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Full text of "Bericht uber die Mitteilungen von Freunden der Naturwissenschaften in Wien"

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ÜBER DIE 


MITTHEILUNGEN 


VON 


FREUNDEN DER NATURWISSENSCHAFTEN 
in Wien; 
gesammelt und herausgegeben 


von s# 
WILHELM HAIDINGER. 


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I. Band. Nr. 1—6. Mai, Juni, Juli, August, 
September, October 1846. 


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ÜBER DIE 


MITTHEILUNGEN 


VON 


FREUNDEN DER NAEURWISSENSCHAFTEN 


in Wiens 


gesammelt und herausgegeben 
von 


WILHELM HAIDINGER- 


"I. Band. Nr. 1—6. Mai, Juni, Juli, August, September, 
October 1846. 


GOOD 
WIEN 1847. 


In Conimission bei Braumüller und Seidel. 


Nie ermüdet stille steh’n. 
Schiller. 


Vorwort. 


Wie hier gesammelt erscheinenden „Berichte“ geben 
den Inhalt einer Reihe von Versammlungen, wie sie 
sich nach und nach bei mir ausbildeten. Sie wurden 
von einer derselben, der vom 27. April 1846 angefangen 
durch meine Vermittelung der k. k. priv. Wiener Zei- 
tung zugesandt, und erregten darin so viele Theilnahme, 
dass ihre Aufsammlung nun nach einem halben Jahre 
einer günstigen Aufnahme entgegensehen darf. Den 
Berichten wurden noch einige andere mit denselben in 
Verbindung stehende naturwissenschaftliche Aufsätze 
beigefügt. | 

Eine ausführlichere Nachricht über die Versamm- 
lungen wäre hier noch nicht am rechten Orte. Ueber 
die Berichte selbst darf jedoch erwähnt werden, dass 
ihnen grösstentheils die eigenen Noten der Herren zum 
Grunde liegen, die sie über ihre Vorträge mittheilten. 
Es blieb daher wenig redaktorische Arbeit zu machen 
übrig. 

Die „Berichte“ werden den hochverehrlichen 
Theilnehmern an der Subscription für die unter der 
Presse befindlichen „Naturwissenschaftlichen Abhand- 
lungen“ als ein Theil der durch die Mittel derselben 
geleisteten Unternehmungen zugesandt, eben so denje- 
nigen Herren, welche auch ohne Subscribenten zu 
seyn, in dem Bande durch ihre werthvollen Mittheilun- 
gen zur Reichhaltigkeit des Ganzen beigetragen haben, 


IV 


Für einen weiteren Kreis von Freunden der Ent- 
wickelung naturwissenschaftlicher Studien und Arbeiten 
ist der Preis möglichst mässig gestellt, um durch all- 
gemeine Verbreitung die Theilnahme an denselben auch 
für die Zukunft vorzubereiten, da bereits für fernere 
Bekanntmachung in monatlichen Heften die gesetzli- 
che Bewilligung vorliegt. 


Wien, den 24. November 1846, 


W, Haidinger. 


Inhalt. 


l. Versammlungs - Berichte, 


1. Versammlung, 


am 27. April. 


. Fr. Simony. Skizzen aus den Alpen des Salzkammerguts 


Fr, Ritter. v. Hauer. Zusammengewachsener Orthoceratit 
und Ammonit . 2 R 3 “ n ” 
Dr. S Reissek. .Befruchtung des Pflanzenkeims . 


2. Versammlung, am 4. May. 


W, Haidinger. Merkwürdige Farbenvertheilung am Cyan- 


“ platinmagnesium . = . . . . 
Fr. Simony. Vorgeschichtliche I im Salz- 
‘ kammergut . » . Bw . n 2 . 
W. Haidinger, Brandisit eine neue Mile Neue 
Species von Breithaupt . ; - a ha er 
A. Patera. Analyse des Korallenerzes von Idria - ; ; 
W, Haidinger. Periklin als Varietät des Albits - ; : 


3. Versammlung, am 11. May. 


Er, Simony. Gletscher auf dem Dachsteingebirge 
J. Czjzek. Geologische Karte der Umgegend von Wien 


4. Versammlung, am 18. May. 


A. Löwe. Analyse der Kupfererze und Tazzoni von Agordo 


Dr. S. Reissek, Eigenthümliche Blüthenbildung von Cytisus 
5 » Abbildungen kranker Kartoffeln . ; 

Fr. Simony. Tiefen -, Durchschnitts- und en 
des Hallstätter Sees . .- iret- 


Dr. L. K. Schmarda. Einfluss des Lichts De irskbien BR 
Dr R. Botzenhart. Natürliche Farben der Körper 


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7. Hr. J, K. Hocheder. Vorkommen der Diamanten in Brasilien nach 


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Virgil v. Helmreichen . 3 . E . 5 5 


5. Versammlung, am 25. May. 


V. Streflleur , k. k. Hauptmann. Reliefs des Wiener - Wald- 
Gebirges . . Se . > - . . en 

Dr. L. K. Schmarda. Hülsen des Müller'schen Trompeten- 
Thierchens B E . - : - 2 > . - 

Dr. L. K. Schmarda, Neue Formen von Infusorien . = 

Fr. R. v. Hauer. Anwendung des Wasserglases um fossilen 
Resten grössere Festigkeit zu geben . 

W. Haidinger. Dichroskopische Loupe . . Eee. © 

5 Polarisationszustand des farbigen Lichts na- 

türlicher opaker Körper. Dichrophan Eee De 

Fr. Simony. Regeuflecke anf den Gebirgsseen . . . 

W, Haidinger, Naturwissenschaftliche Abhandlungen, durch 
Subseription . . A FERIEN. - 5 ae 

6. Versammlung am 2. Juni. 

A v, Morlot. Schichtenfolge von Teisendorf R 

F. R. v. Hauer. Petrefacten des Anninger Berges bei Mödling 

Dr, €. E. Hammerschmidt. Apparat für Mikroskopzeichnungen 

Dr. S. Reissek. Algensporen »- .  ...2.. Rs 

W. Haidinger, Metamorphose von Brauneisenstein zn Roth- 
eisenstein u. S. w. . - - R . s - 


7. Versammlune, am S. Juni. 


) 

Dr. €, E. Hammerschmidt. Hydrophane Conchylien-Zeichnungen 
=) 9 Neuer Käfer in Bernstein - . 
2” = Neue Eidechse aus Ungarn 

A. v. Morlot. Latente Metamorphose . . ; . 

Dr, L. K, Schmarda. Wirbellose Thiere in den venetianischen 
Lagunen und der Umgegend von Triest . . . . 

W. Haidinger, Pleochroismus des Amethysts BRERs 


8. Versammlung, am 15. Juni. 


Dr. Moriz Hörnes, Fossile Säugethiere des Wiener Beckens 

Prof. Leydolt Schriftgeanit DE 2.27 89 

Fr, Simony. Kalkhöhlenbildung - - LER 5 3L.: 

Dr. K. Langer Strukturverhältnisse der Knochen . . . 

Fr. R v. Hauer. Cephalopoden von Hallstatt aus der Sunm- 
lung des Fürsten von Metternich - . e . . 


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9. Versammlung, am 22. Juni. 


. General - Münz - Probirer A. Löwe, Analysen von Jamesonit 
und Berthierit . B s R ; z P ‘ 

Dr. Richard Comfort. Menschen-Racen - ‘ - - ß 

Dr. Hammerschmidt. Pflanzen - Zellenleben { S s . 


Dr. S. Reissek. Samenthierchen der Pflanzen . ‘ 
W. Haidinger. Prof. Zipser. Brand von Neusohl 
” 5 Versammlungen nie 
Aerzte und Naturforscher . . 
» Warrington W. Smyth. EN Geo- 
logische Karten der Landesaufnahme von Grossbritannien 
und Irland & » : E R x A n; 2 


10. Versammlung, am 30. Juni. 


V. Streffleur. Feuerbildungen auf der Erdoberfläche . . 


Dr. Hammerschmidt. Hartingers Farbendruck . . = 
es 55 Paradisus Vindobonensis . 
PR Eingeweidewürmer « « . s = 
Prof. A, Schrötter, Molecularzustände. Bohnenerz 
Arsenige Säure .  - F 


H , . 
Dr. & Botzenhart. Polarisationsbüschel am Quarz, RL: 29 


11. Versammlung , am 6. Juli. 


Dr. R, Comfort. Familie der Equide . . 020% 

Dr. S. Reissek. Zellnatur der Amylumkörner . . . 

Joh. Kudernatsch, Urweltliche Seen in Steiermark .- . 

Dr, v. Ferstl. Coralrag in Oesterreich . - > 

A, Löwe, Hrn, Bergrath Haidingers Bericht über den Hagel- 
sturm in Gratz vom 7, Uli . 2 2 0070208 


12. Versammlung, am 13. Juli. 


Joh, Czjzek, Bituminöses Holz des Wiener Beckens » . 
V, Streffleur. Ursachen der Fluss- und Meeresdurchbrüche 
Dr. M. Hörnes,. Struvit . = c - En 
Dr. R, Botzenhart. Grundgestalt des Rises Te Kr 

Dr, R. Comfort, Pferderacen EHE. er» 


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13. Versammlung am 20. Juli. 


. Joh. Kudernatsch, Bestimmung des Kohlengehaltes im 


Roheisen » . e - s ; s Fa 5 - 
Dr. R. Comfort. Eintheilung der Wissenschaften . 5 R 
V, Streffleur, Meeresströme und Salzgehalt des Meerwassers 


14. Versammlung, am 3. August. 


Dr. S. Reissek, Bau und Entwickelung des Getreidebrandes 
V, Streffleur. Veränderungen des Meeresniveaus + . 
Prof. F, Leydolt, Zwillinge des Ankerits °» . 
Dr. R. Comfort, System der. Wirbelthiere . . P 


15. Versammlung, am 10. August. 


Otto Freiherr v. Ilingenau, Geognostische Wahrnehmungen 
bei Tulleschitz - . . . er Er . I eo 
Dr. S. Reissek, Flora von Wien, von A, Neilreich . ° 


16. Versammlung, am 10. August. 


Dr..M. Hörnes. Mineraliensammlung der Frau Johanna, Edlen 
von Henikstein . . & Eine e “ h E 

Dr. H, M, Schmidt- Göbel, Dr. Helfer’s Sammlungen aus 
Vorder- und Hinter-Indien ON 5 

Dr. Hammerschmidt, C, Hellers Pflanzen-Sendung aus Mexico 

C. Rumler. Duenbostels Oehlpumpe - 


17. Versammlung, am 24. August. 


V, Streffleur. Theorien der Umbildung der Erdoberfläche 
Dr, Hammerschmidt. Ueber zwei wenig bekannte Thiere 


aus Mexico, das Coendu, und Manavier - . A . 
F. Ritter v. Hauer. Gebirgsschichten von Guttaring. und Alt- 
hofen 5 & A 5 » 


Prof. J. v, Pettko, Antike der eirektätien Eireiichaftent 
in die Mineralogie - a - 2 > 2 


18. Versammlung, am 31. August. 


Prof RB, Kner, Sepienschulpe aus dem Grauwackengebirge 
Prof, J, v, Pettko., Uebergänge trachytischer Gesteine . 


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Prof, J. v. Pettko. Basalt bei Kremnitz 
Fr Parallelepipedische Grundgestalten” . 


19. Versammlung, am 7. September. 


Dr. Moriz Hörnes, Tertiäre a bei Matters- 
dorf u. Ss. w . . . - 

K, Rumler. Rittingers Babohnpe ne Kolben 

F. R.v. Hauer. Caprinen der Gosauformation in Öbätkereich 


20. Versammlung, am 14. September. 


F. R. v. Hauer. J, R. v. Hauer und eig Die Forami- 
niferen des Wiener Beckens . . - A 
Dr. S. Reissek, Missbildung: des Maises 
> Zell- und Krystallbildung » 
Fr. Ritter v. Hauer. Naturwissenschaftliche Abhandlungen 
von W. Haidinger 


21. Versammlung, am 21. September. 


A. Edler v. Würth. Geognostische Verhältnisse von Parschlug 
Dr. R. Kner. Geognostlisches _aus Ost- Galizien . . - 
A,Patera. Reinhold Freih. v. Reichenbach. Ammoniakbildung 
F. R. v. Hauer. Monotis in den österreichischen Alpen 
Dr, Richard Comfort, Mineralsysteme N RR 


22. Versammlung, am 28. September. 


J. Barrande. Geologie und Paläontologie des mittleren Böhmens 
A Martin. Photographie auf Papier 4 s : 2 
Dr. M.! Hörnes, Grauwackenversteinerungen von Rittberg 


in Mähren . . . . . . ; 2 . R 
Dr. Hammersclimidt, Zehnte Versammlung deutscher Land- 
und Forstwirthe in Gratz . ; . 5 : e £ 

Dr. Reissek. Kartoffelfälle . .» R 
h> Der 21, Band der Aübandliden Feng kais. 


Leop.- Carol, Akademie, der Naturforscher 


23. Versammlung , am 5. October. 


Graf A. A. v. Keyserling. Aussia and the Ural Moun- 
tains etc. » = ® . . 2 e . . . i 
Dr, Hammerschmidt, Photographie, Daguerreotypie, Galva- 
noplastik - . 
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Fr. Ritter v. Hauer, Cephalopoden aus dem Bleiberger Mu- —_ 
schelmarmor . 174° 
24. Versammlung, am 15. October. 
Dr. S. Reissek, Die zwei neuen Kartoffelarten aus Neu- 
fundland 3 E . B 4 5 . 176 
<; Kleine Beiträge zur REN der In- 
fusions - Thierchen von Dr. Ludwig K. Schmarda . 0 
Dr. Hammerschmidt. Photographisches Bild . z R een 
4 Neperische Rechenstäbe . B ea RR 
Dr. 5 Schmarda. Adriatische Infusorien - Fauna . . »0.— 
Dr. F. Rossi.. Neue Arachniden - . 2 . 180 
J4 Se A, Patera und F. Markus, Explodirende Bach. 
wolle -- . ; ar . . ; : ; . . 182 
25. Versammlung, am 22. October. 
J. Czjzek. Neue Kundorte der fossilen Fauna im ungari- 
schen Becken - . - z A: 
Dr. M. Heider. Besondere ern Br Zahlen . . 186 
Dr. Hammerschmidt. Farbendruck . b R i ; AR 
= Typographie i h i : ; „18% 


26. Versammlung, am 29. October. 


Fr. Ritter v. Hauer, Versteinerungen von Dienten in Salzburg — 
Dr, S. Reissek. Entwickelungsgeschichte der Flachsfaser . 189 
Fr, Ritter v. Hauer, Reinhold Freiherr v. Reichenbach über 


den Ursprung der Ammoniaks -: 2.2.0... 190 
Prof. Schrötter. Kalkspathanalyse von Hrn. v, Siemianowsky 193 
Dr. Hammerschmidt, Oxyuris - Arten . ; Ä > 3 4194 


Il. Specielle Mittheilungen. 


Dr. S. Reissek, Ueber die Natur des kürzlich in Klein-Asien 
vom Himmel gefallenen Manna - . . 495 
ss Ueber den Mannaregen. (Nachtrag.) i -.200 
Franz Ritter v. Hauer. Ueber die bei der Bohrung des arte- 
sischen Brunnens im Bahnhofe der Wien-Raaber Eisen- 
bahn in Wien durchfahrenen Tertiär - Schichten . . 201 
Fr. Ritter v. Hauer. Ueber einen neuen Fundort tertiärer 
Fischreste bei Poresesd in Siebenbürgen - : - 206 


5. Hr. W, Haidinger, Ueber Hen, Friedrich Simony’s naturwissen- 
schaftliche Aufnahmen und Untersuchungen in den Al- 


6. 


7. 


pen des Salzkammergutes . . 


» Friedrich Simony, Ueber die Spuren der vorgecihietitilene 


Eiszeit im Salzkammergute 
I. Das todte Gebirge . 
U. Die Abrundung der Göbirgntheiie. 
Ill. Karrenfelder . & - - 2 
IV. Erratische Trümmer. Moränen . 
V. Gletscherschlie . - ... 
VI. Schluss . + e . 


» A. A. Graf v, Keyserling. ee Aber das Werk: 


Fussia and Ihe Ural Mountains 


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I. Versammlungs - Berichte, 


1. Versammlung, am 27. April 1846. 


Wiener Zeitung vom 6, Mai 1846. 


H.. Fr. Simony zeigte einer Anzahl von Freunden der 
Naturwissenschaften seine geistvollen Skizzen aus den 
Alpendes Salzkammergutes, deren Gegenstand in 
der Wiener Zeitung vom 24. April angedeutet wurde, und 
für welche hier die Aufmerksamkeit der verehrten Leser in 
Anspruch genommen werden soll. (Siehe Specielle Mitthei- 
lungen # 5.) 

Hr. Franz Ritter v. Hauer zeigte ein paläontologi- 
sches Schaustück aus dem k. k. Hof- Mineralien - Cabinette 
vor, — ein echantillon celebre, — welches schon in frü- 
heren Jahren vielfach die Aufmerksamkeit der Geognosten 
beschäftigt hatte, nähmlich die in dem rothen Marmor aus 
der Gegend von Hallstatt in einem Stücke zusammen 
vorkommenden zwey Versteinerungen, eines sechs Zoll lan- 
gen Orthoceratiten und eines vier und einen halben Zoll 
im Durchmesser haltenden Ammoniten, die man früher als 
bezeichnend für im Alter sehr weit von einander abstehende 
Gebirgsbildungen zu betrachten gewohnt war. L. v. Buch 
und Zippe, die bey ihrer Anwesenseit in Wien im Jahre 
1832 diese eigenthümliche Zusammenstellung sahen, glaub- 
ten daran eine künstliche Zusammenfügung zu erkennen. 
(v. Leonh. und Bronn. Jahrb. 1833 p. 188.) Letzterer hatte 
nähmlich den Mastixkitt an dem Stücke aufgefunden. Man 
beruhigte sich um desto leichter bey dieser Ansicht, als es 
dadurch möglich schien, einen in der Paläontologie durch 
lange Zeit als Axiom betrachteten Satz auch fernerhin auf- 
recht zu halten. Aber Hr. v. Hauer untersuchte das Stück 
kürzlich genauer, und da ergab es sich, dass zwar aller- 
dings der untere Theil des Orthoceratiten in Folge eines 
zufälligen Bruches mit Mastix angekittet war, und daher 


auch beym Erwärmen sich ablöste, der obere aber noch fest 
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I, 1 


Su 


damit verbunden blieb, und dass der Ammonit selbst mit 
dem Orthoceratiten unstreitig in einer und derselben Gebirgs- 
schiehte begraben, und beym alimähligen Festwerden des 
einst weichen Kalkschlammes nur auf natürlichem Wege 
zusammengefügt wurde. Grauer Marmor ist an dem Stücke 
nirgends zu sehen. Der Ammonit gehört nach v. Hauer 
einer noch unbeschriebenen Art aus der Familie der Arietes 
v. Buch an, einer Abtheilung, die man bisher nur im un- 
teren Lias fand. Der Orthoceratit ist als neue Species von 
Quenstedt beschrieben, und O. alveolaris benannt 
worden. Das erwähnte Stück liefert demnach immer noch . 
den vollgültigsten Beweis für das in der neueren Zeit auch 
von Bou&, Quenstedt u. a. bereits anerkannte Zusam- 
menvorkommen der genannten zwey Geschlechte in einer 
und derselben Gebirgsschichte. 

Herr Dr. S. Reissek erläuterte seine Beobachtungen 
und Versuche über den physiologischen Vorgang hey der 
Befruchtung des Pfianzenkeimes, die von ihm in 
der Abhandlung der Leopoldinisch - Carolinischen Akademie 
Bd. XXI. 2. 468. 1846 mitgetheilt wurden. Er begann mit 
dem schon von Herodot miigetheilten Verfahren der 
künstlichen Befruchtung der Dattelpalmen, der Befruchtung 
eines weiblichen Individuums einer Fächerpalme in Berlin 
durch ein männliches, das sich in Heidelberg befand, der 
Ansichten Linne’s, endlich der neuern Forschungen und 
Ansichten von A, Brown, Schleiden, Wydler, End- 
licher u. A. über die Verlängerung des in die Narbe ge- 
fallenen Blüthenstaubes, und die endliche Versetzung der 
Zelle. Dr. Reissek’s Versuche bezweckten eine künst- 
liche Versetzung der Pflanzenzellen, analog dem natürli- 
chen Vorgange. Samenstaub wurde in Blatisubstanz, in 
enizwey geschnittene Knollen gebracht, und überall ge- 
schah die dem Vorgange bey der Befruchtung entsprechende 
Zellenverlängerung, selbst bis zur Bildung neuer Zellen, 
wie sich diess durch das Erscheinen einer grünlichen Fär- 
bung am Ende der Verlängerung beurkundete. Der Vor- 
gang bietet im Ganzen allerdings 'keine genaue Analogie 
mit den Erfahrungen im Thierreiche dar. 

W. Haidinger. 


2, Versammlung, am 4. May. 
Wiener Zeitung von 12, Mai 1846, 


Hr. Bergrath Haidinger zeigte die merkwürdige 
Farbenvertheilung an den Krystallen des Cyanplatinmag- 
nesiums Pt6 Mg5 Cy1l, die ihm Herr Prof. Redten- 
bacher in Prag mitgetheilt hatte. Hr Quadrat hatte 
den Winter über in Redtenbacher's Laboratorio diese 
und mehrere ähnliche Verbindungen chemisch untersucht. 
Die zarten, rothen Krystalle, zwei Linien lang und '/; Linie 
dick oder noch kleiner, sind in Rosen gruppirt, die in ge- 
wissen Richtungen einen prachtvollen, metallähnlichen Glanz 
besitzen. Es sind quadratische Prismen, in der ‚Richtung 
der Axe karminroth, senkrecht darauf blutroth durchsich- 
tig. Die Farben sind im polarisirten Lichte der dichrosko- 
pischen Lonpe leicht zu trennen. Die Seitenflächen des 
Prismas zeigen durch Reflex ein prachtvolles grünes Metall- 
bronce, die Endfläche ein eben so prachtvolles, dunkles 
Lasurblau. Bey der Stellung der Krystallaxe und der 
dichroskopischen Loupe in einer Ebene geht alles mit Glas- 
glanz zurückgeworfene Licht durch das ordinäre, alles mit 
Metallglanz zurückgeworfene durch das extraordinäre Bild 
der Letztern. Es ist also alles zurückgeworfene Licht ge- 
radlinig aber entgegengesetzt polarisirt. Mehr in das Ein- 
zelne gehende Angaben sind einer ausführlicheren Akhand- 
lung vorbehalten. 

Nach der von Hrn. Professor Gottlieb bei seiner 
Durchreise erhaltenen Mittheilung ist die Auflösung des ro- 
then, grünlich goldglänzeuden Salzes in Wasser farblos, 
Diess ist wohl eine Collectivwirkung der kleinsten Theil- 
chen von Roth und Grün. Auf einer vollkommen glatten 
Spiegelfläche mit einem glatten Messer zerdrückt, erhält 
man ein karminrothes Pulver, spiegelglatt aufgestrichen. 
Die glatte Fläche gibt in der dichroskopischen Loupe das 
Lasurblaue im untern Bilde, kein Grün. Mit etwas Wasser 
befeuchtet, verschwindet jede Farbe alsobald. Nach der 
Verdunstung hat sich eine glänzend metallischgrüne Schichte 
gebildet, dıe beim durchfallenden Lichte karminroth ist. Im 

2° 


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Dichroskop ist das obere Bild geblichgrün, das untere blau- 
lichgrün metallisch glänzend. 

Dieses Vorkommen der metallischen und der nicht me- 
tallischen Farben, durch die Untersuchung im polarisirten 
Lichte nach senkrecht auf einander stehenden Richtungen 
orientirt, bildet eine ganz neue Classe von optischen Er- 
scheinungen; es ist ein wahrer Dichroismus der Ober- 
fläche durch Reflexion, ähnlich den Erscheinungen, 
welche man bisher am durchgelassenen Lichte beobachtet hat. 

Hr. Friedr. Simony hielt einen Vortrag über die 
Spuren der vorgeschichtlichen Gleischerausdehnung im 
Salzkammergute, in welchem er zuerst aus {den verschie- 
denen Abrundungen der Oberfläche des Dachstein-, Priel- 
und Höllengebirges, die innerhalb ziemlich scharfer Grän- 
zen des Terrains bis zu einem gewissen Höhen-Niveau auf- 
wärts und bis zu einer bestimmten ‚Erstreckung abwärts 
verfolgt werden können; dann aus den Karrenfeldern, bei 
deren näheren Beschreibung er nachwies, dass sie nicht 
durch Regen oder durch die Schmelzwässer des Winter- 
schnees, sondern bloss durch die mit Moränenschntt, als 
einem starken Reibungs - und Schliffmaterial gemengten 
Schmelzwässer mächtig aufgelagerter Gletscher gebildet 
worden sein konnten; und endlich aus den erratischen Geschie- 
ben und deutlichen Moränen, welche zerstreut in dem ganzen 
Gebirge vorkommen, den Beweis stellt, dass die genannten 
Gebirge sämmtlich von grossen Gletschern überdeckt waren, 
welche sich mindestens bis in die angrenzenden Hanuptthäler 
erstreckt hatten. Alle erwähnten Erscheinungen wurden von 
Simony zugleich durch eine gauze Reihe sehr genauer von 
ihm selbst an Ort und Stelle aufgenommenen Handzeich- 
nungen anschaulich nachgewiesen. Die Publication des gan- 
zen von ihm gehaltenen Vortrages erfolgt gegenwärtig in den 
Blättern dieser Zeitung. (Siehe Specielle Mittheilungen J%6.) 

Brandisit, eine neue Mineralspecies. Herr 
Bau-Directions-Adjunet Liebener, in Innsbruck , hatte 
ein glimmerähnliches Mineral vom Monzoniberge im Fassa- 
thal, wo es mit Pieonast zusammen vorkommt, an Hrn. 
Bergrath Haidinger mit dem Bemerken eingeschickt, dass 
es sich ungeachtet dieser Aehnlichkeit von dem Glimmer 


_ En 
wesentlich unterscheide. Eingeladen, da er doch die speci- 
fische Selbstständigkeit erkannt, auch einen Nahmen vor- 
zuschlagen, gab Liebener den Nahmen Brandisit, Sr. 
Exc. dem vielverdienten Herrn Landes - Gouverneur von 
Tyrol, Clemens Grafen von Brandis zu Ehren, Während 
der Zeit hatte der Mineralienhändler Augustin ähnliche 
Stücke nach Freiberg gebracht, und Hr. Prof. Breithaupt 
gab der Species den Nahmen Disterrit von unbekann- 
ter Etymologie. Auf eine Anfrage antwortete dieser Hrn. 
Haidinger mit dem Wunsche der Beibehaltung des letz- 
teren Nahmens, weil er längst den Personennahmen abhold 
sei. Nur die Nahen nach verstorbenen Männern der Wis- 
senschaft sollten als Denkmahle gelten. Doch bleibt Herr 
Prof. Breithaupt bei dieser Ansicht ziemlich allein, und 
alle übrigen Mineralogen stimmen in der Praxis überein, 
durch die Nahmen die Zeit des Fortschrittes der Wissen- 
schaft zu bezeichnen. Das Denkmahl ehrt den, dem es ge- 
setzt wird, aber auch den der es setzt. Die Wahl des Nahmens 
kann also nicht zweifelhaft bleiben, und Bergrath Haidin- 
ger glaubt, dass man diese interessante Tyroler Mineral- 
species gerne mit Liebeners Nahmen Brandisit in die 
Systeme einführen wird. 

Die Formen des Brandisites sind regelmässige sechssei- 
tige Prismen, des rhomboedrischen Krystallsystems. Theil- 
barkeit nach der Endfläche. Perlmutterglanz und Glasglanz, 
auf den End- und den Seitenflächen; Farbe lauchgrün, bis ins 
röthlichgraue. Optisch einaxig. Dichromatisch, Basis lauch- 
grün, Axe leberbraun. Härte = 45, zwischen Fluss und 
Apatit. Gewicht = 3.015 ... 3.062 v. Hauer. Dünne Blätt- 
chen nicht biegsam, nicht elastisch. 

Vor dem Löthrehre Reaction auf Kieselsäure, Thonerde, 
Eisen. 

Herr General - Landes - und Haupt - Münzprobirer, A. 
Löwe, ist mit einer Analyse des Brandisits beschäftiget. 

Herr Prof. Breithaupt ist im Begriffe ehestens fol- 
gende neue Mineralspecies bekannt zu machen: 1) Plinian, 
ein Arsenikkies von Ehrenfriedersdorf in Sachsen; 2) Spi- 
nellus superius, eine Eisen-und Zinkspinellart vos Boden- 
mais in Baiern; 3) Zygadit, von Andreasberg am Harz, 


u. 


mit dem Stilbit vorkommend, und dem Heulandit ähnlich, 
aber härter; 4) Konichalzit, ein vanadinhältiger Ku- 
pfer- und Kalk - Malachit aus Spanien ; 5) und 6) Kastor 
und Follux von Elba. Wasserhell wie Quarz, und dem- 
. selben auch in der Form ähnlich, obwohl sie augitisch ist. 
Sie enthalten Kieselerde und mehr oder weniger Thonerde 
und Lithion. 7) Siderodot, ein kalkhaltiger Spatheisen- 
stein, Gewicht =3.41 von Radstadt in Salzburg. 

Hr. Adolph Patera theilte vorläufig die Resultate 
einer chemischen Untersuchung des Korallenerzes von Idria 
mit, die er im Laboratorio des k.k. General-Land- und Haupt- 
Münz - Probiramtes machte. Bekanntlich betrachten einige 
Mineralogen die Varietäten desselben als blosse Concretio- 
nen oder concentrisch-schalige Absonderungen, wie Reuss, 
Haüy, der jedoch auch die entgegengesetzte Meinung an- 
führt , ohne sie zu bestreiten, Blumenbach und Haus- 
mann, Mohs dagegen, Brochant, Haidinger, be- 
trachten sie als Anhäufungen von Conchylienresten. Letz- 
terer hatte den Namen Hipponyx auf die patellenähnlichen 
Schalen bezogen, in dem „Berichte über die Mineralien- 
sammlung der k. k. Hofkammer im Münz - und Bergwesen.“ 
Patera führte zweierlei Formen von Schalen an, die sich 
jedoch durch ihre Dicke von allen verwandten Gasteropoden 
generisch unterscheiden, auch Bivalvenreste. Es kommen 
indessen auch, neben den fossilen Resten noch wirkliche 
Coneretionen vor, Bein ausgeschiedene Schalen erlitten ei- 
nige 30 pCt. Glühverlust. Die weissgehrannten Schalen aber 
gaben in einer qualitativen Analyse Kieselsäure, Thonerde, 
Phosphorsäure , Kalkerde und Fluor. Die Ermittelung des 
quantitativen Verhältnisses dieser Bestandtheile, soll Gegen- 
stand einer späteren Mittheilung werden. 

Die grosse Menge der in den Schalen enthaltenen Phos- 
phorsäure ist höchst merkwürdig. Berthier führt bereits 
eine Analyse mit folgenden Verhältnissen an: Fluophosphat 
von Kalk 40.0, kohlensaurer Kalk 7.0, kohlensaure Magnesia 
5:5, Thon 38.5, Kohle 2.0, Wasser und Bitumen 7.0. Sie 
bezog sich aber nicht auf die Schalen, sondern auf ganze 
Stücke des Korallenerzes. 


= 


Herr Bergrath Haidinger theilte einige Bemerkungen 
über denPeriklin mit, denerals Varietätdes Albits 
bezeichnet. Er hatte ihn mitMohs zuerst von demselben und 
den Feldspathen überhaupt unterschieden. Breithanpt gab 
ihm den Nahmen. Gustav Rose betrachtete ihn immer 
als Albit. Haidinger zeigte mehrere Albite, die mit Adu- 
larkrystallen besetzt waren, eben so Feldspathkrystalle von 
geringern Durchsichtigkeitsgraden, mit Albit besetzt, Alles 
in möglichst paralleler Steilung. Erstere waren von Pfitsch 
in Ty go; letztere vom Cavalierberg bei Hirschberg in Schle- 
sien. Er nimmt an, dass in der Bildung dieser Kıystalle ZU- 
erst eine Verbindung von Natron - und Kalifeldspath krystal- 
lisirte , die beyde auf die Form Einfluss nahmen, dass aber 
später, indem die Gesteine selbst in verändertem Verhält- 
nisse sich befanden, auch der mindere Antheil der Mischung 
sich aus den Krystallen herauszog, und öfters an der Ober- 
fläche sich wieder ansetzte. Nach Thaulow enthält der 
Periklin vom St Gotthard bloss Natron, gar kein Kali. In 
dem Fortgange der Metamorphose bleibt in den Graniten 
Kalifeldspath noch zuletzt mit zweiaxigem Kaliglimmer und 
Quarz übrig. Albit oder Natronfeldspath kommt nach G u- 
stav Rose ausschliesslich auf Gängen vor. Eine ausführ- 
lichere Abhandlung über diesen Gegenstand wird in Po«- 
gendorff's Annalen erscheinen. (Bd. LXVIH. p. 471.) 


3. Versammlung, am 11. Mai. 
Wiener Zeitung vom 16, Mai 1846, 


Hr. Friedrich Simony reihte an seinen am 4. Mai 
abgehaltenen Vertrag über die Spuren ‘der vorge- 
Behrentisehen Eiszeit im Salzkammergute 
einen zweiten über die Verhältnisse der gegenwär- 
tigen Gletscher auf dem Dachsteinzebirge 
an. Zuerst gab er eine gedrängte Verse der 
Gestaltung” und Ausdehnune des Terrains der drei 
Gletscherpartien, des grossen Dre® Eisfeldes, des 
todten Schnees und des Gosau-Gletschers, de- 
ren Gesammtllächenraum er auf nahe 3000 Joch bestimmt. 


el 


Die Entstehung und Fortbildung der Dachstein- 
Gletscher leitet er von den grossen Flächen ab, welche um 
die höchsten Zinnen des Gebirges in und über der ewigen 
Schneegränze liegen, vorzüglich hebt er als für die Glet- 
scherbildung besonders günstig die an der Ostseite des ho- 
hen Dachsteins gelegenen, von diesem terassenförmig ab- 
steigenden, weitausgedehnten Stufen des Gebirgsplateaus, 
wovon die höchste in einem Niveau von 8100‘ über dem Mee- 
re allein über 400 Joch Flächenraum fasst, heraus. Hierauf 
beschrieb er die verschiedenen Aggregatstufen der 
Gletschermassen, den Hochschnee,, Firn, das Halbeis 
und endlich das compacte Gletschereis, und erwähnte den 
Prozess, durch welchen die erste der Aggregatformen all- 
mählig bis in die letzte übergeht. Die deutlich unterscheid- 
baren, verschieden mächtigen, mit der Oberfläche paralle- 
len Schichten des Firns, die alljährigen Ueberbleibsel 
des niedergefallenen und unvollständig abgeschmolzenen 
Schnees, das Nichtabschmelzen der Firnmassen an ihrer un- 
tern Fläche und das Verharren oder doch nur verhältniss- 
mässig geringe Anwachsen der Mächtigkeit der Firnmassen 
geben ihm den Beweis, dass alle Firnfelder,. ihre Un- 
terlage möge eine noch so geringe Neiguug haben, entwe- 
der durch Eigenschwere, oder Seitendruck fortwährend 
(d. h. Sommer und Winter) nach abwärts gedrängt 
werden, weil sonst, wenn diess nicht der Fall wäre, die 
Firnfelder in einem Jahrhundert um mehrere hundert Fuss 
in senkrechter Mächtigkeit zunehmen müssten. Von der ver- 
schiedenen Höhen-, Breiten- und Längenausdehnung, so 
wie von dem durch die grössere oder geringere Neigung der 
Unterlage bedingten schnelleren oder langsameren Abwärts- 
rücken der Firn- und Hochschneemassen, und endlich von 
der Gestaltung des unter derFirnlinie (durchschnittlich 7500° 
über dem Meere) gelegenen Terrains leitet Simony das 
Vorhanden- oder Nichtvorhandenseyn des eigentlichen Glet- 
schereises, die verschiedenen Verhältnisse seiner Ausdeh- 
nung, seiner Erstreckung in verschiedene Niveaus, seines 
jährlichen Vorrückens oder Zurückziehens und seines all- 
mähligen Anwachsens oder Abnehmens ab. Hierauf be- 
sprach er die verschiedenen Formen der Zerklüftung 


Bee a 


und Trümmerung im Firn und Eis, und gab den Un- 
terschied zwischen Firn- und Eisschründen vorzüglich da- 
hin an, dass die Ersteren parallele, die Letzieren keil- 
förmig zusammenstossende Wände zeigen, was auf ganz 
verschiedene Ursachen der Entstehung hindeutet. Als ein 
beinahe allgemeines Gesetz stellte er auf, dass sowohl 
Firn- als Eisklüfte die Abdachungslipie ihrer Massen quer 
durchschneiden, dass, wo ein Gletscher- oder Firnstrom 
ohne seitliche Hindernisse oder Einwirkungen gerade ab- 
wärts zu rücken vermag, er nach der Stärke der Abda- 
chung seiner Unterlage in grösseren oder kleineren Zwi- 
schenräumen parallel zerklüftet, wo dagegen jene Statt 
finden , die Zerklüftung unregelmässig und verworren wird, 
oft ganz in Trümmerung übergeht. Als eine auffallende Er- 
scheinung erwähnte er die kraterförmigen oft 100 Fuss 
im Durchmesser haltenden Schlünde und Kessel mit- 
ten in den Firn-Ebenen, die das Merkwürdige an sich 
haben, dass sie alljährlich auf denselben Stellen verharren, 
und für die es noch keine genügende Erklärung gibt; fer- 
ner beschrieb er die auf dem Carls-Eisfelde und dem tod- 
ten Schnee sich vorfindenden Katarakten, in der Masse 
des Gletschers, welche die Bildung von Karrenbrun- 
nen veranlassen und die durch das Zusammentreffen einer 
obern und untern Kluft entstehen. In Beziehung auf die 
Bewegung der Gletscher legt er auf die Theorie 
Saussure’s, nach welcher sich die Firn - und Eismassen 
bloss nach dem Gesetze der Schwere abwärts be- 
wegen, mehr Gewicht als auf die neuere Annahme eines 
innern Wachsens und Ausdehnens der Firn - und Eismas- 
sen. Dann gab er die von alten Aelplern seit 50 Jahren so 
wie seine eigenen seit vier Jahren gemachten Beobach- 
tungen über das Wachsen der Dachsteingletscher 
an, nach welchen vorzüglich die unterste Terasse des 
Carls-Eisfeldes unausgesetzt alljährig um einige Fuss vor- 
rückt und auch in ihrer Höhe immer mehr anschwillt. 

Nach Simony’s Meinung dürfte der Hallstätter Glet- 
scher sobald er den etwa 10 Klafter hohen Felswall, der 
ihn an seinem Abschwung umschliesst, und an dem er jetzt 
schon langsam aufwärts rückt, erstiegen hat, höchstens 


= 70 = 


nur noch einige Decennien brauchen, um wieder das drei 
viertel Stunden entfernte Taubenkar, welches die deut- 
lichsten Spuren eines schon früher vorhandenen Gletschers 
zeigt, zu erreichen und nach und nach mit seinen Eislasten 
auszufüllen. Schliesslich führte er noch die Sage von 
der „verwunschenen Alm“ an, nach welcher da, wo 
jetzt der Hallstätter Gletscher seine mächtigen Eisströme 
ausbreitet, eine üppige Alpe gelegen haben soll, und er- 
wähnte zugleich der gleichlautenden Sagen die von dem 
Folgefonden und Snöhettan in Norwegen, von dem ewigen 
Schneeberg im Salzburgischen und von mehreren Gletschern 
der Schweiz und Tirols, welche Sagen als die Nachklänge 
einer Tradition aus fernen, doch historischen Zeiten erschei- 
nen, in welchen die Gletscher Europas (ob an allen Orten 
gleichzeitig?) eine weit geringere Ausdehnung hatten, als 
gegenwärtig. Diese Tradition wird dadurch wichtig, dass 
sie zwischen der Periode der nun aus vieien bereits beob- 
achteten Thatsachen nachweislichen grossen Gletscheraus- 
dehnung und der jetzigen des gemässigten Klimas in unsern 
Ländern eine wärmere Epoche, und somit schon einen 
dreifachen Wechsel der Temperatur-Verhält- 
nisse in unserem Welttheilnur seit jener Zeit, 
wo das Festland Europas seine jüngste, seine 
segenwärtige Gestalt bereits vollständig an- 
genommen hatte, vermuthen lässt. 

Hr. J. C2jäZek zeigte eine topographische Karte der 
nächsten Umgebung von Wien, nach seinen eige- 
nen Beobachtungen und Untersuchungen geognostisch 
illuminirt. Bekanntlich haben wir bisher noch keine Karte die- 
ser Art, indem die von Partsch, in Wien, bei Heubner 1845 
erschienene, nicht so viel Detail der einzelnen Schichten ent- 
hält. Hr. C2jZek hatte damit begonnen, für das k. k. Oberst- 
Jägermeisteramt die Schichten der Kalk- und Sandsteine, 
sammt den sie umgebenden neuern Ablagerungen in den 
östlichen Ausläufern der Alpen auf das Genaueste zn stu- 
diren. Herr Bergrath Haidinger veranlasste ihn , das 
Gemälde der ganzen Umgegend Wiens, mit einem Radius 
von drei bis vier Meilen, durch eine eben so ins Einzelne 
gehende Uutersuchung zu ergänzen. Die mitgetheilte Karte 


— 


ist nun das Resultat seiner Arbeit, ein langjähriges Deside- 
rat für die Umgebungen unserer Residenz, zu einer Zeit, 
wo längst andere Städte dergleichen Nachweise nicht mehr 
entbehren. Wenn auch noch erst Manusecript, lässt sich 
nicht zweifeln, dass bei der von dem Verfasser beabsich- 
tigten Subscriptien zur Herausgabe der Karte sich auch eine 
angemessene Theilnahme des Publicums ergeben wird. Herr 
CzäjzZek fand durchgängig die Schichten des Wiener-Sand- 
steines unter die Kalksteine einfallend. Von den Tertiär- und 
neueren Schichten sind folgende durch eigene Farben unter- 
schieden: 1) Tegel. 2) Sandstein und Cerithienkalk. 3) Sand 
mit Tegellagen und Schotter. 4) Leithakalk. 5) Conglomerat. 
6) Quarz- und Urfelsgeröll mit Sandlagen. 7) Süsswasser- 
kalk. 8) Löss 9) Oberer Schotter von Wiener-Sandsteinge- 
schieben. 10) Die Fluss-Alluvionen. Dazu kommen noch die 
erratischen Blöcke in der Nachbarschaft von Sieghartskir- 
chen und Königstetten, die Kalktuffe, so wie die Vorkom- 
men oder Spuren von Braunkohlen und Alpenkohlen, die 
letztern unter dem Kalksteine und über dem Wiener Sand- 
steine. Diese detaillirte Ausführung gibt der Karte einen bke- 
sondern Werth durch die innige Beziehung des thonigen, 
sandigen, schotterigen u. a. Untergrundes zn einer land- 
wirthschaftlichen Benützung, 


4. Versammlung , am 18. Mai, 
Wiener Zeitung vom 23. Mai 1846, 


Herr A. Löwe, k. k. General-Land- und Hauptmünz- 
Probirer , theilte die Resultate einer chemisch - analyti- 
schen Untersuchung des Kupfererzes von Agordo 
im Venetianischen, und einiger davon abhängigen Hütten- 
‚ praducte , insbesondere der sogenannten Tazzoni, mit, 
welche im vorigen Jahre der k. k. Bergpractikant , Hr. 
Marcus Lipold, gegenwärtig in Bleiberg in Kärnthen, 
im Laboratorium des k. k. General-Land- und Hauptmünz- 
Probiramtes unter Löwe's Leitung angestellt hatte. Das 
Erz selbst wurde aus nahe 2 Atomen Kupferkies mit 3 Ato- 


5 > ’ Uli Ai 
men Schwefelkies, di. 2(Cu + Fe) +3Fe zusammenge- 


BE | 


setzt gefunden. Wird dasselbe im Verlaufe des Hütten- 
prozesses geröstet, so bildet sich im Innern der Erzstücke 
ein Kern (Tazzone) von Schwefelmetallen und die äusere 
Hülle, welche den Schwefel verloren hat, wird oxydirt. 
Die damit angestellten Analysen zeigten, dass die Schale 
der Hauptsache nach Eisenoxyd ist, worin sich noch et- 
was Schwefelkupfer nebst schwefe!lsaurem Kupferoxyd und 
schwefelsaurem Eisenoxydul vorfindet; wesshalb auch die 
Schale von dem gerösteten Erze abgeschlagen und im 
Wasser ausgelaugt wird, theils um das darin befindliche 
Kupfer durch hineingelegtes Eisen als Cementkupfer zu fäl- 
len, theils um Eisenvitriol zu erzeugen. Der Kern muss in ei- 
nem erweichten Zustande sich in die Mitte der umgeben- 
den Schale zusammengezogen haben und zeigt nun eine dem 
Buntkupfererze ähnliche Beschaffenheit. Die Analyse 
lieferte indessen etwas abweichende Zahlenresultate, nah- 
mentlich mehr Schwefel und Eisen, die Berechnung führte zu 
der Formel 2 Cu +3 fe, die eine Verbindung von 2 Ato- 
men Schwefelkupfer mit 3 Atomen Einfachschwefeleisen 
darstellt 

Herr Dr. Reissek gab über eine eigenthümliche 
Pflanzenbildung Nachricht, welche in diesem Augen- 
blicke im k. k. botanischen Garten zu Wien von Jeder- 
mann beobachtet werden kann. Seit mehreren Jahren be- 
findet sich daselbst ein Strauch des gemeinen Goldregens 
(Cytisus Laburnim), einer Pflanze, welche jetzt überall 
in Gärten und Parkanlagen blüht, und goldgelbe Blüthen 
in langen herabhängenden Trauben besitzt. Der in Sprache 
stehende Strauch trug bisher immer gelbe Blüthen. Heuer 
zeigten sich plötzlich auf einigen Aesten gelbe, auf an- 
dern rothe Blüthen, und sogar auf demselben Aste in 
der Tiefe gelbe, höher rothe Blüthen, so wie in einer und 
derselben Traube hie und da gelbe und rothe Blüthen. Die 
rothblühenden Aeste waren vollkommen gleich mit der 
rothblühenden Varietät des Goldregens (C. Adami). Die- 
ses Verhältniss an und für sich schon höchst auffallend, 
wurde jedoch an Merkwürdigkeit weit übertroffen von 
einem andern. Es zeigte sich nähmlich an einem gelbbtü- 
thigen Aste des Strauches ein Zweig ganz übereinstim- 


ae WE 


mend mit Cylisus purpureus, einer schr abweichend ge- 
bildeten Pflanze, welche nur fusshoch ist und einzeln ste- 
hende rothe Blüthen zwischen kleinen Blättern trägt. Dr. 
Reissek bezeichnete diese Erscheinung als eine der lehr- 
reichsten und seltensten, wovon dıe Wissenschaft bis jetzt 
kein ähnliches Beispiel kennt. Zugleich wurden lebende 
Exemplare vorgezeigt. 

