dass es auch ein schwarzes Urpaar gege-
ben haben sollte.
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I, 5
a
Hierauf lässt sich erwiedern, dass die Bibel, diese äl-
teste Urkunde der Menschheit, uns genügenden Aufschluss
bietet; denn Moses zählt das neue Menschenge-
schlecht der Noachidenstämme von Sem, Ham und
Japhet. Es stammt also wirklich von drei Familien
ab. Nehmen wir nun an, die Abkömmlinge Ham’s, die sich
in der That nach Afrıka wandten, wären von ihrem Stamm-
vater mit einem leichten Neger-Typus begabt worden, so
lässt sich leicht einsehen, wie bei einem, diesen Typus be-
günstigenden Klima, sich der jetzige Neger - Typus heraus-
bilden konnte.
Zu jeder Bildung wie Verbildung sind aber zwei Mo-
mente erforderlich: die Disposition und die einwirkende
Ursache. ?
Herr Dr. Comfort nimmt nun in seinem Combina-
tions-Systeme drei Stammracen an, welche sich
zuerst zu neun, ferner aber vielfältiger combiniren.
Combination der Menschenracen dem We-
sen oder nach der Skeletbildung und der Form
nach, oder nach der Hautfarbe.
1. Weisse Reihe, mit ovaler Gesichtsbildung oder
vorherrschendem Längendurchmesser. 1) Kaukasier, weiss
mit Inkarnat. 2) Hindus, hellbraun; Combination mit der
zweiten Reihe. 3) Araber, schwärzlich; Combination mit
der dritten Reihe.
1. Braune Reihe, mit breiter Gesichtsbildung. 4) In-
dianer, kupferroth. 5) Malayen, braun; mittlerer Combina-
tionspunct. 6) Mongolen (gelbe Neger),
iM. Schwarze Reihe, Schädel und Gesichtsbildung
mit vorherrschender Tiefebildung. 7) Polarbewohner, schmu-
tzigweiss; Combination mit weisser Reihe. S) Eihiopier
(Kaffern, Kopten) olivenfärbig. 9) Neger, glänzend
schwarz.
Hr. Dr. Comfort bemerkte noch zum Schlusse:
1) Gäbe es keine Combination bedingt durch klimatische
Einflüsse, so müsste man ein erstes Menschenpaar mit
blonden Haaren und blauen Augen, und ein anderes mit
schwarzen Haaren und schwarzen Augen annehmen.
2) Die Mythen der Indianer erwähnen, dass das erste
Menschenpaar roth war (Adam, im Hebräischen rothe
Erde) und dass daraus die verschiedensten Farben und
Nuaneirungen sich gebildet hätten. Bei dieser Annahme
würde sich die weisse Reihe durch Hinaufsteigen, und die
schwarze durch Herabbilden entwickelt haben.
3) Wie kömmt es, dass die Polarbewohner schwarze
Haare und Augen haben, da doch der Norden alles bleicht,
wenn nicht hier die Ur-Combination über klimatische Ein-
flüsse gesiegt hätte.
4) Dagegen sahen wir den grossen klimatischen Ein-
fluss an den Engländern, die in Austral-Asien (Neu-Hol-
land) geboren werden. Sie haben blonde Haare und braune
Augen.
5) Der Neger - Typus tilgt sich vollkommen durch Ver-
mischung; mit Weissen in der sechsten Generation.
6) Der Typus der Indianer, Hindus, Araber, in der
dritten; der der Malayen in der vierten; der Mongolen-
Typus noch später; über die zwei anderen fehlen uns Er-
fahrungen.
7) Viel kömmt darauf an, ob die Mutter eine Negerin
und der Vater ein Weisser war, oder umgekehrt, auf die
Skeletbildung scheint die Mutter mehr Einfluss zu haben;
auf die Farbe der Vater.
8) Leichter gelingt es einem Weissen in der heissen
Zone schwarz zu werden, als den dort Geschwärzten in
der temperirten zur ursprünglichen Weisse zurück zu gelan-
gen; wan brennt sich an einem heisssen Sommertage sehr
leicht ab, und bleicht sich erst in acht Tagen.
9) Caffusos sind eine natürliche Combination vom Ne-
ger und Indianer und haben ganz die Malayenbildung.
Herr Dr. Hammerschmidt ‚gab einige Andeu-
tungen über das Pflanzen-Zellenleben. Für die
Pflanzen - Physiologie wird mikroskopisch nachgewiesen ,
wie aus der Erstlings - Zelle (Primitiv- Zelle) heraus sich
die Lebensäusserungen der Pflanze entwickeln, wie aus ihr
als Anfangspunct einer organischen Thätigkeit, die Abla-
gerungen einer secundären Zellhaut, endlich neue Zellen,
aus ihrer Verbindung Organe sich bilden , die mannigfalti-
5*+
=
sen Formen der Pflanze selbst nur aus der verschiedenar-
tigen Verbindung und Anordnung der Zellen entsthehen,
dass also der einzelnen Zelle schon ein selbstständiges Leben
zukomme, und die Summe dieser Einzelwesen und ihr Ver-
hältniss zu einander den Gesammtausdruck der Lebenser-
scheinung eines bestimmten Pflanzen -Individuums bildet.
Wenn gleich die Ansicht, dass schon der einzelnen Zelie
ihr selbsständiges Leben zukomme, nach den bisherigen
Beobachtungen keinem Zweifel mehr unterliegen kann, so
ist es doch schwer hiervon auch dem weniger Eingeweih-
ten eine überzeugende Darstellung zu verschaffen. Die
Erscheiaungen , welche wir aber an der Magnolia annonae-
folia, beobachten können, dürften eine geeignete Thatsache
diessfalls abgeben.
Es ist bekannt, dass die Magnolia annonaefolia die Ei-
genschaft hat, Morgens zwischen 10—11 Uhr ihre Blüthen-
knospen zur offenen Blüthe zu entfalten und in diesem Zu-
stande bis Abends 8 Uhr , wo sie sich wieder schliesst , einen
angenehmen apfelartigen Geruch auszuhauchen. . Diese Er-
scheinungen wiederholen sich bei dieser und vielen andern
Pflanzen regelmässig und zur bestimmten Zeit durch meh-
rere Tage, bis sie endlich abblüht.
Durch den Umstand, dass die Aushauchung eines riech-
baren Stoffes mit dem Offensein der Blume in Verbindung
steht, angeregt versuchte HerrDr. Hammerschmidt, ob
auch die einzelnen Blumenblätter, vom Organismus getrennt.
demselben Lebensgesetze folgen. Durch die Güte unseres
rühmlich bekannien Blumenfreundes Hrn. Klier, erhielt er
einige Blüthen der Magnolia annonaefolia — Abends, nach.
dem sich aller Geruch verloren hatte, wurden die Blüthen
entblättert , die einzelnen Blumenblätter in kleine Theilchen
zerschnitien, und in reines Papier verwahrt. Diese Blü-
thentheilchen blieben geruchlos bis nächsten Morgen
halb 11 Uhr. Zu dieser Stunde entwickelte sich
plötzlich der eigenthümliche Geruch der Blüthe,
den sie bıs Abends 8 Uhr aushauchten, zu welcher Zeit
die fernere Entwicklung der riechbaren Stoffe wieder bis
zum nächsten Tage stille stand. Noch am zweiten
Tage, nachdem die getrennten zerrissenen Blatitheilchen
— 69. —
schon ganz. ausgetrocknet waren, entwickelte sich wieder,
obschon schwächer zur besimmten Stunde gexen halb 11 Uhr
die Absonderung des riechbaren Stoffes.
Diese Thatsache,, von deren Richtigkeit sich Jedermann
leicht überzeugen kann, erscheint als ein sprechender Be-
weis für die selbsständigen Lebensercheinungen einzelner
Pflanzentheile, und verdient weiter verfolgt zu werden.
Wenn die Blüthe sieb zu bestimmter Zeit öffnet und schliesst,
und so die schönen Erscheinungen einer Blumenuhr in
der freien Natur vorführt, wenn damit andere Lebenser-
scheinungen wie z. B. die Absonderung von riechbaren Stof-
fen, auftreten, so findet man das ganz natürlich, und er-
klärt sich diese Lebenserscheinungen aus dem Gesammtor-
ganismus. Wenn aber auch einzelne, von dem Gesamnt-
organismus abgetrennte Theilchen, wenn einzelne aus ihrem
Verbande herausgerissene Zellen auch noch Erscheinungen
von sich geben, welche die ganze Biume von sich gibt, so
findet man in dieser Thatsache wohl einen unumstösslichen
Beweis für das selbstständige Leben einzelner Organe, ja
für das se!bstständige Leben einzelner Zellen.
Die Pflanze wird durch den Einfluss der Wärme, des
Lichtes, der E'ektricität, durch physische und chemische
Einwirkungen in ihren Thätigkeiten bestimmt. Was wir
von der Pflanze zu sagen gewohnt sind, gilt aber von ih-
ren kleinsten Bestandtheilchen , von ihren einzelnen Zellen;
diese sind es, welche dem Gesetze des Pflanzenlebens ent-
sprechend, durch das Zusammenwirken den Gesammtaus-
druck des pflanzlichen Lebens zur Erscheinung bringen;
diese sind es, welche die Ernährung und Athmung der
Pflanzen vermitteln, und insbesondere durch Licht, Wärme
oder sonstige Einflüsse angeregt, Sauerstoff aushauchen.
Man kann annehmen, dass mit diesem Aushauchen des
Sauerstoffes, Theilchen der in den Oehlbehältern sich be-
findenden ätherischen Stoffe frei werden, oder dass Ge-
ruchstheile derselben sich dem entströmenden Pflanzengase
beigesellen.
Das Schliessen der Blumenblätter, was man unter dem
Namen des Pflanzenschlafes bezeichnet , ist bekannt-
lich kein Zustand der Erschlafung, sondern vielmehr durch
Bu
eine eigenthümliche Zusammenziehungskraft des pilanzli-
chen Zellstoffes hervorgerufen. Ob nun in diesem Zustande
des Pflanzenschlafes nicht vielleicht selbst theilweise die
Endosmose und Exosmose, und sohin auch die Aus-
hauchung der riechbaren Stoffe gleichsam auf theils mecha-
nische theils dynamische Weise unterbrochen wird, wollen
wir hier nur andeuten. Auch wäre es für die Chemie eine
würdige Aufgabe, zu ermitteln, ob während des sogenann-
ten Pflanzenschlafes bei ähnlichen Pflanzen die riechbaren
Stoffe nur gebunden sind , und auf chemischem Wege frei
gemacht werden können, oder ob eine Absonderung des
riechbaren Stoffes oder dieser selbst, während jenes Zu-
standes in der Blüthe etwa, gar nicht vorhanden ist.
Herr Dr. S. Reissek machte einige Mitiheilungen über
den Bau und die Bedeutung der Samenthierchen bei
Pflanzen. Es wurde zuvörderst des Baues der Samen-
thierchen im ' Thierreiche gedacht, welche, obgleich die
neueste Physiologie ihnen die thierische Natur abspricht,
und selbe gerade nur als belebte Moleküle des Leibes an-
derer Thiere ansieht, dennoch durch den bei den entwickelt-
sten Formen nachweisbaren Bau sich als wirkliche, selbst-
ständige, den Helminthen zunächst verwandte Thiere nach-
weisen lassen. Mit diesen stimmen sowohl dem Baue als den
Lebenserscheinungen nach, die in verschiedenen tiefer ste-
henden Pfianzenfamilien vorfindlichen Samenthierchen we-
sentlich überein. Es sind Thierchen, welche normal- und
gesetzmässig in bestimmten Organen der Pflanze sich ent-
wickeln und leben. Herr Dr. Reissek hatte im Einklange
mit dieser Erscheinung seit längerer Zeit vermuthet, dass
es, wie die angeführten Samenthierchen, vielleicht auch
selbstständige Pfänzchen gebe, welche gleich jenen in be-
stimmten Theilen des Pflanzenkörpers sıch normal- und ge-
setzmässig entwickeln. Vor einem Jahre gelang es ihm,
diess als gesetzmässige Erscheinung im Pflanzenreiche
wirklich aufzufinden. Es kommen in den Wurzeln der Mono-
und Dicotyledonen in, ihrer Anzahl und Lage nach, genau
bestimmten Zeilenlagen gesetzmässig Fadenpilze vor, wel-
che die Zellen dicht erfüllen, und von Aussen völlig ab-
geschlossen sind. Sie gehören zur Lebenseigenthümlichkeit
en
der Pflanze und sind immer vorhanden, doch auf verschie-
dener Ausbildungsstufe in den verschiedenen Familien. {Bei
Orchideen sind sie am ausgezeichnetsten und häufigsten, bei
den meisten Dicotyledonen sind sie unausgebildet und nur
bei umfassender, comparativer Untersuchung in ihrem We-
sen erkennbar. Ihre Entstehung erfolgt aus den feinen
Körnern,, woraus die Zellkerne zusammengesetzt sind.
Diese Thatsachen in Verbindung mit den Erfahrungen
über die Samenthierchen bestimmen uns zu dem Ausspruche:
dass in den Zellen höherer Pflanzen sich normal- und ge-
setzmässig niedere Pflänzchen und Thiere entwickeln, wel-
che zur Lebenseigenthümlichkeit der betreffenden Pflanzen
gehören. Diese in den Zellen eingeschlossenen oder en-
dogenenu Pilänzchen sind Pilze, die Thierchen die soge-
nannten Samenthiere.
Herr Bergrath Haidinger theilte folgende von Herrn
Professor Zipser in Neusohl, dem langverdienien Samm-
ler der interessanten ungarischen Mineral-Vorkommen, die
er schon vor dreissig Jahren beschrieben ,„ und vielfältig
versendet, zu dem Zwecke eingesandte Nachricht mit:
„Nachdem bei dem grossen Brande vom 18. Mai 1. J.
nebst meinen zwei Häusern auch meine Sammlungen und
reichen Mineralien-Vorräthe zu Grunde gegangen sind , so
stelle ich an jene Cabinete, wissenschaftliche Anstalten
und Freunde, denen ich aus Liebe für Förderung des mine-
ralogischen Studiums die Vorkommnisse meines Vaterlandes
Ungarn bis jetzt zukommen liess, die gehorsamste Bitte, auf
die Fortsetzung meiner Gaben längere Zeit verzichten zu
wollen, da mir weder Zeit noch die Mittel zu Gebote stehen
dürften, meine jährlichen Reisen zu unternehmen, und die
Resultate derselben benannten wissenschaftlichen Anstalten
in gewohnter freiwilliger und uneigennütziger Weise zuzu-
führen. Neusohl, am 24. Mai 1846. Dr. Zipser, Professor.
Herr Professor Zipser hatte, ebenfalls durch Herrn
Bergrath Haidinger, sein eben vollendetes Werk: „Die
Versammlungen ungarischer Aerzie und Na-
turforscher‘, mit besonderer Beziehung auf die am 4.
August zu Neusohl abgehaltene dritte Versammlung (Neu-
sohl 1846). zur Vorlage eingesendet. Bekanntlich haben
nn ee
diese im Jahre 1841 begonnen; und zwei Mal in diesem
Jahre, im Mai und September, in Pesth, dann in Neusohl,
hierauf in 'Temeswar, Klausenburg, endlich im vorigen
Jahre in-Fünfkirchen Statt gefunden, und werden dieses
Jahr in Kaschau und Eperies fortgesetzt. Ueber die zweite
Versammlung in Pesth wurde ein Bericht von den Herrn
Dr. Paul Bugät und Dr. Kor herausgegeben. Die Ver-
sammlung in Neusohl zählt als die Dritte. Herrn Professor
Zipser verdanken wir ın der vorliegenden Publication
eine interessante Uebersicht des durch diese zeitgemässen
und wissenschaftlich anregenden Zusammenkünfte, in dem
Schwesterlande — würde man in England sagen — Gelei-
steten. Möge sie auch ferner fortgesetzt werden, denn es
ist für viele Abtheilungen, nahmentlich aber für die geo-
graphisch-geognostische Landeskenntniss, Werthvolles dar-
innen gegeben, was uns sonst unzugänglich geblieben wäre.
Bergrath Haidinger erwähnte noch, nebst den mancher-
lei Mittheilungen von Zipser, Franz v. Kubinyi, den
Doctoren Czilchert, Nendtwich, Wagner und An-
deren, namentlich der von dem bketzteren zusammengestell-
ten Tabellen der bis jetzt analysirten warmen und kalten
Mineralwasser Ungarns, die interessante Vergleichungs-
puncte darbieten, von den vornämlich gyps- und bittersalz-
haltigen Quellen von Szliacs (17°—25°), Glashütte (19 —
45°), Eisenbach (32°) , Stuben (29° — 35°), Trentschin
(25° — 33°), bis zu den an Chlorverbindungen reichern von
Mehadia (18° — 44°), und den eigentlichen Säuerlingen,
deren salzige Basis von Torosiewicz, Wehrle, Sad-
ler, Meissner, Mittermayer, Wagner, Sigmund,
älterer Analysen nicht zu gedenken, ebenfalls bedeutend
abweichend gefunden wurde.
Herr Bergrath Haidinger zeigte ein Manuscript, Mu-
sterblatt der geologischen Aufnahme eines Gebirgspro-
fils, wie sie in England bei der unter der Leitung des be-
rühmten Geologen, Sir Henry de la Beche seit einigen
Jahren bestehenden geologischen Landesaufnahme, Govern-
ment geological survey, angewendet werden. Die Blätter
sind in kleine Quadrate getheilt; jedes derselben von etwa
’/, Linie Grösse stellt zwei Fuss Länge und Höhe vor, so
dass die Beobachtung jeder Zeit leicht in dem wirklichen
Verhältnisse der Längenerstreckung und der Meereshöhe
eingetragen werden kann. Das Profil stellt eine Eisenbahn-
Abgrabung zwischen Manchester und Sheflleld-vor, die in
den ältern Schichten der Steinkohlen-Formation, mit un-
bedeutenden, höchstens zwei Fuss mächtigen Steinkohlen-
lagen eingeschnitten ist. Es wurde von Herrn Warring-
ton W. Smyth aufgenommen und an Herrn Bergrath
Haidinger eingesandt. Dieser junge Geognost, gegen-
wärtig dem obengenannten Sir Henry de la Beche zuge-
theilt, bewahrt noch immer die freundlichen Erinnerungen
seines frühern Aufenthaltes in unsern Ländern. Nach einer
erst vor wenigen Tagen von demselben erhaltenen Mit-
theilung sind von dem k. Amte der geologischen
Landesaufnahme in London, die bisher vollendeten
und herausgegebenen Karten und Durchschnitte an
unser k. k. wontanistisches Museum abgesendet worden.
Herr Bergrath Haidinger versprach selbe baldmöglichst
nach ihrer Ankunft vorzuzeigen.
10. Versammlung, am 30. Juni.
Wiener Zeitung vom 12, Juli 1846.
Herr V. Streffleur, k. k. Hauptmann, entwickelte
seine Ansichten über die Feuerbildungen auf der Erdober-
fläche, und über die Ursachen ihrer gegenwärtigen Ver-
breitung:
Nur die Vulkane mit ihrer ausgeworfenen Lava, die
Erdbeben etc. sind wirkliche und nnverkennbare Anzeichen
von Feuerbildungen. Alle übrigen für plutonisch gehaltene
Erscheinungen aber, wie die Basaltbildung, die Metamor-
phose der geschichteten Gesteine, der Feuerfluss des Erd-
kerns etc. sind noch zweifelhaft, da selbst die ausgezeich-
netsten Naturforscher der gegenwärtigen Zeit hierüber viel-
fach abweichende Ansichten aufstellen.
v. Humboldt nimmt an, dass 5 geographische Meilen
unter der Erdoberfläche noch alles im Feuerflusse schwimmt,
BR es
und dass die jetzigen Vulkane nur die übrig gebliebenen
Löcher in der erkalteten Rinde seien. Lyell läugnet den
Feuerflass des Erdinnern, und lässt die Continente langsam
sich heben und senken. Boue, Hoffmann etc. glauben
zwar an das plutenische Entstehen des Granites, halten
aber schon den Gneiss für umgewandelt aus dem Thon-
'schiefer. Die Pseudomorphisten behaupten im Gegen-
satze zu den Plutonisten, dass nicht die plutonisch aufstei-
genden Gesteine an den Contaetpuikten mit den Sediment-
bildungen einer Metamorphose hervorgebracht haben, son-
dern dass die geschichteten Gesteine in gewisser Tiefe,
unter erhöhter Temperatur und Pressung, sich selbst bis
zum Flüssigwerden umwandeln. Kühn ist der Ansicht,
dass sich der Granit , überhaupt alle Urgesteine , durch
einen Kırystallisationsprozess im Wasser gebildet haben.
Mohs sprach diese Meinung schon früher aus, und rech-
net auch den Basalt zu den Bildungen aus dem Meere. Die
Münchner Gelehrten, Fuchs, Wagner, Schafhäutl,
schrieben eben so entschieden gegen die Emporhebungs-
theorie. Zippe zählt unter die vulkanischen Gesteine
ebenfalls nur die Erzeugnisse wirklich unverkennbarer Vul-
kane. Die Arbeiten der Chemiker, besonders Ebelmen’s,
weisen darauf hin, dass die plutonischen und geschichteten
Gebirgsgesteine die nämlichen Elemente, nur in verschie-
dener Art zusammengesetzt, enthalten. Neuere Versuche
zeigen uns, dass sich unter elektro-magnetischen Einwir-
kungen sogar Metalle aus dem Flüssigen niederschlagen,
ohne dass dabei eine Glühhitze nöthig wäre. Agassiz
lässt die Erdoberfläche in früherer Zeit mit Eis bedeckt
sein u. s. w. Es herrschen also gegenwärtig noch die he-
terogensten Ansichten, und alle Temperatursgrade von der
Schmelzhitze der Plutonisten bis zur Eiskälte der Gletscher,
spielen dabei ihre Rolle.
Nach Streffleur’s Ansicht ist es für jetzt wohl un-
möglich, die Ursachen des innern Getriebes eines Vulkans
aufzufinden; doch aber könnte man es dahin bringen, dem
Zusammenhange der vulkanischen Erscheinungen und den
Bedingnissen auf die Spur zu kommen, unter welchen Vul-
kane überhaupt auftreten und wieder erlöschen,
Be
v. Buch hat den Begriff von Reihen- und Central-Vul-
kanen aufgestellt. Hiermit ist aber für die Wissenschaft nichts
gewonnen, da diese Unterscheidung wohl die Auffassung
über die Art des Vorkommens der Vulkane erleichtert, kei-
neswegs aber auf Ursachen hinweist, warum die Vulkane
in Linien sich reihen oder centralliegen. Ueberhaupt dürfte es
den Anhängern der Emporhebungstheorie schwer werden,
Verbreitungsgeseize für den Vulkanismus aufzufinden, da sie
bei der maass-, zeit- und ortlos angenommenen Emporhe-
bung und bei der Voraussetzung, dass es, wie v. Hum-
boldt sagt, von geringfügigen Zufälligkeiten abhängt,
ob die feuerflüssigen Massen an diesem oder jenem Orte
hervorbrechen, oder ob die Spalten diese oder jene Rich-
tung annehmen, von selbst auf jedes allgemeine Gesetz
verzichten. Wohl aber zeigt sich auch hier die Möglichkeit
zur Begründung solcher Gesetze, wenn man den Einfluss
der Rotation auf die Bildung der Erdoberfläche in Berück-
sichtigung zieht.
Streffleur berichtete hierauf über seine diessfalls
angestellten Untersuchungen. Er machte durch eine Berech-
nung aufmerksam, wie unbedeutend die Ausdehnung des
Vulkanismus gegen die Grösse der gesammten Erdober-
fläche überhaupt sei, und legte einige Karten vor (aus sei-
nem Werke: ‚‚Die Entstehung der Continente und Gebirge
unter dem Einflusse der Rotation‘), um die Art des Vor-
kommens der vulkanischen Gesteine auf der Erdoberfläche
überhaupt und in Europa speciell nachzuweisen. Drei kleine
Weltkarten zeigen die Wasserbildungen. Die Rotation zieht
das Wasser in Strömen gegen den Aequator. Zwischen
den Strömen bauen Seedämme (spätere Gebirge) sich auf;
durch Ueberlagerungen, nieht aber durch Hebungen. In
der ersten Weltkarte sieht man die Urgebirgsdämme zwi-
schen den primären Stromlinien. In der zweiten Karte
zeigen sich die sekundären Gebirge genau in UVebereinstim-
mung mit der veränderten Richtung der sekundären Strö-
mungen, In der dritten Karte erscheinen die heutigen schon
absperrenden Continente mit den gegenwärtigen rücklau-
fenden Strömungen. Eine vierte Karte zeigt die Verbrei-
tung des Vulkanismus auf der Erdoberfläche. Vergleicht
= Be
man nım die Karte der Feuerbildungen mit jener der Mee-
resströme der sekundären Epoche, so lassen sich folgende
Schlüsse ziehen:
1) Die sogenannten vulkanischen Gesteine haben sich
stets in, oder an den Rändern der Rotations-Stromrinnen
gebildet, aber nicht an allen Puncten dieser Bildungen: ist
der Vulkanismus zum Ausbruche gekommen. Wir finden
daher wohl Stromrinnen mit vulkanischen Gesteinen ohne
vulkanische Ausbrüche, nie aber den wirklichen Vulkanis-
mus ausserhalb der Stromrinnen.
2) Die vulkanischen Erscheinungen auf den Continenten
zeigen sich hauptsächlich an den Westküsten, weil in Folge
der Rotations-Wasserbewegungen an der Ostseite der Con-
tinente stets’ eine normale, westlich aber eine gestörte Bil-
dung der secundären Gesteine vor sich gegangen ist.
3) Die Vulkane sitzen stets an den Rändern Jer Rota-
tions- Stromrinnen, und sie erlöschen in der Regel, wenn
die Rinne austrocknet. Der Begriff von Central- Vulkanen
ist somit ganz unstatthaft. Die von den Geologen dafür
gehaltenen sind ebenfalls Randvulkane, wie z. B. jene
auf den Sandwichinseln, auf Island ete., da sie an den
Randlinien von Seehochländern liegen.
4) Das Vorkommen der Vulkane steht am meisten in
Uebereinstimmung mit dem Zuge der Rotationsströme der
secundären Epoche. Der Vulkanismus beschränkt sich dem-
nach am Festlande auf eine Aequatorialzone, welche den
45° der Breite nicht viel überschreitet, und es zeigt sich
der Hauptsitz der Vulkane an solchen Stellen, wo die pri-
mären Dämme, in Folge der veränderten Stromrichtung,
durchbrochen wurden.
5) Der Vulkanismus dürfte nach diesen Wahrnehmun-
gen erst nach der Bildung der Urgebirgsdämme zum Aus-
bruche gekommen sein.
Ausführliche Nachweisungen dieser Sätze finden sich
in dem oben angezeigten Werke: „Die Entstehung der
Continente und Gehirge unter dem Einflusse der Rotation.“
Hr. Dr. Hammerschmidt machte in eigenen Worten
auf die Wichtigkeit und Anwendbarkeit des Farbendru-
ckes bei naturwissenschaftlichen Abbildungen und auf die
u,
diessfalls von Hrn. Anton Hartinger, Corrector und
Kunstmitglied der kaiserl. Akademie der bildenden Künste
in Wien, erzielten, höchst gelungenen Versuche aufmerk-
sam. Als Probe des in diesem Fache Geleisten , legte Hr.
Dr. Hammerschmidt ein von Hartinger durch litho-
graphischen Farbendruck mittelst 10 verschiedenen Steinen
erzeugtes, 18 Zoll hohes, 15 Zoll breites Bild vor, darstel-
lend einen zierlichen in einem Rubinglase stehenden Blu-
menstrauss, bestehend. aus einigen Knospen und Blumen
einer rothen Camellia multiflora, einer weissen Cumellia
ochroleuca, einer Primula und Vestea licioides, der Viola
tricolor maxima, Epacris grundiflora und Solya hetero-
phylla. Obschon die Bescheidenheit des Künstlers dieses
Kunststück nur als einen Versuch im Farbendruck bezeich-
net, und das Bild durch kräftigere Haltung der Mittel-
töne wesentlich noch gewinnen dürfte, so ist doch schon
in dem Vorliegenden nicht zu verkennen,, dass dieses
Verfahren das mühsame und kostspielige Koloriren der
Abbildungen, wobei fast eine vollkommene Gleichheit mit
dem Original- Gemälde hergestellt wird, ersetzen könne.
Dr. Hammerschmidt macht bemerkbar , wie schön
die Farbeniöne in dem vorliegenden Bilde in einander
übergehen, wie vollkommen die Farben sich mit einander
verbinden und mischen, und wie nahe dadurch dieser Far-
bendruck der wirklichen Malerei stehe, so dass an manchen
Stellen ein Nachhelfen mit dem Pinsel vermuthet werden
sollte; es könne daher kein Zweifel sein, dass in dieser
Weise die Anwendung des Farbendruckes auf naturwissen-
schaftliche Werke von hoher Wichtigkeit sei, weil dadurch
nicht nur grössere Aehnlichkeit mit dem Originalgemälde,
sondern auch eine bedeutendere Wohlfeilheit erzielt werde.
Dr. Hammerschmidt glaubt daher, dass das durch Hrn.
Hartinger (Gumpendorf, Hirschengasse Nr. 381) beab-
sichtigte Unternehmen: Arbeiten in Farbendruck zu über-
nehmen, auch bei der von Herrn Bergrath Haidinger
beabsichtigten Herausgase der „„‚Naturwissenschaftli-
chen Abhandlungen,“ in so ferne darin kolorirte Ab-
bildungen nöthig sein würden, eine Beachtung verdienen
dürfte.
ee
Hr. Dr. Hammerschmidt legte ferner von dem durch
Herrn Corrector Anton Hartinger herausgegebenen
botanischen Prachtwerke: „Paradisus Vindobonen-
sis, eine Auswahl seltener und schön blühender
Pflanzen der Wiener Gärten“ die bisher erschiene-
nen dreizehn Lieferungen, welche über fünfzig verschiedene
Prachtblumen enthalten, und wovon die Lieferung zu vier
Grossfolio - Blättern sammt Text S fl. C. M. kostet, vor. —
Das Werk hat den Zweck, die neuesten Erscheinungen in
der Blumenwelt, die ihrer Schönheit, Fremdartigkeit oder
besonderen Eigenthümlichkeit wegen, ein ausgezeichnetes
Interesse gewähren, so naturgetreu als möglich, darzustel-
len. Der wissenschaftliche Werth des Werkes wird durch
den Umstand verbürgt, dass unser gefeierter Botaniker
Herr Prof. Endlicher, den Text und die Analysen selte-
ner Pflanzen dazu liefert. Se. Majestät haben die Wid-
mung dieses Werkes anzunehmen, und dem Herausgeber
die grosse goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft
dafür zu ertheilen geruhet. Die gefällige Gruppirung, die
naturgemässe Darstellung, die sorgsame Kolorirung lassen
Nichts zu wünschen übrig, und mit vaterländischem Stolze
kann man diess Prachtwerk den ausgezeichnetsten Wer-
ken des Auslandes an die Seite stellen. Herr Dr. Ham-
merschmidt vertheilte das Pogramm dieses Werkes mit
Hinweisang auf die in der allgemeinen österreichischen
Zeitschrift für den Landwirth , Forstmann und Gärtners
Nr. 27 vorkommende ausführlichere Bekanntmachung.
Derselbe hielt ferner einen Vortrag über einige von ihm
entdeckte Eingeweidewürmer, deren thierische Natur von
Creplin in Erichson’s Archiv 1846, Il. Heft, Seite 157
in Zweifel gezogen wird, Creplin liefert im gedachten
Archiv ein Verzeichuiss jener Thiere, in denen sich Ein-
geweidewürmer befinden und führt darin mehrere von Dr.
Hammerschmidt im J. 1835 endeckte und von seinem
unvergesslichen Freunde Dr, Leuckart aus Freyburg in
der Isis (Jahrg. 1838, Seite 351, Taf. IV) bekannt ge-
machte Entozoen an, bemerkt jedoch, dass nach seiner
(Creplin’s) Ansicht die gregarina-artigen Entozoen dem
Thierreiche nicht angehören. Wenn auch bei manchen mi-
Ei
kroskopischen Organismen, welche an der Grenze zwischen
Pflanzen- und Thierleben stehen, oder die so klein sind,
dass ihre Beobachtung besonders erschwert wird, eine be-
stimmte Entscheidung schwierig ist, so dürfte doch diess
hier nicht der Fall sein, weil die vorliegenden Thiere '3—/,
Wr. Linie lang sind. Dr. Hammerschmidt legte die
Abbildungen der als zweifelhaft von Creplin vorge-
stellten Clepsidrina polymorpha (aus Tenebrio molitor),
Clepsidrina conoidea (aus Forficula auricularia), Clep-
sidrina ovala (aus Amora cuprea), Clepsidrina lenuis (aus
Allecula moris), Rhizinia curvala (aus Calonia aurata)),
Rhizinia oblongata (aus Opatrum sabulosum), Pyxinia
rubecula (aus Dermestes vulpinus) , Bullulina tipulae (aus
Tipula), vor, und machte auf die Bewegungen unter
dem Mikroskope aufmerksam, welche der lebenden Clep-
sidrina polymorpha, so lange sie sich noch in den mit
Darmsaft gefüllten Eingeweiden des Tenebrio molitor be-
findet, eigen sind. Wer nun einmal diese langsamen
schlangenförmig sich hin- und herziehenden, mit Abschnü-
rungen des Körpers verbundenen Bewegungen des Thieres,
die von den Strömungen der es umgebenden Flüssigkeiten
ganz unabhängig sind, genau beobachtet hat, wer auf die
Bewegungen dieser Thiere, wenn sie in verschiedenen
Richtungen neben und übereinander vorüber ziehen, Rück-
sicht nimmt, wenn man erwägt, dass dieses Wesen immer
in der Richtung der, als Kopftheil sieh darstellenden kleinen
Abschnürung sich bewegt, wenn man die eigenthümliche
Bewegung im Innern der zwei grösseren Körperabschnitte
beobachtet, wo in einem Canale eine Masse der feinsten
Theilchen wie Sand in einer Sanduhr mit gleichzeitigen Ab-
schnürungen der Haut auf- und abwärts rieselt, wenn man
endlich die regelmässigen Abschnitte, aus denen der Körper
besteht, und in denen sich zwei weisse Flecke, wie sie in
vielen Systemen als Saugmündungen vorkommen, auf- und
abwärts bewegen beobachtet, so dürfte wohl über die Aehn-
‚lichkeit mit andern thierischen Organismen und über die
thierische Natur dieser Gebilde kaum ein Zweifel sein. Dr.
Hammerschmidt hält dafür, dass die von ihm aufge-
stellte Gattung Bullulina und Rhizinia, so wie die von
ZU E
Leon Dufour aufgestellte Gattung @regarina, noch un-
vollständige Thiere; und nur die niederern Entwickelungs-
stufen der Clepsidrina , letzteres aber der vollkommene
Eingeweidewurm sei, daher auf Beibehaltung des letzteren
Namens um so mehr angetragen werden könne, als der-
selbe für die eigenthümliche Bewegung im Innern ähnlich
einer Sanduhr bezeichnender erscheint, als jener bloss von
dem zufälligen gedrängten Zusammenleben der fast bewe-
gungslosen Gregarina. Die Ursache, dass man diese We-
sen bewegungslos findet, liegt darin, dass die Beobachter
derlei mikroskopische Gegenstände bei der Untersuchung
meistens mit Wasser benetzen, worin diese Thiere, so wie
manche Spermatozoen fast augenblicklich sterben. Nur
dann, wenn man den Darm aus dem Thiere herauspräparirt ,
und so die Darmhaut selbst der Untersuchung unterzieht ,
kann man diese Thiere, wie es im vorliegenden Falle von
den Anwesenden beobachtet werden konnte, lebend und in
Bewegung sehen, ein Umstand, auf den bereits in der
Isis a. a. O. aufmerksam gemacht erlei
Hr Professor Schrötter theilte einige Beobachtungen
mit, die er als Beiträge zur Kenntniss der verschiedenen
Molecularzustände der Materie betrachtet zu wissen wünscht.
Die eine derselben bezieht sich auf das Chromoxyd, welches
man bisher nur in der unlöslichen Modification in der Natur
gefunden hat, nähmlich im Chromeisenstein FeO, Cr,O,.
Bei Untersuchung eines Bohnenerzes aus der Gegend von
St. Stephan in Steiermark, fand Hr. Prof. Schrötter, dass
dasselbe ausser 64,23 pCt. Eisenoxyd, 13,60 pCt. Kiesel-
erde, 13,65 pCt. Wasser, 4,00 pCt. Thonerde ‚und etwas
Phosphorsäure, Manganoxyd und schwefelsaure Kalkerde ,
4,24 pCt. Chromoxyd enthält, welche sich vollständig lösten
als das Mineral mit Salzsäure behandelt wurde. So wenig
Interesse an sich ein solches Vorkommen zweier verschie-
denen Modificationen eines Körpers hat, so scheint das-
selbe doch in geologischer Hinsicht einige Aufmerksamkeit
zu verdienen, weil gerade durch ein aufmerksames Studium
dieser feineren Beziehungen, einige Aufklärung über die
in der Natur Statt findenden Metamorhposen der unorga-
‚nischen Naturproduete Aufschluss erwartet werden darf.
En
Hr. Prof., Schrötter knüpfte hieran einige Bemerkungen
über die Trennung des Eisens vom Chrom, welche der
Aehnlichkeit beider Substanzen wegen mit einiger Schwie-
rigkeit verbunden ist. Das Verfahren, welches derselbe
angibt, ist sehr einfach und gibt ganz genaue Resultate.
Chromoxyd und Eisenoxyd werden nämlich zusammen mit
Ammoniak gefällt, und nach dem Auswaschen in Salpeter-
säure gelöst. Die salpetersaure Lösung wird in einer Pla-
tinschale zur Trockenheit abgedampft, und dann unter Zu-
satz von Salpeter bei schr geringer Wärme geschmolzen.
Es findet hierbei wie bei dem gewöhnlichen Aufschliessen
des Chromeisensteines mit Kali und Salpeter, die Bildung
von chromsauren Kali Statt, nur mit dem Unterschiede, dass
hier das Eisenoxyd rein und vollständig zurückbleibt, wäh-
rend es in letzteren: Falle immer noch viel Chromoxyd zu-
rückbehält.
Die zweite Mittheilung des Hrn. Prof. Schrötter betraf
die arsenige Säure, welche wie bekannt amorph als glasige,
durchsichtige Masse, und im krystallirsirten Zustande er-
scheint, wo sie weisse, undurchsichtige dem. Tessularsy-
steme angehörige Krystalle bildet. Es ist auch bekannt,
dass die amorphe Modification durch längeres Liegen in
die krystallisirte übergeht. In den chemischen Werken fin-
det sich durchaus die Angabe, dass dieser Uebergang nicht
Statt findet, oder doch wenigstens sehr verzögert wird,
wenn man die Säure unter Wasser aufbewahrt. Hr. Prof.
Schrötter machte indessen die Beobachtung, dass diese
Angabe auf einer Täuschung beruhet, indem die Säure in
diesem Falle zwar durchsichtig bleibt, aber dennoch witk-
lich in den krystallisirten Zustand übergeht. Die Stücke,
von welchen ein sehr ausgezeichnetes gezeigt wurde, sind
oberflächlich mit einer dünnen, weissen Kruste bedeckt,
und bestehen im Innern aus den schönsten octaedrischen,
jedoch durchsichtigen Krystallen.
Zuletzt fügte Hr. Prof. Schrötter noch einige Be-
trachtungen über die verschiedenen Zustände der Materie 5
und über die wahrscheinliche Ursache der obigen Erschei-
nung bei.
Freunde der Naturwissenschaften in Wien. I. 6
= Sn
Hr.Dr.Botzenharttheilte die Beobachtung einer neuen
Modification, der von Bergrati Haidinger entdeckten
Erscheinung farbiger Lichtbüschel im polarisirten Lichte mit.
Lässt man linear polarisirtes Licht, durch senkrecht auf
die Axe geschliffene Quarzplatten gehen, so werden die
Lichtbüschel nicht bloss aus ihrer ursprünglichen Lage ab-
gelenkt; sondern man sieht sie auch je nach der Dicke der
Quarzplatte von den verschiedenen Farben des Spectrums.
Eine :/, W. Zoll dicke Platte zeigt gleichzeitig rothe,
gelbe, grüne und blaue Büchsel, die in einem Puncte sich
schneiden und mit der ursprünglichen Polarisationsrichtung
verschiedene Winkel bilden. Bei diekern Platten, etwas
über '/, W. Zoll, zeigten sich nur die rothen und grünen
Büschel.
Nimmt man zwei gleich dieke Platten von :/, W. Zoll,
wovon die eine rechts und die andere links drehend ist,
und lässt man durch beide linear polarisirtes Licht gehen,
so zeigen sich wieder die gelben und violeten Lichtbüschel
in der ursprünglichen Polarisationsrichtung.
Diese Erscheinungen beobachtet man am besten mit-
telst der dichroskopischen Loupe, wenn man zwischen die-
selbe und das Auge die Quarzplatte hält, gegen eine weisse
nicht spiegelnde stark beleuchtete Fläche hinsieht, und die
beiden Bilder der Loupe abwechselnd fixirt.
Die Erklärung ohiger Erscheinungen ergibt sich aus der
Einwirkung der Quarzplatten auf linear polarisirtes Licht,
indem sie die Polarisationsebene drehen und zwar für die
verschieden farbigen Strahlen des weissen Lichtes, um
einen andern Winkel. Ist daher linear polarisirtes weisses
Licht durch eine Quarzplatte gegangen, so tritt es als
weisses Licht aus, dessen farbige Bestandtheile verschie-
dene Polarisationsrichtungen haben, und das Auge ist im
Stande, diese verschiedenen Polarisationsrichtungen geson-
dert zu empfinden.
11. Versammlung, am 6. Juli.
Wiener Zeitung vom 1, August 1846.
Herr Dr. Richard Comfort versuchte nachfolgende
systematische Vergleichung der Familie der Equidae:
Bekanntlich gehört die Familie der Hufer in die Classe
der Säuger, in die Ordnung Pecus; diese haben folgende
Unter- Abtheilungen: «) Wiederkäuer, a) mit Hörnern ,
b) mit Geweihen, ß) nicht wiederkäuend, c) die Hufer
Das G@nu macht den Uebergang von a zu c.
Nach Hrn. Dr. Comfort's Combinations- System grup-
piren sich die Equidae folgender Massen:
1) Das Pferd, 2) das mausfarbige wilde Pferd der Ta-
tarei, 3) das Maulthier, 4) das Zebra, 5) das Kanree (das
Pferd vom Himalaya), 6) das Quagga, 7) der Maulesel,
8) der Dsigettai (oder der wilde Esel Palästinas), 9) der
Esel.
Hieran knüpfte Hr. Dr. Comfort nachfolgende Bemer-
kungen:
1) Es fragt sich, sind die angeführten Gruppen Spe-
cies oder Varietäten? dann welche ist die Urspecies, aus
der sich die andern durch Combination und klimatische Ein-
flüsse entwickelt haben ?
Aus eigener Anschauung des Kanree im Jardin des
plantes zu Paris ist ihm wahrscheinlich, dass das Pferd,
das Kanree und der Dsigettai die Urspecies sind, aus de-
nen sich die übrigen Varietäten entwickelten ; wohl könnte
vielleicht. das antidiluvianische Pferd (man fand das Ske-
let nahe bei Quito) vielleicht die Urspecies sein; weitere
Forschungen in den noch nicht bekannten Gegenden unse-
res Planeten werden zeigen, welche die wahre Hypo-
these sei.
Noch verdient bemerkt zu werden, dass die Pferde-
köpfe (die Thessalier waren berühmte Pferdezüchter) aus
der Blüthe griechischer Plastik hervorgegangen, an Schön-
heit und Adel bei Weitem das arabische Pferd übertreffen.
6*
a
2) Das wilde Pferd verhält sich zum domestieirten, wie
der Wolf zum Hunde. (Man sehe Cooper’s scharfsinnige
Vergleichung des Wolfes, Hundes, des Schakals und Fuch-
ses in seiner Preisschrift.)
3) Durch Domestieirung hat das Pferd gewonnen, der
Esel verloren.
4) Als wesentlichen Eintheilungsgrund hatte Hr. Dr. Co m-
fort auch hier Skeletbildung und als Form, die Haut-
und Haarfarbe angenommen, und hofft in einer künftigen
Forschung, über Pferderacen diese Grundsätze weiter auszu-
führen.
5) Das Pferd (von der persichen Wurzel para, pera,
fera , frei, Pferd) ist die vollkommenste dieser Varietäten.
Zur Vergleichung diene die beredte Schilderung dieses
nützlichen Thieres im Buche Job. Es verbindet die
Schnelligkeit des Zebras mit der Zugfähigkeit des Quagga,
mit der Tragfähigkeit der Hemionen: es ist also zum Rei-
ten, Tragen und Ziehen ganz geeignet und es ist ausge-
zeichnet vor den andern Varietäten durch Muth, Kraft,
Schnelligkeit, Grösse, Schönheit, Intelligenz und Willig-
keit; sein Gebrauch aber, wo es von keiner der genannten
Varietäten je übertroffen werden wird , oder von einem an-
dern Genus selbst, ist der Cavallerie - Dienst.
6) Durch Kreuzung des Pferdes mit den andern Varie-
täten werden die letzteren veredelt; jedoch auch hier zeigt
sich der grössere Einfluss des Mutterthieres, wie es sich
am Maulthiere ausweiset.
Am Cap der guten Hoffnung kreuzt man Zebras mit
Quaggas; Capitän Smith machte Versuche mit Quaggas;
die in Schotiland mit Pferden gekreuzt wurden, und diese
Versuche fielen sehr befriedigend aus; das Kanree scheint
eine natürliche Combination von Zebra und Quagga.
7) Es ist eine irrige Meinung, dass die Blendlinge der
Hufer unfruchtbar seien, in der Tatarei befinden sich Her-
den von Hemionen, die sich fortpflanzen.
Hr, Dr. S. Reissek sprach über die Zellnatur der
Amylumkörner. Bekanntlich hat man dieselben bisher all-
gemein als mehr oder weniger feste, hüllenlose Körperchen
angesehen. Eine genauere Untersuchung des normalen Kornes
= u
und der Metamorphosen, welche dasselbe bei eintretender
Pflanzen - Fäulniss so wie überhaupt nach längerem Liegen
im Wasser darbietet, zeigen auf das Entschiedenste, dass
man das Amylumkorn als eine besondere, wenig ausgebil-
dete Zelle betrachten müsse. Die meisten Amylumkörner
werden nämlich in Foge dieser Metamorphose durch Auflö-
sung und Exosmose ihrer inneren und festeren Substanz
hohl; die Höhlung füllt sich mit Wasser, und vergrössert
sich zuletzt so bedeutend, dass vom ganzen Amylum-
korne nur die äusserste Substanzschichte zurückbleibt. In-
dem diese Schichte zugleich weicher und biegsamer wird,
erhält das so veränderte Korn das Ansehen eines geschlos-
senen Säckchens und stellt ia diesem Zustande eine deut-
liche Zelle dar. Es finden sich übrigens bei gewissen Pflan-
zen auch schon im Normalzustande Amylumkörner, welche
sich als unzweifelhafte Zellen erkennen lassen. So in den
Knollen der Orchideen. Hier differenzirt sich die äusserste
Schichte des Kornes zur Membran, und das Innere wird
gallerartig und bildet die Füllungsmasse.
Unter gewissen Verhältnissen, wo solch eine Amylum-
zelle im Wasser durch längere Zeit liegt, kann man beob-
achten, dass sich selbe um ein Mehr - oder Vielfaches ihres
ursprünglichen Volumens vergrössere,
Als Resultat lässt sich demnach aussprechen, dass die
Amylumkörner wenig ausgebildete Zellen sind, welche un-
ter gewissen Verhältnissen in Folge einer besonderen Me-
tamorphose ,„ die Zellnatur deutlich offenbaren. Betrachtet
man die ganze Formreihe der uns bekannt gewordenen
Amylumkörner der verschiedenen Pflanzen, so lassen sich
vom einfachen, in seiner Substanz homogenen dichten
Korne, bis zu jenem dessen äussere Substanz sich bereits
zur Membram differenzirt, und so eine entschiedene Zelle
gebildet worden ist, die Uebergangs-Formen nachweisen.
Herr Joh. Kudernatsch hielt einen Vortrag über
das ehemalige, urweltliche Vorkommen von
Seen in Ober- Steiermark , als Resultat seiner im J. 1843
hierüber sngestellten Forschungen. Nach ihm nahm der
grossartigste dieser urweltlichen Seen, dessen ehemalige
Existenz durch die geognostischen Verhältnisse über allen
Baer: ,
Zweifel erhoben wird, jenen noch jetzt auffallend becken-
artig geformten Theil des obern Murthales ein, wo sich
heut zu Tage die Städte Judenburg und Knittelfeld befin-
den, und er glaubt den endlichen Abfluss dieses Sees einer
gewaltsamen Katastrophe zuschreiben zu müssen. Der Grund
des ganzen Beckens ist Granit mit allen jenen metamor-
phischen Felsarten, die mit ihm gewöhnlich in Verbin-
dung zu stehen pflegen, als: Gneiss, Glimmerschiefer und
auch Hornblendeschiefer ; untergeordnet erscheint noch ein
Kalkstein von zweifelhafter Formation. Alle diese Felsar-
ten treten jedoch in dem Becken selbst nirgends auf, und
dieses wird ganz von einer Braunkohlen-Formation ausge-
füllt, welche Kudernatsch mit grösster Bestimmtheit in
die mittlere Tertiär- Epoche setzen zu dürfen glaubt. Der
Schieferthon enthält nämlich unmittelbar über den Kohlen
Congerien und Paludinen, und namentlich die ersten bis-
weilen in solcher Menge, dass sie dann einen aus lauter
Muschelfragmenten bestehenden Kalk bilden; diess ist ins-
besondre der Fall an der Einmündung der Ingering in das
Becken und bei Fohnsdorf, An einigen Puncten fehlen die
Mollusken, so bei Dietersdorf, aber dafür treten dort Ueber-
reste aus dem Pflanzenreiche auf, unter denen Dicotyledo-
nen vorherrschen; hin und wieder finden sich Coniferen-
Reste, von Farren gar keine, von Sumpfpflanzen nur we-
nig Spuren. Reste von Fischen sind selten, doch konnte
Kudernatsch mehrere wohlerhaltene Wirbel derselben
und einzelne Gräten sammeln. Die Kohle selbst zeigt bis-
weilen ausgezeichnet die Holzstructur, und es deuten über-
haupt alle Erscheinungen darauf hin, dass die Materialien
zur Bildung des Kohlenflötzes herbeigeschwemmt wurden.
Dass die ganze Bildung eine Süsswasserbildung sei, un-
terliegt nicht dem mindesten Zweifel; dass die Ablagerung
ruhig, ohne Störungen vor sich gegangen, ist eben so klar.
So ist ja der Schieferthon selbst nichts anderes als ein ver-
härteter, äusserst zarter Schlamm, der durch seinen Glim-
merreidhihem hinlänglich seinen Udpramk aus den oberu
Gebirgsgegenden beurkundet und in welchem man keine
Spur von Geröllen oder sonstigen Merkmalen heftigerer
Fluthen-wahrnimmt. Die Begrenzung des Sees findet er nun
aus der Verbreitung der erwähnten Ablagerungen und aus
‚der Oberflächen - Beschaffenheit dieses Theils des Murthales,
da dasselbe seit jener Zeit keine wesentlichen Veränderun-
gen erlitten hat. Der Damm, welcher die ungeheure Was-
sermasse sperrte und jene Ablagerungen möglich machte,
befand sich unterhalb St. Lorenzen, dort, wo die Mur in
eine enge, beiderseits steile Schlucht eintritt; dort setzt
nämlich ein schmaler Serpentinzug quer durch das Murthal,
die beiderseitigen Uferfelsen sind eine und dieselbe , mine-
ralogisch gar nicht zu unterscheidende, Felsart, und ihr
Zusammenheng scheint nur durch die Mur unterbrochen.
Das obere Ende des Sees ist bei Judenburg und bei Aller-
heiligen an der Pöls zu suchen, so dass derselbe eine
Länge von mehr als 6 Stunden und an seiner breitesten
Stelle eine Breite von 2 Stunden besessen haben muss. Grös-
sere Buchten befanden sich an der Ingering aufwärts und dann
gegenüber von St. Lorenzen gegen Seckau zu. Wäre nun
der Damm dieses Sees nicht durchbrochen worden , so hätte
der letztere bis zur Höhe des Dammes ausgefüllt und so
trocken gelegt werden müssen. Dass der Damm gewaltsam
durchbrochen worden, folgert Kudernatsch aus dem
Auftreten von Serpentinblöcken und Geröllen unterhalb des-
selben, die, als die Trümmer jenes Dammes, das "Thal bis
St. Stephan und weiter hinab ausfüllen , und er glaubt je-
nes Ereigniss einer Spaltenbildung in Folge heftiger Erd-
erschütterungen zuschreiben zu müssen, indem sich nicht
läugnen lasse, dass auch Steiermark einst, in der Urzeit,
heftigen Erderschütterungen ausgesetzt gewesen; dafür
spricht das häufige Auftreten entschieden vulkanischerBildun-
gen südlich und südöstlich von Gratz. Die Spuren dieses See-
durchbruches finden sich auch in den gewaltigen Geröllablage-
rungen abwärts bis Brück. Noch grossartiger jedoch als diese
ist die Geröllablagerung des erwähnten Seebeckens selbst,
welche die Braunkohlenformation bedeckt und in der Nähe
von Judenburg eine Mächtigkeit von mindestens 60° hat. Die
Gerölle sind da ohne alle Ordnung wild durcheinander ge-
worfen, und beide Ströme, Mur und Pöls. haben sich tiefe
Betten in diese Geröllmassen eingewühlt. Ihre Ablagerung
musste zu einer Zeit erfolgen, wo die Mur sich noch unge-
- Bu
hindert ausbreiten konnte, wo also ihr Bett noch sehr
seicht, oder gar der See noch nicht vorhanden war, und
es fällt also die Periode dieser Anschwemmungen in die
Nähe jener des Seedurchbruches, das ist, gegen Ende der
Tertiär- Epoche. An diese Betrachtungen knüpft Kuder-
natsch die Folgerung, dass diese so grossartige Geröllab-
lagerung theils die Folge von ähnlichen Seedurchbrüchen ,
wie der oben geschilderte, sei, indem er die Spuren ehemali-
ger Seen von St. Peter bis Unzmarkt und im Becken der
Stadt Pöls findet; theils schreibt er sie Aufstauungen und
verheerenden Durchbrüchen jener zwei Ströme in Folge
grosser Felsenstürze an engen Thalstellen, ein nicht un-
sewöhnliches Ereigniss in Gegenden, wo Erderschütterun-
gen häufig sind, oder in Folge von Erdschlüpfen zu. Die
zahlreichen Trümmerhalden in den obern Stromgebiethen der
Mur und Pöls bestätigen diess, und aus der mineralogischen
Beschaffenheit derselben erkennt man sogleich, dass man
sich hier an der Quelle jener Geröllfluthen befinde.
Kudernatsch machte hierauf aufmerksam , wie das
Feeberger Thal bei Judenburg, welches dem obern
Murthale fast direct entgegenläuft, vermög dieser Lage
sehr: bald durch die Mur ausgefüllt werden musste, indem
sich die herabgeschwemmten Materialien dort rubig ablagern
konnten: daher finden wir auch dort ein Kohlenflötz , wel-
ches eine Mulde ausfüllt, abgelagert. Nach der ausführli-
cheren Schilderung dieser Erscheinung ging er zur Betrach-
iung anderer urweltlichen Seen über, deren einstiges Da-
sein durch ganz analoge Thatsachen bestätiget wird: Das
Ennsthal, von Krumau unterhalb Admont an, bis weit auf-
wärts war ein langer See; noch jetzt ist der Boden des-
selben ein Torflager und zahlreiche Sümpfe bilden die
Reste des alten Sees. Ein zweiter See befand sich in dem
Seitenthale des „‚Palten Baches‘ von Rottenmann an bis
Gaishorn, wo wir den „Gaishern See‘ als letztes Merkmal
der alten Wassermasse antreffen. Weiter abwärts im Enns-
thale findet man die unzweifelhaftesten Spuren eines urwelt-
lichen Sees im sogenannten „‚Landl‘ unterhalb Hieflau; wir
finden dieselben endlich auch im Mürzthale. von Wartberg
— ie
bis oberhalb Krieglach, und im „‚Seebach Thale‘ bei Thur-
nau in der Nähe von Afflenz.
Nachdem Kudernatsch endlich auch darauf hinge-
wiesen, wie viele noch vorhandene Seen ehedem weit aus-
gedehnter gewesen und nun ihrer endlichen Ausfüllung ent-
gegenschreiten, z. B. der Leopoldsteiner See bei Eisenerz ,
der Neusiedlersee etc. , schloss er mit der Betrachtung,
dass wohl ein grosser Theil aller Gebirgsthäler anfänglich
aus einer Reihe von Becken bestanden habe und dass erst
durch die Ausfüllung der dadurch entstandenen Seen, das
heutige mit successiver Niveauveränderung fortlaufende Thal
gebildet worden sei.
Hr. Dr. v. Ferstl berichtete über das Vorkommen des
Coral rag in Oesterreich. Derselbe bildet eine oft unterbro-
chene Hügelreihe, welche bei Ernstbrunn beginnend sich
bis in die Gegend von Przemisl in Galizien ausdehnt. Sein
Gestein bildet ein graulich gelber Kalk von bald dichtem,
bald oolithischem, bald sandigem oft auch breceinartigem
Gefüge; häufig erhält er auch durch die Theilungsflächen
der eingeschlossenen Krinoidenstielglieder ein krystallini-
sches Ansehen. Tragos Patella Goldf.; Lithodendron sp.®;
Apiocrinites mespilifornis Goldf.; Cidariles glanduliferus
Goldf.; Terebratula lacunosa Bronn; T. alata Brongn.;
T. perovalis Brongn.; Diceras arielina Lmk. Pterocera
Oceuni Brongn. und verschiedene Nerineen bilden seine
wichtigsten Versteinerungen.
Hr. General-Probirer, A. Löwe, theilte ein Schreiben des
k. k. Bergraths Haidinger aus Gratz vom 3. Juli d. J.
mit, worin derselbe die Beobachtungen während des ver-
heerenden Hagelsturwes am 1. Juli beschreibt, der sich über
Gratz und seine nächste Umgebung verbreitet hatte.
„Kaum waren wir vorgestern am 1. Juli in Gratz einge-
troffen, und beiunserem ersten Besuche bei Hrn. Prof. Unger,
als sich ein bedeutender Hagelsturm zwischen */, und °®/,
auf 5Uhr über die üppigen Gründe der nächsten Umgegend
ergoss. ‘Abgesehen von dem vielfachen Schaden, den er
anrichtete ‚zu bedauerlich, um nicht hier erwähnt zu wer-
den, bot er doch Einiges, in wissenschaftlicher Beziehung
Bemerkenswerthes, das ich hier alsogleich mittheilen zu
—
müssen glaube. Zuerst dieForm und Grösse der Hagelkörner.