Herr Dr. Reissek zeigte hierauf Abbildungen 
kranker Kartoffeln aus den verschiedenen Stadien 
vor, und erläutete dieselben mit Hinweisung auf seine frü- 
heren ausführlichen, über dieselbe Krankheit zum Theil in der 
Wiener Zeitung gegebenen Mittheilungen. Das Resultat seiner 
mehr als halbjährigen Untersuchungen über diesen Gegen- 
stand ist: Dass die Kartoffelkrankheit eine einfache Fäule 
sei, welche in ihren organischen Metamorphosen wesent- 
lich mit der Fäule bei Aepfeln, Rüben, Kohl, Artischoken, 
überhaupt mit jeder Pilanzenfäule übereinstimmt. Von einem 
eontagiösen und seuchenartigen Charakter des Uebels kann 
keine Rede sein. Die Fäule war vorübergehend, sie wird 
sich in gewissen Jahren bei eintretenden gleich ungünsti- 
gen atmosphärischen Einflüssen, ‚wie die des vorigen Jah- 
res, wiederhohlen, eine Fortpflanzung des Uebels aber 
durch Ansteckung und eine allgemeine Degeneration der 
Kartoffel sei nicht zu befürchten. So weit seine jetzigen 
Beobachtungen und Versuche reichen, entstehen aus kranken 
Kartoffeln unter günstigen Verhältnissen ‚doch wieder ge- 
sunde, so ungefähr, wie sich aus einem, wenn gleich an- 
gefaulten Kohlkopfe Samen entwickeln, welche gesunde 
Pflanzen erzeugen. Schliesslich versprach derselbe die zahl- 
reichen über den Gegenstand von ihm entworfenen mikros- 
kopischen Analysen und Zeichnungen nach ihrer Vollendung 
vorzuzeigen und zu erläutern. 

Herr Friedrich Simony legte seine Tiefen-, 
Durehschnitts- und Perspeetiv-Karten Se HR 
stätter See cin Oberösterreich) vor und erläuterte diesel- 
ben durch eine Darlegung aller interessanten Ergebnisse 
seiner auf demselben vorgenommenen zahlreichen Messun- 
gen und Sondirungen. Hier folgt im Auszuge das Wesent- 
lichste seiner Mittheilungen : Der Hallstätter-See, zwei 


= DE 


Stunden südlich von Ischl gelegen , hat eine Länge von 
4370 W. Kl.;, seine grösste Breite (rechtwinklig durch 
die gewundene Längenlinie gemessen) beträgt 770 Kl.; 
seine mittlere Breite, aus dem Flächenraume und der 
Länge berechnet, 552,5 Kl. (die in den topogr. Werken an- 
gebene grösste Breite von 1120 W. Kl. ist nicht als wahre 
Breite zu betrachten , da sie die natürliche Windung des 
Beckens in einer Diagonale schneidet); der Flächenraum 
bei mittlerem Wasserstand beträgt 1509 Joch oder 2.414.400 
Quadrat Kl.; seine grösste Tiefe 66 Kl. (nicht 105 Kl. 
wie häufig angegeben wurde.) 

Das Verhältniss der grössten Tiefe zur Länge ist 1:662. 

Das Verhältniss der grössten Tiefe zur mittleren Breite 
1:8,37. 

In Uebereinstimmung mit den steilen Ufern und Abfäl- 
len der Gebirge, die den See umschliessen, zeigen sich 
auch die Seiten des Beckens fast durchgängig steil 
niedergehend, nicht selten seukrechte Wände von 20 
bis 50 Klaftern Höhe bildend. 

Dagegen ist der eigentliche Boden desselben kei- 
neswegs, wie man sich gewöhnlich vorstellte, ein unregel- 
mässiges Chaos von Gräben, Dümpfeln, Hügeln und Trüm- 
mer-Haufwerk , sondern eine beinahe ‚regelmässige 
Ebene, welche in der Gegend der grössten Tiefe (zwi- 
schen dem sogenannten „Pfaffengfäll“und Weergra- 
ben) nach einer Ausdehnung von 300 Kl. Länge und bei- 
nahe eben so viel Breite vollkommen horizontal ist , von 
da in der Längenerstreckung nach Süden, gegen die Ein- 
mündung der Traun zu Anfangs kaum merklich, dann aber 
allmählig stärker ansteigt bis zu dem Punkte, der nur noch 
49 Kl. tief unter dem Wasserspiegel und 200 Kl. einwärts 
vom Anfange des Sees liegt, von welchem aus sich dann 
das Schuttgehänge der Traun plötzlich steil — in einem 
Winkel von 30° gegen die Mündung des Flusses erhebt. 
In dem nördlichen Längenverlauf steigt diese Ebene von 
der tiefsten Stelle aus etwas rascher und in einer viel kür- 
zeren Strecke zu der durch die Schuttablagerung der Gosau 
hervorgebrachten Verengerung des Beckens bis zu 16 Kl. 


ur 


unter dem Wasserspiegel, fällt dann, aber nur langsam, in 
der untern Hälfte des Sees nach dessen Mitte bis zu 24 
Kl. ohne jedoch nochmahls jene wagrechte Flächung zu 
erreichen und steigt endlich, in eine unregelmässig gerun- 
dete Beckenform sich zusammen ziehend nach dem untern 
See-Ende zur Ausmündung der Traun rasch auf. 

Folgende Tabelle der in der gekrümmten Längenlinie 
des Sces nach Abständen von 200 Kl. von Simony un- 
ternommenen Sondirungen versinnlicht ziemlich deutlich die 
Form des Längendurchschnittes des ganzen Was- 
serbeckens. 


Entfernung von der Ein- Senkrechte Tiefendifferenz 
mündung der Traun ab- Tiefe der Horizontal- 
wärts, abstände. 
a A en es 
WO Kl. . . » Bazla., 5'/, Kl. 
600 Kl., eechen den Shlinen- je 
amt und dem Grubkreuz. . 57° „ | 2'/, Kl 


ERROR RR RT 1 


1000 Kl., zwischen dem Mühl- 
bach im Markte und Grub. 62  ,„ 


BE U NEED TR RENT, 


HIIELIS  sunn er Ba U 57 


1600 Kl., zwischen dem Hunds- 
ort und Weergraben . . 66 „= 


| 
| 
| 
| 
a. 00. olmiaait aunh. cni-bER MR) 
24, arms ana 
en a han Ron 
ER LÄIEN oh un nn ug una 
PER LA ENLUE BUNEHENHERENERUMERT?: ia 
en ee: h 


= Win 


Zwischen 2500 und 3000 Kl. nächst der Gosaumühle, 
liegt die grösste Verengerung des Sees, in welcher der 
Letztere nur eine Tiefe von 16 Kl. behält. 


Entfernung von der Ein- Senkrechte Tiefendifferenz 

mündung der Traun ab- Tiefe. der Horizontal- 
wärts. abstände. 

SBOBERFa era 7eih m 119 U | Kl 

3200 Kl. 23 r 


A UTRSER. a 
Zwischen 3200 und 2400 K]. fällt die tiefste Stelle des 

untern Sees = 24KIl. 

EIER EEE TE 

SEE ah irn 5 Mi. 
Zwischen 3600 und 3800 Kl. ist noch eine Vertiefung 

von 20'/, Kl. 

SENFER er ns re IE 

Der ei 


21 8: ee 16 Kl. 


Die weitere Länge bis zu 4370 Kl., d. h. bis zum Aus- 
lauf der Traun, ist bloss durch die Klausbauten unter Was- 
ser gesetztes Wiesenland, dessen Fläche kaum einige Fuss 
unter dem Wasserspiegel liegt. Nur die Traun durchschnei- 
det die Untiefe in Form eines 2 Klafter tiefen Grabens. 

Als besonders beachtenswerth hebt Simony die in das 
Becken vortretenden, zuerst in einen Winkel von 30—35° 
abfallenden, dann aber sich allmählig immer mehr verflä- 
chenden Schuttablagerungen der Traun, des 
Waldbachs, des Mühlbachs, der Gosau und des 
Zlianbaches hervor, welche das Becken des Sees fort- 
während verkleinern, und in dem Verlaufe von einigen 
tausend Jahren vollständig ausfüllen werden, und zwar mit 
dem Schutte der verschiedenen Formationen des Ausseer, 
Hallstätter und Gosauer Bezirkes. Eben diese 
Schuttablagerungen weisen nach, wie sich in einem ver- 
hältnissmässig kleinen Raum, wie dem des Haillstätter Sees, 
Schichten verschiedener Verflächung , verschiedener For-. 
mation, und auch mit sehr verschiedenem Korn der Men- 
gungsbestandtheile durch ruhige Ablagerung allmählig bil- 
den können. 


tı Ku 


Et. 5 


Hr. Simony beabsichtigt eine ähnliche Aufnahme 
aller Seen des Salzkammergutes, und auf die Grundlage 
der zu erhaltenden Resultate, eine specielle Darlegung 
der verschiedenen Verhältnisse der gegenwärtigen Ablage- 
rungen in den Alpenseebecken, so wie eine Parallelisirung 
derselben mit analogen Gebilden der älteren Formationen 
der Alpen. 

Herr Dr. Ludwig K. Schmarda theilte mehrere 
neue Beobachtungen über den Einfluss des Lichtes 
auf die Infusionsthierchen mit. Mehrere derselben 
machte er in den medicinisechen Jahrbüchern des Oesterrei- 
chischen Kaiserstaates, 1845, Heft XII, bekannt. Er gab 
zuerst eine gedrängte Uebersicht der älteren Beobachtun- 
gen von Priestley, Ingenhouss, ®. Fr. Müller, 
Treviranus, Du Fray, Gruithuisen, Schweigger, 
Lorent; erwähnte hierauf die vonMorren, Dutrochet, 
Kützing, Carus, Ehrenberg, Pechy und Tell- 
kampf, so wie derjenigen, welche er selbst in den medi- 
einischen Jahrbüchern des Oesterreichischen Kaiserstaates 
(1845, Heft XI1.) bekannt gemacht hatte. Die Resultate 
seiner neuen Beobachtungen derselben sind im Folgenden 
enthalten: 

1) Viele Infusorien leben und entstehen auch an licht- 
losen Orten: 2) kräftiger entwickelt sich das Leben der 
mikroskopischen Thierwelt im Lichte; 3) die grünen Thier- 
chen der sogenannten Priestley’schen Materie entste- 
hen nur im Lichte. 

Darauf folgte eine Reihe von Thatsachen über die 
Lichtempfindung der Irfusionsthierchen; die Schluss- 
folgerungen aus denselben sind: 

1) Mehrere Infusorien zeigen eine deutliche Lichtem- 
pfindung; 2) einige fliehen das Licht, wie Volvox globator 
und die von Treviranus beobachteten unbestimmten 
Formen; andere suchen es, wie Monas vinosa, M. sulfu- 
rosa und M. Dunali , Pandorina morum, Chlamidomonas 
pulvisculus, Euglena viridis, E. deses, E. triquetra und 
Stentor niger; 3) als Empfindungsorgan scheint bei Vol- 
vox, den Chlamidomonaden und Euglenen der rothe Pig- 


mentfleck zu dienen, dessen Natur als Auge Ehrenberg 
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I. 2 


- 


Jr 


schon 1831 festgestellt und J. Müller bestätigt hat, bey 
den übrigen scheint die ganze Leibesmasse wie bei den 
augenloser und doch für das Licht empfänglichen Polypen 
der Sitz der Lichtwahrnehmung zu sein. 

Hr. Dr. R. Botzenhart theilte eine Beobachtung in 
Betreff der natürlichen Farben der Körper mit, und erläuterte 
sie durch das Vorzeigen von geglätteten farbigen Papieren. 
Wird das von farbigen Körpern zurückgesendete Licht mit- 
telst der diehroskopischen Loupe analysirt, ‚so erscheint, 
wenn der Hauptschnitt des Kalkspath-Rhomboeders der Re- 
flexionsebene parallel oder darauf senkrecht ist, bei einer 
gewissen Schiefe der Incidenz, dem Polarisationswinkel, 
das Eine der beiden Bilder beinahe weiss, während das An- 
dere die Farbe des betrachteten Körpers zeigt. Das Licht 
des weissen Bildes ist in der Einfallsebene , das des farbigen 
senkrecht auf die Einfallsebene polarisirt: Dr. Botzenhart 
schliesst aus dieser Beobachtung, dass ein Theil des auf far- 
bige Körper auffallenden Lichtes an ihrer Oberfläche in Be- 
zug auf Farbe unverändert zurückgeworfen wird, und dass 
der farbige Antheil des zurückgesendeten Lichtes nach vor- 
ausgegangener Brechung durch innere Reflexion, also aus 
dem Innern der farbigen Körper zu uns gelangt. 

Da diese Erscheinung an allen bisher untersuchten Kör- 
pern beobachtet wurde, so gilt sie als ein fernerer Beleg für 
die bis in eine gewisse Tiefe gehende Durchsichtigkeit aller 
Körper. j 

Schon Newton erklärte die natürlichen Farben der 
Körper aus innern Reflexionen, und diese Erklärung ist auch 
bisher gewöhnlich angenommen worden. Nach Dr. Botzen- 
hart liefert die mitgetheilte leicht zu wiederholende Beobh- 
achtung einen experimentellen Beweis für die Rich- 
tigkeit dieser Ansicht. 

Hr. J. K. Hocheder, Secretär bei der k. k. Central- 
Bergbau-Direction , theilte den Inhalt einer Nachricht mit, 
welche der gegenwärtig mit Staatsunterstützung in Brasi- 
lien reisende k. k. Berg-Controllor, Virgilv. Helmrei- 
chen, über dass Vorkommen der Diamanten und 
ihre Gewinnungsmethode auf der Serra do Grao-Mogor in 
der Provinz Minas - Geraes in Brasilien eingesandt hatte. 


_ 


Man findet die Diamanten in zwei verschiedenen Arten von 
Gebirgsgesteinen, nähmlich entweder in dem festen Itako- 
lumit, oder in dem sogenannten Cascalho theils lose, theils 
in den zusammengebackenen Geschieben fest eingewachsen. 
v. Helmreichen besuchte die Gegend, wo man auf die 
ersteren gearbeitet hatte im Jahre 1541 , auch die Diaman- 
ten-Waschungen der Serra do Grao- Mogör (16° bis 17° 
südl. Breite uud 46° bis 47° westl. Länge von Paris) sind 
vor ihm von keinem Europäischen Reisenden besucht wor- 
den. Bekanntlich hatte man die Diamauten früher nur in 
dem Sande der Anschwemmungen angetroffen. Die unterste 
Lage derselben, gewöhnlich voll grober Geschiebe, ist oft- 
mahls der Gegenstand der Bearbeitung auf Gold und Edel- 
steine. Der Cascalho des Corrego- da Ulinga im Lande 
der Botocuden ist wegen seiner Topase bekannt, so wie 
der Corrego de Sa. Anna Gold und Chrysoberylle ent- 
hält. Die Diamanten auf der Serra do Grao-Mogör werden 
gewöhnlich aus den Ablagerungen, dem Gurgulho-Cascalho 
des oberflächlich zerstörten Itacolumitgebirges gewonnen, 
in einer Längenerstreckung von ungefähr 3 Legoas (18 auf 
einen Grad) von Patieiro bis Taquara, bei einer Breite von 
1 bis 2 Legoas. In dem festen Itacolumite, eiuem fast rei- 
nen Quarzgestein, sind sie seltener. Auch befolgen sie 
darin ein eigenthümliches Gesetz des Vorkommens. Der 
Itacolumit ist nähmlich zum Theile deutlich geschichtet, 
zum Theile durch und durch gleichförmig und massig. Diese 
letztern Massen sind in mehr rundlichen oder länglich sphä- 
roidischen Partien in dem erstern eingewachsen. So kann 
man an dem steil ansteigenden schroffen, zerrissenen, linken 
Gehänge des Corrego dos Bois acht verschiedene, theils 
abgesonderte, theils zusammenhängende solche massige 
Itacolumitkörper, aus denen Diamanten gewonnen worden 
sind, die eine Grösse von ungefähr 15 Klafter Länge und 
3 bis 4 Klafter Breite haben, unterscheiden. Die Diaman- 
ten führenden Körper sind von weisslicher, licht gelb- 
licher oder röthlicher Farbe mit einer einige Zoll dicken 
grauen oder schmutzig weissen Rinde. Sie haben oft ein 
conglomeratartiges Ansehen von rundlichen oder verschieden- 


artigen, neben einander liegenden, abgerundeten Quarzmas- 
9x 


Mi 


sen, die sie enthalten, und die von den Arbeitern Tauben- 
eyer (ovos de Pomba) genannt werden; viele der Quarz- 
eyer sind mit einer Glimmer- oder Talkhaut überzogen. Es 
kommen auch platte Stücke von schiefrigem Gefüge darun- 
ter vor, oder glasiger Quarz, der scharf von der umgeben- 
den Masse abschneidet. Sie sind vielleicht also selbst rege- 
nerirte Gebilde, wenn auch unzweifelhaft aus der Ursprungs- 
periode des Itacolumites selbst. 

Ein Negersclave, Crioulo Joao Paulo, fand im 
Jahre 1827 den ersten in festem Itacolumit eingewachsenen 
Diamant in einem Felsenstück , das sein Herr, Constan- 
tinho Figueiredo, zur Gewinnung der Zerstörungs-Ab- 
lagerungen zwischen den Gesteinschichten, hatte abspren- 
sen lassen. Er arbeitete sodann dort heimlich auf seme 
eigene Rechnung an Sonn-und Feiertagen, brach den Ita- 
columit mit Brechstangen. pulverte ihn mit dem Fäustel und 
wusch den Sand mit der hölzernen Waschschüssel oder 
Batca aus. 

Im Jahre 1830 entdeckte Lorenzo Gomes da Silva 
ebenfalls einen Diamant von etwa 2 Grän im Gestein, und 
stach ihn mit dem Messer heraus, ohne weiter nachzusu- 
chen. Erst im Jahre 1836 fing Lino Jose de Mello auf 
Paulo’s Mittheilung zu arbeiten an, und seitdem wurde 
Mehreres gewonnen, unter andern ein Diamant von 7'/, Ka- 
rat; doch zerschlug man die meisten FHtacolumite , um die 
Diamanten herauszulesen. Von den unversehrt erhaltenen 
Stücken erwähnt v. Helmreichen, dass drei sich in 
Brasilien befinden, und zwar in dem Besitze des Dr. Jose 
Agostinho Vieira de Mattos in der Cidade Diaman- 
tina, des Dr Joaquim Jose Rodriguez Torres, kai- 
serlich Brasilianischen Marine - Ministers in Rio Janeiro, 
und im National - Museo zu Rio de Janeiro. Ihr Ge- 
wicht ist etwa auf 2 Grän, 2 Grän und °/, Grän zu schät- 
zen. Das Stück des kaiserlich Russischen Gesandten am 
Brasilianischen Hofe, Staatsraths v. Lomonosoff, aus 
festem, weissem, körnigem, quarzigem Itacolumit, mit 
grünlichen Glimmerblättehen und röthlichen Glimmerlagen 
bestehend, enthält zwei eingewachsene Diamanten, von 
welchen keiner das Gewicht von '/, Grän erreichen dürfte. 


ae 


Nach der Angabe der Arbeiter war die Rinde der dia- 
mantenführenden Körper weicher als das Innere. Aber 
schon gegen das Ende des Jahres 1535 wurde die Arbeit, 
als nicht hinlänglich ergiebig, eingestellt, wogegen die Ar- 
beit in den weichen Schichten der Sande noch immer (1843) 
schwunghaft betrieben wurde, indem die Bevölkerung der 
Serra do Grao Mogor zwischen 7000 und 8000 Köpfe be- 
trug, die jährlich viele tausend Karate Diamanten erbeute- 
ten. Die Art des Vorkommens in den Werken ist sehr 
deutlich in lithographirten Tafeln dargestellt, so wie auch 
das eigentliche der Ausbeutung unterliegende Vorkommen 
des Schuttlandes, in Canälen (canues), Schichtungsspalten 
(frinchas),, unterirdischen Aushöhlungen (corrumes), auf 
den Ufergehängen (copiaras, taboleiros), in den Becken 
(leitos) der Bäche, und in Flüssen (vargems, corregos , ri- 
beirios und rios). Noch viele andere interessante und neue 
Mittheilungen, wissenschaftlicher, technischer und statisti- 
scher Natur, enthält die von Hrn. Hocheder besorgte Her- 
ausgabe der Mittheilung. ‘(Wien 1846, bei Braumüller und 
Seidel). 

Hr. Bergrath Haidinger zeigte an, dass der be- 
rühmte Mineraloge und Geognost, Herr Professor Carl 
Naumann von Leipzig, in Kurzem nach Wien kommen 
würde, um die hiesigen Sammlungen zu besichtigen, und 
sodann eine geognostische Reise längs der Alpen zu unter- 
nehmer, die er später bis nach Sicilien ausdehnen wird. Wir 
dürfen von dem Scharfblicke des Bearbeiters der schönen 
geognostischen Karte von Sachsen auch in unsern Gegenden 
manchen lehrreichen Beytrag, erwarten. 


5. Versammlung, am 25. Mai. 


Wiener Zeitung vom 3830. Mai 1846. 


Hr. V, Streffleur, k. k. Hauptmann, zeigte drei 
von ihm verfertigte Reliefs von Detail - Gebirgsbildungen 
im Wienerwald - Gebirge vor: eines den Wienerwald 
darstellend, von Altenmarkt bis über den Donaudurchbruch 


am Bisamberge, und zwei andere, in vielfach grösse- 
rem Masstabe, die Gegenden von Sittendorf und Maier- 
ling, an der Zusammenstoss-Linie der Kalk- und Sand- 
stein- Formation. Er knüpfte daran einige Betrachtungen 
über die Entstehung des Wienerwald-Gebir- 
ges, und über die Ursachen der in demselben vorkommen- 
den Höhen - und Schichtungsverhältnisse ungefähr in fol- 
gender Weise: 

„Wenn es wirklich allgemeine Gesetze gibt, nach wel- 
chen die verschiedenen Gesteinarten auf der Erdoberfläche 
verbreitet vorkommen, so können auch die Gesteinslage- 
rungen im Wienerwalde nicht als ein isolirtes Phänomen 
betrachtet werden, sondern es ist zu deren Erklärung auf 
die Ursachen der Verbreitung des Karpathen- und Wiener- 
Sandsteines, so wie des Kalkes überhaupt zurück zu ge- 
hen. Wie aber sind solche Gesetze zu finden? Bei einer 
Untersuchung der emporhebenden feurigen Einwirkungen 
nicht, da wir hier gar keinen Masstab und Anhaltspunet 
über die Vertheilung der Gesteine im Raume haben, indem 
bei den hebenden Kräften weder die Intensität, noch 
die Zeit, noch der Ort des Vorkommens irgend einer Be- 
rechnung unterliegt. Bei der Annahme von Niederschlägen 
aus ruhigen Meeresbeeken eben so wenig, da man nicht 
wissen kann, warum sich solche Wasserbecken dort oder 
da gebildet haben, und wie die jüngeren Gesteine auf die 
Gipfel der höheren Berge gekommen sind ; — wohl aber 
gelangt mau zu bestimmten Gesetzen über die Anhäufun- 
gen und die Vertheilung der Gesteine im Raume, wenn 
man die Einwirkung der Rotation der Erde mit in Be- 
rücksichtigung zieht. Die Erdoberfläche ist mit einer nahe 
berechenbaren Wassermenge bedeckt, die Rotation ist das 
wirkende Agens; durch sie wird das Wasser in bestimm- 
ten Richtungen in Bewegung gesetzt; es bilden sich 
Ströme; die festen Materien werden an bestimmten Ot- 
ten zusammengetragen, und erhärten zu Gesteinsmassen ; 
in den bewegten Tiefen der Strömungen sind die Nieder- 
schläge und Ansätze gehindert , das jüngere Gestein wächst 
zwischen den Strömungen auf den älteren Seedämmen auf, 
und lagert sich, scheinbar aufgerichtet, an die Seitenwän- 


23 — 


de dieser Dämme. Sperrt eine Binne sich ab, wonach Ruhe 
in derselben eintritt, so lagern sich die Gesteme in die 
Tiefe; es entsteht dadurch die sogenannte abweichende La- 
gerung, nicht durch Hebung, sondern durch den Wech- 
selvon Bewegung und Ruhe an den einzelnen Punc- 
ten der Erdoberfläche u. s. w.“ 

Nach diesen allgemeinen Erörterungen zeigte Hr. Streff- 
leur, auf eigens hierzu eingerichteten Karten, die Strom- 
richtungen und Dammbildungen (späteren Gebirge) auf den 
Hemisphären,, dann in Europa, und ging so aus dem Gros- 
sen in das Kleine auf die Verhältnisse im Wienerwald-Ge- 
birge über. Eine Haupt-Rotations-Strömung zog einst zwi- 
schen den Alpen und dem Böhmischen Urgebirgsstocke ge- 
gen Südwesten, durch Baiern und die niedere Schweiz. In 
dieser Rinne, die in der Gegend von Wien eine concave 
Form bildete, lag der Stromstrich den Alpen näher; von 
ihm links setzte sich der Kalk an den Alpendamm, der 
Sandstein aber lagerte sich mehr in der Tiefe rechts des 
Stromstriches im eingehenden Winkel, so wie man Sand- 
ablagerungen an solchen Stellen in jedem Bache findet, 
und zwar bildete sich der Wiener Sandstein, theils die nie- 

deren Reste eines zerstörten Urdammes (vom Tatra zu den 

Alpen) bedeckend, theils ansteigend zu dem Böhmischen 
Urgebirgsstocke, so dass man ihn jetzt gegen die Alpen 
einfallend und vom Kalke überlagert findet. Später, 
bei allmähliger Senkung der Meeresoberfläche hatte das 
Strombett in der Rotations-Rinne sich verengt, das Wasser 
senkie sich ausfurchend zwischen den Böhmischen Urge- 
birgstock und das Ausgehende des Wiener Sandsteines, in 
der Ausdehnung des heutigen hohen Randes des Donautha- 
les, und nachdem das Meer diese Gegend ganz verlassen 
hatte, sieht man nunmehr die Schichtenköpfe des Wiener 
Sandsteines widersinnig gegen die Donau gekehrt.‘ 

„Den Einfluss , welchen die Rotation auf die Bildung der 
Erdoberfläche nehmen soll, hat Hr. Streffleur ausführlich 
in einem grösseren Werke besprochen, das in einigen Wo- 
chen die Presse verlassen und den Titel führen wird: 

„Die Entstehung der Continente und Gebirge, und die 
Veränderungen im Niveau der Meere unter dem Einflusse der 


24 — 


Rotation, nebst einer Uebersicht der Geschichte des Euro- 
päischen Bodens in geognostisch-orographischer Beziehung.“ 
Mit einem Atlasse, enthaltend sechs kleine Weltkarten, die 
verschiedenen Bildungs-Epochen der Erdoberfläche darstel- 
lend, zwei geognostischen Karten von Europa und zwei 
Figurentafeln. Wien, Beck’sche Buchhandlung. 

Herr Dr. Ludwig K. Schmarda gab eine Notiz über 
die Hülsen des Müller'schen Trompeten-Thier- 
chens Stenilor Milleri Ehr. 

Dieses Thierchen wurde zuerst von Trembley in den 
Philosophical Transactions 1746 beschrieben; Rösel nannte 
es schalmeiähnlicher Afterpolyp, Linne Hydra sienlorea, 
0. Fr. Müller Vorticella stentorea, Schrank Linzu 
sienlorea. Ehrenberg nannte es dem Begründer der Na- 
turgeschichte der Infusionsthierchen zu Ehren S/entor Mül- 
leri. — Ausserdem wurde der Müller’'sche Stentor von 
Ledermüller, Götze, Eichhorn, Bory de St. Vin- 
cent, Focke, Czermak u. m. A. beobachtet. 

In der Nähe von Wien findet er sich in den Lachen 
zwischen Lainz und Ober St. Veit, im botanischen Garten 
der Universität und im Prater zu allen Jahreszeiten auch im 
Winter unter dem Eise. 

Schon Müller hatte einmahl drei 'Trompetenthierchen 
in einer durchsichtigen schleimigen Hülle gefunden, in die 
sie sich zurückzogen, und aus der sie nach Willkühr wieder 
hervorgingen. (Animalcula Infusoria 1756. p. 303.) Schrank 
stellte sie unter seine Röhrenthierchen, und scheint sie nur 
in üieser Hülle beobachtet zu haben. Er nennt sie posaunen- 
artigen Laichkrautwurm (Linza sienlorea), und sagt, ihre 
Hülle bestände aus einer schleimartigen Gallerte von becher- 
förmiger Gestalt (Fauna boica B. III. Abtheilung 2. S. 313). 
— Ehrenberg erwähnt bloss, dass sie beim Absterben 
einen Schleim absondern. — Ich fand schon im Winter 18+®/,, 
braune Kapseln im Wasser, in welchem Sientoren sich be- 
fanden; im letzten Winter fand ich sie jedoch sehr zahlreich 
in braunen Hülsen sitzen, aus welcheu sie sich hervorstreck- 
ten und willkührlich wieder zurückzogen. Besonders zahl- 
reich zeigten sie sich an der Oberfläche des Wassers mit 
dem hinteren Ende nach aufwärts gekehrt, und an den 


Be (RER 


Wänden der Gläser. — Die Hülsen sind eylindrische und 
conische Röhren von ’/, — /, Linie Länge von brauner 
Farbe: aussen sind sie rauh ; dasGewebe ist körnig, ziem- 
lieh dicht mit stellenweise dunkler gefärbten Flecken. — 
Wenn man das entfaltete und wirbelnde Thier beunruhi- 
get, so zieht es sich ganz in die Kapsel. Wenn sie die 
Kapsel verlassen oder man dieselbe mit einer Nadel zer- 
reisst, so schwimmen die Thierchen frey umher, wie die 
Stentoren in den gewöhnlichen Verhältnissen. 

Ausgetrocknet nimmt die Hülse eine hornartige Beschaf- 
fenheit an, und behält ziemlich unverändert ihre Form. 
Nach einer vorgenommenen freilich nur nothdürftigen che- 
mischen Untersuchung scheint sie eher ein leim- als ein 
schleimartiges Product zu seyn. 

Die Thierchen wurden in der Abbildung im contrahir- 
ten und expandirten Zustand in ihren Gehäusen vorge- 
zeiget. 

Nebstdem zeigte Hr. Dr. Schmarda die Abbildungen 
von neun neuenFormenvon polygastrischen In- 
fusorien und einem neuen Räderthiere vor. 

Cryptomonas urceolaris , Gyges niger, Aslasia marga: 
ritifera, Euglena oxyuris, Euglena chlorophoenicea, Eu- 
glena ovum, Peridinium adriaticum, Peridinium tabula- 
tum, Bursaria tesselata, Listrion rosirum. 

Hr. Franz Ritter v. Hauer berichtete über eine neue 
Anwendung des von Hofrath Fuchs in München entdeck- 
ten Wasserglases zum Festmachen von organi- 
schen Ueberresten. Muschelschalen, Knochen u. s. w., 
wenn sie in gewissen Gebirgsschichten begraben waren, 
und dann durch längere Zeit der Einwirkung der Atmo- 
sphärilien ausgesetzt sind, verlieren alle Consistenz, und 
gehen in einen weichen pulverigen Zustand über. Noch in 
den Sammlungen zerfallen dann häufig die ausgezeichnet- 
sten Exemplare, selbst wenn es gelingt , sie mit grosser Be- 
hutsamkeitan den Fundorter unverletzt zu erhalten. AufBerg- 
rath Haidingers Vorschlag versuchte nun Hr. v. Hauer 
durch Tränkung mit Wasserglas diesem Uebelstande vorzu- 
beugen. Diese Substanz, welche gegenwärtig in Weissgrün 
in Böhmen fabriksmässig erzeugt und in Wien in Bat- 


u \ 


kas Waarenlager (Engel-Apotheke am Hof) käuflich zu 
haben ist, wurde mit gleichen Theilen warmen Wassers 
verdünnt, und auf die zu festigenden Gegenstände mittelst 
eines Pinsels behutsam aufgestrichen. Die poröse Kalk- 
masse saugt die Flüssigkeit leicht ein, und ist das Ganze 
getrocknet, so werden die so behandelten organischen Reste 
so fest, dass ein weiteres leichtes Zerbrechen nicht mehr 
zu befürchten steht. Die grosse Festigkeit, welche sie 
dabei erlangen, erklärt sich vorzüglich durch die Bildung 
wirklicher Doppelsalze von kieselsaurem Kali mit kiesel- 
saurer Kalkerde, welche hier, so wie bei der Anwendung 
von hydraulischen Mörteln Statt findet. 

Herr Bergrath Haidinger zeigte die vor acht Tagen 
von Hın. Dr. R. Botzenbart bei den Untersuchungen 
über den Zustand des von gefärbten Körpern reflectirten 
weissen und farbigen Lichtes erwähnte diehroskopische 
Loupe und ihre Einrichtung. Sie besteht aus einem aus 
Isländischem Doppelspath durch Theilbarkeit erhaltenen läng- 
lichen rhombischen Prisma mit schiefer Basis. An die Enden 
werden Glasprismen von 18° angeklebt, um die Schiefe zn 
corrigiren. Man sieht nun der Länge nach hindyrch; ein 
kleines Quadrat, auf einer Seite in einer Blendung ausge- 
schnitten, erblickt man doppelt. Dieser Apparat wird nun 
noch mit einer Linse, oder besser mit einer aplanatischen 
Loupe combinirt, und zweckmässig; in eine Röhre gefasst. 
Man erhält dadurch einen kleinen, tragbaren Polarisatiens- 
Apparat, der besonders für die Untersuchung kleiner Kry- 
stalle im polarisirten Lichte anwendbar, und wegen der 
vollkommenen Farblosigkeit der Bilder höchst empfindlich 
gegen die Farben ist. Die zwei Bilder sind nach dem Ge- 
setze der krystallinischen Körper überhaupt in senkrechten 
Richtungen gegen einander polarisirt, der ordinäre Strahl 
in der Richtung beider Bilder, der extraordinäre senkrecht 
darauf. Man unterscheidet sie ebenfalls an den contrastiren- 
den gelben Büscheln. Geht nun das gewöhnliche Licht durch 
einen zweifarbigen, dichromatischen,, Körper so hindurch , 
dass die zwei senkrecht auf einander stehenden Lichtbüschel 
verschiedene Farben haben, so wird durch ‚die dichroskopi- 
sche (von ?txp00s zweifarbig und x0reo schen) Loupe die 


Hi 


Farbe getrennt und im möglichsten Contraste gegen einander 
zur Vergleichung gebracht. Mit einem Glimmerblättchen, 
oder einer Bergkrystallplatte combinirt, kann sie in vielen 
Fällen ähnlich Arago’s polariscope a lunules als Polariskop 
gebraucht werden. Mehrere Exemplare wurden vorgezeigt, 
die von Herrn Mechanikus Eckling in Wien gefertigt 
waren, T 

Herr Bergrath Haidinger machte einige Bemerkun- 
gen zu der vor acht Tagen erhaltenen, höchst interessan- 
ten Mittheilung des Herrn Dr. Botzenhart über den Pola- 
risationszustand desfarbigenreflectirtenLich- 
tes. Die zwei Bilder der dichroskopischen Loupe zeigen 
allerdings, und zwar das ordinäre das weisse von der Ober- 
fläche zurückgeworfene Licht , das untere, extraordinäre, 
dieFarbe desKörpers. Man könnte vielleicht daraus schlies- 
sen, dass überhaupt das farbige Licht extraordinär oder 
senkrecht auf die Einfallsebene polarisirt wäre. Diess ist 
aber nicht der Fall; es ist gewöhnliches Licht: Wenn man 
nämlich mattfarbiges Papier beobachtet, oder andere far- 
bige Körper mit glanzloser Oberfläche, wie etwa die so 
verschiedenartig gefärbten Blumenblätter, so sind beide Bil- 
der ganz gleichfarbig, das gewöhnliche Licht des Körpers 
farbig, wie es aus dem Innern desselben kommt, wird in 
zwei gleichfarbige, senkrecht auf einander polarisirte Strah- 
len zerlegt. Mattes weisses Papier gibt beide Bilder gleich, 
wenn es durch gefärbtes Glas von der Sonne beschienen 
wird. Glänzendes Beinglas gibt zwei gleichgefärbte Bil- 
der, wenn man durch das reflectirteBild des gefärbten Gla- 
ses hindurchsieht, sonst bleibt das obere von der Reflexion 
weiss. Durch gefärbtes Glas von der Sonne beschienenes 
schwarzes Glas, zeigt das obere Bild gefärbt, das untere 
schwarz; derselbe Zustand des Lichtes folgt ‚aus der Be- 
trachtung durchsichtiger Körper, deren Oberfläche man nach 
Belieben spiegeln läst, oder in Schatten stellt. Zur Erläu- 
terung zeigte Bergrath Haidinger eine eigenthümliche 
Vorrichtung, welche er Diehrophan (are erscheinen) 
nennt, um das zweifarbig gemischte Licht anzudeuten, wel- 
ches man durch Transmission beobachtet. Von einem ge- 
wöhnlichen Spiegel unter dem Polarisationswinkel reflectir- 


BE "SL 


tes Licht wird von einer farbigen Glasplatte unter demsel- 
ben Winkel in das Auge geworfen. Man färbt den ersten 
Strahl beliebig durch farbige Glasplatten. Sieht man nun 
mit der dichroskopischen Loupe bloss durch die erste far- 
bige Glasplatte, so sind beide Bilder gleichfarbig, oder fast 
ganz so; denn eine einzige Platte polarisirt das Licht noch 
sehr wenig. Lässt man die Beleuchtung des Spiegels wir- 
ken, so modifieirt der Reflex des polarisirten Lichtes die 
Erscheinung dergestalt, dass man die Farbe am Ende bloss 
im untern Bilde übrig behält. Der gleichzeitige, stärkere 
Eindruck desselben polarisirten Lichtes überwältigt den der 
schwächern Farbe. Man kann die Beobachtung der Farben 
im Dichrophan entweder durch schickliche Combination hel- 
lerer und dunklerer Farbentöne, oder durch beigelegte matt- 
seschliffene Glasplatten stimmen. 

Hr. FriedriehSimony beschrieb das Phänomen der 
sogenannten Regenflecke auf den Gebirgsseen, 
welches er vorzugsweise auf dem Hallstätter See durch 
mehrere Jahre hindurch, zu allen Monaten und Tagzeiten, 
so wie unter allen Temperatur-Verhältnissen (nur strenge 
Winterkälte ausgenommen), häufig beobachtet nat. Nach 
seinen Angaben zeigt sich dasselbe fast jedesmahl kurz vor 
eintretendem mehrtägigen Regenwetter oder auch im Ver- 
laufe desselben, und zwar am vollständigsten ausgebildet 
unmittelbar während eines Regens bei Windstille. Da ent- 
stehen auf der schimmernden Oberfläche des Sees (nur sel- 
ten zeigt dieser einen vollständig ruhigen Spiegel, sondern 
befindet sich fast immer in einer, wenn auch dem Auge im 
Einzelnen nicht erkennbaren Osecillation, durch welche der 
Spiegelglanz des Wassers und dessen natürliche schwarz- 
srüne Farbe immer mehr oder weniger gebrochen erscheint), 
oft plötzlich, oft wieder nur allmählig stellenweise schwarz- 
grüne, beinahe fettglänzende Flecke von verschiedenen 
Dimensionen und Formumrissen , die inmitten der schim- 
mernden farblosen Fläche gerade wie zerflossene Massen 
ausgegossenen Oehles aussehen. Die Formen der Flecke 
sind sehr verschieden, mehr und minder rund , oder länglich, 
oft buchtig, oft bilden sie lange gerade oder gewundene 
Streifen, die bald dem Längenverlaufe des Sees folgen, 


= We 


bald denselben quer oder in Diagonalen durchziehen. Die 
Dimensionen wechseln von einigen Fuss bis zu mehreren 
hundert Klaftern Länge und Breite. Dem Vorkommnissorte 
nach sind die Flecke nicht fixirt, sie zeigen sich bei jedes- 
maliger Bildung auf andern Stellen und in veränderten Um- 
rissen, bald mehr, bald minder häufig, bald ganz vereinzelt, 
bald in verschiedene Gruppen zusammengereiht, bald wieder 
regellos zerstreut. Besonders auffallend erscheint ihr manch- 
mal stundenlanges Verharren an einer Stelle und die zeit- 
weise Stetigkeit ihrer Gestalt. Werden sie von einem fah- 
renden Kahne durchschnitten, so fliessen ihre scharf von der 
schimmernden Hauptfläche abgegränzten Ränder, die durch 
den Ruderschlag und das durchfahrende Schiff partiell zer- 
stört wurden, sehr schnell und meist wieder genau in der 
vorigen Form zusammen. Unter solchen Umständen vermag 
oft nur ein aufmerksames Auge die langsame Umstaltung 
der Flecke, ihre allmählige Grössenabnahme, ihr Verschwin- 
den uud Wiedererscheinen zu beobachten. Sobald eine fühl- 
bare gleichmässige Luftströmung über der Seefläche eintritt, 
sebald das Wetter sich ändert, oder selbst, wenn nur für 
kurze Zeit die Sonne durch die Regenwolken bricht und 
den See beleuchtet , hört das wechselvolle Spiel dieser son- 
derbaren Erscheinung auf; oft genug verschwindet die letz- 
tere aber auch ohne alle äussere sichtbare Veranlassung, und 
der See erscheint plötzlich wieder spiegelglänzend oder 
durchgängig schimmernd, wie vorher. 

Es würde schwer fallen, bei einer bloss vereinzelten Be- 
obachtuug für dieses Phänomen eine selbst nur annähernde 
Erklärung zu finden, wenn man nicht daneben ähnliche Er- 
scheinungen in Betracht ziehen könnte, bei denen Ursache 
und Wirkung augenfälliger sind. Simony führte eine Reihe 
von solchen ebenfalls von ihm auf dem Hallstätter See beob- 
achteten Erscheinungen auf, die sich in Beziehung auf äus- 
sere Form mehr oder minder an die beschriebenen Regen- 
flecke anreihen lassen, und die unwiderlegbar ihre Entste- 
hung bloss der Wirkung der Luftströmungen zu danken ha- 
ben, welche letztere vorzüglich in solchen engen, von hohen 
Gebirgen eingeschlossenen Thälern, wie das Becken von 
Hallstatt, fortwährenden Aenderungen unterworfen sind und 


—. 30 — 


oft auf ganz kleinen Erstreckungen, sowohl in Beziehung 
auf Richtung und Schnelligkeit der Bewegung, als auch in 
Beziehung auf Teemperatursverhältnisse eine solche Mannig- 
faltigkeit und so schnellen Wechsel zeigen, wie man nie 
im Flachlande zu beobachten Gelegenheit hat, und wie sie 
sich auch nur auf so leicht beweglichen Flächen, wie Seen, 
auf denen sich jede auch noch so leise Luftbewegung nach 
ihrer Stärke, Richtung, so wie nach ihrem Umfange kenn- 
bar macht, wahrnehmen lassen. 

Wenn aber auch aus solehen Aehnlichkeiten geschlossen 
werden kann, dass die Regenflecke ihr Entstehen 
den Wirkungen der Luftströmung zu danken ha- 
ben, so sind sie damit noch nicht vollständig erklärt. Hierzu 
gehören mehrfache physikalische Beobachtungen und Unter- 
suchungen, die Simony bisher aus Mangel an den nöthi- 
gen Apparaten nicht unternehmen konnte, die er jedoch im 
Laufe dieses Sommers machen zu können hofft. Schliesslich 
sprach er noch die Vermuthung aus, dass die Entstehung 
der Regenflecke auf Seeflächen und die Bildung der verein- 
zelnten Cumulus-Gruppen in bestimmten Luftebenen auf 
gleichen, oder doch verwandten Ursachen beruhen dürfte. 

Herr Bergrath Haidinger erwähnte den in der Ent- 
wicklung der Literatur - Verhältnisse in Wien schon längst 
fühlbaren Mangel, dass es kein Organ gab, in welchem 
naturwissenschaftliche Abhandlungen eingereiht und auf an- 
gemessene Art der Oeffentlichkeit übergeben werden konn- 
ten, die nicht mit Vortheil einzeln für sich als selbstständige 
Werke in den Buchhandel gebracht werden können. In Folge 
mehrerer Besprechungen mit verschiedenen Personen, ob es 
nicht wünschenswerth wäre, zu diesem Zwecke den Weg 
einer Subscription zu versuchen, etwa zu20 fl, C. M. jähr- 
lich, hatten sich vorläufig so viele Beitrittserklärungen er- 
geben, dass Herr Bergrath Haidinger vorschlug, durch 
die ehrenwerthe Buchhandlung der Herren Braumüller 
und Seidel in dem gewöhnlichen Wege die Subscription 
einzuleiten, woselbst die Subscriptionsbogen alsogleich auf- 
gelegt werden sollen. BergrathHaidinger würde ehestens 
den ausführlicheren Plan des Unternehmens durch die Buch- 
handlung und die Wiener Zeitung darlegen und zu Beiträgen 


. — 3 I 


einladen. Das Werk selbst würde den Titel erhalten. „Na- 
turwissenschaftliche Abhandlungen, gesam- 
melt und durch Subscription herausgegeben 
von W. Haidinger.“ 


6. Versammlung, am 2. Juni. 


Wiener Zeitung vom 6, Juni 1846. 


Herr A. v. Morlot aus Bern hatte kürzlich die in der 
Geschichte der Alpengeognosie so wichtige Gegend von 
Teissendorf besucht. Er zeigte zwei Profile der 
Schichtenfolgen derselben in der Gränzregion von 
Nummuliten-, Sand- und Kalkstein uud dem Fukoidensand- 
stein und Mergel, und erläuterte dieselben. 

Das erste Profil durchschneidet den Teissenberg über 
dem Eisenhüttenwerke Achthal, das zweite durchschneidet 
dasselbe Gebirg eine halbe Stunde weiter westlich über 
Neukirch und erstreckt sich bis Traunstein. 

Was die Lagerungsverhältnisse betrifft, so fallen die 
Schichten bei den Formationen der Nummuliten und Fukoi- 
den mit 30—40° nach Süden, und da, von Süden nach Nor- 
den gehend, der Nummulitensandstein auf den Fukoiden- 
sandstein folgt, so muss der erstere unter den letzteren 
einschiessen und auch älter sein, wenn wenigstens die 
ganze Schichtenmasse nicht übergekippt ist, wie es auch 
die Herren Boue, Lillv.Lilienbach undMurchison 
angenommen haben, die alle den Nummulitensandstein über 
den Fukoidensandstein setzen. In der Schweiz, wo beide 
Formationen charakteristisch auftreten, sieht Professor Stu- 
der den Fukoidensandstein für das eberste Glied aller alpi- 
nischen Gebilde an. — Diesen widerstreitenden Ansichten 
gegenüber möchte man den Entscheid der Frage späteren 
Forschungen überlassen, die uns wohl mit ausgesprochene- 
ren Ueberlagerungen bekannt machen werden. 

Das kleine Wasser, die Ach, bildet die Gränze zwi- 
schen beiden Formationen, die Fukoidenmergelschiefer, de- 
ren Schichtenköpfe das rechte oder südliche Thalgehänge 


== SB 


bilden, sieht man noch bis ins Flussbett anstehend und es 
ist auch natürlich , dass sich das Wasser in diesen leicht 
zerstörbaren Schichten tiefer eingefressen habe. Der Hü- 
gelrücken, der das linke oder nördliche 'Thalgehänge bil- 
det, besteht aus der Nummulitenformation: Gelbe Sand- 
steine, gelbe und rothe Kalke und 'Thoneisensteinlager. Die 
bisher beschriebenen allgemeinen Lagerungsverhältnisse sind 
von Lill v. Lilienbach in seinem ersten Profil der Salz- 
burgergebirge (Leonh. und Bronns Jahrbuch 1830) ganz 
richtig angegeben worden. 

An dem nördlichen Thalgehänge, also auf dem Num- 
mulitensandstein, mehr in der Tiefe des Thales und nicht 
weit hinauf reichend, liegt ein nicht sehr dichtes, ganz 
schichtungsloses Conglomerat. Es sind Geschiebe von der 
Nummulitenformation und hauptsächlich von allen Varitäten 
von Alpengesteinen, vom Alpenkalke bis zum Granit, der 
nahmentlich ia Blöcken bis zu ein Paar Kubikschuh Grösse 
vorkommt. Es ist aber, wohlgemerkt, Alpengranit. Das 
Conglomerat ist mehr oder weniger lose, mit vielen Poren 
oder Zwischenräumen , muss jedoch zuweilen im neuen 
Erbstollen, der eine gute Strecke darin getrieben wird, frei- 
lich fast ganz in der Richtung des Streichens , geschossen 
werden, und liefert anderswo Mühlsteine. Im Ganzen scheint 
es dem längs den Salzburgeralpen so vielverbreiteten Con- 
slomerat des Diluviums zu entsprechen. Als man im Thal- 
weg die Ausgrabungen anstellte zu der Fundamentlegung 
des Eisenhüttenwerkes Achthal, da fand man neben aller- 
hand Schutt und Geröll, grosse, bis zu 200 Zentner ge- 
schätzte Blöcke eines Gesteins, das man nicht anders als 
Granit zu nennen wesste. In der grobkörnigen, schön kry- 
stallinischen Masse erkannte man grünen und weissen Feld- 
spath, mit Quarz und keinem Glimmer. Andere Varietäten 
sind roth und haben Glimmer, diese kann man schon Gra- 
nit nennen, die ersteren dürften eher Porphyre heissen. Es 
ist überhaupt ein fremdartiges Gestein, das in den Alpen 
nicht bekannt ist. 

Diese Erscheinung ist an und für sich auffallend, wird 
es aber noch viel mehr, wenn wir sie mit einer ganz ähnli- 
chen in der Schweiz zusammenstellen. Im Thale von Hab- 


_— 


kern, ebenfalls in der Gränzregion der Nummuliten- und Fu- 
koidenformation finden sich ebenfalls in der Thalsohle eine 
Menge, mitunter sehr grosse Blöcke (bis 110° Länge und 
200.000 Kubikschuh Inhalt) eines schönen, rothen, grobkör- 
nigen Granits, der den Alpen durchaus fremd ist. Eine grüne 
Varietät, sehr ähnlich der von Achthal, ist auch gefunden 
worden. Leopold von Buch und Professor Studer 
suchten vergebens nach der anstehenden Gesteinmasse, die 
diese Blöcke geliefert haben sollte. Es waren immer nur 
lose Blöcke zu sehen, aber in so grosser Menge, dass man 
vermuthen musste, der Granit sei an Ort und Stelle von 
unten hinaufgeschoben worden. Endlich machte Hr. Carl 
Brunner, Sohn des bekannten Chemikers, die merkwür- 
dige Entdeckung eines schönen Granitblocks, der in den ge- 
wundenen Schichten der Fukoidenschiefer steckte und allem 
Anscheine nach förmlich davon eingeschlossen war. Dieses 
Vorkommen ist von Prof. Studer in den Verhandlungen 
der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft unter 
der Bezeichnung „erratische Blöcke aus der Secundär-Epo- 
che‘‘ beschrieben worden. — Aehnliches soll immer im glei- 
chen Striche, in der nähmlichen Region der Alpen in Italien 
vorkommen. Endlich nach den bekannten Beschreibungen 
des Granits vom Bolgen im Thale von Sonthofen scheinen ° 
dort ähnliche Verhältnisse obzuwalten, dort kommt auch, 
wie in Italien, Trapp vor, der wohl nicht ohne Bedeutung ist. 

Diese Angaben werden hier aufgestellt, weniger um 
eine zu frühzeitige theoretische Erklärung hervorzurufen , 
als um die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf einen so 
interessanten Gegenstand zu lenken, wodurch vielleicht 
noch mehr ähnliche Phänomene zu Tage gefördert werden 
können. 

Das zweite Profil stellt wesentlich dieselben Lagerungs- 
Verhältnisse der Nummuliten- und Fukoidenformation vor, 
nur fehlen hier auf dem Plateau von Neukirchen das Conglo- 
merat und die fremden Granitblöcke. Hingegen lässt sich 
das Profil gegen Norden ergänzen, wenn ınan wenigstens 
die Beobachtungen auf der Landstrasse von Siegsdorf nach 
Traunstein damit verbindet. Den Weg gehend, kommt man 
zuerst an die sogenannte Blaue Wand, eine gute Enthlös- 


Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I, 3 


—_— 34 — 


sung von bedeutenden Mergelschichten, die etwa 30° gegen 
Norden einfallen. Als untergeordnet bemerkt man Lagen 
und Körner eines Sandsteines, wahre, charakteristische 
Molasse , auch bedeutende Zwischenlager eines klein- 
körnigen, dichten Conglomerats, das man wohl Nagelfluh 
(Molasse-Nagelfluh) nennen kann. Aus diesen Mergeln im 
Dollberger Graben hat der Salinen-Cassier Mainhold in 
Traunstein sich schöne Fossilien gesammelt, die keinen 
Zweifel übrig lassen, dass man es hier mit der eigentlichen 
Tertiärformation zu thun hat. Endlich weiter gegen Traun- 
stein verschwindet die Molasse, und man sieht nichts mehr, 
als das mächtige, grobgeschichtete, horizontal gelagerte 
Conglomerat des Diluviums. 

Herr Franz Ritter von Hauer zeigte Petrefacten 
aus dem Alpenkalk vor, von einem bisher nicht ge- 
kannten Fundorte unweit Mödling, den er in Gesellschaft 
der Herren Dr. v. Ferstl und Adolph Patera vor we- 
nigen Tagen auffand. Derselbe befindet sich nicht weit vom 
Wege, der von Mödling über eine Einsattlung zwischen 
den letzten Gehängen des Anninger-Berges und dem 
sogenannten Eichkogel nach Gumpoldskirchen führt. Ver- 
lässt man, von Mödling kommend, auf dem höchsten Puncte 
dieses Sattels, der durch ein Kreuz bezeichnet ist, den er- 
wähnten Weg und wendet sich rechts gegen den Gebirgs- 
stock des Anninger selbst, so sieht man gleich Anfangs 
zahlreiche Steinbrüche, die aber durchgehends in: Cerithien- 
kalk und Sandsteine betrieben werden. Weiterhin, noch 
nördlich von einem verfallenen Meierhofe, der auf den 
Karten mit dem Nahmen Schuberthaus bezeichnet ist, lie- 
gen viele Steinhaufen von Alpenkalkstein umher, in wel- 
chem man zahlreiche Fossilien findet. Es zeigten sich dar- 
unter Korallenstöcke denı Geschlechte Lilhodendron oder 
Caryophyllia angehörig, Krinoidenstielgireder, eine grosse 
glatte Terebratula, ganz ähnlich der 7. perovalis, meh- 
rere Lima-Arten, eine Os/rea und manche andere weniger 
vollständig erhaltene Stücke. Im allgemeinen deuten diese 
Fossilien unzweifelhaft auf Jura-Bildungen. Auch Horn- 
steinknollen kommen häufig in diesem Kalksteine vor. Uebri- 
gens fanden sich alle Fossilien nur im Schutte und Gerölle. 


der Ort, wo sie anstehend im festen Gestein vorkommen , 
dürfte näher dem Hauptstocke des Anninger selbst aufzusu- 
chen sein. 

Herr Dr. Hammerschmidt sprach über den Nutzen 
der Mikroskope als Bildungsmittel, und zeigte eine von 
ihm erfundene Vorrichtung zur bildlichen Darstellung mi- 
kroskopischer Gegenstände. Obschon Sonnen- und Gasmi- 
kroskope für die Demonstration grosse Vortheile vor den 
gewöhnlichen Mikroskopen gewähren, so sind erstere doch, 
mancher Umständlichkeit wegen, einer ausgebreiteten An- 
wendung zum Unterrichte in der Naturgeschichte nicht 
fähig. Der vorgezeigte Apparat ist sehr einfach, nicht 
kostspielig und auf jedes gewöhnliche Mikroskop anwend- 
bar, dabei leicht und ohne grosse Vorbereitung zu hand- 
haben, während zur Beleuchtung eine argandische Lampe 
genügt. Derselbe Apparat kann einer Seits zur Demon- 
stration bei Vorträgen über mikroskopische Gegenstände , 
anderer Seits zum Nachzeichnen, ja selbst zum Daguerreo- 
typiren mikroskopischer Gegenstände verwendet werden, 
in welch letzterem Falle jedoch die Anwendung von Son- 
nenlicht nöthig ist. Die ausführliche Beschreibung des Ap- 
parates wird in der vonHerrn Dr. Hammerschmidt her- 
ausgegebenen „Allgemeinen Oesterreichischen Zeitschrift“ 
für den Landwirth ete. Nr. 23 vom 9. Juni 1846, und in 
einem der nächsten Hefte des Dingler’schen polyt. 
Journales mitgetheilt. 

Herr Dr. S Reissek gab eine Uebersicht der Anato- 
mie, Physiologie und Systematik der Algen. Es wurden 
aus derMenge bekannter Thatsachen besonders die interes- 
santen physiologischen und anatomischen Verhältnisse der 
Algensporen, die zumeist erst durch die Entdeckungen 
der letzten Jahre aufgeklärt worden sind, erörtert. Wir 
verdanken selbe den Untersuchungen von Unger, Thu- 
ret, Kützing, Nägeli, Flotow, Decaisne, Are- 
scheug. Dr. Reissek erklärte insbesondere die Bil- 
dung, das Austreten, thierähnliche Fertbestehen und endli- 
che Keimen der Sporen bei Vaucheria, Achlya, Conferva, 
Ulothrix und anologe Erscheinungen bei Oseillaloria,, No- 
sloc, Fucus, Sphaerococecus, zum Theile nach eigenen 

3* 


— 36. — 


Beobachtungen. Eben so wurde die Bildung des rothen 
Schnees in den Alpen und Polargegenden, seine Metamor- 
phose und Verwandtschaft mit der Färbung der Gewässer 
erläutert. Die Gränze zwischen Thier und Pflanze stellt 
sich aus dem Complexe der bisher beobachteten Erschei- 
nungen auch bei jeder Zurückweisung einer primitiven Ent- 
stehung Beider in den niedrigsten Classen als kaum vorhan- 
den dar. Namentlich geht diess aus der chemischen Zu- 
sammensetzung hervor. Die geographische Verbreitung der 
Algen, interessante Verhältnisse ihres Vorkommens, ihr 
Gebrauch wurde besprochen, und die Typen derselben durch 
trockene Exemplare und Zeichnungen an der Tafel ver- 
sinnlicht. 

Hr. Bergrath Haidinger zeigte eine Anzahl von Ei- 
sensteinstufen, um als Belege für den Vorgang der Ver- 
änderung, der Metamorph-.ose von Brauneisenstein zu 
Rotheisenstein zu dienen, insbesondere den von braunem 
zu rothem Glaskopf, aber auch von aufeinander fol- 
senden Bildungen der Eisensteine überhaupt. Man kennt 
vollständige Geoden,, um und um von braunem Glaskopf be- 
gränzt, Niemand hat rothen Glaskopf anders als in Fragmen- 
ten, in Quarz und dichten Rotheisensteinen oder Glaskopf- 
splittern eingewachsen gesehen. Vor einiger Zeit war von 
Krantz in Berlin an das k. k. Hofmineralien-Cabinet ein 
Mineral eingesendet worden, das die Form des Nadeleisen- 
erzes zeigte, aber aus reinem Eisenoxyd ohne Wasser be- 
stand. Die Frage lag nun nahe, was denn aus dem brau- 
nen Glaskopf, der auch Eisenoxydhydrat ist, werde, wenn 
er sein Wasser verliert; nichts anders als rother Glas- 
kopf. Mancherlei Stücke wurden nun als Belege vorgezeigt, 
eines das zum Theile aus rothem, zum Theile aus braunem 
Glaskopf besteht, mehrere der Gangbreccien aus rothem 
Glaskopf und Quarz, und an einem andern Stücke konnte 
die Bildung der bekannten Flusshexaeder, mit Quarz erfüllt, 
und der Absatz von Glaskopf auf einander bezogen werden. 
Ferner die schönen schuppigen Glasköpfe von Tilkerode am 
Harz, welche die Form des Giaskopfs beibehalten haben, 
aber nicht mehr dessen faserige Structur, indem die Indi- 
viduen ven Eisenglanz in denselben schon schuppig zu kıy- 


u a 


— 37 — 


stallisiren beginnen. An einigen Stellen war sogar schon 
wieder Spatheisenstein, oder kohlensaures Eisenoxydul, an 
der Stelle des Eisenglanzes, ohne Veränderung der Form 
neu gebildet worden. Bei einigen Stücken war augenschein- 
lich Quarzmaterie an die Stelle des rothen Glaskopfes ge- 
treten, und zeigte sich nun pseudomorph in hämatitischen 
Gestalten, obwohl der Quarz selbst als Chalzedon eben- 
falls eigenthümliche Gestalten dieser Art anzunehmen fähig 
ist. Die schönen braunen Glasköpfe von Antonio Pereira 
in Brasilien brechen gangartig in einem Brauneisenstein, 
der in seiner Structur ganz an die körnigen Magneteisen- 
steinvorkommen erinnert. Er wird von Klüften in der Rich- 
tung der Gangspalten selbst durchsetzt, von welcher aus 
er in rothen Glaskopf verwandelt ist. Auch die Grundmasse 
ist entsprechend zum Theil Rotheisenstein geworden. An- 
gereiht an die vorhergehenden Stücke wurde eine Pseudo- 
morphose von körnig zusammengesetzten Kalkspath nach 
krystallisirtem, der ursprünglich mit Schwefelkies über- 
deckt war, welcher nun selbst als dichter Rotheisenstein 
erscheint. 

Aus diesen und mehreren andern zum Theil bekannten, 
zum Theil neu beobachteten 'Thatsachen wurde gefolgert. 
dass die Veränderung von braunem Glaskopf zu rothem un- 
zweifelhaft sei, dass aber auch in der auf einander folgen- 
den Bildung der fünf wichtigsten eisenhaltigen Species in 
der Natur wichtige Verschiedenheiten des elektrochemischen 
Zustandes Statt finden. Nur Eisenoxydhydrat wird gleich- 
zeitig mit dem Bestehen organischen Lebens gebildet, 
selbst von diesem nur pulveriges, dichtes, oder verbunden 
mit organischen Säuren oder etwa Phosphorsäure. Kohlen- 
'saures Eisenoxydul oder Spatheisenstein ist reduetive kato- 
gene Bildung, erst in Thon. u. s: w.; in grossen Krystallin- 
dividuen erst in älteren Schichten. Schwefelkies, eben- 
falls reductiv, schon in Torf und Thon und in allen ältern 
‚Schichten. Eisenoxydul oder Magneteisenstein bildet Körner 
und Krystalle inıBasalt, in Syeniten ist. er meist derb, wäh- 
rend die Umgebung krystallinisch wird. Der Hämatit, Ei- 
senoxyd, bleibt zuletzt übrig. Er verlangt eine verhältniss- 
mässig zum Druck mehr erhöhte Temperatur. In wahren 


1 


Graniten erscheint nur mehr Eisenglanz und Schwefelkies. 
Nur im Oligoklasgranit ist noch Magneteisenstein. 

Die mannigfaltigsten Pseudomorphosen erscheinen von 
den Eisensteinen unter einander. Noch wurde ein wichti- 
ges Stück vorgezeigt, grosse tafelartige Eisenglanzkrystalle 
von Neuberg, in Spatheisenstein eingewachsen, so dass 
die Individuen des letztern sichtlich zu beiden Seiten der 
Tafeln zusammengehören. Eis schiesst gerade so in Lehm- 
brey an. Aber der Druck dauert während der fortgesetzten 
Eisenglanzbildung fort, der Spatheisenstein verschwindet ,. 
die Blätter werden krummgedrückt , es bleiben statt Spath- 
eisensteinlagern in Thonschiefer , Eisenglimmer, etwa noch 
mit Schwefelkies im Gneiss übrig. 

Die Erzniederlagen von Brauneisenstein, Spatheisen- 
stein, Magneteisenstein, Eisenglanz erscheinen nach allen 
Vergleichungen in ähnlicher metamorphischer und zwar ka- 
togener Reihenfolge wie die aufeinanderfolgenden Zustände 
von ursprüuglich vegetabilischen Producten: Torf, Treibholz, 
Humus, als Anfangspunet , und die Reihe der Braunkohle, 
Alpenkohle, Schwarzkohle, des Anthrazits und Graphits, 
Eine weitere Ausführung dieses Gegenstandes wird in dem 
nächsten Bande der Abhandlungen der königl. Böhmischen 
Gesellschaft der Wissenschaften erscheinen. 


7. Versammlung am 8 Juni, 


Wiener Zeitung vom 20. Juni 1846. 


Herr Dr. Hammerschmidt machte auf die Eigen- 
schaften einiger Conehylien aufmerksam, die Farben 
im Wasser zu verändern, und zeigte diessfalls eine 
durch den bekannten Reisenden Cumming auf den Phi- 
lippinischen Inseln entdeckte Schnecke: Bulimus fulgelrum , 
deren weise Zikzak-Streifen auf gelblicher Grundfarbe im 
Wasser verschwinden, und nur wenn die Schale wieder 
trocken ist, sichtbar werden. Diese Erscheinung wurde durch 
die grössere Porosität und die grössere Wassereinsaugungs- 


= ww 
Fähigkeit der bemerkten Streifen erklärt, wodurch sie durch- 
sichtig, und sohin mit dem durchscheinenden Untergrund 
gleichfärbig werden , ähnlich den Erscheinungen am Hydro- 
phan, Herr Dr. Hammerschmidt erhielt dieses Exemplar 
von Hrn. Cumming selbst, von dem auch mehrere Stücke 
dem k. k. Hof-Naturalien-Cabinette mitgetheilt wurden. 

Herr Dr. Hammerschmidt zeigte ferner einen in 
Bernstein eingeschlossenen Käfer aus der Ord- 
nung der Heteromeren, Unterabtheilung der Vesicantien, 
von der Grösse der Lylla vesicaloria (Spanische Fliege): 
Nach der Ansicht der Herren Dr. Kollar und Dr. Red- 
tenbacher dürfte dieses neue höchst interessante Inseet 
eine neue Gattung bilden. Nähere Untersuchungen werden 
ihm seinen Platz im Systeme geben. 

Endlich wies Herr Dr. Hammerschmidt den Anwe- 
senden eine neue von ihm in Ungarn, in der Gegend von 
Pesth, entdeckte Eidechse, von ausgezeichneter Art vür. 
Dieselbe hat in Grösse und Form Aehnlichkeit mit der bei 
uns in der Gegend von Mödling vorkommenden grossen 
Lacerla viridis, unterscheidet sich jedoch von derselben 
durch rosenrothe, ins Rothbraune schattirte, über den Kör- 
per zerstreute grössere Flecken von 2 — 3 Linien Durch- 
messer auf grasgrünem Grunde, auch zieht sich über den 
Rücken ein olivengrüner Streifen. Das 'Thier ist über einen 
Schuh lang. Das von dem Entdecker dem k. k. Natura- 
lien-Cabinitte zugemittelte Exemplar wurde als eine bis- 
her unbekannte Varietät der Lacerta viridis bestimmt. Da 
Herr Dr. Hammerschmidt nur drei Weibchen und 
kein Männchen fand, so beabsichtigt er, die Aufstellung 
'einer neuen selbstständigen Art bis nach dem Resultate 
einer eben eingeleiteten Aufsammlung von mehreren neuen 
Individuen zu verschieben. 

Hr. A. v. Morlot theilte einige Betrachtungen 
mit. über die im jetzigen Sprachgebrauche als plutonisch 
oder besser als eruptiv bezeichneten Massengesteine. 

Die Wernerische Geologie hatte diese Gesteine den 
geschichteten Gebirgs-Formationen eingereiht und betrach- 
tete sie als darin eingelagert, folglich auch als gleichen 
Alters mit den Schichten, in denen sie auftreten. Es ist 


an 


auch ganz richtig, dass besonders oft in Sachsen, dem 
Geburtslande jener Theorie, der Grünstein der Grauwacke 
so eingelagert, so eng damit verbunden ist, dass man ihn 
gar nicht davon trennen kann, und eigentlich kein Recht 
hat, ihn anders zu betrachten, als es die Schule der Nep- 
tunisten that. 

Allein diese erste einfache Ansicht reichte bald nicht 
mehr aus, es war in der Natur noch mehr und anderes da, 
als Einlagerung, und Hutton in Schottland machte gros- 
ses Aufsehen, als er Granitgänge in Gneiss nachwies,, un- 
„ter Umständen;, die deutlich zeigten, dass der Granit als 
eine flüssige Mndse in den schon bestehenden Gneiss ein- 
 gedrungen war. Die erste nothwendige Folgerung war, 
dass jener Granit jünger sei als der Gneiss, den er durch- 
‚setzte, und dass also der Granit überhaupt kein Urgebirge 
sei. Aehnliche Thatsachen wurden bald mehr aufgestellt, 
man sah die verschiedenen Arten der Massengesteine gang- 
förmig auftreten , folgerte natürlich für alle, dass sie flüs- 
sig gewesen sein müssten, und da man durch die Basalte 
als Mittelglied jene Erscheinungen sehr schnell mit den 
brennenden Vulkanen und ihren Laven verband, so gelangte 
man bald dazu, alle Massengesteine als feurig- flüssig aus 
dem Erdinnern emporgestiegen und in die geschichteten Ge- 
birge eingedrungen, zu betrachten. — Als nun noch La- 
place gerade zu der Zeit auf ganz anderem Wege darthat, 

die Erde sei früher in flüssigem Zustande gewesen, so war 
es kein Wunder, wenn die Ansicht als Lehrsatz aufge- 
stellt wurde, der im Wesentlichen folgender Massen lau- 
tete: Die Erde ist früher in feurig-flüssigem Zustande ge- 
wesen, und hat sich seither stetig abgekühlt; die grösste 
Masse ihres Innern ist aber noch feurig-füssig geblieben, 
und ihre zeitweisen Ausbrüche in die feste Rinde und bis 
an die Oberfläche haben alle Arten von Massengesteinen, 
von Granit bis zur Lava, geliefert.—Die geschichteten kry- 
stallinischen Gebirgsmassen, wie Gneiss und Glimmerschie- 
fer, sollten das Product der ursprünglichen Erstarrung der 
erst feurig-flüssigen Erdoberfläche sein. — So sprachen die 
Plutonisten. 


= ER: > 


Aber auch diese Ansicht, so schön und grossartig sie 
war, konnte bald nicht mehr Alles erklären. Man beobach- 
tete geschichtete Gebirgsmassen, mit allen Andeutungen 
sedimentärer Entsehung , sogar mit eingeschlossenen orga- 
nischen Resten, die aber in der Nähe der sie durch- 
brechenden plutonischen Gesteine einen viel krystallinische- 
ren Charakter annehmen; die organischen Spuren ver- 
schwinden, und man gelangt durch solehe Uebergänge zu 
dem, was man für ein ursprüngliches Erstarrungs- Product 
der flüssigen Erdoberfläche hielt. — Man modificirte daher 
die Theorie, die geschichteten Urgebirge verschwanden 
nan auch, und man sagte, sie wären früher Sediment-For- 
mationen gewesen, die aber durch den Contact der plutoni- 
schen Massen und die Einwirkung grosser Hitze umgewan- 
delt worden wären. — Das ist die Lehre des Metamor- 
phismus, wie sie in ihrem gegenwärtigen ersten Stadium 
von Leopold v. Buch begründet, und von Lyell ver- 
fochten wird, und was mit Recht Contactmetamorphis- 
mus genannt werden kann. 

Aber auch mit diesem reicht man nicht mehr aus. 
Keilhau in Schweden und Studer in der Schweiz zei- 
gen, dass viele eminent metamorphische Gebirgsmassen in 
keinem siehtlichen Zusammenhange und Contact mit wirk- 
lichen plutonischen Massen stehen, deren Contactwirkung , 
im Kleinen oft aber gar nicht zu bemerken, gewiss über- 
trieben worden ist. — Es scheint, als ob der Prozess der 
Metamorphose im Innern der Gebirgsmasse selbst, ohne 
äusseren Einfluss vor sich gegangen sei, und es schwebt 
ein noch sehr dunkler, schwankender Begriff vor, zu des- 
sen bestimmterer Entwickelung ein passender Nahme als 
Erkennungs-Symbol das Seinige beitragen kann. Es wird 
daher vorgeschlagen, im Gegensatze zum erläuterten Con- 
tact - Metamorphismus, diesen entstehenden Begriff als La- 
iente Metamorphose zu bezeichnen. 

In der Entwickelungsgeschichte der Geologie zeigt sich 
das Verdienst der theoretischen Speculationen "umfassender 
Geister. — Dem grossen Werner verdanken wir den er- 
sten ordnenden ‚Begriff der sedimentären, geschichteten , 
regelmässigen Structur der Erdrinde überhaupt. — Hutton 


RT. 


und die Plntonisten haben uns mit den nicht geschichteten, 
mit den Massengesteinen bekannt gemacht. — Leopold v. 
Buch, als Repräsentant des Contact -Metamorphismus hat 
die grosse Wahrheit der Umwandlung der Gebirgsmassen 
zur Anerkennung gebracht. — Was die latente Metamor- 
phose bringen wird, ob sie den innern, tiefern Zusammen- 
hang der sedimentären, der metamorphischen und der erup- 


tiven Massen aufdecken wird — das wird die Zeit, die 
alles reift und alles richtet, und alles umwandelt — 
zeigen. 


Um aber wieder auf die Massengesteine zu kommen, 
so betrachte man sie in Beziehung auf ihre geologisch-geo- 
graphische Verbreitung. Es fällt sogleich auf, dass ihr Auf- 
treten an gewisse Gesteinsregionen geknüpft ist. Der charak- 
teristische Grauwackengrünstein ist nieht nur innig verbun- 
den (nach Werner eingelagert) mit der Grauwacke , son- 
dern er tritt fast ausschliesslich nur in der Region der Grau- 
wacke auf. Wo man Grauwacke auf den geologischen Kar- 
ten verzeichnet findet, da findet man gewöhnlich Lager, 
Stöcke, Gänge von Grünstein, oft sehr zahlreich in der Ge- 
gend zerstreut; aber so wie wir die Gränze des Grau- 
wackengebirges überschreiten und auf Thonschiefer oder 
Kohlenformation treten, so verschwinden alle Spuren des 
Grünsteines und wir stossen entweder auf Melaphyr im 
Kohlengebirge oder auf Eurite im 'Thonschiefergebiet. — 
Noch auffallender und schon lange erkannt ist der Verband 
zwischen Rothliegendem und roihem Quarzporphyr. Nichts 
häufiger im Gebiet des Rothliegenden als die Eruptionen 
des Porphyrs , während man ihn selien anderswo antrifft. — 
Die schöne geologische Karte von Sachsen zeigt uns die 
grosse Granulit-Insel von Mitweyda und Waldheim voller 
Serpentinkuppen und Züge, aber über die Gränze des Gra- 
nulits hinaus, im älter sein sollenden Glimmerschiefer und 
Thonschiefer, der die Insel rings umgibt, keine Spur mehr 
davon. 

Dass, in Sachsen wenigstens, der Granit bloss im soge- 
nannten Urschiefergebirg vorkommt, im Gneiss und Glim- 
merschiefer, wäre nicht so auffallend, denn, wenn der Gra- 
nit zu den ältesten Eruptionen gehört, die vor der Ablage- 


a 


rung der Grauwacke und folgenden Schichtenmassen Statt 
fanden, so ist es natürlich, dass er diese nicht durchbre- 
chen konnte. Anders ist es aber z. B. mit dem Grünstein. 
Wenn er in die Grauwacke von unten eingedrungen ist, so 
konnte es erst nach Bildung desselben geschehen, also zur 
Zeit, wo Thonschiefer, Glinimerschiefer und Gneiss schon 
da waren. — Warum ist aber der Grünstein nicht auch in 
diese gedrungen, warum der Serpentin nur in den Granulit, 
der rothe Prophyr fast ausschliesslich nur in den rothen Sand- 
stein? — Wenn diese Eruptivgebilde aus dem feurig - flüssi- 
gen Erdkern kommen, so hätten sie ziemlich gleichgiltig an 
verschiedenen Orten die feste Erdrinde durchbrechen sollen. 
Wie ungenügend ist hier die plutonische Lehre — wie soll 
es die Contact - Metamorphose deuten! — — Man könnte 
wohl sagen, dass, so wie die Eruptivgebilde die geschich- 
teten Massen umgewandelt hätten, so hätten auch umge- 
kehrt , nach dem Prineip von Wirkung und Gegenwirkung, 
die verschiedenartigen geschichteten Massen, die sie durch- 
brechenden feurigen Gebilde modificirt, so dass aus einer 
und derselben feurig-flüssigen Grundmasse , je nachdem sie 
in Gneiss, Granulit, Grauwacke oder Sandstein (um bei 
diesen zu bleiben), eindrang — Granit, Serpentin, Grün- 
stein oder Porphyr wurde. 

So führt das System der Contact- Metamorphose noth- 
wendig auf ein entsprechendes: die inverse Metamor- 
phose. — Allein die gleichen Einwürfe , die gegen die er- 
stere gelten, treffen auf diese im vollen Masse. 

Eine andere Vermuthung lässt sich noch aufstellen. Legt 
man alle früheren Systeme bei Seite, erwägt man gewisse 
Vebergänge von metamorphischen Gesteinen in eigentlich 
massige oder eruptive und hedenkt, dass diese Erscheinung 
von selbst darauf hinleitet, beiden den gleichen Ursprung 
zuzuschreiben, beide als das Resultat einer gleichen nur zu 
verschiedener Intensität gesteigerten Ursache zu erken- 
nen ,,— so wird man auf den Gedanken gebracht, die Erup- 
tivgebilde seien nichts anders als die in grösserer Tiefe bis 
zum höchsten Grade der Umwandlung, dem Flüssigwerden 
gebrachten Sedimentbildungen. 


= us 


Dieser Umstand, den Mohs besonders lebhaft gefühlt 
und tief erwogen zu haben scheint, — mag ihn auf den so 
sonderbar klingenden Begriff der gleichzeitigen Ent- 
stehung gebracht haben. Allein es ist klar, dass dieser 
Begriff eigentlich in demjenigen der latenten Metamor- 
phose enthalten ist. Es wäre allerdings z. B. der Gra- 
nit mit dem Gneiss, in den er gangförmig aufsetzt , streng 
genommen —- gleichzeitiger Entstehung, — denn er ist 
aus der gleichen sedimentären Masse, — aus der gleich- 
zeitig der Gneiss durch dieselbe Ursache hervorging — ent- 
standen. 

So aufgefasst , hatte Mohs vollkommen Recht. 

Die erwähnten Eruptivgebilde brachen nur in dem Ge- 
biete der sie liefernden Sedimentmassen hervor, deren 
petrographischen Charakter sie auch mehr eder weniger tra- 
gen, — daher in den Regionen, wo sie hervorbrechen,, die 
Sedimentmassen auch oft bis an die Oberfläche Spuren 
von mehr oder weniger weit gediehener Umwandlung zei- 
‘gen. — Die Eruptivmassen wären sonach die Folge, das 
Product, die Wirkung der Metamorphose und nicht, wie 
bisher angenommen wurde, die Ursache derselben. — Das 
"Wie und Warum dieses Prozesses zu erklären, ist vorläu- 
fig nicht möglich, man sieht aber, dass die ganze Ideen- 
verbindung wieder auf neuem Wege direct zum Begriff der 
latenten Metamorphose führt. 

Vom Trachyt ist nicht gesprochen worden, weil er im 
Ganzen weniger bekannt ist. Jedoch scheint er im Allge- 
meinen mehr am Rande der grossen tertiären Becken auf- 
zutreten und ist, in Ungarn und Siebenbürgen wenigstens, 
auf eine merkwürdige Weise mil der " Tertiärformation ver- 
bunden, es walten da ganz andere Umstände vor als im 
mittleren Frankreich. 

Der Basalt hingegen bildet eine grosse vollständige 
‘Ausnahme von den Regeln, die das Auftreten der älteren 
Massengesteine bedingen. Er durchbricht gleichgültig alle 
Formationen und alle Gesteine, vom Granit und Gneiss bis 
zum Trachyt und den jüngsten Tertiärschichten inbegrif- 
fen, — und bleibt dabei doch beständig gleich in seinem 
mineralogischen Charakter. — Es mag aber auch voreilig 


A 


gewesen sein, wenn man ohne weiters den Basalt mit den 
ältern plutonischen Massen verbunden hat, er schliesst sich 
eng an die neuern Laven an und ist oft selbst ausgezeich- 
net vulkanisch. Was aber die eigentlichen vulkanischen 
Bildungen anbelangt, so ist es eiustweilen gar nicht nö- 
thig, sie durch latente Metamorphose zu erklären, beson- 
ders da sie so wenig tiefer erforscht sind; auch ist es gar 
nicht gesagt, dass die eine Theorie alles erklären solle, 
es passt ja nicht alles auf den gleichen Leisten. 

Hier dürfte erwähnt werden, dass Bergrath Haidin- 
&er auf rein mineralogischem Wege, durch tieferes Stu- 
dium der Pseudomorphosen auf den nähmlichen Begriff der 
latenten Metamorphose gebracht wird. Seine systemati- 
schen Erklärungen der Umwandlungsprozesse reichen schon 
weit, können und müssen freilieh noch bestritten werden; 
aber die Thatsache steht fest, dass im Innern der Gebirgs- 
massen die sie zusammensetzenden Mineralkörper vielfache 
nnd mitunter regelmässig geordnete vollständige Umwand- 
lungen erleiden. _ 

Herr vonM ooriot fügte noch folgenden wörtlichen Aus- 
zug aus Felix de Boucheporn, „Eludes sur Chistoire 
de la lerre etc. Paris 1844,* Seite 265, bei, um zu zei- 
gen, dass auch Andere und schon früher auf die ähnlichen 
Folgerungen gekommen sind: „„Betrachtet man im weiteren 
geologischen Sinne die plutonischen Gebirgsmassen, . so 
kann man nicht umhin , zu bemerken, dass bei mehreren 
ein gewisser Verband zwischen ihnen und den Sediment- 
massen, mit welchen sie gewöhnlich auftreten, obwaltet. 
Die Verbindung der Serpentine und der Talkschiefer , der Por- 
phyre mit den Sandsteinen, der Eurite mit den Thonschie- 
fern, der Grünsteine mit den Kalksteinen, ist eben so be- 
kannt, wie diejenige der Gneisse mit den Graniten.“ 

„Dieser Umstand war den tiefen Mineralogen Deutsch- 
lands nicht entgangen, und sie hatten diese Felsarten in 
die Gebirgsformationen eingereiht. Der Einfluss der Ideen 
Huttons, die dahin gingen, alle plutonischen Gebilde als 
aus dem Erdinnern heraufgedrungen zu betrachten, verdun- 
kelte den Begriff dieses merkwürdigen Verbandes. — Aber 
die Theorie des Metamorphismus durch den Contaet feuri- 


= MW > 


ger Massen, eire moderne Ableitung aus den Hutton i- 
schen Ideen scheint. wieder auf jenen Weg zurückzufüh- 
ren. Nur scheint es, als ob diese 'Theorie, einer Seits 
übertrieben, anderer Seits zu beschränkt worden ist, 
nähmlich in Bezug auf die plutonischen Massen, welche 
gewisse Sedimentformationen stets beg'eiten. — Oder bes- 
ser gesagt, die Rolle des Metamorphismus ist ganz umge- 
kehrt worden; es war verkehrt, die plutonischeu Massen 
als die Ursache der Metamorphose anzusehen, — es sind 
vielmehr die plutonischen Massen die Wirkung der Meta- 
morphose.‘“* 

Herr Dr. Ludwig K. Schmarda theilte einige Be- 
merkungen mit: Ueber die Verbreitung der wirbel- 
losen Thiere an mehreren Puncten der nördlichen Kü- 
sten des adriatischen Meeres mit besonderer Berücksichti- 
gung der Meeres- Fauna der venetianischen Lagu- 
nen und der Umgebung von Triest. 

Zwerst erwähnte er die Arbeiter der ältern Forscher: 
V. Donati, @ OlJivi, B. Zendrini, dann die von 
St. Renieri, die Fauna venela von G. v. Martens in 
dessen Reise nach Venedig. In neuester Zeit haben sich 
D. Nardo, Gravenhorst, Grube, Will, durch die 
Beschreibung neuer Thiere um die nähere Kenntniss ver- 
dient gemacht. In Triest befindet sich Hr. Koch, ein äus- 
serst fleissiger Sammler und Beobachter, der im Besitze 
einer Menge Notizen über das Vorkommen der Thiere ist, 
eine sehr belehrende Sammlung von Seethieren angelegt 
hat und in jeder Beziehung die Aufmerksamkeit der reisen- 
den Naturforscher verdient. 

Die venetianischen Lagunen liegen beinahe in der Mitte 
der mit dem Meere communicirenden Seen und Sümpfe, die 
in eınem Bogen von Grado bis Comacchio die venetianische 
Ebene begränzen; sie verdanken ihren Ursprung den Flüs- 
sen, die von den Alpen in das adriatische Meer strömen und 
durch ihre Niederschläge die Bildung der Inseln und Dü- 
nen bedingten. Die Länge der venetianischen Lagunen be- 
trägt 30 ıtalienische Meilen, die Breite A—8; die Oberfläche 
bei 180 italienische Geviertmeilen. Durch fortlaufende Dämme 
sind sie gegen die Landseite vor der Verschlammung 


Eur et 


durch die süssen Gewässer geschützt, gegen die Seeseite 
durch die Lidi. 

Die Lidi sind lange schmale Inseln, die, obwohl be- 
baut, noch jetzt ihren Charakter als Dünen zeigen, und 
schützen die Lagunen vor Stürmen. Durch die grössere 
Ruhe des Meeres in den Lagunen, durch den weichen 
schlammigen, nur in den tiefen Wasserrinnen thonigen 
Grund und die geringe Tiefe wird der Fauna ein eigen- 
thümlicher Charakter gegeben. 

Man unterscheidet die todte und die lebendige Lagune. 

Die todte Lagune ist grössten Theils trocken und: theil- 
weise mit Vegetation bedeckt; nur zur Zeit hoher Fluthen 
wird sie unter Wasser gesetzt. Sie ist von einer unzähl- 
baren Menge Wasserrinnen der verschiedenartigsien Grösse 
durchfurcht und wird dadurch in Bänke getheilt, zwischen 
denen sich oft grosse Wasserbebälter (Salzseen) befinden. 
Die Gräben wimmeln von Nereiden und trägen Crustaceen, 
auch viele Muscheln finden sich, sehr häufig Cardium. Die 
Seen sind von wirbellosen Thieren und Fischen bevölkert 
und dienen grossen Schwärmen von Seevögeln zum Auf- 
enthalte. 

Die lebendige Lagune ist vom Wasser überfluthet,, das 
zur Zeit der Ebbe durch die Gräben und Kanäle grossen 
Theils abfliesst und der Lagune dann das Aussehen eines 
Morastes ertheilt. Männer, Knaben und Weiber durchwa- 
ten dann den Schlammgrund, um zwischen den Seege- 
wächsen Muscheln und Krabben zu sammeln. Hier finden 
sich am zahlreichsten Cancer Moenas » Cardium rusticum 
und Solen cultellus , von Würmern, die Nachts im bläuli- 
chen Lichte glänzende Polynoe fulgurans. 

In den tieferen Theilen bleibt jedoch das Wasser auch 
zur Zeit der Ebbe; hier bilden Ulven und Conferven einen 
in der Fluth leicht beweglichen üppigen Rasen, auf dem 
Ophiuren und kleine Asterien langsam kriechen; hier sitzen 
Seeanemonen und die träge Bulla hydalis, Muscheln und 
Crustaceen verbergen sich unter dem wallenden grünen 
Teppich. Dort, wo der Grund einen Zusatz von Sand hat, 
findet sich die Zostera , unter deren Wurzeln der nest- 


bauende Gobius niger seine Wohnung für die Laichzeit 
anlegt, die er bis zum Ausschlüpfen der Jungen beschützt. 

Die Lidi bieten an ihrer der hohen See zugewendeten 
Seite dem Forscher einen grossen Reichthum zweischaliger 
Mollusken, die im Sande stecken und deren Schalen den 
Strand besonders nach Stürmen in bedeutender Zahl be- 
decken, Am häufigsten finden sich mehrere Arten von So- 
len, Tellina , Mactra und Donax. Die Schalen der im Sande 
der Dünen lebenden Muscheln sind im Ganzen schöner, 
glänzender und glatter als die der Lagunen aber auch brü- 
chiger. Von Crustaceen kommt Cancer depuratus sehr 
häufig vor, der sich beinahe blitzschnell im Sande vergräbt, 
sobald er eine Gefahr bemerkt. Von Anneliden findet sich 
Arenicola zahlreich im Sande. — Im Muschelsande finden 
sich auch kleine Serpula- und Dentalium- Arten und nach 
Martens mehrere kleine Nautilus und Nummulites 
radialus. 

Der Lido von Palestrina ist durch einen kolossalen 
Marmordamm (die Murazzi) gegen den Andrang des Mee- 
res geschützt und an seinen vom Wasser bespülten Thei- 
len von Seethieren anderer Art bevölkert. Ausser ganzen 
Colonien von Miesmuscheln, welche die Steine umspinnen, 
finden sich Balanus, Trochus, Patella, Cancer marmoralus 
und C. poressa am öftesten. Es ist eine Aehnlichkeit sicht- 
bar mit der Fauna der östlichen Meeresufer. 