Ich massmehrere, die zwei Zoll im Durchmesser hatten. Herr
Prof. Unger wog zwölf der grösseren, die zusammen ein
Gewicht von 11 Loth hatten. Viele waren etwas flach und
mit zapfenförmigen Erhabenheiten bedeckt, ähnlich den
Zeichnungen in einem früheren Hefte Poggendorffs,
nach v. Humboldt, Nöggerrath u. A. Einige, die
Hr. v. Hauer aufsammelte, waren aber darunter voll-
kommen kugelrund. Die oberste Schicht war an allen
klares Eis, besonders bei den kugelförmigen deutlich im
Querschnitte aus einzelnen fest aneinanderschliessenden
Eisprismen bestehend. Im Innern erhielten fast alle eine
weisse Ku gel mit undurchsichtiger Oberfläche, einige zwei
oder drei solche undurchsichtige concentrische Streifen,
wenn man sie flach niederschliff. Mit der dichroskopischen
Loupe gegen spiegelnde Fenstertafeln,, im polarisirten Lichte
untersucht, zeigten die abwechselnd grünen und rothen Far-
ben der Ringe sehr schön die strahlige Zusammensetzung
von Individuen, die auf der Oberfläche senkrecht standen.
Offenbar ist die klare Eisrinde durch Niederschlag an der
Oberfläche der sehr kalten inneren Kugel gebildet, diese
aber selbst durch schnelle Erkaltung in einem trockenen
Raume erstarrt, so dass sich Krystallspitzen bildeten. Die
Zustände der Bildung haben also allerdings abgewech-
selt, so wie es die bekannte Volta’sche Theorie erfor-
dern würde. Aber es scheint nach der Schnelligkeit des
Vorgangs, und insbesondere der gleichzeitigen gewaltthäti--
gen Entwickelung des Sturmes, der in wirbelnden Rich-
tungen eintritt, wenn er auch einen Hanptstrich verfolgt,
vielleicht ganz der Natur entsprechend, anzunehmen, dass
der Hagel durch eine Art Wind- oder Wasserhose
hervorgebracht werde, die von den tiefen Wolken, selbst
noch tiefer ausgehend, eine solche Höhe erreicht, dass die
hinaufgerissenen Tropfen und Wassertheile durch ihre nie-
drige Temperatur augenblicklich nicht nur zu Eis frieren,
sondern dass dieses Eis so sehr erkaltet wird, dass es sich
in den tiefen feuchten Wolken schnell mit einer neuen, und
zwar durchsichtigen Eiskruste zu überziehen vermag. Man-
che Tropfen und Körner mögen öfters wieder in den auf-
Fa
wärts gerichteten Wirbel fallen und dadurch vergrössert ,
aus abwechseinden, mehr oder weniger durchsichtigen
Schichten bestehen. Die Art des Herabfallens stimmt gut
mit diesem Vorgang. Erst waren vorgestern einige Schlos-
sen herabgestreut. Etwa eine Minute verging ohne Schlos-
sen, dann kam der Hauptschauer. Man sah vorher einige
Blitze und hörte entfernten Donner. Während des Schauers
und nachdem er vorübergezogen, dauerte ein beständiges
Dröhnen, ähnlich dem Gerassel eines Eisenbahnzuges fort.
Der Sturm hatte Bäume zerspalten oder eniwurzelt, Dächer
abgedeckt u. s. w., besonders fiel es auf, dass die zahlrei-
chen Gewitterableiter an mehreren Häusern stark gelitten
hatten, herausgerissen, oder geneigt worden waren. Be-
sonders verfolgte der Sturm und Schauer die linke Seite des
Thales , Mariatrost, St. Peter; die Gegend von Eggenberg
litt nicht. In der Gegend von Feistritz und Peggau, nörd-
lich von Gratz war Sturm aber kein Hagel. Herr Prof.
Göth hat es unternommen, die Ausdehnung und Intensität
der Wirkung durch eigens vorzunehmende Nachforschungen
genau sicher zu stellen.‘
12. Versammlung, am 13. Juli.
Wiener Zeitung vom 26. Juli 1846.
Herr J. C2jzek besprach die Ablagerungen des bit u-
minösen Holzes im südlichen Theile des Wiener Beckens.
Es ist bekannt, dass zwischen Wien, Gloggnitz und
Bruck an der Leitha eine Vertiefung, ein mit tertiären Ge-
bilden ausgefülltes Becken ist, welches sekundäre und me-
tamorphische Gesteine an der Ost- und Westseite ein-
schliessen, und den Grund desselben bilden. In diesem
Theile des Wiener Beckens wird zweierlei Braunkohle
gefunden.
Die ältere oder eigentliche Braunkohle, an welcher
eine Holz - Textur zuweilen gar nicht wahrnehmbar ist, hat
eine dunkelbraune fast schwarze Farbe, einen dunkelhrau-
nen Strich und oft starken Pechglanz.
—_— 12 —
Man fand. sie bisker nur in den Seitenthälern dieses
Beckens, und meist auf höheren Puncten in wenig ausge-
breiteten Flötzen entweder unmittelbar auf dem Grundge-
steine, einen etwas talkhältigen Glimmerschiefer, oder doch
nicht entfernt darüber abgelagert, so dass das Liegende in
letzterem Falle augenscheinlich nur ein aus diesem Grund-
gesteine selbst entstandener und mit wenigen ganz schwa-
chen Thonlagen abwechselnder Sand ist. Ueber der Kohle
findet sich dann Sand, Geröllschichten, die theilweise fest
zusammengebacken sind, und darüber blauer Tegel abge-
lagert. Diese Verhältnisse sieht man in Schauerleithen,
Klingenfurth, Leiding, Thomasberg, etc.
Jünger ist die Ablagerung der Lignite. Herr
J. Czjzek zeigte eine Karte des südlichen Theiles des
Wiener Beckens von Wien südlich bis Gloggnitz und östlich
bis über den Neusiedler See, worauf mit schwarzer Farbe
die Ablagerungen der Lignitflötze ersichtlich gemacht
waren.
Diese Lignite haben vollständige Holz - Textur, braune
bis lichtgelbe Farbe mit einem glänzenden Striche. Sie fin-
den sich in sehr verschiedener Mächtigkeit, von einigen
Zollen bis zu 4 und 5 Klafter Höhe abgelagert. Wo aber
die Mächtigkeit gross ist, da bilden die Lagen dieser Kohle
gleichsam mehrere Flötze übereinander, welche durch
schwache Thonlagen getrennt sind. — Schwefelkiese und
Gyps in einzelnen Krystallen und in rosenähnlichen Anhäu-
fungen, sind fast durchgehends die Begleiter dieser Koh-
lenflötze, was bei der älteren Kohle weniger der Fall ist.
Die Ablagerung dieser Kohle ist nicht fortlaufend, son-
dern sie bildet nur abgerissene, nicht zusammenhängende
Partien in den Buchten und in den vor Strömungen mehr
gesicherten Orten des alten Wasserbeckens. Nur in den
Niederungen , welche sich zwischen dem Leitha- und Ro-
saliengebirge hinziehen , bildet sie eine Reihe fast zusam-
menhängender Flötze.
Diese Lignitflötze liegen durchaus über der mächtigen
Tegellage des Wiener Beckens, und selbst der Sand, der
bekanntlich über dem Tegel liegt, findet sich häufig darun-
ter. Die Lignitflötze sind demnach jüngere Gebilde, als
= m&
der eigentliche Tegel. Da aber, wo ein blauer Thon über
den Lignitflötzen liegt, ist er eine neuere Bildung aus der
Zerstörung der tieferen und älteren Tertiärgebilde, aus den
Miocen-Schichten des Wiener Beckens.
Man wird also im eigentlichen blauen Tegel hier nie
Lignitflötze finden, wo sie doch so oft vergebens gesucht
werden.
Die Muschel Dreissena oder Congeria subglobosa ,
welche bekanntlich in den oberen Lagen unseres Tesgels
vorkommt, ist nur unter den Lignitflötzen in diesem "Theile
des Beckens gefunden worden.
Das von allen Seiten durch Höhen abgeschlossene Drei-
eck zwischen Wien, Bruck und Gloggnitz musste vor dem
Durchbruche des Leithaflusses bei Bruck, der Fischa bei
Fischamend, und der Schwechat bei Schwechat, einen Ab-
fluss gegen den Neusiedler See gehabt haben, und in die
Zeit vor den Durchbruch muss wohl die Ablagerung dieser
Lignitflötze gesetzt werden.
Der Boden dieses Dreieckes hebt sich aus der Neu-
städter Ebene allmälig fast unmerklich bei 200 Fuss zu je-
ner Linie, welche vom Rosaliengebirge gegen das Leitha-
gebirge zuläuft, und hier die Wasserscheide bildet. Von
dieser Höhe an zeigen sich starke Einfurchungen gegen
den Neusiedler See, wohin auch alle Wässer von dieser
Linie östlich ablaufen.
Diese Einfurchungen sind unzweifelhaft durch die da-
hin ablaufenden und tiefer abfallenden Wässer aus dem
Wiener Becken entstanden; es musste daher auch der Zug
(der Wässer dahin gehen, und die aus den umliegenden Ge-
birgen herabgeschwemmten Treibhölzer mussten ebenfalls
dem Zuge der Wässer folgen. Allmälig senkten sich aber
die vom Wasser durchdrungenen Hölzer und fielen iu den
ruhigeren, von der Strömung nicht erfassten Puncten zu
Boden.
Auf kurze Perioden von grösserer Ruhe, in welcher
sich die Trübe der Wässer als Schlamm , nun als eine Thon-
Zwischenlage der Flötze absetzte, folgten wieder neuere
heftigere Strömungen, die neue Treibhölzer brachten, auf
dieselben ruhigeren Puncte wie früher ablagerten, und so
m we
theilweise mächtige Flötze erzeugten, bis eine andere Reihe
der Ueberlagerungen folgte, welche unsere gegenwärtige
Oberfläche bildeten, und meist aus Sand, Gerölle und Löss
bestehen. — Der stark aufgeweichte Zustand der Hölzer,
der sich wohl schon der Auflösung genähert haben möchte,
ist aus der Lage der sehr zusammengedrückten Jahrringe
leicht wahrzunehmen.
Nirgends hat man Anzeichen , dass an denselben Orten,
wo man nun die Lignitflötze findet, auch diese Hölzer ge-
wachsen sind. Es sind daher keine niedergelegten Wälder.
Die leicht erkennbaren Wurzelstöcke, welche gewöhnlich
mehr Harz enthalten, als die Stämme, sind abgerundet, und
es scheint die Zerstörung, welche die Hölzer von ihrem
Standorte losriss auf grössere Flächen gewirkt zu haben,
denn fast jedes der mächtigeren Lignitflötze hat einzelne,
meist höhere Lagen, worin diese Wurzelstöcke vorzüglich
häufig zu finden sind.
Die Blätterabdrücke, welche man meistens an der Ober-
fläche der Flötze findet, deuten auf harte Hölzer (Dicolyle-
donen). Nach näherer Bestimmung der Arten dieser Hölzer
wird das Weitere hierüber berichtet werden.
Hr. V.Streffleur, k.k. Hauptmann, nahm Gelegen-
heit, seine Ansichten über die Ursachen der sogenannten
Fluss - und Meeresdurchbrüche mitzutheilen. Bis jetzt
wurde meist die Erklärung gegeben, dass vulkanische Er-
schütterungen und Berstungen der Dämme, den Durchbruch
der urweltlichen Seen und Meere veranlasst haben. Streff-
leur stellt zwar die Möglichkeit solcher Ereignisse nicht in
Abrede, glaubt aber doch aus seinen Untersuchungen schlies-
sen zu müssen, dass alle von den Geologen geglaubten
grossen Durchbrüche, z. B. jener der Aluta, die an den
Meerengen von Gibraltar, Constantinopel, Calais ete. durch-
aus nicht gewaltsam geschehen seien. Bei jedem Phä-
nomen sind zwei Umstände zu berücksichtigen: 1) Wie
kann die Erscheinung, local an und für sich erklärt wer-
den? 2) Welchen Zusammenhang zeigen entfernte ähnli-
che Erscheinungen?
Um local einen Durchbruch zu erklären , lassen sich
ausser den vulkanischen Wirkungen noch mehrfache andere
= B- =
Entstehungsweisen angeben. Ein Meeresstrom z. B. dringt
durch die Meerenge von Otranto aufwärts in das adriatische
Meer. Ueber der Verengung breitet er sich aus und bil-
det in einer gewissen Entfernung eine Ablagerung, wo-
durch auf dem Meeresgrunde nördlich der Meerenge eine
Art Becken entsteht. Senkt sich nun das adriatische Meer
bis an den Rand dieser Ablagerung, so würde der Mee-
resstrom zwar noch durch die Strasse von Otranto eindrin-
gen, an der Ablagerung abgewiesen aber wieder rück-
kehren. Nach gäuzlicher Trockenlegung endlich würde sich
aus dem ganzen Becken ein Flussgebiet formiren, der Fluss
würde rücklaufend (wie die Aluta durch den Rothenthurm-
pass) durch die Meerenge dem sich senkenden Meere nach-
ziehen, und das Süsswasser, an niedern Hügeln entsprin-
gend, würde scheinbar eine mächtige hohe Gebirgsspalte
durchbrechen, die sich weder durch den Süsswasserfluss
noch durch vulkanische Berstungen gebildet hat. Streff-
leur führte ausser dieser Erklärung beispielsweise noch
vier andere an. — Vergleicht man ferner die Lage der
Hauptdurchbrüche auf den Continenten, so wird wohl kein
Plutonist mit dem maass-, zeit- und ortlos angenommenen
vulkanischenKräften im Stande sein, die Ursachen des Zu-
sammenhanges dieser Erscheinungen nachzuweisen; doch
aber lassen sich Ursachen hierauf auffinden, wenn man den
Einfluss der Rotation bei der Bildung der Erdoberfläche be-
rücksiehtiget. Die Rotation hat das Seewasser stets nach
bestimmten Richtungen in Ströme gezogen, und wurden ir-
gendwo, in Folge veränderter Stromrichtungen, ältere See-
dämme allmälig durchnagt, so müssen sich diese Durch-
bruchssteilen in linearen Richtungen zeigen , es muss nach
den alten Dammlinien immer ein Gebirgsstock mit einem
Wasserdurchbruche wechseln; in der Richtung der neuen
Stromlinien hingegen muss nach jedem Gebirgsdurehbruche
eine beckenartige Erweiterung liegen u. s. w., lauter Er-
scheinungen, die, wie Streffleur sie auf denKarten ge-
zeichnet nachwies, wirklich mit dem Relief der Erdoberflä-
che übereintreffen.
Hr. Dr. Moriz Hörnes zeigte mehrere schöne Kry-
stalle des Struvit vor, welche das k. k. Hof- Mineralien-
—
Cabinet kürzlich erhalten hatte. Die Krystalle gehören nach
Marx Untersuchungen in das orthotype Kıystallsystem.
Die vorgewiesenen Krystalle bestanden aus folgenden Ge-
stalten: einer horizontalen Endfläche, einem horizontalen
Prisma, einem verticalen Prisma, und einem horizontalen
Prisma von unendlich grosser Axe zur grössern Diagonale
gehörig. Die Theilbarkeit ist parallel der Endfläche, wenig
vollkommen. Die Oberfläche der horizontalen und vertica-
len Prismen glatt und glänzend; die der übrigen Flächen
rauh, löcherig und zerfressen. Die Farbe ist gelblich.
Wenn die färbenden Theile unregelmässig in den Kry-
stallen vertheilt sind, dann sehen sie grau, graulichbraun
und braun aus, von mehr oder minder fleckigem Ansehen,
und sind dann gewöhnlich auch undurchsichtig. Härte 2.0,
eigenthümliches Gewicht 1.75. Die Krystalle bestehen nach
Ulex aus phosphorsaurer Ammoniak-Talkerde und kamen in
einem sogenannten Hasenmoore vor, einer offenen Kloake,
die aber im Jahre 1827 mit dem Bauschutt einiger abgetra-
genen Bastionen Hamburgs verschüttet wurde. Im verflos-
senen Herbste wurden diese Krystalle zu Tage gefördert,
bei Gelegenheit der Austiefung des Grundes, auf dem die
Nicolaikirche stehen soll, denn da wurde eine moderartlige
Erde ausgegraben, die beim auffallenden Sonnenscheine
glänzende Stellen zeigte, welche die Arbeiter für Glasstück-
chen hielten. Ein glücklicher Zufall führte die Herren Doc-
toren Rothenburg und Steetz auf den Bauplatz, wel-
che die vermeintlichen Glasscherben als Krystalle erkann-
ten, und sie Herrn G. L. Ulex,- Apotheker in HABE
zur Untersuchung übergaben.
Dieser analysirte dieselben, erklärte sie für eine neue
Mineral-Species, und nannte sie zu Ehren Sr. Excellenz des
russisch-kaiserl. Ministers Hrn. von Struve, der sich in na-
turwissenschaftlicher Beziehung um Hamburg so grosse Ver-
dienste erworben hat, Struvit. Bald nachdem Hr. Ulex eine
vorläufige Anzeige von diesen Krystallen in dem Hambur-
ger Correspondenten gemacht hatte, welche fast in alle
Zeitungen überging, entstand eine heftige Controverse:
indem mehrere Mineralogen uod Chemiker nachwiesen,
dass erstens dieses Salz den Chemikern, ja selbst krystal-
= m
lisirt, längst bekannt, daher nicht neu sei, ferner dass
dieses Salz sich in den Excrementen der Menschen gebil-
det vorfände, und daher kein Mineral zu nennen sei. Da
an dieser Controverse mehrere der ersten Autoritäten in
der Mineralogie und Chemie als: Weiss, Rose, Haus-
mann, Berzelius, Liebig, Wöhler, Theil nahmen,
so erregten die Krystalle in der mineralogischen Welt ein
allgemeines Interesse. Die Mineralogen theilten sich nun in
zwei Parteien, von denen die eine, an deren Spitze Weiss
undHausmann stehen, behauptet, dass der Struvit als Mi-
neral in das System aufgenommen werden müsse, wäh-
rend die andere, welche Gustav Rose vertritt, dieses
Salz mit den übrigen sogenannten künstlichen Salzen der
Chemie zuweist.
Hr. Dr. Hörnes führte nun mehrere Stellen aus der Na-
turgeschichte des Mineralreiches von Mohs an, aus wel-
chen deutlich hervorgeht, dass diese Naturproducte als an-
organische Naturproducte erklärt werden müssen und daher
auch Gegenstände derMineralogie (.d. i. der Naturgeschichte
der anorganischen Naturproducte) seien; dass aber, im
Falle dieses Salz in das Mineral- System aufgenommen
wird, auch alle übrigen sogenannten künstlichen Salze in
das System aufgenommen werden müssen.
Schliesslich deutete derselbe. auf die fruchtbaren Re-
sultate hin, die aus den genauen krystallographischen und
optischen Untersuchungen, der sogenannten künstlichen Kry-
stalle, welche zum Behufe der Aufnahme in das System an-
gestellt werden müssen, in Betreff der Frage, in welcher
Beziehung die Form zur Materie stehen kann, welchen Ein-
fluss die Imponderabilien auf die Krystallbildung haben dürf-
ten, hervorgehen werden.
Hr. Dr. Botzenhart suchte aus den bisherigen Beob-
achtungen der Eiskrystallisation, dieGrundgestalt der
Krystallreihe des Eises abzuleiten.
Die Beobachtungen von Smithson, Hericart de
Thury, Clarke, Breithaupt, Hessel und Anderer
lehren, dass das Krystall-System des Eises das rhomboe-
drische sei. Hiermit stimmt auch Brewster’s optische Un-
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I, 7
Be, Zee
tersuchung überein, nach welcher das Eis nur eine Axe
doppelter Strahlenbrechung besitzt.
Ueber das Krystall-System hinaus, geben uns die Be-
obachtungen der einzelnen vorkommenden Gestalten keine
vollkommen sichere Basis zur Bestimmung der Grundge-
stalt. So beobachtete Smithson eine gleichkantige sechs-
seitige Pyramide, deren Kante an der Basis = 80° ist,
ohne anzugeben, wie dieser Winkel gemessen wurde; Hr.
Clarke beobachtete ein Rhomboeder, dessen Axenkante
= 120° mittelst des Anlegegoniometers gefunden wurde.
- Diese zwei Winkelangaben lassen sich nicht gut in eine
Krystallreihe vereinigen, und sind wahrscheinlich etwas
fehlerhaft.
Unter diesen Umständen müssen wir uns zur Ausmit-
telung der Abmessungen der Grundgestalt um andere Daten
umsehen, welche die regelmässigen Zusammensetzungen,
die wir am Schnee beobachten, liefern können. Nehmen
wir von diesen Zusammensetzungen die einfachsten und
am häufigsten vorkommenden, nämlich die sechsstrahligen
Sterne, so können wir sie als Drillinge ansehen, deren
Zusammensetzungsfläche die Fläche einer gleichkantigen
sechsseitigen Pyramide ist, deren Winkel an der Basis =
120° sein muss. Geht man von dieser Gestalt aus, und be-
trachtet man sie als P + 2, so ergibt die Rechnung für
P + 1 den Winkel an der Basis = 81° 47° und für R den
Winkel der Axenkante = 117° 23' 13”, welche Winkel den
obigen beobachteten ziemlich nahe kommen.
Es folgt daher aus dieser Annahme in naher Ueberein-
stimmung, mit der bisherigen Erfahrung für die Abmessungen
der Grundgestalt: R = 117° 23° 13” und a = V1.2656.
Hr. Dr. Richard Comfort sprach über Pferderacen.
Will man sich über diesen Gegenstand belehren, und durch-
blättert man die Veterinärbücher, so wird es klar, dass die
Philosophie dort noch nicht aufgeräumt hat, so verworren
und widersprechend sind die Beschreibungen.
Hr. Dr. Comfort unterscheidet die Racen des Alter-
thums von jenen der neuern Zeit, und versuchte sie nach sei-
nem Combinations-Systeme folgender Massen einzutheilen:
Unter die Pferderacen des Alterthums gehören:
0
I. 1) Das gothische Pferd. Auch in Deutschland z0g man
das grosse, starke Pferd, welches anologe Verhältnisse zu
denen der alten Germanen, dem schönsten und grössten Men-
schenschlage, ausweiset; als Abart kann das neuere nor-
wegische kleine Pferd gelten, welches wie das Hochwild
Hecken durchbricht. 2) Das celtische Pferd, und zwar das
hispanische, das gallische, das römische (die Römer, sonst
tüchtige Ackerbauer, betrieben mit nicht besonderem Glücke
Pferdezucht); endlich das britannische , welches ‚ wenn
nicht Original, aus Spanien herüberkam. 3) Das hisäische
Pferd. In Medien und Persien waren die grössten Gestüte
des Alterthums, und viel spricht dafür, dass Iran das ge-
meinschaftliche ursprüngliche Vaterland des Menschen und
des Pferdes war.
II. 4) Das numidische Pferd. 5) Das arabische, nach
der Sage aus dem Marstalle Salomon’s, des Augustus
Israels. 6) Das ägyptische, vorzüglich vor den Kriegs-
wagen im Gebrauch.
111. 7) Das thessalische Pferd. Statuen von Pferden,
aus der Blüthe der griechischen Kunstperiode, lassen Alles
weit zurück, was wir von Schönheit und Adel des Pferdes
kennen. 8) Das thraeische Pferd. Thracien war das erste
Land, welches die asiatischen Pelasger auf ihrem Zuge
berührten. 9) Das scythische Pferd.
Zu den Pferderacen der neuern Zeit rechnet Hr. Dr.
Comfort:
I. Das grosse Pferd. 1) Das flandrische mit seinen
Unter- Abtheilungen: das normanische, holländische, dä-
nische, nord- und süddeutsche 2) Das englische (car-
riage horse, racer, hunler). Das nord-amerikanische ist
kleiner, hat schönere Formen und ist der beste Traber
(Kentucky). — In England allein kann man sagen, dass
das Pferd verbessert und veredelt wurde; unter Wilhelm
dem Eroberer durch spanische Hengste; unter den Kreuz-
zügen durch Orientalen; unter Elisabeth durch echte Ara-
ber; Pflege, Klima, Einrichtungen (Wettrennen), oft Ge-
setze, z. B. dasjenige: schlechte Pferde zu tödten. trugen
in diesem Lande dazu bei um einen guten originalen Pferd-
schlag zu der Höhe des englischen Vollblutpferdes zu brin-
7; +
— 10 —
gen. 3) Das persische (das kleinasiatische , türkische ge-
hört hierher).
11. Das edle Pferd. 4) Das spanische, als Uebergangs-
Combination zum Grossen; hierber das neapolitanische, süd-
amerikanische, portugiesische, der Limousiner, das Sieben-
bürger. 5) Der Araber mit seinen drei Unterabtheilungen ;
die Charakteristik wäre folgende: Grösse zwischen 15 und
16 Faust; Knochen krystallinisch, elfenbeinartig; specifisch
schwer; Haut und Haare fein, nicht schwitzend; blutiger
Kopf; vollendete Proportion; willig, intelligent, dem Men-
schen befreundet; für die Wüste besonders brauchbar (stahl-
harter Huf) man könnte es auch das schöne Pferd heissen.
6) Der Barbe (hierzu das Nubische , Aegyptische.)
II. Das halbwilde Pferd. 7) Das tserkesische. Da
der eigentliche Gebrauch des Pferdes der Cavalleriedienst
ist (denn jeder andern Anforderung kann durch die andern
Varietäten entsprochen werden), so ist ehne Zweifel in An-
betracht der unglaublichen Leistungen dieser Race vor jeder
andern der Vorzug zu geben und es als das vollkommenste
zu erklären. S) Das russische mit seinen Unterracen, als:
das ukrainische, das polnische, ungarische (in Schottland
verbesserte man einst die Pferdezucht durch ungarische
Hengste) , der Moldauer, Wallachische. 9) Das tatarische
mit seinen Unterracen.
Hieran knüpfte Hr. Dr. Comfort nachfolgende Bemer-
kungen:
1) Es scheint dass anstatt der gepriesenen Pferdevered-
lung vielmehr ein Rückschritt eingetreten sei; Ursache da-
von dürfte der Hufbeschlag, veränderte klimatische Ver-
hältnisse,, irrationale Pferdezucht und Kreuzung sein,
2) Die Basis der Pferdeveredlung ist Pferdeverbesserung.
3) Die klimatischen Verhältnisse, Nahrung, Wartung,
Pflege wirken oft besser ein, als die sinnreichsten Kreu-
zungen.
4) Die Grösse des deutschen Pferdes ist eben so noth-
wendig, als der Adel des Orientalen zur Vervollkommnung
der Nachkommenschaft.
5) Die halb wilden Pferde haben aber den Vortheil, dass
sie nicht zärtlich und Krankheiten weniger unterworfen sind.
— 101 —
6) Mit dem Pferde sind die grössten Eroberungen ge-
macht worden (Tataren, Araber, Ungarn), daher wird es
begreiflich warum der Orientale, selbst durch den Koran
ermuntert, solch hohen Werth auf dasselbe legt.
7) Das Pferd lebt in der gemässigten Zone; im hohen
Norden, wie am Aequator verkümmert es (das shetländi-
sche, chinesische und jenes von Guinea), und dieses her-
abgekommene Pferd kann eben so wenig eine Race ma-
chen, als andere Monstrositäter dazu gezählt werden
können.
8) Wenn von dem fossilen bei Quito aufgefundenen
Pferd-Skelete ein Schluss erlaubt ist, so wäre zu folgern,
dass das antideluvianische Pferd ein bei weitem vollkomme-
neres Thier gewesen ist, als das des Alierthums und der
neuern Zeit.
9) Das mausfarbene wilde Pferd der Tatarei ist in
seinem Exterieur so abspringend vom eigentlichen Pferd-
Typus, dass wir es nur als Varietät gelten lassen müssen-
Als Nachtrag zu seinem Vortrage über Menschenracen
am 22. Juni fügte Hr. Dr. Comfort noch folgende Bemer-
kungen hinzu:
1) In der Plastik und Architektonik der Schädelform ,
wo von Länge, Breite und Tiefe gesprochen wird, dient
zur Versinnlichung der Verhältnisse unter diesen drei Di-
mensionen ein Dreieck, dessen Eine Seite vom Stirnbein
zum Kinn, die andere Seite von der Stirn zur Scheitelhöhe,
und die dritte vom Kinn zur Scheitelhöhe gezogen ist.
2) Tritt in die Combination der weissen und schwarzen
Race der Indianer ein, so wird die Vervollkommnung des
Mulaten zum Weissen schon in der vierten oder fünften
Generation bewirkt.
3) Den erstaunlichen Einfluss des Klimas sehen wir an
den Colchiern, von denen Herodot behauptet, dass sie
einst schwarz waren und durch das kalte Klima in einigen
hundert Jahren weiss wurden.
4) Die Kraft der Combination zeigt sich an den Chine-
sen, die zur Zeit der Araber eine schöne Nation waren,
und durch Vermischung von Mongolen die heutige Ge-
— 103 —
sichts - und Schädelbildung erhielten. Hingegen haben
aber tatarısche Völker in andern Ländern sich wieder ver-
bessert. s
13. Versammlung , am 20. Juli.
Wiener Zeilung vom 12. August 1846.
Herr Johann Kudernatsch hielt einen Vortrag
über die Bestimmung des Kohlengehaltes im
Roheisen. Um die von Regnault angegebene, von
Bromeis sehr empfohlene Methode, mittelst eines Ge-
menges von chromsaurem Bleyoxyd und chlorsaurem Kali
den Kohlengehalt des Eisens zu bestimmen, zu prüfen,
unternahm er in Gemeinschaft mit Herrn Hummel im
Laboratorium des Herrn A. Löwe die Untersuchung meh-
rerer Kärthnerischer Roheisensorten. Sie suchten dabei den
Kohlengehalt nach verschiedenen Methoden zu bestimmen.
Insbesondere wurden sie hierzu noch veranlasst, durch
einen in Erdmann’s und Marchand’s Journ. f. p. Ch.
31. Bd. S. 274 u. f. 1844 enthaltenen Artikel, in welchem
die Verfasser unter Anderem auf den Umstand aufmerksam
machen, dass beim Glühen von chromsaurem Bleyoxyd mit
chlorsaurem Kali nebst dem Sauerstoff auch Chlor sich ent-
wickle und so die Kohlensäurebestimmung, unrichtig mache.
Sie versuchten es demnach bei einem tank demselben Rohei-
sen, diese Bestimmung einmal nach Regnault, dann mit
chromsaurem Bleyoxyd allein, und endlich mit Kupferoxyd
zu machen. Das Roheisen war von der Lölling in Kärthen
und so hart, dass die besten Englichen Feilen gar nicht
angriffen. Sie erhielten jedoch, indem sie die Roheisen-
stücke zuerst auf einem Ambos zu einem mässig feinen
Korne zerschlugen, was leicht und schnell geschah, und
diese Körner dann in einem Englischen Stahlmörser wei-
ter behandelten, das feinste Pulver, das allenfalls noch
durchgesiebt würde. Auf diese Art wurden in 2 Stunden
% Grammen leicht auf das feinste pulverisirt, worauf bei
der schwierigen Verbrennung des Eisens sehr viel an-
— 103 —
kommt, und man hat das Pulver nicht im miodesten durch
Staub oder organische Theilchen, die hier besonders zu
_ vermeiden sind, verunreinigt. Ein solcher Stahlmörser in
grössern Dimensionen ausgeführt würde noch ungleich
schneller zum Ziele führen. Der Mörser zeigt dabei, selbst
nach längerm Gebrauch, keine Abnützung. Kudernatsch
nahm bei Regnault’s Methode beiläufig 3 Grammen
(3.002) Roheisen, mengte es mit ungefähr 44 Grammen
chroms. Bleyoxydes auf das innigste und %, hiervon mit 6
Grammen chlors. Kali, wie es Berzelius und Regnault
angegeben. (Bromeis erwähnt dessen nicht, dass näm-
lich bloss ®/, des Gemenges von Ur Pb und Fe mit chlors.
Kali vermischt werden und :/, des Gemenges kein chlors-
Kali enthält.) Dann machte er ein Gemenge von dem
Volum nach gleichen 'Fheilen chroms. Blei und ehlors. Kalı
und füllte damit die Verbrennungsröhre 1'/,” hoch von un-
ten an, darauf kamen die >, der Mischung, dann das '/,
derselben, und obenauf Spülicht nebst reinem Cr Pb in einer
Schicht = mindestens 1'/,’. Der Kali-Apparat wog vor
der Operation 31.926 Grammen. Die Operation selbst geht
wohl rasch und ist in Zeit von ®/, Stunden beendet, allein
man muss mit dem Weiterrücken des Feuers ausserordent-
lich vorsichtlich sein, indem eine zu rasche Gasentwick-
lung erfolgt, wodurch entweder ein Theil der Lauge
hinausgeschleudert werden kann, oder selbst ein Theil der
Kohlensäure durch den Apparat dahin getrieben werden
könnte, ohne aufgenommen zu werden. Auch wird bei so
schneller Gasentwicklung auch die Kalilauge zu stark er-
wärmt, wodurch wieder ein Verlust durch das Verdampfen
des Wassers im Apparate herbeigeführt wird, der überhaupt
schwer zu vermeiden ist. Der Kali - Apparat selbst hatte
nach Beendigung der Operation um 3852 Miligrammen an Ge-
wicht zugenommen, und diess, als reine Kohlensäure in
Rechuung gebracht, gab bei diesem Roheisen 3,5176 pCt.
an Kohle. Um nun die schon erwähnte Angabe einer durch
Entwickelung von Chlorgas verursachten fehlerhaften Be-
stimmung des Kohlenstoffes auf ihre Richtigkeit zu prüfen,
untersuchte Kudernatsch nach der Operation die
Lauge, und unterwarf dasselbe Roheisen einer Analyse mit-
— 104 —
telst Kupferoxyd. Wiewohl das angewendete Kali nicht
ganz frei von Chlorkalium sich zeigte, so war doch der Nie-
derschlag von Chlorsilber nach der Operation bedeutender,
als er hätte sein müssen, wenn kein Chlor übergegangen
wäre, Die vollkommenste Ueberzeugung jedoch hinsichtlich
des zu begehenden Fehlers verschaffte die Analyse durch
Kupferoxyd. Diese, mit aller Sorgfallt angestellt, gab
3,506 pCt. Kohlengehalt, also um 0,011 weniger, als die
oben angeführte, eine allerdings unbedeutende Differenz,
welche die von Bromeis so empfohlene Methode wohl nicht
verdächtigen könnte. Noch übereinstimmender zeigte sich
das Resultat der durch Hrn. Hummel mit demselben Rohei-
sen gleichfalls nach Regnault ausgeführten Analyse.
Diese gab nämlich 3,5009 pCt. Kohlenstoff. Die Resultate
dieser drei Analysen waren also sehr befriedigend ausge-
fallen, und ihre Uebereinstimmung ist zu gross, als dass
man nicht denselben vollen Glauben schenken könnte. In-
dessen führt die Methode mit chroms. Bleyoxyd und chlors.
Kali zwar schneller, als jene mit Kupferoxyd zum Ziele,
ist aber bei weitem nicht so sicher. Sie erfordert zu viele
Vorsicht, als dass sie zum practischen Gebrauche den Eisen-
hüttenmännern besonders anzurathen wäre. Bei Anwendung
von Kupferoxyd muss natürlich die Röhre zum Luftdurch-
saugen in eine Spitze ausgezogen sein. Zu unterst in die
Röhre kann eine 1” hohe Schicht von Kupferoxyd, hierauf
die Mischung des Cu mit dem Eisen, dann Spülicht und
reines Cu 1’/,” bis 2” hoch. Die angewendete Menge des
Eisens betrug 3.546 Grammen, diese Menge Fe hätte zur
Umwandlung in Eisenoxyd 7.767 Grammen Cu erfordert.
Man nahm daher zur vollkommenen Sicherheit beinahe die
dreifache Menge Kupferoxyd, d. i. eirca 23 Grammen zur Mi-
schung. Diess ist nothwendig, denn die Verbrennung des Fe
geht langsam und fordert eine ziemlich hohe Temperatur , eine
stärkere Hitze als die andere Methode, daher man öfter, zumahl
gegen das Ende der Operation, wenn die ganze Röhre glüht,
die Gluth durch Fächeln verstärken muss. Im Uebrigen je-
doch geht die Operation ohne alle Anstände ruhig und gleichför-
mie vorsich. Die Entwickelung der Kohlensäure ist im besten
— 105 —
Gange, wenn der ganze Theil der Röhre, welcher die Mi-
schung enthält, glüht; dann sieht man auch, ungeachtet
sich die in Kalilauge aufgenommenen Gasblasen ziemlich
rasch folgen , doch keine einzige durch die kleinere Kugel
aussteigen, zum Beweise, dass bloss Kohlensäure sich ent-
wickle, die vom Kali vollständig absorbirt wird. Die Mi-
schung des Cu mit dem Fe ist nach der Operation, wenn die
Verbrennung vollkommen war, durchaus gleichförmig roth.
Das Ausziehen mit dem Magnete dürfte wohl nicht zur Probe
der vollkommenen oder unvollkommenen Verbrennung die-
nen, indem auch Eisenoxyd-Oxydul magnetisch ist.
Der Versuch, mit chromsaurem Blei allein den Kohlenge-
halt des Eisens zu bestimmen, misslang, indem ungeachtet der
sehr gesteigerten Temperatur bei weitem nicht das ganze
Eisen verbrannt werden konnte, wie denn auch bereits
Regnault die unvollkommene Verbrennung des Eisens als
Ursache der Nichtanwendbarkeit dieses Verbrennungsmittels
angibt, weil das chromsaure Blei mit dem Verlust von Sau-
erstoff auch weniger schmelzbar wird.
Die Zerlegung des Roheisens durch Kupferoxyd dürfte
also wohl die reinste und sicherste sein, und man kann da-
bei des Gelingens der Analyse sicher sein, wenn man an-
ders die gehörige Temperatur anwendet. Sie erfordert aber
bei zwei Stunden Zeit. Die Analysen mit Cu gelingen immer,
die mit chromsaurem Blei und chlorsaurem Kali nicht immer.
Ein anderes durch Kupferoxyd analysirtes Roheisen
von demselben Orte, sogenannte Spiegelflossen, enthielt
4,3466 pCt. Kohlenstoff.
Herr Dr. Richard Comfort sprach über eine Einthei-
lung der verschiedenen Zweige der Wissenschaft. Nach-
dem der Spanier Huarte, der berühmte Whewell und
andere Gelehrte diesen Gegenstand mit mehr oder weniger
Glück behandelten, scheine es überflüssig, diess nochmals
zu versuchen; jedoch überzeugt, dass nur durch vielseitige
Untersuchung die Wahrheit zu Tage gefördert werden könne,
habe er versucht die verschiedenen Zweige der Wissen-
schaft nach einem Combinations - Systeme zu sichten. Vor
allen erkläre er aber, dass es nur eine Wissenschaft gebe
so wie nur eine Wahrheit, deren Abdruck sie ist.
In
— 106 —
I Der naturwissenschaftliche Theil, 1) Naturgeschichte,
als Mineralogie (das naturhistorische System Werner's,
das chemische Haüy’s, das mathematische von Mohs,
das naturphilosophische von Oken), Botanik (das Corol-
len-System Tournefort’s, das Sexual-System Linne's,
das natürliche’von Jussieu und Decandolle). Zoolo-
gie (Aristoteles, Buffon, Cuvier, Schweigger).
Ferner die Nebenfächer: 2) Chemie (die Araber, Mayow,
Lavoisier, Davy). 3) Anthropologie (Anatomie, Phy-
siologie, vergleichende Anatomie...... )
II. Der mathematische Theil. 4) Physik (Volta....) mit
den dazu gehörenden Fächern, als Astronomie (Chaldäer ,
Asypter, Hindus, Tataren, Griechen, Kepler, New-
ton, La Place...), physische Geographie, Geologie. ...
5) Die Mathematik (Napier, Newton....) 6) Logik,
oder mathematische Philosophie , der Form nach Philoso-
phie, dem Wesen nach Mathematik.
III. Der philasophische Theil. 7) Psychologie. 8) Gram-
matik , Sprachforschung (die geflügelten Worte Horne
Tooks), geschichtliche Forschung ( Herder....). 9) Phi-
losophie (Metaphysik . . . .).
Bemerkungen.
1) Diese drei Theile der Wissenschaft verhalten sich
wie Peripherie, Radius und Centrum; man könnte sie auch
bezeichnen als die realen, formalen und idealen Zweige,
jedoch bestehen sie nie für sich allein, sondern sind im
wechselseitigen Verhältnisse zu einander, so z. B. kann
keine Geologie ohne Philosophie bestehen und sie hinwie-
derum gibt Beweise für die Unsterblichkeit an die Philoso-
phie ab, abgesehen, dass sie als kolossale Weltuhr schwe-
sterlich den andern Theilen aufhilft.
2) Der durch Speculation aufgefundene Satz bedarf des
Prüfsteins der Erfahrung, so wie das durch Empirie Ge-
sammelte, durch den denkenden, ordnenden, schliessenden
Geist zu sichten ist, und nur da, wo beyde zusammentreffen,
können wir überzeugt sein, dass die genial aufgefundene
Thatsache auch Wahrheit sei (Kepler und die vier neuen
Planeten) (Priestley und Lavoisier).
— 107 —
3) Die Wissenschaft liesse sich definiren „als philosophi-
scher Einblick in die Natur, basirt auf Mathematik.“
4) Das Object der Wissenschaft ist die Natur, Zweck
die Wahrheit, Mittel, Verstand und Phantasie; Zweck
der Kunst ist Schönheit, Mittel, Phantasie und Verstand:
von den Gewerben unterscheidet sie sich, da hier der
Zweck die Nützlichkeit ist, und den practischen Fächern
dient sie als Basis; nicht kann man aber ‚der Wissenshaft
den Vorwurf der Sterilität machen, indem eine rein wis-
senschaftliche Wahrheit, die durch Jahrhunderte brach
gelegen, plötzlich auf alle Gewerbe befruchtend, ja als
Staats - und Menschenglück fördernd wirken kann (die
Lehre vom Dampf; der Einfluss der neuern Chemie auf
die Medicin; die Lehre von der Elektrieität).
5) Ein Combinations - System läst sich leicht durch ein
mathematisches Diagram versinnlichen, oder durch ein
Farbenschema, z.B.
1. Blaue Reihe. 1) Blau. 2) Violett (/, blau + ,,
roth). 3) Dunkelgrün (°/, blau + "/, gelb).
II. Rothe Reihe. 4) Karmoisin. 5) Roth. 6) Scharlach.
III. Gelbe Reihe. 7) Lichtgrün (/, gelb + ’/, blau).
8,0range (?/, gelb ++ /, Roth). 9) Gelh.
Unterscheidet man noch hoch (gesättigt) und licht,
ferner blass (viel weiss) und dunkel ‚„ und nimmt man zur
fürbigen Combination noch Schwarz, wo man alle Schat-
tirungen von Braun erhält (Schwarz mit Weiss allein gibt
jene von Grau), so hat man in fernern Combinationen das
vollkommenste Farben- Schema, das sich denken lässt.
Schliesslich machte er noch auf mikroskopische Unter-
suchungen der Farben aufmerksam , welche äusserst inter-
essante Resultate über deren Zusammensetzung zu Tage
fördern.
Hr. V. Streffleur, k.k. Hauptmann, hielt einen Vor-
trag über die Meeresströme und über den Salz ge-
halt des Seewassers: ‚Die Physiker waren von lan-
ger Zeit her gewohnt, manche Erscheinungen auf der Erd-
oberfläche unter symmetrischeo Verhältnissen vorauszusetzen.
Man erklärt z. B. die Meeresströme durch die Temperatur-
Verschiedenheit des Seewassers. Das warme Wasser am
— 108 —
Aequator steigt auf, das kalte am Pol senkt sich in die
Tiefe, und es erfolgt nun eine Ausgleichung in der Art,
dass das Polarwasser unten gegen den Aequator, das warme
aber oben gegen die Pole zieht. Ein vom Pole längs eines
Meridians abwärts schreitendes Wasseratom gelangt allmä-
lig in Parallelkreise mit stets vermehrter Rotationsgechwin-
digkeit, und bleibt immer mehr zurück , da ihm diese Schnel-
ligkeit noch nicht eigen ist. Daher die Westströmung. Ein
angehängter viele Seiten langer Caleül mit Zuhilfnahme
der Integralrechnung (wie z. B. in Schmidt’s Lehrbuch
der physikalischen Geographie 1830) beweist nun, dass das
polare Wasseratom wirklich diesen Weg gehen muss, und
der Zuhörer oder Leser muss sich von der Richtigkeit die-
ses Beweises überzeugt halten, da die Thatsache durch die
höhere Mathematik bestätigt wird. — Nebst den theoretischen
Physikern hat es aber, besonders unter den Seehandel trei- °
benden Nationen , stets auch Männer gegeben, welche sich
bemühten, Thatsachen zu sammeln. Man hat auf den
Seereisen im weiten Meere, an Küsten, Inseln u. s w. den
wirklichen Zug der Meeresströme. beobachtet, die Beobach-
tungen gesammelt, und in Seekarten eingetragen. Die
wirklichen Verhältnisse liegen somit zur Anschauung
vor. Vergleicht man aber solche die Natur treu darstellen-
den Seekarten mit den Suppositionen der theoretischen
Physiker, so überzeugt man sich, dass die Meeresströme,
ungeachtet des höhern Calcüls, ganz andere Richtungen
einhalten, als die theoretisch vorausgesetzten. Im weiten
stillen Ocean z. B. geht gar keine Strömung vom Aequator
zum Südpol. Die kalten Wasseratome des Südpoles , statt
in ihrem Zuge gegen den Aequator nach Westen zurück
zu bleiben, eilen vielmehr bei zunehmender Rotationsge-
schwindigkeit den Wassertheilen der niederen Breitengrade
vor nach Osten. Im atlantischen Ocean aufwärts am 80°
nördl. Br. strömt das warme Meerwasser in der Tiefe, das
kalte oben. Das baltische Meer und der atlantische Ocean
gleichen sich derart aus, dass am Sunde das Ostseewasser
oben hinaus und das Wasser der Nordsee unten herein
fliesst. Zwischen dem mittelländischen und atlantischen
— 109 —
Meere geschieht der Ausgleichungsprozess umgekehrt.
u. dgl. m.“
„Will man physikalische Erscheinungen erklären, so
handelt es sich vor Allem darum, die Thatsachen naturge-
treu zur Anschauung vorzulegen; mit Suppositionen reicht
man keineswegs aus. So lange es aber Continental-Haupt-
städte gibt, deren öffentliche Bibliotheken insgesammt keine
Seekarten aufzuweisen haben, so lange muss man auch
annehmen, dass man sich um die wahren Thatsachen
wenig bekümmert, und sich vielmehr mit theoretischen Spe-
eulationen begnügt hat, und es ist daher nicht zu wundern,
wenn Erklärungen, die anf wahren aber ungekannten That-
sachen beruhen, nur schwer Eingang finden.“
„Mein Streben ging dahin, mir aus guten Quellen die
wirklich natürlichen Verhältnisse zur Kenntniss zu bringen ,
und ich glaube gefunden zu haben, dass von den vielfachen
Factoren, welche auf das Entstehen und den Gang der
Meeresströme Einfluss nehmen, der Einwirkung der Rota-
tion und dem Niveau- Ausgleichungsprozesse verschieden
hoher Meere der erste Rang zukommt, während dem Ein-
flusse der Wärme nur untergeordnete Einwirkungen zuzu-
schreiben sind. So wie im Sonnensysteme die Planeten
immer langsamer in ihrer Bahn gehen, je weiter sie vom
Centralkörper abstehen, ähnlich dem bewegen sich die ver-
schiedenen Hülien auf unserer Erdoberfläche. Der feste
Erdkern, die darauf ruhende Wasserhülle und die noch hö-
her stehende Lufthülle rotiren insgesammt nach Osten; nur
bleibt das dünnere und entferntere Mittel immer mehr hinter
dem Schwunge zurück. Der Erdkern schiebt sich unter
der Wasserhülle weg, und zieht sich so selbst seine Fur-
chen (Strombette auf dem Meeresgrunde), in welche das
Wasser sich senkt. Hierdurch entstehen Seedämme; in den
heftig bewegten Strombetten geschehen keine Ablagerun-
gen, wohl aber an den Seiten und zwischen den Strömen
auf den Höhen der Dämme. Das jüngere Gestein kommt
somit auf die Rückenlinie des ältern (aber nicht durch plu-
tonische Hebung). Schliesst sich ein Strembett, wodurch
Ruhe in demseiben eintritt, so können sich nunmehr hori-
zontale Bodensätze bilden (abweichende Lagerungen). Die
— 110 —
durch die Wasserbedeckung streichenden Seehochländer häu-
fen durch die Rotation vor sich alle Bestandtheile auf, und
die Molekularanziehung wirkt hier freier, während sie an
der Westseite durch das nachsinkende Oberwasser gestört
ist. Wir finden daher an der Ostseite, der Rotations-
Stromrichtung zugekehrt, weite flache Länder, mächtige
Anhäufungen jüngerer Gesteine, flache Küsten und einen
seichten Meeresgrund, westlich aber ein hohes steiles Ge-
birge und Steilküsten bis in die grösste Tiefe. So in ganz
Amerika, Skandinavien, England, Indien ete. Aber nicht
nur das geognostische Verhalten und die Oberflächengestal-
tung der Continente stimmen mit den Wirkungen der ehe-
maligen Rotationsströme überein, sondern auch in den heu-
tigen Meeren findet man die schwereren Theile des See-
wassers gegen die Ostseite der Continente sich rücklehnen.
Ich habe nahe an 300 Messungen des spezifischen Gewich-
tes des Seewassers auf eine Weltkarte eingetragen, und
es zeigt sich constant das Gesetz , dass das Seewasser an
den Ostseiten der Continente specifisch schwerer als west-
lich ist,“
„Ausser der Rotation wirken zwar noch mehrere Ursa-
chen auf Bewegungen des Meeres, so dass sich ausser der
Wellenbewegung und der Ebbe und Fluth zehn Arten der
Meeresströme nachweisen lassen; die Rotation ist aber im-
mer als die Hauptursache der Meeresbewegungen zu betrach-
ten. Selbst auf den jetzt trockenen Continenten lassen
sich parallele Tieflinien (ehemalige Rotationsfurchen) , und
zwischen ihnen Dämme gleichartiger Gesteine nachweisen ,
und für Jemanden, der die geognostischen Verhältnisse
eben so gut, als das Relief der gesammten Erdoberfläche
kennt, ist es nicht schwer, einen begründeten Zusammen-
hang der Einzelnerscheinungen aufzufinden, was den An-
hängern der Emporhebungstheorie wohl nie möglich werden
dürfte. Die Piutonisten haben durch die Annahme, dass
die emporhebende Kraft zufällig an diesen oder jenem
Orte wirke, von selbst auf die Möglichkeit verzichtet, ein
allgemeines Gesetz über den Zusammenhang der Einzelner-
scheinungen zu finden, so wie sie durch die Behauptung, dass
alle geneigten Schichten ursprünglich sich horizontal ab=-
Pe
— 111 —
gelagert hatten, offenbar darthun, über die veränderten
Ablagerungs-Verhältnisse im strömenden und ruhigen
Wasser gar nie nachgedacht zu haben ;— und wenn gleich
der berühmte Naturforscher A. v. Humboldt es ist,
der in seinem Kosmos 1. Bd. S. 264 sagt: „Wenn die Se-
dimentbildungen nicht durch die plutonischen Gesteine em-
porgehoben worden wären, so würde die Oberfläche unse-
res Planeten aus gleichförmig horizontal übereinander ge-
lagerten Schichten bestehen, und die Continente von Pol
zu Pol würden unter allen Himmelsstrichen das traurig ein-
förmige Bild süd- amerikanischen Llanos oder der nord -asi-
atischen Steppen darbieten,‘“ so kann eine solche Ansicht
mir doch nicht zur Ueberzeugung werden, und ich glaube
vielmehr, dass derlei Vorstellungen noch in jene Zeiten
zurück gehören, wo man noch die ganze Erde sammt ih-
rem Meere im Zustande der Ruhe, und die Sonne um sie
bewegend sich dachte.“
14, Versammlung, am 3. August.
Wiener Zeitung vom 20, August 1846.
Herr Dr. S. Reissek zeigte durch das Mikroskop den
Bau und die Entwickelung des Getreidebrandes
(Uredo segelum L’). Bekanntlich ist der Brand ein kleiner
mikroskopischer Pilz, der äusserlich als schwarzer Staub
erscheint, die Getreideähren überzieht und die Stelle der
Körner einnimmt. Die Entstehungsweise desselben war
bisher nicht genügend erforscht. Sıe ist die folgende: An
gewissen Aehren, über deren Disposition zu der krankhaf-
ten Entartung uns die näheren Erfahrungen zur Zeit noch
mangeln, bildet sich das Samenkorn nicht in der normalen
Weise aus, so dass sich die Zellen mit Amylum erfül-
len. Es tritt im Gegentheile früher schon ein feinkörniger
Inhalt in diesen Zellen auf, dessen Körner sich später ver-
grössern, bräunen und endlich hohl werden. Ist die Höh-
lung gebildet, so vergrössert sich dieselbe unter gleichzei-
tigem Anwachsen des Kormnes so sehr, dass zuletzt nur
— 112 —
mehr ein dünner, schalenartiger Ueberrest der Substanz zu-
rückbleibt. In diesem Zustande stellt sich das Korn als
Zelle dar, und solche Zellen haufenweise an einander ge-
lagert, bilden den Brand. Früher oder später werden die
Membranen der umhüllenden Mutterzellen aufgelöst, die
Brandmasse wird auf diese Art frei und nimmt zwischen den
Spelzen den Raum ein, den das normal entwickelte Samen-
korn inne hat. Im ausgebildeten Zustande, wo der Brand
als schwärzliches oder braunschwarzes Pulver erscheint,
besteht er aus den oben bezeichneten, sphärischen, durch
Hohlwerden der Körner des Inhaltes entstandenen Zellchen.
Hr. Dr. Reissek theilte hierauf einige Bemerkungen
über den Körper mit, welcher unter dem Namen der
Steinnüsse auch des vegetabilischen Elfenbei-
nes im Handel vorkommt, und zu kleinen Drechslerarbeiten
gebraucht wird, so namentlieh zu Spazierstockknöpfen.
Dieser Körper, obwohl den Botanikern längst bekannt, ist
doch dem Publicum hinsichtlich seiner Abstammung und
Natur fast ganz unbekannt geblieben, so dass man die son-
derbarsten Ansichten darüber mitunter antrifft. Derselbe ist
das Eiweiss der Samen verschiedener Palmenarten, insbe-
sondere aus der Gattung Phylelephas, welches in so be-
deutendem Grade erhärtet, dass es horn- oder beinartig
wird. Dass Eiweiss bleibt hierbei entweder durchweg so-
lide oder isi im Innern hohl. Es wurden instructive Exem-
plare der Früchte der Dompalme (Hyphuene ihebaica)
vorgezeigt, an welchen sich diese Eigenthümlichkeit des
Eiweisses sehr ausgeprägt zeigt.
Hr. V. Streffleur, k. k. Hauptmann, sprach über die
Veränderungen des Meeres-Niveau’s im Laufe
der Zeiten. Ueber keinen Punct sind die Ansichten der
neuesten Naturforscher so verschieden, als über diesen.
Die Einen halten dafür, dass das Niveau des Meeres
unverändert bleibt, und dass die Continente über das Meer
emporsteigen; die Zweiten glauben, dass das Niveau des
Meeres schwankt, indem es periodenweise von einem Pole
zum anderen überläuft; die Dritten lassen das Meer stei-
gen, da sich der Grund desselben dureh die von den Flüs-
sen eingeführten Materien fortwährend erhöht und die Vier-
—————— u
— 113 —
ten nehmen ein Sinken des Meeresspiegels durch die Ver-
minderung der Wassermenge an.
Dass das Niveau des Meeres gegen das Festland sich
ändert, ist eine der ältesten Beobachtungen. Schon der
Araber Omar schrieb im zehnten Jahrhundert über das
Sinken des Meeresspiegels. Bis zum Jahre 1750 blieb. die
Erscheinung einfach; man hatte nur die Alternative: zu
glauben, dass das gesammte Meer sich senkt, oder dass ge-
sammte Länder und Berge sich heben. Neuere Beobachtun-
gen machten jedoch die Verhältnisse verwickelter, und wur-
den von den Anhängern der Emporhebungs-Theorie lebhaft
aufgegriffen, um den Streit zu ihren Gunsten zu entschei-
den. Man gewahrte nämlich auch ein Steigen des Meeres,
und insbesondere, dass es selbst in der nämlichen Zeit an
der einen Küste sich hebt, während es an einer anderen
fällt. Nun glaubte man, könne das Meer nicht mehr die
Ursache dieser Erscheinungen sein. Man hielt fest an dem
Grundsaize, dass das allgemein zusammenhängende Welt-
meer, wenn es an einem Puncte fällt, gleichmässig an allen
Puncten fallen, und eben so, wenn es irgendwo steigt,
gleichmässig an allen Puncten sich heben müsse. Ergibt
sich durch Beobachtungen ein wirkliches Steigen und Fallen
des Meeres an verschiedenen Küsten, so kann nur das Fest-
land gestiegen oder gesunken sein. So z. B. glaubt Hr.
Lyell, dass Scandinavien auf einem hohlen Raume sitzt ,
in welchem es mit der Südspitze hinab sinkt, während es
nördlich und östlich sich erhebt; die Küsten von Chili, von
West-Italien ete. heben und senken sich wiederholt u. dgl. m.
Herr Hauptmann Streffleur greift nun den eben
ausgesprochenen Grundsatz an, und behauptet, dass die
theoretisch gedachte gleichmässige Oberfläche des allgemei-
‚nen Weltmeeres unmöglich angenommen werden kann,
wenn man die Rotation der Erde gelten lassen will, und
dass im Meere durch Veränderungen in den Strömungen und
in der Configuration des Meeresgrundes manche Niveau-
Veränderungen des Meeres eintreten müssen, die an gewis-
sen Orten und für gewisse Zeiten ein gleichzeitiges Steigen
und Sinken des Meeresspiegels hervorrufen, ohne dass das
Festland im Geringsten von seiner Höhenlage abweicht.
Freunde der Naturwissenschaften in Wien. I, Ss
— 114 —
Wie in Flüssen so im Meere. Die Stadt Wien z. B. liegt
am rechten Ufer der Donau, und ein schmaler Arm trennt
die Insel Leopoldstadt von der eigentlichen Stadt. Würde
man die grosse Donau durch einen vorgebauten Sporn zum
grossen Theil abschneiden, und die Hauptwassermassen in
den schmalen Canal leiten, so müsste hier das Niveau des
Wassers steigen. Ein Durchbruch im Damme oder Sporn
würde das Wasser wieder in die grosse Donau zurückfüh-
ren, und auf der Insel Leopoldstadt würde am Ufer des
schmalen Canals, gegen die Stadt, ein Sınken, am auswär-
ticen Ufer aber ein Steigen des Niveaus bemerkbar werden.
Jedermann würde die Ursache hiervon im Dammdurchbruche
erkennen, und Niemand könnte es sich einfallen lassen , die
Erklärung zu geben, dass die Leopoldstadt auf einem hoh-
len Raume sitzt, in welchen sie sich links hinab senkt,
rechts aber heraushebt. Eben solche Ablenkungen der
Siröme kommen nach Streffleur auch im Meere vor. Er
bemerkte, dass er in seinem Werke: „Die Entstehung der
Continente und Gebirge unter dem Einflusse der Rotation‘
in einem eigenen Abschnitte die Hebungen und Senkungen
der Continente und des Meeresgrundes, insbesondere jene
von Schweden, Chili, Italien, Grönland etc. alle durch
locale Einwirkungen veränderter Meeresströmungen er-
klärt habe.
Im Weitern ging Herr V. Streffleur auf die Frage
ein, ob nicht auch eine Erklärung für das allgemeine und
allmälige Sinken des Meeres gefunden werden könnte,
ohne eine Verminderung der Wassermenge oder ein Em-
porsteigen der Continente anzunehmen. Eine Verminderung
der Wassermenge durch chemische Einwirkungen ist wohl
möglich und sogar wahrscheinlich, doch aber lässt sich
auch eine mechanische Ursache denken, in Folge welcher
der Meeresspiegel, selbst bei gleichbleibender Wasser-
menge, allmälig sinken muss. Die Rotation nämlich zieht
alle Stromfurchen auf dem Meeresgrunde; in der Tiefe der
Rinnen geschehen Ausfurchungen. Zwischen zwei Strö-
men bilden sich Seedämme. Die in der Tiefe der Strom-
bette durch das Einschneiden des Wassers aufgelösten
Erdtheile lagern sich zwischen den Strömen auf den Damm,
—
— 115 —
und dieser wächst so bis zur Meeresoberfläche heran, wäh-
rend das Strombett sich immer vertieft. Bis jetzt konnte sich
die Meeresoberfläche noch nicht senken. Nun aber führt
die täglich zweimalige Fluth feste Materien über dasMee-
res- Niveau auf die Höhe der Seedämme, diese verbreitern
sich, und das Meer findet Raum, sich in jene Theile hinab
zu senken , aus welchen die Materien durch die Strömun-
gen aufgehoben und weggeführt wurden. Die Ebbe führt
das nicht mehr zurück, was an festen Materien durch die
Fluth über das Meeres- Niveau gehoben wurde, und so
geschieht es, dass die Meere, welche die Erdoberfläche
ehemal seiehter und in weiter Ausdehnung bedeckten, sich
in Folge der Rotation immer mehr eiischneiden, wodurch
sich im Laufe der Zeit immer aus&edehntere und höhere
Continente, dafür aber engere und tiefere Meere bilden.
Hr. Streffleur gab hierauf specielle Nachweisungen,
dass der Zuwachs und die Verbreiterung der Continente
dureh die Einwirkung der Fluthwellen, namentlich an den
weit längern und golfreicheren Ostküsten, wirklich mit
Grund angenommen werden könne.
Herr Professor Leydolt hielt einen Vortrag über die
sehr merkwürdige zwillingsartige Zusammense-
tzung des Ankerits.
Dieses Mineral findet sich auf Lagern im Glimmerschie-
fer im Salzburgischen, mit Spatheisenstein in Steiermark:
Es ist unter dem Namen Rohwand bekannt, und wird we-
gen seines Gehaltes von 32 pCt. an kohlensaurem Eisenoxy-
dul mit Vortheil als Zuschlag beim Eisenschmelzen verwen-
det. Es erscheint gewöhnlich in theilbaren Varietäten,
welche bei näherer Betrachtung eine höchst interessante
Zusammensetzung zeigen. Die Theilungsgestalten, welche
man beim Zerschlagen nach den Theilungsrichtungen er-
hält, sind keine wirklichen Rhomboeder , sondern rhomboe=
derähnliche Gestalten, welche vier glatte einem Rhomboe-
der entsprechende Flächen besitzen, während zwei Flächen,
welche beinahe senkrecht auf jenen stehen, mit parallelen
Streifen versehen sind. Diese Streifen entstehen durch eine
regelmässige Zusammensetzung, und zwar rühren sie von
einer wiederholten Zwillingsbildung her, so dass der Kör-
8*+
— 16 —
per aus eben so vielen Zwillingen besteht, als Streifen
wahrzunehmen sind. Die Zusammenseizungsfläche ist die
Fläche des flachen Rhomboeders R—1, die Umdrehungsaxe
senkrecht darauf. Die Zusammensetzung ist aber noch viel
wunderbarer, wenn man grössere Massen betrachtet, wie
sie in der Natur vorkommen; man findet nämlich, dass die-
selben aus solchen Verbindungen von Zwillingen und zwar
ebenfalls auf eine regelmässige Weise zu Vierlingen
verwachsen sind. Die Zusammensetzungsfläche ist auch
hier wieder die Fläche R—1, und die Massen zerfallen häu-
fig beim Zerschlagen in die einzelnen Theile der zweiten
Zusammensetzung. Dieses Verhältniss wurde bei allen un-
tersuchten Massen gefunden.
Herr Professor Leydolt bemerkte, dass der mensch-
liche Scharfsinn die Gesetze der regelmässigen Zusammen-
setzungen der unorganischen Natur so genau aufgefunden
habe , dass man im Stande ist, jede regelmässige Zusam-
anseirang der Natur in Modellen nachzuahmen , während
das Wie der Bildung selbst immer unerklärbar ist. Er wies
auf die Wichtigkeit der Betrachtung solcher Zusammense-
tzungen in der Geognosie, weil sie einen richtigen Schluss
auf die Zeit der Bildung erlaube, in welcher die vereinig-
ten Massen entstanden sind.
Hr. Dr. R. Comfort erläuterte die Grundzüge eines
von ihm nach einer Combinations- Theorie vorgeschlagenen
Systems der Wirbelthiere,
Bekanntlich theilen die Zovlogen die Thiere in höhere,
Wirbelthiere; mittlere und ee ein, welche sie dann
weiter nach verschiedenen Grundsätzen sichten.
Aristoteles, der Vater der Zoologie, durch seines
königlichen Zöglings Grossmuth in den Stand gesetzt, die
merkwürdigsten Thiere aller damals bekannten Zonen in
seinem kolossalen Thiergarten zu vereinen, konnte leicht
dadurch bei seinem eminenten Genie eine solche systemati-
sche Zusammenstellung liefern, die bis in die neueste Zeit,
was das Wesentliche betrifft, die Basis jedes zoologischen
Systemes geblieben ist.
Auf dieses baute Buffon sein anatomisches , welches
von Cuvier in dem physiologischen vervollkommnet und
— 11T —
endlich durch Schweigger’s fernere naturphilosophische
Aufstellung entwickelt wurde.
Die Systeme der übrigen Zoologen bieten Hrn. Dr. Co m-
fort nicht viel Neues von denen der Genannten, mit Aus-
nahme des naturphilosophischen von Ocken, welches ob-
gleich genial, zu viel Lücken hat; das von Linne ist nach
Dr. Comfort einseitig und erscheint als grandioser Irr-
thnm mit aller Consequenz eines tüchtigen Geistes durchge-
führt; nicht das wesentliche Moment wird zum Eintheilungs-
grunde, gleichwohl geht die Natur in ihrer wunderbaren
Architektur mit grosser Folgerichtigkeit vor, so dass auch
im kleinsten Organe das Ganze sich wiederspiegelt, im Men-
schen die Welt; ein immerwährendes Auf- und Absteigen,
bis endlich das Vollkommenste erreicht wird: Allheit, Viel-
heit, Einheit. Hr. Dr. Comfort bemerkt, dass dieses Ver-
hältniss vielleicht nicht auf Erden-Geschöpfe allein be-
schränkt ist, sondern vielleicht viele Lücken sich durch aus-
serirdische Geschöpfe füllen dürften (eine unendliche Varia-
tion über dasselbe Grundthema)) , so wie es sich theilweise
durch ante-diluvianische, fossile Thiere und die neuesten
Entdeckungen in fremden Gegenden herausstellt; denn
wenn auch die Geschichte des vermeintlichen Drachenko-
pfes lächerlich klingt, den Cuvier für einen fossilen Eber-
kopf erklärte , so ist doch ersichtlich, dass unter den fossi-
len Resten einer uutergegangenen Schöpfung 'Thiere vor-
kommen, die ziemlich stark abspringend von den jetzt exi-
stirenden sind.
Hr. Dr. Comfort stellt nun folgendes System auf:
I. Kopfthiere. 1) Säuger (eigentliche). 2) Flatterer.
3) Cetaceen.
II. Brustthiere. 4) Ornilhorhynchus puradoxus. 5) Vö-
gel. 6) Sumpf - und Wasservögel.
III. Bauchthiere. 7) Reptile. 8) Plerodaclyle, Cuvier
(fliegende Fische). 9) Fische.
Bemerkungen:
1) Der Biber macht den Uebergang zu den Cetaceen;
die Opossums und Känguruhs zum Vogelschnabel; die Ar-
— 118 —
madille zu den Amphibien ; die Strandläufer zur Giraffe ; die
Aale zu den Ophidiern....
2) Das Auf-und Abspringen der Natur lässt sich durch
eine Wellenlinie versinnlichen, wobei zu bemerken ist, dass
das vollkommenste Geschöpf einer höheren Ordnung wohl
harmonisch allseitiger gebildet erscheint, als die der tiefer
stehenden Reihe , hingegen manche Geschöpfe dieser Reihe
die einer höheren in manchen Beziehungen übertreffen,
7. B. die Mollusken, wenn sie mit den Fischen in Bezug
auf Zeugung verglichen werden,
15. Versammlung, am 10, Angust,
Wiener Zeitung vom 26. August 1846,
Hr Otto Freiherr von Hingenau, k. k. Berg-
Practikant, berichtete über einige geognostische Wahrneh-
mungen in der Gegend von 'Tulleschitz im Znaimer Kreise
in Mähren, in welcher zwischen dem Serpentine bei Hrub-
schitz, der das Oslawan - Rossitzer Kohlenrevier im Westen
begränzt und dem dei Mährisch - Kromau vorkommenden
Weissstein — eine sehr bedeutende Mannigfaltigkeit von
Uebergangs-Modificationen des Massengebirges mit feldspa-
thiger Basis Aufmerksamkeit verdienen. Das Studium der
VUehergangsphänomene jener Gegend im Kleinen dürfte
mehr oder minder zu Ansichten berechtigen, wie sie in
einer früheren Versammlung von Freunden der Naturwissen-
schaften von Hrn. v. Morlot mit dem Nahmen latenter
Metamorphose bezeichnet wurden, welche Nahmen je-
doch das Charakteristische dieser Erscheinung — nähmlich
das Ausscheiden gleichartiger oder verwandter Mineralstoffe
und deren gleichzeitige Aneinanderhäufnng — nieht ganz
deutlich zu machen vermögen und sich derM o hs’schen geog-
nostischen Theorie nähert. Einige vorgewiesene Handstücke
aus jener Gegend wurden in dieser Beziehung ausgewählt,
weil sie den allmäligen Uebergang von Syenit oder wenn
man will: Hornblendegranit—zum Granit und selbst Weiss-
stein auf einem Eexmplare zeigen und hinzudeuten schei-
— 119 —
nen, dass man es hier nicht mit charakteristisch auftreten-
den Gängen oder systematischen Uebergängen zu ihun
habe, sondern vielmehr mit sich in Unzahl wiederholenden,
die ganze Masse durchdringenden ähnlichen Wechseln,
die kaum anders als mit Mohs durch gleichzeitige Entste-
hung erklärt werden dürfen. Gerade in dieser Beziehung
verdient jene wenig bekannte Gegend ein detaillirtes Stu-
dium, abgesehen davon, dass sich dasselbe auch durch eine
reiche Ausbeute von Mineralien lohnen würde, von denen
in der Privatsammlung des Landschafts - Einnehmers in
Zmaim schöne Exemplare zu finden sind. Die vorherrschende
Erscheinung dieses Gebirges ist krystallinisch - schiefriger
Structur: doch nicht ohne zahlreiche körnige Abwechslun-
gen, so dass Freiherr von Hingenau Bedenken trägt,
von Granit - oder Syenitgängen in Gneiss zu sprechen,
sondern das Ganze als ein und dasselbe gleichzei-
tige Gebilde anzusehen versucht ist.
Herr Dr. S. Reissek widmete der vor Kurzem er-
schienenen „Flora von Wien von A. Neilreich“, die
wegen ihrer Trefflichkeit bald in aller Botaniker und Natur-
freunde Händen sein wird, eine kurze Besprechung, wobei
er vornämlich den reichen In- und Gehalt hervorhob. Schliess-
lich gab er eine Uebersicht der gesammten Literatur über
die Unter - Oesterreichische und namentlich Wiener Flora
von Clusius Zeiten bis auf unsere Tage, mit kritischen
Bemerkungen hierüber.
Es möge hier , da von oben bemerkter Flora noch keine
Beurtheilung in unseren Tageblättern erschieneu, eine kurze
Anzeige des Inhaltes Platz finden:
Der Verfasser bezeichnet zuvörderst die Gränzen des
Gebiethes, welches einen Radius von 4 Meilen ungefähr
besitzt. Hierauf folgt ein geognostisches Bild der Gegend,
grössten Theils nach Partsch’s „Karte des Beckens von
Wien‘, sofort die hydrographischen und klimatischen Ver-
hältnisse. Bei Letzteren benützte der Verfasser die Tage-
bücher der k. k. Sternwarte, welche indess zu seinem Be-
dauern in manchem wichtigen meteorologischen Verhältnisse
nicht die gewünschte Auskunft boten, so namentlich in
Betreff der wichtigen ombrometrischen Verhältnisse, wo Da-
— 120 —
ten aus einer Reihe von Jahren wünschenswerth gewesen
wären. Nach Abhandlung dieser Verhältnisse gelangt der
Verfasser zur pflanzengeographischen Schilderung des Ge-
bietes, welche als ausgezeichnet zu nennen ist. Hierauf
folgt als Haupttheil des Werkes der systematische Theil
mit der Beschreibung der Pflanzen, kritischen Bemerkun-
gen über den Werth und die Verwandtschaften der Arten,
wobei man des Verfassers reiche Erfahrung und richtige
Beurtheilung auf jeder Seite kennen zu lernen Gelegenheit
hat. Hieran schliesst sich denn auch die mit diplomatischer
Genauigkeit überall revidirte Synonymie, die Angabe der
Standorte, Fundorte , der Dauer und sonstige Bemerkun-
gen. Was vornämlich auch den Werth des Werkes für
den minder gewandten und unterrichteten Botaniker erhöht,
ist die Beigabe von analytischen Schemen bei allen grösse-
ren und schwierigeren Gattungen Behufs der leichteren
Bestimmung der Arten. Diese analytischen Tabellen erfül-
len vollkommen ihren Zweck. Der systematischen Anord-
nung sind im Ganzen Endlichers „Genera plantarum“
zu Grunde gelegt.
So erfüllt das Werk die Anforderungen, welche die
vorgerückte Wissenschaft in dreifacher Beziehung an eine
gute Flora stellen muss, vollständig. Es steht auf der
Höhe der Wissenschaft und hält mit ihren Fortschritte glei-
chen Schritt; es gibt dem unterrichteten Botaniker ein rich-
tiges Vegetationsbild der Gegend im Eiuzelnen, so wie
im Ganzen; es bietet endlich dem Laien sich als verlässli-
cher Leitfaden zur Bestimmung und Auffindung der Pflan-
zen dar.
16. Versammlung am 17. August.
Wiener Zeitung vom 4. September 1846.
Herr Dr. Moriz Hörnes theilte eine Beschreibung
der in wissenschäftlicher Beziehung interessantesten Stücke
der Mineralien- Sammlung der Frau Johanna Ed-
len v. Henikstein mit. Derselbe erwähnte, dass er im
— 121 —
verflossenen Jahre den erwünschten Auftrag erhalten habe,
diese prachtvolle Sammlung, welche er in wissenschaftli-
cher Beziehung, nämlich in Rücksicht der Vollkommenheit
der Krystalle und der Vollständigkeit im Allgemeinen als die
erste Privatsammlung in Deutschland darstellte, zu be-
schreiben. Da er nun diese Beschreibung streng nach
der wissenschaftlichen Methode des verewigten Herrn
Bergraths Mohs ausgeführt habe, welche Arbeit in drei
starken Folio - Bänden vorliegt und die Besitzerinn die
Drucklegung des Catalogs wegen der noch immer zuströ-
menden neuen Acquisitionen verschoben wissen will, so
theilte derselbe vorläufig einige Notizen über die merk-
würdigsten Stücke mit. Die Sammlung besteht gegenwär-
tig aus 5030 Stücken in 2- bis 3zölligem Formate und ist
nach dem Mohs’schen Systeme vom Jahre 1839 geordnet. —
Als besonders ausgezeichnet wurden hervorgehoben die Kry-
stalle von Muriazit, Wavellit, Schwerstein, arseniksaurem
Blei, Dioptas, Uranglimmer, Serpentin, Wagnerit, Eudialyt»
Saphir, Diamant, Topas, Euklas, Phenakit, Smaragd,
Chrysolith, Zirkon, Zinnstein, Columbit, gediegenem Sil-
ber, gediegenem Golde, Kupferkies, Antimonkupferglanz ,
Glaserz, Steinmannit, Sterabergit, Schrifterz und Schilf-
glaserz, Eine detaillirte Beschreibung dieser Stücke wird
in Kurzem in Leonhards Jahrbuch für Mineralogie er-
scheinen.
Hr. Dr. H. M. Schmidt- Göbel aus Prag legte die
erste Lieferung eines umfangreichen Werkes vor, welches
er auf Kosten des Böhmischen Nationalmuseums unter Mit-
wirkung mehrerer anderer Naturforscher bearbeitet und her-
ausgibt. Es enthält dasselbe unter dem Titel: Dr. J. W.
Helfers hinterlasseneSammlungenaus Vorder-
und Hinter-Indien. Nach seinem Tode unter
Mitwirkung Mehrerer bearbeitet und heraus-
gegeben von Dr. H. M. Schmidt-Göbel, die Be-
schreibung der reichhaltigen Sammlungen, welche der un-
ternehmende Helfer in Vorder - und Hinter- Indien zusam-
men brachte und wo er einen vorzeitigen Tod auf den An-
damaninseln fand, ein zu frühes Opfer seiner regen Be-
strebungen , unter den Pfeilschüssen der tückischen und
= a —
‘grausamen Endamenen. Der Bearbeiter trug hierbei einige
zoogeographische Bemerkungen vor, und bemerkte, dass
trotz der leichten Zugänglichkeit Vorder - Indiens dasselbe
noch in Bezug auf die niederen Thiere und Pflanzen nur
strichweise und da ungenügend bekannt, Hinter-Indien aber
zoologisch und zum 'T'heil auch botanisch eine wahre Terra
incognila sei. Aus den ehemals Burmesischen Provinzen,
der Halbinsel Malacca, aus Martaban, Tenasserim
und Mergui und dem nahe liegenden Mergui-Archipel
stammt der grösste Theil der in diesem Werke bearbeiteten
Samminngen, ein kleinerer nur aus Cossipoor in der
Nähe von Caleutta und von den Hoogly- Mündurgen.
Den Glanzpunect der Sammlungen bildet die entomologische
Partie, und hiervon sind wieder die Coleoptern am reich-
sten; doch sind auch die übrigen Inseeten und von andern
Classen die Vögel zahlreich und interessant vertreten. Nicht
minder sind 400—450 Arten Pflanzen vorhanden, die man-
ches Anziehende enthalten. Es mögen im Ganzen etwa
3000 Arten von Thieren da sein, von denen reichlich drei
Viertheile, wenn nicht vier Fünftheile völlig neu und unbe-
kannt sind. Es wird dieses Werk somit nicht nur die Zahl
der bisher bekannten Thiere und Pflanzen bedeutend ver-
mehren , sondern es wird, was noch wichtiger ist, ein 200-
logisches, namentlich ein entomologisches Bild der Halbinsel
Malacca und viele wichtige z00- und phytogeographische
Daten liefern. Die Fauna hat sich, so weit die Sammlungen
bis jetzt untersucht sind, als ein Bindeglied zwischen der
Halbinsel Deccan und den grossen Inseln des Indischen
Archipels Sumatra und Java herausgestellt, wobei sich
selbst Anklänge an die ührigens so wenig gekannte Fauna
von China und an die Philippinen finden, indem ent-
weder die identischen oder sehr ähnliche Formen auftreten.
Das Auffallendste ist wohl das Erscheinen Europäischer und
selbst sehr nördlicher Arten und der vielfach Europäische
Typus. Vom Himalaya ist diess längst bekannt und leicht
erklärlich , aber für die echt tropischen Gegenden von Mer-
gui und Martaban, die bei einem heftigen und höchst be-
ständigen Monsoon, einen fast auf dessen Dauer allein be-
schränkten Regenfall von 240 Zoll Engl. und eine hohe Mittel-
— 123 —
temperatur besitzen, also bei klimatischen Verhältnissen,
welche von den uasrigen in jeder Beziehung verschieden
sind, muss es doch einiger Massen in Verwunderung setzen,
wenn wir z. B. nicht nur das Süd - Europäische Zuphium
olens, sondern sogar den Deutschen Dromius obscurogulla-
tus Dft., den Dr. plagialtus Dft., den Eunecles griseus,
die Limenitis Aceris u. a. m. dort wiederfinden. Von Ver-
schleppung oder Wanderung kann hier gar nicht die Rede
sein, aber es scheinen manche Thiere eine solche Schmieg-
samkeit in die gegebenen Zustände zu besitzen und so we-
nig strenge in den Bedingungen für ihre specifische Existenz
zu sein, dass sie an den verschiedensten Puncten der Erde
ohne Verschleppung oder Wanderung ursprünglich auftreten
und sich in ihren Eigenthümlichkeiten behaupten können.
Der Europäische Typus spricht sich vorzüglich durch die
Häufigkeit hiesiger, bisher von dort nieht bekannter Genera
aus, wovon beiläufig nur Cymindis, Dromius, Dyschirius,
Omophron, Anchomenus, Trechus, Bembidiun, fast alle
Hydrocuntharen - Gattungen, viele Siaphylinen - Genera,
wie Sienus, Myrmedonia, Homalotlu ete., Xylelima, Dor-
catoma, Anobium; Plinus, Anthrenus, Scydmaenus ,
Bryaris, Euphlecius, Strongylus , Cryptophagus, Allage-
nus, Trinodes, Georyssus, Hydraena, Macronychus, An-
tisoloma, Anthicus, Anaspis, Myclerus, Cis, RBhizopha-
gus, Dendrophagus etc. angeführt werden sollen. Eben
so kehren in den Hemipleren und Lepidopleren
Europäische Arten und häufig Europäischer Typus wieder.
Ausserdem zeigt sich, dass, wie zu erwarten, die Ostküste
von Afrika und Madagascar das Bindeglied zwischen Ame-
rika und Ostindien bilden, indem Genera, die einmal von
Amerika bis dorthin verdringen , auch in Ostindien erschei-
nen; so z. B. @alerita, die hisher aus Asien noch nicht be-
kannt war. Von Dipteren und Hymenopteren ist
wenig und meist Bekanntes vorhanden , nur mehrere Amei-
sen dürften neu sein. Von Arachniden und Scorpioniden,
Suliden sind mehrere ausgezeichnete Formen da. Conchy-
lien sind wenige und in schlechten Exemplaren und nichts
Neues. Was die Vögel betrifft, so erklärt ihre meist be-
deutende Locomotionsfähigheit leicht eine grosse Verbrei-
— 124 —
tung, die sich auch hier nach einer flüchtigen Durchsicht
zeigt, und über die Herr Dr. Schmidt-Göbel keine De-
tails gab, da. er diese Abtheilung, so wie die Pflanzen;
nicht selbst bearbeitet. Letztere weichen fast weniger von
denen der Ostküste von Deccan ab, als man erwarten
könnte; der Grund davon ist wohl, dass ein grosser Theil
derselben an den Küsten gesammelt ist, wo sich denn diese
Aehnlichkeit der Flora von selbst erklärt. Doch ist immer
manches Neue und Interessante darunter. Gramineen,
Cyperaceen, Laurineen, Myriaceen, Piperuceen , schei-
nen am stärksten vertreten , wohl auch mit desshalb, weil
sie sich noch am besten einlegen und erhalten lassen. Eine
bedeutende mineralogische und geognostische Sammlung
blieb der grossen Transportkosten halber in Mergui liegen.
Hr. Dr. Hammerschmidt erstattete einen gedräng-
ten Bericht über die letzte Sendung des seit November v. J.
in Mexico befindlichen Pflanzen-Sammlers, Herrn Carl
Heller. Derselbe hat nun, wie bereits öffentliche Blätter
auzeigten, mehrere Transporte mit den seltensten lebenden
Pflanzen an die Gartenbau -Gesellschaft und an die ihn be-
züglich seiner Reise unterstützenden Gönner übermittelt; die
letzte vor Kurzem hier eingetroffene Sendung , aus 13 Ki-
sten bestehend, kömmt aus der Gegend von Hoatusco ; sie
ging am 5. Juni auf der Barke ‚„.‚Echo“ von Vera-Cruz ab,
und langte direet über Hamburg am 14. August in Wien an.
Leider ist der fleissige und umsichtige Sammler durch die
zwischen Mexico und Nord - Amerika eingetretene Feindse-
ligkeit und durch die Blockade der mexicanischen Seehäfen in
den nächsten Sendungen gehindert. Er gedenkt bezüglich sei-
ner weitern Reise folgenden Plan zu verfolgen : Ende Juni
will er von Huatusco abreisen und die Haupistadt Mexico be-
suchen, sich hier einen Monat aufhalten, um die Sammlun-
gen zu benützen, Anfangs August den Bezirk von To-
luca bereisen, im September bis November die Landstrecke
von Toluca bis Tasco durchziehen, und im Dezember einen
Haupt-Transport absenden. Im Januar 1847 will er Pas-
quaro und den Vulkan Jorullo besuchen, und im Februar
und März über Valladolid bis zum Vulkan Taneitaro und
Colima vordringen, von hier soll ein weiterer Transport ab-
— 125 —
gehen, und dann die Rückreise über Mexico und Vera-Cruz
erfolgen. wo er Anfangs Mai einzutreffen gedenkt. Ob und
in wie weit dieser Reiseplan eine Abänderung erleidet, hängt
von den nächsten Kriegsereignissen ab. Es beginnt nun
für unsern thätigen Sammler der zweite und zwar gefährli-
chere Theil seiner Reise, und wir rufen ihm daher ein
freundliches „Glück auf** in die Urwälder von Mexico nach.
In der gegenwärtigen Sendung findet sich wieder eine
reiche Ausbeute, von Seltenheiten und Novitäten: eine
Agave nov. spec. mit dunkelblauen Stacheln, mehrere
Pracht- Exemplare von Yucca longifolia von ausserordent-
licher Grösse, 2 Arten vou Furcroya, wahrscheinlich neu,
von Macleania insignis mit scharlachrothen Blüthen, viele
grosse, knollige Wurzelstücke von Maratlia, baumartige
Farren, Knollen von Echiles- Arten, durch ihre grossen
Blumen ausgezeichnet; sehr grosse Exemplare von Rox-
burghia - Arten, zwei neue Bromelien - Arten, einige hun-
dert Arten Orchideen, worunter ganz neue Epidendron,
Muxillarien, Marmodes, Oncidien, Loelien, Perislerien,
Odontoglossum, Uyenochen Cyrtochilen sich befinden.
Ausser diesen lebendigen Pflanzen, die alle in sehr gu-
tem Zustande ankamen, sandte Heller viele neue Säme-
reien,, eine Kiste mit sehr gut erhaltenen Coniferen-Samen
der verschiedensten Arten, ausgezeichnete getrocknete
Pflanzen, einiges an Inseceten und ein Paar Mammalien,
wovon eines aus der Familie der Nager sein dürfte. In der
oben bemerkten neuen Agave fanden sich fünf rothe,
1—1:/, Zoll lauge Larven eingefressen, wovon Dr. Ham-
merschmidt ein Exemplar der Versammlung vorwies;
derselbe wird versuchen, diese Larven aufzuziehen, und
über die Verwandlung dieses mexicanischen Insekts seiner
Zeit die Beschreibung liefern.
Hr. Rumler, Custos-Adjunkt am k. k. Hof-Minera-
lien-Cabinete, zeigte eine kleine, von dem Mechaniker
Duenbostel verfertigte Oehlpumpe vor, welche durch_
die Rotation eines elektromagnetischen Ankers in Bewegung
gesetzt wird. Diese Pumpe nahm die Aufmerksamkeit der
Anwesenden wegen ihrer genauen und reinen Ausführung
in hohem Grade in Anspruch. Hr. Rumler erklärte in
— 126 —
einem kurzen Vortrage das Prineip, auf welchem die Bewe-
gungskraft des ganzen Apparates beruhet, und beschrieb
sodann die einzelnen Bestandtheile desselben.
17. Versammlung, am 24, August.
Wiener Zeitung vom 15. September 1846.
Hr. V. Streffleur, k.k. Hauptmann, gab eine allge-=
meine Uebersicht der Theorien, welche der k. k. Herr
Oberst von Hauslab und derjenigen, welche er
selbst zur Erklärung der Ursachen für die Umbil-
dungen der Erdoberfläche aufgestellt hat, als
deren Folge oder Wirkung die einzelnen That-
sachen sich ergeben, die nicht isolirt dastehen,
sondern im ;begründeten ununterbrochenen
Zusammenhange, sowohl dem Raume als der
Zeit nach erscheinen sollen. Er bezog sich dabei auf
die bereits gewonnene bedeutende Ausdehnung positiver geo-
graphischer und geologischer Kenntniss, nach den Arbeiten
Ritter’s, Boue's u. s, w.
Hr. v. Hauslab, dieser eifrige Forscher in den Na-
turwissenschaften,, bedient sich einer eigenthümlichen gra-
phischen Methode. Er brachte alle physikalischen Er-
scheinungen auf der Erdoberfläche und in der Atmosphäre
im Zusammenhange in übersichtliche Bilder, und zwar in
einer Art, dass sie von Jedem schnell verstanden werden
können. Während Berghaus in seinem physikalischen
Atlas die Richtung der Wind- und Meeresströme z. B. nur
mit vereinzelnten Pfeilen andeutet, wählte Hr. v. Haus-
lab eine Bezeichnungsart,, welche auf den ersten Blick den
ununterbrochenen Zusammenhang der Erscheinungen zu er-
kennen gibt. Besonders interessant unter vielen andern
Karten ist Eine, worin er, mit Berücksichtigung des jetzi-
gen Reliefs der Erde, den ehemaligen Zug der Meeres-
ströme über die Continente nachweist. Am ausführlichsten
beschäftigte er sich mit der Untersuchung der Terrainfor-
men. So wie Mohs an den Mineralien deren Gestalt,
— 127 —
Härte, Gewicht ete., kurz alle naturhistorischen Eigen-
schaften beobachtete , sie in Species, Genera, Ordnungen
und Classen theilte, und die Mittel angab, sie zu erken-
nen und zu unterscheiden, eben so untersuchte Herr von
Hauslab die Terrainformen auf der gesammten Erdober-
fläche, theilte sie in Arten, Geschlechter, Ordnungen und
Classen, zeichnete und modellirte alle diese Formen sowohl
im Einzelnen, als auch’ nach ihrer Verbindung und nach ih-
rem Vorkommen auf der Erdoberfläche, und schloss zuletzt
auf die Art ihres Entstehens, je nachdem sie die Spuren der
Feuer- oder Wasserbildung an sich tragen. Im Jahre 1843
sendete Hr. v. Hauslab mehrere dieser ganz eigenthüm-
lich gezeichneten Karten an die geologische Gesel}schaft
von Frankreich, deren Mitglied er ist, welcher Arbeit im
Bülletin 1844, pag. 569 Erwähnung geschieht. Sie bestehen
aus einer Weltkarte, und Blättern von Europa, Spanien
und der Türkei, nebst mehreren Seekarten, alle mit Hori-
zontalschichten und der Art colorirt, dass jede höhere
Schichte im Gebirge und jede tiefere Schichte im Meere
immer einen um einen Grad dunkleren Ton erhielt. Das
Relief tritt dadurch ungemein deutlich hervor. Durch diese
Karten suchte Hr. v. Hauslab nachzuweisen, welche auf-
fallende Aehnlichkeit zwischen den Formen am Grunde des
Meeres und auf den Continenten besteht, und wie an bei-
den Orten die Beckenform vorherrseht. Also auch die jetzi-
gen Hochländer und Gebirge bildeten einst die Ränder von
Meeresbecken. Ferner gab Hr. v. Hauslab strenge Un-
terscheidungs- Merkmale an, für orographische , hydrogra-
phische und geognostische Becken, und zeigte, dass auf
der ganzen Erdoberfläche, mit Hinweglassung der subor-
dinirten Becken, eigentlich nur fünf grosse, geognostische
Becken vorkommen, wovon das nord-atlandische die Rei-
henfolge eller Formationen in grosser Ausdehnung und Ent-
wickelung, das süd-atlandische und indische Spuren der-
selben im geringen Masse zeigen, in den beiden oceani-
schen aber die Mittelglieder fehlen, und die tertiäre unmit-
telbar auf die krystallinische, sogenannte Urformation
folgt. Auf diese Art — also nur durch die Hilfe der Zeich-
nung und des Zusammenfassens gleichartiger Erscheinun-
— 128 —
gen — ist es Hrn. von Hauslab möglich geworden,
eine bestimmte Ansicht von der Anordnung der Vertheilung
der Mineralien im Raume aufzustellen.
Eine andere Theorie, den Zusammenhang der Erschei-
nungen zu begründen, stellte Herr Hauptmann Streff-
leur auf.
Er hatte Gelegenheit gehabt, die Arbeiten von Haus-
lab’s und dessen Untersuchungen der Terrainformen genau
kennen zu lernen, und war dadurch zur Ueberzeugung ge-
kommen, dass eine richtige Zeichnung der Raumverhältnisse,
in welchen die einzelnen 'Thatsachen zu einander stehen,
das Urtheilen und Anffinden von Ursachen des allgemeinen
Zusammenhanges ungemein erleichtern. Er fing sonach
selbstständig zu zeichnen und zu combiniren an, und be-
mühte sich nebst der Gebirgsentstebung auch andere zur
Geschichte der Erdoberflächenbildung gehörige Erscheinun-
gen zu erklären, z. B. die Ursachen der Temperatur - Ver-
änderung auf der Erdoberfläche, die Ursachen des Niveau-
Unterschiedes der Meere, die Nivcau-Veränderungen des
Meeres bezüglich des Festlandes, namentlich das Sinken
oder Steigen des Meeres, die Hebung Schwedens, Chilis,
Italiens, etc., ferner den Ursprung und die Verbreitung der
grossen Fluthen, das Vorkommen der Mammuthe in Sibi-
rien, die Ursachen des specifischen Gewichtes des Seewas-
sers, die Verbreitung der erratischen Blöcke u. s. w. —
lauter 'Thatsachen, die durchaus nicht ausser dem Zusanm-
menhange mit der Gebirgsentstehung gelassen werden kön-
nen, und die Hr. Streffleur alle aus einer allgemeinen
Ursache, nämlich aus der Einwirkung der Rotation auf das
Flüssige,, abzuleiten sucht. Hr. Streffleur benützte da-
bei Hrn. v. Hauslab’s Methode der graphischen Darstel-
lung, doch machte er auf den eigenthümlichen Weg auf-
ınerksam, den er bei seinen Forschungen befolgte, und der
ihn zu Resultaten führte, die dann Haupigegensätze zu
dem bilden, was, wie er angibt, jetzt in der Geologie all-
gemein für richtig gehalten wırd, und zwar gibt er an:
1) Die Continente zeigen unläugbare Spuren einer ehe-
maligen Wasserbedeekung. Die Geschichte jedes Conti-
—. 189 —
nentaltheiles als solcher beginnt nun mit dem Augenblicke;
als er sich der Meeresbedeckung entzieht, und zur Bede=
ekung mit Land-Gewächsen und Thieren fähig wird: Theilt
man das jetzige Relief der Erde nach seinen absoluten Hö=
hen über dem Meere nach aufwärts durch horizontale
Schnitte in Schichten, und nimmt man für die urweltlichen
Zeiten den Stand des Wassers die höchsten Schichten be-
deckend an, so glaubt man allgemein, —es möge das Was-
ser langsam sinken, oder die Continente langsam über das
Meer emporsteigen, — dass die obersten Schichten, näm-
lich die Bergspitzen, zuerst, und die untersten Schichten
über die Flachländer zuletzt trocken wurden.
Herr Hauptmann Streffleur im Gegentheile geht von
der Ansicht aus, dass die Wassserbedeckung einer rotiren=
den Kugel (wie es sich durch Experimente nachweisen lässt),
von den Polen sich abzieht und am Aequator sich aufhäuft;
wodurch bedeutende Höhen in der Nähe des Aequators noch
lange. unter Wasser bleiben, während die Flachländer zu=
nächst den Polen schon trocken liegen, demnach als Conti-
nente älter sein müssen, als äquatoriale Hochländer. Die
geognostischen Untersuchungen auf der Erdoberfläche be-
stätigen diesen Satz, indem man tertiäre Bildungen unter
der Meeresbedeckung auf den hohen Puncten des asiati-
schen Hochlandes, in Amerika und in den Alpen findet;
während solche in den flachen Polarländern gar nicht anzu=
treffen sind, was sicher beweist, dass die hohen Gegenden
näher dem Aequator noch unter Wasser standen, während
die flachen Polarländer schon trocken lagen. Aus diesem
Satze folge ferner der alimälige Uebergang des Klimas
aus dem allgemein feuchtwarmen, winterlosen, in immer
grössere Gegensätze, das Vorkommen der einheimischen
Palmen und Mammuthe in Sibirien, die Art der Verbreitung
der Pflanzen und Thiere auf der Erdoberfläche und die all-
gemeine Verbreitungsart der Mineralien.
2) In allen Geologien und physikalischen Lehrbüchern
kommt folgender Satz vor: ‚‚Es ist allgemein für richtig
anerkanntes hydrostatisches Gesetz, dass; wenn der Was-
serspiegel der unter sich zusammeuhängenden Meere an
einem Örte erhöht oder erniedrigt wird, zum Gleichgewichte
Freunde der Naturwissenschaften in Wien I; 9
— 130 ° —
der Flüssigkeit, eine eben so grosse Erhöhung oder Ernie-
drisung über der ganzen Wasserfläche verbreitet werden
muss, und da nun in der Gegenwart gleichzeitig örtliche
Erhöhungen und Erniedrigungen des Meeres - Niveaus an
verschiedenen Küsten wahrgenommen werden, so schliessen
die Geolegen, dass das Festland sich örtlich heben und sen-
ken müsse.“
Nach Hrn. Hauptmann Streffleur stehen die Conti-
nente fest, und das durch die Rotation bewegte Meer ist
es, welches in Folge der Veränderungen des Meeresgrun-
des, und durch zeitweises Zu- und Ablenken der Meeres-
ströme gegen und von den Continenten, an gewissen Kü-
sten ein zeitliches Steigen oder Fallen des Wasserspiegels
hervorruft. Aus diesem Satze erklärt Streffleur die
Ursachen des Nivean - Unterschiedes der heutigen Meere,
so wie alle angenommenen Hebungen und Senkungen der
Continente, nur als Folge veränderter Localverhältnisse
und eben so das allgemeine Sinken des Meeres - Nivean’s
durch die Veränderung der Configuration des Seegrundes.
3) Nehmen nach Herrn Hauptmann Streffleur alle
Geologen an, sie mögen der plutonischen, neptunischen oder
der Kıystallisations - Theorie angehören, dass iu einem
Raume auf der Erdoberfläche, in. welchem sich Sediment-
gesteine gebildet haben, die tiefen Stellen sich mit diesem
Gesteine mächtiger als die seichten ausfüllten oder über-
deckten, so dass man die Ablagerungen horizontal oder
nach der Unterlage geneigt, doch aber in den Tiefen immer
mächtiger, als an den Rändern annehmen müsse.
Herr Hauptmann V. Streffleur selbst bezieht alles
auf das Maass der Bewegung oder die Ruhe des Wassers,
‚und behauptet, dass die Niederschläge aus dem Wasser, sie
seien mechanischer oder krystallinischer Natur, im beweg-
ien Wasser auf und an den Grundhöhen und nicht in der
Tiefe, im ruhigen Wasser aber in den Grundtiefen sich bil-
den. Aus diesem Satze endlich, in Verbindung mit dem
ersten, folgt auf der ganzen Erdoberfläche local begründet,
die Lagerungsart der Gebirgsgesteine, je nachdem sie auf
den Höhen oder die Tiefen ausfüllend zu finden sind, und
— 131 —
insbesondere die Geschichte des scheinbar so verworrenen
europäischen Bodens.
Herr Hauptmann V. Streffleur legte endlich das
von ihm so eben herausgegebene Werk vor: „Die Ent-
stehung der Continente und Gebirge unter dem
Einflusse der Rotation“, und empfahl vorzüglich die
von Herrn Obersten v. Hauslab vorgeschlagene graphi-
sche Methode bei der Beurtheilung der Resultate geologi-
scher Untersuchungen:
Herr Dr. Hammerschmidt zeigte der Versammlung
ein den Naturforschern noch wenig bekanntes Thier
aus der Familie der Nagethiere. Dasselbe wurde von
dem gegenwärtigtin Mexico befindliehen Pflanzensammler
Hrn. Carl Heller mit der letzten Sendung übermittelt ,
und dürfte das in Wiegmanns Archiv, 10, Jahrgang.
Pag: 240, von Reichardt und in Schinz Synopsis mam=
malium, unter dem Nahmen: Cercolabes Liebmanni (Lieb-
manns-Cuiy), beschriebene Thier sein. Dasselbe gehört
zur Abtheilung der Stachelschweine (Hystrix),; welche
Thiere in der Landessprache in Mexico: Coendu heissen:
Das Thier misst von der Schnauze bis zum Schwanzende
2—2'/; Schuh und ist von schwärzlich brauner Farbe. An
der Schnauze hat es kurze Borsten, die einzelnen Haare
des Schnurrbartes sind 4—6 Zeil lang, schwarz, an der
Spitze bräunlich : der Kopf ist mit festen in eine sehr feine
Spitze auslaufenden '/,—1 Zoll langen Stacheln dicht be-
setzt; die einzelnen Stacheln sind glänzend lichtgelb, glatt,
an der Spitze etwas rauh und schwarz; der Rücken, die
Brust und die Seiten des Körpers sind ebenfalls mit ähnlichen
Stacheln, aber nicht so dicht besetzt als derKopf; die Sta-
cheln selbst unter den 2—3 Zoll langen sehr dichten schwarz-
braunen Pelzhaaren verborgen; die längsten Stacheln bis 2
Zoll lang befinden sich am Rücken und an den Seiten; die
Farbe des dichten Pelzes wird von den Seiten an gegen den
Bauch zu lichter, die Haare selbst an letzterer Stelle wolli-
ger; der Schwanz 6—8 Zoll lang, ist bis über die Mitte mit
dünnen Stacheln und schwarzen Borsten bedeckt, gegen die
Spitze zu aber fast kahl und mit Schuppen versehen; die
Klauen sind scharf, die Füsse kurz, In der zoologischen
g*
— 133 —
Sammlung des hiesigen k. k. Hof-Naturalien-Cabinetes fin-
det sich das angezeigte Thier nicht vor. — Ausser dem eben
beschriebenen Cercolabes Liebmanni übermittelte Hr. H el-
ler auch noch zwei Exemplare von Cercoleples caudivol-
vulus (Viverra caudivolvula), Männchen und Weibchen;
ein ebenfalls in den zoologischen Sammlungen nicht häufig
vorkommendes Thier, welches auf den Antillen, in Suri-
nam und in Mexico vorkömmt, und zur Familie der Bären
gehört. Alexander v. Humboldt hat dieses Thierchen
in Südamerika am Rio negro angetroffen, wo es Manavier
heisst ; dann in den Urwäldern von Maranham und in Neu-
Granada. Seinem Betragen nach ist es ein Gemisch von
Bären, Hund, Affe und Zibeththier, der Leib ist marderför-
mig gestreckt, der Kopf fuchsartig, der Pelz sehr weich,
hellbraun, 'gegen den Bauch zu lichtgelb und go!dschim-
mernd; der Schwanz so lang als der Leib, ist dicht kurz
behaart und dient dem Thier, so wie jener der Wickel-
Affen um sich an den Zweigen fest zu halten, um auf
Bäume zu klettern und Gegenstände damit zuznziehen. Nach
Owen fehlen diesem Thiere die Schlüsselbeine, wie andern
zu dieser Familie gehörigen Thieren. Das von Hrn, Dr.
Hammerschmidt vorgezeigte 'Thier misst von der
Schnauze bis zum Schwanz 18 Zoll, der Schwanz selbst
ebenfalls 18 Zoll.
Herr Franz Ritter v. Hauer machte eine Mittheilung
über die braunkohlenführenden Gebirgsschichten der
Gegend von Guttaring und Althofen in Kärn-
then, welche, ungefähr 4 Meilen nordöstlich von Klagen-
furt gelegenen Orte, er im Laufe des diessjährigen Som-
mers in Gesellschaft des Herrn A. v. Morlot besucht
hatte. Die obersten Schichten der im Ganzen nur wenig
ausgedehnten Ablagerung bestehen aus einem mit zahllosen
Nummuliten ganz erfüllten Kalksteine; darunter liegen theils
gelblich, theils grau gefärbter Mergel mit verschiedenen
organischen Resten. Den tieferen 'Theilen dieser Mergel-
schichten ist ein Braunkohlenflölz eingelagert, welches be-
reits seit längerer Zeit im Abbau steht. Die ganze Bildung
voht auf älterem Schiefergebirge.
eg 7 pi
Es war bisher noch nicht mit voller Sicherheit ermit-
telt worden, welcher Formation die Schichten von Gutta-
ring zuzurechnen seien. Keferstein, in seiner geogno-
stischen Darstellung von Deutschland, VI. pag. 197, ob-
schon die Aehnlichkeit der daselbst gefundenen Fossilien,
mit denen der Tertiärepoche anerkennend, rechnet sie den
Flysch oder Gosaubildungen zu; eine Ansicht, der man in
neuerer Zeit ziemlich allgemein beizustimmen scheint. Auf
der geognostischen Karte von Deutschland, herausgegeben
beiSchropp in Berlin, sind sie als miozen angenomen.
Boue in seinem Apercu sur la conslilution geologique des
Provinces Illyriennes in den Memoires de la societe geolo-
gique de France II. p. 84 hebt die Aehnlichkeit einiger
Guttaringer Fossilien mit denen des Pariser Backen hervor,
und vermuthet, sie seien eozen.
Durch eine grössere Anzahl von te Resten,
die Hr. v. Hauer von Guttaring für das k. k. montanisti-
sche Museum mitbrachte und den Anwesenden vorzeigte,
wird diese Vermuthung aufs Vollständigste bestätigt. Es
finden sieh darunter:
Myliobales goniopleures Ag.
Crustaceen.
Natica intermedia J,am. In den Sammlungen gewöhn-
lich als Ampullaria, und von Keferstein als A. nobilis
bezeichnet.
Turritella am ähnlichsten der 7. imbricalaria Lam.
Fusus scalaris Desh.
Cerithium combuslum Brongn.
5 lamellosum Desh.
jr mutabile Lam, oder funalum Sow.
Serpula nummularia u. a.
Alle diese Fossilien gelten ais bezeichnend für Eozen-
Bildungen, Corbula crassa allein erinnert an Miozen-
Schichten; aber keine einzige Art der Gosauformation wurde
angetroffen.
Die Uebereinstimmung der erwähnten kleinen Ablage-
rung mitten im Zentralstocke der östlichen Alpen mit der
älteren Tertiärformation der Umgebungen von Paris und Lon-
don erscheint um so auffallender, wenn man bedenkt, dass
— 134 —
alle genauer bekannten Molasse-Ablagerungen in den östli-
chen Theilen der Oesterreichischen Monarchie, im südlichen
Steiermark, in Ungarn und Siebenbürgen, in Galizien u. s w.,
so wie das Becken von Wien selbst, der mitteltertiären
Epoche angehören, ja dass die genannte Formation, mit
Ausnahme des Val die Ronca im Vizentinischen, noch nir-
gends in unserem Kaiserstaate mit Sicherheit nachgewie-
sen wurde.
Schliesslich zeigte Hr. v. Hauer einen Fusus scalaris,
den das k. k. montanistische Museum von Hrn. Al. v.
Schwab aus den Braunkohlenwerken bei Gran in Ungarn
erhalten hatte, und der auf das Vorhandensein von Eozen-
schichten auch in dieser Gegend hinzudeuten scheint.
Hr. Professor Johann v. Pettko von Schemnitz setzte
die Gründe auseinander, welche die Aufnahme der che-
mischen Eigenschaften derMineralien in die Mi-
neralogie, die vorzugsweise Mohs aus derselben gänzlich
ausgeschlossen wissen wollte, nicht nur zulässig, "sondern
auch nothwendig machen. Nach seiner Ansicht macht die
Chemie selbst einen wesentlichen Theil der allgemeinen Na-
turgeschichte aus, und ihre Resultate können und müssen
daher in der Mineralogie mit demselben Rechte und Noth-
wendigkeit benützt werden, mit welchem die Resultate der
letzteren in der Geologie in Anwendung kommen.
ml
18. Versammlung, am 31. August.
Wiener Zeitnng vom 22. September 1846.
Herr Professor R. Kner aus Lemberg zeigte einer
Versammlung von Freunden der Naturwissenschaften eine
fossile Sepienschulpe aus dem.Grauwackenge-
hirge des östlichen Galizien. Er bezeichnete als vorzüg-
lich günstig für das Studium der neptunischen Formatieneh
die Länderstrecke, welche zwischen dem Dniester und dem
Höhenzuge gelegen ist, welcher bei Zloczow und Tarnopol
die Wasserscheide zwischen der Ostsee und dem Schwarzen
Meere bildet, Vom Stromthale des Dniesters aufwärts längs
— 135 —
eines der Nebenflüsse, z B. der Niezlowa oder des Sered
bis gegen Tarnopol durchwandert man so zu sagen alle
Jahrtausende, die zur Ablagerung neptunischer Bildungen
von ihrem ersten Beginn bis zur jüngsten Vergangenheit er-
forderlich waren. Vom halbmondaugigen längst verschwun-
denen Trilobiten durch die artenreiche Kreide der Secundär-.
zeit bis zu den bekannten Muschelformen der Tertiärbil-
dungen zieht sich die lange Reihe verschieden geformter
Organismen, die wohl alle fast auf demselben Raume
aber in sehr entfernten Zeiten lebten und die nun alle im
nahen Vereine, in Einem Zeitraume zu überblicken und
zu erforschen dem Beobachter gegönnt ist. Hr. Prof. Kner
durchforscht seit einigen Jahren die reichen Fundgruben
jener Ablagerungen und beabsichtigt, das viele Neue, wel-
ches 'er’ schon gefunden hat, nach und nach bekannt zu
machen. Eine vorläufige Mittheilung schien besonders der
heute vorgezeigte paläozoische Ueberrest zu verdienen.
In der, im weiten Umfange des Dniester - Gebiethes
ausgedehnten Grauwacken-Formation, über welche Pusch
in seinem verdienstvollen Werke leider nur kurze Andeu-
tungen geben konnte, fand Prof. Kner schon bei einer
früheren Excursion im Jahre 1844 Bruchstücke einer Schale
oder eines Gehäuses von eigenthümlicher Struktur, von
denen sich weiter nichts bestimmen liess, als dass es kei-
ner Muschei oder Schnecke angehöre.
Bei einer diessjährigen im Julius unternommenen Excur-
sion war derselbe so glücklich, in Zaleszezyk ein voll-
ständiges Exemplar dieser vermeintlichen Schale zu erhal-
ten, deren Totalform für den ersten Anblick allerdings an
einen Myacit erinnerte! Bei genauerer Betrachtung ver-
schwand jedoch diese scheinbare Aehnlichkeit. Die eigen-
thümliche zweifache Structur liess erkennen, dass sie, wie
schon Prof. Bronn nach einigen, demselben mitgetheil-
ten Bruchstücken vermuthete, einem Sepienähnlicheu Thiere
angehören könnten. Das von Hrn. Prof. Kner aufgefun-
dene Exemplar, das erste und bisher einzige von solcher
Grösse und Vollständigkeit, bestätigt auf das bestimmteste
‚diese Vermuihung. Es hat in seiner äusseren Form die
grösste Aehnlichkeit mit der sogenannten Schulpe des ge-
— 136 —
meinen Tintenfisches (Sepia officinalis) , ist so wie diese
oval gestaltet und aus zweierlei Schichten zusammenge-
setzt, aber etwas kleiner, 2 Zoll breit und ungefähr 4 Zoll
lang. Es sitzt mit der äusseren Fläche auf einem grauen
Kalksteine auf, so dass diese nicht sichtbar ist. Die Innen-
fläche der äusseren Lage ist an einigen Stellen, wo die
innere Schichte weggebrochen ist, hlake gelegt, und zeigt
hier concentrische Linien; wie die gemeine Sepia, die je-
doch ausserordentlich fein, und nur durch die Loupe sicht-
bar sind. Viel wesentlicher noch weicht die innere Schichte
ab. Bei der gemeinen Sepia besteht diese bekanntlich aus
zahlreichen übereinanderliegenden Blättchen, die durch fa-
serige Kalkmasse von einander getrennt sind, ‘und in so
grosser Anzahl übereinder liegen; dass sie noch über die
Innenfläche der äusseren Schichte hervorragen, so zwar,
dass hier die Aussen- und Innenfläche convex erscheinen.
Bei dem vorgezeigten Fossile dagegen hesteht sie aus kur-
Zen, soliden , meist sechsseitigen ‚Säulehren, die senkrecht
auf die Innenfläche der äusseren Schichte gestellt sind, und
diese wie ein Pflaster bedecken. Sie sind in der Mitte
kleiner, an den Rändern grösser, und gegen Innen noch
von einer dünnen, glatten, bläulichweissen Kalkschichte
bedeckt. Die Innenfläche der ganzen Schulpe ist hier noch
tief concav.
Es wurde noch besonders darauf hingewiesen, dass die
Schichten, in welchen diese Schulpe gefunden wurde, ent-
schieden der Grauwackengruppe und aller Wahrscheinlich-
keit nach dem silurischen Systeme angehören; während die
wenigen bisher gefundenen Fossilreste aus der Familie der
Sepiadae auf die Tertiär- und Jura - Epoche beschränkt
sind; ja von der ganzen Gruppe der Cephalopoda acetabu-
üifera kannte man bisher keine Ueherreste in Schichten
älter als der Lias.
Hr, Prof. Joh. v. Pettko aus Schemnitz hatte im
vorigen Jahre bei einer ausführlichern geologischen Unter-
suchung der Umgegend von Kremnitz auch die mannigfal-
tigen Uebergänge der trachytischen und andern
vulkanischen Gesteine aufmerksam verfolgt. Er zeigte
mehrere derselben in zu dem Zwecke gesammelten Reihen
— 137 —
von Exemplaren vor. Der Peristein geht durch den
Sphärulitfels in den Feldsteinporphyr über. Dieser
zeigt sich in der Umgegend von Kremnitz in der That als
ein durchaus dichter Sphärulitfels. Auch der Mühlsteinpor-
phyr schliesst sich denselben an. Anderer Seits geht der
Perlstein in den Bimsteinporphyr über, und zwar
kann man als Zwischenglieder die bimsteinähnlichea
Perlsteinschiefer betrachten. Endlich hat Herr Prof.
v. Pettko durch seine Untersuchungen nachgewiesen,
dass die Porzellanerde, welche bei der Kremnitzer
Geschirrfabrik verwendet wird, eine verwitterte Porphyr-
breccie sei.
Eine andere Mittheilung von Herrn Prof. v. Pettko
betraf ein interessantes Vorkommen von Basalt aus
der Gegend von Kremnitz, welches durch einen Durch-
schnitt erläutert wurde. Dieser Basalt erhebt sich in dem
Bassin von Jasztraba aus einem braunkohlenführenden Sand-
steine zu dem steilen Kegel Ostra Hora, und sendet von
da einen etwa zwei Stunden langen, und stellenweise meh-
rere hundert Schritte breiten Strom von gleicher Beschaf-
fenheit in südwestlicher Richtung aus. Dieser letztere liegt
ganz auf Conglomeraten und Sandsteinen auf, und reicht .
ununterbrochen bis an das Kremnitzer Thal. Dort wird er
unterbroehen, und erscheint auf der andern Seite an dem
Berge Smolnik, nordöstlich von H. Kreuz als ein Basalt-
Plateau. Diesen letztern hat bereits Beudant beschrie-
ben , aber das Lagerungsverhältniss erschien immer räth-
selhaft, bis es gelang, ihn mit dem am jenseitigen Gehänge
anstehenden in Zusammenhang zu bringen, wodurch das
Kremnitzer Thal, wenigstens in seiner untern Hälfte, als
Auswaschungsthal erscheint.
Endlich legte Herr Prof. v. Pettko als Basis einer
neuen Betrachtungsart der Krystallsysteme die consequente
Annahme von parallelepipedischen Grundgestal-
ten vor.
Bekanntlich sind in zweien ‚der Krystallsysteme, wie
sie nun allgemein angenommen sind, die Grundgestalten
bei Mohs, das Hexaeder für das tessularische , und das
Rhomboeder für das rhomboedrische System: Die Grund-
— 138 —
gestalten für die übrigen Systeme sind die Pyramide
für das pyramidale ; das Orthotyp für das prismatische
System. Für das augitische und anorthische System sind
die Grundgestalten das Augitoid und Anorthoid, die
beiden letztern Namen von Haäidinger statt der M ohs-
schen Hemiorthotyp und Anorthotyp eingeführt.
Die letztern Vier haben sämmtlich dem Oktaeder ana-
loge Gestalten und sind von Dreyecken umschlossen. An
ihrer Statt substituirt Hr. Prof. v. Pettko parallelepipe-
dische Formen, welche in den Combinationen, eine dem
Hexaeder entsprechende Stelle einnehmen. Er leitet sie
durch Verlängerung einer oder zweyer der Axen aus den
zwei ersten der oben erwähnten Grundgestalten ab. Das
Hexaeder gibt durch Verlängerung der Hauptaxe ein
quadratisches, durch ungleiche Verlängerung zweier
Axen ein rechteckiges Prisma. Auf ähnliche Art er-
hält man aus dem Rhomboeder ein schiefes rhombi-
sches und ein schiefes rhomboidisches Prisma. Er
gab folgende Uebersicht der Krystall- Systeme nach ihren
Axen.
Die drei Axen der Grundgestalt:
rechtwinklig, schiefwinklig,,
alle gleich: tesseral, rhomboedrisch,
zwei gleich: pyramidal, augitisch,
alle ungleich; prismatisch, anorthisch,
und die krystallographischen Zeichen dieser Grundge-
stalten :
H, R,
Du... 0, 0. A,
0..=D. «DD, 0... »H. . «HH.
— 139 —
19. Versammlung, am 7. September.
Wiener Zeitung vom 11. October 1846.