Die Ufer an der gegenüberliegenden Küste sind stei- 
ler, das Meer selbst in geringeren Entfernungen vom 
Ufer tiefer, die Meeresströmmung stärker und schneller, 
der Grund nicht schlammig, sondern selbst am Strande 
sandig oder felsig. Hier finden sich Pholas, Haliotis, 
Patella, Chiton, Fissurella, Rostellaria, Murex. Die 
Gasteropoden herrschen vor, während an der venetiani- 
schen Küste die Bivalven überwiegen , welche sich mit 
ihren schwächeren Bewegungswerkzeugen in dem lockern 
Boden leicht eingraben können. Von Crustaceen finden sich 
ausser den bei den Murazzi genannten eine grosse Zahl 
von Isopoden, die sich unter den Steinen verbergen. 

Herr Bergrath Haidinger zeigte die eigenthümliche 
Vertheilung der Farben im Amethyste. Seit län- 


A 


gerer Zeit mit der Aufsuchung der Gesetze beschäftigt, ge- 
lang esihm erst kürzlich, sie deutlich zu orientiren. Der Ame- 
thyst ist ein trichromatischer Körper, oder zeigt drei ver- 
schiedene Fundamental-Farbentöne in verschiedenen Rich- 
tungen, obwohl die Krystalle in das rhomboedrische Sy- 
stem gehören. Haidinger beobachtete die genauere Son- 
derung nach den Krystallflächen zuerst an einer Platte in 
dem physikalischen Kabinett der k. k. Universität, die ihm 
von Herrn Regierungsraih von Ettingshausen mitge- 
theilt wurde. Seitdem liess er mehrere Krystalle, aus dem 
k. k. Hofmineralien-Kabineite von Hrn. Kustos Partsch 
erhalten, in den geeigneten Richtungen schleifen, und diese 
wurden, nebst mehreren anderen Amethysten vorgezeigt. 
Die Austheilung der Farbe ist nun so: Schon im gewöhn- 
lichen Lichte ist die violblaue Farbe des Amethystsam meisten 
röthlich, wenn man senkrecht auf die abwechselnden brei- 
ten Flächen der Quarzoide oder sechsseitigen Pyramiden 
hinsieht. In demselben optischen Hauptschnitte, also die 
Axe weder rechts noch links geneigt, aber in der Rich- 
tung jener Fläche (P der Krystallographen) ist die Farbe 
mehr blaulich violett. Eine dritte Richtung, senkrecht auf 
beiden vorhergehenden gibt ein mittleres Violett. Nennt 
man die Farbe in der genannten Folge 1, 2 und 3, so 
zerlegt sich durch die dichroskopische Loupe 1 in ein obe- 
res schönes Violblau und ein unteres Rosenroth, 2 in ein 
oberes eben solches, schönes Violblau, und ein unteres 
Blassblau oder Blaulichweiss. Die dritte Farbe wird nicht 
nach den beiden vorhergehenden orientirt, oder senkrecht 
darauf zerlegt, sondern gibt nach der Richtung der rhom- 
boedrischen Hauptaxe der sechsseitigen prismatischen und 
pyramidenförmigen Krystalle ein oberes röthliches und ein 
unteres blauliches Vioiblau. Der Amethyst unterscheidet sich 
also von allen anderen pleochromatischen Körpern durch 
diese Farbenzertheilung, die gewiss mit der Circularpolari- 
sation des Quarzes zusammenhängt. 

Bergrath Haidinger bemerkte noch, dass man schon 
. durch eine senkrecht auf die Axe geschnittene Amethyst- 
platte gegen linearpolarisirtes Licht gesehen, die röthlichen 


Farbentöne nach Kreuzen und den begleitenden Räumen 
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I, 4 


orientirt wahrnehmen kann, eıne Erscheinung, welche 
durch eine linearpolarisirende Platte," eiwa von Turmalin 
zum vollständigen Kreuze mit den farbigen Ringen der ein- 
axigen Krystalle gesteigert wird. 

Der Amethyst zeigt nähmlich_als aus Schichten rech- 
ter und linker Quarz - Individuen zusammengesetzt , diese 
Erscheinung vollständig. 


8. Versammlung, am 15. Juni. 


Wiener Zeitung vom 2. Juli 1846, 


Am 15. Juni gab Herr Dr. Morız Hörnes einen 
LVeberblick der fossilen Säugethiere des Wiener 
Beckens. Er wies nach, wie höchst interessant das Stu- 
dium derselben sei, indem wir nicht nur dadurch neue 
merkwürdige Thierformen kennen lernen, welche oft Lüc- 
ken in den Systemen der lebenden Thiere ausfüllen, son- 
dern auch in geognostischer Beziehung Aufschluss über die 
Stellung der Schichten, in welchen sie begraben sind, er- 
halten. Bis jetzt wurden im Wiener Becken Reste von 
20 Arten fossiler Säugethiere aufgefunden und zwar: Aus 
der Familie Ursina, Bären, Ursus spelaeus, Blumenbach, 
Höhlenbär. Der Schädel des Höhlenbären war etwa um 
ı/, länger als der des braunen und schwarzen, übrigens 
war diese Art eiwas schlanker und grösser als unsere jet- 
zigen Bären. Aufgelunden wurden hiervon 2 lose Eck- 
zähne und 4 Backenzähne aus dem Tuffsteinbruch zu Neu- 
stift bei Scheibbs V. ©. W. W., ferner ein ganzer Schä- 
del in der Gegend von Kremsmünster. — Aus der Familie 
Cunina, Hunde, Hyuena spelaeu, Goldfuss, Höhlenhyäne. 
Die Hyänen, welche bekanntlich gegenwärtig nur Afrika 
und das südliche Asien bewohnen, erscheinen in Europa 
bei Beginn der Tertiär-Epoche nnd waren in der Diluvial- 
zeit häufig in Deutschland, Frankreich und Belgien zu fin- 
den. In ihrer Zahnbildung ist diese Hyäne der noch leben- 
den sehr ähnlich, übertraf dieselbe jedech ar Grösse. Auf- 


— Bir = 


gefunden wurden 2 Eckzähne, der eine am Kalvarienberg 
bei Baden, der andere zu Dorf Mauer bei Wien. — Aus 
der Familie der Mäuse, Murina, Cricelus vulgaris Kaup, 
Hamster. Im verflossenen Jahre wurden 2 schöne, wohler- 
haltene Schädel von diesem Thiere in Pötzleinsdorf aus einer 
Tiefe von anderthalb Klaftern ausgegraben. — Aus der Fa- 
milie der Proboscidea , Rüsselthiere, Zlephas primigenius ; 
Blumenbach. Der vorweltliche Elephant oder Mammuth 
war wenig grösser als der noch lebende asiatische Elephant; 
welchem er auch am nächsten verwandt war. Ausgegraben 
wurden: mehrere Backenzähne in der Gegend von Krems 
und in Tuln, ein 8 Schuh langer, 4 Zoll dicker, sehr stark 
gekrümmter Stosszahn, Schulterblatt- und Fusswurzelkno- 
chen in Rabensburg in Unterösterreich, eine schuhlange, drei- 
eckige Spitze eines Stosszahnes zu Rakowetz bei Pawlowitz 
in Mähren («bei Gelegenheit der Anlage der Eisenbahn), ein 
Bruchstück eines Stosszahnes im Seitenstetter-Hof in Wien. 
— Aus derselben Familie, dem vorweltlichen Elephanten am 
nächsten steht Mastodon anguslidexs, Cuvier. In seiner 
Bildung zeigt dieses Thier auffallende Aehnlichkeit mit der 
des Elephanten, unterscheidet sich jedoch durch die Construe- 
etion der Mahlzähne, welche beim Elephanten aus einer ge- 
wissen Anzahl senkrecht geschichteter Blätter gebildet sind, 
eine sehr flache Krone haben und nur wenig über das Zahn- 
fleisch erhaben sind. Die Mahlzähne des Mastodons hingegen 
bestehen nicht aus vertikal geschichteten Blättern, ihre Kro- 
nen sind mit Hökern und Zacken besetzt, welche am lebenden 
Thiere hoch über das Zahnfleisch hinausragen mussten. Am 
31. Juli 1827 wurden im nordöstlichen Theile der grossen Sand- 
grube am Rennwege nächst dem Belvedere in einer Tiefe 
von ungefähr S Wiener Klafter 2 vollkommen erhaltene 
rechte und linke Unterkieferhälften, jede mit 2 Mahlzähnen, 
dann mehrere lose Zähne und ein von der Spitze bis an die 
Wurzel 7 Schuh langer, am Grunde 5 Zoll dicker Stosszahn 
ausgegraken — ausserdem wurde noch eine wohlerhaltene 
rechte Unterkieferhälfte mit 2 Mahlzähnen von dem k. k. 
Herrn Hofrathe Grafen A. Breunner bei Grafenegg 
nächst Krems und ein Kieferfragment mit mehreren losen 
Zähnen im Leithakalk beiBruck an der Leitha aufgefunden. 


[7 > 


4 


a 


— Aus derselben Familie haben wir noch anzuführen das Dino- 
I!herium , von öswog fürchterlich, und Onpıo» wildes Thier; 
diese von Klipstein im tertiären Sande von Eppelsheim ent- 
deckte Gattung weicht durch ihre zwei grossen abwärts und 
rückwärts gebogenen Stosszähne im Unterkiefer, so sehr 
von den bekannten 'Thierformen ab, dass die Ansichten, ob 
das Dinotherium ein Land - oder Wasserthier war , noch im- 
mer getheilt sind. Vom Dinolherium kommen im Wiener 
Becken 3 Arten vor: Dinolherium giganleum Kaup;, 
medium Kaup, und Cuvieri Kaup. Von der ersten 
Art wurden 2 vollständige rechte und linke Kieferhälften, 
jede mit 5 Zähnen, ın Eisgrub in Mähren, mehrere Backen- 
zähne in Wilfersdorf, Bruck an der Leitha und in der Sand- 
srube nächst dem Belvedere aufgefunden. Von der zwei- 
ien Art kennt man einen Zahn von Enzersdorf bei Mödling 
‚und die dritte Art wird durch mehrere Zähne von Neu- 
dörfel bei Schlosshof repräsentirt. Aus der Familie der 
Pachydermala, Dickhäuter, Rhinoceros lichorhinus Cu- 
vier. Ein von dem gegenwärtig lebenden Rhinoce- 
ros wenig verschiedenes Thier. Nur Asien und Afrika 
beherbergt die noch lebenden Arten. In der jüngern Ter- 
tiär- und der Diluvialzeit hingegen spielten die nun fossi- 
len Rhinocerosarten auch in Europa eine mächtige Rolle, 
und hatten so ziemlich dieselbe Verbreitung wie der Mam- 
muth. Aufgefunden wurden von dieser Art nur 2 Mahl- 
zähne am Kalvarienberg bei Baden. Desto häufiger kom- 
men im Wiener Becken Reste von einer zweiten Art vor, 
welche aber Kaup, da diese Thiere kein Horn haben, als 
eigene Gattung trennte, und Acerolherien chornlose Thiere) 
nannte. — Von dieser Gattung ist es insbesonders das 
Acerotlherium ineisivum Kaup, von welchem man meh- 
rere Theile des Skeletes in den verschiedensten Schich- 
ten auffand, denn es wurden nicht nur ein ganzer wohl- 
erhaltener Oberkiefer mit 14 Zähnen, sondern auch Unter- 
kieferhälften aus einer Tiefe von 7 Klaftern in der Ziegelei 
zu Inzersdorf am Wienerberg zu Tage gefördert; auch 
wohlerhaltene .Unterkiefer aus dem Leithakalk zu Loretto 
und zu Goyss am Neusiedlersee,, endlich sogar ein Kiefer- 
fragment aus der Braunkohle des Braunkohlenwerkes des 


— 53 — 


Herrn A. Miesbach in Gloggnitz ausgegraben. — Mehrere 
lose Zähne wurden in Bruck an der Leitha, Eisgrub , Kal- 
varienberg in Baden und in Hohenwarth bei Mühlbach 
nächst Krems aufgefunden. — Aus derselben Familie ist 
noch zu erwähnen Palaeotherium aurelianense Cuvier. 
(raAacos alt) dem Tapir ähnliche Thiere mit bewegli- 
chem Rüssel an einem dicken Kopf. Aufgefunden wurden 
2 lose Zähne im Leithakalk bei Bruck an der Leitha. Aus 
der Familie der Seligera, Borstenthiere, Anthracolherium 
Cuvier, Kohlenthier (av$pa& Kohle, da zwei der zu- 
erst bekannt gewordenen Arten derselben in Steinkohlenla- 
gern gefunden wurden), ein Thier, welches die nächste 
Verwandschaft mit der Gattung der Bisamschweine, Dico- 
iyles Cuvier, hat. Von dieser Gattung kommen im 
Wiener Becken 2 Arten vor: Anthracolherium vindobo- 
nense Partsch, ein Kieferfragment mit 6 Mahlzähnen und 
einem Eckzahn aus der Sandgrube nächst dem Belvedere; 
Anthracolherium neosladense Partsch, eine vortreif- 
lich erhaltene Kinnlade mit 6 Zähnen in Braurkohle ein- 
geschlossen, aus dem Braunkohlen-Bergwerke von Schauer- 
leiten bei Wiener Neustadt. — Aus der Familie der Solid- 
ungula, Pferde, Eguus fossilis v. Meyer; dieses Thier- 
war dem lebenden Pferde höchst ähnlich und hatte etwa 
die Grösse des Zebras. -- Von seinen Ueberresten ist das 
Diluvium von Europa und Asien, wo es grössten Theils mit 
dem Nashorn und Mammuth lebte, oft ganz erfüllt. Es wur- 
den mehrere Backenzähne zu Gurhof bei Melk, zu Oeden- 
burg und in der Sulz bei Kaltenleutgeben aufgefunden. 
Von diesem Genus trennte Kaup 2 Thierformen, welche 
sich bei aller Aehnlichkeit mit'den Pferden durch ihre Ba- 
ckenzähne, deren Schmelzschicht viel zahlreichere zickzack- 
artige Falten bildet, von denselben ;unterscheiden, und 
nannte sie Hippolherium, Pferdethier (inzos Pferd). Von 
diesem Hippotherium kommen im Wiener Becken 2 Spe- 
cies ver: Hippolherium gracile Kaup, welches dem 
Maulthiere an Grösse glich. — In den Ziegeleien bei Laa 
am Wienerberge wurde ein. ganzer wohlerhaltener Oberkie- 
fer mit allen Backen- und Schneidezähnen ausgegraben , 
auch zu Inzersdorf wurden mehrere Zähne zefunden. 


Hippotherium nanum K a up, von der Grösse eines klei- 
nen Esels. Aufgefunden wurden hiervon eine wohlerhal- 
tene rechte Kinnlade mit 7 Backern- und 6 Schneide- 
zähnen, dann ein Schienbein mit den Fusswurzelknochen 
und dem Hufe in dem Braunkohlenwerke von- Glogg- 
nitz, dann mehrere Backenzähne und ein Kieferfrag- 
ment, nebst vielen Röhrenknochen, aus der Ziegelei am 
Wienerberge bei Laa. Aus der Familie der Tylopoda , 
Kamehle, Palaeomeryx Kaupii v. Meyer; von den 
Hirschen durch Mangel eines Geweihes und durch hervortre- 
tende Eckzähne verschieden. — Aufgefunden wurden hier- 
von 5 lose Backenzähne in dem Leithakalk bei Manners- 
dorf. Aus der Familie Cervina, Hirsche, Cervus me- 
gaceros Hart., der Riesenhirsch oder vielmehr das Rie- 
sen-Elenn war nicht grösser als das gemeine Rennthier, 
hatte aber ungeheure Geweihe , die nicht selten 6 Fuss lang 
und deıen oberste Enden 12 bis 13 Fuss von einander ent- 
fernt waren. Man kennt davon ein Kieferfragment mit 2 
wohlerhaltenen Backenzähnen vom Kalvarienberg bei Ba- 
den. Aus der Familie der Phocina, Robben, Phoca vi- 
ulina Lin., der gemeine Seehund; das Gebiss dieser 
Thiere ist dem der Raubthiere ähnlich. Im Pesther Uni- 
versitäts- Museum befindet sich der ganze wohlerhaltene 
Hinterfuss mit den Fusswurzelknochen von Holitsch in Un- 
gSarn. Endlich aus der Familie der Sirenae, oder Seekühe, 
Halitherium Cristolü Fitzinger, ein dem Dugong 
sehr verwandtes Thier. Im April 1839 wurde aus den 
nächsten Sandgruben bei Linz ein wohlerhaltener Unter- 
kiefer ausgegraben, welcher gegenwärtig eine Zierde des 
Museums Francisco -Carolinum daselbst ist, auch wurde 
ein Backenzahn zu Wallsee V. ©. W. W. aufgefunden. — 
Der grösste Theil dieser zwanzig Arten fossiler Säuge- 
thiere kommt im Diluvium vor, eine bedeutende Anzahl ist 
im Leithakalk vergraben und nur wenige finden sich in den 
Sandieisten, welche Lagen im Tegel bilden. Herr Dr. Hör- 
nes erwähnte noch, dass alle angeführten Reste, mit Aus- 
nahme der zwei zuletzt genannten, im k. k. Hof-Minera- 
lien- Kabinett aufbewahrt werden, auch erläuterte derselbe 


seine Mittheilung durch Vorzeigen einer grossen Anzahl 
höchst genauer und schöner Zeichnungen. 

Herr Professor Leydolt erläuterte durch mehrere vor- 
gezeigte Schaustufen die besondere und merkwürdige Bil- 
dung des Schriftgranites. Er zeigte, dass dieses Ge- 
birgsgestein aus sehr grossen mehr oder weniger regelmäs- 
sigen Individuen von Feldspath zusammengesetzt ist, in 
welchen oft eine sehr grosse Anzahl, von Quarz -Individuen 
und einzelne hlattförmige Kıystalle von Glimmer einge- 
wachsen sind. — Da der Feldspath innerhalb gewisser 
Grenzen immer einem und demselben Individuum angehört, 
so ist dadurch die am Schriftgranite schon längst beobach- 
tete eigenthümliche Theilbarkeit hinlänglich erklärt. Beson- 
ders merkwürdig ist, dass die in einem Iodividuo einge- 
wachsenen Krystalle ven Quarz, oft viele Hunderte an 
Zahl, sich alle in paralleler Stellung befinden, also alle 
nach einem gleichen Gesetze gebildet wurden. Wo zwei 
von solchen Feldspath - Individuen zusammenstossen , stö- 
ren sie sich gegenseitig in der Bildung, und sie werden 
daher nicht von Krystall- sondern von Zusammensetzungs- 
flächen begränzt, und es zeigen sich also auch beim Zer- 
schlagen eines grossen Stückes von Schriftgranit dreierlei 
Flächen, nähmlich Zusammensetzungs-, 'Theilungs- und 
Bruchflächen. Wenn man bedenkt, welche grosse Wich- 
tigkeit die Zusammensetzungs- Flächen in der Geognosie 
haben, wie schwer sie oft zu erkennen sind, und wie sel- 
ten sie richtig erkannt werden, so wird man leicht den 
Nutzen einsehen, den das genaue Studium dieser Flächen 
am Schriftgranite gewährt. 

Wenn im Schriftgranite Drusenräume sich befinden, so 
bilden sich in diesen grosse Feldspath-Kırystalle, aus wel- 
chen dann viele Krystalle von Quarz in paralleler Lage 
hervorragen; im Innern eines solchen Feldspath - Krystalles 
sind beide Species zu Schriftgranit vereiniget. 

Herr Professor Leydolt hob vorzüglich die unzwei- 
felhafte Gleichzeitigkeit der Bildung der beiden Species, 
des Quarzes und des Feldspaths hervor. 

Hr. Friedr. Simony sprach über die Höhlenbil- 
dungenin den geschichteten Kalken,sowie über 


I — 


gewisse, ausgedehnteren Alpenkalkstöcken eigenthümliche, 
mit dem Nahmen „Karstbildung‘“ bezeichnete Ge- 
staltungen der Gebirgsoberfläche, welche mit 
den Höhlenbildungen in innigem Zusammenhange stehen. 
Nach der Art des Entstehens unterscheidet er primitive 
und sekundäre Höhlen. 

Unter den erstern begreift er alle jene Hohlräume im 
Innern der Gebirgsmassen, die während der langen Epo- 
ehe des Ueberganges der im Meere oder in Binnenwässern 
abgelagerten Straten aus weichem, zähem Meergrund in 
starren Fels, durch plutonische oder überhaupt in- 
nere Einwirkung gebildet wurden und zwar entweder 
durch von gesteigerter Wärmeistark expandirte Wasser- 
dämpfe oder durch bei ‘chemischen Processen aus ver- 
schiedenen Erdtiefen entbundene Gase, die beide, ‚durch 
die noch weichen sedimentären Straten Ausgang nach der 
Erdoberfläche suchend, häufig den grossen Druck der mäch- 
tigen Auflagerungen nicht überwinden, sie nicht durchbre- 
chen konnten und so in und zwischen den Absatzschichten 
mehr oder minder regelmässige, blasen- oder schlauchför- 
mige Auftreibungen von sehr wechselnden, oft sehr 
grossen Dimensionen bilden mussten. 

Auch durch die, während des Austrocknens der sedi- 
mentären Bildungen ungleich Statt findende Zusammen- 
ziehung, durch locale Abrutschungen und Ver- 
werfungen der Straten konnten in derselben Epoche häu- 
fig ähnliche Höhlenformen entstanden sein. Diese primitiven 
Gebilde sind, da sie fast immer den grösseru Tiefen der For- 
mationen angehören, wenn auch höchst wahrscheinlich in 
grosser Menge vorhanden, doch nur selten dem Menschen 
zugänglich und nur eine verhältnissmässig geringe Anzahl 
derselben ist entweder durch Bergbaue geöffnet oder steht 
durch erweiterte Klüfte, Spalten oder Wassercanäle mit der 
Aussenfläche der Erde in Verbindung. Ist eine derarlige 
Höhle zugänglich, so lässt sich schon in der metamorphi- 
schen Beschaffenheit ihrer Wandmassen, in ihrer Ausklei- 
dung mit heterogenen krystallinischen Sioffen, auch in der 
Abweichung der Stellung der sie umschliessenden Fels- 


Er 


schichten von den allgemeinen Lagerungsverhältnissen des 
Gebirges die primitive Entstehung erkennen. 

Unter den Begriff secundärer Höhlenbildung fasst Hr. 
Simony alle jene, die Gebirgsschichten in den verschie- 
densten Tiefen durchsetzenden, doch meist mehr der Ober- 
fläche nahe liegenden Hohlräume zusammen, welche erst 
nach der Epoche der vollständigen Erhärtung der sedimen- 
tären Massen durch äussern Einfluss deratmosphä- 
rischen Agentien langsam gebildet wurden und noch 
fortgebildet werden. Durch eine grosse Reihe aus der Natur 
entlehnter Beispiele, — von den feinsten Gebirgsadern, 
deren Ausmündung zu Tage sich in Felsflächen oft nur 
durch eine kaum bemerkbare winzige Oeffaung, in lich- 
ten Kalkwänden oft nur durch einen senkrechten aus 
einem Punct plötzlich herabsteigenden schwärzlichen Strei- 
fen erkennen lässt, bis zu den zahlreich vorkommen- 
den, besonders in steilen Felsmauern leicht zu beobach- 
tenden eyförmigen oder länglichen Ausflusslöchern, von 
den schlot- oder canalförmigen,, mäandrisch durch Bergmas- 
sen sich windenden , sehr langen Wasserläufen bis zu den 
mächtigsten Felslabyrinthen — wies er nach, dass die mei- 
sten Höhlen ihre erste Entstehung den, durch die vorzüg- 
lich in. Kalk - Formationen häufig vorkommenden Zerklüf- 
tungen und Schichtungsabsonderungen im Innern des Ge- 
birges eingedrungen und sich wieder Ausgang suchenden 
Regen-, Schnee-und Gletscherwassern, ihre Erweiterung 
aber vorzüglich der durch den vermehrten Zutritt bald 
feuchter, bald trockener, bald wärmerer, bald kälterer 
Luft eingeleiteten Verwitterung und Auskröcklung des oh- 
nehin oft schon von seinem ersten Erhärten an leicht theil- 
baren Gesteins zu danken haben. Als einen Beweis, wel- 
chen Einfluss der Zutritt der Luft überhaupt und ins- 
besondere der Wechsel des Feuchtigkeits- und 
Temperaturzustandes derselben bei der Höhlenbil- 
dung vorzüglich in gewissen Schichten übt, sind manche 
grosse gewölbe - oder kellerähnliche in hohen Gebirgspar- 
tien oft mitten in Wänden vorkommende Höhlungen, in 
welche die Ausmündungen ganz unscheinbarer unterirdischer 
Wasseradern sich plötzlich erweitern , zu nehmen. Ist nur 


= 


einmal eine kleine Oeffnung nach Aussen von dem Wasser 
ausgenagt, so beginnt um diese herum die Ausbröckelung 
des Gesteins, und zwar immer im grösseren Verhältniss 
über der Wasserader, bis sich im Laufe der Zeit durch 
fortgesetztes Abbrechen und Ablösen kleinerer und grös- 
serer locker gewordener Steintheile ein „Palfen‘ oder 
„Ofen,“ ein Gewölbe gebildet hat, das sich nach rück- 
wärts nischenartig schliesst, und bloss im Hintergrunde 
des steigenden oder fallenden Bodens eine kleine, oft kaum 
merkbare Spalte oder Oeffnung zeigt, durch welche mehr 
oder weniger Wasser temporär oder permanent hervor- 
quillt, das meist etwas Zersetzungs-Materiale,, feinern oder 
gröbern Sand aus dem Innern mit sich führt und im Grunde 
des Gewölbes ablagert; oder welches Gewölbe bei fort- 
dauernder Erweiterung endlich eine ganze Gebirgspartie 
tunnelartig durchsetzt oder ein Felslabyrinth mit 
mehrfachen Ausmündungen bildet. Als ein Beispiel der 
grossartigsten Art einer nachweislich auf diese Weise 
entstandenen , tunnelartigen Höhlenbildung zeigte Hr Si- 
mony zwei Zeichnungen von dem „Almberger Loche“ 
aus dem Grundelseer Gebirge bei Aussee in Steiermark vor. 

Nachdem er noch Beispiele jener in den Gebirgen des 
Salzkammergutes zahlreich vorkommenden, unmittelbar un- 
ter der Oberfläche des Bodens befindlichen, auf ähnliche 
Art entstandenen Höhlen, durch deren Einsturz sich ver- 
schiedene offene Kessel bilden, in Zeichnungen vorgelegt 
hatte, ging er auf den Einfluss über, welchen eine häufige 
Höhlenbildung auf die Gestaltung des Terrains mancher Ge- 
birge ausübt. Jene wellige Beschaffenheit und Zerrissen- 
heit der Oberfläche des Dachstein- und Prielge- 
birges, welche den Typus der Karstbildung be- 
zeichnet, die unzähligen Kessel, kraterartigen Mulden und 
tief eingeschrittenen Schluchten, welche die Hochplateaux 
der beiden genannten Alpenstöcke nach allen Richtungen 
dicht überdecken, sind grössten Theils als Resultate 
unzähliger Einstürze srösserer und kleinerer 
runder oder langer Höhlen, die näher oder tiefer 
der Oberfläche lagen, anzusehen. Selbst mauche grosse 
und weite Schluchten, beträchtliche Kessel und Sackthäler 


rn Me 


haben ihr erstes Entstehen dem Einsturze ausgedehnter 
primitiver oder secundärer Höhlen zu danken. Zur Begrün- 
dung dieser Ansicht führte er zahlreiche Thatsachen und 
Beispiele auf. So bezeichnete er das oben erwähnte Alm- 
berger Loch als eine Höhle, deren endlicher Einsturz ersı 
eine tiefe Scharte, dann durch weitere Abbrüche der Sei- 
tenwände eine steile Schlucht und endlich einen gerundeten 
Einschnitt eines Gebirgsgehänges bilden wird; ferner das 
Thiergartenloch auf dem Dachsteingebirge, ein jetzt noch 
unzugänglicher kreisrunder Schlund , bereits das Ergebniss 
eines Höhlensturzes, muss sich einst in eine weite Gebirgs- 
mulde verwandeln, die Mazocha bei Brünn wird nach einer 
langen Reihe von Jahrtausenden zu einem in das Punqua- 
thal einmündenden Sackthal umstaltet werden. 

Herr Dr. Carl Langer betrachtete die Structur- 
Verhältnisse der Knochen, namentlich in Bezug auf 
dıe Möglichkeit, Knochen verschiedener Thiere mikrosko- 
pisch von einander zu unterscheiden; er bemerkte, dass der 
Typus der Knochenstructur bei allen 'Thieren wesentlich 
derselbe sei, dass sich Knochen der Säugethiere in keiner 
Weise von Knochen der Vögel mikroskopisch unterscheiden 
lassen, dass aber für die compacte Substanz der langen 
Knochen von Amphibien ein Vorwalten primärer (der Peri- 
pherie gleichlaufenden) Lamellen bezeichnend sei, so bei 
Monitor, Python, Emys, Rana; dass sich ferner bei Am- 
phibien eine interessante Reihe in Bezug auf die Grössen- 
verhältnisse der Knochenkörperchen ergebe, die mit der der 
Blutkörperchen ziemlich gleichen Schritt halte. Herr Dr. 
Langer fand die grössten Knochenkörperchen bei den Pe- 
rennibranchiaten, Siren, Proteus, kleinere bei Salamandra, 
Rana, und die kleinsten bei den Amphibien ohne Meta- 
morphose. Fernere Details über die Knochen der Fische 
versprach er folgen zu lassen. x 

Herr Franz Ritter von Hauer zeigte eine Reihe von 
Versteinerungen aus den Marmorschichten der Um- 
gebung von Hallstatt vor. Die erste Veranlassung sich 
mit der Untersuchung derselben zu beschäftigen erhielt 
Herr v. Hauer durch die reichen Sammlungen, welche 
Herr F. Simony als Ausbeute seiner mehrjährigen For- 


in 


schungen in den dortigen Gebirgen im vorigen Sommer 
nach Wien brachte. Se. Durchlaucht der Herr Fürst von 
Metternich war Besitzer derselben. Durch die gross- 
müthige Unterstützung desselben wurde es möglich, die 
vielen neuen und interessanten Gegenstände, die sie ent- 
halten , abbilden zu lassen und ihre Publication vorzuberei- 
ten. Das zu untersuchende Material wurde späterhin noch 
durch Mittheilungen von verschiedenen Seiten vervollstän- 
digt; so sendete Herr Bergmeister Ramsauer in Hall- 
statt auf die Bitte des Herrn Bergrathes W. Haidinger 
die merkwürdigsten Stücke seiner reichen Sammlung zur 
Untersuchung nach Wien; der Kustos des k. k. Hof-Mine- 
ralien -Cabinets, Hr. Paul Partsch, theilte mit grösster 
Liberalität eine Reihe ungemein interressanter Gegenstände 
aus den ihm unterstehenden Sammlungen zur Untersuchung 
mit. Sehr Vieles endlich fand sich in dem k. k. montani- 
stischen Museo und in der Sammlung Sr. Exec. des k.k. 
Herrn Hofkammer - Vice- Präsidenten, Ritters v. Hauer. 

Am wichtigsten unter allen auf diese Weise mitgetheil- 
ten Fossilien schienen die Cephalopoden. Ihre Untersuchung 
ist nun vollendet, und bildete den Gegenstand von Herrn 
v. Hauer’s Mittheilung. Es liessen sich darunter über 
24 Arten, die 6 verschiedenen Geschlechtern angehören, 
unterscheiden , und zwar: 

1) Ammonites, 16 Arten, mitunter von sehr an- 
sehnlicher Grösse (über 2 Schuh Durchmesser). Die 
Mehrzahl derselben ist so weit von allen schon bekannten 
Arten verschieden, dass sie nicht einmal in eine der von 
v. Buch und d’Orbigny gebildeten Familien einzureihen 
sind. So z. B. A. Metternichü v. Hau., eine prachtvolle 
Art, die insbesondere durch die grosse Anzahl von Loben 
und Sätteln, deren man an jeder Seite des Umganges 
18-19 zählt, charakterisirt ist. Ein sehr schönes, ganz 
freies Exemplar dieser Art, dem Herrn Fürsten v. Meit- 
ternich gehörig, wurde vorgezeigt. Ein anderes, von 
24 Zoll Durchmesser, von Herrn Bergmeister Ramsauer 
aufgefunden, befindet sich im k. k, montanistischen Museo. 
Es sitzt auf einer grossen Marmorplatte auf, an welcher 
man noch überdiess” zahllose andere Fossilien; Ammoniten, 


_ A 


Orthoceren, Belemniten u. s. w. erkennt. Ammonites ga- 
lealus v. Hau. und A. Ramsaueri Quenstedt sind insbe- 
sondere durch die grossen Verschiedenheiten, welche die 
Schale bei jüngeren und älteren Individuen zeigt, bemer- 
kenswerth. A. tornalus Brenn mit sehr schön längsge- 
streifter Schale u.a. m. Einige Arten schliessen sich näher 
schon bekannten Familien an, so z. B. A. neojurensis Quen- 
stedt und A. debilis v. Hau. der Familie der Heterophyllen 
d’Orb.; A. salinarius v. Hau. der Familie der Arieten v. 
Buch; A. bicrenatus v. Hau. der Familie der Ornaten v. 
Buch u. s. w. Zwei Arten endlich sind identisch mit schon 
an anderen Fundorten bekannten Ammoniten. Sie sind: A. 
Johannis Austriae v. Klipstein, der zu St. Cassian in Süd- 
tirol und A. discoides v. Ziethen, der in den Juraschichten 
in Württemberg, Frankreich u. s. w. gefunden wurde. 

2) Goniatites, eine neue Art. Sie erhielt den Na- 
men @. decoralus v. Hau. 

3) Clymenia? Das Exemplar ist nicht vollständig 
genug erhalten, um die Art mit Sicherheit zu bestimmen. 

4) Nautilus, drei Arten. Eine davon N, mesodicus 
Quenstedt stimmt sehr nahe überein mit N. gäganteus 
D’Orbigny aus der französischen Juraformation. 

5) Orthoceras, 5—6 Arten. Einige davon suchte 
Herr Prof. Quenstedt mit Arten aus dem Uebergangs- 
gebirge zu vereinigen. Bei genauer Untersuchung jedoch 
ergaben sich Verschiedenheiten, wichtig genug, um die 
Aufstellung neuer Arten zu rechtfertigen. 

6) Belemnites. Die Arten nicht näher zu unter- 
scheiden. 

Man hat die Marmorschichten der Gegend von Hallstatt 
den verschiedenartigsten Gebirgsbildungen einzureihen ver- 
sucht, und in der That lassen sich aus den angeführten 
Fossilien mit gleichem Rechte Gründe für jede dieser Pa- 
rallelisirungen ableiten. So sprechen die Orthoceren, die 
Ciymenia und der Goniatit für Uebergangskalk. Ein Theil 
der Ammoniten, der Nautilus- Arten und die Belemniten 
für Lias oder Oolith, andere Ammoniten für Neocomien 
oder untere Kreide. Es scheint sich demnach hier abermals 
zu bestätigen, dass die Gesetze der Vertheilung organi- 


a 


scher Reste, die man insbesondere im nordwestlichen Europa 
mit nun schon so grosser Schärfe nachzuweisen vermochte, 
auf das Alpengebiet nicht anwendbar sind. Daraus folgt 
aber noch nicht, dass das Studium der organischen Reste 
für die geognostische Kenntniss dieses Gebietes überhaupt 
keinen Werth habe. Es lässt sich vielmehr mit der gröss- 
ten Wahrscheinlichkeit voraussetzen, und theilweise auch 
durch bereits gemachte Beobachtungen nachweisen, dass 
die Vertheilung organischer Reste hier so wie dort an feste 
Gesetze gebunden sei, deren Erforschung und Entwicklung 
in der nächsten Zukunft zu erwarten steht. Hat man erst 
einmal die Aufeinanderfolge der einzelnen Alpengesteine 
ermittelt, kennt man die jedem derselben eigenthümlichen 
Fossilien, so werden sich wohl Parallelisirungen im Gros- 
sen mit Leichtigkeit von selbst ergeben, während alle der- 
artigen Versuche mit einzelnen Schichten zu wenig befrie- 
digenden Resultaten geführt haben. 

Eine ausführliche Mittheilung über die hier angedeute- 
ten Thatsachen wird in kurzer Zeit dem Publikum vorgelegt 
werden. Sämmtliche Abbildungen der neuen Arten, ge- 
zeichnet und lithographirt von dem k. k. Bergwesens-Prak- 
tikanten Hrn. Eduard Pöschl, sind bereits vollendet. 
Sie sind mit einer gewissenhaften Genauigkeit ausgeführt, 
die man nur zu oft bei Abbildungen vermisst , deren Anfer- 
tigung nicht den Händen eines mit den wissenschaftlichen 
Anforderungen vertrauten, und mit begeisterter Liebe der 
Sache selbst ergebenen Zeichners anvertraut ist. 


9, Versammlung, am 22. Juni. 


Wiener Zeitung vom 7. Juli 1846. 


Herr A. Löwe, k. k. General-Land- und Haupt- 
münz - Probirer ,„ berichtete über die Analysen der 
beiden Mineralien Jamesonit und Berthierit von 
einem neuen Vorkommen zu Arany-Idka in Ober-Ungarn, 
nach Exemplaren aus dem k k. montanischen Museo, welche 
ausser der interessanten naturwissenschaftlichen Beziehung 


=. == 


auch noch eine technische Wichtigkeit besitzen, in so ferne 
diese, an Antimon reichen Mineralien, bisher insbesondere 
in Frankreich, als Material für die Antimongewinnung die- 
nen. Die chemische Zusammensetzung des Jamesonits bot 
in so ferne eine Abweichung von den bisher untersuchten 
Stücken dar, als derselbe eine bedeutende Menge Silber 
enthielt, das selbst goldhältig befunden wurde; der Zent- 
ner Erz gab auf dozimastischem Wege ermittelt 45%, Loth 
Silber oder 2 Mark 13 Loth 3 Quintel. Der Berthierit zeigte 
dieselbe Zusammensetzung wie der von Anglar in Frank- 
reich. Die Formel für den Jamesonit ergab Sich nach Ab- 
zug der fremdartigen Bestandtheile übereinstimmend mit 
den früheren Analysen als 2 Pb Sb--Phb. 


In 100 Theilen besteht dieser Jamesonit nach Löw e's 
Analyse aus 


Schwefel . . 18.069 
Antimon . . 32,168 
Blei“ 5.4: 53668 
Kupfer _.. ., ....1,729 
Silber ... .. 1,440 
Eisen ..ı.... 2,909 
ZUDK... . ns . 0.339 
Wismuth . . 0,214 
Gold. . . .. Spur 
Gangart . . 2,815 

99,351. 


Die übrigen Eigenschaften desselbeu wichen von den 
bereits bekannten nicht ab; das specifische Gewicht wurde 
zu 5,601 gefunden; Farbe und Glanz metallisch stahlgrau ; 
vor dem Löthrohre auf Kohle leicht schmelzbar, und die- 
selbe mit Blei so wie mit Antimondämpfen beschlagend. 

Der Berthierit wurde von Hrn. Johann v. Pettko, 
gegenwärtig supplirenden Professor der Mineralogie und 
Geognosie zu Schemnitz, in dem Laboratorium des k. k. 
General-Probiramtes untersucht, nnd gab dieselbe Zusam- 
menseizung wie der Berthierit von Anglar ‚ nämlich von der 


Formel Fesb. v. Pettko’s Analyse gab auf 100 Theile 
berechnet: 


a 


Eisen . . . 12,848 

Antimon . . 57,882 

Schwefel. . 29,270 
Auch die übrigen Eigenschaften stimmten überein, z.B. 
das specifische Gewicht —= 4,043, und das charakteristische 
Verhalten des Berthierits in Salzsäure, mit Entwickelung 
von Schwefel - Wasserstoffgas, ohne Abscheidung von 
Schwefel, sich vollständig aufzulösen. ' 

Hr. A. Löwe verband mit dieser, schon in mineralogi- 
scher Beziehung interessanten Mittheilung , die Verglei- 
chung des Vorkommens der beiden erwähnten Mineralien, 
mit einem von Berthier angegebenen , zu Carcassone in 
den Kleinen Pyrenäen und zu Pont - Vieux im Departement 
des Puy de Dome, welche dort brechende Erze Berthier 
untersucht, und die Gewinnung des Antimons, so wie des 
Silbers und Goldes in den Annales des Mines beschrie- 
ben hat; denn es ist auffallend, welche Uebereinstimmung 
in den Verhältnissen des Vorkommens und der Zusam- 
mensetzung der Erze von Arany-Idka in Ober - Ungarn 
und der Localitäten von Carcassone und Pont-Vieux in 
Frankreich besteht. Hier wie dort ist der Jamesonit silber- 
und goldhaltig gefunden worden , und insbesondere sind es 
auch die ärmeren kiesigen Erze, welche reich an Gold sind. 
Der k. k. Werksverwalter J. Tutschnag in Arany-Idka 
hat auch diese Verhältnisse zuerst erkannt, und auf die An- 
timongewinnung aufmerksam gemacht. 

Nachdem Jamesonit und Berthierit zusammen vorkom- 
men, so läge der Vorschlag sehr nahe, sie wie in Frank- 
reich für sich zu verhütten, und diese Versuche sollen auf 
Grundlage der Erfahrungen Berthier’s, welcher in seinem 
Laboratorium an der Ecole des Mines über diesen Gegen- 
stand gründliche Untersuchungen angestellt hat, in dem La- 
boratorium des k. k. General-Land- und Hauptmünzprobir- 
amtes mit den zu Arany-Idka einbrechenden Erzen wieder- 
holt werden, in der Absicht, auf die technische Wichtig- 
keit dieser Mineralien, deren naturhistorische Beschaffen- 
heit jetzt erst näher bestimmt wurde, unter der Vorausset- 
zung, dass deren allgemeineres Vorkommen sich bestäti- 
gen sollte, aufmerksam gemacht zu haben. 


— 65 — 


Herr Dr. Richard Comfort gab eine systematische 
Eintheilung der Menschen-Racen nach einem neuen Prin- 
cipe. Unter Race, abgeleitet von dem lateinischen Worte 
radix, versteht man die Vereinigung wesentlicher Merk- 
male, die sich in mehreren Generationen forterben. Die 
Eintheilung beruht auf Skelet-Bildung, der Schädel- und 
der Gesichtsform. Die Hautfarbe gilt als zweites Merk- 
mal, welches mehr Ergebniss klimatischer Einflüsse, also 
erworben, so wie ersteres Moment wesentlicher und mehr 
angeboren erscheint. 

Die Hautfarbe wäre also mehr Form ; die Knochenbil- 
dung Wesen. Viele Gelehrte würdigten bereits diesen Ge- 
genstand ihrer Aufmerksamkeit; sie theilten die Menschen 
in #4, 5, 20, wohl noch mehr Racen; keines dieser Systeme 
ist ganz befriedigend, es fehlt ihnen, nach Dr. Comfort’s 
Ausdruck, der philososhische Stämpel der Natur. Bereits 
vor zehn Jahren stellte er sein natürliches System 
der Menschen-Racen auf, durch welches viele der 
bisher noch nicht gelösten Schwierigkeiten beseitigt werden. 

Als Vorfrage wurde der bis jetzt noch nicht überall 
als vollkommen geschlichtet angenommene Streit, ob das 
Geschlecht der Erdbewohner von einem oder mehreren 
Paaren abstammen, erwähnt. Als die von der weissen 
Race abspringendsten, sowohl in Hinsicht auf Knochen- 
bildung als Hautfarbe stellen sich die Neger; die Gegner 
der Genesis behaupteten, Europäer, z. B. Portugiesen, 
welche durch 0 Jahre ununterbrochen in Afrika lebten, 
wären wohl schwarz wie Neger geworden, ihre Knochen- 
bildung sei aber dieselbe geblieben; die Neger - Physio- 
gnomie und der Neger-Typus sei zu den Zeiten der Römer 
nicht verschieden von dem der Gegenwart; Neger, in käl- 
tere Zonen gebracht, bleichen sich nur unmerklich; der Ne- 
ger- Typus durch Vermischung mit Weissen verliere sich 
erst nach Jahrhunderten; ferner gibt es wieder viele wilde 
Völker in Afrika, die den Neger-Typus nicht besitzen, so 
wie viele andere in Ausser-Afrikanischen Ländern, welche 
zwar unter dem Aequator lebend, doch davon frei sind; 


lauter Gründe, dass es auch ein schwarzes Urpaar gege- 
ben haben sollte. 


Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I, 5 


a 


Hierauf lässt sich erwiedern, dass die Bibel, diese äl- 
teste Urkunde der Menschheit, uns genügenden Aufschluss 
bietet; denn Moses zählt das neue Menschenge- 
schlecht der Noachidenstämme von Sem, Ham und 
Japhet. Es stammt also wirklich von drei Familien 
ab. Nehmen wir nun an, die Abkömmlinge Ham’s, die sich 
in der That nach Afrıka wandten, wären von ihrem Stamm- 
vater mit einem leichten Neger-Typus begabt worden, so 
lässt sich leicht einsehen, wie bei einem, diesen Typus be- 
günstigenden Klima, sich der jetzige Neger - Typus heraus- 
bilden konnte. 

Zu jeder Bildung wie Verbildung sind aber zwei Mo- 
mente erforderlich: die Disposition und die einwirkende 
Ursache. ? 

Herr Dr. Comfort nimmt nun in seinem Combina- 
tions-Systeme drei Stammracen an, welche sich 
zuerst zu neun, ferner aber vielfältiger combiniren. 

Combination der Menschenracen dem We- 
sen oder nach der Skeletbildung und der Form 
nach, oder nach der Hautfarbe. 

1. Weisse Reihe, mit ovaler Gesichtsbildung oder 
vorherrschendem Längendurchmesser. 1) Kaukasier, weiss 
mit Inkarnat. 2) Hindus, hellbraun; Combination mit der 
zweiten Reihe. 3) Araber, schwärzlich; Combination mit 
der dritten Reihe. 