Herr Dr. Moriz Hörnes erstattete Bericht über eine
Excursion, welche er kürzlich längs der eben im Bau
begriffenen Eisenbahn von Neustadt nach Oeden-
burg unternommen hatte, um die bei diesem höchst merk-
würdigen Bau bloss gelegten Gebirgsschichten zu stu-
diren, und die allenfalls vorkommenden fossilen organischen
Reste zu sammeln. Der 11 Klafter tiefe Einschnitt vor Mat-
tersdorf bot hierzu die beste Gelegenheit. Es zeigte sich
in den oberen Schichten ein graulich gelber, sandiger Thon
(Lehm) unter welchem der blaulichgraue Thon (Tegel)
folgte, der bis an den Grurd des Einschnittes fortdauert.
In einer geringen Entfernung von dem Einschnitte, gegen
Neustadt zu, befinden sich mächtige Sandablagerungen ,
welche unmittelbar auf dem Tegel zu liegen scheinen; die-
selben zeichnen sich durch ihren ungemein Petrefactenreich-
thum aus, es sind zwar nur wenige Species, dieselben aber
in ungeheurer Anzahl vorbanden. Diese sind Buccinum
baccalum. Bast. Murex sublavatus. Bast. Pleurotoma
rustica. Broce. Cerithium pietum. Bast. , inconslans.
Bast., plicalum. Lam. Trochus Bouei. Parisch, conifor-
mis. Eichw., Poppelackü. Partsch. Solen vagina. Lin.
Mactra inflata. Bronn. Crassatella dissita Eichw. Donax
Brocchü. Defr. Venus gregaria. Partsch. Cardium plica-
tum. Eichw., vindobonense. Parisch. und eine Modiolat.
Hr. Dr. Hörnes zeigte Exemplare davon vor. Ganz ge-
nau dieselbe Species, und auch nur diese kommen unter
ganz gleichen Verhältnissen zu Billowitz in Mähren, zu
Höflein, Hauskirchen, Pullendorf, Nexing, Gaunersdorf,
Pirawart, Traufeld, Azelsdorf, Ebersdorf im V. U. M. B.
ferner zu Mauer und Helles im V. U. W. W. und zu
Oedenburg in Ungarn vor, während an den so artenreichen
Fundörtern zu Baden, Möllersdorf, Gainfahrn, Enzesfeld,
Pötzleinsdorf, Grinzing, Steinabrunn keine Spur dieser
— 140 —
Versteinerungen zu finden ist, oder dieselben nur als eine
grosse Seltenheit vorkommen.
Hr. Dr. Hörnes erwähnte zugleich, dass er die An-
gabe der drei ersten höchst interessanten Fundorte, einer
freundlichen Mittheilung des Herrn Joseph Poppelack,
fürstlich Liechtensteinischen Architekten zu Feldsberg,
eines eifrigen Sammlers verdanke. — Herr Custos
Partsch hat bereits diese Sandschichten in den erläutern-
den Bemerkungen zu seiner vortreffliehen geognostischen
Karte des Beckens von Wien, als ein den Tegel bedecken-
des Glied der tertiären Ablagerungen nachgewiesen, und
nannte insbesondere die in diesen Sandlagern häufig vor-
kommenden horizontalen Bänke eines sandigen Kalkes mit
zahllosen Einschlüssen dieser Conchylien: Grobkalk. Auch
Herr Franz Ritter von Hauer, Assistent des monta-
nistischen Museums hat in seinem Aufsatze: „„Ueber die bei
der Bohrung eines artesischen Brunnens am Bahnhofe der
Wien-Raaber Eisenbahn durchfahrenen Gebirgsschichten“
(Wiener Zeitung vom 14. April 1546) nachgewiesen, dass
dieselben Versteinerungen , ebenfalls vereint, in einer Tiefe
von 77 Klafter sich vorfanden. Auch machte derselbe da-
mals schon aufmerksam, dass die Vertheilung der Fossilien
im Allgemeinen und die Sonderung der ganzen Formation in
einzelne Gruppen, Gegenstand vielfältiger Untersuchun-
gen sein dürfte. — Erwägt man, dass bis jetzt die fos-
silen Reste von nahe 700 Species im Tertiärbecken von
Wien aufgefunden wurden, so ist dieses locale Auftreten
einiger weniger Species in so ungeheurer Anzahl immer
höchst merkwürdig und dürfte in der Folge einen wichtigen
Stützpunct zur Enthüllung der Geschichte des Wiener
Beckens abgeben.
Am südwestlichen Ende des Ortes Mattersdorf findet
man ein Sandlager mit groben Geröllschichten, in welchen
sehr gebrechliche Conchylien-Fragmente von Conus Mercati
Brocc. , Conus fusco-cingulatus Bronn., Trochus palulus
Broce., Lucina divaricata Lam., Uyprina islandicoides
Lam., Venericardia Jouanneti. Bast., intermedia. Broce.
Isocardia cor. Lam., Chama gryphina Lam; ferner die
bis jetzt anderwärts im Wiener Becken noch nicht aufge-
— 141 —
fundenen Korallen: Porites Deshayesiana. Mich., Astraea
polygonalis. Mich., awvertiaca. Mich. , hirlolamellata
Mich., Gwueltardi Mich., microstella Mich. vorkommen ,
und welche daher mit den Ablagerungen von Pötzleinsdorf
sich parallelisiren lassen und nach Partsch als unterstes
Glied jener Sandschichten angenommen werden müssen.
In einem Einschnitte bei Rohrbach endlich kamen in
einem gelblich grauen Tegel jene Conchylien vor, welche
den tiefsten Schichten anzugehören scheinen, und welche
in zahlreichen Arten in den Ziegelöfen zwischen Baden und
Vöslau und zu Möllersdorf vorkommen. Als besonders cha-
rakteristisch wurden hervorgehoben: : Pleuroloma dubia Lam.
Trochus Schreibersianus Partsch., Dentalium elephanti-
num Broce., Bouei Desh. Turbinolia duodecim - costata
Goldf., cuneata Goldf. und mullispina. Mich. Schliesslich
sprach Hr. Dr. Hörnes noch den lebhaften Wunsch aus,
es möchten diese Andeutungen ein allgemeineres Interesse
an der Geschichte der Bildung unseres Bodens erregen, denn
nur vereinten Kräften bleibt es vorbehalten die Frage: „Wie
hat sich der Boden, den wir bewohnen, gebildet ?“ genü-
gend zu beantworten.
Herr Rumler, Custos-Adjunet am k. k. Hof-Minera-
lien-Cabinete, lenkte die Aufmerksamkeit der Anwesenden
auf eine von Herrn Peter Rittinger, k. k. prov. Poch-
werks - Inspector in Schemnitz angegebene, auf dem Prin-
cipe des Bader’schen Gebläses beruhende Saugpumpe
ohne Kolben. Es wird nämlich bei ihr der luftverdünnte
Raum und das Emporheben des Wassers dadurch bewirkt,
dass ein eisernes, mit einem Stengel-Ventil und einem Aus-
guss versehenes Rohr (das Saugrohr), indem es mit seinem
unteren Ende in Quecksilber taucht, senkrecht auf - und ab-
wärts bewegt wird.
Das Quecksilber befindet sich in einem Raume, welchervon
einem gleichfalls eisernen, an seinem oberen Ende durch ein
Stengel-Ventil geschlossenen Rohre (dem Steigrohre), und
von einem dieses umgebenden , etwas kürzeren, nach Oben
sich erweiternden, nach Unten aber durch einen Boden mit dem-
selben verbundenen Cylinder gebildet wird. Das Saugrohr ist
über das Steigrohr so geschoben, dass mit seinem unteren Ende
— 142 —
in das zwischen diesem und den dasselbe umschliessenden
Cylinder enthaltene Quecksilber reicht.
Hr. Rumler zeigte auch ein sehr gut gearbeitetes
Modell dieser Pumpe vor und beschrieb es in allen seinen
Theilen. Unter den Vortheilen , welche eine solche Pumpe
gewähren möchte, hob derselbe vorzügllich den heraus,
dass sich mittelst derselben trübes Wasser, selbst dann,
wenn es scharfen Sand mit sich führen sollte, ohne den
geringsten Anstand heben lasse, indem hier die bei den
Pumpen mit Kolben so schnell eintretende Abnützung des
letzteren nicht eintreten könne, wie sich dieses an einer
ähnlichen Pumpe , welche schon seit längerer Zeit in Schem-
nitz zum Heben der Pochtrübe angewendet wird, hinlänglich
bewährt haben dürfte.
Hr. Franz Ritter v. Hauer theilte einige Nachrichten
mit über das Vorkommen der Caprinen in den Gosau-
bildungen der österreiehischen Alpeu.
Eine sehr schöne Art dieses wenig bekannten Ge-
schlechtes findet sich zu Adrigang, nördlich ven Grünbach
am Fusse der Wand. Sedgwick und Murchison in ihrer
Abhandlung On the structure of Ihe easlern alps etc. elc.
gelesen in der geologischen Gesellschaft in England im
Jahre 1829, machten zuerst von einer an diesem Orte vor-
findlichen , aufgewachsenen Muschel Erwähnung, ohne je-
doch über ihre Bestimmung, etwas weiteres bekannt zu ge=
ben. Von demselben Fundorte brachte Herr Bergrath
W. Haidinger im Sommer 1842 eine schöne Suite von
Fossilien in das k. k. montanistische Museum und eben da-
hin kam eine reiche Anzahl von Stücken, welche späterhin
Hr. v. Hauer in Gesellschaft der Herren Dr. v. Ferstl
und Adolph Patera gesammelt hatte.
Diese reichen Vorräthe erlaubten eine genaue Untersu-
chung dieser Anfangs für Diceras gehaltenen Bivalve, wel-
che herausstellte, dass sie dem Geschlechte Caprina d’O r=
bigny (Vater) angehöre. Die merkwürdige Structur der
Deckelklappe, durch welche sich Caprina so auffallend von
allen bisher bekanuten Muschel= Geschlechtern unterschei-
det, ist an den Stücken, die den Anwesenden. vorgezeigt
wurden , vollkommen deutlich zu erkennen. Es zeigen sich
— 113 —
zwei gesonderte Schichten: eine sehr feine, mit concentri-
schen Zuwachsstreifen versehene, braun gefärbte Epider-
mis, und eine innere dicke Lage von weissem Kalkspathe,
die aus zahlreichen, verticalen, von Innen nach Aussen an
Zahl zunehmenden Lamellen besteht. Ist die Epidermis
zerstört, so erscheinen diese Lamellen als feine Radialstrei-
fen. Die kegelförmig aufgewachsene, mit einer sehr dicken
Schale versehene Unterklappe lässt nichts von dieser La-
mellenstructur wahrnehmen.
Das Schloss von Caprina ist bisher noch nirgends voll-
ständig beschrieben oder abgebildet. Es zeigt sehr grosse
Aehnlichkeit mit dem von Chama oder Diceras. An der
Unterklappe findet sich ein sehr starker Zahn, an der
Deckeiklappe sind zwei kleinere vorhanden. In jeder Klappe
‘findet sich eine Längsleiste, welehe das Innere der Muschel
unvollständig in zwei ungleiche Höhlungen theilt.
Unter den bisher bekannten Caprina - Arten mag die
-hier erwähnte Art am meisten Aehnlichkeit haben mit Cu-
prina Anguilloni D’Orb., unterscheidet sich aber von ihr
durch eine sehr verlängerte Unterklappe. Herr v. Hauer
schlägt für sie den Namen €. Partschi vor. Sie findet
sich auch in der Gosaäu selbst, jedoch, wie es scheint, sel-
tener. Ein sehr schönes Exemplar von dieser Localität aus
dem k. k. Hof- Mineralien - Cabinete wurde ebenfalls vor-
gezeigt. 3
Schliesslich erörterte Herr. v. Hauer noch die syste-
matische Stellung des Geschlechtes Caprina. D’Orbigny
betrachtet sie als den Hippuriten zunächst verwandt, und
- vereinigt sie mit diesen den Brachiopoden. Deshayes
zählt sie den Acephalen zu und stellt sie zunächst der Fa-
milie der Chamidae, Nach den Stücken von Adrigang zu
urtheilen hat die letztere Ansieht mehr Gründe für sich.
Nieht nur hat das Schloss von Diceras mit dem von
C. Partschi die grösste Aehnlichkeit, sondern auch die
‚oben erwähnte Längsleiste im Innern der Schale findet sich
an den Steinkernen von Diceras arielina aus Ernstbrunn als
vertiefte Furche wieder.
Eine ausführlichere Mittheilung über diese Gegenstände
wird in den ‚„naturwissenschaftlichen Abhandlungen, gesam-
—_ 144 —
melt und durch Subseription herausgegeben von W. Hai-
dinger,“ erscheinen. Die dazu gehörigen Abbildungen ,
theils von dem k. k. Berg-Practikanten Herın Paskal
Ritter v. Ferro, theils von Herrn Sandler angefertigt,
wurden gleichfalls vorgezeigt.
20, Versammlung , am 14. September.
Wiener Zeitung vom 25. October 1846,
Herr Franz Ritter v. Hauer legte ein so eben in
Paris in deutscher und französischer Sprache erschienenes
Werk zur Ansicht vor, welches den Titel führt:
„Die fossilen Foraminiferen des tertiären
Beckens von Wien, entdecktvon Sr. Exec. Rit-
ter Joseph v. Hauer und beschrieben von Alcide
d’Orbigny. Veröffentlicht unter den Auspicien
Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich,“ und
erstattete Bericht über den wesentlichen Inhalt dieses
Buches.
Die Foraminiferen sind bekanntlich mikroskopisch-kleine
Thierchen, äusserlich mit einer kalkigen Hülle bedeckt wie
viele Mollusken, jedoch weit weniger hoch organisirt als
diese. Ihr Körper besteht bisweilen aus einem, weit häufi-
ger jedoch aus mehreren Lappen oder Segmenten von glu-
tinöser Beschaffenheit, die in verschiedener Richtung an
einander gereihet sind; die Schale schliesst sich genau die-
sen Segmenten an und umhüllt sie gänzlich; sie hat häufig
die grösste Aehnlichkeit mit der Schale gekammerter Cepha-
lapoden, z. B. des Nautilus, ist jedoch ganz geschlossen ;
nur die letzte Kammer zeigt eine oder mehrere sehr kleine
Oeffnnngen , durch welche das 'Thier äusserst feine biswei-
len verästelte Fäden (Füsse) hervorstreckt, die zur Orts-
bewegung dienen. Auch die Ernährung muss durch diese
Fäden bewirkt werden, da das Thier im Innern der Schale
nur durch sie mit der Aussenwelt in Verbindung steht, doch
fehlen hierüber bis jetzt directe Beobachtungen. Im Em-
bryozustande bestehen alle Foraminiferen nur aus einem ein-
zigen Lappen, beim Fortwachsen kommen immer neue Seg-
-— 145 —
mente zu den schon vorhandenen hinzu, und nach der Rich-
tung, in welcher sie sich ansetzen, hat d’Orbigny die
Foraminiferen in sechs Ordnungen getheilt; so z.B. liegen bei
den Stichostegiern alle Segmente in einer geraden oder we-
nig gebogenen Linie, bei den Helicostegiern in einer Spi-
rale u. s.w. Die Foraminiferen sind, wie aus dem Gesagten
erhellt, viel einfacher organisirt als die Echinodermen, die
übrigens ähnliche Bewegungsorgane besitzen. Der Um-
stand, dass sie Einzelwesen sind, stellt sie über die Poly-
pen. D’Orbigny bildet daher aus ihnen eine eigene
Thierklasse , die er zwischen die Stellata und Zoo-
phyta stellt.
Die Foraminiferen leben häufig im Sande an den See-
küsten. Fossil hat man einzelne ihrer Schalen in der Koh-
lenformation und im Jura, weit mehrere in der Kreide und
in der Tertiärepoche gefunden.
Der Hr. geheime Rath v. Hauer entdeckte vor etwa
zehn Jahren in derNähe von Nussdorf bei Wien zufällig die
Schalen einer solchen Foraminiferen- Art; er ward dadurch
zu weiteren Forschungen veranlasst, welche nach und nach
in beinahe allen Schichten des Wiener Beckens die verschie-
densten Formen dieser Thierclasse erkennen liessen. Von
den untersten Schichten des 96 Klafter tiefen artesischen
Brunnens am Getreidemarkt in Wien, bis hinauf zu den
höchsten Stellen, an welche die Tertiärablagerungen des
Wiener Beckens an den dasselbe begrenzenden Höhen rei-
chen, findet man sie in zahlloser Menge und Mannigfaltig-
keit, so dass es zweifelhaft bleibt, soll man mehr die wun-
derbaren Verschiedenheiten ihrer zierlichen Gestalten, oder
mehr die unermessliche Zahl, in welcher sie sich vorfinden,
bewundern. Am häufigsten sind sie in den zwischen und
unter dem Leithakalk liegenden Mergelschichten beim so-
genannten grünen Kreuze westlich von Nussdorf. An einer
wenige Quadratklafter grossen Stelle findet man daselbst
an 100 verschiedene Arten. Nicht wenigere finden sich im
Tegel der Ziegelöfen bei Möllersdorf und Baden. Um sie
darin zu entdecken, muss man den Tegel, in welchem man
mit freiem Auge oft keine Spur von organischen Wesen
erblickt, schlemmen. Es gehen dabei alle feinen Thonpar-
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I. 10
— 146 —
tikelchen weg, und zuletzt bleibt ein sandiges Residuum
zurück , welches sich unter der Loupe als eine Anhäufung
der schönsten und mannigfaltigsten Foraminiferen-Formen
zu erkennen gibt.
Durch diese glänzenden Entdeckungen angespornt, ver-
suchte nun der Herr geheime Rath v. Hauer, diese Thier-
schalen zu sondern und zu bestimmen, und als sich in der
Literatur die hierzu nöthigen Hilfsmittel nicht vorfanden,
so wendete er sichfan Hrn. Alcide d’Orbigny in Paris,
der sich schon seit einer langen Reihe von Jahren mit ähn-
lichen Arbeiten beschäftigt hatte und nun mit der uneigen-
nützigsten Bereitwilligkeit die mühevolle Untersuchung der
Wiener Foraminiferen unternahm. Er erkannte sehr bald,
dass die grosse Mehrzahl derselben ganz neu sei und dass
eine Abbildung und Beschreibung derselben für die Wissen-
schaft höchst wünschenswerth erscheine.
Der Herr geheime Rath v. Hauer, nicht in der Lage,
die bedeutenden Kosten, die die Herausgabe eines derarti-
gen Werkes theils für das Lithographiren der kleinen Scha-
len die alle unter dem Mikroskope gezeichnet werden müs-
sen, theils für die Drucklegung der nöthigen Beschreibungen
fordert, aus eigenen Mitteln aufzubringen, und besorgend
die Früchte langjähriger mühevoller Forschungen wieder
verloren gehen zu sehen, wendete sich nun an Se. Ma-
jestät den Kaiser mit der Bitte um eine Unterstützung
zu diesem Zwecke. Seine Hoffnungen wurden nicht ge-
täuscht. Se. Majestät geruhten nicht nur in Berück-
sichtigung des hohen Interesses , welches eine in der Re-
sidenz selbst und ihrer nächsten Umgebung neu aufge-
schlossene Welt von mikroskopischen Thierchen für die
Wissenschaft bietet, die zur Herausgabe eines- solchen
Werkes nöthigen Geldmittel aus dem Staatsschatze zu be-
willigen, sondern nahmen dasselbe‘ unter ihren besonderen
Schutz , indem Sie auf den Titel desselben „veröffentlicht
unter den Auspicien Sr. Majestät des Kaisers von
Oesterreich‘* zu setzen erlaubten, und überdiess die Ver-
theilung von 100 Exemplaren, die von der Gesammt - Auf-
lage für das hohe Aerar vorbehalten waren, an alle bedeu-
— 1417 —
tendere in- und ausländische wissenschaftliche Corporatio-
nen, so wie an namhafte Privatgelehrte gestatteten.
Hr. Alcide d’Orbigny übernahm die Redaction, und
brachte nach zwei Jahren unausgesetzter mühevoller Arbeit
ein Werk zu Stande, welches sicher Epoche in der Wis-
senschaft machen wird. Er erkannte unter den Foramini-
feren des Wiener Beckens 228 verschiedene Arten in 47
Geschlechtern, eine Anzahl, wie er sie bisher noch an
keiner Stelle der Erde weder lebend noch fossil vereinigt
angetroffen hatte. So enthält z. B. die Fauna des adriati-
schen Meeres 140, die der Antillen 118 Arten. Von diesen
225 Arten finden sich 33 oder ungefähr 14 pCt. auch in der
Subappenninen-Formation der Umgebung von Siena, und
27 oder ungefähr 12 pCt. leben noch heute im adria-
tischen! Meere. D’Orbigny schliesst daraus, dass die
Schichten des Wiener Beckens, nicht wie Bronn und alle
neueren Forscher nach der Untersuchung der grösseren
Mollusken angenommen haben, miozen seien, sondern dass
sie so wie die Subappenninen - Schichten den Pliozenbil-
dungen zugerechnet werden müssen; eine Folgerung, die
jedoch sehr problematisch erscheint, und zu ihrer Begrün-
dung insbesondere noch eine Sonderung der einzelnen For-
men nach ihrem Vorkommen in den Tegel- und Sandschich-
ten, so wie in den verschiedenen Localitäten, erfordern
würde.
Alle diese 228 Arten sind auf21 Tafeln mit einer Schön-
heit und Treue abgebildet, welche den hohen Standpunet
erkennen! lassen, den die Lithographie in Paris in artisti-
scher und technischer Hinsicht erreicht hat,
Hr. Dr. S. Reissek zeigte einige auffallende, durch
den Brand verursachte Missbildungen des Maises
vor, und erläuterte die Entstehung des Brandes beim Maise.
Dieselbe kommt im Wesen mit jener bei den übrigen Ce-
realien überein, worüber er bereits bei einem früheren An-
lasse das Wichtigste auseinandergesetzt hatte,
Hierauf hielt Hr, Dr. Reissek einen Vortrag über die
Analogien, Verwandtschaften und Uebergänge, welche
zwischen der Zell- und Krystallbildung Statt finden.
Der Gegenstand, einer der wichtigsten, welchen die physio-
10*
— 148 —
logische Forschung zu beleuchten und zu erledigen hat, fand
in den letzten Jahren eifrige Bearbeiter, ohne dass dieselben
jedoch zu grösseren Resultaten gekommen wären. Herr
Schwann hat zuerst eine Parallele zwischen Krystall- und
Zellbildung zu ziehen gesucht in seinem berühmtenWerke über
die Zellbildung und Zusammensetzung des Thier- und Pflan-
zenkörpers aus Zellen. Das, was aus seinen Untersuchun-
gen als Thatsache resultirte, besteht darin, dass Zelle und
Krystall in ihren ersten Anfängen, wo sie sich in Form
eines feinen Kornes aus der Mutterlauge differenziren, grosse
Uebereinstimmung besitzen, doch freilich nur in ihren ersten
Anfängen, später prägt sich einer Seits der Krystall in
seiner mathematisch bestimmten Form als homogener, einen
chemischen Stoffwechsel während seines Bestehens aus-
schliessender Körper aus, anderer Seits die Zelle als ent-
wieklungsfähige, einen chemischen Stoffwechsel bedingende
und durch denselben lebende und wachsende Form. Nach
Schwann hat Harting eine Zurückführung der Zellbil-
dung auf die anorganische versucht, ‚Untersuchungen mit
mineralischen Präeipitaten angestellt, und sich dahin aus-
gesprochen, dass die Zellbildung nach denselben Gesetzen
wie anorganische Niederschläge sich bilden , und die Zellen
anfangs aus anorganischer Substanz bestehen. Es kann
hier näher auf diesen Punct nicht eingegangen werden, so
viel aber hat sich nach der Uebereinstimmung aller Physio-
logen herausgestellt, dass man nicht wohl zu so gewag-
ten Schlüssen aus den bezüglichen Untersuchungen berech-
tigt sei.
Wenn gleich die gegenwärtige Physiologie das Problem
nicht gelöst, und die Zell- und Krystallbildung auf ein ge-
meinschaftliches Urphänomen, dessen weitere Manifestation
entweder nach der einen oder andern Richtung erfolgen
kann, bisher nicht zurückgeführt und thatsächlich begrün-
det hat, so hat sie doch bei comparativer Untersuchung
des Pflanzen- und Thierkörpers rücksichtlich seiner Ele-
mentartheile eine Reihe dieselben zusammensetzender fester
Bestandtheile endeckt, welche nach ihrer Bildung, Ent-
wicklung und Metamorphose in der Art aneinandergereiht
werden müssen, dass das Endglied einer Seits der Kry-
— 149 —
stall, anderer Seits die Zelle ist. Diese Elementartheile
sind: 1)Krystalle, überhaupt sogenannte anorganische Be-
standtheile; 2) Elementarkörner (z.B. Fettkörner, Pig-
mentkörner, Eiweisskörner, Amylum u. s. f.); 3) Bläs-
chen ohne Entwicklung und Wachsthum (z. B. Milchkügel-
chen): 4) Zellen mit Wachsthum und Vermehrung. Von
diesen Körpern, die, wie bemerkt, so aneinander gereiht
werden müssen, dass Krystall und Zelle die End-, die
übrigen die Mittelglieder bilden, sind die Elementarkörner
diejenigen, an welchen die Verwandtschaft und der Ueber-
gang von Zelle zum Krystall vornämlich zu untersuchen
sein wird.
Hr. Dr. Reissek ging im Verlaufe auf seine eigenen
Entdeckungen über den näheren Zusammenhang beider Ge-
bilde über, welche wohl von der Art sein mögen, dass sie
einen tiefern Einblick, als man bisher hatte, in diess schwie-
rige Verhältniss gewähren, und die Frage, wenn auch nicht
vollstäüdig lösen, doch der Lösung sehr nahe bringen, und
was das Wichtigste, genauer als man es bisher wusste und
bestimmen konnte, den Weg bezeichnen , um zu ihrer voll-
ständigen Lösung zu gelangen. Wirft man einen Blick auf
gewisse organische Stoffe, wieZucker und Amylum, so muss
es höchlich auffallen, dass hier ein Stoff von derselben che-
mischen Zusammensetzung unter Umständen einen Krystall
bilde (Zucker) , unter andern ein solides homogenes Korn
(Amylumkorn), unter noch andern eine Zelle (Amylum-
zelle*). Es zeigt dieses Verhalten, dass man vorzugsweise
bei diesem Stoffe eine nähere Kenntniss über den fraglichen
Punct zu erlangen hoffen dürfe. Bei der vorgenommenen
Untersuchung des Amylums während der Fäule verschiede-
ner Vegetabilien ergab sich Folgendes: Das Amylumkorn
wird bei der Fäule nach und nach aufgelöst. Hierbei zer-
fällt das Korn häufig, nachdem es früher stellenweise rissig
geworden, in mehrere Stücke,
*) Die Natur des Amylumkornes als Zelle unter bestimmten Verhält-
nissen und bei gewissen Pflanzen hat Hr. Dr, Reissek schon
früher entwickelt,
— 150 —
Bei den gelegten Kartoffeln, welche während des Aus-
treibens von innen nach aussen faulen, und endlich ganz
zerstört werden, kann man diess sehr schön sehen, Hier
bei den Kartoffeln geschieht es nın, dass, während solche
Fragmente des Amylumkornes entweder später sich auflö-
sen, oder verschiedentlich umändern, einige, und zwar in
manchen Zellen sehr viele, allmälig eine bestimmtere eckige
Gestalt annehmen und zuletzt tetraedrisch werden. Unter
Umständen nimmt ein anderer Theil der Fragmente eine zu-
gerundete Gestalt an, höhlt sich und wird zur Zelle. Wir
sehen also hier denselben Körper nach einer Richtung zur
Zelle, nach der andern zum Krystalle sich umändern, ohne
dass derselbe früher aufgelöst wird. Es lässt
sich eine ganze Reihe von Formen construiren und muss
auch zur genaueren Einsicht construirt werden, deren End-
glied einer Seits der Krystall, anderer Seits’ die Zelle ist.
Eine zweite Beobachtung, die hier Bezug hat, be-
steht in Folgendem: in den späteren Stadien der Kar-
toffelfäule, welche während des Austreibens des Knol-
lens eintritt, zeigen sich innerhalb und ausserhalb der Zel-
len des faulenden Gewebes Fadenpilze. Diese enthalten
wie überhaupt solche Gebilde, im Innern Fett - Tropfen.
Wenn die Pilze, was später erfolgt, aufgelöst werden, so
gelangen diese Fetit-Tropfen nach aussen , verfliessen, hier
wo sie dichter sind, häufig in grössere Massen, erstarren
nach und nach und gehen in einen festen wachsartigen
Zustand über. Nachdem sie einige Zeit gelegen, runden
sich hie und da einzelne dieser erhärteten Fettklümpchen
ab, höhlen sich, die Höhlung vergrössert sich, zuletzt
wird eine Zelle gebildet. Andere solcher Klümpchen run-
den sich ebenfalls ab, werden später allmälig kantig und
eckig, endlich ausgesprochen sechseckig, länglich und bil-
den einen tafelförmigen Krystall. Hier geht also gleichfalls
derselbe organische Körper einer Seits in die Krystall-
anderer Seits in die Zellform direct über, und es kömmt
bei der Zusammenfassung der Formen unter einen gemein-
schaftlichen Gesichtspunct, wie ihn die comparative phy-
siologische Forschung bestimmt , eine Reihe zu construiren ,
— 151 —
deren Endglied einer Seits die Zelle, anderer Seits der
Kıystall ist. — Die weiteren Consequenzen, die aus diesen
Thatsachen fliessen, können hier nicht aufgenommen wer-
den. Es wird diess an einem andern Orte geschehen kön-
nen, nämlich: in Haidinger’s „Naturwissenschaftlichen
Abhandlungen,‘ wo ein Aufsatz hierüber, durch Abbildun-
gen erläutert, erscheinen wird.
Wiener Zeitung vom 12. November 1846.
Herr Franz Ritter v. Hauer vertheilte an die an-
wesenden Subscribenten den Probedruck der „Naturwis-
senschaftlichen Abhandlungen, gesammelt,
und durch Subscription herausgegeben von
W. Haidinger‘“ In Commission bei Braumüller
und Seidel; enthaltend eine Abhandlung über den Pleo-
chroismus des Amethysts vom Herausgeber. Herr v.Hauer
erinnerte, dass diese bereits früher besprochene Subserip-
tion in einer der vorhergehenden Versammlungen von
Freunden der Naturwissenschaften am 22. Mai (Wiener-
Zeitung vom 30. Mai 1846) angezeigt worden war. Später
wurde den Theilnehmern ein Programm vertheilt, und nun
enthält die diesen ersten Blättern beigegebene Liste bereits
67 Subsceribenten, an deren Spitze wir Seine kaiserl.
Hoheit den durchlauchtigsten Erzherzog Johann
verehren. Diess Resultat ist um so erfreulicher, wenn man
bedenkt, dass während der für derlei Unternehmungen un-
günstigen Sommersaison, eine grosse Anzahl von Freun-
den der Naturwissenschaften, deren Betheiligung dabeı
mit Sicherheit erwartet werden darf, bisher noch nicht
zur Theilnahme eingeladen werden konnte. Dieses ‚Unter-
nehmen wurde durch die nunmehr seit beinahe einem Jahre
in Wien Statt findenden wöchentlichen Zusammenkünfte von
Freunden der Naturwissenschaften veranlasst.
Auch ohne bisher feste gesellschaftliche Formen angenommen
zu haben, wurde auf diese Art durch sie wieder einer der
Zwecke von naturwissenschaftlichen Gesellschaften über-
haupt erreicht. Bereits gaben sie Gelegenheit, neue Ent-
deckungen im Gebiete der Naturwissenschaften durch
mündliche Mittheilungen bekannt zu machen. Die Aufnahme
von Auszügen der in denselben vorgetragenen Mittheilun-
— 152 —
gen in die k. k. priv. Wiener Zeitung seit dem 27. April
ersetzt die sonst gewöhnlichen Sitzungsberichte. Sepa-
ratabdrücke dieser Auszüge werden bereits bei jeder Zusam-
menkunft unter die Anwesenden vertheilt. Die Herausgabe.
der naturwissenschaftlichen Abhandlungen endlich gibt ein
Mittel an die Hand, umfassendere wissenschaftliche Arbei-
ten ins Publicum zu bringen und entspricht in dieser Hin-
sicht den von eigentlichen Gesellschaften veröffentlichen A b-
handlungen oder Memoiren. Sie sind den gesammten
Fächern der Naturwissenschaften eröffnet, und zwar nach
dem Programme, den Wissenschaften der Massen: Astro-
nomie, Meteorologie, Geographie, Geologie,
den Wissenschaften der Individuen , aus welchen jene zu-
sammengesetzt sind: Mineralogie, Botanik, Zoo-
logie, dazu Anatomie, Physiologie in ihrer gröss-
ten Ausdehnung; den Wissenschaften der Materie: Phy-
sik und Chemie, endlich der Wissenschaft des Raumes,
innerhalb dessen alles Materielle beobachtet wird: der M a-
thematik.
21. Versammlung, am 21. September. -
Wiener Zeitung vom 16. October 1846.
Herr Anton Edler vv. Würth machte eine Mittheilung
über die geognostischen Verhältnisse von Par-
schlug in Steiermark , in einem Seitenthale der Mürz, das
sich von der nördlichen Seite her zwischen Kindberg und
Kapfenberg einmündet.
Die dortige Braunkohlen - Formation ist muldenförmig
eingelagert. Nördlich steht Glimmerschiefer, südlich Kalk
mit etwas Glimmerschiefer an.
Die Schichten der Kohlenformation selbst von oben nach
unten sind folgende:
1) Gerölle von Kalk und Glimmerschiefer.
2) Lehm, der in Schieferthon übergeht, in dessen
Schichten die vielen Pflanzenabdrücke vorkommen, die be-
reits von Herrn Professor Unger bestimmt und beschrie-
— 153 —
ben wurden, und von denen Hr. v. Würth dem k. k. mon-
tanistischen Museum eine Sammlung mitbrachte, die er auch
vorzeigte.
3) Eine dünne Schichte weisser Thon, der bei meh-
reren Schmelzwerken als feuerfestes Material benützt wird.
4) Braunkohle, die ohne Zweifel der mittleren Tertiär-
Formation angehört, und endlich
5) Sandstein, der selten fest, sondern mehr dem Schie-
ferthon ähnlich, leicht zerreiblich ist, und daher eher san-
diger Thon genannt werden könnte.
Das am südlichen Gehänge der Mulde in Abbau ste-
hende Kohlenflötz streicht gegen Nord und verflächt östlich
unter etwa 40°. In der Tiefe zeigen die Kohlen immer ein
mehr schwebendes Verflächen.
Die Mächtigkeit des Kohlenflötzes wechselt von 2 bis 4
Fuss mit. häufig vorkommenden sehr bedeutenden Ver-
drückungen, die den Abbau sehr beschwerlich und kost-
spielig machen. Auch ıst die Kohle sehr unrein, mit zahl-
reichen Schichten von festem Schieferthon unterbrochen.
Bei einem zu Parschlug geschlagenen Bohrloche wur-
den, nachdem man das Kohlenflötz mit einer schwachen
Lage von Sandstein durchsunken hatte, noch folgende
Schichten unter einander angetroffen:
1) Kalkgeschiebe, worauf nach einigen Fussen,
2) wieder fester Schieferthon erbohrt wurde, nach
dessen Durchsinkung man
3) wieder auf Kalkgeschiebe kam.
Hr. Prof. Dr. Kner aus Lemberg theilte hierauf einige
Resultate seiner diessjährigen geognostischen Ex-
eursion in die östlichen Kreise Galiziens mit, die
ihn vornämlich in das interessante Gebiet der Grauwacken-
formation führte. Er bemerkte zuerst, dass dieser Forma-
tion jenes Landes bisher noch zu wenig Aufmerksamkeit ge-
widmet worden ist, indem seit den Untersuchungen des ver-
dienstvollen Hrn. v. Lill (nach dessen Tode von Hrn. Bo ue
in den Verhandlungen der französischen geologischen Ge-
sellschaft veröffentlicht und auch von Hrn. Pusch in des-
sen Werke: „Geognosie und Palaeontologie von Polen“
benützt) keine neueren und ausführlicheren bekannt gewor-
Be,
den seien. Und selbst Hr. v. Lill habe diese Formation
zu flüchtig behandelt und weder ihre Ausdehnung noch ihren
Reichthum an Palaeozoen-Resten näher gekannt. Schon
im Jahre 1844 gelangte Hr. Dr. Kner auf dem Rückwege
von einer grösseren Reise , die ihn durch die Karpa-
then bis Siebenbürgen führte, in die Gegend dieser Grau-
wackenformation, ohne sich jedoch damals länger daselbst
aufhalten zu können. Eine kleine Sendung von Petrefacten,
welche er noch in jenem Jahre an Hrn. Prof. Bronn nach
Heidelberg machte, überzeugte ihn jedoch schon, dass aus
jenen Gegenden für die Wissenschaft noch manche Berei-
cherung zu hoffen sei. Hierdurch angeregt, unternahm er
im Juli dieses Jahres abermals eine Reise dahin. — Der Aus-
gangspunct der diessjährigen Excursion war die Kreisstadt
Zaleszczyk am Dniester gelegen. Was zuerst die Lage
von Zaleszezyk betrifft, so schilderte er sie als eben so
überraschend für Jeden, wie besonders interessant für den
Geognosten. Man mag sich von Nord oder Süd der Stadt
nähern, so kömmt man über eine Hochebene, die nicht
ahnen lässt, dass das Bett des Dniesters so tief unter ihr
liege. Ihr Abfall ist besonders von der Bukowiner Seite
sehr steil und bildet stellenweise fast senkrechte Wände
von 40—50 Klafter Höhe. Von der Thalsohle des Dniesters
glaubt man daher, derselbe fliesse zwischen Bergen eng
eingeschlossen, welche sich jedoch beiderseits nur als Hoch-
ebene fortsetzen. Beide Ufer verändern aber ihr Ansehen
abwechselnd bedeutend. So liegt z. B. eine halbe Stunde
siromaufwärts von Zaleszezyk die steile Uferwand links,
währehd das rechte Ufer ziemlich flach ist, unmittelbar vor
der Stadt setzen hingegen die steilen Wände auf das
rechte Ufer über, während sich das linke Ufer verflacht,
und so wechseln beide Ufer bis zur russischen Gränze, so
weit der Lauf des Dniesters verfolgt wurde, immerfort ab,
nur selten fliesst der Strom beiderseits’ zwischen steilen
Wänden eingeengt. — Die Uferwände bei Zaleszezyk zei-
gen ihrer ganzen Höhe und Ausdehnung nach ausgezeich-
nete horizontale Schichtung und liefern deutlich den Beweis,
dass sie sich während einer Periode andauernder Ruhe ge-
bildet haben. Die mineralogische Beschaffenheit derselben
EEE
— 155 —
wurde schon nachHrn. v. Lill’s Beobachtungen vonPusch
ausführlich beschrieben. Stets wechseln !Schichten von fe-
stem Glimmer- und kalkhältigen Sandstein mit graulichen
Kalksteinschichten ab, zwischen denen mehr oder minder
dicke Lagen von blätterweise sich lösenden, leicht zer-
bröckelnden, bläulichgrauen oder grünlichen Thonschiefern
sich befinden. Diese, Grauwackeschichten werden stel-
lenweise bald von korallenführendem Kalke überlagert ,
bald von dicken Schichten festen röthlichen Sandstei-
nes, und über diesen liegt häufig krystallinischer Gyps
in dicken Platten, so z. B. namentlich am rechten Ufer,
der Stadt gegenüber, um das Dorf Krisczyatek und weiter
östlich gegen Toutri, eben so um Bieleze, im Thale des
Sered, woselbst die bekannte ausgedehnte Grotten- und
Höhlenbildung im Selenite vorkommt, der hier unmittelbar
zu Tage liegt. Nicht selten wird aber die Grauwacke von
keinem dieser jüngern Gesteine überlagert, sondern reicht
bis zum Gipfel und ist nur von Dammerde, oder selbst von
dieser nicht bedeckt. Die Grauwackeschichten schliessen
zahlreiche Petrefacte ein, jedoch ist die Zahl der bis jetzt
aufgefundenen Gattungen und Arten um Zaleszcezyk selbst
und längs des Dniesters bis Grodek ziemlich beschränkt,
die Zahl der Individuen hingegen sehr gross. Die meisten
und besterhaltenen Versteinerungen führen die kalkigen
Schichten, auf den Thonschieferblättern finden sich nur
häufige Abdrücke oder zwischen denselben leicht herausfal-
lende Orthoceratiten. Letztere kammen überhaupt in über-
wiegender Menge in dieser Dniestergegend vor, meist bei-
läufig 1 Zoll im Durchmesser und mehrere Zoll lang, öfters
aber auch 2—3 Zoll in der Dicke. Bisher wurden daselbst
aufgefunden. Aus der Familie der Nautiliden: Orthoceras,
zum Theil mit so wohlerhaltener Schale, dass selbe noch
Perlmutterglanz und schönes Farbenspiel zeigt , Cyrio-
ceras : ferners mehrere Bivalven, zahlreiche Terebruteln ,
Orthis, Spirifer, Tentaculites, Fungiten, Corallinen und
endlich zahlreiche Fragmente jener Sepienschulpen, von
welchen bei einer früheren Versammlung ein vollständiges
Exemplar vorgezeigt wurde. — Von Zaleszezyk wurde der
Weg zu Land eingeschlagen über Grodek , Kasperowce,
— 156 —
Szuparka in das Thal der Niezlawa. Die Hochebene ist
daselbst überall durch tiefeingeschnittene Nebenflüsse und
Bäche des Dniesters zerrissen und zeigt an allen Entblös-
sungen und tiefern Einschvitten Grauwacke. Vor Filipkowee
öffnet sich das Thal der Niezlawa, dem des Sered ziem-
lich parallel laufend und ebenfalls sehr tief eingeschnitten
und zerrissen. Hier stiess Hr. Dr. Kner unverhofft auf
zahlreiche Trilobitenreste, die zwischeu zahllosen Terebra-
teln, Orthis u. s. w. abgelagert sind. Wenn auch die Tri-
lobitenreste, die er fand, kleinen Individuen angehörten
und meist unvollständig waren, so ist doch das Auffinden
dieses Lagers von grossem Interesse, da die Trilobiten-For-
mation in Galizien bisher noch nirgends so bestimmt und in
solcher Reichaltigkeit nachgewiesen war, und da sich hier-
durch die Grauwacke dieser Gegend als ein Glied der Si-
lurischen Periode herausstellt. Schon Hr. v. Lill gab zwar
an, dass Trilobiten vorkommen, ohne jedoch den Ort noch
die Gattungen näher zu bezeichnen; jeden Falls scheint er
aber in dieses Thal nicht gelangt zu sein, da er diess
sonst sicher angeführt hätte, er und mit ihm dann Pusch
übergeht aber das ganze Niezlawathal mit Stillschweigen
und zeichnete auch auf seiner Karte nicht das. Vorkommen
der Grauwacke daselbst ein. Gleichwohl scheint diese For-
mation im Niezlawa-'Thale ziemlich weit ausgebreitet zu
sein, alle Berglehnen zeigen die gleichen unbedeckten Grau-
wackeschichten bis zur Thalsohle. Die Ausbreitung und
Begränzung dieser Trilobiten - Formation ist daher nun der
nähern Untersuchung vorzüglich anzuempfehlen, der Reich-
thum an Palaeozoen, die sich gleich bei der Entdeckung
auf kleinem Raume und binnen wenigen Stunden darboten,
berechtigt zur Hoffnung, hier eine üppige Quelle interes-
santer Funde aufgeschlossen zu haben, die wohl selbst
vereinten Bemühungen lange Zeit eine solche bleiben
wird. — Bei Uscie Biskupie, wo die Niezlawa in den
Dniester mündet, fängt die Formation des letztern wieder
an, und nirgends fanden sich mehr Spuren von Trilobiten,
Der Rückweg nach Zaleszezyk wurde über Samoszyn und
Toutri auf der Bukowiner Seite genommen, und daselbst
überall tertiäre Auflagerungen von Kalk und Gyps beobach-
— 151 —
tet. Von Zaleszezyk ging sodann die Excursion längs des
Sered über Jagielnica und Czortkow. Auch hier dehnt sich
die Grauwacke noch fort, wird aber im stark zerrissenen
Thale von Czortkow von mächtigen Tertiärbildungen über-
lagert, in denen sich auch Mammuthreste vorfinden. Von
Czortkow bis Budzanow wurde noch überall Grauwacke
beobachtet , nur verschwinden die Orthoceratiten allmählig,
und neue Arten von Terebratula, Orthis u. s w. treten auf.
— Vor Trembowla verschwindet endlich die Grauwacke,
und es beginnt jener berühmte Sandstein, der in Platten
gebrochen wird , von denen jährlich bei 400.000 nach Russ-
land und angeblich bis China besonders zu Schleifsteinen
verführt werden. Er erscheint offenbar jünger als Grau-
wacke und älter als Kreide, und liegt auch als verbinden-
des Glied an der Gränze zwischen beiden; Hr. v. Lill zählt
ihn dem (alten) rothen Sandsteine bei; nie fanden sich
bisher in selbem Petrefacte oder Abdrücke. — Um Miku-
lince ist ein ausgezeichnetes (von Lill noch nicht gekann-
tes) Lager jüngerer Kreide mit zahlreichen, schönen Pe-
trefacten, erst unlängst aufgedeckt, das von nun an gleich-
falls einer sorgfältigen Untersuchung unterworfen wird. —
Bei Tarnopol beginnt die Tertiärformation, die gegen die
russische Gränze besonders reich an Petrefacten wird, die
denen des Wienerbeckens sehr ähnlich und eben so voll-
kommen erhalten sind. Daselbst befindet sich auch ein
mächtiges Lager von Foraminiferen, die, da sie ein zusam-
mengebackenes Gestein bilden, seit lange zu Bausteinen
verwendet werden. — Bei Zloczow herrschen ebenfalls
tertiäre Bildungen. Interessant ist daselbst ein kleines
Braunkohlenlager,, gerade auf dem Rücken des Höhenzu-
ges, der die Wasserscheide zwischen der Ostsee und dem
schwarzen Meere bildet.
Schliesslich bemerkte Hr. Dr. Kner, dass nach seinen
so eben mitgetheilten Erfahrungen einige Ergänzungen in
der geognostischen Karte von Galizien vorzunehmen seien,
deutete diese zugleich auf einer solchen an, und legte zu-
letzt einige Proben der von ihm aufgefundenen Petrefacte
vor, und zwar aus der Grauwacke: Oyrioceras, Avi-
cula n. sp., mehrere Arten von Produclus, Terebratula,
— 158 —
Orthis, Spirifer, Tentaculites, 3—h Species erst näher zu
untersuchender Trilobiten der Gattungen Calymeneund Asa-
phus, eine grosse Cypris-Art und ‚mehrere Zoophyten; aus
der Kreide bei Mikulince Arten der Gattungen: Ammoni-
tes, Turrilites, Terebratula, Gryphaea, Pecten, nebst
wohlerhaltenen Haifischzähnen, und endlich ein Probestück
des Foraminiferen-Lagers bei Tarnopol. Für Freunde der
Paläontologie fügte er noch die Bemerkung hinzu, dass
eine bedeutend grössere Anzahl von Species und Exem-
plaren, als die hier vorgezeigten, von ihm dem k. k. Hof-
Mineralien-Cabinete eingesendet worden sei.
Herr Adolph Patera theilte eine von Herrn Rein-
hold Freiherrn v. Reichenbach übergebene Arbeit mit;
über die Frage: „Ob der Stickstoff der atmosphäri-
schen Luftinirgend einem Fall zur Bildungvon
Ammoniak beitrage.“
Man hat schon mehrfältig die Beobachtung gemacht,
dass beim Glühen von stickstoff-freien Substanzen, Holz-
faser, Zucker, reiner Kohle mit Alkalien, Ammoniak entwi-
ckelt werde, und es wurde zunächst die Meinung aufge-
stellt, der Stickstoff der Luft verbinde sich mit dem bei
dieser Gelegenheit frei werdenden Wasserstoff direct zu
Ammoniak. |
Indess blieb diese Ansicht sehr wenig begründet und
ganz unwahrscheinlich desshalb, weil unter solchen Um-
ständen der frei gewordene Wasserstoff der organischen
Substanz sich immer viel eher mit dem Sauerstoff der Luft
verbunden haben würde, als nit ihrem Stickstoff, zu wel-
chem sie eine weit geringere Affinität besitzt. Auch war
diese Erklärung für den Fall gar nicht anwendbar, wo
reine Kohle mit Alcalien an der Luft geglüht, ebenfalls
Ammoniak - Entwicklung wahrnehmen lässt, obwol hier aller
Wasserstoff fehlt, der frei werden und mit Stickstoff Ver-
bindung, eingehen konnte.
Um alle Zweifel über diesen Gegenstand zu entfernen,
wurden von Faraday eine Reihe von bezüglichen Ver-
suchen angestellt, von welchen die wichtigsten mitgetheilt
sind in Liebig’s Agricultur-Chemie 6te Auflage, in dem
Abschnitte, der über die Quellen des Ammoniaks handelt;
— 159 —
Als das End -Resultat der Untersuchung wird dort ange-
geben, dass fast alle geprüften Substanzen beim Glühen
Ammoniak entwickelt hätten, jedoch nur kurze Zeit, indem
bei fortgesetztem Glühen die Entwicklung von Ammoniak
bald nachgelassen und aufgehört habe. Es sei daher in
allen diesen Fällen, wo Ammoniak durch Glühen entwickelt
werde, nirgends das Ammoniak erst aus seinen Elementen
gebildet worden, sondern dasselbe sei nur in den Poren der
geglühten organischen Substanzen, oder Alcalien conden-
sirt, also bereits fertig vorhanden gewesen.
Es gibt jedoch einen Fall der Ammoniak-Entwicklung,
für welchen auch diese Erklärung keineswegs auszureichen
scheint und der hier näher erörtert werden mag.
Wenn in einem eisernen Rohr reine Holzkohle bei Zu-
tritt von Luft möglichst stark geglüht wird, bemerkt man
bei längerer Fortdauer des Glühens entweder keine Ent-
wicklung von Ammoniak, oder doch nnr zweifelhafte Spu-
ren davon. Ebenso hört bald alle Spur von freiwerdendem
Ammoniak auf, wenn kohlensaures Kali durch längere Zeit
fortgeglüht wird. Anders ist aber der Erfolg, "wenn das
kohlensaure Kali mit der Kohle zusammengebracht
und beide gemengt bei Luftzutritt geglüht werden. So
lange in diesem Fall auch das Glühen dauern mag, eben
so lange ist auch de Ammoniak- Entwicklung am
Ende des Rohres auf das unzweideutigste wahrzunehmen
und wird endlich die zutretende Luft durch Zuleitung von
etwas Wasserdampf möglichst feucht gemacht, so gewinnt
dieses Auftreten von freiem Ammoniak noch auffallend an
Intensität, welche es unverändert beibehält, so lange Kohle,
Kali und Luft zugegen sind und in höchster Glühhitze er-
halten werden.
Diese Beobachtungen müssen nun zu der Ansicht füh-
ren, dass man es hier nicht wohl mit schon fertigem Am-
moniak zu thun haben könne, welches nur durch Hitze aus-
getrieben werde, sondern dass hier irgend ein chemischer
Prozess vor sich gehen müsse, der das beständige Wieder-
erscheinen des Ammoniaks veranlasst.
Da alle stickstofffreien organischen Substanzen in der
angeführten Temperatur in kurzer Zeit zu Kohle werden,
— 160 —
so hat man hier eigentlich nur das Verhalten der letzteren
beim Glühen mit Kali zu betrachten; und es ist bekannt,
dass unter diesen Umständen zunächst Kalium gebildet werden
muss. Ebenso ist in neuererZeit vielfach nachgewiesen worden,
dass Kalium und Kohle bei Gegenwart von Stickstoffgas
in der Rothglühhitze zu Cyankalium zusammentreten, zu
dessen Bildung also im fraglichen Falle alle Bedingungen
gegeben sind. Allein das momentan und stellenweise so
entstandene Cyankalium wird sich doch nirgends lange be-
haupten können, da auch die Bedingung seiner Wiederzer-
störung nahe ist. Solbald es in der Gluth mit einer Luft-
schicht in Berührung kömmt, deren Sauerstoff nicht aller
durch Kohle absorbirt ist, unterliegt es der Einwirkung
dieses freien Sauerstoffes und verwandelt sich in cyansau-
res Kali, Cyka; kommt Cyankalium aber unter denselben
Umständen mit Wasserdampf in unmittelbare Berührung ,
so erfolgt Wasserzersetzung unter Bildung von kohlen-
saurem Kali und NH Ammoniak, und dieses scheint also
der Umweg zu seyn, auf welchem beim Zusammenglühen
von Kali und organischen, stickstofffreien Substanzen der
Stickstoff der atmosphärischen Luft wirklich unmittelbar zur
Bildung von Ammoniak beitragen dürfte, wenn auch
das Dasein von Ammoniak in der Luft aus einer solchen
Entstehungsweise als Quelle nicht hergeleitet werden kann.
Obige Ansicht wird aber noch wesentlich unterstützt durch
das Verhalten des kohlensauren Kalı’s, das auf diese Weise
längere Zeit mit Kohle geglüht worden ist, nach seiner
Wiederauflösung im Wasser. So lange nämlich diese
Lösung abgedunstet wird, entwickelt sich aus ihr ein pene-
tranter Ammoniakgeruch , der seine Ursache nur in einer
Zersetzung von gegenwärtigem cyansauren Kali haben
kann.
Hr. Franz Ritter v. Hauer sprach über das Vorkom-
men des bekannten Muschelgeschlechtes Monolis in den
österreichischen Alpen. Zwei bis drei Arten dieses am
nächsten mit Avicula verwandten Geschlechtes hatte zuerst
Herr Prof. Bronn in Heidelberg näher untersucht und be-
schrieben, während man sie früher nach dem Vorgange
von v. Schlotheim unter dem Namen Pecten salinarius
— 161 -—
in eine Art zusammengefasst hatte. Die Veranlassung zu
dieser Benennung hatte das ungemein häufige Vorkommen
dieser Bivalve in der unmittelbaren Nähe der Salzbildungen
in den Alpen gezeben. Man findet sie daselbst in wenig
mächtigen , bald weiss, bald röthlich gefärbten Kalkstein-
schichten in so ausserordentlicherMenge, dass die erwähn-
ten Schichten an vielen Stellen beinahe bloss aus ihren
Schalen zusammengesetzt erscheinen. Unter solchen Ver-
hältnissen trifft man sie beiHall in Tirol, bei Hallein, Hall-
statt, Aussee; ja v. Lill sagt: „sie fehle keinem der
Salzgebilde in den Alpen.‘
Durch eine Reihe von neueren Entdeckungen lässt sich
aber gegenwärtig das Auftreten der merkwürdigen durch
diese Muschel charakterisirten Schichten bis Jin die Nähe
von Wien verfolgen. So findet man sie von Aussee gegen
Osten vorschreitend zunächst bei Spital am Pyhrn, von wel-
eher Localität Hr. v. Hauer einige Stücke weissen Kalk-
steines ganz aus Bruchstücken ihrer Schale bestehend, in
der Stiftssammlung in Kremsmünster antraf.
In Neuberg wurden durch die gewaltigen Regengüsse,
welche im Verlaufe des diessjährigen Sommers so vieles
Unheil in den österreichischen Alpen anrichteten, grosse
Blöcke eines grauen Kalksteines in das Thal herabgeführt,
der sich bei näherer Betrachtung aus Schalen von Monotis
zusammengesetzt zeigte. Die erste Nachricht darüber theilte
Hr. von Morlot mit, dem ein Stück von Sr. k. k. Hoheit
dem durchlauchtigsten Erzherzog Johann eingehändigt
worden war. Herr Bergrath Hampe, dessen reger Wis-
senschaftsliebe das k. k. montanistische Museum schon die
schätzenswerthesten Beiträge verdankt, sendete auch hier-
von sogleich Probestücke eın.
Der am weitesten gegen Wien gelegene Punct endlich,
an welchem die erwähnte Muschel bisher angetroffen wurde,
ist Hörnstein bei Piesting. Ein Pracht-Exemplar von Mo-
notiskalkstein, welcher am Felsen unmittelbar hinter dem
Schlosse Hörnstein vorkömmt, verdankt das k. k. montani-
stische Museum Sr. k. k. Hoheit dem durchlauchtigsten
Erzherzog Rainer, Sohne Sr. k. k. Hoheit des durch?
Freunde der Ratöchishenschaflen in Wien, I. 11
— 16% —
Jauchtigsten Erzherzogs Vice-König, dessen Eigen-
ihum jene Herrschaft ist.
Herr Dr. Richard Comfort machte verschiedene
Bemerkungen in Hinsicht auf Systeme, deren Gegenstand
die Mineralogie ist, die nach seinen Angaben noch
nicht so weit ausgebildet sind, als die Systeme der Zoolo-
gie und Botanik.
Die Systeme von Haüy, Werner, Muhs, Berze-
lius, Fuchs, Oken wurden erwähnt, der Ansichten und
Arbeiten von Aristoteles, Newton, Davy, Klap-
voth und Andern gedacht, und endlich als Resultat ge-
fordert, man solle alle Systeme vereinen, ‚und philoso-
phisch coordiniren, und dass ein solches Verfahren allein
zum Ziele führen könne.
22, Versammlung, am 28. September.
Wiener Zeitung vom 1, November 1846.
Herr J. Barrande aus Prag machte eine Mittheilung
in Bezug auf seine geologischen und paläontologi-
schen Forschungen im mittlern Theile von Böhmen.
Die allerältesten Flötzformationen in Böhmen nehmen
einen beträchtlichen Raum von ovaler Form ein, deren
Hauptaxe, in der Richtung von Auwal nach Klattau, bei-
nahe von Nord-Osten gegen Süd-Westen läuft.
Diese Formationen liegen in einer sehr regelmässigen
Reihe auf einander, so dass sie mehrere concentrische
Becken bilden, die sich leicht erkennen lassen.
Wenn man die Natur der Felsarten und die organi-
schen Ueberreste, welche die meisten von ihnen führen,
betrachtet, so zerfallen alle früher unter dem Namen Grau-
wacke bekannten Bildungen in drei Abtheilungen, nämlich
eine untere, eine mittlere und eine obere.
Die untere Abtheilung besteht aus petrefactenleeren
Gebilden , nämlich aus halbkrystallinischen Gebirgsarten ,
auf welchen mächtige Ablagerungen von Thonschiefer und
— 163 —
Grauwacke ruhen. Die wichtigsten Bergsiädte: Przibram
und Mies liegen auf den einander entgegengesetzten Rän-
dern dieser Formationen , welche reiche metallische Gänge
führen. |
Diese untere Abtheilung entspricht dem Azoic Sy-
siem des Hrn. Professors Sedgwick, und bildet eine
Art Uebergang zwischen Granit und Gneiss, auf welchen
sie liegt, und den paläozoischen Formationen, von welchen
sie überlagert wird.
Die mittlere Abtheilung zerfälit in zwei Unterabtheilun-
gen oder Etagen, welche sich von einander sowohl durch
ihre mineralogischen, als durch die paläontographischen
Charaktere leicht unterscheiden lassen.
Die untere Etage C besteht aus thonartigen Schiefern
von dunkler Farbe und sehr feinkörniger Structur, welche
bei Ginetz und Skrey am Tage liegen, und zahlreiche Trilo-
biten-Abdrücke liefern, unter welchen 23 Species schon er-
kannt worden sind, die mit ein Paar Or/his - Arten die
ganze Fauna dieser Unterabtheiläng ausmachen.
Die obere Etage D zeichnet sich durch seine ungemein
mächtigen kieselartigen Gebirgsarten aus, welche an der Ba-
sis in der-Form von kieselarligen Conglomeraten; in den obe-
ren’Theilen aber, als Quarziten und Grauwacken-Schiefer er-
scheinen. Die letzten Formationen sind an Petrefacten reich,
und haben schon ungefähr 30 Arten von Trilobiten geliefert,
ganz verschieden von denen, welche dem unteren Stocke
C eigenthümlich sind. Mit diesen Crustaceen kommen einige
Cephalopoden und Brachiopoden vor.
Die zwei Etagen Ü und D mineralogisch und paläonto-
logisch betrachtet, entsprechen vollkommen den englischen
Unterabtheilungen von Murchison, Liandeiloflags , und
Caradoc Sandstone genannt, welche als ein Ganzes ge-
nommen, das untere silurische System zusammen bilden.
Die Uebereinstimmung dieser Formationen in England und
Böhmen ist so auffallend, dass sie von jedem Geologen
sehr leicht zu erkennen ist.
Merkwürdiger Weise blieb das kalkiıge Element bei-
nahe von der untern und mittlern Abtheilung des böhmischen
paläozoischen Terrains ausgeschlossen, indem dasselbe im
IE:
— 164 —
Gegentheile beinahe ‚ausschliesslich die ganze Masse der
obern Abtheilung bildet.
Diese Kalksteinmasse erscheint im Centrum von Böh-
men in der Form einer länglichen Ellipse, welche von Prag
bis gegen Zditz sich erstreckt, und wie eine Insel rund
um, von den Quarziten und Grauwacken-Schiefern umge-
ben wird. Beim ersten Anblick würde man leicht diese un-
unterbrochene Kalkmasse als eine einzige Formation be-
trachten. Wenn man aber die zahlreichen Fossilien, welche
sie darbietet näher untersucht, so erkennt man unvermeid-
lich, dass sie drei Unterabtheilungen oder Etagen enthält,
weiche eben so vielen Zeitperioden der Seethier-Schöpfung
entsprechen.
Die unterste Etage E zeichnet sich aus durch 40
verschiedene Arten von Trilobiten und durch eine verhält-
nissmässig noch zahlreichere Menge von Polypen, von ein-
schaligen und zweischaligen Mollusken, worunter die Ce-
phalopoden die allermerkwürdigsten sind. Die Genera Or-
Ihoceras, Phragmoceras, Cyrlocerus, Gyroceras, Cryplo-
ceras, Lituites, Nautilus und Gomphoceras sind zusammen
von mehr ais 125 Arten vertreten.
Die mittlere Etage des Kalksteines F entsprieht mehr
der Entwicklungs - Periode des Brachiopoden, und liefert
sehr zahlreiche Arten von Teerebratula, Spirifer, Leptaena
Orthis, Lingula elc., — mit welchen 27 Arten von Trilo-
biten und verschiedene Cephalopoden, Polypen etc. gelebt
haben.
Es scheint, dass die meisten dieser Familien schon aus-
gestorben waren zur Zeit, wo die Kalksteine der obern
Etage G sich abgesetzt haben. In diesen findet man
nur an 16 Trilobiten-Arten, nebst einigen ein- und zwei-
schaligen Mollusken.
Im Ganzen betrachtet, entspricht die böhmische Kalk-
steinmasse dem obern silurischen Systeme von England. Ob-
wohl einige Unterschiede in der Entwicklungsreihe der ver-
schiedenen Thier-Familien in beiden Gegenden sich bemerken
lassen, so ist die Uebereinstimmung doch für die Wissen-
schaft ungemein befriedigend.
— 165 —
Der Reichthum der :paläozoischen Formationen in Böh-
men ist grösser als in den übrigen bisher beschriebenen Ge-
genden derselben Bildungs-Periode. Die Privat-Sammlung
des Hrn. Barrande enthält sehon mehr als 600 Arten,
wovon mehr als zwei Drittel Böhmen eigenthümlich sind,
und von ihm in einem besonderen Werke beschrieben wer-
den sollen.
Eine gedrängte Uebersicht davon enthält die unlängst
erschienene Broschüre: Notice preliminaire sur le Sy-
steme Silurien et les trilobites de Boheme par J. Bar-
rande. Leipzig 1846, bei Hirschfeld.
Hr. A. Martin, Custos an der Bibliothek des k. k. po-
Iytechnischen Institutes, beschäftigte sich in neuerer Zeit
mit photographischen Versuchen auf Papier. Er sprach im
Allgemeinen über die Vortheile und Schwierigkeiten dieser
schönen Kunst. Um das Papier für den Lichteindruck em-
pfindlich zu machen, bedient er sich einer vereinfachten
Methode des Talbot’schen Kalotyp-Prozesses. Hr. Talbot
überstreicht das Papier mit einer Lösung von salpetersau-
rem Silberoxyd und legt es dann in eine ziemlich starke
Jodkaliumlösung, lässt es trocknen und kurz vor dem Ge-
brauche überstreicht er es mit Silbergallonitrat. Allein ge-
rade die Gallussäure macht das Papier unempfindlich, und
ein mit Jodsilber allein überzogenes Papier ist bei weitem
empfindlicher, wenn Jodkalium und Silber nur im richtigen
Verhältnisse angewendet werden, so zwar, dass nicht so
wie bei Talbot Jodkalium im Ueberschuss vorhanden ist.
Die Gallussäure dient dann bloss zum Hervorrufen des Bil-
des. Für die positiven Copien hat er eine noch nirgends
beschriebene Methode aufgefunden. Er bestreicht das Pa-
pier bloss mit Silbergallonitrat oder auch salpetersaurem
Silberoxyd und entwickelt das Bild wieder durch Ueber-
streichen mit Silbergallonitrat. Seine Erfahrungen sind be-
reits gedruckt und werden in den ersten Tagen des Mo-
nats October bei Gerold unter dem Titel: ,„Reperto-
rium der Photographie‘ veröffentlicht erscheinen. Er
zeigte den Anwesenden einige von ihm angefertigte Bilder
vor, welche bei allgemeinerer Verbreitung dieser Kunst
wirklich zu den schönsten Hoffnungen berechtigen. Für
— 166 —
Aufname architektonischer Gegenstände leistet diese Pho-
tographie Ausserordentliches, auch die Portraite haben ei-
nen eigenen Reiz. Nur muss, wenn man sie vollendet nen-
nen will, ein Maler Einzelheiten nachbessern. Die vorge-
legten Portraits waren von Gaupmann nachgezeichnet und
entsprachen allen Anforderungen.
Hr. Dr. Moriz Hörnes zeigte Versteinerungen
aus dem Grauwackenkalke der Gegend von Rittberg
2 Meilen südwestlich von Olmütz vor. Dieselben stammen
aus dem Nachlasse des k. k. General-Majors der Artillerie
Hrn. Michael Keck von Keck, und wurden von dem
k- k. Hof-Mineralien- Cabinet acquirirt. Hr. General von
Keck, der während seines Aufenthaltes in Olmütz sich
viel mit Geognosie beschäftigte, hatte diese Versteinerun-
gen zuerst aufgefunden. Hr. Professor Glocker in Breslau
machte in seiner Abhandlung über den Jurakalk von Kuro-
witz in Mähren zuerst Erwähnung von dem Vorkommen
dieses Grauwackenkalksteines und beschreibt ihn als herr-
schend schwärzlich grau, bei Rittberg zum Theil auch
schwarz, grau und roth gefleckt, beim Zerschlagen von
auffallend ammonikalischem Geruche (als wahren Stink-
stein). Die vorgewiesenen Stücke waren: Bellerophon cu-
rinalus Murchison. B. striatus Goldf. Cyrloceratiles de-
pressus Goldf. Euomphalus. Pleurolomaria. Murchisonia.
Lueina proava Goldf. Terebratula pugnus Mart, Spirifer
heteroclita. Leptaena depressa Sow. Trilobites (Phacops
Enmrich oder Proetus Stein). Calamopora alveolaris Goldf.
C. polymorpha Gold. C. spongites Goldf. Relepora. Astraea
porosa Goldf. Cyalhophyllum Turbinatum Goldf.
Da bis jetzt keine der charakteristischen Versteine-
rungen aufgefunden wurde, so ist die Beurtheilung dieses
Grauwackenkalksteines allerdings schwierig; und es wäre
daher höchst wünschenswerth, wenn durch fleissiges Sam-
meln der Umwohnenden und genaues Studium des Gesam-
melten, ein Resultat in dieser Beziehung erlangt würde.
Das Studium dieser Thiere gewährt jedech ein um so hö-
heres Interesse, da dieselben nach den gesammelten Er-
fahrungen als die ersten Bewohner unseres Erdballs ange-
— 167 —
sehen werden müssen und gegenwärtig gänzlich ausge-
storben sind.
Hr. Dr. Hammerschmidt erstattete einen gedräng-
ten Bericht über die X. Versammlung Deutscher
Land- und Forstwirthe, welche am 14 — 20 Sep-
tember d. J. zu Gratz Statt fand. Derselbe bemerkt, wie
diese Versammlung eine wahre Jubelfeier ihres zehnjähri-
gen Bestandes zu nennen sei, wie aus allen Gauen
Deutschiands Vorbilder Deutschen Wissens und thatkräf-
tiger Wirksamkeit um einen erhabenen Hort sich sammel-
ten, einen hell leuchtenden Sternenkranz bildend um_ jene
fürstliche Sonne, deren milde Strahlen aller Herzen er-
wärmen und zum Guten begeistern. Der erhabene Vorstand,
der allgeliebte Erzherzog Johann, eröffnete die allge-
meine Sitzung am 14. September mit einer ergreifenden
Rede, worin Er besonders die Wichtigkeit heraushob , die-
se Versammlung zum Centralpuncte der Mittheilung zwi-
schen den einzelnen Deutscheu Landwirthschafts - Gesell-
schaften zu erheben, um so den Zweck und das Wohl
des gemeinsamen Dentschen Vaterlandes zu fördern und
die Bande fester zu knüpfen, die Nord und Süd, Ost und
West brüderlich verbinden sollen. Unter den in den allge-
meinen Sitzungen besprochenen Gegenständen gewährte
ferners ein hohes Interesse die Verhandlung über die Fol-
gen der Korn - Gesetz- Aufhebung in England in Bezug
auf Deutschland, in welcher Beziehung die Aufforderung
für Deutschland die eigenen inneren Kräfte durch Vereini-
gung der Industrie mit der- Landwirthschaft gebührend zu
nützen hervorgehoben wurde; aus der zweiten allgemeinen
Sitzung war der Vortrag über die Wichtigkeit der Spar-
cassen und Credits-Anstalten zu Hebung der Landwirth-
schaft besonders anziehend. Als nächster Versammlungsort
wurde Kiel bestimmt und Ernst Graf von Reventlow
aus Farve in Holstein zum ersten dann der k. Dänische
Forst- und Jägermeister Hr. Ritter von Varnstedt
zum zweiten Vorstand erwählt, für das Jahr 1848 aber
Mainz als Versammlungsort in Vorschlag gebracht.
In den gebildeten sechs Sectionen: a) Ackerbau, b)
Viehzucht, e) Gewerbskunde, d) Forstwirthschaft, e) Obst-
— 168 —
und Weinbau, f) Naturwissenschaften, an denen zusammen
1505 Mitglieder Antheil nahmen, waren die evörterten Ge-
genstände von so grosser Mannigfaltigkeit, dass eine Auf-
zählung der wichtigeren Verhandlungen unsere Zeit über
die Gebühr in Anspruch nehmen würde, und da ohnehin eine
allgemeine Angabe der wichtigsten Verhandlungen so wie
die Beschreibung der Statt gehabten Feierlichkeit zum
Theil in öffentlichen Blättern Platz fand, so verwies Hr. Dr.
Hammerscehmidt auf eine umständliche Erörterung in
seinem Berichte in der Allgemeinen Oesterreichischen Zeit-
schrift für den Landwirth Nr. 35 und die folgenden Blätter,
und theilte den Anwesenden nur über die Leistungen der
naturwissenschaftlichen Section als für sie von nächstem
Interesse , die wichtigsten Ergebnisse mit. In dieser Abthei-
lung wurden zu Präsidenten die Herren Dr. und Prof. Un-
ger aus Gratz, dann Dr. und Prof. Carl Fraas aus Schleiss-
heim; und zu Secretären die HH. Dr. Carl Hammer-
schmidt aus Wien und Dr. und Prof. Gintl aus Gratz er-
wählt, die Sitzungen, an denen über -achtzig Mitglieder
Theil nahmen, wurden täglich von 9 — 1! Uhr in der Real-
schule abgehalten.
Unter den wichtigeren Vorträgen und Erörterungen kom-
men folgende zu bezeichnen: 1) Die Frage über die
Kartoffelkrankheit. Es wurden in dieser Beziehung
die Krankheitserscheinungen, die äussern und innern Verän-
dernngen , die chemischen Umwandlungen , das Auftre-
ten von drei verschiedenen Pilzarten und die geographische
Verhreitung der Krankheit zu erheben gesucht, in welcher
Beziehung die HH. Unger, Fraas, Zippe, Hammer-
schmidt, v. Pittoni, Schmidt, v. Thielau, Walz,
Duschek, Kopetzky, Hruschauer, Steer, Pless,
Weitlof, Rainer, Gassner Mittheilungen machten,
woraus sich als Endresultat ergibt, dass die Witterungs-
verhältnisse im Allgemeinen, insbesonders aber ein beson-
derer Genius epidemicus , die Extreme in den Witterungs-
verhältnissen und schneller Wechsel von Hitze und Kälte
als die Hauptursachen der Krankheit zu bezeichnen, das
Auftreten der Pilze aber nur als secundäre Bildung zu be-
trachten seien. 2, Hr. Prof. Ginti hielt einen Vortrag über
— 169 —
die Errichtung von Meteorologischen Obser-
vatorien, welcher Gegenstand zur Begutachtung von
der allgemeinen Versammlung dieser Section zugewiesen
wurde, und worüber die betreffenden Anträge von dem
gewählten Ausschusse entworfen und der allgemeinen Ver-
sammlung in einem besonderen Aufsatze vorgelegt wurden.
3. Hr. Dr. Hamerschmidt zeigte die Herausgabe
eines populären Werkes: „Anleitung zur Kennt-
niss der essbaren und schädlichen Schwämme
Oesterreichs“ an, und legte die bereits durch Hrn.
Hartinger vorbereiteten XIV Tafeln Abbildungen vor,
welche in Farbendruck ausgeführt werden sollen. 4 Der-
selbe hielt einen Vortrag über einige neue Ausser-
Europäische Seidenraupen und die Wichtigkeit
ihrer Einführung in Europa zur Hebung der
Seiden-Cultur. 5. und 6. Hr. Dr. Fraas aus Schleiss-
heim und Hr. Dr. Hirschfeld aus Holstein hielten Vor-
träge über chemische Präparate, welche in neuester
Zeit als Düngungsmittel angewendet wurden. Ersterer
über den Liebig'schen Pateutdünger u. a. Letzterer
über die Düngung mit Salpeter. 7. Hr. Prof. Fraas sprach
über die Frage, ob das Gypsen des Klees auf die
Wolle der Schafe einen Einfluss habe? S. Hr.
Dr. Hammerschmidt legte der Section das Programm
über die von Hrn. Bergrath Haidinger beab-
- sichtigte Herausgabe von naturwissenschaft-
lichen Abhandlungen vor und forderte zur Theilnahme
auf. 9. Ueber die Frage: Wie das Vorkommen von
Phosphor in Pflanzen und Thieren zu erklären
sei, ungeachtet das Mineralreich nur wenige
phosphorhaltige Steine enthalte: sprachen die Hrn.
Dr. Unger, Fras, Zippe und Hirschfeld.
Hr.Dr.Hammerschmidt ging nun in eine nähere Erör-
terung der hier angedeuteten Vorträge ein und legte zum
Schlusse das als Festgabe unter die Mitglieder der X. Ver-
sammlung vertheilte Werk des Hrrn. Prof. Hlubek: „Die
Landwirthschaft des Herzogthums Steier-
mark‘, die von den Ständen Steiermarks zur Feyer der
Versammlung geprägte, durch den Hrn. Münzgraveur Lange
— 170 —
in Wien ausgeführte Medaille, dann das Tagblatt der
Versammlung, den Bericht über die IX. Versammlung und
endlich die von Hern. Hartinger für das vom Berichter-
statter vorbereitete Werk: Anleitung zur Kenntniss
der Schwämme Oesterreichs angefertisten XIV.
Tafeln Abbildungen zur Einsicht vor. (Wir beschränken
uns hier auf diese gedrängte Uebersicht, da ohnehin ein
umständlicher Rericht über die Leistungen der naturhistori-
schen Section von Hrn. Dr. Hammerschmidt ehestens
veröffentlicht werden wird.)
Herr Dr. S. Reissek gab , aus Anlass des von Herrn
Dr. Hammerschmidt erstatteten Berichtes in Betreff der
Kartoffelkrankheit, einige Bemerkungen über denselben Ge-
genstand, welche im Wesen auf das in früheren Versamm-
lungen Vorgetragene sich gründen und für die Ansicht spra-
chen, dass die Krankheit eine anomale, der Vegetations-
fäule des gelegten Knollens verwandte und von derselben
nicht specifisch verschiedene Fäule sei.
Bei dem mehrfach ausgesprochenen Wunsche, von den
naturwissenschaftlichen Erscheinungen im Gebiete der Li-
teratur Kenntniss im grösseren Kreise zu nehmen, gab der-
selbe eine Uebersicht des Inhaltes des kürzlich erschienenen
2isten Bandes derAbhandlungen der kaiserlich Leo-
poldinisch-Carolinischen Akademie der Natur-
forscher. Inhalt und Ausstattung dieser Schriften reihen sich
an das Beste, was wir in der naturhistorischen Literatur be-
sitzen, würdig an. Herr Dr. Reissek bemerkte, dass wir,
nachdem die Allerhöchste Gnade Sr. Majestät der Wis-
senschaft und dem Staate eine Akademie zuschenken geru-
het, nun auch in Wien Gelegenheit haben werden, Schrif-
ten in ähnlicher und noch würdigerer Ausstattung erschei-
nen zu sehen. Dieselben werden dann den hohen Einfluss,
welchen man zu erwarten berechtigt ist, im vollen Masse
ausüben, und anregend und fördernd auf die wissenschaft-
liche Erforschung unseres theuren Vaterlandes einwirken.
Es wäre nur zu wünschen, dass viele, besonders jüngere
Kräfte sich der vaterländischen Erforschung zuwendeten,
ein erhöheter geistiger und materieller Nutzen könnte dann
nicht ausbleiben. Es wäre namentlich zu wünschen, dass
—_ 171 —
jüngere Leute, welche in Wien ihre Studien machen,
durch Aneignung naturwissenschaftlicher Kenntnisse, durch
Anleitung zur Erforschung von Seite erfahrener Männer,
so wie durch gegenseitige Bekanntschaft und gegenseiti-
gen Austausch des Erworbenen sich so weit heranzubilden
im Stande seien; dass, wenn sie ihre Bestimmung in die
Provinz ruft, sie dort mehr abgeschieden , dennoch die
Wissenschaft und Erforschung des Vaterlandes mit gutem
Erfolge zu pflegen vermöchten. Diesem Zwecke könnte nur
ein naturwissenschaftlicher Verein Genüge leisten,
wie wir auch dergleichen als wahres Bedürfniss an vielen
Orten, wo Akademien bestehen, antreffen, man darf nur an
die philomathische Gesellschaft zu Paris und an die natur-
forschende Gesellschaft zu Berlin erinnern. Ein solcher
Verein , dessen Hauptzweck es ist, gegenseitige Mitthei-
lungen aus dem Gebiete der Wissenschaft, Vorträge, auch
etwa Herausgabe von Denkschriften zu vermitteln, deren
Tendenz hauptsächlich eine patriotische wäre, kann für
wissenschaftliche Anregung, Belehrung und Forschung
sowohl für jüngere Kräfte, als überhaupt für Alle, welche
die naturwissenschaftlichen Studien nicht als Männer vom
Fache betreiben, sich aber dennoch sehr für dieselben in-
teressiren, nicht anders als höchst erspriesslich sein.
23. Versammlung, am. 5. October.
Wiener Zeitung vom 7. November 1846.
Herr Graf v. Keyserling, kaıs. Russischer Kaumer-
junker, legte das Werk:
„Russia and Ihe Ural Mountains by R.J. Murchison,
de Verneuil and Count Keyserling‘‘ und dessen Ergänzung:
„Beobachtungen aufeiner Reise d urch das
Petschora-Land von GrafKeyserling“
zur Ansicht vor und gab in einem eben so lehrreichen
als ansprechenden Vortrage Nachricht von den wichtigsten
— 112 —
Resultaten, welche die geologischen Forschungen in Russ-
land für die Kenntniss der Zusammensetzung der Erdrinde
bisher ge’iefert haben.
Sein Bericht, obschon so gedrängt, als es die ausser-
ordentliche Menge von Thatsachen, die darin berührt wer-
den mussten, zuliess, zu ausgedehnt für den Raum der
Wiener Zeitung istin Schmid!'s Literatur-Zeitung
ausführlich abgedruckt worden.
Drei der ersten Gelehrten ihres Faches, der Engländer,
Hr. Roderick Impey Murchison, der Franzose, Hr,
de Verneuil, und der Deutsch-Russe, Herr Graf K ey-
serling, theilen sich in der Ehre der Ausführung; die er-
steren Beiden schon seit einer langen Reihe von Jahren
durch ihre umfassenden geognostischen Arbeiten in ande-
ren Ländern berühmt; der Letztere durch ausgebreitete
theoretische Studien, so wie durch einen längeren Aufent-
halt in England zur Untersuchung des- Vaterlandes vorbe-
reitet. Durch fünf Jahre bereisten sie, theils gemeinschaft-
lich, theils einzeln das Europäische Russland, um die nöthi-
gen Daten zusammenzutragen, und ein übersichtliches Bild
der bis dahin so gut wie unbekannten geognostischen Ver-
hältnisse dieses Landes zu gewinnen.
Allein selbst Männern von ihrer Erfahrung und ihren
Kenntnissen wäre diese gigantische Aufgabe zu lösen nie
möglich geworden, hätte nicht die kaiserlich Russische
Regierung, im wohlverstandenen Interesse der materiellen
Bedürfnisse des Landes, ıhr Unternehmen auf eine der Aus-
dehnung und Kraft des Reiches entsprechende Weise ge-
fördert. Wohl einsehend, dass die bergmännischen Unter-
suchungsarbeiten, insbesondere bezüglich der so wichtigen
Steinkohlen, um die es sich zunächst handelte, so lange
einer rationellen Basis ermangeln, und unnütz die grössten
Summen verschlingen, so lange die rein wissenschaftliche
Kenntniss der geognostischen Verhältnisse fehlt, erleich-
terte sie ihre Untersuchungen auf alle Weise. In den ent-
legensten, unwirthbarsten Theilen des Reiches fanden die
Reisenden stets alle Vorbereitungen getroffen, um unver-
weilt ihre Untersuchungen beginnen zu können; überall
waren Arbeitskräfte nach Bedürfniss zu ihrer Verfügung
—- 173 —
gestellt, und für Communicationsmittel gesorgt, die ihr
schnelles Fortkommen sicherten.
So gelang es, in der im Verhältnisse zur untersuchen-
den Länderstrecke gewiss sehr kurzen Zeit von fünf Jahren
eine allgemeine Uebersicht zu gewinnen, die nun in den
oben genannten Werken, die auf Kosten der russischen
Regierung in London und Paris auf das Prachtvollste ausge-
stattet erschienen sind, dem Publicum vorliegt. An diese
allgemeine Uebersicht können sich nun Detail-Untersuchun-
gen aller Art anschliessen , von welchen unmittelbarer Ge-
winn in Beziehung auf das Auffinden nutzbarer Fossilien
zu erwarten steht. Schon jetzt kann man weite Länder-
strecken bezeichnen, in welchen das Vorkommen der Stein-
kohlen nicht erwartet werden darf, in denen demnach
Schürfungen gänzlich zwecklos wären; andere dagegen,
in denen das Vorkommen von Steinkohlen führenden Ge-
birgsarten nachgewiesen wurde, können einer näheren Un-
tersuchung anempfohlen werden.
Hr. Dr. Hammerschmidt, machte mit Bezug auf die
von Hrn. Custos A. Martin, am 23. September mitge-
theilten photographischen Leistungen die Bemerkung , dass
sowohl die Photographie, als auch die Daguerreo-
typie, mehr zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet
werden sollte und könnte, da hierdurch dem Naturforscher,
welcher nicht selbst zeichnen kann, ein einfaches Mittel
gegeben ist, von Naturgegenständen sich Abbildungen zu
verschaffen und selbe zu vervielfältigen, anderer Seits
aber selbst dem Zeichner durch Richtigstellung der Con-
turen und eine genaue Darstellung der Grössen - Verhält-
nisse einzelner Theile zu einander seine Arbeit sehr erleich-
tert werde. Dass die Anwendung der Daguerreotypie und
Photographie zur Erreichung von Abbildungen naturwissen-
schaftlicher Gegenstände möglich und gegeben sei, erläu-
terte derselbe durch die Vorlage einiger diessfälliger Ver-
suche. Er legte den Anwesenden eine von ihm bei Re-
genwetter durch Daguerreotypie erzeugte Abbildung eines
Farrenkraut- Abdruckes , eines Ammonites Melternichit
v. Hauer , und eines Blattabdruckes von Ulmus bi-
cornis Unger , dann eine mit Hülfe des Mikroskopes
— 174 —
mittelst seines bereits früher beschriebenen Apparates er-
haltene Abbildung eines Dicotyledonen - Stängel - Durch-
schnittes vor, endlich zeigte derselbe ein durch Hrn. Martin
nach der von ihm am 28. September hier beschriebenen Me-
thode erzeugtes negatives, photographisches Bild, nämlich
eine Abbildung von Ammonites Melternichii und A. debilis,
von Ulmus bicornis und einem Farrenkraut-Abdrucke.
Hr. Dr. Hammerschmidt zeigte eine von ihm auf
dem Wege der Galvanoplastik, von einem Daguerreo-
typ erhaltene Platte, worauf das Daguerreotyp-Bild auf
der, der Kupferplatte zugewendeten Fläche als Zeichnung,
auf der Rückseite aber als Relief erkennbar ist, indem sich
auf den mit Quecksilber bedeckten Stellen schneller und
mehr Kupfer niederschlug, als an den andern Stellen.
Hr. Franz Ritter v. Hauer zeigte eine Reihe von
Versteinerungen aus dem opalisirenden Muschelmar-
mor der Gegend von Bleiberg vor. Dieses Gestein ist
seines prachtvollen Farbenspieles wegen seit langer Zeit
ein Gegenstand der besonderen Aufmerksamkeit der Mine-
ralien-Sammler. Er verdankt seinen Glanz zahlreichen Am-
monitenschalen, die darin mit vielen anderen organischen
Ueberresten zu einer Breccie vereinigt sind. Es hält sehr
schwer einiger Maassen vollständige Exemplare aus diesem
Trümmergesteine loszulösen, und diesem Umstande ist es
wohl zuzuschreiben, dass seit Wulfen, der im Jahre 1793
eine eigene „Abhandlung über den kärnthnerischen pfauen-
schweifigen Helmintolith‘‘ schrieb, sich Niemand mit einer
genaueren Untersuchung dieser Fossilien beschäftigte.
Hr. v. Hauer hatte Gelegenheit, bei seiner Anwesen-
heit in Bleiberg im Laufe des diessjährigen Sommers eine
grosse Anzahl derselben für das k. k. montanistische Mu-
seum zu sammeln, noch mehrere aber aus den dortigen
Sammlungen zur Vergleichung auszuleihen. So wurden ihm
in Klagenfurt alle Stücke aus der höchst interessanten geo-
gnostischen Sammlung des Hrn. Franz v. Rosthorn,
so wie ans der Sammlung des k. k. Oberbergamtes zur
Untersuchung mitgetheilt; und in Bleiberg erhielt er die
werthvollsten Beiträge von den Gewerken Hrn. Reichsritter
von Jacomini, Mühlbacher und Sorger, dann ins-
— 15 —
besondere von den Herren k. k. Bergverwalter Berger,
Pochwerks-, Hütten- und Zeugschaffer Sauper und Prak-
tikanten Lipold.
Nach der Untersuchung dieses reichhaltigen Materiales
ergab sich, dass verhältnissmässig nur sehr wenige Arten
von Cephalopoden zur Bildung des Bleiberger Muschel-
marmors beitragen. Es fanden sich:
Zwei Ammonitenarten und zwar:
A. floridus, besonders merkwürdig durch die mannig-
faltigen Formänderungen, welche die verschiedenen Alters-
stufen dieser Art darbieten, und welche Wulfen veran-
lassten, sie in vier Species zu sondern, die er Nautilus
floridus, N. bisulcatus, N. nodulosus und N. redivivus
nannte. Hierher gehört ohne Zweifel auch der von Phil-
lips in einer sehr fleissigen uud verdienstvollen Arbeit über
die Lagerungsverhältnisse in Bleiberg in dem Annales des
mines 1845 p. 248 angeführte A. opalinus ;
A. Johannis Austriae v. Klipstein, der sich auch zu
St. Cassian in Tyrol und Aussce in Steiermark findet;
Ein Nautilus. Er ist noch nicht beschrieben und er-
hielt den Nahmen N. Sauperi v. Hauer, zur Erinnerung
an Hın. Sauper, der seit einer langen Reihe von Jahren
mit unermündlichem Eifer die geognostischen Verhältnisse
von Bleiberg studiert hat;
Zwei Arten von Orihoceras und ein Belemnit,, alle drei
noch nicht vollständig genug, um die Arten sicher fest-
zustellen.
Aus der Untersuchung dieser Fossilien ergibt sich,
dass der Bleiberger Muschelmarmor derselben Bildung an-
gehöre, wie die Cephalopoden- Schichten der Gegend von
Hallstatt, Aussee, Hallein (am Dürrenberg, nicht aber bei
Adneth) an der Nordseite der Alpen u. s. w.; ein Resultat,
welches auch durch die übrigen Lagerungsverhältnisse an
beiden Orten vollkommen bestätigt wird. Eine ausführlichere
Abhandlung über die hier angedeuteten Gegenstände mit
den nöthigen Abbildungen wird in den „„Naturwissenschaft-
lichen Abhandlungen, gesammelt und durch Subscription
herausgegeben von W. Haidinger,‘“ erscheinen.
24, Versammlung am 15. October.
Wiener Zeitung vom 42. November 1846.
Herr Dr. S. Reissek, Custos-Adjunet am k. k. Hof-
Naturalien-Cabinete , machte einige Bemerkungen über die
vor Kurzem in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung‘ be-
richtete Entdeckung des Deutschen NaturforschersGesner,
über zwei neue Kartoffelarten, welche derselbe in
Neufundland wildwachsend angetroffen, und von denen er
glaubt, dass sie die gemeine Kartoffel vollständig ersetzen und
zugleich weniger der Ausartung und Fäule ausgesetzt sein
dürften , als die letztere. Ans der kurzen beigefügten Beschrei-
bung geht hervor, dass die erstere mit kleineren Knollen ver-
sehene Art gar keine Kartoffel, sondern vielleicht eine Claylo-
nia, eine in die Familie der Portulaceen gehörige krautige
Pflanze, sei. Die zweite Art scheint der Beschreibung zu
Folge wirklich die gemeine Kartoffel zu sein, ohne Zweifel
ist sie jedoch in diesem Falle in Neufundland nur verwildert,
wie überhaupt die Verwilderung und Erhaltung dieser Pflan-
ze in einem Inselklima viel leichter erfolgt. Ist wirklich
diese Pflanze unsere gemeine Kartoffel, so dürfte nach
Herrn Dr. Reissek die Entdeckung derselben und der
Anbau der davon entnommenen Knollen zur Regenerirung
der Kartoffel im Allgemeinen und zur Verhütung der Wie-
derkehr solcher Erscheinungen , wie die vorjährige und heu-
rige Kartoffelfäule, sich kaum als unbedingtes Hülfsmittel
bewähren.
Hierauf wurden einem vor Kurzem in Wien erschie-
nenen naturwissenschaftlichen Werke unter dem Titel:
„Kleine Beiträge zur Naturgeschichte der In-
fusions-Thierchen vonHrn.Dr. Ludwig Schmarda,“
von Herrn Dr. Reissek einige anerkennende Worte ge-
widmet.
Herr Dr. Hammerschmidt zeigte ein von Herrn
Cusios Martin erzeugtes negatives und ein davon abge-
nommenes positives photographisches Bild auf Papier
eines versteinerten Fisches: Lichia prisca. Ag. vom Monte
— 11 —
Bolca, woran mit der Loupe die zartesten Detailzeichnun-
gen erkennbar sind, daher sich zweifellos herausstellt , dass
auf diese Weise nach der von Herrn Custos Martin ver-
öffentlichten Methode, die Photographie mit Erfolg zur
Darstellung naturwissenschaftlicher Gegenstände benützt
werden könne.
Herr Dr. Hammerschmidt legte ferner mit Bezug
auf die von Herrn Schönbichler in der Wiener Zeitung
Nr. 234 bekannt gemachte Rechnungsmaschine: ‚„‚Nepe-
rische Rechnungsstäbe“ vor, welche durch ihre Ein-
fachheit und durch den Umstand, dass sich Jedermann diese
Vorrichtung leicht aus Streifen von Kartenpapier selbst
machen kann, auszeichnen. Da man in der neueren Zeit
den Rechnungsschiebern grössere Aufmerksamkeit schenkt,
so dürften diese weniger beachteten Neperischen Rech-
nungsstäbe bei sehr grossen Multiplicationen durch ihre
Einfachheit vor manchen zusammengesetzteren Vorrichtun-
gen sich anempfehlen,
Herr Dr. Ludwig Schmarda sprach über die
Adriatische Infusorien-Fauna. Ein in den Mona-
ten Julius, August und September 1844 an die nördliche
Küste des Adriatischen Meeres unternommener und 1846
zur selben Jahreszeit wiederholter Ausflug machte ihn mit
der Infusorien-Fauna mehrerer Küstenpuncte und einiger
Stellen von Ober-Italien und Istrien bekannt.
Im Jahre 1844 untersuchte Herr Dr. Schmarda die
Umgebung von Triest und Capo d’Istria, die von Venedig
und die Lagunen bis Chioggia und Brondolo. Die Gesammt-
zahl der damals beobachteten Formen belief sich auf 113
Gattungen, von denen 102 in 60 Geschlechtern zu den
polygastrischen Infusorien, 11 Gattungen in neun Ge-
schlechtern zu den Räderthieren gehören.
Die meisten der damals beobachteten Thiere gehörten
dem Seewasser an, die süssen Gewässer lieferten eine ge-
ringe Ausbeute. Von den Erstern sind jedoch verhältniss-
mässig nur wenige ausschliesslich dem Meere eigen, die
meisten traten sowohl im süssen, als im salzigen Was-
ser auf.
Das Meer bot besonders reiche Fundorte au mehre-
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I. 12
— 118 —
ren Stellen des Hafens von Triest, in den Salinen von
Capo d’Istria, den aufgelassenen Salinen bei Zaule, im
Hafen und den Lagunen von Venedig und den Lagunen-
gräben zwischen Chioggia und Brondolo.
Von süssem Wasser wurden damals untersucht: Meh-
rere kleine , zeitweise ganz vertrocknende und eine grös-
sere Lache in dem an solchen Wasserbehältern sonst ar-
men Karstgebirge ober St. Bortolo, eine Stunde von Triest,
die Regenpfützen im Boschetto bei Triest und die bei Muja,
das Wasser ın den botanischen Gärten zu Venedig und
Padua, die Gräben zwischen Padua und Monte -Ortone,
einige stehende Wässer am Fusse der Euganeen und der
Badschlamm der heissen Quellen von Abano und Monte-
Ortone.
Im Sommer 1846 wurden die Untersuchungen an der
östlichen Küste des Adriatischen Meeres wiederholt und
erweitert. Es ergab sich -auch hier das interessante Re-
sultat, zu dem Dr. Schmarda schon bei seinen Beobach-
tungen in Wien gelangt war, dass gewisse Infusorien zu
bestimmten Jahreszeiten an demselben Orte sich wieder-
finden, dass es mithin für die Thierchen eben so Stand-
orte gebe, wie für andere Thierclassen.
Zum ersten Male untersucht wurden: Die Salinen von
Pırano, die Lachen bei Rovigno, die Umgebung von Pola,
Calisano, im Ungarischen Küstenlande das Wasser in den
Pfützen des Grobniger Feldes bei Finme,, das von Dreno-
va, Porto-Re u. dgl., auf den Quarnerischen Inseln die
Süsswasserlachen zwischen Castel muschio und Veglia und
das Wasser des Hafens von Cherso.
Ausser auf den Inseln und an den Küsten wurden auch
im Innern Istriens Beobachtungen angestellt. Dieses inter-
essante und in vielen, ja in den meisten und grössten Be-
ziehungen noch wenig bekannte Land ist für den Natur-
forscher sehr wichtig. Mehr als Einer könnte hier Beschäfti-
gung und reiches Materiale zu neuen Arbeiten finden. Das
Land besteht fast durchgängig aus Berg- und Hügelland
mit kümmerlicher Baumvegetation. Diess ist einer der Haupt-
gründe seiner drückendea Wasserarmuth. Es gibt nur we-
nige Küstenflüsse und kleine Bäche, welche im Sommer
— 179 —
fast ganz versiegen; Quellen gehen höchst selten zu Tage
aus; denn in dem vielfach mit Höhlen durchzogenen und
zerklüfteten Kalkstein sickern die Gewässer durch. — An
vielen Orten, besonders in den armen slavischen Dörfern ,
wo nicht einmal Cisternen sind, bilden Regenpfützen von
bald grösserem, bald kleinerem Umfange die einzigen Was-
serbehälter. Sie entstehen in den muldenförmigen Vertiefun-
gen und diese Vertiefungen finden sich in ganz Istrien, in
ihnen ist die Dammerde durch Wind und Regen angehäuft,
welche die Trägerin einer üppigen Vegetation ist, die einen
erfreulichen Gegensatz zu der armen und oft ganz nack-
ten Umgebung liefert. Diess gilt besonders vom Karste,
wo diese Vertiefungen (Dollinen) oft die einzigen cul-
turfähigen Stellen in dem unfruchtbaren Steinmeere sind.
Sind solche mulden- oder trichterförmige Vertiefungen mit
einer Lehmschichte bedeckt, dass das Wasser nicht durch-
sickert, so sammelt es sich nach Regengüssen darin an und
auf diese Art entstehen eine Menge Pfützen, von denen
zwar viele im Sommer vertrocknen, diejenigen jedoch, in
welchen ein grösserer Umkreis seine Abdachung hat, so dass
die Zuflüsse an Regenwasser bedeutend sind, auch in der
heissesten Jahreszeit nie ganz leer werden.
Diese Pfützen liefern an vielen Orten für die Einwohner
nicht nur das Wasser zum Reinigen der Wäsche und zum
Bereiten der Speisen, sondern es wird auch zum Trinken
verwendet und desshalb oft stundenweit herbeigeholt; die
Noth zwingt dazu; deon in den Dörferu gibt es nirgends
Brunnen und nicht einmal überall Cisternen.
Dieses Wasch- und Trinkwasser ist aber nichts weni-
ger als rein und zum Genusse einladend,, Polumogelon, Ra-
nunculus aqualilis, Charen und Algen vegetiren sehr üp-
-pig und ganze Heere von Fröschen, Tritonen, Anneliden,
von mikroscopischen Crustaceen Di ungeheure Schwärme
von Infusorien bevölkern dasselbe. Die letzteren besonders
überwiegen oft in der Art, dass ihre Milliarden das Wasser in
seinen Eigenschaften ändern und eigenthümliche Trübungen
und Färbungen desselben bedingen. Am häufigsten wurde von
Herrn Dr. Schmarda die grüne Färbung beobachtet; so im
Julius bei Liprzza und Bosowizze, im August bei Pola, Ca-
e*
— 180 —
lisano, Chacole im Grobniger Feld, Porto-Re, Veglia, im
September bei Valle, Rovigno, Gimino, Pisino u. m. a. ©.
In den meisten Fällen rührte die grüne Färbung von
dem grünen Augenthierchen (Euglena viridis) her, einem
Thierchen, das in ungeheurer Verbreitung und massenweise
gefunden wird, und das eine bedeutende, aber noch immer
nicht genug gewürdigte Stelle im Haushalte der Natur ein-
nimmt. Die von diesem Thierchen bedingte Färbung cha-
rakterisirt sich durch ein gesättigtes Grün, das Wasser färbt
Leinwand und Papier grün, und ist oft mit einer grünen
Haut bedeckt, die eine passive Bewegung hat (unter dem
Einfiusse der Wärme sich hebt und senkt) und aus abge-
storbenen Individuen besteht. Wenn sie das Wasser dicht
erfüllen, theilen sie ihm einen moderigen Geruch mit und
ändern sogar seine Consistenz, die dann mehr der des Oeh-
les gleicht.
Ausser dem grünen Augenthierchen ist auch noch das
grüne Hüllenthierchen massenweise gefunden worden , doch
seltener.
Erwähnenswerth sind uoch die rasenartigen Bildungen
von Bacillarien, die Herr Dr. Schmarda bei Pirano und
Cherso beobachtete. Die von Pirano waren gelbgrau und
schwammen als Inseln von 2 bis 18 Zoll in den Gräben,
welche die Salinen umgeben. Die im Hafen von Cherso be-
obachteten waren schwärzlichgrün.
Die Zahl der im letzten Sommer beobachteten Formen
beträgt 72 Gattungen Polygastrica in 48 Geschlechtern und
22 Gattungen Räderthierchen in 15 Geschlechtern.
Hr. Dr. F. Rossi überreichte eine von ihm verfasste
Schrift „über neue Arten 'Spinnenthiere (Arach-
nida) des k. k. Museums‘‘ und knüpfte hieran einige Be-
merkungen, bezüglich der systematischen Eintheilung die-
ser Thier - Classe. Vor Allem erklärte er sich gegen jene
auch anderwärts übliche Methode, welche Gattungen und
Arten nur nach den Merkmalen eines Geschlechtes (des
männlichen gewöhnlich) charakterisirt, und sprach seine
auf mehrfache Untersuchungen basirte Ansicht dahin aus,
dass bei weitem in den meisten Fällen, in welchen zur
Aufstellung systematischer Einheiten nur derlei Charaktere
— 181 —
angewendet worden sind, ein sorgfältiges Studium des hin-
.tangesetzten Geschlechtes auch an diesem Merkmale
entdeckt, welche zur Bezeichnung der betreffenden Gruppe
tauglich gewesen wären. Er wünschte das gerügte Verfah-
ren um so mehr beseitigt zu sehen, als die systematische
Bestimmung weiblicher Thiere dadurch unmöglich, und so-
mit der Physiologie, welche gerade an diesen Individuen
die reichsten Beobachtungen macht, das Mittel zur Fixation
ihrer Erfahrungen benommen wird. Weiterhin machte er
auf den Einfluss aufmerksam, welchen die Entdeckungen
von Leon Dufour, Duges und insbesondere jene von
Monge in Danzig hinsichtlich des Athmungs- Systemes
vieler echter Spinnen (Aruneida) auf die Systemisirung
ihrer Classe nehmen müssen. Indem nämlich die genann-
ten Forscher bei mehreren echten Spinnen-Gattungen aus-
ser den längst bekannten Lungensäcken auch Tracheen
aufgefunden haben, wird die bisherige Haupteintheilung der
Spinnen-Thiere in Pulmonaria und Trachearia ganz
unhaltbar, ja es dürfte sogar gerathen sein, diesen rein
anatomischen Eintheilungsgrund , abgesehen von allen an-
dern Unzukömmlichkeiten einer anatomischen Ulassifica-
tion des Lebendigen, desshalb fallen zu lassen, weil die
respiratorische Function jener sogenannten Lungensäcke
eben durch neue Beobachtungen problematisch geworden
ist. So werfen z. B., wie Herr Dr. Rossi selbst beobach-
tet hat, die echten Spinnen ihre Lungensäcke bei jeder
Häutung vollständig ab, und es erzeugen sich völlig
neue von gleichem Baue, ein bei Respirations - Organen un-
erhörter Fall, und taucht man solche Thiere unter Wasser,
so treten aus den Mündungen dieser Säcke (den Stigmen)
niemahls Luftblasen, was doch unter gleichen Umstän-
den bei jedem anderen Luftathmungs- Organe Statt fiudet.
Auch handelt es sich hier um Thiere, welche beständig in
einem und demselben Medium — der Luft nämlich — ver-
harren, und alle Fälle von zweierlei Athmung des Indivi-
duums, welche das Thierreich aufweist, finden sich nur bei
Formen, die der Luft und dem Wasser beinahe gleichmässig
angehören: Eine direete Doppelathmung der Luft,
wie sie nach der älteren Ansicht hier Statt haben müsste,
— 182 —
stellt sich von Seite der Theorie unnütz, von Seite der Er-
fahrung ohne alle Analogie dar.
Hr. Dr. Rossi zeigte der Versammlung einen ziemlich
grossen afrikanischen Skorpion vor, welchen er gegen drei Mo-
nate lebend beobachtet, deraber während dieser langen Zeit
alles dargereichte Futter (Spinnen, Fliegen, Mehlwürmer
u. 8. f.) verschmäht hatte; letzteres wahrscheinlich dess-
halb, weil ihm die Spitze des Giftstachels im Kampfe mit
fünf Individuen seiner Art abgekneipt, und er somit zur
Tödtung der Beute in der Art, wie sie Thiere sei-
ne r Gattin ausführen, unfähig geworden war. Die-
ser Skorpion gehört übrigens jener minder giftigen Art an,
welche der Araber wegen ihrer Vorliebe für salzhaltigen
Boden Agrab el melch, d. . Salz-Skorpion nennt,
und die in Ehrenb ers Reisen als Bewohnerin der liby-
schen Wüste unter der Bezeichnung : ‚„‚Androctonus liby-
cus“ erscheint. ee
Schliesslich’ zeigten die Herren Joseph Natterer,
Adolph Patera und Franz Markus explodirende
Baumwolle, die sie nach der in den öffentlichen Blättern an-
gegebenen Methode bereitet hatten, vor. Die Verpuffung
bei Berührung mit einem glimmenden Holzspan oder durch
den Schlag mit einem Hammer gelang vollkommen.
25. Versammlung , am 22. Vetober.
Wiener Zeitung vom 20. November 1846.
Herr J. Czjzek gab neue Fundorte der fossi-
len Fauna im ungarischen Becken an, die er bei
seinen Begehungen im diessjährigen Sommer auffand, wo-
bei er jedoch die Bemerkung machte, es mögen diese vor-
läufigen Notizen einige Forscher veranlassen, die angege-
benen Localitäten gründlich zu untersuchen und die Lage-
rungsverhältnisse zu bestimmen, da er grössten Theils
nicht in der Lage war, bei diesen Fundorten lange
genug zu verweilen, um eine vollständige Ausbeute machen
zu können. |
—_— 153 —
Von der östlichen Fortsetzung des Rosalien - Gebirgs-
zuges, dessen Grundgestein aus Glimmerschiefer besteht,
fliesst der Klein-Angerbach gegen das Dorf Loipersbach
an der Oedenburger Eisenbahn. Ungefähr eine halbe Stunde
westlich von Loipersbach brechen in diesem Thale jene
Sand-, Sandstein- und Geröllschichten zu Tage, welche
die ältere Braunkohle bedeken. Man sieht hier deutlich die
von dem Urgebirge abfallenden nördlich verflächenden Sand-
steinschichten in abwechselnder Lagerung mit Sand- und
mächtigen Geröllschichten.
In den Ersteren zeigen sich häufig Kohlentrümmer, und
darunter konnte Hr. C2jzek einen ganz in Kohle verwan-
delten Coniferen-Zapfen unterscheiden.
Aehnliche Geröllschichten, in das Wiener Becken ab-
fallend, fand er auch bei dem Kohlenbaue Schauerleiten,
und da die ältere Braunkohle grössten Theils selbst auf dem
Urgesteine, d. i. auf dem Glimmerschiefer dieses Gebirgs-
zuges liegt, so dürften wohl diese meist aus Quarz-
geschieben bestehenden losen Gerölle und die mit vielem
Glimmer untermengten Sandschichten unter den Tegel fort-
setzen und somit die untersten. Lagen des Wiener und we-
nigstens eines Theils des ungarischen Tertiärbeckens ein-
nehmen.
Wenn man aus dem vorerwähnten 'Thale, worin der
Klein-Angerbach fliesst, nördlich über die Höhe gegen
Rohrbach schreitet, zeigen sich bald tiefe Einrisse, in de-
nen bereits Tegel ansteht, der ebenfalls nördlich verflächt.
In diesem etwas sandigen Tegel fand Hr. C2jZ2ek mehrere
die Badner Tegelschichten charakterisirenden Versteinerun-
sen, als: Nafica excimia Eichwald , Conus antediluvianus
Deshayes, Milra elegans Partsch, Pleurofoma bracteata
Brocchi , Pleurotoma rolata Brocchi, Pleurofloma dubia
Jan‘, Buccinum badense Partsch, Fusus unbestimmt.
In diesem Tegel fand er jedoch keine Foraminiferen.
Schreitet man aber noch weiter nördlich vor bis zur Kirche
von Rehrbach, so zeigen sich bereits in dem daselbst an-
stehenden nordwestlich abfallenden Tegel Foraminiferen.
Herr Czjzek fand darin Dentalina elegans d’Orbigny,
Denlalina inornala d’Orbigny, Denlalina Adolphina
— AB
d’Orbigny, Robulina calcar d’Orbigny , Cristellaria cassis
Lamarck, Bulimina und Robulina, neue Arten; ferner Ci-
dariten-Stacheln und Murexdeckeln, wie in Baden, nicht
aber wie in Nussdorf.
Noch weiter nördlich an der Eisenbahn nächst Marz
fand Hr. C2jzek den Tegel ebenfalls mit nordwestlichem
Verflächen, hier aber so mit Foraminiferen angefüllt, dass
das Stück , welches er hiervon zur Untersuchung mitnahm,
fast den zehnten Theil seines Inhaltes an dieser mikrosko-
pischen Fauna lieferte; er fand darin: Orbulina universa
aOrbigny, Glandulina? Globulina? Globigerina bulloides,
Nonionina Boueuna, und noch eine andere, Robulina cal-
car, Uvigerina, drei Arten, darunter U. pygmea. Buli-
mina, drei Arten, darunter B. ovala, Texlularia carinalta,
deperdila, Triloculina consobrina, Quingueloculina® Den-
talina Adolphina, Dentalina?, Cidariten-Stacheln.
Noch weiter nördlich bei Mattersdorf im Durchschnitte
der Eisenbahn, wo die Lagerungsverhältnisse des Tegels
bereits undeutlich sind, kam eine dünne Tegellage vor,
angefüllt mit kleinen Individuen von Crassatella dissila
Eichwald, Donax longa Bronn, Trochus coniformis Eich-
wald, Cardium. Darüber liegt Löss mit Helix und Suc-
cinea.
Weiter im Durchschnitte enthielt der blaue Tegel Car-
dium, Mylilus,, darüber konnte man eine schwache Lage
von bituminosem Holz und ober demselben Geröll und Sand-
schichten mit Östreen bemerken.
Südwestlich von Mattersdorf an den letzten Häusern
dieses ausgedehnten Dorfes sind zwei Sandgruben eröffnet.
Der Sand, durch ein kalkıges Cement theilweise verbunden,
liefert einige Sandsteine zum Bauen, die höheren Schichten
dieses Sandes sind mit Gerölle sehr urtermischt, was in der
oberen kleineren Sandgrube sehr deutlich hervortritt. Diese
obere ist reichhaltiger an Versteinerungen, obwohl diesel-
ben grössten Theils nur in Bruchstücken zu finden sind.
Herr Cz2jzek sammelte darin Turrilella aculangula
Brocechi, T. Archimedis Brongniart, Nalica eximia Eich-
wald, Trochus palulus Brocchi, Turbo rugosus Linne,
Pleuroloma tlubercuwlosa Basterol, Buceinum reliculatum
— 185 —
Linne, Cerilhium, unbestimmt, Corbula nucleus Lamarck,
Cytherea chione Lamarck, Venericardia Jouanelli Bast.,
Peclunculus oblusalus Partsch, Peclen, Ostrea unbestimmt.
In der unteren Sandgrube sind selbst die Bruchstücke
sehr gebrechlich; doch war deutlich zu erkennen Ancillaria
obsolela Parisch, Peclunculus obtusalus Parlsch, Lueina,
eine neue Art.
Obschon dieser Fundort nur groben Sand und Gerölle
enthält, so können doch die genannten Arten am füglich-
sten mit den Badner Schichten parallelisirt werden; wie-
wohl der angeführte Zrochus, Peclunculus, und die häufig
vorkommende Cylherea auf jüngere Schichten deuten.
Auch die Gegend von Forchtenau und Wiesen ist in
paläontologischer Hinsicht interessant. Wenn von Forch-
tenau der sogenannte obere Fahrweg gegen Wiesen, also
nördlich , verfolgt wird, so gelangt man hinter dem Forst-
hause bald auf Sandschichten, die mit Tegellagen abwech-
seln und ein nördliches Verflächen zeigen. Daraus sam-
melte Hr. Cz2jzek:
Natica millepunctata Lamarck, Conus fuscocingu-
latus Brocchi, anltediluvianus Deshayes, Pleurotama dubia
Jan, Cerithium minulum Serres, Anomia, Aslraea, Am-
phistegina. -
Diese Schichten scheinen dem oberen Sande anzuge-
hören, indem sie sich zwischen die Pötzleinsdorfer und
Sieveringer Schichten stellen.
Wenn der vorgenannte Weg bis in das Thal und wei-
ter gegen Wiesen verfolgt wird, so gelangt man in einen
Hohlweg, in welchem die Tegelschichten in Betreff der
Versteinerungen eine auffallende Aehnlichkeit mit der Bad-
nerFauna zeigen, es fand sich darin: Natica eximia Eich-
wald, Ancillaria obsolela Partsch, Conus, Milra cupres-
sina Brocchi, Pleurotoma calafracta Brocchi, lurricula
Brocchi, Cassidaria echinophora Lamarck, Cancellaria
conlorla Basierot, Cerithium Bronnü Partsch, Corbulu
nucleus Lamarck, Venus rugosa Lamarck, Venericardia
lumida Parisch, Pecten Macovü Dubois, Osirea unbe-
stimmt, Zurbinolia duodecimcostala Goldfuss.
— 186 —
Von Wiesen nordöstlich am Wieserbache fand Herr
Cijzek in dünnen Schichten Cerithium inconsltans Ba-
sterot , piclum Basterol , Nerilina in sehr gebrechli-
chen Exemplaren, weiter abwärts aber am Bache sind
die nördlich verflächenden Sandschichten mächtiger und
reich an den eben genannten Cerithien- Arten. Unmittelbar
darüber, aber scharf getrennt, liegt eine Sandschichte
ganz angefüllt mit Schalen von Trochus Bouei Partsch,
coniformis Eichwald, Buccinum baccalum Basterot, Muc-
ira podolica Eichwald , Crassatella dissila Kichwald,
Donux longa Bronn, Solen vagina Linne, Venus gre-
garia Partsch, Cardium vindobonense Partsch, Cardium
plicatum Eichwald, Mylilus Brardi.
Diese den Nexinger Schichten sich anreihende Sand-
schichte ist interessant wegen der scharfen Trennung von
der darunter liegenden Cerithien Schicht.
Herr Dr. Moriz Heider sprach über eine besondere
Eigenschaft der Zahlen.
Wenn man eine beliebige Reihe von Ziffern nieder-
schreibt, dann durch irgend eine Permutation derselben
Ziffern eine andere Zahl bildet und die Differenz beider Zah-
len sucht, so ist sie stets durch 9theilbar. Hr Dr. Heider
wies nach, dass diese im ersten Augenblicke überra-
schende Thatsache durch die Natur des dekadischen Zah-
len-Sytems wesentlich begründet ist, und führte im Allgemei-
nen den Beweis, dass in jedem Zahlen-Systeme die Diffe-
renz zweier durch verschiedene Anordnung derselben Ziffern
gebildeten Zahlen durch die höchste Ziffer des Systemes
theilbar sein müsse. So im Fünfer Systeme deren Ziffern
0, 1, 2,3, A, sind durch # u. s. f.
Hr. Dr. Hammerschmidt machte äuf die neuesten
Leistungen in Farbendruck des Herrn A. Hartinger
aufmerksam, die in der neuesten Zeit in der k. k. Hof-
undStaatsdruckerei ausgeführt würden, und zeigte den
Anwesenden ein Bild vor, welches an demselben Tage bei
Gelegenheit eines Besuches, womit Se.Exc. derk.k. Hr. Hof-
kammer-Präsident Freiherr von Kübeck diese Anstalt
beehrte, demselben gewidmet, und zum Beweise der neue-
sten selungenen Leistungen in diesem Fache vorgelegt
— 187 —
wurde. Dasselbe stellt einen Blumenstrauss von Eriken
und einigen Spielarten der grossen Viola Iricolor maxima
vor, woran die anwesenden Botaniker vom Fache der na-
turgetreuen Darstellung und lebendigen Farbenwahl volle
Anerkennung gaben, während anderer Seits selbst Kunst-
verständige den Farbendruck nicht erkannten, sondern das
Bild für übermalt bielten, oder doch wenigstens eine Nach-
hilfe voraussetzten.
Hr. Dr. Hammerschmidt bemerkte, dass bei der
Vorlage so gelungener Proben nach der von Hartinger
angewendeten Methode die Anwendbarkeit des Farben-
druckes für naturgeschichtliche Werke sohin ausser Zweifel
gestellt sei, und legte am Schlusse noch eine Probe einer
ausgezeichneten typographischen Leistung vor, welche
aus der k. k. Staatsdruck erei am 22. October bei
Gelegenheit des oben erwähnten Besuches herverging. Es
ist diess ein Gross-Folioblatt, worauf in einem Gedichte mit
Leitern gedruckt, die der Guttenberg-Bibel nachgeahmt
sind, Empfindungen der innigsten Verehrung ausgedrückt
sind, und der Wunsch, das Denkmal, welches hier errich-
tet, sei so dauernd als der Himmel, eine T'ypenschau der 33
bestehenden Sprachen gewährt.