1. Braune Reihe, mit breiter Gesichtsbildung. 4) In- 
dianer, kupferroth. 5) Malayen, braun; mittlerer Combina- 
tionspunct. 6) Mongolen (gelbe Neger), 

iM. Schwarze Reihe, Schädel und Gesichtsbildung 
mit vorherrschender Tiefebildung. 7) Polarbewohner, schmu- 
tzigweiss; Combination mit weisser Reihe. S) Eihiopier 
(Kaffern, Kopten) olivenfärbig. 9) Neger, glänzend 
schwarz. 

Hr. Dr. Comfort bemerkte noch zum Schlusse: 

1) Gäbe es keine Combination bedingt durch klimatische 
Einflüsse, so müsste man ein erstes Menschenpaar mit 
blonden Haaren und blauen Augen, und ein anderes mit 
schwarzen Haaren und schwarzen Augen annehmen. 


2) Die Mythen der Indianer erwähnen, dass das erste 
Menschenpaar roth war (Adam, im Hebräischen rothe 
Erde) und dass daraus die verschiedensten Farben und 
Nuaneirungen sich gebildet hätten. Bei dieser Annahme 
würde sich die weisse Reihe durch Hinaufsteigen, und die 
schwarze durch Herabbilden entwickelt haben. 

3) Wie kömmt es, dass die Polarbewohner schwarze 
Haare und Augen haben, da doch der Norden alles bleicht, 
wenn nicht hier die Ur-Combination über klimatische Ein- 
flüsse gesiegt hätte. 

4) Dagegen sahen wir den grossen klimatischen Ein- 
fluss an den Engländern, die in Austral-Asien (Neu-Hol- 
land) geboren werden. Sie haben blonde Haare und braune 
Augen. 

5) Der Neger - Typus tilgt sich vollkommen durch Ver- 
mischung; mit Weissen in der sechsten Generation. 

6) Der Typus der Indianer, Hindus, Araber, in der 
dritten; der der Malayen in der vierten; der Mongolen- 
Typus noch später; über die zwei anderen fehlen uns Er- 
fahrungen. 

7) Viel kömmt darauf an, ob die Mutter eine Negerin 
und der Vater ein Weisser war, oder umgekehrt, auf die 
Skeletbildung scheint die Mutter mehr Einfluss zu haben; 
auf die Farbe der Vater. 

8) Leichter gelingt es einem Weissen in der heissen 
Zone schwarz zu werden, als den dort Geschwärzten in 
der temperirten zur ursprünglichen Weisse zurück zu gelan- 
gen; wan brennt sich an einem heisssen Sommertage sehr 
leicht ab, und bleicht sich erst in acht Tagen. 

9) Caffusos sind eine natürliche Combination vom Ne- 
ger und Indianer und haben ganz die Malayenbildung. 

Herr Dr. Hammerschmidt ‚gab einige Andeu- 
tungen über das Pflanzen-Zellenleben. Für die 
Pflanzen - Physiologie wird mikroskopisch nachgewiesen , 
wie aus der Erstlings - Zelle (Primitiv- Zelle) heraus sich 
die Lebensäusserungen der Pflanze entwickeln, wie aus ihr 
als Anfangspunct einer organischen Thätigkeit, die Abla- 
gerungen einer secundären Zellhaut, endlich neue Zellen, 
aus ihrer Verbindung Organe sich bilden , die mannigfalti- 

5*+ 


= 


sen Formen der Pflanze selbst nur aus der verschiedenar- 
tigen Verbindung und Anordnung der Zellen entsthehen, 
dass also der einzelnen Zelle schon ein selbstständiges Leben 
zukomme, und die Summe dieser Einzelwesen und ihr Ver- 
hältniss zu einander den Gesammtausdruck der Lebenser- 
scheinung eines bestimmten Pflanzen -Individuums bildet. 
Wenn gleich die Ansicht, dass schon der einzelnen Zelie 
ihr selbsständiges Leben zukomme, nach den bisherigen 
Beobachtungen keinem Zweifel mehr unterliegen kann, so 
ist es doch schwer hiervon auch dem weniger Eingeweih- 
ten eine überzeugende Darstellung zu verschaffen. Die 
Erscheiaungen , welche wir aber an der Magnolia annonae- 
folia, beobachten können, dürften eine geeignete Thatsache 
diessfalls abgeben. 

Es ist bekannt, dass die Magnolia annonaefolia die Ei- 
genschaft hat, Morgens zwischen 10—11 Uhr ihre Blüthen- 
knospen zur offenen Blüthe zu entfalten und in diesem Zu- 
stande bis Abends 8 Uhr , wo sie sich wieder schliesst , einen 
angenehmen apfelartigen Geruch auszuhauchen. . Diese Er- 
scheinungen wiederholen sich bei dieser und vielen andern 
Pflanzen regelmässig und zur bestimmten Zeit durch meh- 
rere Tage, bis sie endlich abblüht. 

Durch den Umstand, dass die Aushauchung eines riech- 
baren Stoffes mit dem Offensein der Blume in Verbindung 
steht, angeregt versuchte HerrDr. Hammerschmidt, ob 
auch die einzelnen Blumenblätter, vom Organismus getrennt. 
demselben Lebensgesetze folgen. Durch die Güte unseres 
rühmlich bekannien Blumenfreundes Hrn. Klier, erhielt er 
einige Blüthen der Magnolia annonaefolia — Abends, nach. 
dem sich aller Geruch verloren hatte, wurden die Blüthen 
entblättert , die einzelnen Blumenblätter in kleine Theilchen 
zerschnitien, und in reines Papier verwahrt. Diese Blü- 
thentheilchen blieben geruchlos bis nächsten Morgen 
halb 11 Uhr. Zu dieser Stunde entwickelte sich 
plötzlich der eigenthümliche Geruch der Blüthe, 
den sie bıs Abends 8 Uhr aushauchten, zu welcher Zeit 
die fernere Entwicklung der riechbaren Stoffe wieder bis 
zum nächsten Tage stille stand. Noch am zweiten 
Tage, nachdem die getrennten zerrissenen Blatitheilchen 


— 69. — 


schon ganz. ausgetrocknet waren, entwickelte sich wieder, 
obschon schwächer zur besimmten Stunde gexen halb 11 Uhr 
die Absonderung des riechbaren Stoffes. 

Diese Thatsache,, von deren Richtigkeit sich Jedermann 
leicht überzeugen kann, erscheint als ein sprechender Be- 
weis für die selbsständigen Lebensercheinungen einzelner 
Pflanzentheile, und verdient weiter verfolgt zu werden. 
Wenn die Blüthe sieb zu bestimmter Zeit öffnet und schliesst, 
und so die schönen Erscheinungen einer Blumenuhr in 
der freien Natur vorführt, wenn damit andere Lebenser- 
scheinungen wie z. B. die Absonderung von riechbaren Stof- 
fen, auftreten, so findet man das ganz natürlich, und er- 
klärt sich diese Lebenserscheinungen aus dem Gesammtor- 
ganismus. Wenn aber auch einzelne, von dem Gesamnt- 
organismus abgetrennte Theilchen, wenn einzelne aus ihrem 
Verbande herausgerissene Zellen auch noch Erscheinungen 
von sich geben, welche die ganze Biume von sich gibt, so 
findet man in dieser Thatsache wohl einen unumstösslichen 
Beweis für das selbstständige Leben einzelner Organe, ja 
für das se!bstständige Leben einzelner Zellen. 

Die Pflanze wird durch den Einfluss der Wärme, des 
Lichtes, der E'ektricität, durch physische und chemische 
Einwirkungen in ihren Thätigkeiten bestimmt. Was wir 
von der Pflanze zu sagen gewohnt sind, gilt aber von ih- 
ren kleinsten Bestandtheilchen , von ihren einzelnen Zellen; 
diese sind es, welche dem Gesetze des Pflanzenlebens ent- 
sprechend, durch das Zusammenwirken den Gesammtaus- 
druck des pflanzlichen Lebens zur Erscheinung bringen; 
diese sind es, welche die Ernährung und Athmung der 
Pflanzen vermitteln, und insbesondere durch Licht, Wärme 
oder sonstige Einflüsse angeregt, Sauerstoff aushauchen. 
Man kann annehmen, dass mit diesem Aushauchen des 
Sauerstoffes, Theilchen der in den Oehlbehältern sich be- 
findenden ätherischen Stoffe frei werden, oder dass Ge- 
ruchstheile derselben sich dem entströmenden Pflanzengase 
beigesellen. 

Das Schliessen der Blumenblätter, was man unter dem 
Namen des Pflanzenschlafes bezeichnet , ist bekannt- 
lich kein Zustand der Erschlafung, sondern vielmehr durch 


Bu 


eine eigenthümliche Zusammenziehungskraft des pilanzli- 
chen Zellstoffes hervorgerufen. Ob nun in diesem Zustande 
des Pflanzenschlafes nicht vielleicht selbst theilweise die 
Endosmose und Exosmose, und sohin auch die Aus- 
hauchung der riechbaren Stoffe gleichsam auf theils mecha- 
nische theils dynamische Weise unterbrochen wird, wollen 
wir hier nur andeuten. Auch wäre es für die Chemie eine 
würdige Aufgabe, zu ermitteln, ob während des sogenann- 
ten Pflanzenschlafes bei ähnlichen Pflanzen die riechbaren 
Stoffe nur gebunden sind , und auf chemischem Wege frei 
gemacht werden können, oder ob eine Absonderung des 
riechbaren Stoffes oder dieser selbst, während jenes Zu- 
standes in der Blüthe etwa, gar nicht vorhanden ist. 

Herr Dr. S. Reissek machte einige Mitiheilungen über 
den Bau und die Bedeutung der Samenthierchen bei 
Pflanzen. Es wurde zuvörderst des Baues der Samen- 
thierchen im ' Thierreiche gedacht, welche, obgleich die 
neueste Physiologie ihnen die thierische Natur abspricht, 
und selbe gerade nur als belebte Moleküle des Leibes an- 
derer Thiere ansieht, dennoch durch den bei den entwickelt- 
sten Formen nachweisbaren Bau sich als wirkliche, selbst- 
ständige, den Helminthen zunächst verwandte Thiere nach- 
weisen lassen. Mit diesen stimmen sowohl dem Baue als den 
Lebenserscheinungen nach, die in verschiedenen tiefer ste- 
henden Pfianzenfamilien vorfindlichen Samenthierchen we- 
sentlich überein. Es sind Thierchen, welche normal- und 
gesetzmässig in bestimmten Organen der Pflanze sich ent- 
wickeln und leben. Herr Dr. Reissek hatte im Einklange 
mit dieser Erscheinung seit längerer Zeit vermuthet, dass 
es, wie die angeführten Samenthierchen, vielleicht auch 
selbstständige Pfänzchen gebe, welche gleich jenen in be- 
stimmten Theilen des Pflanzenkörpers sıch normal- und ge- 
setzmässig entwickeln. Vor einem Jahre gelang es ihm, 
diess als gesetzmässige Erscheinung im Pflanzenreiche 
wirklich aufzufinden. Es kommen in den Wurzeln der Mono- 
und Dicotyledonen in, ihrer Anzahl und Lage nach, genau 
bestimmten Zeilenlagen gesetzmässig Fadenpilze vor, wel- 
che die Zellen dicht erfüllen, und von Aussen völlig ab- 
geschlossen sind. Sie gehören zur Lebenseigenthümlichkeit 


en 


der Pflanze und sind immer vorhanden, doch auf verschie- 
dener Ausbildungsstufe in den verschiedenen Familien. {Bei 
Orchideen sind sie am ausgezeichnetsten und häufigsten, bei 
den meisten Dicotyledonen sind sie unausgebildet und nur 
bei umfassender, comparativer Untersuchung in ihrem We- 
sen erkennbar. Ihre Entstehung erfolgt aus den feinen 
Körnern,, woraus die Zellkerne zusammengesetzt sind. 

Diese Thatsachen in Verbindung mit den Erfahrungen 
über die Samenthierchen bestimmen uns zu dem Ausspruche: 
dass in den Zellen höherer Pflanzen sich normal- und ge- 
setzmässig niedere Pflänzchen und Thiere entwickeln, wel- 
che zur Lebenseigenthümlichkeit der betreffenden Pflanzen 
gehören. Diese in den Zellen eingeschlossenen oder en- 
dogenenu Pilänzchen sind Pilze, die Thierchen die soge- 
nannten Samenthiere. 

Herr Bergrath Haidinger theilte folgende von Herrn 
Professor Zipser in Neusohl, dem langverdienien Samm- 
ler der interessanten ungarischen Mineral-Vorkommen, die 
er schon vor dreissig Jahren beschrieben ,„ und vielfältig 
versendet, zu dem Zwecke eingesandte Nachricht mit: 

„Nachdem bei dem grossen Brande vom 18. Mai 1. J. 
nebst meinen zwei Häusern auch meine Sammlungen und 
reichen Mineralien-Vorräthe zu Grunde gegangen sind , so 
stelle ich an jene Cabinete, wissenschaftliche Anstalten 
und Freunde, denen ich aus Liebe für Förderung des mine- 
ralogischen Studiums die Vorkommnisse meines Vaterlandes 
Ungarn bis jetzt zukommen liess, die gehorsamste Bitte, auf 
die Fortsetzung meiner Gaben längere Zeit verzichten zu 
wollen, da mir weder Zeit noch die Mittel zu Gebote stehen 
dürften, meine jährlichen Reisen zu unternehmen, und die 
Resultate derselben benannten wissenschaftlichen Anstalten 
in gewohnter freiwilliger und uneigennütziger Weise zuzu- 
führen. Neusohl, am 24. Mai 1846. Dr. Zipser, Professor. 

Herr Professor Zipser hatte, ebenfalls durch Herrn 
Bergrath Haidinger, sein eben vollendetes Werk: „Die 
Versammlungen ungarischer Aerzie und Na- 
turforscher‘, mit besonderer Beziehung auf die am 4. 
August zu Neusohl abgehaltene dritte Versammlung (Neu- 
sohl 1846). zur Vorlage eingesendet. Bekanntlich haben 


nn ee 


diese im Jahre 1841 begonnen; und zwei Mal in diesem 
Jahre, im Mai und September, in Pesth, dann in Neusohl, 
hierauf in 'Temeswar, Klausenburg, endlich im vorigen 
Jahre in-Fünfkirchen Statt gefunden, und werden dieses 
Jahr in Kaschau und Eperies fortgesetzt. Ueber die zweite 
Versammlung in Pesth wurde ein Bericht von den Herrn 
Dr. Paul Bugät und Dr. Kor herausgegeben. Die Ver- 
sammlung in Neusohl zählt als die Dritte. Herrn Professor 
Zipser verdanken wir ın der vorliegenden Publication 
eine interessante Uebersicht des durch diese zeitgemässen 
und wissenschaftlich anregenden Zusammenkünfte, in dem 
Schwesterlande — würde man in England sagen — Gelei- 
steten. Möge sie auch ferner fortgesetzt werden, denn es 
ist für viele Abtheilungen, nahmentlich aber für die geo- 
graphisch-geognostische Landeskenntniss, Werthvolles dar- 
innen gegeben, was uns sonst unzugänglich geblieben wäre. 
Bergrath Haidinger erwähnte noch, nebst den mancher- 
lei Mittheilungen von Zipser, Franz v. Kubinyi, den 
Doctoren Czilchert, Nendtwich, Wagner und An- 
deren, namentlich der von dem bketzteren zusammengestell- 
ten Tabellen der bis jetzt analysirten warmen und kalten 
Mineralwasser Ungarns, die interessante Vergleichungs- 
puncte darbieten, von den vornämlich gyps- und bittersalz- 
haltigen Quellen von Szliacs (17°—25°), Glashütte (19 — 
45°), Eisenbach (32°) , Stuben (29° — 35°), Trentschin 
(25° — 33°), bis zu den an Chlorverbindungen reichern von 
Mehadia (18° — 44°), und den eigentlichen Säuerlingen, 
deren salzige Basis von Torosiewicz, Wehrle, Sad- 
ler, Meissner, Mittermayer, Wagner, Sigmund, 
älterer Analysen nicht zu gedenken, ebenfalls bedeutend 
abweichend gefunden wurde. 

Herr Bergrath Haidinger zeigte ein Manuscript, Mu- 
sterblatt der geologischen Aufnahme eines Gebirgspro- 
fils, wie sie in England bei der unter der Leitung des be- 
rühmten Geologen, Sir Henry de la Beche seit einigen 
Jahren bestehenden geologischen Landesaufnahme, Govern- 
ment geological survey, angewendet werden. Die Blätter 
sind in kleine Quadrate getheilt; jedes derselben von etwa 
’/, Linie Grösse stellt zwei Fuss Länge und Höhe vor, so 


dass die Beobachtung jeder Zeit leicht in dem wirklichen 
Verhältnisse der Längenerstreckung und der Meereshöhe 
eingetragen werden kann. Das Profil stellt eine Eisenbahn- 
Abgrabung zwischen Manchester und Sheflleld-vor, die in 
den ältern Schichten der Steinkohlen-Formation, mit un- 
bedeutenden, höchstens zwei Fuss mächtigen Steinkohlen- 
lagen eingeschnitten ist. Es wurde von Herrn Warring- 
ton W. Smyth aufgenommen und an Herrn Bergrath 
Haidinger eingesandt. Dieser junge Geognost, gegen- 
wärtig dem obengenannten Sir Henry de la Beche zuge- 
theilt, bewahrt noch immer die freundlichen Erinnerungen 
seines frühern Aufenthaltes in unsern Ländern. Nach einer 
erst vor wenigen Tagen von demselben erhaltenen Mit- 
theilung sind von dem k. Amte der geologischen 
Landesaufnahme in London, die bisher vollendeten 
und herausgegebenen Karten und Durchschnitte an 
unser k. k. wontanistisches Museum abgesendet worden. 
Herr Bergrath Haidinger versprach selbe baldmöglichst 
nach ihrer Ankunft vorzuzeigen. 


10. Versammlung, am 30. Juni. 
Wiener Zeitung vom 12, Juli 1846. 


Herr V. Streffleur, k. k. Hauptmann, entwickelte 
seine Ansichten über die Feuerbildungen auf der Erdober- 
fläche, und über die Ursachen ihrer gegenwärtigen Ver- 
breitung: 

Nur die Vulkane mit ihrer ausgeworfenen Lava, die 
Erdbeben etc. sind wirkliche und nnverkennbare Anzeichen 
von Feuerbildungen. Alle übrigen für plutonisch gehaltene 
Erscheinungen aber, wie die Basaltbildung, die Metamor- 
phose der geschichteten Gesteine, der Feuerfluss des Erd- 
kerns etc. sind noch zweifelhaft, da selbst die ausgezeich- 
netsten Naturforscher der gegenwärtigen Zeit hierüber viel- 
fach abweichende Ansichten aufstellen. 

v. Humboldt nimmt an, dass 5 geographische Meilen 
unter der Erdoberfläche noch alles im Feuerflusse schwimmt, 


BR es 


und dass die jetzigen Vulkane nur die übrig gebliebenen 
Löcher in der erkalteten Rinde seien. Lyell läugnet den 
Feuerflass des Erdinnern, und lässt die Continente langsam 
sich heben und senken. Boue, Hoffmann etc. glauben 
zwar an das plutenische Entstehen des Granites, halten 
aber schon den Gneiss für umgewandelt aus dem Thon- 
'schiefer. Die Pseudomorphisten behaupten im Gegen- 
satze zu den Plutonisten, dass nicht die plutonisch aufstei- 
genden Gesteine an den Contaetpuikten mit den Sediment- 
bildungen einer Metamorphose hervorgebracht haben, son- 
dern dass die geschichteten Gesteine in gewisser Tiefe, 
unter erhöhter Temperatur und Pressung, sich selbst bis 
zum Flüssigwerden umwandeln. Kühn ist der Ansicht, 
dass sich der Granit , überhaupt alle Urgesteine , durch 
einen Kırystallisationsprozess im Wasser gebildet haben. 
Mohs sprach diese Meinung schon früher aus, und rech- 
net auch den Basalt zu den Bildungen aus dem Meere. Die 
Münchner Gelehrten, Fuchs, Wagner, Schafhäutl, 
schrieben eben so entschieden gegen die Emporhebungs- 
theorie. Zippe zählt unter die vulkanischen Gesteine 
ebenfalls nur die Erzeugnisse wirklich unverkennbarer Vul- 
kane. Die Arbeiten der Chemiker, besonders Ebelmen’s, 
weisen darauf hin, dass die plutonischen und geschichteten 
Gebirgsgesteine die nämlichen Elemente, nur in verschie- 
dener Art zusammengesetzt, enthalten. Neuere Versuche 
zeigen uns, dass sich unter elektro-magnetischen Einwir- 
kungen sogar Metalle aus dem Flüssigen niederschlagen, 
ohne dass dabei eine Glühhitze nöthig wäre. Agassiz 
lässt die Erdoberfläche in früherer Zeit mit Eis bedeckt 
sein u. s. w. Es herrschen also gegenwärtig noch die he- 
terogensten Ansichten, und alle Temperatursgrade von der 
Schmelzhitze der Plutonisten bis zur Eiskälte der Gletscher, 
spielen dabei ihre Rolle. 

Nach Streffleur’s Ansicht ist es für jetzt wohl un- 
möglich, die Ursachen des innern Getriebes eines Vulkans 
aufzufinden; doch aber könnte man es dahin bringen, dem 
Zusammenhange der vulkanischen Erscheinungen und den 
Bedingnissen auf die Spur zu kommen, unter welchen Vul- 
kane überhaupt auftreten und wieder erlöschen, 


Be 


v. Buch hat den Begriff von Reihen- und Central-Vul- 
kanen aufgestellt. Hiermit ist aber für die Wissenschaft nichts 
gewonnen, da diese Unterscheidung wohl die Auffassung 
über die Art des Vorkommens der Vulkane erleichtert, kei- 
neswegs aber auf Ursachen hinweist, warum die Vulkane 
in Linien sich reihen oder centralliegen. Ueberhaupt dürfte es 
den Anhängern der Emporhebungstheorie schwer werden, 
Verbreitungsgeseize für den Vulkanismus aufzufinden, da sie 
bei der maass-, zeit- und ortlos angenommenen Emporhe- 
bung und bei der Voraussetzung, dass es, wie v. Hum- 
boldt sagt, von geringfügigen Zufälligkeiten abhängt, 
ob die feuerflüssigen Massen an diesem oder jenem Orte 
hervorbrechen, oder ob die Spalten diese oder jene Rich- 
tung annehmen, von selbst auf jedes allgemeine Gesetz 
verzichten. Wohl aber zeigt sich auch hier die Möglichkeit 
zur Begründung solcher Gesetze, wenn man den Einfluss 
der Rotation auf die Bildung der Erdoberfläche in Berück- 
sichtigung zieht. 

Streffleur berichtete hierauf über seine diessfalls 
angestellten Untersuchungen. Er machte durch eine Berech- 
nung aufmerksam, wie unbedeutend die Ausdehnung des 
Vulkanismus gegen die Grösse der gesammten Erdober- 
fläche überhaupt sei, und legte einige Karten vor (aus sei- 
nem Werke: ‚‚Die Entstehung der Continente und Gebirge 
unter dem Einflusse der Rotation‘), um die Art des Vor- 
kommens der vulkanischen Gesteine auf der Erdoberfläche 
überhaupt und in Europa speciell nachzuweisen. Drei kleine 
Weltkarten zeigen die Wasserbildungen. Die Rotation zieht 
das Wasser in Strömen gegen den Aequator. Zwischen 
den Strömen bauen Seedämme (spätere Gebirge) sich auf; 
durch Ueberlagerungen, nieht aber durch Hebungen. In 
der ersten Weltkarte sieht man die Urgebirgsdämme zwi- 
schen den primären Stromlinien. In der zweiten Karte 
zeigen sich die sekundären Gebirge genau in UVebereinstim- 
mung mit der veränderten Richtung der sekundären Strö- 
mungen, In der dritten Karte erscheinen die heutigen schon 
absperrenden Continente mit den gegenwärtigen rücklau- 
fenden Strömungen. Eine vierte Karte zeigt die Verbrei- 
tung des Vulkanismus auf der Erdoberfläche. Vergleicht 


= Be 


man nım die Karte der Feuerbildungen mit jener der Mee- 
resströme der sekundären Epoche, so lassen sich folgende 
Schlüsse ziehen: 

1) Die sogenannten vulkanischen Gesteine haben sich 
stets in, oder an den Rändern der Rotations-Stromrinnen 
gebildet, aber nicht an allen Puncten dieser Bildungen: ist 
der Vulkanismus zum Ausbruche gekommen. Wir finden 
daher wohl Stromrinnen mit vulkanischen Gesteinen ohne 
vulkanische Ausbrüche, nie aber den wirklichen Vulkanis- 
mus ausserhalb der Stromrinnen. 

2) Die vulkanischen Erscheinungen auf den Continenten 
zeigen sich hauptsächlich an den Westküsten, weil in Folge 
der Rotations-Wasserbewegungen an der Ostseite der Con- 
tinente stets’ eine normale, westlich aber eine gestörte Bil- 
dung der secundären Gesteine vor sich gegangen ist. 

3) Die Vulkane sitzen stets an den Rändern Jer Rota- 
tions- Stromrinnen, und sie erlöschen in der Regel, wenn 
die Rinne austrocknet. Der Begriff von Central- Vulkanen 
ist somit ganz unstatthaft. Die von den Geologen dafür 
gehaltenen sind ebenfalls Randvulkane, wie z. B. jene 
auf den Sandwichinseln, auf Island ete., da sie an den 
Randlinien von Seehochländern liegen. 

4) Das Vorkommen der Vulkane steht am meisten in 
Uebereinstimmung mit dem Zuge der Rotationsströme der 
secundären Epoche. Der Vulkanismus beschränkt sich dem- 
nach am Festlande auf eine Aequatorialzone, welche den 
45° der Breite nicht viel überschreitet, und es zeigt sich 
der Hauptsitz der Vulkane an solchen Stellen, wo die pri- 
mären Dämme, in Folge der veränderten Stromrichtung, 
durchbrochen wurden. 

5) Der Vulkanismus dürfte nach diesen Wahrnehmun- 
gen erst nach der Bildung der Urgebirgsdämme zum Aus- 
bruche gekommen sein. 

Ausführliche Nachweisungen dieser Sätze finden sich 
in dem oben angezeigten Werke: „Die Entstehung der 
Continente und Gehirge unter dem Einflusse der Rotation.“ 

Hr. Dr. Hammerschmidt machte in eigenen Worten 
auf die Wichtigkeit und Anwendbarkeit des Farbendru- 
ckes bei naturwissenschaftlichen Abbildungen und auf die 


u, 


diessfalls von Hrn. Anton Hartinger, Corrector und 
Kunstmitglied der kaiserl. Akademie der bildenden Künste 
in Wien, erzielten, höchst gelungenen Versuche aufmerk- 
sam. Als Probe des in diesem Fache Geleisten , legte Hr. 
Dr. Hammerschmidt ein von Hartinger durch litho- 
graphischen Farbendruck mittelst 10 verschiedenen Steinen 
erzeugtes, 18 Zoll hohes, 15 Zoll breites Bild vor, darstel- 
lend einen zierlichen in einem Rubinglase stehenden Blu- 
menstrauss, bestehend. aus einigen Knospen und Blumen 
einer rothen Camellia multiflora, einer weissen Cumellia 
ochroleuca, einer Primula und Vestea licioides, der Viola 
tricolor maxima, Epacris grundiflora und Solya hetero- 
phylla. Obschon die Bescheidenheit des Künstlers dieses 
Kunststück nur als einen Versuch im Farbendruck bezeich- 
net, und das Bild durch kräftigere Haltung der Mittel- 
töne wesentlich noch gewinnen dürfte, so ist doch schon 
in dem Vorliegenden nicht zu verkennen,, dass dieses 
Verfahren das mühsame und kostspielige Koloriren der 
Abbildungen, wobei fast eine vollkommene Gleichheit mit 
dem Original- Gemälde hergestellt wird, ersetzen könne. 
Dr. Hammerschmidt macht bemerkbar , wie schön 
die Farbeniöne in dem vorliegenden Bilde in einander 
übergehen, wie vollkommen die Farben sich mit einander 
verbinden und mischen, und wie nahe dadurch dieser Far- 
bendruck der wirklichen Malerei stehe, so dass an manchen 
Stellen ein Nachhelfen mit dem Pinsel vermuthet werden 
sollte; es könne daher kein Zweifel sein, dass in dieser 
Weise die Anwendung des Farbendruckes auf naturwissen- 
schaftliche Werke von hoher Wichtigkeit sei, weil dadurch 
nicht nur grössere Aehnlichkeit mit dem Originalgemälde, 
sondern auch eine bedeutendere Wohlfeilheit erzielt werde. 
Dr. Hammerschmidt glaubt daher, dass das durch Hrn. 
Hartinger (Gumpendorf, Hirschengasse Nr. 381) beab- 
sichtigte Unternehmen: Arbeiten in Farbendruck zu über- 
nehmen, auch bei der von Herrn Bergrath Haidinger 
beabsichtigten Herausgase der „„‚Naturwissenschaftli- 
chen Abhandlungen,“ in so ferne darin kolorirte Ab- 
bildungen nöthig sein würden, eine Beachtung verdienen 
dürfte. 


ee 


Hr. Dr. Hammerschmidt legte ferner von dem durch 
Herrn Corrector Anton Hartinger herausgegebenen 
botanischen Prachtwerke: „Paradisus Vindobonen- 
sis, eine Auswahl seltener und schön blühender 
Pflanzen der Wiener Gärten“ die bisher erschiene- 
nen dreizehn Lieferungen, welche über fünfzig verschiedene 
Prachtblumen enthalten, und wovon die Lieferung zu vier 
Grossfolio - Blättern sammt Text S fl. C. M. kostet, vor. — 
Das Werk hat den Zweck, die neuesten Erscheinungen in 
der Blumenwelt, die ihrer Schönheit, Fremdartigkeit oder 
besonderen Eigenthümlichkeit wegen, ein ausgezeichnetes 
Interesse gewähren, so naturgetreu als möglich, darzustel- 
len. Der wissenschaftliche Werth des Werkes wird durch 
den Umstand verbürgt, dass unser gefeierter Botaniker 
Herr Prof. Endlicher, den Text und die Analysen selte- 
ner Pflanzen dazu liefert. Se. Majestät haben die Wid- 
mung dieses Werkes anzunehmen, und dem Herausgeber 
die grosse goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft 
dafür zu ertheilen geruhet. Die gefällige Gruppirung, die 
naturgemässe Darstellung, die sorgsame Kolorirung lassen 
Nichts zu wünschen übrig, und mit vaterländischem Stolze 
kann man diess Prachtwerk den ausgezeichnetsten Wer- 
ken des Auslandes an die Seite stellen. Herr Dr. Ham- 
merschmidt vertheilte das Pogramm dieses Werkes mit 
Hinweisang auf die in der allgemeinen österreichischen 
Zeitschrift für den Landwirth , Forstmann und Gärtners 
Nr. 27 vorkommende ausführlichere Bekanntmachung. 

Derselbe hielt ferner einen Vortrag über einige von ihm 
entdeckte Eingeweidewürmer, deren thierische Natur von 
Creplin in Erichson’s Archiv 1846, Il. Heft, Seite 157 
in Zweifel gezogen wird, Creplin liefert im gedachten 
Archiv ein Verzeichuiss jener Thiere, in denen sich Ein- 
geweidewürmer befinden und führt darin mehrere von Dr. 
Hammerschmidt im J. 1835 endeckte und von seinem 
unvergesslichen Freunde Dr, Leuckart aus Freyburg in 
der Isis (Jahrg. 1838, Seite 351, Taf. IV) bekannt ge- 
machte Entozoen an, bemerkt jedoch, dass nach seiner 
(Creplin’s) Ansicht die gregarina-artigen Entozoen dem 
Thierreiche nicht angehören. Wenn auch bei manchen mi- 


Ei 


kroskopischen Organismen, welche an der Grenze zwischen 
Pflanzen- und Thierleben stehen, oder die so klein sind, 
dass ihre Beobachtung besonders erschwert wird, eine be- 
stimmte Entscheidung schwierig ist, so dürfte doch diess 
hier nicht der Fall sein, weil die vorliegenden Thiere '3—/, 
Wr. Linie lang sind. Dr. Hammerschmidt legte die 
Abbildungen der als zweifelhaft von Creplin vorge- 
stellten Clepsidrina polymorpha (aus Tenebrio molitor), 
Clepsidrina conoidea (aus Forficula auricularia), Clep- 
sidrina ovala (aus Amora cuprea), Clepsidrina lenuis (aus 
Allecula moris), Rhizinia curvala (aus Calonia aurata)), 
Rhizinia oblongata (aus Opatrum sabulosum), Pyxinia 
rubecula (aus Dermestes vulpinus) , Bullulina tipulae (aus 
Tipula), vor, und machte auf die Bewegungen unter 
dem Mikroskope aufmerksam, welche der lebenden Clep- 
sidrina polymorpha, so lange sie sich noch in den mit 
Darmsaft gefüllten Eingeweiden des Tenebrio molitor be- 
findet, eigen sind. Wer nun einmal diese langsamen 
schlangenförmig sich hin- und herziehenden, mit Abschnü- 
rungen des Körpers verbundenen Bewegungen des Thieres, 
die von den Strömungen der es umgebenden Flüssigkeiten 
ganz unabhängig sind, genau beobachtet hat, wer auf die 
Bewegungen dieser Thiere, wenn sie in verschiedenen 
Richtungen neben und übereinander vorüber ziehen, Rück- 
sicht nimmt, wenn man erwägt, dass dieses Wesen immer 
in der Richtung der, als Kopftheil sieh darstellenden kleinen 
Abschnürung sich bewegt, wenn man die eigenthümliche 
Bewegung im Innern der zwei grösseren Körperabschnitte 
beobachtet, wo in einem Canale eine Masse der feinsten 
Theilchen wie Sand in einer Sanduhr mit gleichzeitigen Ab- 
schnürungen der Haut auf- und abwärts rieselt, wenn man 
endlich die regelmässigen Abschnitte, aus denen der Körper 
besteht, und in denen sich zwei weisse Flecke, wie sie in 
vielen Systemen als Saugmündungen vorkommen, auf- und 
abwärts bewegen beobachtet, so dürfte wohl über die Aehn- 


‚lichkeit mit andern thierischen Organismen und über die 


thierische Natur dieser Gebilde kaum ein Zweifel sein. Dr. 
Hammerschmidt hält dafür, dass die von ihm aufge- 
stellte Gattung Bullulina und Rhizinia, so wie die von 


ZU E 


Leon Dufour aufgestellte Gattung @regarina, noch un- 
vollständige Thiere; und nur die niederern Entwickelungs- 
stufen der Clepsidrina , letzteres aber der vollkommene 
Eingeweidewurm sei, daher auf Beibehaltung des letzteren 
Namens um so mehr angetragen werden könne, als der- 
selbe für die eigenthümliche Bewegung im Innern ähnlich 
einer Sanduhr bezeichnender erscheint, als jener bloss von 
dem zufälligen gedrängten Zusammenleben der fast bewe- 
gungslosen Gregarina. Die Ursache, dass man diese We- 
sen bewegungslos findet, liegt darin, dass die Beobachter 
derlei mikroskopische Gegenstände bei der Untersuchung 
meistens mit Wasser benetzen, worin diese Thiere, so wie 
manche Spermatozoen fast augenblicklich sterben. Nur 
dann, wenn man den Darm aus dem Thiere herauspräparirt , 
und so die Darmhaut selbst der Untersuchung unterzieht , 
kann man diese Thiere, wie es im vorliegenden Falle von 
den Anwesenden beobachtet werden konnte, lebend und in 
Bewegung sehen, ein Umstand, auf den bereits in der 
Isis a. a. O. aufmerksam gemacht erlei 

Hr Professor Schrötter theilte einige Beobachtungen 
mit, die er als Beiträge zur Kenntniss der verschiedenen 
Molecularzustände der Materie betrachtet zu wissen wünscht. 
Die eine derselben bezieht sich auf das Chromoxyd, welches 
man bisher nur in der unlöslichen Modification in der Natur 
gefunden hat, nähmlich im Chromeisenstein FeO, Cr,O,. 
Bei Untersuchung eines Bohnenerzes aus der Gegend von 
St. Stephan in Steiermark, fand Hr. Prof. Schrötter, dass 
dasselbe ausser 64,23 pCt. Eisenoxyd, 13,60 pCt. Kiesel- 
erde, 13,65 pCt. Wasser, 4,00 pCt. Thonerde ‚und etwas 
Phosphorsäure, Manganoxyd und schwefelsaure Kalkerde , 
4,24 pCt. Chromoxyd enthält, welche sich vollständig lösten 
als das Mineral mit Salzsäure behandelt wurde. So wenig 
Interesse an sich ein solches Vorkommen zweier verschie- 
denen Modificationen eines Körpers hat, so scheint das- 
selbe doch in geologischer Hinsicht einige Aufmerksamkeit 
zu verdienen, weil gerade durch ein aufmerksames Studium 
dieser feineren Beziehungen, einige Aufklärung über die 
in der Natur Statt findenden Metamorhposen der unorga- 
‚nischen Naturproduete Aufschluss erwartet werden darf. 


En 


Hr. Prof., Schrötter knüpfte hieran einige Bemerkungen 
über die Trennung des Eisens vom Chrom, welche der 
Aehnlichkeit beider Substanzen wegen mit einiger Schwie- 
rigkeit verbunden ist. Das Verfahren, welches derselbe 
angibt, ist sehr einfach und gibt ganz genaue Resultate. 
Chromoxyd und Eisenoxyd werden nämlich zusammen mit 
Ammoniak gefällt, und nach dem Auswaschen in Salpeter- 
säure gelöst. Die salpetersaure Lösung wird in einer Pla- 
tinschale zur Trockenheit abgedampft, und dann unter Zu- 
satz von Salpeter bei schr geringer Wärme geschmolzen. 
Es findet hierbei wie bei dem gewöhnlichen Aufschliessen 
des Chromeisensteines mit Kali und Salpeter, die Bildung 
von chromsauren Kali Statt, nur mit dem Unterschiede, dass 
hier das Eisenoxyd rein und vollständig zurückbleibt, wäh- 
rend es in letzteren: Falle immer noch viel Chromoxyd zu- 
rückbehält. 

Die zweite Mittheilung des Hrn. Prof. Schrötter betraf 
die arsenige Säure, welche wie bekannt amorph als glasige, 
durchsichtige Masse, und im krystallirsirten Zustande er- 
scheint, wo sie weisse, undurchsichtige dem. Tessularsy- 
steme angehörige Krystalle bildet. Es ist auch bekannt, 
dass die amorphe Modification durch längeres Liegen in 
die krystallisirte übergeht. In den chemischen Werken fin- 
det sich durchaus die Angabe, dass dieser Uebergang nicht 
Statt findet, oder doch wenigstens sehr verzögert wird, 
wenn man die Säure unter Wasser aufbewahrt. Hr. Prof. 
Schrötter machte indessen die Beobachtung, dass diese 
Angabe auf einer Täuschung beruhet, indem die Säure in 
diesem Falle zwar durchsichtig bleibt, aber dennoch witk- 
lich in den krystallisirten Zustand übergeht. Die Stücke, 
von welchen ein sehr ausgezeichnetes gezeigt wurde, sind 
oberflächlich mit einer dünnen, weissen Kruste bedeckt, 
und bestehen im Innern aus den schönsten octaedrischen, 
jedoch durchsichtigen Krystallen. 

Zuletzt fügte Hr. Prof. Schrötter noch einige Be- 
trachtungen über die verschiedenen Zustände der Materie 5 
und über die wahrscheinliche Ursache der obigen Erschei- 
nung bei. 

Freunde der Naturwissenschaften in Wien. I. 6 


= Sn 


Hr.Dr.Botzenharttheilte die Beobachtung einer neuen 
Modification, der von Bergrati Haidinger entdeckten 
Erscheinung farbiger Lichtbüschel im polarisirten Lichte mit. 

Lässt man linear polarisirtes Licht, durch senkrecht auf 
die Axe geschliffene Quarzplatten gehen, so werden die 
Lichtbüschel nicht bloss aus ihrer ursprünglichen Lage ab- 
gelenkt; sondern man sieht sie auch je nach der Dicke der 
Quarzplatte von den verschiedenen Farben des Spectrums. 

Eine :/, W. Zoll dicke Platte zeigt gleichzeitig rothe, 
gelbe, grüne und blaue Büchsel, die in einem Puncte sich 
schneiden und mit der ursprünglichen Polarisationsrichtung 
verschiedene Winkel bilden. Bei diekern Platten, etwas 
über '/, W. Zoll, zeigten sich nur die rothen und grünen 
Büschel. 

Nimmt man zwei gleich dieke Platten von :/, W. Zoll, 
wovon die eine rechts und die andere links drehend ist, 
und lässt man durch beide linear polarisirtes Licht gehen, 
so zeigen sich wieder die gelben und violeten Lichtbüschel 
in der ursprünglichen Polarisationsrichtung. 

Diese Erscheinungen beobachtet man am besten mit- 
telst der dichroskopischen Loupe, wenn man zwischen die- 
selbe und das Auge die Quarzplatte hält, gegen eine weisse 
nicht spiegelnde stark beleuchtete Fläche hinsieht, und die 
beiden Bilder der Loupe abwechselnd fixirt. 

Die Erklärung ohiger Erscheinungen ergibt sich aus der 
Einwirkung der Quarzplatten auf linear polarisirtes Licht, 
indem sie die Polarisationsebene drehen und zwar für die 
verschieden farbigen Strahlen des weissen Lichtes, um 
einen andern Winkel. Ist daher linear polarisirtes weisses 
Licht durch eine Quarzplatte gegangen, so tritt es als 
weisses Licht aus, dessen farbige Bestandtheile verschie- 
dene Polarisationsrichtungen haben, und das Auge ist im 
Stande, diese verschiedenen Polarisationsrichtungen geson- 
dert zu empfinden. 


11. Versammlung, am 6. Juli. 


Wiener Zeitung vom 1, August 1846. 


Herr Dr. Richard Comfort versuchte nachfolgende 
systematische Vergleichung der Familie der Equidae: 

Bekanntlich gehört die Familie der Hufer in die Classe 
der Säuger, in die Ordnung Pecus; diese haben folgende 
Unter- Abtheilungen: «) Wiederkäuer, a) mit Hörnern , 
b) mit Geweihen, ß) nicht wiederkäuend, c) die Hufer 
Das G@nu macht den Uebergang von a zu c. 

Nach Hrn. Dr. Comfort's Combinations- System grup- 
piren sich die Equidae folgender Massen: 

1) Das Pferd, 2) das mausfarbige wilde Pferd der Ta- 
tarei, 3) das Maulthier, 4) das Zebra, 5) das Kanree (das 
Pferd vom Himalaya), 6) das Quagga, 7) der Maulesel, 
8) der Dsigettai (oder der wilde Esel Palästinas), 9) der 
Esel. 

Hieran knüpfte Hr. Dr. Comfort nachfolgende Bemer- 
kungen: 

1) Es fragt sich, sind die angeführten Gruppen Spe- 
cies oder Varietäten? dann welche ist die Urspecies, aus 
der sich die andern durch Combination und klimatische Ein- 
flüsse entwickelt haben ? 

Aus eigener Anschauung des Kanree im Jardin des 
plantes zu Paris ist ihm wahrscheinlich, dass das Pferd, 
das Kanree und der Dsigettai die Urspecies sind, aus de- 
nen sich die übrigen Varietäten entwickelten ; wohl könnte 
vielleicht. das antidiluvianische Pferd (man fand das Ske- 
let nahe bei Quito) vielleicht die Urspecies sein; weitere 
Forschungen in den noch nicht bekannten Gegenden unse- 
res Planeten werden zeigen, welche die wahre Hypo- 
these sei. 


Noch verdient bemerkt zu werden, dass die Pferde- 
köpfe (die Thessalier waren berühmte Pferdezüchter) aus 
der Blüthe griechischer Plastik hervorgegangen, an Schön- 
heit und Adel bei Weitem das arabische Pferd übertreffen. 

6* 


a 


2) Das wilde Pferd verhält sich zum domestieirten, wie 
der Wolf zum Hunde. (Man sehe Cooper’s scharfsinnige 
Vergleichung des Wolfes, Hundes, des Schakals und Fuch- 
ses in seiner Preisschrift.) 

3) Durch Domestieirung hat das Pferd gewonnen, der 
Esel verloren. 

4) Als wesentlichen Eintheilungsgrund hatte Hr. Dr. Co m- 
fort auch hier Skeletbildung und als Form, die Haut- 
und Haarfarbe angenommen, und hofft in einer künftigen 
Forschung, über Pferderacen diese Grundsätze weiter auszu- 
führen. 

5) Das Pferd (von der persichen Wurzel para, pera, 
fera , frei, Pferd) ist die vollkommenste dieser Varietäten. 

Zur Vergleichung diene die beredte Schilderung dieses 
nützlichen Thieres im Buche Job. Es verbindet die 
Schnelligkeit des Zebras mit der Zugfähigkeit des Quagga, 
mit der Tragfähigkeit der Hemionen: es ist also zum Rei- 
ten, Tragen und Ziehen ganz geeignet und es ist ausge- 
zeichnet vor den andern Varietäten durch Muth, Kraft, 
Schnelligkeit, Grösse, Schönheit, Intelligenz und Willig- 
keit; sein Gebrauch aber, wo es von keiner der genannten 
Varietäten je übertroffen werden wird , oder von einem an- 
dern Genus selbst, ist der Cavallerie - Dienst. 