26. Versammlung, am 29. October.
Wiener Zeitung vom 24. November 1846:
Herr Franz Ritter v. Hauer zeigte Versteiner-
ungen vor aus der Gegend von Dienten, südwest-
lich von Werfen im Salzburgischen. Dieser Ort
liegt äusserst romantisch am Fusse der steilen Wände des
ewigen Schneeberges; dessen Gipfel von einem Gletscher
gekrönt ist. Eisenstein-Bergbau macht ihn wichtig für die
montanistische Welt. Der ewige Schneeberg und die an-
deren höheren Gebirge gehören dem Alpenkalke an. Im
Thale findet man Thonschiefer und Grauwacke, die am
Nordabhange der Alpen als eine weit und mächtig entwi-
ckelte Formation sich zunächst an die Urgebirge der Zen-
—_ 188 —
tralkette anreihen. Nirgends hatte man bisher in diesem
Gebilde Versteinerungen aufgefunden, die eine sichere Be-
stimmung zuliessen, und daher war keine Vergleichung mit
den Uebergangsschichten anderer Länder möglich gewesen.
Vor etwa zwei Jahren entdeckte der k. k. Hr.
Bergverwalter J. v. Erlach in Dienten kleine Orthozerati-
ten und Bivalven in diesen Schichten. Er sammelte sie
sorgfältigst und theilte Herra v. Hauer, als dieser zur
Untersuchung der Verhältnisse ihres Vorkommens im .diess-
jährigen Sommer in die dortige Gegend kam, die interes-
santesten zur Bestimmung mit. Sie finden sich am häufig-
sten in der sogenannten Nagelschmidt-Grube, in einer
durchschnittlich fünf bis sechs Zoll mächtigen Schichte
eines schwarzen beinahe graphitähnlichen Thhonschiefers,
der zwischen Spatheisenstein gelagert ist. Der Spatheisen-
stein selbst bildet unregelmässige, gewöhnlich wenig aus-
gedehnte Stöcke im Grauwackenschiefer und geht stellen-
weise in diesen über. Unter ähnlichen Verhältnissen, aber
seltener, sind sie in der Sommerhalsgrube anzutreffen.
Die Untersuchung dieser Fossilien, die alle in Schwe-
felkies verwandelt sind, ergab folgende Arten: Orlhoceras
gregarium Murch., siyloideum Barrandi, siriatum Sow.
Alle drei Arten des unvollkommenen Zustandes der Schale
wegen nur sehr unsicher bestimmt. Cardiola interrupla
Broderip. (Curdium cornucopiae Goldfuss.) Cardium gra-
cile Münster, Cardium n. sp. Endlich eine vielleicht neue
Bivalven-Gattung etwa mit Inoceramus verwandt. So gering
auch die Zahl der Arten dieser Fossilien ist, so gestatten sie
doch durch das Auftreten der so charakteristischen, mit voller
Sicherheit bestimmten Cardiaceen interessante Vergleichun-
gen. Dieselben Arten finden sich nämlich nach Murchison
(Silurian System p. 617) in England in den unteren Abthei-
lungen der sogenannten Ludlow-Schichten, die dem oberen
silurischen Systeme angehören, nach Gf. Münster in der
oberen Etage des Uebergangskalkes des Fichtelgebirges bei
Elbersreuth, der nach den Untersuchungen dieses berühm-
ten Paläontologen (Beiträge zur Petrefactenkunde IV. p.
33) wohl auch dem silurischen Systeme angehört; endlich
nach Barrande (Notice preliminaire sur le Systeme Silu-
— 189 —
rien el les Trilobites de Boheme)) in den unteren Schichten
der obersten Abtheilung der Böhmischen Uebergangs - Ge-
bilde, die von diesem Autor ebenfalls den oberen silurischen
Schichten parallelisirt werden.
Aus diesen Betrachtungen scheint hervorzugehen, dass
wenigstens ein Theil der sogenannten Grauwäcke. Schich-
ten der nördlichen Alpen, In zwar wahrscheinlich alle
spatheisensteinführenden Lager derselben, dem oberen silu-
rischen System angehören. Ein anderer Theil gehört wahr-
scheinlich dem devonischen Systeme an. In Dienten selbst
findet man näher gegen die Kalkwände des ewigen Schnee-
berges rothgefärbte Schiefer und Sandsteine, und ein Glei-
ches beobachtet man in der Seeau am Leopoldsteiner - See
bei Eisenerz, wo in den rothen Schiefern undeutliche Bival-
ven, darunter Avicula , vorkommen.
Herr Dr. S. Reissek machte eine Mittheilung über
die Entwickelungsgeschichte der Flachsfaser
und ihre Verwandtschaft zu anderen Fasergeweben,, deren
man sich zur Bereitung verschiedener Zeuge bedient, insbe-
sondere der Hanf- und Baumwollenfaser. Die Flachs-
faser ist bekarntlich das Bastgewebe des gemeinen Leines.
Sie etwickelt sich in folgender Weise: Im sehr jungen Zu-
stande des Stängels, wo sich die Zwischenknoten erst zu
bilden beginnen , und die Blätter in der Entfaltung eben be-
griffen sind, besteht der ganze Stängel aus ziemlich gleich-
förmigen, mit Chlorophyll angefüllten Zellen, und die vier
eharakteristischen und abweichend gebauten Schichten des
ausgebildeten Stängels sind hier noch nicht von einander
geschieden. Nach und nach tritt diese Scheidung und Aus-
prägung der Schichten ein, es bildet sich Rinde, Bast,
Holz und Mark. Der Bast besteht aus einer bis drei Laer
sehr lang gestreckter röhrenförmiger der Stammrichtung
parallel im Gewebe verlaufender Zellen, Diese sind anfangs
dünnwandig und chlorophylihaltıg, nach und nach löst Sich
das Chlorophyll auf, aus dem fhiseigen Inhalte schlägt sich
eine feste secundäre Ablagerung an die Innenwand der
Zelle nieder ,„ sofort eine zweite, dritte und vierte, so dass
dadurch tdie Höhlung der Zelle fortwährend verkleinert wird,
und zuletst nur mehr ein geringer, zur ursprünglichen Höh-
— 190 —
lung im Verhältnisse wie 1:10 stehender Raum zurückbleibt.
In diesem Zustande ist die Bastzelle und mit ihr das ganze
Bastgewebe des Stängels ausgebildet. Die Veränderungen,
welche dasselbe bei der Röste und der darauf folgenden
Trennung von den umgebenden Schichten des Holzes und
der Rinde erleidet, so wie bei der Bereitung vonLinnen und
Papier sind nur mechanische.
Auf gleiche Weise, wie die Flachsfaser, entwickelt
sich auch die Hanffaser. Auf eine wesentlich gleiche Weise
wie dieselbe bildet sich auch, was die secundären Ablager-
ungen an der Innenwand betrifft, die Baumwollenfaser aus.
Diese ist bekanntlich ein Samenhaar der Baumwollsträucher.
Die Unterscheidung zwischen Flachs - und Baumwollfaser
ist durch das Mikroskop bei einiger Uebung nicht sehr
schwierig. Die Flachsfaser hat einen gleichförmigeren Durch-
messer, durch Reagentien leicht deutlich zu machende
mehrfache secundäre Ablagerungen an der Innenwand der
Bastzellen, und ein sehr geringes oft verschwindendes Lu-
men zwischen diesen Ablagerungen. Die Baumwollfaser
im Gegentheile zeigt eine einfache Ablagerung an der Innen-
wand der Zelle und ein weiteres Lumen derselben.
Herr Franz Ritter v. Hauer legte den Anwesen-
den eine Mittheilung von Herrn Reinhold Freiherrn v.
Reichenbach vor über den Ursprung des Ammo-
niaks.
Nothwendiger Weise müssen eher als alle Vegetation,
überhaupt eher als alles organische Leben auf der Erdober-
fläche die materiellen Bestendtheile vorhanden gewesen sein,
welche als die räumlichen Träger dieses Lebens erscheinen,
wozu bekanntlieh verschiedene Mineralsubstanzen gerechnet
werden, ferner Kohlensäure, Wasser, endlich auch Ammoniak.
Was nun das Ammoniak betrifft, so scheint es zwar
noch nicht völlig ausgemacht, ob es unmittelbar und allein
dazu dient, der Vegetation den erforderlichen Stickstoff zu
liefern, oder ob es zuvor theilweise oder ganz in Salpeter-
säure übergehen muss, um jene Function zu übernehmen.
Wenigstens ist das letztere nieht gerade unwahrscheinlich ,
wenn man die so günstige Einwirkung betrachtet, welche
der freie Zutritt von Sauerstoff zu den Gemengtheilen des
— 191 —
Bodens auf alles Wachsthum äussert. Hier aber genügt es
vorläufig zu bemerken, dass der Pflanzenwelt ihr Stickstoff
in vielen, vielleicht allen Fällen durch salpetersaure. Ver-
bindungen eben sowohl zugeführt werden kann, als durch
Ammoniaksalze.
Man kennt kein natürliches Mineral an der äusseren
Erdschicht , welches Ammmoniak enthält, es wäre denn der
Salmiak, der aus einigen Vulkanen sublimirt wird. Allein
von diesem ist wohl sehr zu bezweifeln, dass er ein ur-
sprüglicher Bestandtheil der Erdrinde sei, da er mit Grund
als ein neueres Product der vulkanischen Processe selbst
in Anspruch genommen werden darf. Denn die Hitze der
aus der Tiefe aufsteigenden Dämpfe, welche in Folge von
Zersetzung des eingedrungenen Meerwassers bei Berüh-
rung mit glühend flüssigen kieselhaltigen Mineralien immer
salzsaure Gase mit sich führen werden, entwickelt noth-
wendig auch etwas Ammoniak aus Kalkschichten, an wel-
chen sie ihr Weg vorüberführt, und welchen organische
Reste selten fehlen. So erklärt sich die Salmiakbildung
auch in diesem Falle, ohne der Behauptung zu widerspre-
chen, dass das Ammoniak nirgends als anorganischer, d.h.
ursprünglicher Bestandtheil der festen Erdrinde angetroffen
werde, sondern überall erst als Product der Zerstörung or-
ganischer Wesen erscheine, dass das organische Leben
selbst also seine eigentliche und einzige Quelle sei.
Gehen wir nämlich zurück auf die frühesten Zustände
der Erdoberfläche , so ergibt sich das Entstehen und Beste-
hen des Ammoniaks in denselben überhaupt und durchaus als
eine Unmöglichkeit, wenigstens in dem Falle, als man die
Ansicht zulässt, welche wohl immer die entscheidendsten
Gründe auf ihrer Seite behalten dürfte, dass die Erde, zu-
mahl an ihrer Oberfläche, einst eine sehr hohe Temperatur
besessen haben müsse, wovon die jetzigen Vulkane nur
die letzten Ueberreste, jedoch sprechende Zeugen sein
mögen. Bei einer solchen "Temperatur aber, welche den
feurigen Fluss der schwerschmelzbarsten Mineralien bewirkt
hat, konnten Wasserstoff und Stickstoff, wenn auch gleich-
zeitig vorhanden, niemals zu Ammoniak zusammentreten,
vielmehr ‚hätte solches allen Kenntnissen zu Folge, die wir
—_- 192 —
von seinen Eigenschaften besitzen, zuverlässig in diese
seine Elemente wieder gänzlich zerfallen müssen, wäre es
je vorher schon einmal gebildet vorhanden gewesen. Aber
auch später während des nachfolgenden langsamen Abküh-
lungs - Processes hatte es nie mehr Gelegenheit aus seinen
Elementen unmittelbar sich zu bilden und erst in Folge
des begonnenen organischen Lebens schen wir es auf-
treten, obgleich für das letztere die Aufnahme von Stick-
stoff eine Vorbedingung war, welcher die blosse Gegen-
wart des freien athmosphärischen Stickstoffgases bekannt-
lich nicht Genüge leisten kann.
Somit sieht man sich offenbar gezwungen, für die Ent-
wicklung der ersten Vegetation auf der Erdoberfläche eine
andere Quelle des Stickstoffes aufzusuchen, als das Ammo-
niak, welches vor ihr selbst nicht zugegen sein konnte,
und wir finden sie, wenn wir mit obiger Ansicht vom Ur-
zustande der Erdrinde einige andere Erfahrungen in Ver-
bindung setzen, welche die Wissenschaft geliefert hat.
Jene in der Urzeit muthmasslich sehr hohe Temperatur
der Erdmasse und der obersten Schichten besonders muss
eine Ursache gehabt haben, welche nicht wohl im Raume
ausser ihr gelegen oder irgend mechanischer Art gewesen
sein kann , sondern sie ist in ihrer eigenen inneren, d.h.
chemischen, Thätigkeit zu suchen. Wir nehmen an, dass
in Folge allmähliger Annäherung und Berührung heterogener
Urelemente nach chemischen Gesetzen allgemeine Verbin-
dungsprozesse eingeleitet wurden, welche die gegenwär-
tige Zusammensetzung und Beschaffenheit der Erdoberfläche
herbeigeführt haben. Unter den verschiedenen hier vorge-
gangenen Bildungs-Thätigkeiten haben wir aber für das
vorliegende Problem nur diejenige näher ins Auge zu fas-
sen, welcher das Wasser seine Entstehung verdankt. In-
dem nämlichen Wasserstoffgas und Sauerstoffgas, gemengt
unter andern mit wenigem Stickstoffgas, unter grosser Wär-
meentbindung zu Wasserdampf sich vereinigten, musste
allen unsern Erfahrungen zu Folge eine zwar geringe, je-
doch keineswegs verschwindende Menge von Salpeter-
säure gleichzeitig mitgebildet werden, welche sofort spä-
ter sammt dem Wasser niedergeschlagen, aber bald an
— 193 —
vorhandene Erdbasen des Bodens Kalk, Kali etc. gebunden
wurde.
In Folge dieses gesammten Hergangs musste also das
Meerwasser der Urzeit zwar eine Spur kaum von salpeter-
sauren Salzen gelöst enthalten, welche gleichwohl dazu
gedient haben kann, einer beginnenden unterseeischen
Thier- und Pflanzenwelt Jahrtausende lang allen zu ihrem
Werden nöthigen Stickstoff zu liefern. Weil aber auf sol-
che Weise die Entziehung der erwähnten Salze eben so
lange ununterbrochen “fortdauerte, ohne dass irgend ein
entsprechender Ersatz dafür geleistet worden wäre, so
würde hieraus wohl begreiflich, wenn dem heutigen
Meerwasser salpetersaure Verbindungen unter seinen lösli-
chen Bestandtheilen gänzlich fehlen: denn die Wiederzer-
setzung der gebildeten organischen Körper erzeugte im
Wege von Fäulniss- und Verwesungs-Prozessen zunächst
immer nur Ammoniak und seine Salze, denen somit ihr er-
ster Ursprung gegeben ward, während deren Rückgang
in Salpetersäure nur ausserhalb des Wassers in Berührung
mit Erde und Luft vor sich gehen konnte. — Wenn nun
sonst die Salpetersäure als letztes Product einer ünterge-
gangenen Generation von Organismen sich darstellt, so
erscheint sie hier zunächst dem Anfangspuncte einer neuen,
im Einzelnen wie im grossen Ganzen;
Herr Professor Dr. Schrötter theilte die Resultate
einer chemischen Analyse eines Kalkspathes vom
Rathhausberg in Salzburg mit, die einer seiner Schüler,
Hr. v. Siemianovsky, im Laboratorio des k. k. polytech-
nisches Institutes ausgeführt hatte. Es wurden gefunden:
Kohlensaures Eisen-Oxydull Fe 0,C0, = 1. 10,
„ Mangan-Oxydul Mn®, CO, = 13. 36,
PR Kalkerde Ca0, CO, = 8. 83.
Es ist dieselbe Varietät, welche in einer Art Granit
eingewachsen, die deutlichen zwillingsartigen Zusammen-
setzungen parallel den Flächen des nächstflacheren Rhom-
boeders '/,R‘ der Kalkspathreihe zeigt, und eine grosse
Aehnlichkeit mit dem steiermärkischen Ankerit besitzt.
Herr Professor Dr. Schrötter knüpfte an die Betrach-
tung dieser Zusammensetzung interessante Bemerkungen
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I. 13
— 194 —
über die chemischen Verschiedenheiten, die innerhalb den
Grenzen einer nach äusseren Merkmalen abgeschlossenen
Species möglich sind.
Herr Dr. Hammerschmidt übergab eine Abhandlung:
Beschreibung einiger Oxyuris-Arten, als Beitrag
zu den von Herrn Bergrath Haidinger herauszugeben-
den ‚‚naturwissenschaftlichen Abhandlungen.“
— 195 —
II. Spezielle Mittheilungen.
1. Ueber die Natur des kürzlich in Klein - Asien vom Himmel
gefallenen Manna.
Von Dı. S. Reissek.
Wiener Zeituiig vom 7. März 1846.
D.r Courier de Constanlinople vom 24, Jänner d. J.
und nach ihm: die meisten Deutschen Zeitungen brachten die
Nachricht von einem Mannaregen, welcher zu Anfang
dieses Jahres in dem Distriete von Jenischehir in Klein-
Asien, so wie in den benachbarten Bezirken , nachdem schon
grosser Mangel an Lebensmitteln geherrscht hatte, niederfiel,
Dieser Regen dauerte durch einige Tage, das Manna fiel
in Stücken von der Grösse einer Haselnuss in bedeutender
Menge. Es wurde vermahlen und zu Brot verbacken,, wel-
ches dem Getreidebrote nichts nachgab. Nach dem Jour-
nal de Constantlinople vom 26. Jänner, wurde dieses Phä-
nomen auch im Frühjahre 1841 zu Wan unter gleichen Um-
ständen beobachtet. Damals fiel die Substanz in einer stau-
nenswerthen Menge, so dass der Boden 3bis4 Zoll hoch da-
mit bedeckt wurde. Sie hatte die Grösse eines starken Ha-
gelkornes, eine grauliche Farbe und ziemlich angenehmen
Geschmack, Das daraus bereitete Mehl war sehr weiss, gab
jedoch ein nur wenig schmackhaftes Brot.
Wir sind in der Lage genügende Aufklärung über diese
merkwürdıge Erscheinung zu geben, und den Schleier des
Wunderbaren , welcher sie deckt, zu lüften.
Dieser Mannafall ist nicht der erste und wird nicht der
letzte sein, er wird sich, wie man mit Sicherheit schliessen
darf, noch oft wiederholen. So weit bestimmte Nachrichten
13*
— 196 —
reichen , wurde derselbe 1824 in Persien unter gleichen Ver-
hältnissen wie heuer beobachtet. Im Jahre 1828 wurde dem
Minister der auswärtigen Angelegeaheiten zu Paris von dem
französischen Consul in Persien eine Substanz zugeschickt,
mit der Bemerkung, dass selbe zu Anfang des Jahres 1828
in Persien vom Himmel gefallen, und von den Eınwohnern
für Manna oder Himmelsbrot gehalten worden sei. Diese
Art Manna fand sich in so grosser Menge, dass der Boden
eine grosse Strecke weit damit ganz bedeckt war. An eini-
gen Orten lag sie 5—6 Zoll hoch. Die Herden, besonders
die Schafe, haben sich reichlich ven diesem merk würdıgen
Erzeugniss nähren können. Man hat Brot daraus bereitet,
welches als Nahrung für die Menschen gebraucht werden
konnte. Diese Substanz ist von Thenard der Akademie
vorgelegt worden, und von Desfontaines für eine Art
von Lichen erkannt worden. Man äusserte sich überein-
stimmend, dass diese Flechte sich irgendwo in grossen
Massen finden müsse, und wahrscheinlich vom Winde an
den Ort geweht wurde, wo man ihr plötzliches Erscheinen
bemerkte. (Froriep Notiz. 1828, no. 466, p. 55. — Vergl.
auch Goeppert über Getreide- und Schwefelregen, p. 22.)
In demselben Jahre beobachtete Parrot auf seiner
Reise in Persien einen solchen Mannaregen. Er brachte
Exemplare der Mannaflechte nach Europa, und sie wurde
von Göbel chemisch untersucht. (Schweigg. Journ. f.
Chem. u. Phys. 1830. Bd. III. Hft. 4.) Derselbe äussert
sich darüber p. 393 folgender Massen:
„Herr Collegienrath Parrot übergab mir diese Flech-
ten zur Untersuchung mit der Bemerkung, er habe hier
eine Substanz von seiner Reise zum Ararat mitgebracht,
welche zum Anfange des Jahres 1825 in einigen Distrieten
Persiens 5 — 6 Zoll hoch herabgeregnet, und von den
dortigen Einwohnern gegessen worden sei, sie scheine ıhm
organischen Ursprungs zu sein.‘
„Die Resultate der chemischen Untersuchung gaben mir
die Ueberzeugung, dass ich entweder eine Flechte , oder
sonst ein krankhaftes unvollkommenes Pflanzengebilde unter
sucht hatte, welches vielleicht durch elektrische Winde seinem
Standorte entführt, und an entfernten Orten wieder abge-
— 197 —
setzt war, so wie Parrot berichtete, sie sei herabgereg-
net. Um nun darüber mehr Aufschluss zu erhalten, legte ich
sie Herrn Professor Ledebour vor. Dieser erkannte sie für
Purmelia esculenta, und sagte mir zugleich, dass er diese
Flechte auch auf seiner Reise in der Kirgisensteppe und
überhaupt im mittleren Asien häufig auf einem todten leh-
migen Boden und auf nackten Felsenriffen angetroffen
habe.‘
„Mag sie nun auf die eine oder andere Weise in Per-
sien plötzlich sichtbar geworden sein, so bleibt sie immer-
hin wegen ihres grossen Gehaltes an oxalsaurem Kalke
und wegen Abwesenheit aller übrigen, sonst in diesen Ge-
wächsen vorkommenden salzigen und erdigen Bestandtheile
merk würdig:**
Eben daselbst pag. 390 folgt die chemische Analyse
dieser Flechte. „Die Purmelia esculenta enthält in 100
Theilen:
1,75 Chlorophyll haltendes Weichharz von kratzendem Ge-
schmacke,
1,75 geruch- und geschmackloses Weichharz ,
1,00 einer in Weingeist und Wasser löslichen,, bitter
schmeckenden Substanz ,
2,50 Inulin,
23,00 Gallerte,
3,25 Flechtensäure ,
65,91 oxalsauren Kalk.
99,16
Diese Parmelia esculenta, wofür Ledebour das
Manna erkannte, ist eine Flechte, welche wir zuerst durch
die Reisen Pallas 1768 und 1769 unternommen, kennen
lernten. Pallas fand sie in grosser Menge in den Tarta-
rischen und Kirgisischen Steppen zwischen dem Caspi-
schen und Aral - See. In Band III. pag. 760, Nr. 138
tab. J. Fig. 4, gab er eine Beschreibung und Abbildung
derselben. Sie wird von den dortigen Bewohnern geges-
sen, worauf auch der Russische Name ‚‚Semijenoi Chleb“
hinweist,
Später wurde diese Mannaflechte auf ihrem natürlichen
Standorte von Ledebour, am genauesten aber von
— 198 —
"Eversmann, Professor zu Kasan, beobachtet. Letzte-
rer unterscheidet in einer Abhandlung über diese Flechte
(Nov. Act. Acad. nat. curios. 1831. vol. XV. ‚‚In Liche-
nem esculentum Pallasü el species consimiles adversaria“)
drei Arten, welche alle in den Steppen an der Ostseite
des Caspischen Sees und weiterhin in Central-Asien wach-
sen, und sich bis in das nördliche Persien ziehen. Die
Flechte hat die Grösse einer Bohne, Haselnuss oder Wall-
nuss, ist aber meist von unregelmässiger Gestalt, von
bleigrauer oder weisslichgrauer Farbe, auf der Oberfläche
lederartig und warzig, im Innen dicht und mehlig. Sie hat
oft das Ansehen einer Himbeere oder Maulbeere, und viel
Aehnlichkeit mit einer, auch bei uns wachsenden Flechte,
woraus gegenwärtig der meiste Lackmus gewonnen wird
(Parmelia tartarea), nur sind die Stücke mehr abgerundet
und compact.
Die Mannaflechie wächst auf trockenem, steinigem
Boden, und hat die Eigenthümlichkeit, dass sie nicht wie
andere Pflanzen an den Boden angeheftet ist, sondern ganz
frei liegt, und mit ihrer Oberfläche die Nahrung aufsaugt.
Sie wird desswegen vom Winde sehr leicht fortgeführt, und
'in den Niederungen streckenweise oft schuhhoch . angehäuft.
- Da aber der Wind oder Sturm in den ebenen Steppenge-
genden, wo er über die Fläche. widerstandlos fortweht, eine
_ weit grössere Stärke erlangt, als in Hügel- und Bergge-
genden, wird es erklärlich, wie grosse Mengen dieser Flech-
ten meilenweit fortgeführt und an Orten abgesetzt werden,
wo die Flechte sonst nicht vorkommt. So entstehen . die
Mannaregen.. So weit unsere Nachrichter über den Manna-
fall reichen, hat sieh derselbe immer zu Anfange des Jahres
gezeigt, so 1824, 1828, 1841, 1846, also zu einer Zeit wo
die Stürme in jenen Gegenden mit verstärkter Kraft thätig
‚sind, wo der Boden von "der Pflauzendecke entblöst ist, und
daher die kleinen losen Flechten um desto leichter fortge-
führt werden können. Ferner ist der Mannaregen nur in
Klein-Asien und Persien bisher beobachtet worden , also in
Landstrichen, welche jenen, we die Flechte wächst, zu-
nächst liegen.
— 19 —
Aus Allem, was wir über das Vorkommen der Manna-
flechte und die Beschaffenheit der Landstriche wissen, ist
zu schliessen, dass sich die Mannaregen noch oft wieder-
holen werden. Ja es wäre höchst auffallend , wenn sie sich
nicht wiederholten, da doch verwandte Erscheinungen in
unseren Gegenden fast jährlich wiederkehren, wie z. B.
Schwefelregen, die durch den fortgewehten und später nie-
dergeschlagenen Blüthenustaub der Fichten und Kiefern ent-
stehen.
Dass die Mannaflechte essbar und nahrhaft sei, kann
nicht auffallen. Mehrere Fiechten, so z. B. das Isländische
Moos (Kramperlthee) werden im Norden vermalen und
'zu Brot verbacken. Die Geniessbarkeit und Nahrhaftigkeit
der Mannaflechte erklärt sich aus der vorstehenden chemi-
schen Analyse. Sie enthält nämlich 23 pCt. Gallerte und
2'/, pCt. Inulin, also eine bemerkenswerthe Menge nahr-
haften Stoffes. Was aber ihre Geniessbarkeit hauptsäch-
lich bedingen mag, ist der geringe Gehalt an bitterem Ex-
tractivstoff, 1 pCt., welcher Stoff sonst bei den Flechten
reichlicher vorhanden, und die Hauptursache ihrer geringen
„Anwendbarkeit zur Nahrung für den Menschen ist, indem
die auf seine Entfernung verwendeten Kosten durch den
Werth des rückbleibenden Nahrungsstoffes nicht gedeckt
werden.
-Ob das Manna der Israeliten. die Männaflechte gewe-
sen sei, oder nicht, ist nicht mit Bestimmtheit zu entschei-
den. Leicht möglich, dass eine spätere Zeit und eine fort-
geschrittene Wissenschaft diesen Punct aufklären. Unwar-
scheinlich wenigstens ist es nicht, dass die Mannaflechte
durch Stärme bis in jene Gegenden gebracht werde, wel-
che die Israeliten durchwanderten. Möglich auch, dass sie
viel näher als in-den angeführten Steppengegenden wachse.
Nach den Untersuchungen von Ehrenberg soll das
Manna der Israeliten der erhärtete Saft einer Tamariske
‚ (Tamarix gallica mannifera) sein, welcher durch den
Stich eines Coccus aus den Aesten ausfliesst. Diess zu-
gegeben, ist es jedoch mit der Beschreibung der Schrift,
der zu Folge das Manna vom Boden, den es überdeckte,
aufgelesen wurde, mit der Menge, in welcher selbes fiel,
— 200 —
und mit der Nahrhaftigkeit die es hatte, schwer vereinbar,
dass dieselbe eine auf diese Weise abgesonderte Materie ge-
wesen. Dieser Punct würde sich durch die Mannaflechte und
die bisher beobachtete Art des Falles derselben hinreichend
erklären. Anderer Seits spricht auch die Art ..des heuri-
gen Mannafalles, welcher durch mehrere Tage anhielt,
dafür.
2, Ueber den Mannaregen. (Nachtrag)
Von Dr. S. Reissek.
Wiener Zeitung vom 5. April 1846.
In der Wiener Zeitung vom 7. März wurde über die
Natur des im Jänner d. J. in Klein-Asien gefallenen Manna,
so wie über frühere historisch genauer hekannte Mannafälle
Nachricht gegeben, und bemerkt, das Manna sei eine
Flechte, welche in den caspischen und aral’schen Steppen
wachse, und durch Stürme weithin fortgeführt und später
niedergeschlag®n werde, was auch die Ursache ihres heuri-
gen Falles in Klein-Asien sei. Zugleich wurde die Man-
naflechte als eine längst bekannte Art, Parmelia esculenla,
bezeichnet. Zur Zeit, als die Nachricht erschien, waren
noch keine Proben des heuer gefallenen Manna nach Wien
gelangt. Jetzt besitzen wir solche. Nach Vergleichung
zahlreicher Stücke, welche ich durch Hrn. Prof. Endlicher
erhielt, mit den vorhandenen Abbildungen und Beschrei-
bungen der Purmelia esculenta, ist kein Zweifel mehr,
dass das Manna wirklich diese Pflanze seı, und zwar eine
Spielart mit mehr körniger Oberfläche, welche Hr. Evers-
mann Lecanora affinis genannt, und 1831 in den Ab-
handlungen der L. C. Akademie der Naturforscher vor-
trefflich abgebildet hat.
So weit die Thatsache. Ich kann nicht umhin, hier
die Ansicht, welche zum Theil auch schon ein ausgezeich-
neter Naturforscher ausgesprochen und die vielleicht Man-
— 201 —
chem gegründet schiene, zu berühren, dass nämlich die
Mannaflechte innerhalb einer Nacht hervorschiessen könne,
und dann des Morgens ausgebildet auf dem Tags zuvor
nackten Boden zu treffen sei. Diese Ansicht ist durchaus
falsch. Die Anatomie der Flechte gibt den klarsten Be-
weis, dass sie wenigstens Monate zu ihrer Ausbildung be-
dürfe.
Weder zu Constantinopel noch an andern, der Gegend
des Falles näher liegenden Orten scheint Jemand die Natur
des Manna erkannt zu haben. Diess beweisen wenigstens
‚wiederholte Correspondenzen. Es drängt sich bei dieser
Wahrnehmung jedem Freunde der Wissenschaft und Bil-
dung der Wunsch auf, es mögen, wenn schon nicht allge-
‚mein, doch wenigstens die Orientalisten dortiger Gegend
ihr Augenmerk mehr der Natur und ihren Erscheinungen zu-
wenden, als es bisher geschehen zu sein scheint. Der
Mensch, sein Streben und Wirken wurzelt in der Umge-
bung. Wenn schon beim civilisirten, um wie viel mehr
beim Naturmenschen bietet diese den Schlüssel zu seiner
Geschichte!
3. Ueber die bei der Bohrung des artesischen Brunnens im
Bahnhofe der Wien-Raaber Eisenbahn in Wien durchfahrenen
Tertiär-Schichten.
Von Franz Ritter v Hauer.
Wiener Zeitung vom 11. April 1846,
Die geognostische Constitution des Wiener Beckens ist
durch die umfassenden Arbeiten vieler Naturforscher in all-
gemeinen Umrissen schon längst hekannt. So weiss man,
dass die gesammten Thon-, Kalkstein - und Nandschichten,
welche das Donauthal in unserer Gegend bis zu bedeutender
Tiefe ausfüllen, und die auch bis zu einer ansehnlichen
Höhe an den Abhängen der dasselbe begrenzenden Gebirge
angetroffen werden, den Mittel-Tertiär, oder Miocen-Bil-
dungen zugezählt werden müssen, und eben so ist eine be-
— 202 —
trächtliche Anzahl der in diesem Becken so häufig vorfindli-
chen organischen Reste mit grosser Genauigkeit untersucht
und bestimmt. Die Vertheilung der Fossilien jedoch und
im Allgemeinen die Sonderung der ganzen Formation in
einzelne Gruppen wird noch Gegenstand vielfältiger Un-
tersuchungen sein, die, da wohl die Gliederung jedes Ter-
tiär-Beckens eigenihümliche Verhältnisse darbietet, auch ein
vorzugsweise locales Interesse haben.
Die gegenwärtige Mittheilung hat die Resultate einer
kleinen derartigen Untersuchung zum Gegenstand, die,
wenn auch nur über einen Theil der gesammten Schichten-
folge des gedachten Beckens ausgedehnt, doch vielleicht
manche nicht unwichtige Beziehungen erkennen lässt.
Unter der Leitung der Herren Ingenieure v. Halber-
stadt und Müller, wurde von der Direction der k. k.
privil. Wien-Raaber Eisenbahn-Gesellschaft in dem Bahn-
hofe zu Wien ein artesischer Brunnen bis zur Tiefe von
108 Klaftern niedergebracht, und dabei nicht nur ein ge-
naues Bohr-Journal, welches die Mächtigkeit der einzel-
nen durchfahrnen Gebirgsschichten ersichtlich macht ge-
führt, sondern auch das aus den verschiedenen Tiefen em-
pürgehiobene Bohrmehl sorgfältig aufbewahrt, nnd später-
hin auf Ansuchen des k. k. Bergrathes W. Haidinger
dem k. k. montanistischen Museo (samt allen bezüglichen
Nachweisungen) zur‘ Untersuchung übergeben.
Die Ergebnisse derselben lassen sich in zwei Abthei-
lungen bringen: erstlich in Beziehung auf. die Gesteinsbe-
schaffenheit, zweitens in Beziehung anf die üingeselhene-
nen organischen Reste.
Die ganze durchfahrene Schichtenfolge besteht aus ab-
wechselnden Lagen von Thon (Tegel‘, Sand und Schotter,
die in sehr ungleicher Mächtigkeit aufeinander folgen. Die
grössten Massen bildet der Thon, er ist blau, bisweilen
gelbgrau gefärbt und stets mit etwas Sand verunreinigt.
Hauptsächlich von dieser Verunreinignng hängt es ab, ob
er mehr oder weniger plastisch ist. Nicht selten finden
sich in ihm Krystalle von Eisenkies eingewachsen. Be-
sonders mächtig sind die Schichten sub Nr. 14 und 51 des
Bohr-Journales, erstere beginnend in einer Tiefe von 26
’
— 203 —
Klaftern mit 12° die andere in der 83sten Klafter begin-
nend mit 13°.
In untergeordneten Lagen zwischen dem Tegel tritt
Sand und Schotter auf. Ersterer besteht aus grössten-
theils abgerundeten Quarzfragmenten von weisslich grauer
Farbe, letzterer wird gebildet durch abgerundete Gerölle
von Wiener-Sandstein; wenigstens bestehen alle mitge-
theilten Stücke ohne Ausnahme aus diesem Gestein Auf
diesem Wechsel von für Wasser undurchdringlichen Thon-
‚lagen mit den lockeren Sand- und Schotterschichten be-
ruht bekanntlich die Möglichkeit emporqnellendes Wasser
zu erreichen, und bis zur Tiefe von 105° kam man in der
That mehrere Male auf solches. Zum ersten Male kam man
‚auf Wasser in der Tiefe von 26°, diess war jedoch blosses
Seihewasser ohne Springkraft. Schon stark »ufsteizende
Quellen wurden in 63° und 75° Tiefe erbohrt. In der Tiefe
von 100 Klaftern endlich erreichte man eine Quelle, die
bis zu Tage aufsteigendes Wasser lieferte. Zugleich mit
dem Wasser entströmten dem Boden aus dieser Tiefe mit
grosser Heftigkeit Gase, die an der Mündung des Bohrlo-
ches angezündet, mit weisser an den Rändern blaulichter
Flamme fortbrannten und nach Herrn Prof. Schrötter’s
‚Untersuchung im wesentlichen aus Kohlenwasserstoffver-
bindungen und Kohlensäure bestanden. Ob Kohlenoxydgas,
‘auf welches die blane Färbung am Rande hinzudeuten
schien, beigemengt war, konnte nicht mehr mit ebabeh
ermittelt werden.
. Die unterste Schichte, bis zu welcher man vordrang,
besteht aus Schotter von Wiener Sandstein mit Lignit-
Trümmern. Auch diese Schichte gehört noch zur Wie-
ner - Tegel- Formation, deren Mächtigkeit also auch durch
die inBede stehende Bohrung noch nicht ganz aufgeschlos-
sen ist.
Was nun die mit dem Bohrmehle eımporgebrachten Fos-
silreste betrifft, so versteht sich wohl von selbst, dass bei
der Bohrung nur die kleineren Gegenstände wohlerhalten
bleiben konnten, alles grössere ist zerstört ‘und. daher oft
nicht vollständig bestimmbar. Die Menge des zu untersu-
chenden Materiales war bei den meisten Schichten schr
— 204 —
geringe, daher kann auch die Fauna jeder derselben
keineswegs als vollständig ermittelt betrachtet werden,
doch finden sich bei einer derartigen Untersuchung jeden-
falls die häufigsten und eben darum wichtigsten Gegen-
stände vor.
Mit Ausnahme der Schotterschichten enthält beinahe
jede der durchsunkenen Lagen organische Reste, jedoch
in sehr ungleicher Menge, während einige wenig mäch-
tige Schichten beinahe ganz davon angefüllt erscheinen,
muss man bei anderen eine bedeutende Menge des Ma-
teriales durchsuchen um auf ein einziges Individuum zu
stossen.
Obsechon in petrographischer Beziehung überall den glei-
chen Charakter darbietend, lässt sich doch die ganze Folge
der Schichten nach den darin enthaltenen Fossilien in 3
bis 4 ziemlich scharf gesonderte Gruppen scheiden, deren
jede ihre eigenthümlichen organischen Reste enthält.
Die erste dieser Abtheilungen reicht bis zu einer Tiefe
von etwa 25°. Sowohl die genauere Angabe dieser Tiefe,
als auch ihre Beziehungen zur zweiten, zunächst unter ihr
gelegenen Gruppe, von welcher sie vielleicht nicht scharf
getrennt ist, konnten wegen der geringen Anzahl der aus
diesen oberen Tiefen mitgetheilten Proben nicht mit Ge-
nauigkeit ermittelt werden. Als charakteristisch für diese
Gruppe können gelten Melanopsis Marliniana, Fer. Con-
geria (Dreissena) subglobosa Partsch; Cong. spalhu-
lata Parlsch, dann Cardium apertum Münst. Zahlreich sind
die Schalen von Citherinen. Eben dieselben Fossilien fin-
den sich allenthalben in den oberen Tegellagen in der Um-
sebung von Wien. So zum Beispiele in den Ziegeleyen
am Schaumburger-Grunde, an der Strasse nach Baden in
den Ziegeleyen bei Neuderf und Brunn, einem von meinem
Vater zuerst entdeckten Fundorte, an welchem insbeson-
dere die Congerien sehr häufig und wohlerhalten angetroffen
werden, und an vielen anderen Orten. Alle gegenwärtig
lebenden Arten des Geschlechtes Melanopsis halten sich
im süssen Wasser auf. Congeria sowohl, als Cardium,
gehören vorzugsweise den sogenannten brakischen Gewäs-
— 205 —
sern an, d. i. jenen Stellen, wo wie z. B. an der Mündung
von Flüssen süsses Wasser sich mit Meereswasser mischt.
Die zweite Abtheilung reicht bis zu einer Tiefe von
etwa 60 Klaftern. Sie enthält verhältnissmässig am we-
nigsten Fossilien; es sind darunter Cardien, wegen des
unvollkommenen Zustandes der Erhaltung nicht näher be-
stimmbar, dann wirkliche Foraminiferen Rolalia und Ro-
salina, welche zwei Geschlechter, da sie in allen Schich-
ten dieser Abtheilung angetroffen wurden, als besonders
bezeichnend gelten können, dann auch wieder Citherinen.
Diese Fossilien weisen auf eine Salzwasserbildung hin.
Die dritte Abtheilung reicht von 60° bis zu 80° Tiefe.
Sie enthält die grösste Anzahl organischer Reste, insbe-
sondere besteht eine wenig mächtige Schichte in der Tiefe
von 77° 5° beinahe bloss aus Muschelfragmenten. Als be-
sonders bezeichnend darunter hebe ich hervor: Cerilhium
inconstans, Bast, Venus gregaria Partsch, Butlina Okeni
Eiche. Prachtvol) erhalten ist die Farbenzeichnung einer
kleinen Nerifina. Dieselben Arten, welche diese Schichte
enthält, finden sich seltener an der Oberfläche des Wiener
Beckens im Tegel, viel häufiger jedoch wohl schon auf se-
eundärer Lagerstätte im Cerithienkalke, einem aus zusam-
mengeschwemmten Conchylienschalen und Sand zusammen-
gebackenem Gesteine, welches an mehreren Orten im Wie-
ner-Becken Ablagerungen von bedeutender Mächtigkeit zu-
sammengesetzt, wie z. B. bei Nexing und Gaunersdorf und
an vielen anderen Orten.
Die vierte und tiefste Abtheilung endlich ist charakteri-
sirt durch das häufige Auftreten sehr kleiner Gasteropoden ,
als Rissoa, Paludina u. a., mit welchen zugleich sich ver-
schiedene Foraminiferen in beträchtlicher Anzahl finden. An
der Oberfläche wurden die Fossilien dieser Abtheilung. wohl
noch nirgends im Wiener Becken im Tegel angetroffen,
auch die meisten Bohrungen reichen nicht bis zu dsn Schich-
ten, in welchen -sie sich vorfinden. Nur bei der Bohrung
des artesischen Brunnens, welche die Landwirthschafts-
Gesellschaft vor einigen Jahren am Getreidemarkt veran-
lasste, erreichte man ebenfalls die Schichten dieser vierten
Abtheilung. Damals erhielt mein Vater durch die Vermitt-
— 206
lung des verewigten Herrn Baron v. Jacquin denemporge-
hobenen Sand zur Untersuchung , und entdeckte darin eben-
falls zahlreiche Conchylien. Einer gefälligen Mittheilung
des Herrn Dr. Hörnes verdanke ich eine grössere Menge
dieses Sandes. Er wurde aus der Tiefe von 93° emporge-
hoben, und enthält genau dieselben Arten wie die erwähnte
vierte Gruppe.
Gewiss wäre es für die genauere Kenntniss der geog-
nostischen Beschaffenheit des Wiener Beckens von hohem
Interesse, zu erforschen , ob eine ähnliche, durch die Art
der organischen Einschlüsse auszumittelnde, Gliederung,
wie sie hier für eine einzelne Stelle nachgewiesen wurde,
allenthalben in der so mächtigen Tegelablagerung Statt
finde, und es muss in dieser Hinsicht sehr bedauert werden,
dass die schon vor einem Jahre von dem Nieder - Oester-
reichischen Gewerbs-Vereine erlassene Aufforderung, von
den gelegentlich der Brunnengrabungen u. s. w. durch-
sunkenen Schichten Proben zur wissenschaftlichen Unter-
suchung einzusenden, wie aus eilem vor wenig Tagen von
Herrn Dr..-Hörnes dieser Geselischaft abgestatteten Be-
richte erhellt, so wenig Anklang fand.
4, Ueber einen neuen Fundort tertiärer Fischreste bei
Poresesd in Siebenbürgen.
Von Franz Ritter v. Hauer.
Wiener Zeilung vom 1413. April 1816.
Die letzte wissenschaftliche Arbeit, welche den ver-
ewigten Grafen von Münster selbst noch auf seinem Kran-
kenlager beschäftigte, war die Untersuchung und Bestim-
mung; der tertiären Fischreste von Nieder-Oesterreich, ins-
besondere der interessanten Vorkommnisse von -Neudörfel
an der Oesterreichisch-Ungarischen Grenze.
Die Ergebnisse seiner Untersuchungen, im siebenten
Hefte seiner Beiträge zur Petrefactenkunde , welches erst
nach seinem Tode von Hrn. Wilhelm Dunker in Bai-
-— 207 —
reuth herausgegeben wurde, veröffentlicht, haben für die
Kenntniss der 'Tertiärbildungen im Oesterreichischen Kai-
serstaate ein um so höheres Interesse, als in der neuesten
Zeit bei Porcsesd in Siebenbürgen ein ganz ähnliches Vor-
kommen von tertiären Fischresten entdeckt wurde, an wel-
chem Orte, wie schon die ersten Proben zeigen, bei ge-
naueren Nachforschungen sicherlich eine eben so grosse
Menge und Mannigfaltigkeit von organischen Resten zu
Tage gefördert werden wird wie in Neudörfl.
Das Verdienst der Entdeckung dieses Fnndortes ge-
bührt Hrn. Professor Neugeboren, Bibliothekar des Ba-
ron v. Brukenthal’schen Museums in Hermannstadt.
Eine Partie der dort aufgefundenen Fossilreste, so wie
eine Notiz über die Art des Vorkommens daselbst erhielt
das k. k. montanistische Museum in Wien von ihm durch
die Güte des eifrigen und kenntnissreichen Samnlers, Hrn.
Gabriel v. Blagoevich, königl. Siebenbürgischen Ober-
Waldmeisters, dem das Museum auch aus früherer Zeit
das Geripp einer Tatze des Ursus spelaeus und andere
Knochen und Fossilien aus der Gegend von Eisenerz in
Steiermark verdankt.
Porcsesd liegt 2'/, Meile südöstlich von Hermannstadt
am linken Ufer des Altilusses, nahe an der Grenze zwischen
dem Glimmerschiefer, uud den denselben unmittelbar über-
lagernden Tertiär - Bildungen. Das Gestein, in welchem
sich die Fossilien vorfinden, ist Hrn. Neugeboren’s Be-
richt zu Folge ein Muschel-, oder Nummuliten- (Leitha)
Kalkstein, bei dessen Verwitterung die organischen Reste
herausfallen und leicht aufgesammelt werden können. Er
findet sich am Fusse der Berge, die nahe bis an das Ufer
des Altflusses hervorragen. Häufig finden sich Stellen, wo
durch ein Kalkcement zusammengebackene Kalkgeschiebe
die Stelle der Schalthiere vertreten. Der Altfluss trennt
diese Bildungen von den gegenüber liegenden Nagelfluhe-
Schichten bei Talmäcs, mit welchen sie einst im Zusammen-
hange gestanden haben mochten. Einzelne Stücke dieser
Nagelfluhe von Hrn. Paul Partsch, k. k. Custos am Hof-
Mineralien-Cabinete, zwischen Talmics und Sebes an der
Alt gesammelt , finden sich im k. k. montanistischen Museo;
— 208 —
sie bestehen aus kleinen, abgerundeten Fragmenten von
Quarz, Glimmerschiefer ete., und grösseren Stücken von
Kalkstein, der beinahe ganz aus Nummuliten zusammenge-
setzt ist.
Unter den übersendeten organischen Resten wurden
folgende Arten erkannt:
A. Fische,
Phylliodus Haueri? Münster.
Pycnodus loliapicus Ag.
Capitodus truncalus. Münst.
Corax? n. sp.?
Galeocerdo lalidens Ag.
Curcharodon lurgidus Ag.
19 helerodon? Ag.
Oxyrhina haslalis Ag.
sr xyphodon Ag:
5. leplodon Ag.
= Desoriü Ag.
ee n. sp.?
Lamna elegans Ag:
Er cuspidala Ag.
„ dubia Ag.
Ei conlorlidens Ag.
Dann mehrere vielleicht zum Theile neue Lamna- und
Oxyrhina-Arten.
B. Mollusken.
Nerita eonoideu Lam?
Helix.
'alica.
Cypraea.
Alles blosse Steinkerne und daher wohl kaum näher be-
stimmbar.
Skizzirte Zeichnungen, welche der Sendung des Hrn.
Neugeboren beiliegen, deuten fernerhin auf das Vor-
kommen noch anderer grosser Carcharodon - Zähne, fer-
ner auf eine Phyllodus-Art, die denen von der Insel Shep-
pey an Grösse nichts nachgibt und verschiedener anderer
Zähne, die ich nicht näher zu deuten vermag.
u
— 209 —
Endlich finden sich der Mittheilung des Hrn. Neuge-
boren zu Folge in Porcsesd noch: Nummuliten in zahllo-
ser Menge von der Grösse einer Linse bis zu 1 Zoll Durch-
messer, dann grosse Austern, Strombiten, Cerithien, und
Tonabus- Arten, dann Eulermen und Korallen, end
Zähne, Rippen und andere Knochen von grösseren Wir-
belthieren.
Jedenfalls dürften die Schichten von Porcsesd den
Leithakalk-Bildungen zuzurechnen, nnd so wie diese gleich-
zeitig mit den Sandschichten von Neudörfel abgesetzt sein.
Uebrigens ist es auffallend, dass im Wiener Becken in
den Bildungen dieser Periode die Nummuliten gänzlich
fehlen, während sie in den mehr östlich und südöstlich ge-
ar Gegenden darin allerwärts ungemein häufig vor-
kommen, so z. B. in Zirez im Bakonyer Walde im Veszpri-
mer Comitate, in Porcsesd, in Galizien, am Berge Mokat-
tam bei Cairo. in Kleinasien und an vielen anderen Orten.
5. Ueber Hrn. Friedrich Simony’s naturwissenschaftliche Aufnah-
men und Untersuchungen in den Alpen des Salzkammerzutes.
Von W. Haidinger.
Wiener Zeitung vom 24. April 1846.
Wer ;hat je unser Salzkammergut mit einem offenen
Gefühle für Schönheit durchreist, und bewahrt nicht die
angenehmsten Erinnerungen an jene grossen oder Jiebli-
chen Bilder, die sich im steten Wechsel darbicten: wer
wünschte nicht diese Bilder für immer in gleicher Frische
zu erhalten.
Aber während das künstlerische Interesse den Touri-
sten festhält, fessein den Naturforscher andere Gegen-
stände, die Gestaltung der Oberfläche als geographisches
Problem , die Zusammensetzung des Innern als gceognosti-
sches, dazu das Studium der Individuen der drei Natur-
reiche. Hier liegen uns Bewohnern des Landes Aufgaben
Freunde der Naturwissenschaften in Wien. I. 14
— 210 —
vor, deren Lösung nur von der Entwicklung von Kenniniss
und Kraft/erwärtet werden kann. Es ist noch gar nicht
sehr lange her, dass man sich überhaupt mit solelen Dingen
beschäftigt, auch,ist nichtübcrall in gleichem Verhältnisse ge-
arbeitet worden. Ist zum Beispiele in geognostischer Bezie-
hung die Kenntniss der Alpen überhaupt noch ein ungelö-
sites Problem, während England, Frankreich, Nord-Deutsch-
land genau untersucht wurden, so sind doch auch in den
westlichen Alpen schon weit mehrere Puncte erörtert wor-
den, als auf unserem östlichen Alpengebiet. Leopold v.
Buch, Buckland, Murchison, Keferstein, Bou&
haben uns das Meiste mitgetheilt, Ausländer, wern wir
nicht etwa den Letzteren ausnehmen wollen , den wir gerne
als Oesterreicher, wenn auch nicht der Geburt nach , recla-
miren, da schoen Keferstein seine Werke .‚wenn sie auch
meist Französisch geschrieben sind“, der Deutschen Litera-
tur beigezählt hat. v. Lill und letzthin vorzüglich Partsch
in seiner schönen Karte, dem Resultate langjähriger, gründ-
licher Untersuehungen, haben uns viel dankenswerthes ge-
liefert. Aber wie uns die Pflicht obliegt, eben so ist es auch
Bedürfniss, selbst abgesehen von dem nicht immer unmit-
telbar klingenden Nutzen, den Grund zu kennen, auf dem
wir leben. Daher bildeten sich in der letzten Zeit die
montanistischen Vereine, erst in Tyrol, von dem wir schon
manche lobeuswerthe Arbeit haben, nun der in Inner-
Oesterreich. Ich freue mich dureh denselben Hın. v. Mor-
lot für die Beantwortung einer grossen Frage gewonnen
zu sehen. Für den vorgeschlagenen Verein in Böhmen hat
Zippe das Wichtigste bereits vorgearbeitet.
Im Salzkammergute hat seit einigen Jahren Herr
Friedrich Simony mit jugendlicher 'Thatkraft das Stu-
dium der Obertäche des Landes ın mancherlei Beziehun-
gen unternommen, erst mit schmalen Mitteln, später von
hochgestellten Gönnern von Jahr zu Jahr in seinen Unter-
nehmungen gefördert. Eine Sammlung von Petrefacten , die
er bildete, und die nun BEigenthum Seiner Durchlaucht des
Fürsten von Metternich ist, gab Veranlassung zu einer
Arbeit über die Cephalopoden des Salzkammergutes von
Hın. Franz Ritter v. Hauer, die nun auf Kosten des
— 211 —
wissenschafiliebenden Besitzers der Sammlung unter der
Presse ist. Der darin beschriebene Ammonites Metterni-
chi v. Hauer , ist bei seiner Grösse durch die wundervolle
Lobenzeichnung wohl die schönste Ammonitenspecies. Auch
das k. k. montanistische Museum hät durch Simony viel
Schönes und Merkwürdiges erhalten.
Während er aber die Flora, die fossile Fauna nicht
vernachlässigte, waren physikalische und künstlerische
Studien der Oberfläche der eigentliche Gegenstand seiner
Aufmerksamkeit. Er besitzt einen Atlas von mehr als
zweihundert der mannigfaltigsten Darstellungen der Ge-
birgsformen in den höheren und niedrigern Niveaux, vor-
züglich aus den Umgebungen des Dachsteinstöcks, deren
Bekanntmachung für künftige Forscher sehr wünschens-
werth wäre, und der Zweck der gegenwärtigen Zeilen
ist es, das Publikum schon vorläufig auf eine aus dem Vor-
rathe ausgewählte Reihe von Lithographien aufmerksam zu
machen, deren Veröffentlichung Simony beabsichtigt.
Einige der Blätter mögen hier in Kürze erwähnt wer-
den. Ihre Aufzählung nach der von ıhm selbst gemachten
Eintheilung in Sectionen wird den Geist ’und die Ansich-
ten ausdrücken, welche er den Aufnahmen zu Grunde ge-
legt hat.
I. Gletscher: Das Carls-Eisfeld auf dem Dachstein-
gebirg in Oberösterreich im Jahre 1842. Eine Partie des
Carls-Eisfeldes am hohen Gjaidstein. Dieses Blatt zeigt
höchst interessante Structurverhältnisse des Gletschereises,
dabei sonderbare, ungewöhnliche Eisschründe.
I. Spuren vorgeschichtlicher Gletscheraus-
dehnung. Ein Karrenfeld in der Wies auf dem Dach-
steingebirge. — Eine Partie des vorweltlichen Gletscher-
terrains auf dem Dachsteingebirge, die Umgebung des
jetzigen Carls-Eisfeldes von der Ochsenwieshöhe aus aufge-
nommen. Ein höchst lehrreiches Tableau mit Schliff- und
Streifungsflächen, die man so selten auf Kalkfelsen erhalten
antrifft, mit: Riesentöpfen und Moränen. Die Moräne in der
Wies auf dem Dachsteingebirge.
Ill Charakter der Hochgebirgsgipfel der
seeundären Kalkformation. Die hohe Dachstein-
tr*
— 2112 —
spitze (9400°) mit der Aussicht nach dem Thorstein (9230‘)
und Mitterspitz (9100°).
V. Eigenthümliche Oberflächenbildungen
in den Hochgebirgen des secundären Kalkes.
Umgegend des Schladminger Gletschers oder ,‚todten Schnees“
auf dem Dachsteingebirge. Eine Partie des todten Gebirges
am hohen Priel, vom hohen Elm aus gezeichnet.
VI. Physiognomie der Mittelgebirge (Höhe
4500° — 70009) des seeundären Kalkes. Das Gosauer
Steingebirge. Der Sarstein am Hallstädter See.
VII. Alpen-Paneramen. Das Dachstein- und Go-
saugebirge von der Traunwand aus gezeichnet.
IX. Höhen - Tableaux. Höhen des Salzkammer-
gutes und einiger Hochgebirge Salzburgs nach natürlichen
Profilen der Gipfel entworfen. Hier sind alle namhaften
Puncte des Salzkammergutes, nicht nur die Bergspitzen,
sondern auch die sämmtlichen Ortschaften , Seen, Strassen
und Wege nach ihrer Höhe über das dreifache Niveau
des Mittelländischen Meeres, des Traunsees und des Traun-
flusses, in natürlicher Anordnung zu einem schönen Gemälde
zusammengefasst. Durch ein leichtes Colorit sind die Schnee-
und Eisfelder, das kahle Gebirge, die Krummholz-Region,
die Alpentriften, Wälder und Wiesen leicht erkenntlich ge-
macht, so dass das Ganze mehr einem grossartigen Gebirgs-
Panorama, als einer Höhenkarte gleicht.
X. Höhlen im Alpenkalke. Die ,‚G’schlössl-
kirch’n‘“ am Gosaugletscher, mit einem kleinen Eisberg ın
ihrem Innern. Das Almberger Loch im Grundelseer Gebirge
Das Eingangsportal der Koppenbrüller Höhle bei Obertraun.
XII. Zerklüftungsformen der Kalkfels-
schichten. Felspartie am Ochserkopf auf dem Dachstein-
gebirge.
XIV. Steinsalzlager im Alpenkalk. Zwei An-
sichten vom Hallstätter Salzberg.
XV. Thalformen. "Thal und Markt Ischl. Von die-
ser höchst genauen malerischen Aufnahme ist eine gelungene
Lithographie so eben vollendet worden. Sie wird den vielen
Freunden dieses vıelbesuchten Kurortes eine willkommene Ga-
be sein. Erscheint in Commission bei Bermann am Graben.
— 213 —
XV1l.VorweltlicheSeebecken. Das Go-
sauthal.
XV. Gebirgsseen. Die Gosauseen am Dachstein-
gebirge. Zwei Ansichten des hinteren Gosausees. Die
Lahngangseen 4600 hoch gelegen im Ausseer Gebirge. Der
Brudersee im Ausseer Gebirge 5100’ hoch gelegen. Son-
dirungskarte des Hallstätter Sees mit vierhundert Tiefen-
puneten. Fünf und zwanzig Längen-und Querschnitte des
Hallstätter Sees. Ansicht des Hallstätter Sees und seiner
Umgebungen mit einer nach der Tiefenkarte entworfenen
Zeichnung seines Beckens unter dem Wasserspiegel.
Dieses Blatt gewährt in überraschender Weise die Ueber-
sicht der landschaftlichen Umgebungen des Sees, und des
Beckens, das ınan erblicken würde, wenn alles Wasser hin-
weggenommen wäre.
XVIN. Unterirdische Wasserbecken. Der Kes-
sel und Hirschbrunn bei Hallstatt.
XIX. Aushöhlungen der Felsmassen durch
Wildwasser. Bett des Rettenbachs in der sogenannten
Rettenbachwildniss bei Ischl.
XX. Alluvialformen. Die terrassenförmigen Schutt-
gebilde im 'Traunthal zwischen Laufen und Goisern im
Salzkammergut.
XXI. Vegetationsfor men. Aussterben des Baum-
wuchses auf dem Plateau des Dachsteingebirges. Eine
Gruppe von Zirbelkiefern un Krummholz zwischen dem
niederen Gjaidstein und der Gjaidalpe. Standort 5500’.
Auch die topographischen Sevtionen enthalten viele
interessante Gegenstände. Kirchliche Bauten, technische
Bauten, aufgefündene und ausgegrabene Alterthüner, fer-
ner Ortschaften, Alpenwirthschaften,, Ruinen u. dgl.
Die Ansichten sind mit bedeutendem künstlerischen Ta-
lent entworfen, aber ich glaube hier den Gegensatz hervor-
heben zu müssen, der sich so oft in den Stadien der Ent-
wickelung der landschaftlichen Kunst bemerkbar macht,
und den Goethe so treffend in den Erinnerungen an Phi-
lipp Hackert darstellt. Es ist der entfernteste Punct
von der Benützung landschaftlicher Studien zu einer künst-
lerischen idealen Composition. Es ist die Anwendung
— 214 —
der Kunst auf die Darstellung der Natur. Portraitähn-
lichkeit wurde beabsichtigt und mıt günstigem Erfolge er-
reicht, um naturwissenschaftlichen Forschungen als Belege
zu dienen. Simony hat auch die Lithographie selbst über-
nommen, damit er um so gewisser den Charakter des Ge-
genstandes festhalten könne, und um nicht gerade die
letzte Ausführung vielleicht der Ungunst der Manier zu
überlassen.
Eine einzige Stimme genügt wohl nicht, um das Lo-
benswerthe und Verdienstliche des Unternehmens heraus
zu stellen. Wenn ich aber hier doch den geradesten Weg
eingeschlagen habe, um zu jedem einzelnen Mitgliede
eines theilnehmenden Publikums zu sprechen, so schien
diess darum erforderlich, weil wir in Wien noch nicht die
Vortheile besitzen, die ein Verein gewähren könnte,
dessen Aufgabe es ist, die Erweiterung der Naturwis-
senschaften ins Auge zu fassen. Diese kann nur in dem
kleinsten Detail erfolgen, aber den einzelnen Beiträgen
die Anerkennung zu geben, die sie verdienen, sie aufzu-
muntern, zu unterstützen, sie mit dem Nachdrucke eines
vollgültigen Urtheils ausgestattet dem Allgemeinen darzubie-
ten, darauf kann nur ein wissenschaftlicher Verein
Anspruch machen. In einer Lage indessen, wo sich die Wich-
tigkeit genauer geognostisch- geographischer Forschuugen
so leicht in den schon gewonnenen Rahmen des montanisti-
schen Museums einreiht, mussten mir Simony’s Arbeiten
das höchste Interesse erregen und den Wunsch, sie kräf-
tig ausgedehnt zu sehen. Arbeit aber, gute gediegene Ar-
beit ist es allein, die für ‚künftige Zeiten ihre Spur zu-
rücklässt,
— 215 —
6. Ueber die Spuren der vorzeschichtlichen Eiszeit im Salz-
kammergute,
Von Friedrich Simony.
Wiener Zeitung vom 3, Mai 1846,
Noch immer findet die Hypothese, dass einst Europa,
oder doch ein grosser Theil desselben, vorzüglich das Al-
penland, unter grossen Gletschermeeren begraben lag,
trotz „der mannigfaltigsten 'Thatsache, auf welche bereits
die Geologen-Charpentier, Venetz, Agassiz,
Hugi, Forbes u. a. ihre Ansichten begründet ha-
ben; zahlreiche Widersacher. Die Untersuchungen über
diesen Gegenstand sind auch noch keineswegs als geschlos-
sen zu betrachten, das Sammeln neuer specieller Thatsa-
chen, die darauf Bezug haben, und ihre naturtreue Darle-
gung durch Wort und "Zeichnung, erscheinen noch immer
unerlässlich, um die endliche Lösung einer Frage herbei-
zuführen, die gegenwärtig das Interesse des gesammten
wissenschaftlichen Publicums in Anspruch nimmt. Bei
meinen Wanderungen und vielseitigen Untersuchungen im
Salzkammer gute, habe ich auch in jener Beziehung manche
Erscheinungen beobachtet, die mir in ihrer Vereinzelung
anfangs räthselhaft erschienen, nach ihrer Zusammenord-
nung und Vergleichung aber immer klarer wurden, und
mich endlich ebenfalls zu der nothwendigen Annahme einer
einstigen, weitverzweigten und mächtigen Ausdehnung der
Gletscher in unseren Alpenländern hinführten.
I. Das todte Gebirge.
Mit diesem Namen bezeichnet der Aelpler jene Stein-
wüsten, welche in oft stundenweiter Ersireckung sich um
die zahlreichern Hochzinnen der mächtigen Alpenkalkstöcke
in der nördlichen norischen Kette ausbreiten, als da sind,
das steinerne Meer, der ewige Schneeberg, das
Tänrnen-, Dachstein-, Priel-Gebirge; und welche
den höhern (zwischen 6500-9000’ gelegenen) Theilen der
— 216 —
weitgedehnten Hochplateaux dieser Gebirge jenen eigen-
thümlichen Charakter von Wildheit geben, den man verge-
bens in den Urgebirgen suchen würde. Wenn uns Glet-
scher das düster-grossartige Bild einer in Todesschlaf ver-
sunkenen Natur darstellen, so zeigt uns das todte Ge-
birge nichts, als ein schauerliches Golgotha, das blossge-
legte, zerbröckelnde Riesenskelet eines abgelebten Erden-
stückes. Versetzen wir uns einmal in die grosse Einöde
des Ausseer todten Gebirges, zwischen dem Elm-
und Hochpriel, dem Rabenstein und den Trageln;5
oder auf dem Dachsteingebirge in das wüste Felsge-
woge zwischen dem Krippenstein. Hirschberg und
Speikberg, zwischen den Hochroms und Koppen-
karstein, welch’ ein Gemälde von Abgestorbenheit und
Zerstörung bietet sich da unserem Auge dar! — Fällt der
Blick aus einiger Entfernung in diese Trümmerwelt hinein,
so müht er sich vergebens, nur irgend eine Spur organi-
schen Lebens in ıhr zu entdecken, und selbst wenn der
Fuss des Wanderers bereits den Boden der Steinwüsten
betreten hat, so entdeckt höchstens nur noch der Späher-
blick des Botanikers da und dort eine kleine, zwischen
Felsenspalten sich bergende oder eingeklemmte Gruppe sel-
tener Pflanzenarten.
Je mehr man, über die grauweissen, zerschründeten
Felswogen hinschreitend, der Mitte dieser grauenvollen
Einöden sich nähert, desto drückender wird das Gefühl der
gänzlichen Abgeschiedenheit. Anfangs labt sich wohl noch
das Auge im Zurückschauen an den dunklen Streifen Krumm-
holzes, welches einzelne Steinköpfe überwuchert, oder es
saugt Erquickung aus dem frischeren Grün eines grasbedeck-
ten tiefen Kares,; (Kar heisst in den Alpen jede grössere
Kessel — oder muldenfömige Vertiefung des höheren Ge-
birgsterrains) welches zwischen den kahlen Wällen gleich
einer Oase eingebettet ist.
Aber der monotone Schmuck der Zwergsträuche auf
dem bleichen Gesteine wird mit jedem Vorschritte krüppel-
hafter und spärlicher, die sammtfärbigen Matten im Grunde
der Kare schrumpfen zu einzelnen bräunlichen Rasenflecken
zusammen ; endlich tritt gar nur wüstes Steingetrümmer an
— 217 — u.
der letztern Stelle, zwischen welchem noch vereinzelt der
Alpenflora letzte Kinder entweder vor der Gluth der durch
den weissen Steinboden verstärkten Sonnenstrahlen des
Sommers oder vor dessen plötzlichen Schneestürmen einen
dürftigen Schutz suchen. Die Hochzinnen des Gebirges
tauchen nun als wachsende Kolosse immer höher aus dem
welligen Terrain empor, und beengen den Horizont, wel-
cher dem Auge schon nichts mehr bietet, als einzelne Gipfel
ferner Bergzüge, die gleich steilen Inselgruppen da und
dort aus dem Gewoge ides Felsenmeeres zu uns herüber-
schauen und durch ihre reiehen duftigen Farbentöne mit
der gespenstigen Farblosigkeit des Vordergrundes einen
eigenthümlichen Gegensatz bilden. Nun klimmt der ermü-
dende Fuss immer unsicherer, bald über fürchterliches Ge-
klippe mit messerscharfen Graten, Spitzen , Zacken,, dunk-
len Klüften und gezähnten Schlünden, die dem Alpenpilger
grausig entgegenstarren, bald über gerundete und wieder
huntertfach zerspaltene Felsenköpfe, die unordentlich über
einander geschichteten, zerhackten Riesenschädeln glei-
chen. Die Oberfläche alles Gesteins ist rauh und ausgefres-
sen, als wären einst Säuren darauf herabgeregnet.
Endlich hat das Pflanzenleben auch seine letzte Grenze
gefunden. Die Grasflecke in den tiefen Mulden sind ver-
schwunden, und an ihre Stelle treten nun bald kleinere,
bald grössere Schneeflecke, die sich hie und da zu Feldern
ausdehnen; aus jeder Höhle, aus jedem Felsenschrund, de-
ren es unzählige gibt, glotzt neuer oder alter, halb ver-
eister Schnee hervor. Schnee liegt auf den ansteigenden
Schuttbergen der emporstarrenden Wände, Schnee hängt
in den tiefern Furchen der letztern; unvergängliche Laui-
nenmasssn thürmen sich an ihrem Fusse zu mächtigen
Schneepyramiden auf. Eine Riesenklippe steht jetzt nahe
vor uns, sie schliesst die Aussicht ab ; wir wenden uns
zur Rechten, zur Linken, wir schauen zurück , überall
dräuen uns plötzlich schwindelnd hohe Felsgebilde, wıe
aus ihren Gräbern erstandene Titanen entgegen — Wwır
sind im Herzen des todten Gebirges. Nichts gewahrt nun
mehr der suchende Blick von der bewohnten Erde, Ebene,
Thäler, Städte, Dörfer, Felder, Wiesen, Wälder, Alpen,
— 218 —
sie alle sind dem Aug’ entrückt, kein Glockenschall, nichts
mahnt mehr an die fernen Sitze der Menschen. Vergebens
lauscht das Ohr nach bekannten, wenn auch noch so lei-
sen Tönen, die Fessel des Todes hält hier den Laut ge-
fangen. Nur selten, wenn ein Rudel Gemsen vor dem
rastlos sie verfolgenden Schützen bis in diese öde Wild-
niss entflieht und auf unzugänglichen Felsenzacken die
letzte Rettung sucht, mahnt das Prasseln abgebrochener
Steine oder auch ein geilender Pfiff an das Dasein eines
geängstigten Lebens; oder wenn ein in den Lüften kreisen-
der Geier beutegierig sein Geschrei in die Hochwüste her-
absendet, oder eine Schaar ziehender Raben plötzlich mit
wildem Gekrächze auf eine vom Sturze oder tödtenden
Blei verendende Gemse, oder auf ein verwesendes Aas
niederschwirrt, bricht für Augenblicke das lastende Schwei-
gen dieser erstarrten Natur.
Hier befinden wir uns in den erschlossenen, abgedeck-
ten Katakomben untergegangener Schöpfungen. Wir ste-
hen über berghoch gelagerten Resten zahllos ernenerter
Thierwelten und hoch über uns hinaus ragen noch Felsen-
mauern und Pyramiden, deren, Hunderte von Schichten eben
so wie die ungeheuren Massen unter uns im Laufe von
Aeonen in des Urmeers ‚tiefem Schoosse abgelagert wur-
den, bis sie Plutos rastlos wirksame Gewalien dem Schooss
Neptuns entrissen und allmählig zu mächtigen Erdhäuptern
aufwölbten, von denen wir jeizt nur noch Trümmer und
Ruinen erblicken, welche des Baues ursprüngliche Grösse
kaum mehr ahnen lassen. Wie schrumpfen die wenigen
Jahrtausende der Menschengeschichte hier zur Spanne Zeit
zusammen vor den unermesslichen Epochen der Erdge-
schichte, welche als die erhabenste Offenbarung der ewig
schafenden Allmacht mit deutungsvollen Zügen auf diesen
grossen Baustätten des Planeten, wo jetzt keine Spur ephe-
meren organischen Lebens an die kurze Gegenwart zu mah-
nen vermag, verzeichnet ist. Vergebens müht sich hier der
Geist, Halt an den iha umringenden Gegenständen zu ge-
winnen, um den Schwindel zu gewältigen, welcher ihn im
Schauen der unter ihm geöffneten ungehenern Vergangen-
heit erfasst; Alles reisst ihn wirbelnd nur immer tiefer in den
%
— >
bodenlosen Abgrund abgelaufener Zeiten. Welch’ eine Kette
von Entstehungs-, Bildungs- und Umstaltungsphasen rollt
vor ihm ab, wenn er sich die Geschichte der secundären
Formation des Dachstein- oder Prielstockes von dem Zeit-
raume der Ablagerung ihrer untersten Schichte im Meere
bis zu der jüngsten Epoche ihrer jetzigen Oberflächengestal-
tung denkt! Ja, welche Reihe von Jahrtausenden , welche
Aenderung der klimatischen Verhältnisse ist der Forscher
schon genöthigt anzunehmen, die nur zwischen der Periode,
in welcher das todte Gebirge seine ihn jetzt so charakterisi-
rende Verödung erfuhr, ‘und zwischeu der Gegenwart lie-
gen! denn selbst dem Laien wird sich schon beim ersten
Anblick des todten Gebirges der Gedanke aufdrängen, dass
eine solche Verwüstung der Gebirgsoberlläche nicht als das
langsame Ergebniss der gegenwärtig wirkenden äussern
Einflüsse angesehen werden könne, da es viele andere Ge-
birge derselben Formation und Höhenausdehnung gibt, die
auch unter den gleichen klimatischen Verhälinissen stehen
und dennoch keineswegs jene geschilderte Zerstörung der
Oberfläche, jenen Mangel an Pflanzenleben wie das todte
Gebirge zeigen, sondern dass diese so eigenthüm-
liehe Verödung des genannten Terrains Ursa-
‚chen zugeschrieben werden müsse, die jetz
auf demselben nicht mehr wirksam sind.
Die nähere Bestimmung dieser Ursachen, welche den
Zweck dieses Aufsatzes bildet, wird aus der nachfolgenden
speciellen Untersuchung jener Erscheinungen hervorgehen
die entweder unmittelbar dem todten Gebirge angehören
oder sich seinen so eigenthümlichen Gestaltungen anreihen.
Die mögliche Zurückführung mancher dieser Erscheinan-
genauf analoge Wirkungen in der Natur, deren Ursachen
der unmittelbaren Beobachtung nahe liegen, wird jene Be-
stimmung erleichtern.
— 20 —
ll. Die Abrundung der Gebirgstheile.
Wiener Zeitung vom 5. Mai 1846.
Eine eben so auffallende als interessante Erscheinung
auf dem Dachsteingebirge, dem höchsten und zu-
gleich mächtigsten Alpenkalkstocke Oesterreichs,, ist die
Abrundung beinahe aller emporragenden Theile der Ober-
fläche von den unbedeutendsten Felsköpfen, Wällen und
Stufen bis zu den grossen Höhenmassen, die in oft impo-
santen Formen aus dem welligen Hochplateau sich in zahl-
reicher Menge erheben. Nur die höchsten Zinnen des Ge-
birges und manche , schon ganz am Fusse desselben gele-
gene, oder sehr grossen, steilen, nach der Aussenseite
des Gebirges gekehrten Wänden angehörige Felspartien
machen eine Ausnahme. In den tiefsten Theilen des Ge-
birges ist die Abrundung der kleineren Erhöhungen ge-
wöhnlich durch dichte Wälder verhüllt, an der obern Gränze
der letztern tritt sie schon sichtbarer hervor, in der Region
des Krummholzes und im todten Gebirge bis zur Höhe von
7000° ist sie am vollständigsten ausgeprägt. Die Abrundung
der Gebirgsgipfel wird desto deutlicher kennbar , je höher
der Standpunct ist, von welchem aus die letztern überse-
hen werden können; von der Sohle des Thales aus, wo
man nur selten die eigentlichen Kuppen der Berge zu se-
hen vermag, wird die Abrundung durch die sich dem
Auge vorschiebenden verschiedengestaltigen Abhänge viel-
fach verdeckt.
Diese Erscheinungen der Abrundung sind auf dem
Dachsteingebirge so allgemein verbreitet, dass sie
schon bei der ersten Wanderung nach dessen Gletschern,
noch mehr aber bei der Ersteigung seines höchsten Gipfels,
des hohen Dachsteins, selbst dem Laien auffallen
müssen. Wenn die Ersteigung dieses Bergkolosses von
Hallstatt unternommen wird, so durchschreitet man zuerst
das durch mächtige Schuttablagerungen geebnete, von ge-
waltigen, wunderlich geschichteten Felsmauern eingeengte
Echernthal. Den Hintergrund desselben bilden die ge-
rundeten Höhenrücken der Mitterwand, der Hochau.
— 221 —
\
des Langthalkogels, des Blankensteins, des
Grün- und Gamskogels. Ist der tosende Waldbach
überschritten, beginnt das Steigen im Dunkel dichter Ge-
hölze. Nach dreistündiger Wanderung hat man den soge-
nannten Thiergarten (4500) und mit ihm die obere
Grenze der Waldregion erreicht. Die Bäume treten in kleine
Gruppen , oder ganz vereinzelt auseinander, und zwischen
diesen breiten sich in üppiger Entwickelung das Krumm-
holz und dıe Alpenrosen aus. Hier werden die Abrundun-
gen der verschiedenen Erhabenheiten des Felsbodens zum
erstenmale deutlich sichtbar. Hat man die Herrengasse,
eine vom Witz der Sennerinnen so bezeichnete, mit ewigem
Koth ausgefüllte, holperige Felsklamme hinter sich, so be-
gegnen dem Auge schon überall abgerundete Felsköpfe,
oder Rundhöcker, welche im Sommer, wenn aus ihren
zahlreichen Spalten die üppig wuchernden Alpenrosen ihre
reichen Blüthentrauben hervordrängen, durch den Farbencon-
trast ihres schimmernden , beinahe weissen Gesteins , und
des dasselbe überschlingenden, im saftigen Blattgrün und
glühenden Blumenpurpur prangenden Strauchgewindes einen
eigenthümlich schönen Anblick gewähren. Auch am Wege
von der Wies zur Ochsenwies und von da nach der
Ochsen wieshöhe findet man die gleichen Abrundungen des
Bodens. Die Ochsenwieshöhe (6200 W. F.), welche
gewöhnliche Bergsteiger von Hallstatt aus in fünf Stunden
erreichen, gıbt die erste freie Uebersicht eines ziemlichen
Theiles des ganzen Dachsteingebirges. Der grossartige An-
blick des Hallstätter Gletschers und der densel-
ben umschliesenden prachtvollen Felsgebilde überrascht
plötzlich den Wanderer. Die Pyramiden des hohen und
niedern Dachsteins thronen in Südwest majestätisch
wie ein Königspaar auf der höchsten Firnstufe des krystall-
nen Gletscherreiches. Im Osten ragen über die Rücken des
Dachsteinplateaus die hundert Gipfel des Prielgebirges,
die Berge von Admont und der mächtige Grimming
empor; gegen Mitternacht bilden die stattlichen Höhen des
nördlichen Salzkammerguts den Hintergrund. Von der
Ochsenwieshöhe aus hat man auch zum ersten Male Gelegen-
heit, in grösserer Ausdehnung die Stätickeit der Abrundung
—_— 222 —
an fast allen kleinen und grossen Erhabenheiten der vielfach
ausgewühlten Oberfläche des Dachsteingebirges von dessen
tiefsten Karen an bis zum Fusse seiner höchsten Zinnen zu
beobachten. Wo das Auge nur immer in das weite Fels-
Meer zu tauchen vermag, trifft es entweder auf weissgraue,
runde Steinköpfe oder gerundete Wälle oder eigenthümlich
abgeschliffene Stufen und Platten, zwischen welchen die
höheren Massen wieder als gerundete Kuppen aufragen.
Nur die pralligen Wände und zackigen Gipfel der Hauptzin-
nen in Süd und Südwest zeichnen sich als auffallender Ge-
gensatz der erstern in scharfeckigen Umrissen.
Ist die Ersteigung des hohen Dachsteingipfels (welche
durch verschiedene von mir getroffene Vorkehrungen zwar
jetzt minder gefährlich wie ehedem ist, aber immer noch sehr
beschwerlich und für dem Schwindel unterworfene Personen
beinahe unausführbar bleibt), das Ziel der Wanderung, so
führt der weitere Weg bald über kahle Rundhöcker und ab-
geschliffene Felsstufen, bald über scharf zerklüftetes Ge-
stein und Schneeflächen, in etwa zwei Stunden zum Fusse
des Schöberls, eines schon dicht am Gletscher stehen-
den, ganz isolirten, ringsum abgerundeten, spitz auslaufen-
den, 80 Klafter hohen Felskegels; von da aus in gleicher
Zeit über die Eis- und Firnberge des grossen Hallstätter
Gletschers, dessen unterer Theil das Carls - Eisfeld
genannt wird, zum Fusse des hohen Dachsteines, welcher
aus der steilen, von einer mächtigen Querkluft, dem soge-
nannten Bergschrund, durchrissenen Firnlehne als bei-
nahe senkrechte , Spitz auslaufende Wand noch etwa 500°
hoch emporragt. Ueber den Bergschrund geiangt man mit
Hilfe einer mitgenommenen Leiter, bei dem Ersteigen der
Wand dient ein durch viele Eisenringe geschlungenes Seil
zur fortwährenden Handhabe.
Der Zweck dieses Aufsatzes gestattet nicht, hier in
eine ausgedehnte Darstellung des grossartigen Gemäldes
einzugehen, welches den muthigen Ersteiger auf dieser er-
habenen Firne umschliesst (darüber findet der Leser Schil-
derungen in ‚dem Berichte über meine erste Bestei-
gung des hohen Dachsteins, Wiener Zeitung, Jahr-
gang 1842, Nr. 268. und in dem Aufsatze: „Zwei Sep-
7
—_— 223 —
tembernächte auf der hohen Dachsteinspitze‘
in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur und Mode,
Jahrgang 1844, Nr. 116 bis 125), nur die Formen der Ein-
zelmassen des ganzen Dachsteinstockes, welchen man nun
beinahe vollständig überblicken kann, sollen hier vorzugs-
weise ins Auge gefasst werden.
Die Details der Gestaltungen jener zahllosen Kare,
Wälle, Rücken, Spitzen, welche das meilenweite Hochpla-
teau zusammensetzen, sind nun. zwar durch weitgedehnte
Gletscherfelder, welche sich um den König des Gebirges
wie ein Silbermantel schmiegen , dem Auge fern gehalten,
dafür treten jetzt die allgemeinen Umrisse der grössern Er-
höhungen viel deutlicher hervor. Jene Abrundung, die wir
früher an allen kleinern Aufragungen der Felsmassen so con-
stant gefunden hatten, sehen wir hier nun auch im grössern
Massstabe an den zahlreichen Gipfeln des riesigen Gebirgs-
stockes, jedech nur bis zu einem gewissen Niveau, sich
wiederholen.
Wenn wir den 'Theil des Dachsteinplateaus zwischen
Nordost und Südost überschauen, so haben wir Mühe, die
5800 bis 6500 Fuss hohen, ganz abgerundeten Kuppen
des Hierlaiz, Zwölferkogels, Krippensteins,
Koppens, Hirsch - und Speikbergs, die sich vom
Hailstätter See aus in so verschiedenen Umrissen darstellen,
von einander sowohl, als auch ven den andern im Innern
des Plateaus gelegenen Hochrücken zu unterscheiden. Der
zwischen dem Hallstätter- und Schladminger-
Gletscher (die beide von einer gemeinsamen Firnebene
auslaufen) sich einschiebende Gjaidstein zeigt an seinem
8650 Fuss hohen Gipfel, welcher die um ihn herum sich steil
abstufenden Firn- und Gletscherflächen gegenwärtig 800 bis
1500 Fuss hoch überragt, die gleiche Abrundung. (Auch
von Aussee und Ischl sieht man die Rundung seiner
Kuppe.) Dagegen stehen in einem grellen Kontrast zu
den bisher genannten abgerundeten Gipfeln die, das Nı-
veau der Gjaidsteinkuppe noch überragenden,
scharfgezackten Zinnen des niedernDach-
steins, des hohen Kreuzes, der DiendIn und des
—_— 1334 —.
hohen Koppenkarsteins und endlich der schmale Grat
des hohen Dachsteins selbst.
Kehren wir uns nach Nordwest, so schauen wir in den
tiefen Gebirgsausriss der Go sau, dessen oberster, die
Doppelscharte zwischen dem hohen Dachstein,
Mitterspitz und Thorstein bildende Theil von diesen
drei höchsten Spitzen des ganzen Stockes, dann noch von
der Schneebergwand, dem niedern Dachstein und dem
Hochkreuz umlagert ist, und dem Gosaugletscher
zum Betie dient. Unterhalb des letztern bildet die breite
Schlucht eine steile, 2500 Fuss hoch abfallende Stufe, hin-
ter welcher sich in verschiedenen Höhenabständen die G o-
sauseen und endlich das Gosauthal (ein bereits durch
Schuttablagerungen trocken gelegtes Seebecken)) aneinan-
der reihen. Die diesen tiefen Gebirgsausriss begrenzenden
Felsmanern, die sich am Gosaugletscher 1200 bis 1800 Fuss
über dessen Oberfläche, an den Seen 2500 bis 3800° über
deren Spiegel erheben, zeigen — vorzüglich der sogenannte
Gosaustein (7700 bis 6100 Fuss hoch) — äusserst scharf
gezackte Formen, die mit den runden Kuppen des östlichen
Gebirges auffallend contrastiren. Aber die klippige Form
bricht plötzlich zur Linken der Gebirgsschlucht, mit dem
kleinen Donverkogel (6100), zur Rechten mit dem
hohen Hosswandkogel (8000° zum Hochkreuz gehö-
rend) ab, und die 5000 bis 4600 Fuss hohen, das Gösauthal
2700 bis 2300 Fuss überragenden Kuppen des Zwiesel-
bergs, Hühnerkogels und Hornspitz (an den Gosau-
stein sich anschliessend), so wie die zahlreichen vom Hoch-
kreuz aus nach Norden sich absenkenden , 7500 bis 4500
Fuss hohen unmittelbar zum Dachsteingebirge gehörigen
Rücken und Kuppen zeigen alle wieder die vielfach er-
wähnte Abrundung.
Zwischen Südost und West ist das Gebirge unmittel-
bar unter seinen höchsten Zinnen plötzlich abgerissen und
bildet eine 2500 bis 4000 Fuss hohe, beinahe durchgängig
senkrechte, Wand. An diese lehnen sich ungeheuere Schutt-
gehänge, hinter welcher sich ein mehrfacher Wall zuerst
von spärlich mit Bäumen besetzten Alpenrücken, dann von
dicht bewaldeten Vorbergen ins Ensthal hinabsenkt.
Me
— 225 -
Wenn nun nach den Erscheinungen, welche von mir
nicht nur an den hier benannten Puncten, sondern auch an
vielen anderen Orten nach der ganzen Ausdehnung des Ge-
birges aufgesucht und verfolgt wurden, die Grenzen der
Abrundung bestimmt werden sollen, so ergeben sich im
Allgemeinen folgende Thatsachen: 1) Dass die Abrun-
dung der verschiedenen Unebenheiten der Fels-
oberfläche in der Region des Krummholzes
sich schon allgemein verbreitet zeigt, von da
stellenweise bis ins Thalhinabsteigt, eben so
auch bis zum Fusse der höchsten Zune ob-
wohl wieder im abnehmenden Verhältnisse
sich verfolgen lässt; 2) dass die Abrundung
der Felsmassen stetsin den vertieften Theilen
des Gebirgsplateaus, in den sogenannten Ka-
ren,stärkerist,alsauf den Höhen und an den
Abhängen desselben, dass man sie häufigerin
denabwärtsgehenden Schluchten, als auf den
zwischenliegenden Rücken findet, ja dass sie
auf den Letzteren, wenn sie sich hoch über
die sie begrenzenden Schluchten heben, oft
gänzlich fehlt; 3) dass die Abrundung der Ein-
zelngipfel nur bis zu einer gewissen Höhe über
das sie umgrenzende Plateau des Gebirges,
oder über das vonihnen eingeschlossene Thal
hinaufreicht, und dass Gipfel, welche jenes Ni-
veau übersteigen, sich sogleich durch scharfe
Umrisse kennbar machen.
Aehnliche Abrundungen findet man, und zwar unter
denselben Begrenzungs-Verhältnissen, wenn auch nicht im-
mer so deutlich ausgesprochen , wie auf dem Dachsteinge-
birge, auch auf dem Prielstocke, und Spuren derselben
auf allen Gebirgen des Salzkammergutes von grösserer
Oberfläche, z. B. auf dem Höllengebirge.
Freunde der Naturwissenschaften in Wien. I. t5
— 226 —
1ll. Karrenfefider.
Wiener Zeitung vom 9. Mai 1846.
Innerhalb derselben Grenzen wo sich die Abrundung
der Gebirgsmassen beobachten lässt, begegnen wir noch
einer zweiten eben so allgemeinen Erscheinung von glei-
chem Interesse, die mit der Abrundung, wie sich später
zeigen wird, in einem innigen Zusammerhange steht; es
sind diess die in unzähligen Formen sich darstellenden
Aushöhlungen in der Oberfläche der dichten
Gesteinsmassien, durch welche vorzüglich das höhere
Gebirgs-Terrain zum "Theile eben jenes wilde Ansehen er-
hält, welches das todte Gebirge charakterisirt. Es ist un-
möglich, durch das Wort all die bizarren Gestaltungen des
Bodens in einem Bilde darzustellen , wie man sie so oft,
besonders in jener Region des Priel- und Dachstein-
gebirges, wo das reiche Pflanzenleben plötzlich vor einer
unwirthbaren Felsenwüste Stillstand hält, mit einem Blicke
überschauen kann. Die verschiedenen Furchen und Rippen,
Kegel und Zacken, Schneiden und Kämme, Kessel, Brun-
nen und Schründe, die von Dämonenhänden geformt, oder
in. das Gestein gegraben zu sein scheinen, in der That
aber das gemeinsame Product von Auswaschungen durch
ein einziges aber lange wirkendes Element sind, bilden da
ein wunderliches Chaos , welches das Auge des Neulings
eben so überrascht, als es den Fuss des Wanderers ermüdet.
Wir werden hier nur die wesentlichsten dieser ver-
schiedenen Aushöhlungsformen und zwar vorzugsweise sol-
che betrachten , die vermöge ihres weit verbreiteten, und
"häufigen Vorkommens auch mehrere und zugleich sichere
Anhaltspuncte bei der Aufsuchung der Ursachen , die ihre
Bildung veranlassten, bieten können.
. Hierher gehören vor allen die eigenthümlichen Riunen,
- welche die Oberfläche des Gesteins und zwar in der glei-
chen Ausdehnung des Gebirges, in welcher die oben be-
schriebenen Abrundungen beobachtet werden, mehr oder
weniger dicht durchfurchen. Herr Agassiz hat sie in
— 227 —
seinem Werke über die Gletscher mit dem Namen Karren
bezeichnet und die grösseren von ihnen überdeckten Fels-
flächen Karrenfelder genannt.
In der einfachsten Form finden sich diese Karren (nicht
zu verwechseln mit Karen, den Vertiefungen des oberen
Gebirgsterrains) in steil abfallenden Felsflächen. Da bilden
sie oft dicht neben einander liegende; unter sich ünd mit
der Falllinie der Fläche parallele, halbrund ausgehöhlte
Rinnen von 1 bis 6 Zoll Tiefe und Breite, welche durch
wieder abgerundete oder auch schneidige oder gekammte
Zwischenerhöhungen von einander getrennt sind. Auf dem
Dachsteingebirge z. B. in der Wies, Ochsenwies, im
Wildkar, an der Hosswand, am Ochsenkopf, im
Seekar, in der Hirschau und vielen anderen Orten er-
scheinen ganze grosse Partien steiler Abfälle und Wände
aus der Ferne bei einer bestimmten Beleuchtung zanz re-
gelmässig parallel senkrecht gestreift, in der Nähe oder
mittelst eines Fernrohres erkennt man diesen Streifen mehr
oder minder breite und tiefe Rinnen. Auf Flächen von 5°
bis 20° Neigung wird die Gestalt der Karren schon zusam-
mengesetzter, die Rinnen sind meist schon mehrfach ge-
wunden und ihre Dimensionen nehmen, vorzüglich der Tiefe
. nach zu. Je mehr die Neigung der gefurchten Flächen sich
der wagrechten Ebene nähert, ‘desto mehr nimmt die Man-
nigfältiekeit der Formen zu, desto mehr wächst Tiefe und
Breite er Rinnen, wobei die erstere jedoch immer überwie-
gender wird. Auf. wenig geneigten Felsebenen findet man
nicht selten Rinnen von 3 bis 4 Fuss Tiefe und 1 bis 3 Fuss
Breite. So sehr aber auch Form und Raumerstreckung der
Karren wechseln mögen, darin bleiben sich die letztern
stets gleich, dass sie in ihrem Grunde immer regelmässig
ausgerundet sind: Die zwischen den Rinnen liegenden Er-
höhungen — man könnte sie Karrenrippen nennen —
deren ‚Breitedurchmesser eben so abnimmt, wie die Brei-
tenerstreckung der Rinren ec zeigen sich dagegen
‘oben entweder gerundet oder keilig, oft schneidig auslau-
fend, dann nicht selten auch nahe in die Quere durehlird-
en und in abenteuerliche Formen zertheilt.
BET (=).
—_— 228 —
Die Binnen nehmen nicht stets ihren Anfang im höch-
sten Theile der von ihnen durchschnittenen Felsfläche, sie
beginnen auf wenig geneigten Ebenen oft gleich tief sich
einsenkend in der Mitte derselben, verzweigen sich in
ihrem Verlaufe oft vielfach unter einander und münden
dann entweder in eine Spalte oder einen Kessel, einen
Karrenbrunnen , in einen Absturz, eine Mulde, oder Ebene
aus, oder schliessen eben so plötzlich mitten im dichten
Gestein sackförmig wie sie sich eingesenkt haben. Auch
sieht man wieder in frei aus der Umgebung aufragenden ge-
neigten Platten deren höchste Kante von den Rinnen tief
kamm- oder kerbenartig durchschnitten.
Die Richtung der Binnen folgt in der Regel der Abda-
chung desjenigen Felstheiles, welchen sie durchziehen.
Oft bestimmte aber auch eine Zerklüftungsspalte, eine ur-
sprünglich in. der Lagerungsfläche befindliche Vertiefung.
oder in dem gemengten Gesteine enthaltene Flecken oder
Streifen , Nester, Adern oder Gehänge leichter auflöslicher
Massen den Verlauf der von der Falllinie abweichenden
Furchen.
Es wurde bereits gesagt, dass die Karren im Allgemei-
nen innerhalb derselben Grenzen der Gebirgsoberflächen
sich vorfinden, wo die Abrundung der Felsmassen beobach-
tet werden kann; nun bleibt nur noch Einiges über das spe-
cielle Vorkommen derselben zu erwähnen übrig.
Am vollständigsten ausgebildet zeigen sich
dieKarrenauf demDachstein- und Prielstocke
in der Höhe zwisehen 5000 und 3000 Fuss über dem
Meere, und da wieder vorzüglich in den grössern
Vertiefungen, in den Karen und abwärtsführen-
den thalförmigen Weitungen der Gebirgs-
oberfläche. Hier sind besonders die weniger geneigten
Felsebenen oft so enge von den gewundenen Rinnen durch-
schnitten, dass der Flächenraum der sie trennenden Zwi-
schenhöhungen übertrifft, wodurch die Karrenfelder ein
höchst eigentbümliches Aussehen erhalten. Unter dem
Niveau von 3000 lässt sich die gleiche Rinnenbildung
stellenweise, vorzüglich in den absteigenden
Gebirgseinschnitten bis ins Thal verfolgen, nur ist
- 229 —
da ihr Auffinden dadurch erschwert , dass sie zum grössten
Theile durch Schutt, Erde und Wald-Vegetation verdeckt
ist. Solche tief herabgehende Karren sieht man z. B. in
vordern Gosauthale dicht zur Rechten des Weges, im hin-
tern Gosauthale beim Schmidt und in den Brunngräben ;
ferner im Echernthale bei Hallstatt am rechten Ufer des
Waldbaches, dann am Kessel und Hirschbrunn, in der
Hirschau; am Altausseer See u. s. f. Ueber dem Niveau
von 5000° nehmen die Karrenrinnen in den Di-
mensions-Verhältnissen wieder ab, inder Höhe
von 6500° sind sieauch schon seltener geworden
und in der Höhe von 750 verschwinden sie fast
gänzlich (wenn auch die geognostischen und die Ter-
rain-Verhältnisse sich in allen diesen Höhen gleich geblie-
ben sind). Noch muss erwähnt werden, dass die oft
am vollständigsteu ausgebildeten Karren auch
auffreistehenden, erhöhten, von dem angren-
zenden Terrain ganz unabhängigen Steinflä-
chen, Köpfen oder Rücken, wie sie in den Mulden
und thalförmigen Vertiefungen der Gebirgsoberfläche häufig
genug vorkommen, beobachtet werden können,
Wie sind nun diese Karren entstanden ?
Bei einer oberflächigen Betrachtung oder bloss verein-
zelten Beobachtung derselben wird man wohl leicht zu der
Annahme verleitet, dass alle diese vieigestaltigen Felsen-
furche nichis als die sich immer erweiternden Rinnsäle der
Schmelzwässer des Frühlings und Regenwässer des Son-
mers seien, und dass auch ihre erste Entstehung bloss die-
sen langsam aber fortdauernd wirkenden Elementen zuge-
schrieben werden könne, aber bei sorgfältiger Prüfung
aller Erscheinungen dieser in so grossartigen Verhältnis-
sen vorkommenden Erosionen wird sich bald ergeben, dass
für die letzteren eine solche Erklärung nicht ausreiche ,
dass diese in anderen Ursachen als den gegenwärtigen at-
mosphärischen Niederschlägen, deren Antheil selbst bei
der Fortbildung der Karren nur als untergeordnet erscheint,
gesucht werden müsse.
Einmal schon, dass die Bildung der Karren
überhaupt der vorgeschichtlichen Zeit angehört,
— 230 —
lässt sich aus folgenden 'Thatsachen mit Sicherheit entneh-
men: Inden untern Regionen des Gebirges siud die Kar-
ren meist mit dichter Vegetation, oft mit uralten Bäumen,
deren Wurzeln sich durch die mit reicher Humuserde ganz
ausgefüllten Felsrinnen winden, hoch überdeckt. Die Kar-
ren mussten also bereits vorhanden gewesen sein, als das
Pflanzenleben in und’über denselben Fuss fassen konnte, und
dass zur Anhäufung hohe Dammerdelagen inGebirgen vorzüg-
lich auf Abhängen sehr lange Zeit erforderlich sei, ist eine
bekannte Thatsache. Ferner sieht man inallen Regionen des
Karren-Terrains in verschiedenen Gräben, Sehluchten und
Mulden die an deren felsigen Seiten herablaufenden Rinnen
noch tief unter den Schutt, welcher die Sohle der letztern
meist überdeckt, und zwar in gleichen Dimensions-Verhält-
nissen hinabreichen. Diese Erscheinung nöthigt zu der An-
nahme, dass die Furchen bereits in Br ganzen Mächtigkeit
gebildet waren, ehe deren theilweise Veberlagerung mit
Schutt geschah. Da aber auch noch in den meisten Fällen
die Lage und Beschaffenheit der erwähnten Schuttmassen
wieder der Art ist, dass man die Herbeiführung der letztern
solchen Ursachen zuschreiben muss, die jetzt nicht mehr
vorhanden sind, die nachweisbar der Vorwelt angehören ,
so darf mit Sicherheit geschlossen werden, dass noch um
so mehr die Bildung der Karren bereits in die vorhistori-
schen Zeiten falle.
Noch eine andere Tlıatsache gibt uns einen nicht un-
wichtigen Fingerzeig über das Alter der Karren. Im
mittleren Gebirge, wo nicht selten noch perpetuirliche
Quellen zu Tage treten, sieht man in einer Reihe von Kar-
renfurchen eine oder die andere zur constanten Abfiussrinne
des Quelwassers dienen, während alle übrigen trocken lie-
gen. Trotz der fortwährenden Berührung des Gesteins mit
stets neuem Auflösungsmittel in der zum Rinnsal dienen-
den Furche und dem Trockenliegen der übrigen beobachtet
man doch keinen wesentlichen Unterschied der Raumver-
hältnisse zwischen der erstern und den letztern. Höchstens
sieht man in den ausgerundeten Boden jener Karrenfurche,
durch welche die Quelle abläuft, ein engeres, vertieftes
Rinnsal eingeschnitten, dessen Dimensionen zu den Di- .
— 331 —
mensionen der ganzen Karrenfurche in einem höchst unter-
. geordneten Verhältnisse oft wie 1 zu 50 stehen. Lehrreiche
Beispiele solcher Art fand ich im sogenannten Schnalz
nächst der Wiesalpe, dann zwischen dem Taubenkar
und Karlseisfeld, am Krippenstein, in den Brunn-
gräben u.a. O. Wenn nun solche perpetuirliche Quell-
wässer, deren Wasserquantum stets das Gesammtergebniss
des jährlichen atmosphärischen Niederschlages auf einem
mehr oder minder ausgedehnten Gebirgsterrain ist, auf
welchem sich jener zur einzigen Quellader gesammelt hat,
wenn nun solche perpetuirliche Quellwässer in dem dichten
Gestein durch eine ganze Beihe von Jahrhunderten nur
Rinnen aushöhlen konnten, die oft kaum ein Fünfzigtheil
des Volums der Karrenrinnen enthalten, welche letztere
überdiess oft noch in weiter Erstreckung so dicht neben
einander liegen, dass ihre Wassersammlungsfläche nicht
grösser ist, als sie selbst und die nächstliegenden Karren-
rippen, welche Zeit durfte nun wohl {erforderlich gewesen
sein, um diese Karrenrinnen auszunagen, vorausgesetzt,
das Erosionsmittel sei bloss reines Regen- oder Schnee-
wasser gewesen ?
Untersuchen wir nun aber genauer, welcher Ursache
die Bildung der Karren zuzuschreiben sei, so ergibt sich
schon einmal aus dem Umstande, dass dieselben immer
nurinnerhalh gewisser Grenzen auf dem Terrain
des Gebirges beobachtet werden, und keineswegs
über die ganze Oberfläche desselben verbreitet sind, die
Folgerung, dass weder Regenwasser noch die Schmelz-
wässer des jährlichen Winterschnees sie hervorgebracht
haben konnten, weil sonst dieselben Aushöhlungen bei glei-
shem Gestein überall vorkommen müssten, wo Regen und
Schnee in gleicher Menge niederfallen, was aber keineswegs
der Fall ist, wie oben bereits ausführlich beschrieben wurde.
Durch Quell- und andere zusammenfliessende Sammel-
wässer können wir uns eben so wenig die Karren entstan-
den vorstellen, weil die Letzteren sehr oft gerade auf sol-
chen erhöhten und isolirten Felsflächen am vollständigsten
ausgebildet beobachtet werden, auf welche weder Quell-
noch sonstige Sammelwässer je gelangen möchten.
Bei! Se
Auch die Annahme von grösseren fliessenden Gebirgs-
wässern reicht zur Erklärung bei weitem nicht aus, weil
die Karren nur allzuhäufig da gefunden werden, wo un-
ter keinen Verhältnissen solche Wässer, z. B. Zu-
flüsseoder Abzüge vonHochgebirgsseen, Was-
serfälle, Wilbäche oder dgl. m. vorkommen
konnten.
Durch stehende Wässer , durch Seen oder gar das
Meer vermögen wir noch weniger die Answaschung der
Karren zu erklären, denn dagegen spricht zu sehr wieder
die Form und vorzugsweise die bestimmte Richtung
der Rinnen, die stets der Abdachung her ausgewasche-
nen Fläche folgt.
Beobachten wir aber einmal die Vorgänge, die bei dem
jährlichen Abschmelzen der jetzigen Gletscher Statt finden,
so werden wir bald auf Analogien zwischen jenen Wirkun-
gen, die dieses Abschmelzen auf die Unterlage der EBis-
massen hervorbringt und zwischen den Gebilden der Kar-
renfelder stossen, die uns nach Erwägung aller Umstände
und Thatsachen zu der Annahme hinführen, dass die
Karren als das Resultat der Wirkung von
Schmelzwässern einstmaliger weitausge-
dehnter Gletscher zu betrachten seien.
Wenn wir zur Sommerszeit durch Eisgewölbe, wie
solche manchmal an den Rändern der Gletscher zu treffen
sind, unter die letztern gelangen können, so sehen wir,
dass in den verschiedenen Höhlungen, die durch das Schmel-
zen des Eises von der einwirkenden Erdwärme und zuströ-
mender Luftwärme gebildet werden, sich mehr oder minder
zahlreiche, entweder noch in der Masse des Eises sich aus-
keilende oder schon bis an die Oberfläche des Gletschers rei-
chende Klüfte befinden, durch welche bald grössere bald
kleinere Strahlen Schmelzwassers auf den Felsboden her-
abstürzen und denselben mit Hilfe des theils von ihnen mit-
geführten, theils bereits unten befindlichen Schuttes mannig-
faltig aushöhlen. Wir können ferner beobachten, dass die
Schmelzwässer, welche aus dem höhern Gletscherterrain
ankommen und unter dem Eise ihren weitern Verlauf suchen,
eine Menge von kleinen Rollstücken, Sand und feinem
—_— 2333 —
Steinmehl mit sich führen , welche zusammen eif sehr wirk-
sames Schleifmittel abgeben, die ersten Vertiefungen in
dem Boden allmälig mehr und mehr zu erweitern und auszu-
höhlen und zwar genau in solchen Formen, wie wir sie in
den Karrenfeldern beobachten. Bedenken wir noch, dass
vermöge der Gestaltung der Unterlage die Gletscher beinahe
alljährlich über denselben Stellen und in gleicher Weise
zerklüften, dass also die Schmelzwässer so ziemlich immer
auf dieselben Punete wirken, und im Laufe einer längern
Zeit also auch so grossartige Aushöhlungen, wie sie die
Karrenfelder wirklich zeigen, hervorbringen können; so
dürfen wir wohl auch mit Sicherheit annehmen, dass alle
Karrenfelder ihre Entstehung der gleichen Ursache, den
Schmelzwässern einstiger Gletscher, zu danken haben.
Entscheidend für die so eben dargelegte Theorie über
die Bildung der Karren überhaupt, spricht noch insbesondere
das Vorkommen der sogenannten Riesentöpfe und Kar-
renbrunnen. Diess sind kreisrunde oder ovale, manch-
mal auch unregelmässig gestaltete 1 bis 6 Fuss im Durch-
messer haltende meist senkrechte, oft klaftertiefe Löcher in-
mitten des festen Gesteins, dessen Schichten sie in ver-
schiedenen Winkeln durchsetzen. Sie finden sich gewöhn-
lich in den tiefern Theilen eines grösseren Hochgebirgskes-
sels oder Hochthales, auch in einer Hochebene, selten aber
auf einem Gebirgskopf. (Auf dem Dachsteingebirge habe
ich sie. nicht über die Höhe von 6000’ beobachtet.) Gleich
den Karrenrinneu kommen die Riesentöpfe und
Karrenbrunnen — ich bezeichne mit dem letztern
Namen die grössern Aushöhlungen, die nicht selten ganz
regelmässigen runden Cisternen gleichen, z. B. der herrliche
Karrenbrunnen in der Wies, von welchem später in meinem
geologischen Atlasse eine genaue Zeichnung sich finden
wird — oft an solchen Stellen vor, die ganz aus-
ser dem Bereich eines grössern Wasserzuflus-
ses, eines gewöhnlichen Wassersturzes u. dgl-
liegen, wie z. B. der eben erwähnte Karrenbrunnen iu
der Wiesalpe.
So räthselhaft dem Geologen diese letzterwähnten Arten
von Aushöhlung in ihrer Vereinzelung erscheinen mögen, su
—_ 234 —
wird er sich dieselben doch leicht und vollständig erklären
können, wenn nur eine jener in grossen Eisfeldern gar nicht
seltenen Gletscherkatarakten gesehen hat, bei welchen das
obere Schmelzwasser durch 100 bis 300 Fuss tiefe, die ganze
Gletschermasse durchsetzende Klüfte oder Schlünde mit
grosser Gewalt auf die Felsunterlage niederstürzt und .die-
selbe mit Hülfe des mitgerissenen und bereits unten befindli-
chen Moränenschuttes verschieden aushöhlt. Wenn er dabei
noch in einer Reihe von Jahren die Beobachtung machen
kann, dass die abwärts rückenden Gletscher alljährlich, wie
bereits erwähnt wurde, so ziemlich über denselben Stellen
sich immer Katarakten bilden können, und wenn er nun
nochmals die ganze Oertlichkeit, wo Karrenbrunnen oder
Riesentöpfe vorkommen, genau überblickt , so wird er leicht
zu dem Schluss gelangen, dass diese bei den Aus-
höhlungsformen ebenfalls nur durch solche
mächtige Schmelzwasserstürze einst das Kar-
ren-Terrain hoch überlagernder Gletscher ge-
bildet worden sein mussten.
Auch minder regelmässig gestaltete Schründe, Höhlen
und Löcher tragen die Spuren einer ähnlichen Entstehung
wie die Karrenbrunnen an sich, doch darf man nicht alle
derselben von gleichen Ursprunge ableiten, da es auch viele
oft sehr tiefe Höhlungen und Schlünde in den Kalkgebirgen
gibt, die bloss durch Zerklüftung und Verwitterung des
Gesteins und durch die langsame Einwirkung der Atmas-
phärilien gebildet worden sind, auch noch gebildet werden.
Hieher gehören z. B. die meisten sogenannten „Wind-
löcher.* Ein geübtes Auge wird leicht die wirkenden
oder einst wirksamen Ursachen dieser verschiedenen Formen
auffinden und unterscheiden können.
IV. Erratische Trümmer, Moränen.
Wiener Zeitung vom 1413. Mai 1846,
Wenn man das Dachsteingebirge von seinem Fusse an
bis zu den höchsten Gipfeln, in welcher Richtung immer,
“
—_— 235 —
durchwandert, so findet man dessen Oberfläche mehr oder
weniger mit grössern und kleinern Bruchstücken der Gebirgs-
masse bedeckt. Ein Theil derselben, in den Mengungs- und
Mischungsverhältnissen gleichartig mit dem angrenzenden
festen Gesteine; liegt noch auf der ursprüglichen Vorkomm-
nissstätte oder nahe derselben, und zwar entweder zer-
streut oder als ungeordnetes Trümmerwerk den Felsboden
überlagernd oder endlich zu Gehängen an Gebirgswänden
aufgehäuft. Schuttmassen solcher Art sind das Resultat
der langsamen Zerstörung der Gebirgsoberfläche durch die
Atmosphärilien. Man findet aber eben so häufig Trümmer,
welche sich in ihren Bestandtheilen von allen sie zu-
nächst umgebenden Gebirgsschichten unterscheiden, also
fremdartigaufihrem gegenwärtigen secundä-
renVorkommnissorteerscheinen, deren muthmass-
liche, oft auch noch nachweisliche primäre Lagerstätte
zwar dem Dachsteingebirge angehörig, doch so entfernt
von der jetzigen Fundstelle liegt; dass das gegenwär-
tige Vorkommen durch keines der verschie-
denen derzeit wirksamen Transportmittel
(Wind, Regen, Wolkenbrüche, oder das Gesetz der Eigen-
schwere), sondern nur durch die Annahme viel
gewaltigerer, in einer fernen vorgeschichtli-
chen Epoche wirkender Ursachen erklärt wer-
den kann. Man hat diesen fremdartigen Trünmergebil-
den den Namen der erratischen oder Findlingsge-
steine gegeben.
Die erratischen Gesteine finden sich, wie gesagt, über
das ganze Dachsteingebirge verbreitet, und zwar unter
Verhältnissen der Ablagerung, die uns wichtige Finger-
zeige über das Transportmittel abgeben, welches die Find-
lingsmassen einst über tiefe Kare und Schluchten, über
hohe Rücken und Kämme tragen konnte. Schon in den
Kesseln des todten Gebirges, welches die Dachsteinglet-
scher umgrenzt, auf dessen Terrassen, Köpfen und Wäl-
len, oft gerade auf den höchsten Theilen der beiden Letz-
teren, gewahrt man bald einzelne, manchmal ganz wider-
sinnig aufgestellte Blöcke (z. B. auf einem deutlich abge-
rundeten, aus grauweissem Kalk bestehenden Walle in der
—_— 236 —
Linie zwischen dem Taubenkar und dem Schöberl
und etwa 500 Klafter vom seitlichen Rande des Carls-
Eisfeldes entfernt, sieht man einen isolirten, mehr als
eine Kubikklafter grossen, ganz scharfeckigen Block von
dichter, roth, grau und gelblicher Marmorbreecie, der ge-
rade auf seinen untern Flächen Spuren karrenänlicher Ero-
sion zeigt), bald in grösserer oder geringerer Menge an-
gehäufte Trümmermassen, die theilweise dem oft noch
stundenweit entfernten und viel höheren Gipfel des Gebir-
ges angehören. Gewöhnlich können hier die erratischen
Gesteine von den localen Trümmermassen meist erst dnrch
eine genauere Untersuchung der inneren Mengungs- und
Mischungsverhältnisse unterschieden werden, in der äusse-
ren Form beider zeigt sich noch kein wesentlicher Unter-
schied, höchstens dass einige der Ersteren einzelne Spu-
ren von Reibung und Abrundung zeigen Je tiefer man
von dem todten Gebirge herabsteigt, dests mehr häufen
sich die erratischen Massen, desto leichter wırd auch ein
Theil derselben erkennbar durch die auffallende Abrundung
der Oberfläche. Am Fusse des Gebirges mengen sie sich
mit den Alluvialgebilden und ihre Massen sind dann wieder
schwieriger von den Letzteren zu trennen.
Wer hat wohl je die Wanderung von Hallstatt nach
dem Carls -Eisfeld gemacht, dem nicht die zahllosen, mehr
oder minder abgerollten Blöcke und Geschiebe, welche auf
dem ganzen Wege von dem Waldbachleithen an bis zum
Rande des ewigen Eises hinauf überall hingestreut und stel-
lenweise zu Wällen und Hügeln aufgehäuft sind, aufgefal-
len wären (die fast noch häufigeren scharfeckigen Findlinge
abgerechnet, die mehr nur dem Auge des Geologen erkenn-
bar sind) und dem sich nicht die Frage aufgedrungen hätte,
wie, wann und von wo diese Massen auf ihre
jetzige Stelle gebracht wurden?
Wenn bei der alleinigen Betrachtung der erratischen
Trümmer diese Frage nur noch ungenügend lösbar erscheint,
so wird sie doch vollständig beantwortet werden kön-
nen, sobald wir neben dem Vorkommen der erstern noch
eine zweite, verwandte Erscheinung näher untersuchen und
in Berücksichtigug ziehen, nämlich das gleichzeitige
= u
Vorkommender vielen moränenartigen, mit Damm
erde und Vegetation mehr oder minder koch bedeckteu
Schuttmassen, die vorzüglich in der Karrenregion in
ganz eigenthümlichen, streng umgrenzten Formen gefunden
werden. Manche dieser Formen sprechen unwiderlegbar
gegen jede Annahme einer entweder langsamen Anhänfung
ihrer Schuttmassen durch Verwitterung der Nachbartheile,
oder einer Ablagerung oder Zusammenschwemmung an Was-
ser, z. B. die merkwürdigen Schuttgebilde in der Wies-
alpe und im Taubenkar. Da über die Art des Mediums,
durch welches einst der Transport des unter den beschrie-
benen und ähnlichen Verhältnissen vorkommenden errati-
schen Schuttes Statt gefunden hatte, noch immer ein lebhaf-
ter Streit geführt wird, so dürfte hier eine nähere Beschrei-
bung der Schnttgebilde in den zwei letztgenannten Puncten
des Dachsteingebirges nicht am unrechten Orte sein. (Zwei
möglichst treue Zeichnungen in meinen geologischen Skiz-
zen werden später den Gegenstand noch anschaulicher ma-
chen.) in der Wiesalpe sieht man über der wellig ge-
stalteten, grasüberdeckten Schuttebene des Kares und un-
mittelbar an der Einmündung der ziemlich weiten Schlucht
der Greitgrube, eine etwa 2500 Quadrat-Klafter grosse
und 10 bis 15‘ hoke, bei ihrem Anfange an den Abfall der
erwähnten Schlucht angelehnte, von da halbkreisförmig aus-
gebreitete Schutt- Terrasse sich erheben, welche an ihrer
äussern ziemlich scharfen Abgränzung fast durchgängig in
_ einem Winkel von 35 bis 45° abfällt. Vom obern Rande
dieses Abfalles an steigt die Terrassenfläche nur sehr gering
gegen ihren Anfangspunct hinauf. Sie ist von mehreren
tiefen Gräben, welche radienförmig von dem letztern aus-
laufen, und in die sich wieder kleinere seitliche Gräben
einmünden, durchschnitten. Die zwischen den Gräben be-
findlichen Höhentheile sind ganz mit kleinen 2 bis 4 Fuss
tiefen und % bis 6 Fuss im Durchmesser haltenden runden
oder länglichen Mulden bedeckt, die dicht neben einander
liegen und der Terrasse ein vollkommen welliges Aussehen
geben. Grössere und kleinere, mehr oder minder abgerollte
Findlingsmassen liegen auf dem üppigen Grasteppiche ent-
blösst herum, welcher die ganze Terrasse dicht überzieht.
—_ 238 —
Gräbt man an irgend einer Stelle in den Boden ein, so
kommt man nach einer 3 bis 4 Zoll tiefen Schicht humusrei-
cher Erde sogleich auf einen mit Geschieben verschiedener
Dimensionen und auch eckigen Fragmenten gemengten fei-
nen Schutt, welcher die vollendeteste Aehnlichkeit mit je-
nem Schutt hat, den man unter den jetzigen Gletschern des
Dachsteingebirges findet und der seine Entstehung dem Ab-
wärtsrücken des Eises und dem dadurch hervorgebrach-
ten Abreiben seiner Unterlage zu danken hat. Von glei-
cher Beschaffenheit mit der Terrasse zeigen sich auch die
Massen des sie unterlagernden Bodens der Alpe und der vor
ihr liegenden, an die Herrengasse grenzenden tief wel-
lig gestalteten Grastrift. Noch muss erwähnt werden , dass
am Anfangspuncte der beschriebenen Terrasse gerade unter-
halb der Einmündung der Greitgrube grosse scharfeckige
Trümmermassen — Bruckstücke der zur Rechten liegenden
Felswand in grosser Menge zerstreut umherliegen, welche
an ihrer ganzen Oberfläche einen hohen Grad von Verwit-
terung zeigen und sich auffallend in ihrem äussern Ansehen
von den abgerundeten Findlingsmassen,, zwischen welchen
sie ruhen, unterscheiden. Die Wand selbst trägt in einer
grossartigen Aushöhlung, über welche jetzt höhere Stein-
schichten dräuend hereinhängen‘, deutlich die. Spuren eines
einst mächtig wirkenden Elementes an sich, welches erst in
“ der Greitgrube zusammengedrängt, dann an ihrer Ausmün-
dung in die Wies plötzlich breitere Bahn findend,. nun den
untersten Theil der Wand gewalisam ausbrach.