6) Durch Kreuzung des Pferdes mit den andern Varie- 
täten werden die letzteren veredelt; jedoch auch hier zeigt 
sich der grössere Einfluss des Mutterthieres, wie es sich 
am Maulthiere ausweiset. 

Am Cap der guten Hoffnung kreuzt man Zebras mit 
Quaggas; Capitän Smith machte Versuche mit Quaggas; 
die in Schotiland mit Pferden gekreuzt wurden, und diese 
Versuche fielen sehr befriedigend aus; das Kanree scheint 
eine natürliche Combination von Zebra und Quagga. 

7) Es ist eine irrige Meinung, dass die Blendlinge der 
Hufer unfruchtbar seien, in der Tatarei befinden sich Her- 
den von Hemionen, die sich fortpflanzen. 

Hr, Dr. S. Reissek sprach über die Zellnatur der 
Amylumkörner. Bekanntlich hat man dieselben bisher all- 
gemein als mehr oder weniger feste, hüllenlose Körperchen 
angesehen. Eine genauere Untersuchung des normalen Kornes 


= u 


und der Metamorphosen, welche dasselbe bei eintretender 
Pflanzen - Fäulniss so wie überhaupt nach längerem Liegen 
im Wasser darbietet, zeigen auf das Entschiedenste, dass 
man das Amylumkorn als eine besondere, wenig ausgebil- 
dete Zelle betrachten müsse. Die meisten Amylumkörner 
werden nämlich in Foge dieser Metamorphose durch Auflö- 
sung und Exosmose ihrer inneren und festeren Substanz 
hohl; die Höhlung füllt sich mit Wasser, und vergrössert 
sich zuletzt so bedeutend, dass vom ganzen Amylum- 
korne nur die äusserste Substanzschichte zurückbleibt. In- 
dem diese Schichte zugleich weicher und biegsamer wird, 
erhält das so veränderte Korn das Ansehen eines geschlos- 
senen Säckchens und stellt ia diesem Zustande eine deut- 
liche Zelle dar. Es finden sich übrigens bei gewissen Pflan- 
zen auch schon im Normalzustande Amylumkörner, welche 
sich als unzweifelhafte Zellen erkennen lassen. So in den 
Knollen der Orchideen. Hier differenzirt sich die äusserste 
Schichte des Kornes zur Membran, und das Innere wird 
gallerartig und bildet die Füllungsmasse. 

Unter gewissen Verhältnissen, wo solch eine Amylum- 
zelle im Wasser durch längere Zeit liegt, kann man beob- 
achten, dass sich selbe um ein Mehr - oder Vielfaches ihres 
ursprünglichen Volumens vergrössere, 

Als Resultat lässt sich demnach aussprechen, dass die 
Amylumkörner wenig ausgebildete Zellen sind, welche un- 
ter gewissen Verhältnissen in Folge einer besonderen Me- 
tamorphose ,„ die Zellnatur deutlich offenbaren. Betrachtet 
man die ganze Formreihe der uns bekannt gewordenen 
Amylumkörner der verschiedenen Pflanzen, so lassen sich 
vom einfachen, in seiner Substanz homogenen dichten 
Korne, bis zu jenem dessen äussere Substanz sich bereits 
zur Membram differenzirt, und so eine entschiedene Zelle 
gebildet worden ist, die Uebergangs-Formen nachweisen. 

Herr Joh. Kudernatsch hielt einen Vortrag über 
das ehemalige, urweltliche Vorkommen von 
Seen in Ober- Steiermark , als Resultat seiner im J. 1843 
hierüber sngestellten Forschungen. Nach ihm nahm der 
grossartigste dieser urweltlichen Seen, dessen ehemalige 
Existenz durch die geognostischen Verhältnisse über allen 


Baer: , 


Zweifel erhoben wird, jenen noch jetzt auffallend becken- 
artig geformten Theil des obern Murthales ein, wo sich 
heut zu Tage die Städte Judenburg und Knittelfeld befin- 
den, und er glaubt den endlichen Abfluss dieses Sees einer 
gewaltsamen Katastrophe zuschreiben zu müssen. Der Grund 
des ganzen Beckens ist Granit mit allen jenen metamor- 
phischen Felsarten, die mit ihm gewöhnlich in Verbin- 
dung zu stehen pflegen, als: Gneiss, Glimmerschiefer und 
auch Hornblendeschiefer ; untergeordnet erscheint noch ein 
Kalkstein von zweifelhafter Formation. Alle diese Felsar- 
ten treten jedoch in dem Becken selbst nirgends auf, und 
dieses wird ganz von einer Braunkohlen-Formation ausge- 
füllt, welche Kudernatsch mit grösster Bestimmtheit in 
die mittlere Tertiär- Epoche setzen zu dürfen glaubt. Der 
Schieferthon enthält nämlich unmittelbar über den Kohlen 
Congerien und Paludinen, und namentlich die ersten bis- 
weilen in solcher Menge, dass sie dann einen aus lauter 
Muschelfragmenten bestehenden Kalk bilden; diess ist ins- 
besondre der Fall an der Einmündung der Ingering in das 
Becken und bei Fohnsdorf, An einigen Puncten fehlen die 
Mollusken, so bei Dietersdorf, aber dafür treten dort Ueber- 
reste aus dem Pflanzenreiche auf, unter denen Dicotyledo- 
nen vorherrschen; hin und wieder finden sich Coniferen- 
Reste, von Farren gar keine, von Sumpfpflanzen nur we- 
nig Spuren. Reste von Fischen sind selten, doch konnte 
Kudernatsch mehrere wohlerhaltene Wirbel derselben 
und einzelne Gräten sammeln. Die Kohle selbst zeigt bis- 
weilen ausgezeichnet die Holzstructur, und es deuten über- 
haupt alle Erscheinungen darauf hin, dass die Materialien 
zur Bildung des Kohlenflötzes herbeigeschwemmt wurden. 
Dass die ganze Bildung eine Süsswasserbildung sei, un- 
terliegt nicht dem mindesten Zweifel; dass die Ablagerung 
ruhig, ohne Störungen vor sich gegangen, ist eben so klar. 
So ist ja der Schieferthon selbst nichts anderes als ein ver- 
härteter, äusserst zarter Schlamm, der durch seinen Glim- 
merreidhihem hinlänglich seinen Udpramk aus den oberu 
Gebirgsgegenden beurkundet und in welchem man keine 
Spur von Geröllen oder sonstigen Merkmalen heftigerer 
Fluthen-wahrnimmt. Die Begrenzung des Sees findet er nun 


aus der Verbreitung der erwähnten Ablagerungen und aus 
‚der Oberflächen - Beschaffenheit dieses Theils des Murthales, 
da dasselbe seit jener Zeit keine wesentlichen Veränderun- 
gen erlitten hat. Der Damm, welcher die ungeheure Was- 
sermasse sperrte und jene Ablagerungen möglich machte, 
befand sich unterhalb St. Lorenzen, dort, wo die Mur in 
eine enge, beiderseits steile Schlucht eintritt; dort setzt 
nämlich ein schmaler Serpentinzug quer durch das Murthal, 
die beiderseitigen Uferfelsen sind eine und dieselbe , mine- 
ralogisch gar nicht zu unterscheidende, Felsart, und ihr 
Zusammenheng scheint nur durch die Mur unterbrochen. 
Das obere Ende des Sees ist bei Judenburg und bei Aller- 
heiligen an der Pöls zu suchen, so dass derselbe eine 
Länge von mehr als 6 Stunden und an seiner breitesten 
Stelle eine Breite von 2 Stunden besessen haben muss. Grös- 
sere Buchten befanden sich an der Ingering aufwärts und dann 
gegenüber von St. Lorenzen gegen Seckau zu. Wäre nun 
der Damm dieses Sees nicht durchbrochen worden , so hätte 
der letztere bis zur Höhe des Dammes ausgefüllt und so 
trocken gelegt werden müssen. Dass der Damm gewaltsam 
durchbrochen worden, folgert Kudernatsch aus dem 
Auftreten von Serpentinblöcken und Geröllen unterhalb des- 
selben, die, als die Trümmer jenes Dammes, das "Thal bis 
St. Stephan und weiter hinab ausfüllen , und er glaubt je- 
nes Ereigniss einer Spaltenbildung in Folge heftiger Erd- 
erschütterungen zuschreiben zu müssen, indem sich nicht 
läugnen lasse, dass auch Steiermark einst, in der Urzeit, 
heftigen Erderschütterungen ausgesetzt gewesen; dafür 
spricht das häufige Auftreten entschieden vulkanischerBildun- 
gen südlich und südöstlich von Gratz. Die Spuren dieses See- 
durchbruches finden sich auch in den gewaltigen Geröllablage- 
rungen abwärts bis Brück. Noch grossartiger jedoch als diese 
ist die Geröllablagerung des erwähnten Seebeckens selbst, 
welche die Braunkohlenformation bedeckt und in der Nähe 
von Judenburg eine Mächtigkeit von mindestens 60° hat. Die 
Gerölle sind da ohne alle Ordnung wild durcheinander ge- 
worfen, und beide Ströme, Mur und Pöls. haben sich tiefe 
Betten in diese Geröllmassen eingewühlt. Ihre Ablagerung 
musste zu einer Zeit erfolgen, wo die Mur sich noch unge- 


- Bu 


hindert ausbreiten konnte, wo also ihr Bett noch sehr 
seicht, oder gar der See noch nicht vorhanden war, und 
es fällt also die Periode dieser Anschwemmungen in die 
Nähe jener des Seedurchbruches, das ist, gegen Ende der 
Tertiär- Epoche. An diese Betrachtungen knüpft Kuder- 
natsch die Folgerung, dass diese so grossartige Geröllab- 
lagerung theils die Folge von ähnlichen Seedurchbrüchen , 
wie der oben geschilderte, sei, indem er die Spuren ehemali- 
ger Seen von St. Peter bis Unzmarkt und im Becken der 
Stadt Pöls findet; theils schreibt er sie Aufstauungen und 
verheerenden Durchbrüchen jener zwei Ströme in Folge 
grosser Felsenstürze an engen Thalstellen, ein nicht un- 
sewöhnliches Ereigniss in Gegenden, wo Erderschütterun- 
gen häufig sind, oder in Folge von Erdschlüpfen zu. Die 
zahlreichen Trümmerhalden in den obern Stromgebiethen der 
Mur und Pöls bestätigen diess, und aus der mineralogischen 
Beschaffenheit derselben erkennt man sogleich, dass man 
sich hier an der Quelle jener Geröllfluthen befinde. 
Kudernatsch machte hierauf aufmerksam , wie das 
Feeberger Thal bei Judenburg, welches dem obern 
Murthale fast direct entgegenläuft, vermög dieser Lage 
sehr: bald durch die Mur ausgefüllt werden musste, indem 
sich die herabgeschwemmten Materialien dort rubig ablagern 
konnten: daher finden wir auch dort ein Kohlenflötz , wel- 
ches eine Mulde ausfüllt, abgelagert. Nach der ausführli- 
cheren Schilderung dieser Erscheinung ging er zur Betrach- 
iung anderer urweltlichen Seen über, deren einstiges Da- 
sein durch ganz analoge Thatsachen bestätiget wird: Das 
Ennsthal, von Krumau unterhalb Admont an, bis weit auf- 
wärts war ein langer See; noch jetzt ist der Boden des- 
selben ein Torflager und zahlreiche Sümpfe bilden die 
Reste des alten Sees. Ein zweiter See befand sich in dem 
Seitenthale des „‚Palten Baches‘ von Rottenmann an bis 
Gaishorn, wo wir den „Gaishern See‘ als letztes Merkmal 
der alten Wassermasse antreffen. Weiter abwärts im Enns- 
thale findet man die unzweifelhaftesten Spuren eines urwelt- 
lichen Sees im sogenannten „‚Landl‘ unterhalb Hieflau; wir 
finden dieselben endlich auch im Mürzthale. von Wartberg 


— ie 


bis oberhalb Krieglach, und im „‚Seebach Thale‘ bei Thur- 
nau in der Nähe von Afflenz. 

Nachdem Kudernatsch endlich auch darauf hinge- 
wiesen, wie viele noch vorhandene Seen ehedem weit aus- 
gedehnter gewesen und nun ihrer endlichen Ausfüllung ent- 
gegenschreiten, z. B. der Leopoldsteiner See bei Eisenerz , 
der Neusiedlersee etc. , schloss er mit der Betrachtung, 
dass wohl ein grosser Theil aller Gebirgsthäler anfänglich 
aus einer Reihe von Becken bestanden habe und dass erst 
durch die Ausfüllung der dadurch entstandenen Seen, das 
heutige mit successiver Niveauveränderung fortlaufende Thal 
gebildet worden sei. 

Hr. Dr. v. Ferstl berichtete über das Vorkommen des 
Coral rag in Oesterreich. Derselbe bildet eine oft unterbro- 
chene Hügelreihe, welche bei Ernstbrunn beginnend sich 
bis in die Gegend von Przemisl in Galizien ausdehnt. Sein 
Gestein bildet ein graulich gelber Kalk von bald dichtem, 
bald oolithischem, bald sandigem oft auch breceinartigem 
Gefüge; häufig erhält er auch durch die Theilungsflächen 
der eingeschlossenen Krinoidenstielglieder ein krystallini- 
sches Ansehen. Tragos Patella Goldf.; Lithodendron sp.®; 
Apiocrinites mespilifornis Goldf.; Cidariles glanduliferus 
Goldf.; Terebratula lacunosa Bronn; T. alata Brongn.; 
T. perovalis Brongn.; Diceras arielina Lmk. Pterocera 
Oceuni Brongn. und verschiedene Nerineen bilden seine 
wichtigsten Versteinerungen. 

Hr. General-Probirer, A. Löwe, theilte ein Schreiben des 
k. k. Bergraths Haidinger aus Gratz vom 3. Juli d. J. 
mit, worin derselbe die Beobachtungen während des ver- 
heerenden Hagelsturwes am 1. Juli beschreibt, der sich über 
Gratz und seine nächste Umgebung verbreitet hatte. 

„Kaum waren wir vorgestern am 1. Juli in Gratz einge- 
troffen, und beiunserem ersten Besuche bei Hrn. Prof. Unger, 
als sich ein bedeutender Hagelsturm zwischen */, und °®/, 
auf 5Uhr über die üppigen Gründe der nächsten Umgegend 
ergoss. ‘Abgesehen von dem vielfachen Schaden, den er 
anrichtete ‚zu bedauerlich, um nicht hier erwähnt zu wer- 
den, bot er doch Einiges, in wissenschaftlicher Beziehung 
Bemerkenswerthes, das ich hier alsogleich mittheilen zu 


— 


müssen glaube. Zuerst dieForm und Grösse der Hagelkörner. 
Ich massmehrere, die zwei Zoll im Durchmesser hatten. Herr 
Prof. Unger wog zwölf der grösseren, die zusammen ein 
Gewicht von 11 Loth hatten. Viele waren etwas flach und 
mit zapfenförmigen Erhabenheiten bedeckt, ähnlich den 
Zeichnungen in einem früheren Hefte Poggendorffs, 
nach v. Humboldt, Nöggerrath u. A. Einige, die 
Hr. v. Hauer aufsammelte, waren aber darunter voll- 
kommen kugelrund. Die oberste Schicht war an allen 
klares Eis, besonders bei den kugelförmigen deutlich im 
Querschnitte aus einzelnen fest aneinanderschliessenden 
Eisprismen bestehend. Im Innern erhielten fast alle eine 
weisse Ku gel mit undurchsichtiger Oberfläche, einige zwei 
oder drei solche undurchsichtige concentrische Streifen, 
wenn man sie flach niederschliff. Mit der dichroskopischen 
Loupe gegen spiegelnde Fenstertafeln,, im polarisirten Lichte 
untersucht, zeigten die abwechselnd grünen und rothen Far- 
ben der Ringe sehr schön die strahlige Zusammensetzung 
von Individuen, die auf der Oberfläche senkrecht standen. 
Offenbar ist die klare Eisrinde durch Niederschlag an der 
Oberfläche der sehr kalten inneren Kugel gebildet, diese 
aber selbst durch schnelle Erkaltung in einem trockenen 
Raume erstarrt, so dass sich Krystallspitzen bildeten. Die 
Zustände der Bildung haben also allerdings abgewech- 
selt, so wie es die bekannte Volta’sche Theorie erfor- 
dern würde. Aber es scheint nach der Schnelligkeit des 
Vorgangs, und insbesondere der gleichzeitigen gewaltthäti-- 
gen Entwickelung des Sturmes, der in wirbelnden Rich- 
tungen eintritt, wenn er auch einen Hanptstrich verfolgt, 
vielleicht ganz der Natur entsprechend, anzunehmen, dass 
der Hagel durch eine Art Wind- oder Wasserhose 
hervorgebracht werde, die von den tiefen Wolken, selbst 
noch tiefer ausgehend, eine solche Höhe erreicht, dass die 
hinaufgerissenen Tropfen und Wassertheile durch ihre nie- 
drige Temperatur augenblicklich nicht nur zu Eis frieren, 
sondern dass dieses Eis so sehr erkaltet wird, dass es sich 
in den tiefen feuchten Wolken schnell mit einer neuen, und 
zwar durchsichtigen Eiskruste zu überziehen vermag. Man- 
che Tropfen und Körner mögen öfters wieder in den auf- 


Fa 


wärts gerichteten Wirbel fallen und dadurch vergrössert , 
aus abwechseinden, mehr oder weniger durchsichtigen 
Schichten bestehen. Die Art des Herabfallens stimmt gut 
mit diesem Vorgang. Erst waren vorgestern einige Schlos- 
sen herabgestreut. Etwa eine Minute verging ohne Schlos- 
sen, dann kam der Hauptschauer. Man sah vorher einige 
Blitze und hörte entfernten Donner. Während des Schauers 
und nachdem er vorübergezogen, dauerte ein beständiges 
Dröhnen, ähnlich dem Gerassel eines Eisenbahnzuges fort. 
Der Sturm hatte Bäume zerspalten oder eniwurzelt, Dächer 
abgedeckt u. s. w., besonders fiel es auf, dass die zahlrei- 
chen Gewitterableiter an mehreren Häusern stark gelitten 
hatten, herausgerissen, oder geneigt worden waren. Be- 
sonders verfolgte der Sturm und Schauer die linke Seite des 
Thales , Mariatrost, St. Peter; die Gegend von Eggenberg 
litt nicht. In der Gegend von Feistritz und Peggau, nörd- 
lich von Gratz war Sturm aber kein Hagel. Herr Prof. 
Göth hat es unternommen, die Ausdehnung und Intensität 
der Wirkung durch eigens vorzunehmende Nachforschungen 
genau sicher zu stellen.‘ 


12. Versammlung, am 13. Juli. 


Wiener Zeitung vom 26. Juli 1846. 


Herr J. C2jzek besprach die Ablagerungen des bit u- 
minösen Holzes im südlichen Theile des Wiener Beckens. 

Es ist bekannt, dass zwischen Wien, Gloggnitz und 
Bruck an der Leitha eine Vertiefung, ein mit tertiären Ge- 
bilden ausgefülltes Becken ist, welches sekundäre und me- 
tamorphische Gesteine an der Ost- und Westseite ein- 
schliessen, und den Grund desselben bilden. In diesem 
Theile des Wiener Beckens wird zweierlei Braunkohle 
gefunden. 

Die ältere oder eigentliche Braunkohle, an welcher 
eine Holz - Textur zuweilen gar nicht wahrnehmbar ist, hat 
eine dunkelbraune fast schwarze Farbe, einen dunkelhrau- 
nen Strich und oft starken Pechglanz. 


—_— 12 — 


Man fand. sie bisker nur in den Seitenthälern dieses 
Beckens, und meist auf höheren Puncten in wenig ausge- 
breiteten Flötzen entweder unmittelbar auf dem Grundge- 
steine, einen etwas talkhältigen Glimmerschiefer, oder doch 
nicht entfernt darüber abgelagert, so dass das Liegende in 
letzterem Falle augenscheinlich nur ein aus diesem Grund- 
gesteine selbst entstandener und mit wenigen ganz schwa- 
chen Thonlagen abwechselnder Sand ist. Ueber der Kohle 
findet sich dann Sand, Geröllschichten, die theilweise fest 
zusammengebacken sind, und darüber blauer Tegel abge- 
lagert. Diese Verhältnisse sieht man in Schauerleithen, 
Klingenfurth, Leiding, Thomasberg, etc. 

Jünger ist die Ablagerung der Lignite. Herr 
J. Czjzek zeigte eine Karte des südlichen Theiles des 
Wiener Beckens von Wien südlich bis Gloggnitz und östlich 
bis über den Neusiedler See, worauf mit schwarzer Farbe 
die Ablagerungen der Lignitflötze ersichtlich gemacht 
waren. 

Diese Lignite haben vollständige Holz - Textur, braune 
bis lichtgelbe Farbe mit einem glänzenden Striche. Sie fin- 
den sich in sehr verschiedener Mächtigkeit, von einigen 
Zollen bis zu 4 und 5 Klafter Höhe abgelagert. Wo aber 
die Mächtigkeit gross ist, da bilden die Lagen dieser Kohle 
gleichsam mehrere Flötze übereinander, welche durch 
schwache Thonlagen getrennt sind. — Schwefelkiese und 
Gyps in einzelnen Krystallen und in rosenähnlichen Anhäu- 
fungen, sind fast durchgehends die Begleiter dieser Koh- 
lenflötze, was bei der älteren Kohle weniger der Fall ist. 

Die Ablagerung dieser Kohle ist nicht fortlaufend, son- 
dern sie bildet nur abgerissene, nicht zusammenhängende 
Partien in den Buchten und in den vor Strömungen mehr 
gesicherten Orten des alten Wasserbeckens. Nur in den 
Niederungen , welche sich zwischen dem Leitha- und Ro- 
saliengebirge hinziehen , bildet sie eine Reihe fast zusam- 
menhängender Flötze. 

Diese Lignitflötze liegen durchaus über der mächtigen 
Tegellage des Wiener Beckens, und selbst der Sand, der 
bekanntlich über dem Tegel liegt, findet sich häufig darun- 
ter. Die Lignitflötze sind demnach jüngere Gebilde, als 


= m& 


der eigentliche Tegel. Da aber, wo ein blauer Thon über 
den Lignitflötzen liegt, ist er eine neuere Bildung aus der 
Zerstörung der tieferen und älteren Tertiärgebilde, aus den 
Miocen-Schichten des Wiener Beckens. 

Man wird also im eigentlichen blauen Tegel hier nie 
Lignitflötze finden, wo sie doch so oft vergebens gesucht 
werden. 

Die Muschel Dreissena oder Congeria subglobosa , 
welche bekanntlich in den oberen Lagen unseres Tesgels 
vorkommt, ist nur unter den Lignitflötzen in diesem "Theile 
des Beckens gefunden worden. 

Das von allen Seiten durch Höhen abgeschlossene Drei- 
eck zwischen Wien, Bruck und Gloggnitz musste vor dem 
Durchbruche des Leithaflusses bei Bruck, der Fischa bei 
Fischamend, und der Schwechat bei Schwechat, einen Ab- 
fluss gegen den Neusiedler See gehabt haben, und in die 
Zeit vor den Durchbruch muss wohl die Ablagerung dieser 
Lignitflötze gesetzt werden. 

Der Boden dieses Dreieckes hebt sich aus der Neu- 
städter Ebene allmälig fast unmerklich bei 200 Fuss zu je- 
ner Linie, welche vom Rosaliengebirge gegen das Leitha- 
gebirge zuläuft, und hier die Wasserscheide bildet. Von 
dieser Höhe an zeigen sich starke Einfurchungen gegen 
den Neusiedler See, wohin auch alle Wässer von dieser 
Linie östlich ablaufen. 

Diese Einfurchungen sind unzweifelhaft durch die da- 
hin ablaufenden und tiefer abfallenden Wässer aus dem 
Wiener Becken entstanden; es musste daher auch der Zug 


(der Wässer dahin gehen, und die aus den umliegenden Ge- 


birgen herabgeschwemmten Treibhölzer mussten ebenfalls 
dem Zuge der Wässer folgen. Allmälig senkten sich aber 
die vom Wasser durchdrungenen Hölzer und fielen iu den 
ruhigeren, von der Strömung nicht erfassten Puncten zu 
Boden. 

Auf kurze Perioden von grösserer Ruhe, in welcher 
sich die Trübe der Wässer als Schlamm , nun als eine Thon- 
Zwischenlage der Flötze absetzte, folgten wieder neuere 
heftigere Strömungen, die neue Treibhölzer brachten, auf 
dieselben ruhigeren Puncte wie früher ablagerten, und so 


m we 


theilweise mächtige Flötze erzeugten, bis eine andere Reihe 
der Ueberlagerungen folgte, welche unsere gegenwärtige 
Oberfläche bildeten, und meist aus Sand, Gerölle und Löss 
bestehen. — Der stark aufgeweichte Zustand der Hölzer, 
der sich wohl schon der Auflösung genähert haben möchte, 
ist aus der Lage der sehr zusammengedrückten Jahrringe 
leicht wahrzunehmen. 

Nirgends hat man Anzeichen , dass an denselben Orten, 
wo man nun die Lignitflötze findet, auch diese Hölzer ge- 
wachsen sind. Es sind daher keine niedergelegten Wälder. 
Die leicht erkennbaren Wurzelstöcke, welche gewöhnlich 
mehr Harz enthalten, als die Stämme, sind abgerundet, und 
es scheint die Zerstörung, welche die Hölzer von ihrem 
Standorte losriss auf grössere Flächen gewirkt zu haben, 
denn fast jedes der mächtigeren Lignitflötze hat einzelne, 
meist höhere Lagen, worin diese Wurzelstöcke vorzüglich 
häufig zu finden sind. 

Die Blätterabdrücke, welche man meistens an der Ober- 
fläche der Flötze findet, deuten auf harte Hölzer (Dicolyle- 
donen). Nach näherer Bestimmung der Arten dieser Hölzer 
wird das Weitere hierüber berichtet werden. 

Hr. V.Streffleur, k.k. Hauptmann, nahm Gelegen- 
heit, seine Ansichten über die Ursachen der sogenannten 
Fluss - und Meeresdurchbrüche mitzutheilen. Bis jetzt 
wurde meist die Erklärung gegeben, dass vulkanische Er- 
schütterungen und Berstungen der Dämme, den Durchbruch 
der urweltlichen Seen und Meere veranlasst haben. Streff- 
leur stellt zwar die Möglichkeit solcher Ereignisse nicht in 
Abrede, glaubt aber doch aus seinen Untersuchungen schlies- 
sen zu müssen, dass alle von den Geologen geglaubten 
grossen Durchbrüche, z. B. jener der Aluta, die an den 
Meerengen von Gibraltar, Constantinopel, Calais ete. durch- 
aus nicht gewaltsam geschehen seien. Bei jedem Phä- 
nomen sind zwei Umstände zu berücksichtigen: 1) Wie 
kann die Erscheinung, local an und für sich erklärt wer- 
den? 2) Welchen Zusammenhang zeigen entfernte ähnli- 
che Erscheinungen? 

Um local einen Durchbruch zu erklären , lassen sich 
ausser den vulkanischen Wirkungen noch mehrfache andere 


= B- = 


Entstehungsweisen angeben. Ein Meeresstrom z. B. dringt 
durch die Meerenge von Otranto aufwärts in das adriatische 
Meer. Ueber der Verengung breitet er sich aus und bil- 
det in einer gewissen Entfernung eine Ablagerung, wo- 
durch auf dem Meeresgrunde nördlich der Meerenge eine 
Art Becken entsteht. Senkt sich nun das adriatische Meer 
bis an den Rand dieser Ablagerung, so würde der Mee- 
resstrom zwar noch durch die Strasse von Otranto eindrin- 
gen, an der Ablagerung abgewiesen aber wieder rück- 
kehren. Nach gäuzlicher Trockenlegung endlich würde sich 
aus dem ganzen Becken ein Flussgebiet formiren, der Fluss 
würde rücklaufend (wie die Aluta durch den Rothenthurm- 
pass) durch die Meerenge dem sich senkenden Meere nach- 
ziehen, und das Süsswasser, an niedern Hügeln entsprin- 
gend, würde scheinbar eine mächtige hohe Gebirgsspalte 
durchbrechen, die sich weder durch den Süsswasserfluss 
noch durch vulkanische Berstungen gebildet hat. Streff- 
leur führte ausser dieser Erklärung beispielsweise noch 
vier andere an. — Vergleicht man ferner die Lage der 
Hauptdurchbrüche auf den Continenten, so wird wohl kein 
Plutonist mit dem maass-, zeit- und ortlos angenommenen 
vulkanischenKräften im Stande sein, die Ursachen des Zu- 
sammenhanges dieser Erscheinungen nachzuweisen; doch 
aber lassen sich Ursachen hierauf auffinden, wenn man den 
Einfluss der Rotation bei der Bildung der Erdoberfläche be- 
rücksiehtiget. Die Rotation hat das Seewasser stets nach 
bestimmten Richtungen in Ströme gezogen, und wurden ir- 
gendwo, in Folge veränderter Stromrichtungen, ältere See- 
dämme allmälig durchnagt, so müssen sich diese Durch- 
bruchssteilen in linearen Richtungen zeigen , es muss nach 
den alten Dammlinien immer ein Gebirgsstock mit einem 
Wasserdurchbruche wechseln; in der Richtung der neuen 
Stromlinien hingegen muss nach jedem Gebirgsdurehbruche 
eine beckenartige Erweiterung liegen u. s. w., lauter Er- 
scheinungen, die, wie Streffleur sie auf denKarten ge- 
zeichnet nachwies, wirklich mit dem Relief der Erdoberflä- 
che übereintreffen. 

Hr. Dr. Moriz Hörnes zeigte mehrere schöne Kry- 
stalle des Struvit vor, welche das k. k. Hof- Mineralien- 


— 


Cabinet kürzlich erhalten hatte. Die Krystalle gehören nach 
Marx Untersuchungen in das orthotype Kıystallsystem. 
Die vorgewiesenen Krystalle bestanden aus folgenden Ge- 
stalten: einer horizontalen Endfläche, einem horizontalen 
Prisma, einem verticalen Prisma, und einem horizontalen 
Prisma von unendlich grosser Axe zur grössern Diagonale 
gehörig. Die Theilbarkeit ist parallel der Endfläche, wenig 
vollkommen. Die Oberfläche der horizontalen und vertica- 
len Prismen glatt und glänzend; die der übrigen Flächen 
rauh, löcherig und zerfressen. Die Farbe ist gelblich. 

Wenn die färbenden Theile unregelmässig in den Kry- 
stallen vertheilt sind, dann sehen sie grau, graulichbraun 
und braun aus, von mehr oder minder fleckigem Ansehen, 
und sind dann gewöhnlich auch undurchsichtig. Härte 2.0, 
eigenthümliches Gewicht 1.75. Die Krystalle bestehen nach 
Ulex aus phosphorsaurer Ammoniak-Talkerde und kamen in 
einem sogenannten Hasenmoore vor, einer offenen Kloake, 
die aber im Jahre 1827 mit dem Bauschutt einiger abgetra- 
genen Bastionen Hamburgs verschüttet wurde. Im verflos- 
senen Herbste wurden diese Krystalle zu Tage gefördert, 
bei Gelegenheit der Austiefung des Grundes, auf dem die 
Nicolaikirche stehen soll, denn da wurde eine moderartlige 
Erde ausgegraben, die beim auffallenden Sonnenscheine 
glänzende Stellen zeigte, welche die Arbeiter für Glasstück- 
chen hielten. Ein glücklicher Zufall führte die Herren Doc- 
toren Rothenburg und Steetz auf den Bauplatz, wel- 
che die vermeintlichen Glasscherben als Krystalle erkann- 
ten, und sie Herrn G. L. Ulex,- Apotheker in HABE 
zur Untersuchung übergaben. 

Dieser analysirte dieselben, erklärte sie für eine neue 
Mineral-Species, und nannte sie zu Ehren Sr. Excellenz des 
russisch-kaiserl. Ministers Hrn. von Struve, der sich in na- 
turwissenschaftlicher Beziehung um Hamburg so grosse Ver- 
dienste erworben hat, Struvit. Bald nachdem Hr. Ulex eine 
vorläufige Anzeige von diesen Krystallen in dem Hambur- 
ger Correspondenten gemacht hatte, welche fast in alle 
Zeitungen überging, entstand eine heftige Controverse: 
indem mehrere Mineralogen uod Chemiker nachwiesen, 
dass erstens dieses Salz den Chemikern, ja selbst krystal- 


= m 


lisirt, längst bekannt, daher nicht neu sei, ferner dass 
dieses Salz sich in den Excrementen der Menschen gebil- 
det vorfände, und daher kein Mineral zu nennen sei. Da 
an dieser Controverse mehrere der ersten Autoritäten in 
der Mineralogie und Chemie als: Weiss, Rose, Haus- 
mann, Berzelius, Liebig, Wöhler, Theil nahmen, 
so erregten die Krystalle in der mineralogischen Welt ein 
allgemeines Interesse. Die Mineralogen theilten sich nun in 
zwei Parteien, von denen die eine, an deren Spitze Weiss 
undHausmann stehen, behauptet, dass der Struvit als Mi- 
neral in das System aufgenommen werden müsse, wäh- 
rend die andere, welche Gustav Rose vertritt, dieses 
Salz mit den übrigen sogenannten künstlichen Salzen der 
Chemie zuweist. 

Hr. Dr. Hörnes führte nun mehrere Stellen aus der Na- 
turgeschichte des Mineralreiches von Mohs an, aus wel- 
chen deutlich hervorgeht, dass diese Naturproducte als an- 
organische Naturproducte erklärt werden müssen und daher 
auch Gegenstände derMineralogie (.d. i. der Naturgeschichte 
der anorganischen Naturproducte) seien; dass aber, im 
Falle dieses Salz in das Mineral- System aufgenommen 
wird, auch alle übrigen sogenannten künstlichen Salze in 
das System aufgenommen werden müssen. 

Schliesslich deutete derselbe. auf die fruchtbaren Re- 
sultate hin, die aus den genauen krystallographischen und 
optischen Untersuchungen, der sogenannten künstlichen Kry- 
stalle, welche zum Behufe der Aufnahme in das System an- 
gestellt werden müssen, in Betreff der Frage, in welcher 
Beziehung die Form zur Materie stehen kann, welchen Ein- 
fluss die Imponderabilien auf die Krystallbildung haben dürf- 
ten, hervorgehen werden. 

Hr. Dr. Botzenhart suchte aus den bisherigen Beob- 
achtungen der Eiskrystallisation, dieGrundgestalt der 
Krystallreihe des Eises abzuleiten. 

Die Beobachtungen von Smithson, Hericart de 
Thury, Clarke, Breithaupt, Hessel und Anderer 
lehren, dass das Krystall-System des Eises das rhomboe- 


drische sei. Hiermit stimmt auch Brewster’s optische Un- 
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I, 7 


Be, Zee 


tersuchung überein, nach welcher das Eis nur eine Axe 
doppelter Strahlenbrechung besitzt. 

Ueber das Krystall-System hinaus, geben uns die Be- 
obachtungen der einzelnen vorkommenden Gestalten keine 
vollkommen sichere Basis zur Bestimmung der Grundge- 
stalt. So beobachtete Smithson eine gleichkantige sechs- 
seitige Pyramide, deren Kante an der Basis = 80° ist, 
ohne anzugeben, wie dieser Winkel gemessen wurde; Hr. 
Clarke beobachtete ein Rhomboeder, dessen Axenkante 
= 120° mittelst des Anlegegoniometers gefunden wurde. 
- Diese zwei Winkelangaben lassen sich nicht gut in eine 
Krystallreihe vereinigen, und sind wahrscheinlich etwas 
fehlerhaft. 

Unter diesen Umständen müssen wir uns zur Ausmit- 
telung der Abmessungen der Grundgestalt um andere Daten 
umsehen, welche die regelmässigen Zusammensetzungen, 
die wir am Schnee beobachten, liefern können. Nehmen 
wir von diesen Zusammensetzungen die einfachsten und 
am häufigsten vorkommenden, nämlich die sechsstrahligen 
Sterne, so können wir sie als Drillinge ansehen, deren 
Zusammensetzungsfläche die Fläche einer gleichkantigen 
sechsseitigen Pyramide ist, deren Winkel an der Basis = 
120° sein muss. Geht man von dieser Gestalt aus, und be- 
trachtet man sie als P + 2, so ergibt die Rechnung für 
P + 1 den Winkel an der Basis = 81° 47° und für R den 
Winkel der Axenkante = 117° 23' 13”, welche Winkel den 
obigen beobachteten ziemlich nahe kommen. 

Es folgt daher aus dieser Annahme in naher Ueberein- 
stimmung, mit der bisherigen Erfahrung für die Abmessungen 
der Grundgestalt: R = 117° 23° 13” und a = V1.2656. 

Hr. Dr. Richard Comfort sprach über Pferderacen. 
Will man sich über diesen Gegenstand belehren, und durch- 
blättert man die Veterinärbücher, so wird es klar, dass die 
Philosophie dort noch nicht aufgeräumt hat, so verworren 
und widersprechend sind die Beschreibungen. 

Hr. Dr. Comfort unterscheidet die Racen des Alter- 
thums von jenen der neuern Zeit, und versuchte sie nach sei- 
nem Combinations-Systeme folgender Massen einzutheilen: 

Unter die Pferderacen des Alterthums gehören: 


0 


I. 1) Das gothische Pferd. Auch in Deutschland z0g man 
das grosse, starke Pferd, welches anologe Verhältnisse zu 
denen der alten Germanen, dem schönsten und grössten Men- 
schenschlage, ausweiset; als Abart kann das neuere nor- 
wegische kleine Pferd gelten, welches wie das Hochwild 
Hecken durchbricht. 2) Das celtische Pferd, und zwar das 
hispanische, das gallische, das römische (die Römer, sonst 
tüchtige Ackerbauer, betrieben mit nicht besonderem Glücke 
Pferdezucht); endlich das britannische , welches ‚ wenn 
nicht Original, aus Spanien herüberkam. 3) Das hisäische 
Pferd. In Medien und Persien waren die grössten Gestüte 
des Alterthums, und viel spricht dafür, dass Iran das ge- 
meinschaftliche ursprüngliche Vaterland des Menschen und 
des Pferdes war. 

II. 4) Das numidische Pferd. 5) Das arabische, nach 
der Sage aus dem Marstalle Salomon’s, des Augustus 
Israels. 6) Das ägyptische, vorzüglich vor den Kriegs- 
wagen im Gebrauch. 

111. 7) Das thessalische Pferd. Statuen von Pferden, 
aus der Blüthe der griechischen Kunstperiode, lassen Alles 
weit zurück, was wir von Schönheit und Adel des Pferdes 
kennen. 8) Das thraeische Pferd. Thracien war das erste 
Land, welches die asiatischen Pelasger auf ihrem Zuge 
berührten. 9) Das scythische Pferd. 

Zu den Pferderacen der neuern Zeit rechnet Hr. Dr. 
Comfort: 

I. Das grosse Pferd. 1) Das flandrische mit seinen 
Unter- Abtheilungen: das normanische, holländische, dä- 
nische, nord- und süddeutsche 2) Das englische (car- 
riage horse, racer, hunler). Das nord-amerikanische ist 
kleiner, hat schönere Formen und ist der beste Traber 
(Kentucky). — In England allein kann man sagen, dass 
das Pferd verbessert und veredelt wurde; unter Wilhelm 
dem Eroberer durch spanische Hengste; unter den Kreuz- 
zügen durch Orientalen; unter Elisabeth durch echte Ara- 
ber; Pflege, Klima, Einrichtungen (Wettrennen), oft Ge- 
setze, z. B. dasjenige: schlechte Pferde zu tödten. trugen 
in diesem Lande dazu bei um einen guten originalen Pferd- 


schlag zu der Höhe des englischen Vollblutpferdes zu brin- 
7; + 


— 10 — 


gen. 3) Das persische (das kleinasiatische , türkische ge- 
hört hierher). 

11. Das edle Pferd. 4) Das spanische, als Uebergangs- 
Combination zum Grossen; hierber das neapolitanische, süd- 
amerikanische, portugiesische, der Limousiner, das Sieben- 
bürger. 5) Der Araber mit seinen drei Unterabtheilungen ; 
die Charakteristik wäre folgende: Grösse zwischen 15 und 
16 Faust; Knochen krystallinisch, elfenbeinartig; specifisch 
schwer; Haut und Haare fein, nicht schwitzend; blutiger 
Kopf; vollendete Proportion; willig, intelligent, dem Men- 
schen befreundet; für die Wüste besonders brauchbar (stahl- 
harter Huf) man könnte es auch das schöne Pferd heissen. 
6) Der Barbe (hierzu das Nubische , Aegyptische.) 

II. Das halbwilde Pferd. 7) Das tserkesische. Da 
der eigentliche Gebrauch des Pferdes der Cavalleriedienst 
ist (denn jeder andern Anforderung kann durch die andern 
Varietäten entsprochen werden), so ist ehne Zweifel in An- 
betracht der unglaublichen Leistungen dieser Race vor jeder 
andern der Vorzug zu geben und es als das vollkommenste 
zu erklären. S) Das russische mit seinen Unterracen, als: 
das ukrainische, das polnische, ungarische (in Schottland 
verbesserte man einst die Pferdezucht durch ungarische 
Hengste) , der Moldauer, Wallachische. 9) Das tatarische 
mit seinen Unterracen. 

Hieran knüpfte Hr. Dr. Comfort nachfolgende Bemer- 
kungen: 

1) Es scheint dass anstatt der gepriesenen Pferdevered- 
lung vielmehr ein Rückschritt eingetreten sei; Ursache da- 
von dürfte der Hufbeschlag, veränderte klimatische Ver- 
hältnisse,, irrationale Pferdezucht und Kreuzung sein, 

2) Die Basis der Pferdeveredlung ist Pferdeverbesserung. 

3) Die klimatischen Verhältnisse, Nahrung, Wartung, 
Pflege wirken oft besser ein, als die sinnreichsten Kreu- 
zungen. 

4) Die Grösse des deutschen Pferdes ist eben so noth- 
wendig, als der Adel des Orientalen zur Vervollkommnung 
der Nachkommenschaft. 

5) Die halb wilden Pferde haben aber den Vortheil, dass 
sie nicht zärtlich und Krankheiten weniger unterworfen sind. 


— 101 — 


6) Mit dem Pferde sind die grössten Eroberungen ge- 
macht worden (Tataren, Araber, Ungarn), daher wird es 
begreiflich warum der Orientale, selbst durch den Koran 
ermuntert, solch hohen Werth auf dasselbe legt. 


7) Das Pferd lebt in der gemässigten Zone; im hohen 
Norden, wie am Aequator verkümmert es (das shetländi- 
sche, chinesische und jenes von Guinea), und dieses her- 
abgekommene Pferd kann eben so wenig eine Race ma- 
chen, als andere Monstrositäter dazu gezählt werden 
können. 

8) Wenn von dem fossilen bei Quito aufgefundenen 
Pferd-Skelete ein Schluss erlaubt ist, so wäre zu folgern, 
dass das antideluvianische Pferd ein bei weitem vollkomme- 
neres Thier gewesen ist, als das des Alierthums und der 
neuern Zeit. 

9) Das mausfarbene wilde Pferd der Tatarei ist in 
seinem Exterieur so abspringend vom eigentlichen Pferd- 
Typus, dass wir es nur als Varietät gelten lassen müssen- 

Als Nachtrag zu seinem Vortrage über Menschenracen 
am 22. Juni fügte Hr. Dr. Comfort noch folgende Bemer- 
kungen hinzu: 

1) In der Plastik und Architektonik der Schädelform , 
wo von Länge, Breite und Tiefe gesprochen wird, dient 
zur Versinnlichung der Verhältnisse unter diesen drei Di- 
mensionen ein Dreieck, dessen Eine Seite vom Stirnbein 
zum Kinn, die andere Seite von der Stirn zur Scheitelhöhe, 
und die dritte vom Kinn zur Scheitelhöhe gezogen ist. 


2) Tritt in die Combination der weissen und schwarzen 
Race der Indianer ein, so wird die Vervollkommnung des 
Mulaten zum Weissen schon in der vierten oder fünften 
Generation bewirkt. 

3) Den erstaunlichen Einfluss des Klimas sehen wir an 
den Colchiern, von denen Herodot behauptet, dass sie 
einst schwarz waren und durch das kalte Klima in einigen 
hundert Jahren weiss wurden. 

4) Die Kraft der Combination zeigt sich an den Chine- 
sen, die zur Zeit der Araber eine schöne Nation waren, 
und durch Vermischung von Mongolen die heutige Ge- 


— 103 — 


sichts - und Schädelbildung erhielten. Hingegen haben 
aber tatarısche Völker in andern Ländern sich wieder ver- 
bessert. s 


13. Versammlung , am 20. Juli. 
Wiener Zeilung vom 12. August 1846. 


Herr Johann Kudernatsch hielt einen Vortrag 
über die Bestimmung des Kohlengehaltes im 
Roheisen. Um die von Regnault angegebene, von 
Bromeis sehr empfohlene Methode, mittelst eines Ge- 
menges von chromsaurem Bleyoxyd und chlorsaurem Kali 
den Kohlengehalt des Eisens zu bestimmen, zu prüfen, 
unternahm er in Gemeinschaft mit Herrn Hummel im 
Laboratorium des Herrn A. Löwe die Untersuchung meh- 
rerer Kärthnerischer Roheisensorten. Sie suchten dabei den 
Kohlengehalt nach verschiedenen Methoden zu bestimmen. 
Insbesondere wurden sie hierzu noch veranlasst, durch 
einen in Erdmann’s und Marchand’s Journ. f. p. Ch. 
31. Bd. S. 274 u. f. 1844 enthaltenen Artikel, in welchem 
die Verfasser unter Anderem auf den Umstand aufmerksam 
machen, dass beim Glühen von chromsaurem Bleyoxyd mit 
chlorsaurem Kali nebst dem Sauerstoff auch Chlor sich ent- 
wickle und so die Kohlensäurebestimmung, unrichtig mache. 
Sie versuchten es demnach bei einem tank demselben Rohei- 
sen, diese Bestimmung einmal nach Regnault, dann mit 
chromsaurem Bleyoxyd allein, und endlich mit Kupferoxyd 
zu machen. Das Roheisen war von der Lölling in Kärthen 
und so hart, dass die besten Englichen Feilen gar nicht 
angriffen. Sie erhielten jedoch, indem sie die Roheisen- 
stücke zuerst auf einem Ambos zu einem mässig feinen 
Korne zerschlugen, was leicht und schnell geschah, und 
diese Körner dann in einem Englischen Stahlmörser wei- 
ter behandelten, das feinste Pulver, das allenfalls noch 
durchgesiebt würde. Auf diese Art wurden in 2 Stunden 
% Grammen leicht auf das feinste pulverisirt, worauf bei 
der schwierigen Verbrennung des Eisens sehr viel an- 


— 103 — 


kommt, und man hat das Pulver nicht im miodesten durch 
Staub oder organische Theilchen, die hier besonders zu 


_ vermeiden sind, verunreinigt. Ein solcher Stahlmörser in 


grössern Dimensionen ausgeführt würde noch ungleich 
schneller zum Ziele führen. Der Mörser zeigt dabei, selbst 
nach längerm Gebrauch, keine Abnützung. Kudernatsch 
nahm bei Regnault’s Methode beiläufig 3 Grammen 
(3.002) Roheisen, mengte es mit ungefähr 44 Grammen 
chroms. Bleyoxydes auf das innigste und %, hiervon mit 6 
Grammen chlors. Kali, wie es Berzelius und Regnault 
angegeben. (Bromeis erwähnt dessen nicht, dass näm- 
lich bloss ®/, des Gemenges von Ur Pb und Fe mit chlors. 
Kali vermischt werden und :/, des Gemenges kein chlors- 
Kali enthält.) Dann machte er ein Gemenge von dem 
Volum nach gleichen 'Fheilen chroms. Blei und ehlors. Kalı 
und füllte damit die Verbrennungsröhre 1'/,” hoch von un- 
ten an, darauf kamen die >, der Mischung, dann das '/, 
derselben, und obenauf Spülicht nebst reinem Cr Pb in einer 
Schicht = mindestens 1'/,’. Der Kali-Apparat wog vor 
der Operation 31.926 Grammen. Die Operation selbst geht 
wohl rasch und ist in Zeit von ®/, Stunden beendet, allein 
man muss mit dem Weiterrücken des Feuers ausserordent- 
lich vorsichtlich sein, indem eine zu rasche Gasentwick- 
lung erfolgt, wodurch entweder ein Theil der Lauge 
hinausgeschleudert werden kann, oder selbst ein Theil der 
Kohlensäure durch den Apparat dahin getrieben werden 
könnte, ohne aufgenommen zu werden. Auch wird bei so 
schneller Gasentwicklung auch die Kalilauge zu stark er- 
wärmt, wodurch wieder ein Verlust durch das Verdampfen 
des Wassers im Apparate herbeigeführt wird, der überhaupt 
schwer zu vermeiden ist. Der Kali - Apparat selbst hatte 
nach Beendigung der Operation um 3852 Miligrammen an Ge- 
wicht zugenommen, und diess, als reine Kohlensäure in 
Rechuung gebracht, gab bei diesem Roheisen 3,5176 pCt. 
an Kohle. Um nun die schon erwähnte Angabe einer durch 
Entwickelung von Chlorgas verursachten fehlerhaften Be- 
stimmung des Kohlenstoffes auf ihre Richtigkeit zu prüfen, 
untersuchte Kudernatsch nach der Operation die 
Lauge, und unterwarf dasselbe Roheisen einer Analyse mit- 


— 104 — 


telst Kupferoxyd. Wiewohl das angewendete Kali nicht 
ganz frei von Chlorkalium sich zeigte, so war doch der Nie- 
derschlag von Chlorsilber nach der Operation bedeutender, 
als er hätte sein müssen, wenn kein Chlor übergegangen 
wäre, Die vollkommenste Ueberzeugung jedoch hinsichtlich 
des zu begehenden Fehlers verschaffte die Analyse durch 
Kupferoxyd. Diese, mit aller Sorgfallt angestellt, gab 
3,506 pCt. Kohlengehalt, also um 0,011 weniger, als die 
oben angeführte, eine allerdings unbedeutende Differenz, 
welche die von Bromeis so empfohlene Methode wohl nicht 
verdächtigen könnte. Noch übereinstimmender zeigte sich 
das Resultat der durch Hrn. Hummel mit demselben Rohei- 
sen gleichfalls nach Regnault ausgeführten Analyse. 
Diese gab nämlich 3,5009 pCt. Kohlenstoff. Die Resultate 
dieser drei Analysen waren also sehr befriedigend ausge- 
fallen, und ihre Uebereinstimmung ist zu gross, als dass 
man nicht denselben vollen Glauben schenken könnte. In- 
dessen führt die Methode mit chroms. Bleyoxyd und chlors. 
Kali zwar schneller, als jene mit Kupferoxyd zum Ziele, 
ist aber bei weitem nicht so sicher. Sie erfordert zu viele 
Vorsicht, als dass sie zum practischen Gebrauche den Eisen- 
hüttenmännern besonders anzurathen wäre. Bei Anwendung 
von Kupferoxyd muss natürlich die Röhre zum  Luftdurch- 
saugen in eine Spitze ausgezogen sein. Zu unterst in die 
Röhre kann eine 1” hohe Schicht von Kupferoxyd, hierauf 
die Mischung des Cu mit dem Eisen, dann Spülicht und 
reines Cu 1’/,” bis 2” hoch. Die angewendete Menge des 
Eisens betrug 3.546 Grammen, diese Menge Fe hätte zur 
Umwandlung in Eisenoxyd 7.767 Grammen Cu erfordert. 
Man nahm daher zur vollkommenen Sicherheit beinahe die 
dreifache Menge Kupferoxyd, d. i. eirca 23 Grammen zur Mi- 
schung. Diess ist nothwendig, denn die Verbrennung des Fe 
geht langsam und fordert eine ziemlich hohe Temperatur , eine 
stärkere Hitze als die andere Methode, daher man öfter, zumahl 
gegen das Ende der Operation, wenn die ganze Röhre glüht, 
die Gluth durch Fächeln verstärken muss. Im Uebrigen je- 
doch geht die Operation ohne alle Anstände ruhig und gleichför- 
mie vorsich. Die Entwickelung der Kohlensäure ist im besten 


— 105 — 


Gange, wenn der ganze Theil der Röhre, welcher die Mi- 
schung enthält, glüht; dann sieht man auch, ungeachtet 
sich die in Kalilauge aufgenommenen Gasblasen ziemlich 
rasch folgen , doch keine einzige durch die kleinere Kugel 
aussteigen, zum Beweise, dass bloss Kohlensäure sich ent- 
wickle, die vom Kali vollständig absorbirt wird. Die Mi- 
schung des Cu mit dem Fe ist nach der Operation, wenn die 
Verbrennung vollkommen war, durchaus gleichförmig roth. 
Das Ausziehen mit dem Magnete dürfte wohl nicht zur Probe 
der vollkommenen oder unvollkommenen Verbrennung die- 
nen, indem auch Eisenoxyd-Oxydul magnetisch ist. 

Der Versuch, mit chromsaurem Blei allein den Kohlenge- 
halt des Eisens zu bestimmen, misslang, indem ungeachtet der 
sehr gesteigerten Temperatur bei weitem nicht das ganze 
Eisen verbrannt werden konnte, wie denn auch bereits 
Regnault die unvollkommene Verbrennung des Eisens als 
Ursache der Nichtanwendbarkeit dieses Verbrennungsmittels 
angibt, weil das chromsaure Blei mit dem Verlust von Sau- 
erstoff auch weniger schmelzbar wird. 

Die Zerlegung des Roheisens durch Kupferoxyd dürfte 
also wohl die reinste und sicherste sein, und man kann da- 
bei des Gelingens der Analyse sicher sein, wenn man an- 
ders die gehörige Temperatur anwendet. Sie erfordert aber 
bei zwei Stunden Zeit. Die Analysen mit Cu gelingen immer, 
die mit chromsaurem Blei und chlorsaurem Kali nicht immer. 

Ein anderes durch Kupferoxyd analysirtes Roheisen 
von demselben Orte, sogenannte Spiegelflossen, enthielt 
4,3466 pCt. Kohlenstoff. 

Herr Dr. Richard Comfort sprach über eine Einthei- 
lung der verschiedenen Zweige der Wissenschaft. Nach- 
dem der Spanier Huarte, der berühmte Whewell und 
andere Gelehrte diesen Gegenstand mit mehr oder weniger 
Glück behandelten, scheine es überflüssig, diess nochmals 
zu versuchen; jedoch überzeugt, dass nur durch vielseitige 
Untersuchung die Wahrheit zu Tage gefördert werden könne, 
habe er versucht die verschiedenen Zweige der Wissen- 
schaft nach einem Combinations - Systeme zu sichten. Vor 
allen erkläre er aber, dass es nur eine Wissenschaft gebe 
so wie nur eine Wahrheit, deren Abdruck sie ist. 


In 


— 106 — 


I Der naturwissenschaftliche Theil, 1) Naturgeschichte, 
als Mineralogie (das naturhistorische System Werner's, 
das chemische Haüy’s, das mathematische von Mohs, 
das naturphilosophische von Oken), Botanik (das Corol- 
len-System Tournefort’s, das Sexual-System Linne's, 
das natürliche’von Jussieu und Decandolle). Zoolo- 
gie (Aristoteles, Buffon, Cuvier, Schweigger). 
Ferner die Nebenfächer: 2) Chemie (die Araber, Mayow, 
Lavoisier, Davy). 3) Anthropologie (Anatomie, Phy- 
siologie, vergleichende Anatomie...... ) 

II. Der mathematische Theil. 4) Physik (Volta....) mit 
den dazu gehörenden Fächern, als Astronomie (Chaldäer , 
Asypter, Hindus, Tataren, Griechen, Kepler, New- 
ton, La Place...), physische Geographie, Geologie. ... 
5) Die Mathematik (Napier, Newton....) 6) Logik, 
oder mathematische Philosophie , der Form nach Philoso- 
phie, dem Wesen nach Mathematik. 

III. Der philasophische Theil. 7) Psychologie. 8) Gram- 
matik , Sprachforschung (die geflügelten Worte Horne 
Tooks), geschichtliche Forschung ( Herder....). 9) Phi- 
losophie (Metaphysik . . . .). 


Bemerkungen. 


1) Diese drei Theile der Wissenschaft verhalten sich 
wie Peripherie, Radius und Centrum; man könnte sie auch 
bezeichnen als die realen, formalen und idealen Zweige, 
jedoch bestehen sie nie für sich allein, sondern sind im 
wechselseitigen Verhältnisse zu einander, so z. B. kann 
keine Geologie ohne Philosophie bestehen und sie hinwie- 
derum gibt Beweise für die Unsterblichkeit an die Philoso- 
phie ab, abgesehen, dass sie als kolossale Weltuhr schwe- 
sterlich den andern Theilen aufhilft. 

2) Der durch Speculation aufgefundene Satz bedarf des 
Prüfsteins der Erfahrung, so wie das durch Empirie Ge- 
sammelte, durch den denkenden, ordnenden, schliessenden 
Geist zu sichten ist, und nur da, wo beyde zusammentreffen, 
können wir überzeugt sein, dass die genial aufgefundene 
Thatsache auch Wahrheit sei (Kepler und die vier neuen 
Planeten) (Priestley und Lavoisier). 


— 107 — 


3) Die Wissenschaft liesse sich definiren „als philosophi- 
scher Einblick in die Natur, basirt auf Mathematik.“ 

4) Das Object der Wissenschaft ist die Natur, Zweck 
die Wahrheit, Mittel, Verstand und Phantasie; Zweck 
der Kunst ist Schönheit, Mittel, Phantasie und Verstand: 
von den Gewerben unterscheidet sie sich, da hier der 
Zweck die Nützlichkeit ist, und den practischen Fächern 
dient sie als Basis; nicht kann man aber ‚der Wissenshaft 
den Vorwurf der Sterilität machen, indem eine rein wis- 
senschaftliche Wahrheit, die durch Jahrhunderte brach 
gelegen, plötzlich auf alle Gewerbe befruchtend, ja als 
Staats - und Menschenglück fördernd wirken kann (die 
Lehre vom Dampf; der Einfluss der neuern Chemie auf 
die Medicin; die Lehre von der Elektrieität). 

5) Ein Combinations - System läst sich leicht durch ein 
mathematisches Diagram versinnlichen, oder durch ein 
Farbenschema, z.B. 

1. Blaue Reihe. 1) Blau. 2) Violett (/, blau + ,, 
roth). 3) Dunkelgrün (°/, blau + "/, gelb). 

II. Rothe Reihe. 4) Karmoisin. 5) Roth. 6) Scharlach. 

III. Gelbe Reihe. 7) Lichtgrün (/, gelb + ’/, blau). 
8,0range (?/, gelb ++ /, Roth). 9) Gelh. 

Unterscheidet man noch hoch (gesättigt) und licht, 
ferner blass (viel weiss) und dunkel ‚„ und nimmt man zur 
fürbigen Combination noch Schwarz, wo man alle Schat- 
tirungen von Braun erhält (Schwarz mit Weiss allein gibt 
jene von Grau), so hat man in fernern Combinationen das 
vollkommenste Farben- Schema, das sich denken lässt. 

Schliesslich machte er noch auf mikroskopische Unter- 
suchungen der Farben aufmerksam , welche äusserst inter- 
essante Resultate über deren Zusammensetzung zu Tage 
fördern. 

Hr. V. Streffleur, k.k. Hauptmann, hielt einen Vor- 
trag über die Meeresströme und über den Salz ge- 
halt des Seewassers: ‚Die Physiker waren von lan- 
ger Zeit her gewohnt, manche Erscheinungen auf der Erd- 
oberfläche unter symmetrischeo Verhältnissen vorauszusetzen. 
Man erklärt z. B. die Meeresströme durch die Temperatur- 
Verschiedenheit des Seewassers. Das warme Wasser am 


— 108 — 


Aequator steigt auf, das kalte am Pol senkt sich in die 
Tiefe, und es erfolgt nun eine Ausgleichung in der Art, 
dass das Polarwasser unten gegen den Aequator, das warme 
aber oben gegen die Pole zieht. Ein vom Pole längs eines 
Meridians abwärts schreitendes Wasseratom gelangt allmä- 
lig in Parallelkreise mit stets vermehrter Rotationsgechwin- 
digkeit, und bleibt immer mehr zurück , da ihm diese Schnel- 
ligkeit noch nicht eigen ist. Daher die Westströmung. Ein 
angehängter viele Seiten langer Caleül mit Zuhilfnahme 
der Integralrechnung (wie z. B. in Schmidt’s Lehrbuch 
der physikalischen Geographie 1830) beweist nun, dass das 
polare Wasseratom wirklich diesen Weg gehen muss, und 
der Zuhörer oder Leser muss sich von der Richtigkeit die- 
ses Beweises überzeugt halten, da die Thatsache durch die 
höhere Mathematik bestätigt wird. — Nebst den theoretischen 
Physikern hat es aber, besonders unter den Seehandel trei- ° 
benden Nationen , stets auch Männer gegeben, welche sich 
bemühten, Thatsachen zu sammeln. Man hat auf den 
Seereisen im weiten Meere, an Küsten, Inseln u. s w. den 
wirklichen Zug der Meeresströme. beobachtet, die Beobach- 
tungen gesammelt, und in Seekarten eingetragen. Die 
wirklichen Verhältnisse liegen somit zur Anschauung 
vor. Vergleicht man aber solche die Natur treu darstellen- 
den Seekarten mit den Suppositionen der theoretischen 
Physiker, so überzeugt man sich, dass die Meeresströme, 
ungeachtet des höhern Calcüls, ganz andere Richtungen 
einhalten, als die theoretisch vorausgesetzten. Im weiten 
stillen Ocean z. B. geht gar keine Strömung vom Aequator 
zum Südpol. Die kalten Wasseratome des Südpoles , statt 
in ihrem Zuge gegen den Aequator nach Westen zurück 
zu bleiben, eilen vielmehr bei zunehmender Rotationsge- 
schwindigkeit den Wassertheilen der niederen Breitengrade 
vor nach Osten. Im atlantischen Ocean aufwärts am 80° 
nördl. Br. strömt das warme Meerwasser in der Tiefe, das 
kalte oben. Das baltische Meer und der atlantische Ocean 
gleichen sich derart aus, dass am Sunde das Ostseewasser 
oben hinaus und das Wasser der Nordsee unten herein 
fliesst. Zwischen dem mittelländischen und atlantischen 


— 109 — 


Meere geschieht der Ausgleichungsprozess umgekehrt. 
u. dgl. m.“ 

„Will man physikalische Erscheinungen erklären, so 
handelt es sich vor Allem darum, die Thatsachen naturge- 
treu zur Anschauung vorzulegen; mit Suppositionen reicht 
man keineswegs aus. So lange es aber Continental-Haupt- 
städte gibt, deren öffentliche Bibliotheken insgesammt keine 
Seekarten aufzuweisen haben, so lange muss man auch 
annehmen, dass man sich um die wahren Thatsachen 
wenig bekümmert, und sich vielmehr mit theoretischen Spe- 
eulationen begnügt hat, und es ist daher nicht zu wundern, 
wenn Erklärungen, die anf wahren aber ungekannten That- 
sachen beruhen, nur schwer Eingang finden.“ 

„Mein Streben ging dahin, mir aus guten Quellen die 
wirklich natürlichen Verhältnisse zur Kenntniss zu bringen , 
und ich glaube gefunden zu haben, dass von den vielfachen 
Factoren, welche auf das Entstehen und den Gang der 
Meeresströme Einfluss nehmen, der Einwirkung der Rota- 
tion und dem Niveau- Ausgleichungsprozesse verschieden 
hoher Meere der erste Rang zukommt, während dem Ein- 
flusse der Wärme nur untergeordnete Einwirkungen zuzu- 
schreiben sind. So wie im Sonnensysteme die Planeten 
immer langsamer in ihrer Bahn gehen, je weiter sie vom 
Centralkörper abstehen, ähnlich dem bewegen sich die ver- 
schiedenen Hülien auf unserer Erdoberfläche. Der feste 
Erdkern, die darauf ruhende Wasserhülle und die noch hö- 
her stehende Lufthülle rotiren insgesammt nach Osten; nur 
bleibt das dünnere und entferntere Mittel immer mehr hinter 
dem Schwunge zurück. Der Erdkern schiebt sich unter 
der Wasserhülle weg, und zieht sich so selbst seine Fur- 
chen (Strombette auf dem Meeresgrunde), in welche das 
Wasser sich senkt. Hierdurch entstehen Seedämme; in den 
heftig bewegten Strombetten geschehen keine Ablagerun- 
gen, wohl aber an den Seiten und zwischen den Strömen 
auf den Höhen der Dämme. Das jüngere Gestein kommt 
somit auf die Rückenlinie des ältern (aber nicht durch plu- 
tonische Hebung). Schliesst sich ein Strembett, wodurch 
Ruhe in demseiben eintritt, so können sich nunmehr hori- 
zontale Bodensätze bilden (abweichende Lagerungen). Die 


— 110 — 


durch die Wasserbedeckung streichenden Seehochländer häu- 
fen durch die Rotation vor sich alle Bestandtheile auf, und 
die Molekularanziehung wirkt hier freier, während sie an 
der Westseite durch das nachsinkende Oberwasser gestört 
ist. Wir finden daher an der Ostseite, der Rotations- 
Stromrichtung zugekehrt, weite flache Länder, mächtige 
Anhäufungen jüngerer Gesteine, flache Küsten und einen 
seichten Meeresgrund, westlich aber ein hohes steiles Ge- 
birge und Steilküsten bis in die grösste Tiefe. So in ganz 
Amerika, Skandinavien, England, Indien ete. Aber nicht 
nur das geognostische Verhalten und die Oberflächengestal- 
tung der Continente stimmen mit den Wirkungen der ehe- 
maligen Rotationsströme überein, sondern auch in den heu- 
tigen Meeren findet man die schwereren Theile des See- 
wassers gegen die Ostseite der Continente sich rücklehnen. 
Ich habe nahe an 300 Messungen des spezifischen Gewich- 
tes des Seewassers auf eine Weltkarte eingetragen, und 
es zeigt sich constant das Gesetz , dass das Seewasser an 
den Ostseiten der Continente specifisch schwerer als west- 
lich ist,“ 

„Ausser der Rotation wirken zwar noch mehrere Ursa- 
chen auf Bewegungen des Meeres, so dass sich ausser der 
Wellenbewegung und der Ebbe und Fluth zehn Arten der 
Meeresströme nachweisen lassen; die Rotation ist aber im- 
mer als die Hauptursache der Meeresbewegungen zu betrach- 
ten. Selbst auf den jetzt trockenen Continenten lassen 
sich parallele Tieflinien (ehemalige Rotationsfurchen) , und 
zwischen ihnen Dämme gleichartiger Gesteine nachweisen , 
und für Jemanden, der die geognostischen Verhältnisse 
eben so gut, als das Relief der gesammten Erdoberfläche 
kennt, ist es nicht schwer, einen begründeten Zusammen- 
hang der Einzelnerscheinungen aufzufinden, was den An- 
hängern der Emporhebungstheorie wohl nie möglich werden 
dürfte. Die Piutonisten haben durch die Annahme, dass 
die emporhebende Kraft zufällig an diesen oder jenem 
Orte wirke, von selbst auf die Möglichkeit verzichtet, ein 
allgemeines Gesetz über den Zusammenhang der Einzelner- 
scheinungen zu finden, so wie sie durch die Behauptung, dass 
alle geneigten Schichten ursprünglich sich horizontal ab=- 


Pe 


— 111 — 


gelagert hatten, offenbar darthun, über die veränderten 
Ablagerungs-Verhältnisse im strömenden und ruhigen 
Wasser gar nie nachgedacht zu haben ;— und wenn gleich 
der berühmte Naturforscher A. v. Humboldt es ist, 
der in seinem Kosmos 1. Bd. S. 264 sagt: „Wenn die Se- 
dimentbildungen nicht durch die plutonischen Gesteine em- 
porgehoben worden wären, so würde die Oberfläche unse- 
res Planeten aus gleichförmig horizontal übereinander ge- 
lagerten Schichten bestehen, und die Continente von Pol 
zu Pol würden unter allen Himmelsstrichen das traurig ein- 
förmige Bild süd- amerikanischen Llanos oder der nord -asi- 
atischen Steppen darbieten,‘“ so kann eine solche Ansicht 
mir doch nicht zur Ueberzeugung werden, und ich glaube 
vielmehr, dass derlei Vorstellungen noch in jene Zeiten 
zurück gehören, wo man noch die ganze Erde sammt ih- 
rem Meere im Zustande der Ruhe, und die Sonne um sie 
bewegend sich dachte.“ 


14, Versammlung, am 3. August. 


Wiener Zeitung vom 20, August 1846. 


Herr Dr. S. Reissek zeigte durch das Mikroskop den 
Bau und die Entwickelung des Getreidebrandes 
(Uredo segelum L’). Bekanntlich ist der Brand ein kleiner 
mikroskopischer Pilz, der äusserlich als schwarzer Staub 
erscheint, die Getreideähren überzieht und die Stelle der 
Körner einnimmt. Die Entstehungsweise desselben war 
bisher nicht genügend erforscht. Sıe ist die folgende: An 
gewissen Aehren, über deren Disposition zu der krankhaf- 
ten Entartung uns die näheren Erfahrungen zur Zeit noch 
mangeln, bildet sich das Samenkorn nicht in der normalen 
Weise aus, so dass sich die Zellen mit Amylum erfül- 
len. Es tritt im Gegentheile früher schon ein feinkörniger 
Inhalt in diesen Zellen auf, dessen Körner sich später ver- 
grössern, bräunen und endlich hohl werden. Ist die Höh- 
lung gebildet, so vergrössert sich dieselbe unter gleichzei- 
tigem Anwachsen des Kormnes so sehr, dass zuletzt nur 


— 112 — 


mehr ein dünner, schalenartiger Ueberrest der Substanz zu- 
rückbleibt. In diesem Zustande stellt sich das Korn als 
Zelle dar, und solche Zellen haufenweise an einander ge- 
lagert, bilden den Brand. Früher oder später werden die 
Membranen der umhüllenden Mutterzellen aufgelöst, die 
Brandmasse wird auf diese Art frei und nimmt zwischen den 
Spelzen den Raum ein, den das normal entwickelte Samen- 
korn inne hat. Im ausgebildeten Zustande, wo der Brand 
als schwärzliches oder braunschwarzes Pulver erscheint, 
besteht er aus den oben bezeichneten, sphärischen, durch 
Hohlwerden der Körner des Inhaltes entstandenen Zellchen. 

Hr. Dr. Reissek theilte hierauf einige Bemerkungen 
über den Körper mit, welcher unter dem Namen der 
Steinnüsse auch des vegetabilischen Elfenbei- 
nes im Handel vorkommt, und zu kleinen Drechslerarbeiten 
gebraucht wird, so namentlieh zu Spazierstockknöpfen. 
Dieser Körper, obwohl den Botanikern längst bekannt, ist 
doch dem Publicum hinsichtlich seiner Abstammung und 
Natur fast ganz unbekannt geblieben, so dass man die son- 
derbarsten Ansichten darüber mitunter antrifft. Derselbe ist 
das Eiweiss der Samen verschiedener Palmenarten, insbe- 
sondere aus der Gattung Phylelephas, welches in so be- 
deutendem Grade erhärtet, dass es horn- oder beinartig 
wird. Dass Eiweiss bleibt hierbei entweder durchweg so- 
lide oder isi im Innern hohl. Es wurden instructive Exem- 
plare der Früchte der Dompalme (Hyphuene ihebaica) 
vorgezeigt, an welchen sich diese Eigenthümlichkeit des 
Eiweisses sehr ausgeprägt zeigt. 

Hr. V. Streffleur, k. k. Hauptmann, sprach über die 
Veränderungen des Meeres-Niveau’s im Laufe 
der Zeiten. Ueber keinen Punct sind die Ansichten der 
neuesten Naturforscher so verschieden, als über diesen. 
Die Einen halten dafür, dass das Niveau des Meeres 
unverändert bleibt, und dass die Continente über das Meer 
emporsteigen; die Zweiten glauben, dass das Niveau des 
Meeres schwankt, indem es periodenweise von einem Pole 
zum anderen überläuft; die Dritten lassen das Meer stei- 
gen, da sich der Grund desselben dureh die von den Flüs- 
sen eingeführten Materien fortwährend erhöht und die Vier- 


—————— u 


— 113 — 


ten nehmen ein Sinken des Meeresspiegels durch die Ver- 
minderung der Wassermenge an. 

Dass das Niveau des Meeres gegen das Festland sich 
ändert, ist eine der ältesten Beobachtungen. Schon der 
Araber Omar schrieb im zehnten Jahrhundert über das 
Sinken des Meeresspiegels. Bis zum Jahre 1750 blieb. die 
Erscheinung einfach; man hatte nur die Alternative: zu 
glauben, dass das gesammte Meer sich senkt, oder dass ge- 
sammte Länder und Berge sich heben. Neuere Beobachtun- 
gen machten jedoch die Verhältnisse verwickelter, und wur- 
den von den Anhängern der Emporhebungs-Theorie lebhaft 
aufgegriffen, um den Streit zu ihren Gunsten zu entschei- 
den. Man gewahrte nämlich auch ein Steigen des Meeres, 
und insbesondere, dass es selbst in der nämlichen Zeit an 
der einen Küste sich hebt, während es an einer anderen 
fällt. Nun glaubte man, könne das Meer nicht mehr die 
Ursache dieser Erscheinungen sein. Man hielt fest an dem 
Grundsaize, dass das allgemein zusammenhängende Welt- 
meer, wenn es an einem Puncte fällt, gleichmässig an allen 
Puncten fallen, und eben so, wenn es irgendwo steigt, 
gleichmässig an allen Puncten sich heben müsse. Ergibt 
sich durch Beobachtungen ein wirkliches Steigen und Fallen 
des Meeres an verschiedenen Küsten, so kann nur das Fest- 
land gestiegen oder gesunken sein. So z. B. glaubt Hr. 
Lyell, dass Scandinavien auf einem hohlen Raume sitzt , 
in welchem es mit der Südspitze hinab sinkt, während es 
nördlich und östlich sich erhebt; die Küsten von Chili, von 
West-Italien ete. heben und senken sich wiederholt u. dgl. m. 

Herr Hauptmann Streffleur greift nun den eben 
ausgesprochenen Grundsatz an, und behauptet, dass die 
theoretisch gedachte gleichmässige Oberfläche des allgemei- 
‚nen Weltmeeres unmöglich angenommen werden kann, 
wenn man die Rotation der Erde gelten lassen will, und 
dass im Meere durch Veränderungen in den Strömungen und 
in der Configuration des Meeresgrundes manche Niveau- 
Veränderungen des Meeres eintreten müssen, die an gewis- 
sen Orten und für gewisse Zeiten ein gleichzeitiges Steigen 
und Sinken des Meeresspiegels hervorrufen, ohne dass das 


Festland im Geringsten von seiner Höhenlage abweicht. 
Freunde der Naturwissenschaften in Wien. I, Ss 


— 114 — 


Wie in Flüssen so im Meere. Die Stadt Wien z. B. liegt 
am rechten Ufer der Donau, und ein schmaler Arm trennt 
die Insel Leopoldstadt von der eigentlichen Stadt. Würde 
man die grosse Donau durch einen vorgebauten Sporn zum 
grossen Theil abschneiden, und die Hauptwassermassen in 
den schmalen Canal leiten, so müsste hier das Niveau des 
Wassers steigen. Ein Durchbruch im Damme oder Sporn 
würde das Wasser wieder in die grosse Donau zurückfüh- 
ren, und auf der Insel Leopoldstadt würde am Ufer des 
schmalen Canals, gegen die Stadt, ein Sınken, am auswär- 
ticen Ufer aber ein Steigen des Niveaus bemerkbar werden. 
Jedermann würde die Ursache hiervon im Dammdurchbruche 
erkennen, und Niemand könnte es sich einfallen lassen , die 
Erklärung zu geben, dass die Leopoldstadt auf einem hoh- 
len Raume sitzt, in welchen sie sich links hinab senkt, 
rechts aber heraushebt. Eben solche Ablenkungen der 
Siröme kommen nach Streffleur auch im Meere vor. Er 
bemerkte, dass er in seinem Werke: „Die Entstehung der 
Continente und Gebirge unter dem Einflusse der Rotation‘ 
in einem eigenen Abschnitte die Hebungen und Senkungen 
der Continente und des Meeresgrundes, insbesondere jene 
von Schweden, Chili, Italien, Grönland etc. alle durch 
locale Einwirkungen veränderter Meeresströmungen er- 
klärt habe. 

Im Weitern ging Herr V. Streffleur auf die Frage 
ein, ob nicht auch eine Erklärung für das allgemeine und 
allmälige Sinken des Meeres gefunden werden könnte, 
ohne eine Verminderung der Wassermenge oder ein Em- 
porsteigen der Continente anzunehmen. Eine Verminderung 
der Wassermenge durch chemische Einwirkungen ist wohl 
möglich und sogar wahrscheinlich, doch aber lässt sich 
auch eine mechanische Ursache denken, in Folge welcher 
der Meeresspiegel, selbst bei gleichbleibender Wasser- 
menge, allmälig sinken muss. Die Rotation nämlich zieht 
alle Stromfurchen auf dem Meeresgrunde; in der Tiefe der 
Rinnen geschehen Ausfurchungen. Zwischen zwei Strö- 
men bilden sich Seedämme. Die in der Tiefe der Strom- 
bette durch das Einschneiden des Wassers aufgelösten 
Erdtheile lagern sich zwischen den Strömen auf den Damm, 


— 


— 115 — 


und dieser wächst so bis zur Meeresoberfläche heran, wäh- 
rend das Strombett sich immer vertieft. Bis jetzt konnte sich 
die Meeresoberfläche noch nicht senken. Nun aber führt 
die täglich zweimalige Fluth feste Materien über dasMee- 
res- Niveau auf die Höhe der Seedämme, diese verbreitern 
sich, und das Meer findet Raum, sich in jene Theile hinab 
zu senken , aus welchen die Materien durch die Strömun- 
gen aufgehoben und weggeführt wurden. Die Ebbe führt 
das nicht mehr zurück, was an festen Materien durch die 
Fluth über das Meeres- Niveau gehoben wurde, und so 
geschieht es, dass die Meere, welche die Erdoberfläche 
ehemal seiehter und in weiter Ausdehnung bedeckten, sich 
in Folge der Rotation immer mehr eiischneiden, wodurch 
sich im Laufe der Zeit immer aus&edehntere und höhere 
Continente, dafür aber engere und tiefere Meere bilden. 
Hr. Streffleur gab hierauf specielle Nachweisungen, 
dass der Zuwachs und die Verbreiterung der Continente 
dureh die Einwirkung der Fluthwellen, namentlich an den 
weit längern und golfreicheren Ostküsten, wirklich mit 
Grund angenommen werden könne. 

Herr Professor Leydolt hielt einen Vortrag über die 


sehr merkwürdige zwillingsartige Zusammense- 


tzung des Ankerits. 

Dieses Mineral findet sich auf Lagern im Glimmerschie- 
fer im Salzburgischen, mit Spatheisenstein in Steiermark: 
Es ist unter dem Namen Rohwand bekannt, und wird we- 
gen seines Gehaltes von 32 pCt. an kohlensaurem Eisenoxy- 
dul mit Vortheil als Zuschlag beim Eisenschmelzen verwen- 
det. Es erscheint gewöhnlich in theilbaren Varietäten, 
welche bei näherer Betrachtung eine höchst interessante 
Zusammensetzung zeigen. Die Theilungsgestalten, welche 
man beim Zerschlagen nach den Theilungsrichtungen er- 
hält, sind keine wirklichen Rhomboeder , sondern rhomboe= 
derähnliche Gestalten, welche vier glatte einem Rhomboe- 
der entsprechende Flächen besitzen, während zwei Flächen, 
welche beinahe senkrecht auf jenen stehen, mit parallelen 
Streifen versehen sind. Diese Streifen entstehen durch eine 
regelmässige Zusammensetzung, und zwar rühren sie von 
einer wiederholten Zwillingsbildung her, so dass der Kör- 

8*+ 


— 16 — 


per aus eben so vielen Zwillingen besteht, als Streifen 
wahrzunehmen sind. Die Zusammenseizungsfläche ist die 
Fläche des flachen Rhomboeders R—1, die Umdrehungsaxe 
senkrecht darauf. Die Zusammensetzung ist aber noch viel 
wunderbarer, wenn man grössere Massen betrachtet, wie 
sie in der Natur vorkommen; man findet nämlich, dass die- 
selben aus solchen Verbindungen von Zwillingen und zwar 
ebenfalls auf eine regelmässige Weise zu Vierlingen 
verwachsen sind. Die Zusammensetzungsfläche ist auch 
hier wieder die Fläche R—1, und die Massen zerfallen häu- 
fig beim Zerschlagen in die einzelnen Theile der zweiten 
Zusammensetzung. Dieses Verhältniss wurde bei allen un- 
tersuchten Massen gefunden. 

Herr Professor Leydolt bemerkte, dass der mensch- 
liche Scharfsinn die Gesetze der regelmässigen Zusammen- 
setzungen der unorganischen Natur so genau aufgefunden 
habe , dass man im Stande ist, jede regelmässige Zusam- 
anseirang der Natur in Modellen nachzuahmen , während 
das Wie der Bildung selbst immer unerklärbar ist. Er wies 
auf die Wichtigkeit der Betrachtung solcher Zusammense- 
tzungen in der Geognosie, weil sie einen richtigen Schluss 
auf die Zeit der Bildung erlaube, in welcher die vereinig- 
ten Massen entstanden sind. 

Hr. Dr. R. Comfort erläuterte die Grundzüge eines 
von ihm nach einer Combinations- Theorie vorgeschlagenen 
Systems der Wirbelthiere, 

Bekanntlich theilen die Zovlogen die Thiere in höhere, 
Wirbelthiere; mittlere und ee ein, welche sie dann 
weiter nach verschiedenen Grundsätzen sichten. 

Aristoteles, der Vater der Zoologie, durch seines 
königlichen Zöglings Grossmuth in den Stand gesetzt, die 
merkwürdigsten Thiere aller damals bekannten Zonen in 
seinem kolossalen Thiergarten zu vereinen, konnte leicht 
dadurch bei seinem eminenten Genie eine solche systemati- 
sche Zusammenstellung liefern, die bis in die neueste Zeit, 
was das Wesentliche betrifft, die Basis jedes zoologischen 
Systemes geblieben ist. 

Auf dieses baute Buffon sein anatomisches , welches 
von Cuvier in dem physiologischen vervollkommnet und 


— 11T — 


endlich durch Schweigger’s fernere naturphilosophische 
Aufstellung entwickelt wurde. 

Die Systeme der übrigen Zoologen bieten Hrn. Dr. Co m- 
fort nicht viel Neues von denen der Genannten, mit Aus- 
nahme des naturphilosophischen von Ocken, welches ob- 
gleich genial, zu viel Lücken hat; das von Linne ist nach 
Dr. Comfort einseitig und erscheint als grandioser Irr- 
thnm mit aller Consequenz eines tüchtigen Geistes durchge- 
führt; nicht das wesentliche Moment wird zum Eintheilungs- 
grunde, gleichwohl geht die Natur in ihrer wunderbaren 
Architektur mit grosser Folgerichtigkeit vor, so dass auch 
im kleinsten Organe das Ganze sich wiederspiegelt, im Men- 
schen die Welt; ein immerwährendes Auf- und Absteigen, 
bis endlich das Vollkommenste erreicht wird: Allheit, Viel- 
heit, Einheit. Hr. Dr. Comfort bemerkt, dass dieses Ver- 
hältniss vielleicht nicht auf Erden-Geschöpfe allein be- 
schränkt ist, sondern vielleicht viele Lücken sich durch aus- 
serirdische Geschöpfe füllen dürften (eine unendliche Varia- 
tion über dasselbe Grundthema)) , so wie es sich theilweise 
durch ante-diluvianische, fossile Thiere und die neuesten 
Entdeckungen in fremden Gegenden herausstellt; denn 
wenn auch die Geschichte des vermeintlichen Drachenko- 
pfes lächerlich klingt, den Cuvier für einen fossilen Eber- 
kopf erklärte , so ist doch ersichtlich, dass unter den fossi- 
len Resten einer uutergegangenen Schöpfung 'Thiere vor- 
kommen, die ziemlich stark abspringend von den jetzt exi- 
stirenden sind. 

Hr. Dr. Comfort stellt nun folgendes System auf: 

I. Kopfthiere. 1) Säuger (eigentliche). 2) Flatterer. 
3) Cetaceen. 

II. Brustthiere. 4) Ornilhorhynchus puradoxus. 5) Vö- 
gel. 6) Sumpf - und Wasservögel. 

III. Bauchthiere. 7) Reptile. 8) Plerodaclyle, Cuvier 
(fliegende Fische). 9) Fische. 


Bemerkungen: 


1) Der Biber macht den Uebergang zu den Cetaceen; 
die Opossums und Känguruhs zum Vogelschnabel; die Ar- 


— 118 — 


madille zu den Amphibien ; die Strandläufer zur Giraffe ; die 
Aale zu den Ophidiern.... 

2) Das Auf-und Abspringen der Natur lässt sich durch 
eine Wellenlinie versinnlichen, wobei zu bemerken ist, dass 
das vollkommenste Geschöpf einer höheren Ordnung wohl 
harmonisch allseitiger gebildet erscheint, als die der tiefer 
stehenden Reihe , hingegen manche Geschöpfe dieser Reihe 
die einer höheren in manchen Beziehungen übertreffen, 
7. B. die Mollusken, wenn sie mit den Fischen in Bezug 
auf Zeugung verglichen werden, 


15. Versammlung, am 10, Angust, 
Wiener Zeitung vom 26. August 1846, 


Hr Otto Freiherr von Hingenau, k. k. Berg- 
Practikant, berichtete über einige geognostische Wahrneh- 
mungen in der Gegend von 'Tulleschitz im Znaimer Kreise 
in Mähren, in welcher zwischen dem Serpentine bei Hrub- 
schitz, der das Oslawan - Rossitzer Kohlenrevier im Westen 
begränzt und dem dei Mährisch - Kromau vorkommenden 
Weissstein — eine sehr bedeutende Mannigfaltigkeit von 
Uebergangs-Modificationen des Massengebirges mit feldspa- 
thiger Basis Aufmerksamkeit verdienen. Das Studium der 
VUehergangsphänomene jener Gegend im Kleinen dürfte 
mehr oder minder zu Ansichten berechtigen, wie sie in 
einer früheren Versammlung von Freunden der Naturwissen- 
schaften von Hrn. v. Morlot mit dem Nahmen latenter 
Metamorphose bezeichnet wurden, welche Nahmen je- 
doch das Charakteristische dieser Erscheinung — nähmlich 
das Ausscheiden gleichartiger oder verwandter Mineralstoffe 
und deren gleichzeitige Aneinanderhäufnng — nieht ganz 
deutlich zu machen vermögen und sich derM o hs’schen geog- 
nostischen Theorie nähert. Einige vorgewiesene Handstücke 
aus jener Gegend wurden in dieser Beziehung ausgewählt, 
weil sie den allmäligen Uebergang von Syenit oder wenn 
man will: Hornblendegranit—zum Granit und selbst Weiss- 
stein auf einem Eexmplare zeigen und hinzudeuten schei- 


— 119 — 


nen, dass man es hier nicht mit charakteristisch auftreten- 
den Gängen oder systematischen Uebergängen zu ihun 
habe, sondern vielmehr mit sich in Unzahl wiederholenden, 
die ganze Masse durchdringenden ähnlichen Wechseln, 
die kaum anders als mit Mohs durch gleichzeitige Entste- 
hung erklärt werden dürfen. Gerade in dieser Beziehung 
verdient jene wenig bekannte Gegend ein detaillirtes Stu- 
dium, abgesehen davon, dass sich dasselbe auch durch eine 
reiche Ausbeute von Mineralien lohnen würde, von denen 
in der Privatsammlung des Landschafts - Einnehmers in 
Zmaim schöne Exemplare zu finden sind. Die vorherrschende 
Erscheinung dieses Gebirges ist krystallinisch - schiefriger 
Structur: doch nicht ohne zahlreiche körnige Abwechslun- 
gen, so dass Freiherr von Hingenau Bedenken trägt, 
von Granit - oder Syenitgängen in Gneiss zu sprechen, 
sondern das Ganze als ein und dasselbe gleichzei- 
tige Gebilde anzusehen versucht ist. 

Herr Dr. S. Reissek widmete der vor Kurzem er- 
schienenen „Flora von Wien von A. Neilreich“, die 
wegen ihrer Trefflichkeit bald in aller Botaniker und Natur- 
freunde Händen sein wird, eine kurze Besprechung, wobei 
er vornämlich den reichen In- und Gehalt hervorhob. Schliess- 
lich gab er eine Uebersicht der gesammten Literatur über 
die Unter - Oesterreichische und namentlich Wiener Flora 
von Clusius Zeiten bis auf unsere Tage, mit kritischen 
Bemerkungen hierüber. 

Es möge hier , da von oben bemerkter Flora noch keine 
Beurtheilung in unseren Tageblättern erschieneu, eine kurze 
Anzeige des Inhaltes Platz finden: 

Der Verfasser bezeichnet zuvörderst die Gränzen des 
Gebiethes, welches einen Radius von 4 Meilen ungefähr 
besitzt. Hierauf folgt ein geognostisches Bild der Gegend, 
grössten Theils nach Partsch’s „Karte des Beckens von 
Wien‘, sofort die hydrographischen und klimatischen Ver- 
hältnisse. Bei Letzteren benützte der Verfasser die Tage- 
bücher der k. k. Sternwarte, welche indess zu seinem Be- 
dauern in manchem wichtigen meteorologischen Verhältnisse 
nicht die gewünschte Auskunft boten, so namentlich in 
Betreff der wichtigen ombrometrischen Verhältnisse, wo Da- 


— 120 — 


ten aus einer Reihe von Jahren wünschenswerth gewesen 
wären. Nach Abhandlung dieser Verhältnisse gelangt der 
Verfasser zur pflanzengeographischen Schilderung des Ge- 
bietes, welche als ausgezeichnet zu nennen ist. Hierauf 
folgt als Haupttheil des Werkes der systematische Theil 
mit der Beschreibung der Pflanzen, kritischen Bemerkun- 
gen über den Werth und die Verwandtschaften der Arten, 
wobei man des Verfassers reiche Erfahrung und richtige 
Beurtheilung auf jeder Seite kennen zu lernen Gelegenheit 
hat. Hieran schliesst sich denn auch die mit diplomatischer 
Genauigkeit überall revidirte Synonymie, die Angabe der 
Standorte, Fundorte , der Dauer und sonstige Bemerkun- 
gen. Was vornämlich auch den Werth des Werkes für 
den minder gewandten und unterrichteten Botaniker erhöht, 
ist die Beigabe von analytischen Schemen bei allen grösse- 
ren und schwierigeren Gattungen Behufs der leichteren 
Bestimmung der Arten. Diese analytischen Tabellen erfül- 
len vollkommen ihren Zweck. Der systematischen Anord- 
nung sind im Ganzen Endlichers „Genera plantarum“ 
zu Grunde gelegt. 