Noch auffallender sind die Formen des erratischen
_Schuttes in dem 5500’ über dem Meere gelegenen und etwa
Dreiviertel-Stunden vom Carls-Eisfelde entfernte Tauben-
kar. Dieses bildet einen tiefen Gebirgskessel , nach wel-
chem sich von dem ihn östlich abgrenzenden Rü-
cken, von dem untern Carls-Eisfeld, vom Wildkar
und der Ochsenwieshöhe Gebirgseinschnitte als ver-
schieden tiefe und breite Schluchten herabziehen. Von der
Einmündung je einer solchen Schlucht sieht man ein abge-
schlossenes System bald paralleler, bald fächerig auseinan-
der laufender, wenn auch wieder mehrfach üherschüllewer
Schuttwälle nach der Mitte des Kares zu so weit sich aus-
— 239 —
breiten, dass die Endpuncte dieser verschiedenen Wälle bei-
nahe alle ausser dem Bereiche der etwaigen Lavinen, die
allerdings ähnliche Schuttbildungen veranlassen konnten,
liegen. Fast in der Mitte zwischen den verschiedenen
Wallfächern und zugleich im tiefsten Theile des Tauben-
kars erhebt sich eine mächtige, unregelmässig kegelförmige,
breit abgeplattete etwa 16 bis 20° hohe Schuttmasse mit 35
bis 45° steil abfallenden Seiten und mit einer wellig gestal-
teten, fast horizontalen Oberfläche. So weit ich die Masse
dieses Schuttplateaus untersuchen konnte, zeigte sie sich
identisch mit den übrigen Schuttmassen des Kares und diese
identisch mit den Randmoränen des Car!s-Eisfeldes.
Sollte man auch hier noch über den Ursprung der fäche-
rigen Schuttwälle in Zweifel stehen, so muss der Anblick
des mittleren Plateaus und eine nur oberflächliche Uebersicht
der Umgebungen des Kares diesen Zweifel vollständig lösen,
Vorläufig nur angenommen, dass grosse Gletschermassen
das Terrain um das Taubenkar herum einst in unbestimmter
Ausdehnung deckten, so mussten diese über dem grossen
Kesselthale sich ebenfalls mehr oder minder zu einer gros-
sen Gletschermulde zusammensenken, in deren tiefsten Stelle
die sich begegnenden Gletscherströme durch wechselseitigen
Druck einen entweder festsitzenden Eisstock, oder einen
sich langsam bewegenden -Gletscherwirbel hervorbringen
mussten. Die mitgeführten Moränen der verschiedenen, in
das Kar sich mündenden Eisströme mussten daher auch sich
in der tiefsten Stelle des grossen Gletscherkessels zu einer
grossen Central-Moräne TR und der untere
Reibungsschutt bis nach den tiefsten Stellen des Felskares
geschoben werden. Sowohl die durch das Niederschmelzen
durch die Eismasse endlich auf dem festen Boden angelangte
obere Central-Moräne, als.auch der unten von allen Seiten
zusammengeführte Heibungachuft mussten sich nothwendig-
im Grunde des Kares zu einem mehr oder minder regelmäs-
sigen Kegel aufhäufen, der durch den stets erneuerten Druck
der immer wieder nachschiebenden und auflastenden Eismas-
sen abgeplattet wurde.
Nun finden. wir auch in.der That jene Se Schutt-
ablagerung ganz in der Form im Taubenkar, wie sie
c
BE
unter den angegebenen. Umständen nothwendig sich hätte
bilden müssen , und wir können alse auch mit voller Sicher-
heit diese mittlere Schutt-Terrasse und mit ihr die andern
sie umgebenden analogen Gebilde als vvorweltliche Mo-
ränen, als Gletscherschutt bezeichnen. Zahlreiche
Beispiele ähnlicher Art liessen sich noch von dem Dachstein-
gebirge aus den verschiedenen Niveaux aufzählen, da wie
gesagt, vorzüglich eine grössere Vertiefung bis zu dessen
Fuss und ins Hauptthal herab erratischen Schutt enthalten,
doch werden die erwähnten zur Bekräftigung der ausge-
sprochenen Theorie genügen.
Die Verbreitung des Gebirgsschuttes und seine oft
moränenähnlichen Gestaltungen in den angrenzenden Haupt-
thälern geben uns keine hinlänglichen Anhaltspuncte für die
unteren Grenzen der einstigen Gletscher, da in den tieferen
Niveaux den verschiedenen Diluvien ebenfalls eine grosse
Rolle eingeräumt werden muss, und sich hier also die Wir-
kungen des wandernden Eises und der vorgeschichtlichen
Ueberschwemmungs-Epochen begegnen. Wir werden da-
her erst im Schlusse aus der Verbindung aller bisher be-
zeichneten Erscheinungen die Grenzen des vorweltlichen
Gletschergebietes annähernd zu bestimmen suchen.
V. Gletscherschliffe.
Wiener Zeitung vom 17. Mai 1846.
Achnliche, bald glatte bald gestreifte Flächen von ver-
schiedenen Dimensionen, wie sie von den Gletscherfor-
schern in verschiedenen Niveaux über den gegenwärtigen
Eis- und Firnfeldern, oft mehrere tausend Fuss hoch über
der Sohle der Thäler, auf Felswänden und Gehängen der
Alpen und anderer Gebirge beobachtet, und mit anderen
Erscheinungen zugleich als Beweise einstiger Gletscheraus-
dehnung benützt wurden, findet man im ganzen Salzkam-
mergute auf der Oberfläche aller Gebirge und in allen Hö-
hen derselben. Viele solcher Flächen wird der erste An-
— 2411 —
blick als Gletscherschliife oder als sonstige Wirkungen äus-
serer gewaltsamer Ursachen anerkennen lassen, aber bei
Senauerer Untersuchung werden die wenigsten davon äus-
sern Einflüssen zugeschrieben werden können, sondern fast
alle nur zuletzt als eine Eigenthümlichkeit der Formation
erscheinen.
Die geschichteten Kalkmassen aller Alpen des Salz-
kammergutes sind von bald glatten, bald welligen, bald
gestreiften Lagerungs-, Zerklüftungs-, Verschie-
bungs-, ja sogar von krystallähnlichen Abson-
derungsflächen in vielfachen Richtungen durchschnit-
ten, welche durch die allmählige partielle Zerstörung der
Gebirgsoberfläche verschiedentlich zu Tage kommen, und
durch ihre Entblössung dem Terrain dann oft das Ansehen
geben, als hätte irgend ein gewaltsam wirkendes Element
einst die Felsen stellenweise geebnet oder geschliffen. In
manchen Partien, wo die Schichtung des Kalkes durch eine
nicht selten bedeutende Mächtigkeit ganz für das Auge
verschwindet, tritt auf einmal wieder eine und die andere
Schichtungsfläche ganz deutlich sichtbar hervor, und zwar
manchmal in solcher Gestalt und unter solchen Umständen,
dass man sie für Schliff- oder Rutschfläche ansehen muss,
wenn man nicht Gelegenheit hat, die Structur der ganzen
Partie höchst genau zu untersuchen. Im Altausseer und
Grundelseer Gebirge sind solche Erscheinungen nicht selten.
Wenn die Schichtungsflächen an und für sich schon
mehr oder weniger eben und glatt sind, so werden sie es
noch in höherem Grade, wenn bei einem starken Fall der
Schichtung Abrutschungen höherer Straten über tiefere
Statt finden; dadurch entstehen allerlei Schliffe, manchmal
auch Streifungen , die den Gletscherschliffen vollkommen
gleich sind. So fand ich im Ausseer Gebirge in der Ab-
dachung eines grösseren Felsenwalles eine bedeutende Fels-
fläche, stellenweise mit fest angeschlossenen Bruchstücken
und auch ganzen Nieren von Hornstein bedeckt, welche
eine dentliche von harten Körpern erzeugte, im Ganzen
mit der Falllinie der Fläche parallele, nach unten zu aber
von der letztern etwas abweichende Streifung erkennen
liess. Alle localen Verhältnisse sprachen dafür, dass diese
Freunde der Naturwissenschaften in Wien. I. 16
Br?
Streifung einem alten Gletscher zuzuschreiben sei , welcher
einst über die Felsfläche niederging und sie mit seinem un-
tern Moränenschutt ritzte, aber eine genaue Untersuchung
des nächstliegenden tieferen Terrains belehrte mich bald,
dass eben diese Streifung nur durch das Ablösen und Ab-
rutschen einer mächtigen Felsmasse entstanden war, deren
untere Berührungsfläche ebenfalls viele Hornsteine enthielt,
die beim Abrutschen in der weicheren Kalkfäche der Un-
terlage die ziemlich tiefe, jetzt noch deutlich erkennbare
Ritzung hervorbrachten. Ich fand die Trümmer dieser ab-
gerutschten Masse etwa 50 Klafter unterhalb der gestreif-
ten Fläche.
Auch Zerklüftungs- und Absonderungsflächen haben oft
das Ansehen von Schliffllächen. In einer Partie der Hoss-
wand (auf dem Dachsteingebirge) sah ich eine sehr grosse,
ganz glatte, die Schichtung in einem Winkel von etwa 75°
sehneidende Fläche, die ich lange bereit war, als einen
Gleischerschliff zu betrachten, bis ich endlich bei genauerer
Untersuchung des mächtigen Felsstockes gewahrte, dass
diese vermeintliche Schlifflläche vollkommen parallel mit
einer zweiten, die Masse der Hosswand selbst durehsetzen-
den Zerklüftungs- oder Gebirgskrystallisationsfläche (wenn
man diesen Ausdruck gebrauchen darf) und also wohl auch
als eine bloss durch Abbruch entblösste Fläche gleicher Be-
schaffenheit zu betrachten sei.
Solcher Beispiele liessen sich noch viele aus den Alpen
des Salzkammergutes anführen, doch die erwähnten dürften
genügen, zu beweisen, welche Vorsicht bei der Erklärung
einer Erscheinung zu beobachten sei, die man zur Begrün-
dung einer Theorie benützt. Meine eigenen Erfahrungen
haben mich gelehrt, auf das Vorkommen einzelner glatter
oder auch gestreifter Flächen in den Kalkgebirgen als Be-
weismittel für einst vorhandene Gletscher keinen grossen
Werth zu legen. Nur die allgemeine Abglättung
und Abrundung eines ganzen Terrains, wie die-
selbe z. B. auf dem Dachsteingebirge innerhalb gewisser
ziemlich scharf gezogener Grenzen sich beobachten lässt,
kann man mit Sicherheit als die Wirkung von
Gletscherschliffen erkennen.
— 243 —
VI. Schluss.
Ueberschauen wir nun noch einmal alle bisher beschrie-
benen 'TThatsachen und fassen wir die Erklärungen , die
wir für sie bereits theilweise aufgesucht haben, zusammen,
so ergibt sich, dass wir aus den verschiedenen Kar-
rengebilden und aus dem erratischen Schutte,
welche beide in bestimmter Ausdehnung vorzugsweise auf
dem Dachsteinstocke, dann aber auch auf den übri-
gen bedeuten deren Gebirgen des Salzkammer-
gutes gefunden werden, mit Evidenz das einstige
Vorhandensein weit ausgedehnter Gletscher,
die sich, mindestens stellenweise, bisan den
Fuss der genannten Alpen erstreckt hatten,
nachweisen können. (Ob auch die Thäler einst ganz
mit Eismassen ausgefüllt waren, ob die letztern sich viel-
leicht, wie Charpentier, Agassiz und andere Natur-
forscher bereits nachzuweisen bemüht waren, auch das
Flachland überzogen, vermag ich nicht zu behaupten, da
ich selbst noch keine ausreichenden Beweisgründe dafür
aufgefunden habe.)
Die Karrenfelder, welche sich, wie gesagt wurde,
in der Region zwischen 5000 und 3000° am vollständigsten
entwickelt zeigen, nach abwärts mehr oder minder durch
‚alle tieferen Gebirgseinschnitte bis ins Thal verfolgen las-
sen, nach aufwärts in einer Höhe von 6500° regelmässig
aufhören, bezeichnen uns zugleich das einstige Terrain
des eigentlichen Gletschereises; dürfen wir nun nicht viel-
leicht die Grenzen der auf dem Dachsteingebirge so con-
stanten Abrundung der Berggipfelund grössern
Erhöhungen, so wie der kleinen Aufragungen
des Felsbodens als die grossartigen Marken annehmen, bis
zu welchen hınauf die wandernden, alles unter ihnen lie-
sende Terrain abschleifenden und abgerundeten Eis- und
Firnmeere reichten; dürfen wir endlich nicht auch die dü-
stere Verödung des todten Gebirges als dıe nachhal-
tige traurige Spur jenes tausendjährigen Gebirgswinters
betrachten ?
16*
— 2144 —
Welches Klima musste nun aber in unsern Gegenden
geherrscht haben, dass die Gletscher die bezeichnete Aus-
dehnung erlangen konnten ?
Wenn wir den Nordpol zu irgend einer Zeit unsern
Ländern um 10 Grade (also beiläufig nur um zwei Drittheile
der Abweichung des magnetischen von dem geographischen
Pole) uns genähert denken, so musste damals, vorausge-
setzt, dass die summarischen Temperaturs-Verhältnisse und
deren Vertheilung nach Pol und Aequator auf unserem Pla-
neten mit den jetzigen gleich waren, die Linie des soge-
nannten ewigen Schnees in unsern Alpen um etwa 2500‘
tiefer als gegenwärtig, also in einer Meereshöhe zwischen
6000 und 5500’ liegen, mithin nicht nur alle Alpengipfel
des Salzkammergutes von dieser Höhe, sondern vorzugs-
weise die beiden Hochplatcaus des Priel- und Dachsteinge-
birges nach ihrer ganzen Ausdehnung ,„ mit bleibendem
Schnee bedeckt gewesen sein. Die Scheide'inie von Firn
und Eis liegt gegenwärtig auf dem Dachsteingebirge in
7500, die tiefste Erstreckung des Carls-Eisfeldes in 6000'.
In jener kälteren Periode wird also, der tiefern Lage der
Schneelinie entsprechend, die oberste Grenze des Glet-
schereises in etwa 5000’ die untere aurchschnittlich in 3500
bis 3000 gewesen sein. Wir wissen, dass in den Schwei-
zer und Tiroler Gletschern, da wo Firn und Eis einen grös-
sern Flächenraum einnehmen, die tiefsten Ausläufer der
Gleischerströme bis zu 3500‘, also noch um 2500’ tiefer, als
die jetzigen Dachsteingletscher , herabgedrängt werden.
In jener Epoche der grössern Polnäherung hatten aber die
Gletscher des Dachstein- und Prielgebirges eine bei weitem
grössere Ausdehnung, als jetzt die mächtigsten Gletscher
des Bernerlandes und Savoyens, da sie die ganzen unge-
heuern Plateaux der beiden Gebirge inne haiten; sie waren
also mächtig genug, durch ihr Anwachsen in den Höhen
ansehnliche Gletscherströme nicht nur bis zu der bezeichne-
ten Tiefe von 3500, sondern bis in das Niveau des Traun-
thales hinabsenden zu können.
Welche Physiognomie mochte nun wohl in jener Zeit
das Salzkammergnt gehabt haben? Wenn die Linie des
permanenten Schnees in. einer Höhe zwischen 6000 bis 5500°
a RETTET WERTEN ZELDR
_ 245 —
lag, so mussten beinahe alle Kuppen mit Firn gekrönt ge-
wesen sein, und dieser konnte in allen grössern Höhenter-
rains, wie auch in allen tiefern Gebirgskesseln, z B. auf
dem Höllengebirge, am Schafberg, auf der Schrott, an der
Ziemnitz u. s. w. einzelne Gletschergruppen gebildet ha-
ben, so dass wohl der grösste Theil der Gebirgsoherfläche,
vielleicht auch der grössere Theil der Thaltiefen von den
wandernden Eislasten überdeckt war, und somit das
Salzkammergut beieinem Klima, wie dem Dä-
nemwarks, etwa das Aussehen einer Hochge-
birgslandschaft des äussersten Nordens hatte.
Sind wir aber auch berechtigt , eine solehe veränderte
Lage des Nordpols, eine Näherung desselben um 10 Grade
gegen unsere Länder anzunehmen? Die in einem Verlaufe
von 2000 Jahren gemachten astronomischen Beobachtungen
sprechen nicht dafür, durch die Abplattung unserer Erde
scheinen für immer die Pole fixirt zu sein, nnd alle petre-
faktologischen Entdeckungen sprechen höchstens nur für
eine in der Vorzeit herrschende allgemein verbreitete hö-
here Temperatur auf unserer Erdoberfläche, für ein tropi-
sches Klima, aber keineswegs für eine Eiszeit!
Wenn wir das ganze Alter unserer Erde auf einige
Jahrtausende beschränken, wenn wir das schöpferische
Werde, das die losen Urstoffe im unbegränzten Raume
zum Embryo eines neuen Weltkörpers sich gestalten liess,
mit jenem Moment, wo der Geist des Alls mit seinem Odem
den ersten Menschen auf dem vollendeten Planeten belebte,
in die Spanne einiger Tage, Jahre oder Jahrtausende zu-
sammenzwängen wollen, so wird allerdings die Annahme
einer Veränderung in der Polstellung unserer Erde nicht
zulässig sein, denn dann könnte nur ein gewaltsames Spiel
des Zufalls an dem Planetensysteme gerüttelt, unsere Erde
aus der ihr angewiesenen Stellung verrückt haben. In wel-
chem Puncte des unbegrenzten Universums aber vermöchte
der Zufall zu walten, wo eine höchste Weisheit dem un-
sichtbaren Atom, wie dem grössten Himmelskörper, wie
dem ganzen Weltensysteme ihre unveränderlichen Gesetze
vorgezeichnet hat!
— 246 —
Wenn wir uns die Erde als einen starren Klumpen,
ihre Rinde als eine unverschiebbare Kruste denken , wer-
den wir eine Verrückung der Pole nicht annehmen können,
da diese durch die Abplattung schon für alle Zeiten fixirt
erscheinen. Wenn das (hypothetisch) einst allgemein auf
unserer Erde herrschende tropische Klıma nur eine Folge
der früheren viel höheren Centralwärme des Planeten war,
die nun fortwährend im Abnehmen ist, in welche Epoche
hätte wohl da das Interregnum der Eiszeit fallen sollen,
die nur erst nach der vollen Auskühlung unseres Erdkör-
pers in seinem letzten Lebensstadium, wo auch die letzten
kümmerlichen Menschenreste als stumpfsinnige Lappländer
endlich den Tod der Erstarrung werden sterben müssen,
eintreten kann ? Werfen wir aber noch einmahl den unbe-
fangenen Blick hinein in die von der Wissenschaft immer
mehr entrollten Blätter des grossen Buches der Natur, fas-
sen wir die unermesslichen Zeiträume ins Auge, deren
Zahlen die Allmacht zum Zeichen ihres ewigen Waltens,
als unvertilgbare Offenbarung, für den denkenden Menschen
ins eherne Kleid der Erde gewebt hat, so werden wir nicht
mehr nach Jahrtausenden, wir werden nach Millionen Jah-
ren rechnen, die an unserem Planeten vorüber gezogen
sind und wahrscheinlich noch vorüberziehen werden. Wir
werden uns daun eine Reihe, einen Wechsel von Epochen
denken können, deren Annahme für kürzere Zeiträume sich
nicht rechtfertigen liesse. Haben z. B. die astronomischen
Beobachtungen der letzten 1000 Jahre keine Veränderung
der Polstellung unserer Erde nachgewiesen, so würden diess
die Beobachtungen von 10.000 Jahren wahrscheinlich, die
Beobachtungen von 100.000 Jahren gewiss thun. Ist es nicht
denkbar, dass in dem ganzen Verlauf der ungeheuren
Zeit, die wir, durch wissenschaftliche Erfahrungen und
Thatsachen genöthigt, nur für alle die Ablagerungen der
unzähligen Schichten unserer Erdrinde und für die eben
so zahllosen Gestaltungs - und Umstaltungsepochen der
Erdoberfläche annehmen müssen, die Pole unserer
Erde in einer fortwährenden unmerklichen,
nach einer uns unbekannten Richtung Statt
findenden Rücknng, welche durch ausser unserer
—_— 2141 —
Beobachtung liegende Einwirkungen der umgebenden Him-
melskörper bestimmt wurde und noch fortwährend bestimmt
wird, sich befanden und noch befinden? Ist es
nicht denkbar, dass in dem Verlaufe von Millionen Jahren
unsereErdgegendein-und vielleicht auch schon
mehreremahl abwechselnd dem Nordpol und
wieder dem Aequator näher stand als gegen-
wärtig? Die Abplattung unseres Planeten kann einer sol-
chen Annahme nicht hinderlich sein, denn die ganze Struc-
tur der Erdrinde, die noch immer Statt findenden vulkanı-
schen Hebungen, die Wellenbewegungen der Erdoberfläche
bei jedem grösseren Erdbeben geben uns einen hinlängli-
chen Beweis, dass die starre Hülle unseres Planeten noch
Verschiebbarkeit genug besitzt und immer besitzen wird,
um bei veränderlicher Axenstellung die damit bedingte
Umstaltung eingehen zu können. Zahlreiche geologische
Erscheinungen würden durch die Begründung dieser An-
nahme erklärbar werden, die jetzt noch dem Gebiete der
Hypothesen anheimfallen, wir würden uns dann ohne An-
nahme von allmähliger Erdabkühlung, von gewaltsamen
Verrückungen der Erdaxe und von vielen andern oft aben-
teuerlichen Erklärungen recht leicht vorstellen können, dass
in einer Epoche um einen Punet Europa’s das nördliche Po-
larmeer kreisete, dass seine Fluthen Treibeis mit errati-
schen Blöcken über alles Land unseres Erdtheils jagten,
dass auf unsern Alpenländern arktisches Klima lag; dass
in einem andern Zeitraum wieder tropische Regen unsere
Länder befruchteten, Palmen und riesige Farren sich auf
unsern Felsen wiegten, und unabsehbare Prairien mit klaf-
terhohem Grase dem Mammuth zum Aufenthalte dienten,
ja wir würden uns zuletzt solche Wechsel vielleicht bereits
öfter wiederholt denken können.
Die grosse Bühne der menschlichen Entwickelung kann
nicht vergehen, ehe das Menschengeschlecht nicht seine
Bestimmung erreicht hat, aber die Erreichung der letztern
liegt in einer unabsehbar fernen Zukunft. Die Natur, auf
der wir leben, in der es kein Verharren geben kann, rollt
unter unsern Füssen sich immer/neu gestaltend |fort, ohne
dass wır es gewahren; wir durchreisen das Universum ohne
— 248 —
es zu achten, unser Planet hat, che wir waren, vielleicht
schon unermessliche Welträume durchwandert , unzählige
Veränderungen, von denen wir keine Ahnung haben, er-
fahren, er wird vielleicht eben so viele von uns nicht wahr-
genommene Veränderungen erfahren müssen, bis er seinen
Lauf beschlossen — bis der Mensch sein Ziel surückgelegt,
der Erdenscholle nicht mehr bedarf!
7. Bemerkungen
über das Werk Russia and the Ural Mountains by
R. I. Murchison, de Verneul and Count
Keyserling
und dessen
Ergänzung:
„Beobachtung auf einer Reise in das Petschora - Land.“
Mitgetheilt in einer Versammlung von Freunden der Natur-
wissenschaften in Wien am 5. October 1846.
Oesterr. Blätter für Literatur und Kunst vom 20, October,
Von
A. A. Grafen v. Keyserling,
kais. russ. Kammerjunker etc.
Werke von einem Umfange wie das vorliegende, ein
Monstrum, wie das Quarlerly Review es nennt, sind in
den Händen Weniger, und von diesen hat nur ein Theil
die Musse, sich die Resultate durch Studium zu vergegen-
wärtigen. Es kann daher nicht unnütz erscheinen, wenn
die Autoren selbst in solchen Fällen gelegentlich die Summe
— 249 —
aus ihren Beobachtungen mündlich mittheilen und in dieser
Rücksicht würde ich mit Vergnügen den Aufforderungen
dieser Gesellschaft nach Kräften zu entsprechen suchen.
Würde sich aber diese Aufgabe in einer so kurzen Zeit,
wie die gegenwärtige Gelegenheit sie verstattet, wirklich
durchführen lassen, so wäre das eine zu schwere Anklage
gegen die Korpulenz dieser Bände, als dass man sie einem
der Autoren selbst zumuthen dürfte. Ich kann daher nur
versuchen, durch einige Einzelheiten eine Vorstellung von
der Tendenz des Werkes, von den Kräften, mit
denen es ausgeführt ist, und von den Früchten solcher
Arbeiten im Allgemeinen zu geben.
„Das europäische Russland und das Ural- Gebirge!“
sind denn das verschiedene Theile, könnten diejenigen
fragen, die unsere Erde vom politischen Gesichtspunete zu
betrachten gewohnt sind — und deren Verwunderung müsste
steigen, wenn der Geognost erwiedert: „Ja, weil in der
breiten und sehr langen Zone des Urals das westeuro-
päische Gepräge der Gesteine wieder auftaucht, während
es im europäischen Russland ganz abweichend erscheint.
Im Ural sind die Schichten des älteren Uebergangsgebirges
wie in Westeuropa, steil, aufgerichtet, verworfen, die
Kalksteine hart, krystallinisch, dunkelfarbig, die Sand-
steine dicht, meist Quarzite, die Schiefer in 'Thonschiefer
übergehend. — Die letzteren führen zu jenen Kalk - und
Glimmerschiefern über, aus denen der lange, ununterhro-
chene Hauptkamm des Urals besteht, von dem man nach
Westen eine Reihe immer jünger und niedriger werdender
Falten von Sediment-Gesteinen sieht, während man nach
Osten eine mit einzelnen Bergen besetzte Zone eruptiver
Gesteine überblickt, in der nur inselartig abgerissene Frag-
mente von Uebergangsschichten erscheinen. Die Ueber-
gangsgesteine des flachen Russland bestehen dagegen aus
plastischen Thonen , weichen Mergeln, körnigen,, zerreibli-
chen Sandsteinen, hellfarbigen, mürben Kalken — alle
scheinbar horizontal. Ja sogar die Versteinerungen des
Urals stimmen oft mehr mit denen in der Eifel und in Eng-
land überein, als die im europäischen Russland. Was kann
aber die Ursuche einer so auffallenden Erscheinung sein ?
— 2350 —
Es muss eine Eigenthümlichkeit sein, die das europäische
Russland eben so sehr vom Ural als vom übrigen Europa
unterscheidet. Eine solche fällt nun auf der vorliegenden
geognostischen Karte leicht in die Augen. Es ist der völ-
lige Mangel an eruptiven Gesteinen im zentralen Russland,
und darin liegt zugleich einer der stärksten Beweise, dass
wirklich diese eruptiven oder plutonischen Gesteine es sind,
mit denen die Erscheinungen des Metamorphismus und der
Schichtenaufrichtung im Kausal - Zusammenhange stehen.
Welcher Art dieser Kausal- Zusammenhang ist, darüber
scheint uns die Erkenntniss wenigersicher, als einige geglaubt
haben, und gerade unsere Untersuchungen, in Uebereinstim-
mung mit anderen neueren Erfahrungen, besonders in den
Alpen, zeigen die Unzulänglichkeit der bisherigen Ansichten.
Kann man die Secundär-Schichten der Alpen für eine blosse
Fortsetzung der Schichten nördlich vorliegender Länder
halten, die durch Vorgänge lange nach ihrer Bildungszeit
ein abweichendes Ansehen gewonnen hätten? Setzte man
sich über alle Schwierigkeiten der mineralogischen Zusam-
mensetzung durch Metamorphismus und lokale Strömungen
während der Ablagerungszeit hinweg, die Verschiedenhei-
ten der Versteinerungen lassen sich nicht auf 'metamorphi-
schem Wege erklären. So ist es auch im Ural, z. B. in
den steilen Schichten seines harten krystallinischen, dun-
kelfarbigen Bergkalkes, finden sich nicht dieselben vorherr-
schenden Versteinerungen, die den oft kreideähnlichen
Bergkalk des flachen Russlands, ich möchte sagen, fasst
auf jedem Schritte auszeichnen. Chaeleles radians Fisch.,
Lithostrotion floriforme Flem., Spirifer mosquensis
Fisch., oder Productus giganteus Marl. Das sind 'That-
sachen, die zu dem Eingeständniss nöthigen, dass in den
Zonen der grossen Gebirge eigenthünliche Verhältnisse
sich fanden, lange vor der Zeit, die man gewöhnlich ihrer
Entstehung anweiset. Die Gedanken, zu denen diese Thatsa-
chen drängen, und die Ansichten über Gebirgsbildung, die
sie unterstützen, haben wir in diesem Wsrke nicht weiter
verfolgt, weil es sich von allen zu weit abliegenden Spe-
kulationen fern zu halten gesucht hat, und so müssen wir
auch, hier der Versuchung widerstehen, die uns weiter
—_ 351 —
lockt. Es sei genug, gezeigt zu haben, dass der Ural und
das europäische Russland seit den ältesten Zeiten für den
Geognosten ganz verschiedene Phänomene bieten.
Aber noch andere Erhebungszonen, abgesehen von der
finnländischen krystallinischen Grenzregion, lassen sich im
europäischen Russland nachweisen, deren hohes Alter da-
durch bezeugt wird, dass sie als Barrieren schon auf die
Sedimente der Paläozoischen Zeit eingewirkt haben. Diese
sind: 1. das Timan-Gebirge, 2. der Devonische Zentralzug,
3. das Katharinoslawsche granitische Gebirge. Diese drei
Zonen haben eine ziemlich parallele Richtung von N. W.
nach S. ©. und zerfällen Russland in mehrere Becken.
Zwischen den beiden ersten liegt das grosse russische
Hauptbecken. Daneben liegt nördlich das kleine Petschora-
Bassin, ausgezeichnet dadurch, dass die permischen Abla-
gerungen nicht hineinreichen; es scheint schon den allge-
meinen Typus der flachen. Küstenländer des sibirischen
Eismeeres darzustellen. Auf der andern Seite, südlich vom
Hauptbecken liegt das südrussische Bassin, ausgezeichnet
durch die vorherrschenden Kreide - und Tertiär - Schichten.
Um nicht von dem Stoffe unseres Vortrages so sehr über-
wältigt zu werden, dass wir am Ende ein blosses Inhalts-
verzeichniss zu geben gezwungen werden, lassen Sie uns
diesmal besonders nur die Niederschlags - Formationen von
den ältesten ab in dem Sinne durchgehen, dass wir einige
der interessanteren Bemerkungen über jede einzelne an-
deuten.
Es ist ein wichtiger Erfolg der langjährigen, ange-
strengten Forschungen besonders Murchison’s, der zu-
erst in diesem Werke zum Vorschein gekommen ist, dass
man erkannt hat, wie in den untern silurischen
Schichten wirklich die Reste der ersten Thiergesell-
schaft, die unsern Planeten bewohnt hat, begraben lie-
gen. Eine ältere Gesellschaft hatte man einige Zeit in
der Cambrischen Gruppe vermuthet; andere Schriftstel-
ler, besonders Lyell, hatten den Glauben an eine un-
endliche Reihe. von organischen Schöpfungen ohne Anfang
und ohne Ende ausgesprochen. Nachdem aber die Unter-
suchungen über ganz Europa, über halb Amerika, über
— 252 —
beträchtliche Regionen der andern Welttheile ausgedehnt
worden sind und überall nur dasselbe Resultat gegeben
haben, zu dem man in England gelangt war; nämlich dass
die Reihe der Thiergesellschaften mit der unteren Siluri-
schen abgeschlossen ist, so wird eine entgegenstehende
Ansicht in das Gebiet der ganz unwahrscheinlichen Mög-
lichkeit verwiesen. Ein zweiter, schlagender Beweis ge-
gen die Uranfänglichkeit des organischen Lebens auf der
Erde lässt sich durch die Paläontologie führen, und die Un-
tersuchungen unseres 2. Bandes liefern dazu einen reichen
Beitrag. Gehen wir nämlich von unserer gegenwärtigen
Fauna zurück durch die lange Reihe von Schöpfangen, die
uns die Geognosie enthüllt hat, so sehen wir selbst grosse
Abtheilungen der Thierwelt mehr und mehr schwinden. Die
letzten Reptilien finden sich in den permischen Schichten
und mit den Fischen verlieren sich die letzten Wirbelthier-
spuren, ehe man die unteren silurischen erreicht. So ent-
faltet sich dem forschenden Blicke eine convergirende Reihe,
die zur Null führen muss. Dieses Endglied der Reihe bilden
‚die Gneisse Skandinaviens, die ungleichförmig unter den
ältesten silurischen Schichten gelagert sind und die von
Murchison daher Azoisch genannt worden sind. Zu den
azoischen Schichten gehören nach den gründlichen Unter-
suchungen des Herrn Barrande in Böhmen (deren bal-
dige Veröffentlichung jeder Freund der Wissenschaft sehn-
lichst wünschen muss) gewisse Grauwacken und Thonschie-
fer. In Russland könnte man nach den bisherigen Untersu-
chungen eben dahin die plastischen Thone von undurchsun-
kener Mächtigkeit rechnen, auf denen jene untern siluri-
schen Schichten liegen, die das ganze südliche Küstenland
längs dem finnischen Meerbusen bilden. Dieser Thon, ob-
gleich er den Bildhauern zum Modelliren dient, ist jedenfails
älter als viele der härtesten Thonschiefer der Alpen. Ueber
dem Thon liegt ein Sandstein, der in gewissen Schichten
von’ den Schalen einer einzigen kleinen Muschelgattung, aus
der Klasse der Brachiopoden, Obolus Eichw., so angefüllt
ist, dass er auf dem Querbruch wie von Glimmerlagen ge-
streift erscheint. Dieselbe Gattung ist zwar anderweitig
nicht bekannt, aber die verwandten Lingulen, mit ihren
—_— 253 —
eben so hornglänzenden Schalen scheinen sie in den älte-
sten Schichten Englands und Amerika’s zu vertreten.
Jedenfalls gehören die Brachiopoden zu den erstge-
schaffenen Muschelthieren und stehen auch ihrer Organisa-
tion nach an der unteren Grenze, da z. B. an den Tere-
brateln nur mit Mühe die geringen Spuren des Nervensy-
stems haben nachgewiesen werden können. — Erst in den
höher gelegenen Kalksteinen tritt die untere silurische
Fauna reicher auf mit den kugelformigen Cystideen, den
zahlreichen Orthideen (darunter einfach gefaltete) und Tri-
lobiten. — Darüber liegen noch dolomitische Kalksteine,
in denen glatte Pentameren und mehr Korallen sich finden.
Diese sind merkwürdig, weil sie sich mit identischen Cha-
rakteren am fernen Eismeergestade des Timangebirges wie-
derfinden. Sie beweisen, dass diese alten Ablagerungen
über das ganze Hauptbassin hin ihren Charakter behaupten.
Tritt man aber in den Ural, so entsprechen den unteren
silurischen Kalksteinen Grauwacken und Thonschiefer, wie
es die am Fluss Ilytsch gefundenen einfach gefalteten Or-
this beweisen. Dagegen finden sich dort mächtige obere
silurische Kalkmassen mit faltigen Pentameren, die im
Hauptbassin fehlen. Denn im letzteren liegen devoni-
sche Kalksteine und Mergel unmittelbar auf dem unteren
silurischen scheinbar in gleichförmiger Lagerung trotz der
Lücke in der Formationenfolge. —
In England hatten Murchison und Sedgwick ge-
wisse Schichten mit Muschelversteinerungen für gleichzei-
tig erklärt mit dem alten rothen Sandstein Schottlands,
der nur Fischreste umschliesst und beide Gebilde als devo-
nisches System zusammengefasst. Diese Verbindung war
jedoch nicht so sicher zu beweisen, dass nicht Zweifel
hätten aufkommen können, und Ferd. Römer hat sich
2.B. in seinem trefflichen Werke über das rheinische Ueber-
gangsgebirge dagegen erklärt. Erst die Untersuchung der
devonischen Schichten Russlands hat nun alle Zweifel be-
seitigt. Sie umgeben unser Hauptbassin ven drei Seiten,
bestehen besonders aus rothen Mergel-Thonen, Sandstein
und Kalk, in denen fast überall neben charakteristischen
Muscheln so viele Fischreste eingeschlossen sind, dass man
—_ 254 —
hieher den Fischmarkt der Paläontologen verlegen könnte. —
Ganz neu und interessant war es in Wien durch die Ver-
sammlungen zu erfahren, dass der Hr. Prof. Kner aus Lem-
berg in den oberen Dniester-Gegenden Galiziens Muscheln
desselben Systems mit Cephalaspis Ag. *), vereinigt ge-
funden und somit zum ersten Mal den Beweis geliefert
hatte, dass auch dort eine Folge von silurischen zu devo-
nischen Schichten zu erwarten steht. — Im Ural haben die
devonischen Schichten noch keine Fischreste geliefert und
erinnern durch ihre Versteinerungen z. B. Strigocephalus
Burlini u. a. m. an die Eifelgegenden.
Neu ist, dass unter einer mächtigen Decke von devo-
nischen Schichten im Timangebirge Goniatiten mit einfa-
chem Dorsallobus und Cardiolen vorkommen, identisch mit
Arten in Westphalen, ven denen man bisher geglaubt hat,
dass sie über dem Devonischen lägen. Sie kommen in dem
sogenannten Domanik-Schiefer vor, — ein sehr feiner und
milder kalkhaltiger Kieselschiefer, von Bergöl durchdrun-
gen, so elastisch und so leicht zu schneiden, dass er in
vielen Fällen das Ebenholz ersetzen könnte. —
Während der Steinkohlenperiode bildeten sich in unse-
rem Hauptbassin meist nur mächtige Kalksteinschichten.
Diejenigen, die längs der devonischen Zentralaxe sich be-
finden, sind dunkelfärbig und enthalten an der Basis einige
Streifen wenig nutzbarer Kohlen; zugleich sind sie durch
den Productus giganteus ausgezeichnet. Die andern sind
bis auf die devonische Basis hinab kreideweiss, so dass
aus ihnen Kreide für den Handel gewonnen wird, und füh-
ren fast überall den Spirifer mosquensis. Zwischen beiden
genannten Muscheln besteht ein so feindseliges Verhältniss,
dass sie sich nie vereinigt gefunden haben. Diese Bemer-
kung wurde zuerst in Russland gemacht, de Koninck
fand sie in Belgien bestätigt und sie mag auch für andere
Gegenden gelten. In den weissen Kalksteinen sind zum
ersten Mal Foraminiferen (Fusalina Fisch.) der poläozoi-
schen Zeit nachgewiesen worden. — Südlich von der de-
*) Auf S. 134 als einer Sepie angehörig erwähnt, A, d. H.
- 255 —
vonischen Zentral-Axe sind die Ablagerungen der Kohlen-
periode ganz anders zusammengesetzt; sie bieten eine
Wechsellagerung von Quarziten , Schiefern , Bergkalk und
Steinkohlen dar, genau wie in den Yorkdale series in Eng-
land. Nur hier, in den Donetzgegenden, besitzt Russland
bedeutendere Steinkohlenlager und besonders scheinen die
Anthrazit- Schichten für die Industrie von Wichtigkeit. —
Im Ural zeichnet sich die Kohlenformation auf der West-
seite durch eine sehr bedeutende obere Sandsteinformation
aus, die das Reich mit den besten Wetzsteinen versorgt
und interessante Goniatiten mit sehr komplizirten Loben
einschliesst.
Unser Hauptbassin wird vorzugsweise von der permi-
schen Formation ausgefüllt, für die ein neuer Name in
Aufnahme gekommen ist, weil die entsprechenden Schich-
ten in anderen Ländern z. B. in Deutschland, Roth-Todilie-
gendes, Weissliegendes, Kupferschiefer, Zechstein keinen
anwendbaren Kollektiv- Namen führten.. Die ungeheuren
Gypsmassen, die an der Basis dieser Formation längs ihrem
Rande hinziehen, und ihre vielen Salzlager, von denen
eines südlich von Orenburg als ein weit offner Steinsalz-
bruch abgebaut wird, sind hier zu bemerken. Die letzteren
haben in einigen Fällen nachweisbar die kaspische Steppe
mit Salz geschwängert; und man kann es nicht mit Hom=
maire de Hell für einen Rückstand des Zurükgetretenen so
wenig gesalzenen kaspischen Sees halten. Obgleich die
permische Formation nicht in das höhere Uralgebirge tritt,
so schliesst sie doch in gleichförmiger Lagerung an dessen
ältere Schichten und’da zeigen ihre Sandsteine und Kon-
glomerate die vielen eingesprengten Körnchen von Kupfer-
erzen. Die Fauna dieser Formation haben erst die Beobach-
tungen in Russland in einem solchen Umfange kennen ge-
lehrt, dass man ihr allgemeines Verhalten hat richtiger be-
urtheilen können. In Folge dessen hat jetzt de Koninck
die interessante Bemerkung gemacht, dass auch in Spitz-
bergen permische Schichten vorkommen. Sie schliessen
sich durch die vorwaltenden Brachiopoden, besonders Pro-
dukten so wie durch die Pflanzengattungen so eng an die
Kohlenformation. dass sie für das oberste oder jüngste
—_ 256 —
Glied der paläozoeischen Reihe angesehen werden müssen.
Die Greszen dieser Reihe sind daher jetzt viel vollständi-
ger bekannt geworden.
Wie unerwartet es auch ist in ganz regelmässig auf
einander liegenden Schichten ungeheuere Unterbrechungen
in den Ablagerungen zu finden, alles Suchen nach Reprä-
sentanten der Triasgebilde und des Lias sind in unserem
Gebiete vergebens gewesen. Nur in dem Abfall nach dem
kaspischen See hin kann man es noch für möglich halten,
dass gewisse Schichten dem bunten Sandstein entsprechen ,
da die Versteinerungen in einem kleinen darüber liegenden
Kalkflötz auf dem isolirten Bogdoberge der inneren Kirgi-
sensteppe für Muschelkalk sprechen. Aeltere Gesteine bil-
den meist entschieden die Unterlage der weitverbreiteten
'Thone mit oft schön irisirenden Ammoniten , die dem mittle-
ren Jura oder den Oxfordschichten entsprechen. Dieses
Glied des Jura ist überhaupt das verbreitetste. Weberra-
scherd ist seine hochnordische Ausdehnung, z. B. bildet
es den Untergrund im ganzen Flachlande des Petschora-
beckens. Reste grosser Saurier sind darin jenseits des
61. Gr. Br. an dem Flusse Syssolla gefunden worden; wie
anders muss also das Klima jener Regionen gewesen sein.
Am meisten bleibt noch zu thun in der Kreide- und
Tertiärablagerung des südlicheren Russlands. Eine dünne
Lage von Knollen phosphorsauren Kalkes an der Basis der
weissen Kreide, die über 100 deutsche Meilen weit fort-
setzt, wurde erst nach der Herausgabe unseres Werkes
erkannt, weshalb ich diese merkwürdige Ersheinung hier
nicht übergehen wollte. Die weisse Kreide am fernen Ural-
flusse ist gerade so beschaffen wie in Frankreich, und be-
weiset die wunderbare Konstanz und Verbreitung gewisser
mineralogischer Vorgänge in bestimmten Perioden, die sich
z. B. auch in der vorherrschend rothen Färbung der For-
mationen unter und über den kohlenführenden Schichten
zeigt. Dennoch kann der Zusammenhang entlegener For-
mationen der Erdoberfläche nur durch die Versteinerungen
mit Erfolg gesucht werden.
Die Tertiärschichten Russlands lassen sich den herge-
brachten Abtheilungen gemäss vertheilen. Eocene Schichten
Br
sind am Dniepr und an der Wolga durch Versteinerungen
nachgewiesen; die pliocenen sind mit ihren oberen oolithi-
schen Schichten bei Taganrog u. s. w. nachgewiesen. Aber
die darüber liegenden Steppenkalke und Sand bieten ein
zu auffallendes Phänomen, um darüber hinzugleiten. An-
statt mit ihren Resten den gegenwärtigen Meeresbewoh-
nern sich mehr und mehr anzuschliessen,, umschliessen sie
nicht eine einzige Art, die den jetzt im Meere lebenden
Muscheln identisch oder analog wäre. Dagegen stimmen
sie. durch Mytilusarten und besonders durch die Carditiden
mit obsoleten Schlosszähnen überein mit den Bewohnern
des Sees von Ackerman und des Kaspisees. Dadurch
wird bestimmt nachgewiesen, dass in der Vorzeit ein unge-
henerer Landsee mit wenig gesalzenem Wasser über den
ganzen Südrand Russlands sich ausbreitete, in dem sogar
ein wallfischartiges Thier, das Cefotherium Brandt, lebte.
Im Norden haben wir weit ins Land hinein an der Pet-
schora und an der Dwina die jetzt im Eismeer lebenden Mu-
scheln in Thonen gefunden, die am letzteren Orte über per-
mische Schichten in vollkommen gleichförmiger Lagerung
sich ausbreiten. Das sind auch die einzigen entschiedenen
Meeresbildungen der jüngeren Zeit im nordischen Russland.
Die Mammuthe sind dagegen meist in Thonen versunken,
deren mariner Ursprung entweder ganz zweifelhaft oder
vollkommen unwahrscheinlich ist. Durch genaue Untersu-
chung ihres Zahnbaues hat Owen bewiesen, dass sie auf
eine viel festere Nahrung als die Elephanten angewiesen
waren. Junge Nadelbäume haben sie etwa mit demselben
Vergnügen verspeisen können, als wir Spargel essen, und
da sie einen buschigen Pelz trugen, so konnten sie nord-
wärts bis an die Waldgrenze leben. Dann bedurfte es auch
nur einer geringen Verschiedenheit vom gegenwärtigen
Klima , um ihre Verbreitung bis an die Eismeerküste zu be-
greifen, und wir sind der Anstrengungen ledig, mit denen
man Theorien ersonnen hat, um entweder jene Länder aus
tropischen Hitzen plötzlich in ewiges Polareis zu tauchen,
oder um die Riesenthiere mit gewaltigen Fluthen aus heis-
sen Zonen herzuschleppen, in denen jetzt nicht einmal ihre
Reste sich finden.
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I. 17
_ 258 —
- Das erratische Phänomen ist in diesem Werke ebenfalls
ausführlich behandelt, und dürfen wir auch nicht hoffen,
die Meinungen darüber fixirt zu haben, so sind doch wich-
tige Thatsachen für die Beurtheilung gewonnen worden.
Erstens ist die Kenntniss der Grenzen des nordischen erra-
tischen Phänomens, man könnte sagen des erratischen
Bassins, eine Frucht der neueren Untersuchungen Russ-
lands. Im Allgemeinen verlaufen diese Grenzen in weitem
Bogen um Finnland, um die krystallinische Heimat der
Findlinge , doch beschreiben sie weite Buchten, dıe, wie
es scheint, den Depressionen im Relief Russlands entspre-
chen. Eine zweite Thatsache ist, dass die Blöcke bis an
den fernen Rand des erratischen Bassins so ziemlich in ge-
raden von Finnland aus divergirenden Strahlen getragen
worden sind. Eine dritte Thatsache ist endlich, dass dem
Ural bis zum 60. Gr. hinauf mit dem erratischen Phänomen
zugleich die Schrammen feblen, die in den finnischen Re-
gionen auffallend sind.
Doch weiter dürfen wir unseren Gegenstand nicht ver-
folgen und wir wollen schliesslich nur einige Resultate von
allgemeinem wissenschaftlichen Werthe anführen, die wir
in unseren bisherigen Bemerkungen zu berühren nicht Ge-
legenheit fanden:
1. In der Zone des Urals haben während mehrerer sehr
entfernter und weit auseinander liegender Perioden Faltun-
gen und Aufrichtungen der Erdrinde in ziemlich meridianer
Richtung statt gefunden.
2. Das flache Russland hat vielen mächtigen Oszillatio-
nen unterlegen, ohne zu bersten und man hat oft die Wir-
kung der hebeuden Kräfte zu sehr auf die Gebirge be-
schränkt, weil man Schichtenaufrichtung und. Erhebung
nicht scharf genug unterschied.
3. Die Schichtenaufrichtung bedingte nicht die Verän-
derungen in der organischen Welt, die zwischen den hori-
zontalen, ruhigen Ablagerungen Russlands eben so scharf
wie anderwärts eintreten.
Diese Andeutungen nebst den vorliegenden Karten,
Durchschnitten und Tafeln können von dem weiten Um-
fange des besprochenen Werkes eine Vorstellung geben
- 29 —
und doch beruht es fast durchgängig auf originellen Be-
obachtungen. Damit will ich nicht den vielen Verdiensten
unserer Vorgänger zu nahe treten, deren Würdigung hier
nicht am Orte wäre. Nur will ich sagen, dass auch das bereits
bekannte wieder frisch aus der Natur genommen wurde,
wie es gewöhnlich nothwendig wird, sobald man ein har-
monisches Ganze herzustellen sucht. Wie konnte man ein
solches Unternehmen in kurzer Zeit vollbringen, wird man
trotz der nachtlosen Sommernächte unseres Nordens mit
Verwunderung fragen, besonders wenn man bedenkt, wie
viel von dem geognostisch bemalten Lande eine unweg-
same Wildniss ist. Welcher Eifer auch die Verfasser be-
seelte, durch ikre Privatkräfte hätten sie das nimmer errei-
chen können. Dazu bedurfte es der grossmüthigen Unterstüt-
zung desKaisers von Russland, dessen Regierung aus
den Annalen der Wissenschaft durch die kommenden Jahr-
hunderte mit so vielen Unternehmungen der Intelligenz
entgegenstrahlen wird. Die Gründung der Sternwarte zu
Pulkowa, der magnetischen Observatorien im ganzen Reiche,
die neuliche Errichtung einer reich fundirten geographischen
Gesellschaft, der beginnende Aufbau eines grossartigen
physikalischen Observatoriums, wie es noch nie vorhanden
gewesen ist, überhaupt das neue Emporblühen der Akade-
mie der Wissenschaften fallen uns dabei sogleich unter den
vielen Gegenständen bei.
Aber wir haben nur von den Untersuchungen, die zum
vorliegenden Werke führten, zu sprechen. Auf alle erdenk-
liche Weise wurden sie durch die thätige Administration er-
leichtert; in den Sandsteppen waren die Nomaden mit ihren
Pferden längs den Wegen des Geognosten hinbestellt ,„ ın
den einsamen Flüssen waren Böte zu seiner Aufnahme ge-
fertigt, ja es entstand sogar einmal ihm zu Diensten ein
Fluss, da wo keiner vorhanden war, durch das Ablassen
eines Hüttenteiches. Die erste Reise wurde im Jahre 1840
von Murchison und Verneuil auf eigenen Antrieb un-
ternommen und sogleich wurde ihnen der russische Berg-
offizier Kokscharoff zur Erleichterung beigegeben. Zu-
gleich machten A. v. Meyendorff begleitet von Prof.
Blasius eine offizielle Reise zur Kenntniss des Landes
| Rt 17%
— 260 —
und förderten gleichfalls Beobachtungen herbei, die in die-
sem Werke aufgenommen sind. Diesen beiden Reisege-
sellschaften hatte ich das Glück mich wechselweise anzu-
schliessen. Darauf trat ich für geognostische Zwecke in
russischen Staatsdienst und durchforschte 18541 in Gemeiu-
schaft mit Murchison und Verneuil den Ural und das
südliche Russland.
Im Jahre 18542 wurde fc nach Frankreich und England
gesandt, um an der paläontologischen und geognostischen
Bearbeituug dieses Werkes Theil zu nehmen; 1843 berei-
sete ich mit Paul v. Krusenstern, der die geographi-
schen Bestimmungen in der lerra incognita machen sollte,
das Petschoraland, in das kein einziger Landweg führt.
Auf der Tundra, der polaren Mooswüste, und auf den Hö-
hen des arktischen Urals haben mitten im Sommer Renn-
thier-bespannte Schlitten der Geognosie dienen müssen.
Aber noch war eine für den Massstab der Gelehrten be-
deutende Unterstützung nöthig, um die gewonnenen Resul-
tate in gehöriger Form veröffentlichen zu können und -die
ist den Verfassern wiederholt gewährt worden. Um in
Werthen zu sprechen, denen die eindringlichste Beredsam-
keit eigen ist: ich schlage die offiziellen Hilfsmittel für das
besprochene Unternehmen in seinem ganzen Umfange mit
S0,000 Franken gewiss zu gering an.
Sind denn aber die Vortheile, die den Staaten und
Menschen aus solchen Arbeiten erwachsen, gross genug,
um solche Anstrengungen der Individuen und Regierungen
zu rechtfertigen? Wir wollen es uns nicht leicht machen,
durch Vergleichung mit viel kostbareren und oft vergäng-
licheren Ehrendenkmalen', wir können zuversichtlich auf
die Abwägung des positiven Gewinnes eingehen. Wie viel‘
grössere Summer sind verloren gegangen durch das Suchen
nach Steinkohlen, Metallen oder unvorsichtigen Erdarbei-
ien, wo die geognostische Erforschung es hätte verhindern
können. Wie leicht dergleichen auch in Russland hätte
vorkommen können, ersehen wir z. B., wenn der grosse
Pallas bei Gelegenheit der wenig nutzbaren Steinkohlen
im Waldai nur tiefer zu graben räth , um Besseres zu er-
langen, gemäss der natürlichen Disposition des Menschen
— 2% —
zu glauben, was man so recht tief und mit saurem
Schweisse herholt, müsste auch gut sein. Hier lehrt nun
gerade die Geognosie mit Sicherheit: dass in der Tiefe nichts
zu hoffen ist, als die Fischreste der devonischen Schich-
ten. Eben so haben wiederholte Berichte zu vergeblichem
Kohlenbau in den Juraschichten an der Wolga aufreizen
wollen. Eine privilegirte Kompagnie wurde von einigen
zur Exploitation des Petschora-Bassins projektirt und machte
unter andern auf dortige Goldwäschen Hoffnung; nach ety-
mologischen Gründen wurden auch dorthin die Höhlen ver-
legt, in denen nach Herodot die Gryphen und Arimaspen
Schätze bewachten, ein Mythus, den man auf Goldalluvi-
onen bezogen hat. Dass die letzteren dort nicht zu finden
wären, entschied eine leichte geognostische Rekognoszi-
zung. — Aber ich mag nicht in diesem Sinne fortfahren,
damit man nicht glaube, es sei die Wissenschaft nur von ei-
nem untergeordneten Gesichtspuncte her gefördert worden.
Ich meine jenen Gesichtspunet, von dem aus die Dinge für
nützlich gelten, wenn sie die Sinne schützen , stärken oder
ergötzen‘; aber für unütz, wenn sie dasselbe für die Seele
leisten; von dem aus den Menschen die Entdeckung einer
einzigen Bank lebender Austern ungleich wichtiger scheinen
muss, als die Erkenntniss aller versteinerten Muschelbänke
der Welt. Doch wie sollte man den Geist der Menschen be-
achten, so lange sie ja selbst, ohne es zu wissen, ihren
Geist für weniger beachtungswerth als ihre Geschmacks-
werkzeuge erklären! Wie fern unsere Administration einer
solchen Auffassung steht, beweiset z. B., dass ich mich er-
innere, bei meiner Anstellung bestimmt erklärt zu haben,
wie ich mich nicht anheischig machen könnte, irgend etwas
sogenannt Nützliches zu leisten; worauf mir der dama-
lige Chef des Bergkorps, General Tscheffkin, erwie-
derte: der belebende, beeifernde und veredelnde Einfluss,
den die wissenschaftliche -Erforchung auf praktische und
technische Beamte hätte, sei schon ein hinreichender Gewinn
derselben. Der moralische Gewinn der wissenschaftlichen
Arbeiten muss dem Geiste immer bedeutend erscheinen. Ich
will nicht Wahrheiten wiederholen, die von allgemeiner
Geltung sind und bereits zu den Gemeinplätpen gehören.
— 262 —
Nur einiger Früchte lassen Sie uns gedenken, die der in
Rede stehenden Art von Forschungen insbesondere eigen-
thümlich sind. — Andere Naturwissenschaften offenbaren
uns durch die beständige und gesetzmässige Wiederkehr
der Erscheinungen harmonische Kreise, deren Betrachtung
den Menschen durch das Gefühl abgeschlossener Vollendung
und ewiger Dauer erhebt; aber alle Bewegung erscheint
darin nur als ein Schwanken um denselben Punct ohne all-
gemeinen Fortschritt. Nur die Geognosie begründet durch
die Aufeinanderfolge der Organismen , die sie enthüllt, das
lebendige Bewusstsein von einem Fortschritte, unendlich
lange Zeiten hindurch, zu immer höserer Vollkommenheit.—
Bei dem Zurücktreten ganzer Gesellschaften eigenthümli-
cher lebender Wesen in ein ewiges Nichts mag uns das
Gefühl der Vergänglichkeit verwirren, erschüttern; aber
dann müssen wir uns erinnern, dass es Arten von Wesen
waren, die dem Fortschritte widerstanden, da sie nicht
gleich den Menschen durch die historische Entwickelung
einer unbegrenzten Vervollkommnung der Kräfte ihrer Gat-
tung fähig waren. — Philosophen haben gemeint, dass die
Naturwissenschaften zu der Ahnung führten, wie aus den
einfachen Kräften der kleinsten Theilchen und Zellchen sich
die Organismen und Welten durch einen so stetigen Pro-
zess fortbildeten, dass nirgends mehr ein Platz für Gorr,
das Bingreifen einer höheren Intelligenz und Kraft üb-
rig bleibe. Dagegen zeigen keine Forschungen entschie-
dener die unbegreifliche Gewalt des schöpferischen „W erde‘
als die unsrigen; — denn mehr als einmal hat Sie unseren
Schauplatz mit Tausenden von neuen Arten bedeckt, die
keine Naturkraft hervorznzaubern im Stande ist. — Endlich .
müssen wir vor allen Dingen des edlen Bandes gedenken,
das unsere Wissenschaft von Menschen zu Menschen spinnt,
indem sie vor allen anderen Wissenschaften ihre Zöglinge
zu ewigen Wanderern erzieht. Hier sehen Sie einen Eng-
länder, einen Franzosen, einen Deutschen und Russen in
innigster Verbindung durch die Welt ziehen und denselben
Zweck von demselben Geiste beseelt 5 Jahre lang unaus-
gesetzt verfolgen. Ein solches Band ist nicht zerrissen,
wenn gegenwärtig Murchison in England und Ver-
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neuil in Amerika wirkt, während ich hier verweile; um
so schneller nur tragen wir in die Welt hinaus und stärken
die gewonnenen Gedanken, die uns gemeinsam geworden
sind. Eben diesen verdanke ich es ja auch, wenn ich nicht
als verlassener Fremder vor Ihnen stehe, sondern freudig
um mich Männer erblicke, die mit meinen Bestrebungen ver-
traut und befreundet sind und die mich herzlich wie einen
der Ihrigen in ihre Mitte gerufen haben. —
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