So erfüllt das Werk die Anforderungen, welche die 
vorgerückte Wissenschaft in dreifacher Beziehung an eine 
gute Flora stellen muss, vollständig. Es steht auf der 
Höhe der Wissenschaft und hält mit ihren Fortschritte glei- 
chen Schritt; es gibt dem unterrichteten Botaniker ein rich- 
tiges Vegetationsbild der Gegend im Eiuzelnen, so wie 
im Ganzen; es bietet endlich dem Laien sich als verlässli- 
cher Leitfaden zur Bestimmung und Auffindung der Pflan- 
zen dar. 


16. Versammlung am 17. August. 
Wiener Zeitung vom 4. September 1846. 


Herr Dr. Moriz Hörnes theilte eine Beschreibung 
der in wissenschäftlicher Beziehung interessantesten Stücke 
der Mineralien- Sammlung der Frau Johanna Ed- 
len v. Henikstein mit. Derselbe erwähnte, dass er im 


— 121 — 


verflossenen Jahre den erwünschten Auftrag erhalten habe, 
diese prachtvolle Sammlung, welche er in wissenschaftli- 
cher Beziehung, nämlich in Rücksicht der Vollkommenheit 
der Krystalle und der Vollständigkeit im Allgemeinen als die 
erste Privatsammlung in Deutschland darstellte, zu be- 
schreiben. Da er nun diese Beschreibung streng nach 
der wissenschaftlichen Methode des verewigten Herrn 
Bergraths Mohs ausgeführt habe, welche Arbeit in drei 
starken Folio - Bänden vorliegt und die Besitzerinn die 
Drucklegung des Catalogs wegen der noch immer zuströ- 
menden neuen Acquisitionen verschoben wissen will, so 
theilte derselbe vorläufig einige Notizen über die merk- 
würdigsten Stücke mit. Die Sammlung besteht gegenwär- 
tig aus 5030 Stücken in 2- bis 3zölligem Formate und ist 
nach dem Mohs’schen Systeme vom Jahre 1839 geordnet. — 
Als besonders ausgezeichnet wurden hervorgehoben die Kry- 
stalle von Muriazit, Wavellit, Schwerstein, arseniksaurem 
Blei, Dioptas, Uranglimmer, Serpentin, Wagnerit, Eudialyt» 
Saphir, Diamant, Topas, Euklas, Phenakit, Smaragd, 
Chrysolith, Zirkon, Zinnstein, Columbit, gediegenem Sil- 
ber, gediegenem Golde, Kupferkies, Antimonkupferglanz , 
Glaserz, Steinmannit, Sterabergit, Schrifterz und Schilf- 
glaserz, Eine detaillirte Beschreibung dieser Stücke wird 
in Kurzem in Leonhards Jahrbuch für Mineralogie er- 
scheinen. 

Hr. Dr. H. M. Schmidt- Göbel aus Prag legte die 
erste Lieferung eines umfangreichen Werkes vor, welches 
er auf Kosten des Böhmischen Nationalmuseums unter Mit- 
wirkung mehrerer anderer Naturforscher bearbeitet und her- 
ausgibt. Es enthält dasselbe unter dem Titel: Dr. J. W. 
Helfers hinterlasseneSammlungenaus Vorder- 
und Hinter-Indien. Nach seinem Tode unter 
Mitwirkung Mehrerer bearbeitet und heraus- 
gegeben von Dr. H. M. Schmidt-Göbel, die Be- 
schreibung der reichhaltigen Sammlungen, welche der un- 
ternehmende Helfer in Vorder - und Hinter- Indien zusam- 
men brachte und wo er einen vorzeitigen Tod auf den An- 
damaninseln fand, ein zu frühes Opfer seiner regen Be- 
strebungen , unter den Pfeilschüssen der tückischen und 


= a — 


‘grausamen Endamenen. Der Bearbeiter trug hierbei einige 
zoogeographische Bemerkungen vor, und bemerkte, dass 
trotz der leichten Zugänglichkeit Vorder - Indiens dasselbe 
noch in Bezug auf die niederen Thiere und Pflanzen nur 
strichweise und da ungenügend bekannt, Hinter-Indien aber 
zoologisch und zum 'T'heil auch botanisch eine wahre Terra 
incognila sei. Aus den ehemals Burmesischen Provinzen, 
der Halbinsel Malacca, aus Martaban, Tenasserim 
und Mergui und dem nahe liegenden Mergui-Archipel 
stammt der grösste Theil der in diesem Werke bearbeiteten 
Samminngen, ein kleinerer nur aus Cossipoor in der 
Nähe von Caleutta und von den Hoogly- Mündurgen. 
Den Glanzpunect der Sammlungen bildet die entomologische 
Partie, und hiervon sind wieder die Coleoptern am reich- 
sten; doch sind auch die übrigen Inseeten und von andern 
Classen die Vögel zahlreich und interessant vertreten. Nicht 
minder sind 400—450 Arten Pflanzen vorhanden, die man- 
ches Anziehende enthalten. Es mögen im Ganzen etwa 
3000 Arten von Thieren da sein, von denen reichlich drei 
Viertheile, wenn nicht vier Fünftheile völlig neu und unbe- 
kannt sind. Es wird dieses Werk somit nicht nur die Zahl 
der bisher bekannten Thiere und Pflanzen bedeutend ver- 
mehren , sondern es wird, was noch wichtiger ist, ein 200- 
logisches, namentlich ein entomologisches Bild der Halbinsel 
Malacca und viele wichtige z00- und phytogeographische 
Daten liefern. Die Fauna hat sich, so weit die Sammlungen 
bis jetzt untersucht sind, als ein Bindeglied zwischen der 
Halbinsel Deccan und den grossen Inseln des Indischen 
Archipels Sumatra und Java herausgestellt, wobei sich 
selbst Anklänge an die ührigens so wenig gekannte Fauna 
von China und an die Philippinen finden, indem ent- 
weder die identischen oder sehr ähnliche Formen auftreten. 
Das Auffallendste ist wohl das Erscheinen Europäischer und 
selbst sehr nördlicher Arten und der vielfach Europäische 
Typus. Vom Himalaya ist diess längst bekannt und leicht 
erklärlich , aber für die echt tropischen Gegenden von Mer- 
gui und Martaban, die bei einem heftigen und höchst be- 
ständigen Monsoon, einen fast auf dessen Dauer allein be- 
schränkten Regenfall von 240 Zoll Engl. und eine hohe Mittel- 


— 123 — 


temperatur besitzen, also bei klimatischen Verhältnissen, 
welche von den uasrigen in jeder Beziehung verschieden 
sind, muss es doch einiger Massen in Verwunderung setzen, 
wenn wir z. B. nicht nur das Süd - Europäische Zuphium 
olens, sondern sogar den Deutschen Dromius obscurogulla- 
tus Dft., den Dr. plagialtus Dft., den Eunecles griseus, 
die Limenitis Aceris u. a. m. dort wiederfinden. Von Ver- 
schleppung oder Wanderung kann hier gar nicht die Rede 
sein, aber es scheinen manche Thiere eine solche Schmieg- 
samkeit in die gegebenen Zustände zu besitzen und so we- 
nig strenge in den Bedingungen für ihre specifische Existenz 
zu sein, dass sie an den verschiedensten Puncten der Erde 
ohne Verschleppung oder Wanderung ursprünglich auftreten 
und sich in ihren Eigenthümlichkeiten behaupten können. 
Der Europäische Typus spricht sich vorzüglich durch die 
Häufigkeit hiesiger, bisher von dort nieht bekannter Genera 
aus, wovon beiläufig nur Cymindis, Dromius, Dyschirius, 
Omophron, Anchomenus, Trechus, Bembidiun, fast alle 
Hydrocuntharen - Gattungen, viele Siaphylinen - Genera, 
wie Sienus, Myrmedonia, Homalotlu ete., Xylelima, Dor- 
catoma, Anobium; Plinus, Anthrenus, Scydmaenus , 
Bryaris, Euphlecius, Strongylus , Cryptophagus, Allage- 
nus, Trinodes, Georyssus, Hydraena, Macronychus, An- 
tisoloma, Anthicus, Anaspis, Myclerus, Cis, RBhizopha- 
gus, Dendrophagus etc. angeführt werden sollen. Eben 
so kehren in den Hemipleren und Lepidopleren 
Europäische Arten und häufig Europäischer Typus wieder. 
Ausserdem zeigt sich, dass, wie zu erwarten, die Ostküste 
von Afrika und Madagascar das Bindeglied zwischen Ame- 
rika und Ostindien bilden, indem Genera, die einmal von 
Amerika bis dorthin verdringen , auch in Ostindien erschei- 
nen; so z. B. @alerita, die hisher aus Asien noch nicht be- 
kannt war. Von Dipteren und Hymenopteren ist 
wenig und meist Bekanntes vorhanden , nur mehrere Amei- 
sen dürften neu sein. Von Arachniden und Scorpioniden, 
Suliden sind mehrere ausgezeichnete Formen da. Conchy- 
lien sind wenige und in schlechten Exemplaren und nichts 
Neues. Was die Vögel betrifft, so erklärt ihre meist be- 
deutende Locomotionsfähigheit leicht eine grosse Verbrei- 


— 124 — 


tung, die sich auch hier nach einer flüchtigen Durchsicht 
zeigt, und über die Herr Dr. Schmidt-Göbel keine De- 
tails gab, da. er diese Abtheilung, so wie die Pflanzen; 
nicht selbst bearbeitet. Letztere weichen fast weniger von 
denen der Ostküste von Deccan ab, als man erwarten 
könnte; der Grund davon ist wohl, dass ein grosser Theil 
derselben an den Küsten gesammelt ist, wo sich denn diese 
Aehnlichkeit der Flora von selbst erklärt. Doch ist immer 
manches Neue und Interessante darunter. Gramineen, 
Cyperaceen, Laurineen, Myriaceen, Piperuceen , schei- 
nen am stärksten vertreten , wohl auch mit desshalb, weil 
sie sich noch am besten einlegen und erhalten lassen. Eine 
bedeutende mineralogische und geognostische Sammlung 
blieb der grossen Transportkosten halber in Mergui liegen. 

Hr. Dr. Hammerschmidt erstattete einen gedräng- 
ten Bericht über die letzte Sendung des seit November v. J. 
in Mexico befindlichen Pflanzen-Sammlers, Herrn Carl 
Heller. Derselbe hat nun, wie bereits öffentliche Blätter 
auzeigten, mehrere Transporte mit den seltensten lebenden 
Pflanzen an die Gartenbau -Gesellschaft und an die ihn be- 
züglich seiner Reise unterstützenden Gönner übermittelt; die 
letzte vor Kurzem hier eingetroffene Sendung , aus 13 Ki- 
sten bestehend, kömmt aus der Gegend von Hoatusco ; sie 
ging am 5. Juni auf der Barke ‚„.‚Echo“ von Vera-Cruz ab, 
und langte direet über Hamburg am 14. August in Wien an. 
Leider ist der fleissige und umsichtige Sammler durch die 
zwischen Mexico und Nord - Amerika eingetretene Feindse- 
ligkeit und durch die Blockade der mexicanischen Seehäfen in 
den nächsten Sendungen gehindert. Er gedenkt bezüglich sei- 
ner weitern Reise folgenden Plan zu verfolgen : Ende Juni 
will er von Huatusco abreisen und die Haupistadt Mexico be- 
suchen, sich hier einen Monat aufhalten, um die Sammlun- 
gen zu benützen, Anfangs August den Bezirk von To- 
luca bereisen, im September bis November die Landstrecke 
von Toluca bis Tasco durchziehen, und im Dezember einen 
Haupt-Transport absenden. Im Januar 1847 will er Pas- 
quaro und den Vulkan Jorullo besuchen, und im Februar 
und März über Valladolid bis zum Vulkan Taneitaro und 
Colima vordringen, von hier soll ein weiterer Transport ab- 


— 125 — 


gehen, und dann die Rückreise über Mexico und Vera-Cruz 
erfolgen. wo er Anfangs Mai einzutreffen gedenkt. Ob und 
in wie weit dieser Reiseplan eine Abänderung erleidet, hängt 
von den nächsten Kriegsereignissen ab. Es beginnt nun 
für unsern thätigen Sammler der zweite und zwar gefährli- 
chere Theil seiner Reise, und wir rufen ihm daher ein 
freundliches „Glück auf** in die Urwälder von Mexico nach. 
In der gegenwärtigen Sendung findet sich wieder eine 
reiche Ausbeute, von Seltenheiten und Novitäten: eine 
Agave nov. spec. mit dunkelblauen Stacheln, mehrere 
Pracht- Exemplare von Yucca longifolia von ausserordent- 
licher Grösse, 2 Arten vou Furcroya, wahrscheinlich neu, 
von Macleania insignis mit scharlachrothen Blüthen, viele 
grosse, knollige Wurzelstücke von Maratlia, baumartige 
Farren, Knollen von Echiles- Arten, durch ihre grossen 
Blumen ausgezeichnet; sehr grosse Exemplare von Rox- 
burghia - Arten, zwei neue Bromelien - Arten, einige hun- 
dert Arten Orchideen, worunter ganz neue Epidendron, 
Muxillarien, Marmodes, Oncidien, Loelien, Perislerien, 
Odontoglossum, Uyenochen Cyrtochilen sich befinden. 

Ausser diesen lebendigen Pflanzen, die alle in sehr gu- 
tem Zustande ankamen, sandte Heller viele neue Säme- 
reien,, eine Kiste mit sehr gut erhaltenen Coniferen-Samen 
der verschiedensten Arten, ausgezeichnete getrocknete 
Pflanzen, einiges an Inseceten und ein Paar Mammalien, 
wovon eines aus der Familie der Nager sein dürfte. In der 
oben bemerkten neuen Agave fanden sich fünf rothe, 
1—1:/, Zoll lauge Larven eingefressen, wovon Dr. Ham- 
merschmidt ein Exemplar der Versammlung vorwies; 
derselbe wird versuchen, diese Larven aufzuziehen, und 
über die Verwandlung dieses mexicanischen Insekts seiner 
Zeit die Beschreibung liefern. 

Hr. Rumler, Custos-Adjunkt am k. k. Hof-Minera- 
lien-Cabinete, zeigte eine kleine, von dem Mechaniker 
Duenbostel verfertigte Oehlpumpe vor, welche durch_ 
die Rotation eines elektromagnetischen Ankers in Bewegung 
gesetzt wird. Diese Pumpe nahm die Aufmerksamkeit der 
Anwesenden wegen ihrer genauen und reinen Ausführung 
in hohem Grade in Anspruch. Hr. Rumler erklärte in 


— 126 — 


einem kurzen Vortrage das Prineip, auf welchem die Bewe- 
gungskraft des ganzen Apparates beruhet, und beschrieb 
sodann die einzelnen Bestandtheile desselben. 


17. Versammlung, am 24, August. 
Wiener Zeitung vom 15. September 1846. 


Hr. V. Streffleur, k.k. Hauptmann, gab eine allge-= 
meine Uebersicht der Theorien, welche der k. k. Herr 
Oberst von Hauslab und derjenigen, welche er 
selbst zur Erklärung der Ursachen für die Umbil- 
dungen der Erdoberfläche aufgestellt hat, als 
deren Folge oder Wirkung die einzelnen That- 
sachen sich ergeben, die nicht isolirt dastehen, 
sondern im ;begründeten ununterbrochenen 
Zusammenhange, sowohl dem Raume als der 
Zeit nach erscheinen sollen. Er bezog sich dabei auf 
die bereits gewonnene bedeutende Ausdehnung positiver geo- 
graphischer und geologischer Kenntniss, nach den Arbeiten 
Ritter’s, Boue's u. s, w. 

Hr. v. Hauslab, dieser eifrige Forscher in den Na- 
turwissenschaften,, bedient sich einer eigenthümlichen gra- 
phischen Methode. Er brachte alle physikalischen Er- 
scheinungen auf der Erdoberfläche und in der Atmosphäre 
im Zusammenhange in übersichtliche Bilder, und zwar in 
einer Art, dass sie von Jedem schnell verstanden werden 
können. Während Berghaus in seinem physikalischen 
Atlas die Richtung der Wind- und Meeresströme z. B. nur 
mit vereinzelnten Pfeilen andeutet, wählte Hr. v. Haus- 
lab eine Bezeichnungsart,, welche auf den ersten Blick den 
ununterbrochenen Zusammenhang der Erscheinungen zu er- 
kennen gibt. Besonders interessant unter vielen andern 
Karten ist Eine, worin er, mit Berücksichtigung des jetzi- 
gen Reliefs der Erde, den ehemaligen Zug der Meeres- 
ströme über die Continente nachweist. Am ausführlichsten 
beschäftigte er sich mit der Untersuchung der Terrainfor- 
men. So wie Mohs an den Mineralien deren Gestalt, 


— 127 — 


Härte, Gewicht ete., kurz alle naturhistorischen Eigen- 
schaften beobachtete , sie in Species, Genera, Ordnungen 
und Classen theilte, und die Mittel angab, sie zu erken- 
nen und zu unterscheiden, eben so untersuchte Herr von 
Hauslab die Terrainformen auf der gesammten Erdober- 
fläche, theilte sie in Arten, Geschlechter, Ordnungen und 
Classen, zeichnete und modellirte alle diese Formen sowohl 
im Einzelnen, als auch’ nach ihrer Verbindung und nach ih- 
rem Vorkommen auf der Erdoberfläche, und schloss zuletzt 
auf die Art ihres Entstehens, je nachdem sie die Spuren der 
Feuer- oder Wasserbildung an sich tragen. Im Jahre 1843 
sendete Hr. v. Hauslab mehrere dieser ganz eigenthüm- 
lich gezeichneten Karten an die geologische Gesel}schaft 
von Frankreich, deren Mitglied er ist, welcher Arbeit im 
Bülletin 1844, pag. 569 Erwähnung geschieht. Sie bestehen 
aus einer Weltkarte, und Blättern von Europa, Spanien 
und der Türkei, nebst mehreren Seekarten, alle mit Hori- 
zontalschichten und der Art colorirt, dass jede höhere 
Schichte im Gebirge und jede tiefere Schichte im Meere 
immer einen um einen Grad dunkleren Ton erhielt. Das 
Relief tritt dadurch ungemein deutlich hervor. Durch diese 
Karten suchte Hr. v. Hauslab nachzuweisen, welche auf- 
fallende Aehnlichkeit zwischen den Formen am Grunde des 
Meeres und auf den Continenten besteht, und wie an bei- 
den Orten die Beckenform vorherrseht. Also auch die jetzi- 
gen Hochländer und Gebirge bildeten einst die Ränder von 
Meeresbecken. Ferner gab Hr. v. Hauslab strenge Un- 
terscheidungs- Merkmale an, für orographische , hydrogra- 
phische und geognostische Becken, und zeigte, dass auf 
der ganzen Erdoberfläche, mit Hinweglassung der subor- 
dinirten Becken, eigentlich nur fünf grosse, geognostische 
Becken vorkommen, wovon das nord-atlandische die Rei- 
henfolge eller Formationen in grosser Ausdehnung und Ent- 
wickelung, das süd-atlandische und indische Spuren der- 
selben im geringen Masse zeigen, in den beiden oceani- 
schen aber die Mittelglieder fehlen, und die tertiäre unmit- 
telbar auf die krystallinische, sogenannte Urformation 
folgt. Auf diese Art — also nur durch die Hilfe der Zeich- 
nung und des Zusammenfassens gleichartiger Erscheinun- 


— 128 — 


gen — ist es Hrn. von Hauslab möglich geworden, 
eine bestimmte Ansicht von der Anordnung der Vertheilung 
der Mineralien im Raume aufzustellen. 

Eine andere Theorie, den Zusammenhang der Erschei- 
nungen zu begründen, stellte Herr Hauptmann Streff- 
leur auf. 

Er hatte Gelegenheit gehabt, die Arbeiten von Haus- 
lab’s und dessen Untersuchungen der Terrainformen genau 
kennen zu lernen, und war dadurch zur Ueberzeugung ge- 
kommen, dass eine richtige Zeichnung der Raumverhältnisse, 
in welchen die einzelnen 'Thatsachen zu einander stehen, 
das Urtheilen und Anffinden von Ursachen des allgemeinen 
Zusammenhanges ungemein erleichtern. Er fing sonach 
selbstständig zu zeichnen und zu combiniren an, und be- 
mühte sich nebst der Gebirgsentstebung auch andere zur 
Geschichte der Erdoberflächenbildung gehörige Erscheinun- 
gen zu erklären, z. B. die Ursachen der Temperatur - Ver- 
änderung auf der Erdoberfläche, die Ursachen des Niveau- 
Unterschiedes der Meere, die Nivcau-Veränderungen des 
Meeres bezüglich des Festlandes, namentlich das Sinken 
oder Steigen des Meeres, die Hebung Schwedens, Chilis, 
Italiens, etc., ferner den Ursprung und die Verbreitung der 
grossen Fluthen, das Vorkommen der Mammuthe in Sibi- 
rien, die Ursachen des specifischen Gewichtes des Seewas- 
sers, die Verbreitung der erratischen Blöcke u. s. w. — 
lauter 'Thatsachen, die durchaus nicht ausser dem Zusanm- 
menhange mit der Gebirgsentstehung gelassen werden kön- 
nen, und die Hr. Streffleur alle aus einer allgemeinen 
Ursache, nämlich aus der Einwirkung der Rotation auf das 
Flüssige,, abzuleiten sucht. Hr. Streffleur benützte da- 
bei Hrn. v. Hauslab’s Methode der graphischen Darstel- 
lung, doch machte er auf den eigenthümlichen Weg auf- 
ınerksam, den er bei seinen Forschungen befolgte, und der 
ihn zu Resultaten führte, die dann Haupigegensätze zu 
dem bilden, was, wie er angibt, jetzt in der Geologie all- 
gemein für richtig gehalten wırd, und zwar gibt er an: 

1) Die Continente zeigen unläugbare Spuren einer ehe- 
maligen Wasserbedeekung. Die Geschichte jedes Conti- 


—. 189 — 


nentaltheiles als solcher beginnt nun mit dem Augenblicke; 
als er sich der Meeresbedeckung entzieht, und zur Bede= 
ekung mit Land-Gewächsen und Thieren fähig wird: Theilt 
man das jetzige Relief der Erde nach seinen absoluten Hö= 
hen über dem Meere nach aufwärts durch horizontale 
Schnitte in Schichten, und nimmt man für die urweltlichen 
Zeiten den Stand des Wassers die höchsten Schichten be- 
deckend an, so glaubt man allgemein, —es möge das Was- 
ser langsam sinken, oder die Continente langsam über das 
Meer emporsteigen, — dass die obersten Schichten, näm- 
lich die Bergspitzen, zuerst, und die untersten Schichten 
über die Flachländer zuletzt trocken wurden. 

Herr Hauptmann Streffleur im Gegentheile geht von 
der Ansicht aus, dass die Wassserbedeckung einer rotiren= 
den Kugel (wie es sich durch Experimente nachweisen lässt), 
von den Polen sich abzieht und am Aequator sich aufhäuft; 
wodurch bedeutende Höhen in der Nähe des Aequators noch 
lange. unter Wasser bleiben, während die Flachländer zu= 
nächst den Polen schon trocken liegen, demnach als Conti- 
nente älter sein müssen, als äquatoriale Hochländer. Die 
geognostischen Untersuchungen auf der Erdoberfläche be- 
stätigen diesen Satz, indem man tertiäre Bildungen unter 
der Meeresbedeckung auf den hohen Puncten des asiati- 
schen Hochlandes, in Amerika und in den Alpen findet; 
während solche in den flachen Polarländern gar nicht anzu= 
treffen sind, was sicher beweist, dass die hohen Gegenden 
näher dem Aequator noch unter Wasser standen, während 
die flachen Polarländer schon trocken lagen. Aus diesem 
Satze folge ferner der alimälige Uebergang des Klimas 
aus dem allgemein feuchtwarmen, winterlosen, in immer 
grössere Gegensätze, das Vorkommen der einheimischen 
Palmen und Mammuthe in Sibirien, die Art der Verbreitung 
der Pflanzen und Thiere auf der Erdoberfläche und die all- 
gemeine Verbreitungsart der Mineralien. 

2) In allen Geologien und physikalischen Lehrbüchern 
kommt folgender Satz vor: ‚‚Es ist allgemein für richtig 
anerkanntes hydrostatisches Gesetz, dass; wenn der Was- 
serspiegel der unter sich zusammeuhängenden Meere an 


einem Örte erhöht oder erniedrigt wird, zum Gleichgewichte 
Freunde der Naturwissenschaften in Wien I; 9 


— 130 ° — 


der Flüssigkeit, eine eben so grosse Erhöhung oder Ernie- 
drisung über der ganzen Wasserfläche verbreitet werden 
muss, und da nun in der Gegenwart gleichzeitig örtliche 
Erhöhungen und Erniedrigungen des Meeres - Niveaus an 
verschiedenen Küsten wahrgenommen werden, so schliessen 
die Geolegen, dass das Festland sich örtlich heben und sen- 
ken müsse.“ 

Nach Hrn. Hauptmann Streffleur stehen die Conti- 
nente fest, und das durch die Rotation bewegte Meer ist 
es, welches in Folge der Veränderungen des Meeresgrun- 
des, und durch zeitweises Zu- und Ablenken der Meeres- 
ströme gegen und von den Continenten, an gewissen Kü- 
sten ein zeitliches Steigen oder Fallen des Wasserspiegels 
hervorruft. Aus diesem Satze erklärt Streffleur die 
Ursachen des Nivean - Unterschiedes der heutigen Meere, 
so wie alle angenommenen Hebungen und Senkungen der 
Continente, nur als Folge veränderter Localverhältnisse 
und eben so das allgemeine Sinken des Meeres - Nivean’s 
durch die Veränderung der Configuration des Seegrundes. 

3) Nehmen nach Herrn Hauptmann Streffleur alle 
Geologen an, sie mögen der plutonischen, neptunischen oder 
der Kıystallisations - Theorie angehören, dass iu einem 
Raume auf der Erdoberfläche, in. welchem sich Sediment- 
gesteine gebildet haben, die tiefen Stellen sich mit diesem 
Gesteine mächtiger als die seichten ausfüllten oder über- 
deckten, so dass man die Ablagerungen horizontal oder 
nach der Unterlage geneigt, doch aber in den Tiefen immer 
mächtiger, als an den Rändern annehmen müsse. 

Herr Hauptmann V. Streffleur selbst bezieht alles 
auf das Maass der Bewegung oder die Ruhe des Wassers, 
‚und behauptet, dass die Niederschläge aus dem Wasser, sie 
seien mechanischer oder krystallinischer Natur, im beweg- 
ien Wasser auf und an den Grundhöhen und nicht in der 
Tiefe, im ruhigen Wasser aber in den Grundtiefen sich bil- 
den. Aus diesem Satze endlich, in Verbindung mit dem 
ersten, folgt auf der ganzen Erdoberfläche local begründet, 
die Lagerungsart der Gebirgsgesteine, je nachdem sie auf 
den Höhen oder die Tiefen ausfüllend zu finden sind, und 


— 131 — 


insbesondere die Geschichte des scheinbar so verworrenen 
europäischen Bodens. 

Herr Hauptmann V. Streffleur legte endlich das 
von ihm so eben herausgegebene Werk vor: „Die Ent- 
stehung der Continente und Gebirge unter dem 
Einflusse der Rotation“, und empfahl vorzüglich die 
von Herrn Obersten v. Hauslab vorgeschlagene graphi- 
sche Methode bei der Beurtheilung der Resultate geologi- 
scher Untersuchungen: 

Herr Dr. Hammerschmidt zeigte der Versammlung 
ein den Naturforschern noch wenig bekanntes Thier 
aus der Familie der Nagethiere. Dasselbe wurde von 
dem gegenwärtigtin Mexico befindliehen Pflanzensammler 
Hrn. Carl Heller mit der letzten Sendung übermittelt , 
und dürfte das in Wiegmanns Archiv, 10, Jahrgang. 
Pag: 240, von Reichardt und in Schinz Synopsis mam= 
malium, unter dem Nahmen: Cercolabes Liebmanni (Lieb- 
manns-Cuiy), beschriebene Thier sein. Dasselbe gehört 
zur Abtheilung der Stachelschweine (Hystrix),; welche 
Thiere in der Landessprache in Mexico: Coendu heissen: 
Das Thier misst von der Schnauze bis zum Schwanzende 
2—2'/; Schuh und ist von schwärzlich brauner Farbe. An 
der Schnauze hat es kurze Borsten, die einzelnen Haare 
des Schnurrbartes sind 4—6 Zeil lang, schwarz, an der 
Spitze bräunlich : der Kopf ist mit festen in eine sehr feine 
Spitze auslaufenden '/,—1 Zoll langen Stacheln dicht be- 
setzt; die einzelnen Stacheln sind glänzend lichtgelb, glatt, 
an der Spitze etwas rauh und schwarz; der Rücken, die 
Brust und die Seiten des Körpers sind ebenfalls mit ähnlichen 
Stacheln, aber nicht so dicht besetzt als derKopf; die Sta- 
cheln selbst unter den 2—3 Zoll langen sehr dichten schwarz- 
braunen Pelzhaaren verborgen; die längsten Stacheln bis 2 
Zoll lang befinden sich am Rücken und an den Seiten; die 
Farbe des dichten Pelzes wird von den Seiten an gegen den 
Bauch zu lichter, die Haare selbst an letzterer Stelle wolli- 
ger; der Schwanz 6—8 Zoll lang, ist bis über die Mitte mit 
dünnen Stacheln und schwarzen Borsten bedeckt, gegen die 
Spitze zu aber fast kahl und mit Schuppen versehen; die 
Klauen sind scharf, die Füsse kurz, In der zoologischen 

g* 


— 133 — 


Sammlung des hiesigen k. k. Hof-Naturalien-Cabinetes fin- 
det sich das angezeigte Thier nicht vor. — Ausser dem eben 
beschriebenen Cercolabes Liebmanni übermittelte Hr. H el- 
ler auch noch zwei Exemplare von Cercoleples caudivol- 
vulus (Viverra caudivolvula), Männchen und Weibchen; 
ein ebenfalls in den zoologischen Sammlungen nicht häufig 
vorkommendes Thier, welches auf den Antillen, in Suri- 
nam und in Mexico vorkömmt, und zur Familie der Bären 
gehört. Alexander v. Humboldt hat dieses Thierchen 
in Südamerika am Rio negro angetroffen, wo es Manavier 
heisst ; dann in den Urwäldern von Maranham und in Neu- 
Granada. Seinem Betragen nach ist es ein Gemisch von 
Bären, Hund, Affe und Zibeththier, der Leib ist marderför- 
mig gestreckt, der Kopf fuchsartig, der Pelz sehr weich, 
hellbraun, 'gegen den Bauch zu lichtgelb und go!dschim- 
mernd; der Schwanz so lang als der Leib, ist dicht kurz 
behaart und dient dem Thier, so wie jener der Wickel- 
Affen um sich an den Zweigen fest zu halten, um auf 
Bäume zu klettern und Gegenstände damit zuznziehen. Nach 
Owen fehlen diesem Thiere die Schlüsselbeine, wie andern 
zu dieser Familie gehörigen Thieren. Das von Hrn, Dr. 
Hammerschmidt vorgezeigte 'Thier misst von der 
Schnauze bis zum Schwanz 18 Zoll, der Schwanz selbst 
ebenfalls 18 Zoll. 

Herr Franz Ritter v. Hauer machte eine Mittheilung 
über die braunkohlenführenden Gebirgsschichten der 
Gegend von Guttaring und Althofen in Kärn- 
then, welche, ungefähr 4 Meilen nordöstlich von Klagen- 
furt gelegenen Orte, er im Laufe des diessjährigen Som- 
mers in Gesellschaft des Herrn A. v. Morlot besucht 
hatte. Die obersten Schichten der im Ganzen nur wenig 
ausgedehnten Ablagerung bestehen aus einem mit zahllosen 
Nummuliten ganz erfüllten Kalksteine; darunter liegen theils 
gelblich, theils grau gefärbter Mergel mit verschiedenen 
organischen Resten. Den tieferen 'Theilen dieser Mergel- 
schichten ist ein Braunkohlenflölz eingelagert, welches be- 
reits seit längerer Zeit im Abbau steht. Die ganze Bildung 
voht auf älterem Schiefergebirge. 


eg 7 pi 


Es war bisher noch nicht mit voller Sicherheit ermit- 
telt worden, welcher Formation die Schichten von Gutta- 
ring zuzurechnen seien. Keferstein, in seiner geogno- 
stischen Darstellung von Deutschland, VI. pag. 197, ob- 
schon die Aehnlichkeit der daselbst gefundenen Fossilien, 
mit denen der Tertiärepoche anerkennend, rechnet sie den 
Flysch oder Gosaubildungen zu; eine Ansicht, der man in 
neuerer Zeit ziemlich allgemein beizustimmen scheint. Auf 
der geognostischen Karte von Deutschland, herausgegeben 
beiSchropp in Berlin, sind sie als miozen angenomen. 
Boue in seinem Apercu sur la conslilution geologique des 
Provinces Illyriennes in den Memoires de la societe geolo- 
gique de France II. p. 84 hebt die Aehnlichkeit einiger 
Guttaringer Fossilien mit denen des Pariser Backen hervor, 
und vermuthet, sie seien eozen. 

Durch eine grössere Anzahl von te Resten, 
die Hr. v. Hauer von Guttaring für das k. k. montanisti- 
sche Museum mitbrachte und den Anwesenden vorzeigte, 
wird diese Vermuthung aufs Vollständigste bestätigt. Es 
finden sieh darunter: 

Myliobales goniopleures Ag. 

Crustaceen. 

Natica intermedia J,am. In den Sammlungen gewöhn- 
lich als Ampullaria, und von Keferstein als A. nobilis 
bezeichnet. 

Turritella am ähnlichsten der 7. imbricalaria Lam. 

Fusus scalaris Desh. 

Cerithium combuslum Brongn. 

5 lamellosum Desh. 
jr mutabile Lam, oder funalum Sow. 

Serpula nummularia u. a. 

Alle diese Fossilien gelten ais bezeichnend für Eozen- 
Bildungen, Corbula crassa allein erinnert an Miozen- 
Schichten; aber keine einzige Art der Gosauformation wurde 
angetroffen. 

Die Uebereinstimmung der erwähnten kleinen Ablage- 
rung mitten im Zentralstocke der östlichen Alpen mit der 
älteren Tertiärformation der Umgebungen von Paris und Lon- 
don erscheint um so auffallender, wenn man bedenkt, dass 


— 134 — 


alle genauer bekannten Molasse-Ablagerungen in den östli- 
chen Theilen der Oesterreichischen Monarchie, im südlichen 
Steiermark, in Ungarn und Siebenbürgen, in Galizien u. s w., 
so wie das Becken von Wien selbst, der mitteltertiären 
Epoche angehören, ja dass die genannte Formation, mit 
Ausnahme des Val die Ronca im Vizentinischen, noch nir- 
gends in unserem Kaiserstaate mit Sicherheit nachgewie- 
sen wurde. 

Schliesslich zeigte Hr. v. Hauer einen Fusus scalaris, 
den das k. k. montanistische Museum von Hrn. Al. v. 
Schwab aus den Braunkohlenwerken bei Gran in Ungarn 
erhalten hatte, und der auf das Vorhandensein von Eozen- 
schichten auch in dieser Gegend hinzudeuten scheint. 

Hr. Professor Johann v. Pettko von Schemnitz setzte 
die Gründe auseinander, welche die Aufnahme der che- 
mischen Eigenschaften derMineralien in die Mi- 
neralogie, die vorzugsweise Mohs aus derselben gänzlich 
ausgeschlossen wissen wollte, nicht nur zulässig, "sondern 
auch nothwendig machen. Nach seiner Ansicht macht die 
Chemie selbst einen wesentlichen Theil der allgemeinen Na- 
turgeschichte aus, und ihre Resultate können und müssen 
daher in der Mineralogie mit demselben Rechte und Noth- 
wendigkeit benützt werden, mit welchem die Resultate der 
letzteren in der Geologie in Anwendung kommen. 


ml 


18. Versammlung, am 31. August. 
Wiener Zeitnng vom 22. September 1846. 


Herr Professor R. Kner aus Lemberg zeigte einer 
Versammlung von Freunden der Naturwissenschaften eine 
fossile Sepienschulpe aus dem.Grauwackenge- 
hirge des östlichen Galizien. Er bezeichnete als vorzüg- 
lich günstig für das Studium der neptunischen Formatieneh 
die Länderstrecke, welche zwischen dem Dniester und dem 
Höhenzuge gelegen ist, welcher bei Zloczow und Tarnopol 
die Wasserscheide zwischen der Ostsee und dem Schwarzen 
Meere bildet, Vom Stromthale des Dniesters aufwärts längs 


— 135 — 


eines der Nebenflüsse, z B. der Niezlowa oder des Sered 
bis gegen Tarnopol durchwandert man so zu sagen alle 
Jahrtausende, die zur Ablagerung neptunischer Bildungen 
von ihrem ersten Beginn bis zur jüngsten Vergangenheit er- 
forderlich waren. Vom halbmondaugigen längst verschwun- 
denen Trilobiten durch die artenreiche Kreide der Secundär-. 
zeit bis zu den bekannten Muschelformen der Tertiärbil- 
dungen zieht sich die lange Reihe verschieden geformter 
Organismen, die wohl alle fast auf demselben Raume 
aber in sehr entfernten Zeiten lebten und die nun alle im 
nahen Vereine, in Einem Zeitraume zu überblicken und 
zu erforschen dem Beobachter gegönnt ist. Hr. Prof. Kner 
durchforscht seit einigen Jahren die reichen Fundgruben 
jener Ablagerungen und beabsichtigt, das viele Neue, wel- 
ches 'er’ schon gefunden hat, nach und nach bekannt zu 
machen. Eine vorläufige Mittheilung schien besonders der 
heute vorgezeigte paläozoische Ueberrest zu verdienen. 

In der, im weiten Umfange des Dniester - Gebiethes 
ausgedehnten Grauwacken-Formation, über welche Pusch 
in seinem verdienstvollen Werke leider nur kurze Andeu- 
tungen geben konnte, fand Prof. Kner schon bei einer 
früheren Excursion im Jahre 1844 Bruchstücke einer Schale 
oder eines Gehäuses von eigenthümlicher Struktur, von 
denen sich weiter nichts bestimmen liess, als dass es kei- 
ner Muschei oder Schnecke angehöre. 

Bei einer diessjährigen im Julius unternommenen Excur- 
sion war derselbe so glücklich, in Zaleszezyk ein voll- 
ständiges Exemplar dieser vermeintlichen Schale zu erhal- 
ten, deren Totalform für den ersten Anblick allerdings an 
einen Myacit erinnerte! Bei genauerer Betrachtung ver- 
schwand jedoch diese scheinbare Aehnlichkeit. Die eigen- 
thümliche zweifache Structur liess erkennen, dass sie, wie 
schon Prof. Bronn nach einigen, demselben mitgetheil- 
ten Bruchstücken vermuthete, einem Sepienähnlicheu Thiere 
angehören könnten. Das von Hrn. Prof. Kner aufgefun- 
dene Exemplar, das erste und bisher einzige von solcher 
Grösse und Vollständigkeit, bestätigt auf das bestimmteste 


‚diese Vermuihung. Es hat in seiner äusseren Form die 


grösste Aehnlichkeit mit der sogenannten Schulpe des ge- 


— 136 — 


meinen Tintenfisches (Sepia officinalis) , ist so wie diese 
oval gestaltet und aus zweierlei Schichten zusammenge- 
setzt, aber etwas kleiner, 2 Zoll breit und ungefähr 4 Zoll 
lang. Es sitzt mit der äusseren Fläche auf einem grauen 
Kalksteine auf, so dass diese nicht sichtbar ist. Die Innen- 
fläche der äusseren Lage ist an einigen Stellen, wo die 
innere Schichte weggebrochen ist, hlake gelegt, und zeigt 
hier concentrische Linien; wie die gemeine Sepia, die je- 
doch ausserordentlich fein, und nur durch die Loupe sicht- 
bar sind. Viel wesentlicher noch weicht die innere Schichte 
ab. Bei der gemeinen Sepia besteht diese bekanntlich aus 
zahlreichen übereinanderliegenden Blättchen, die durch fa- 
serige Kalkmasse von einander getrennt sind, ‘und in so 
grosser Anzahl übereinder liegen; dass sie noch über die 
Innenfläche der äusseren Schichte hervorragen, so zwar, 
dass hier die Aussen- und Innenfläche convex erscheinen. 
Bei dem vorgezeigten Fossile dagegen hesteht sie aus kur- 
Zen, soliden , meist sechsseitigen ‚Säulehren, die senkrecht 
auf die Innenfläche der äusseren Schichte gestellt sind, und 
diese wie ein Pflaster bedecken. Sie sind in der Mitte 
kleiner, an den Rändern grösser, und gegen Innen noch 
von einer dünnen, glatten, bläulichweissen Kalkschichte 
bedeckt. Die Innenfläche der ganzen Schulpe ist hier noch 
tief concav. 

Es wurde noch besonders darauf hingewiesen, dass die 
Schichten, in welchen diese Schulpe gefunden wurde, ent- 
schieden der Grauwackengruppe und aller Wahrscheinlich- 
keit nach dem silurischen Systeme angehören; während die 
wenigen bisher gefundenen Fossilreste aus der Familie der 
Sepiadae auf die Tertiär- und Jura - Epoche beschränkt 
sind; ja von der ganzen Gruppe der Cephalopoda acetabu- 
üifera kannte man bisher keine Ueherreste in Schichten 
älter als der Lias. 

Hr, Prof. Joh. v. Pettko aus Schemnitz hatte im 
vorigen Jahre bei einer ausführlichern geologischen Unter- 
suchung der Umgegend von Kremnitz auch die mannigfal- 
tigen Uebergänge der trachytischen und andern 
vulkanischen Gesteine aufmerksam verfolgt. Er zeigte 
mehrere derselben in zu dem Zwecke gesammelten Reihen 


— 137 — 


von Exemplaren vor. Der Peristein geht durch den 
Sphärulitfels in den Feldsteinporphyr über. Dieser 
zeigt sich in der Umgegend von Kremnitz in der That als 
ein durchaus dichter Sphärulitfels. Auch der Mühlsteinpor- 
phyr schliesst sich denselben an. Anderer Seits geht der 
Perlstein in den Bimsteinporphyr über, und zwar 
kann man als Zwischenglieder die bimsteinähnlichea 
Perlsteinschiefer betrachten. Endlich hat Herr Prof. 
v. Pettko durch seine Untersuchungen nachgewiesen, 
dass die Porzellanerde, welche bei der Kremnitzer 
Geschirrfabrik verwendet wird, eine verwitterte Porphyr- 
breccie sei. 

Eine andere Mittheilung von Herrn Prof. v. Pettko 
betraf ein interessantes Vorkommen von Basalt aus 
der Gegend von Kremnitz, welches durch einen Durch- 
schnitt erläutert wurde. Dieser Basalt erhebt sich in dem 
Bassin von Jasztraba aus einem braunkohlenführenden Sand- 
steine zu dem steilen Kegel Ostra Hora, und sendet von 
da einen etwa zwei Stunden langen, und stellenweise meh- 
rere hundert Schritte breiten Strom von gleicher Beschaf- 
fenheit in südwestlicher Richtung aus. Dieser letztere liegt 
ganz auf Conglomeraten und Sandsteinen auf, und reicht . 
ununterbrochen bis an das Kremnitzer Thal. Dort wird er 
unterbroehen, und erscheint auf der andern Seite an dem 
Berge Smolnik, nordöstlich von H. Kreuz als ein Basalt- 
Plateau. Diesen letztern hat bereits Beudant beschrie- 
ben , aber das Lagerungsverhältniss erschien immer räth- 
selhaft, bis es gelang, ihn mit dem am jenseitigen Gehänge 
anstehenden in Zusammenhang zu bringen, wodurch das 
Kremnitzer Thal, wenigstens in seiner untern Hälfte, als 
Auswaschungsthal erscheint. 

Endlich legte Herr Prof. v. Pettko als Basis einer 
neuen Betrachtungsart der Krystallsysteme die consequente 
Annahme von parallelepipedischen Grundgestal- 
ten vor. 

Bekanntlich sind in zweien ‚der Krystallsysteme, wie 
sie nun allgemein angenommen sind, die Grundgestalten 
bei Mohs, das Hexaeder für das tessularische , und das 
Rhomboeder für das rhomboedrische System: Die Grund- 


— 138 — 


gestalten für die übrigen Systeme sind die Pyramide 
für das pyramidale ; das Orthotyp für das prismatische 
System. Für das augitische und anorthische System sind 
die Grundgestalten das Augitoid und Anorthoid, die 
beiden letztern Namen von Haäidinger statt der M ohs- 
schen Hemiorthotyp und Anorthotyp eingeführt. 

Die letztern Vier haben sämmtlich dem Oktaeder ana- 
loge Gestalten und sind von Dreyecken umschlossen. An 
ihrer Statt substituirt Hr. Prof. v. Pettko parallelepipe- 
dische Formen, welche in den Combinationen, eine dem 
Hexaeder entsprechende Stelle einnehmen. Er leitet sie 
durch Verlängerung einer oder zweyer der Axen aus den 
zwei ersten der oben erwähnten Grundgestalten ab. Das 
Hexaeder gibt durch Verlängerung der Hauptaxe ein 
quadratisches, durch ungleiche Verlängerung zweier 
Axen ein rechteckiges Prisma. Auf ähnliche Art er- 
hält man aus dem Rhomboeder ein schiefes rhombi- 
sches und ein schiefes rhomboidisches Prisma. Er 
gab folgende Uebersicht der Krystall- Systeme nach ihren 
Axen. 


Die drei Axen der Grundgestalt: 


rechtwinklig, schiefwinklig,, 
alle gleich: tesseral, rhomboedrisch, 
zwei gleich: pyramidal, augitisch, 


alle ungleich; prismatisch, anorthisch, 
und die krystallographischen Zeichen dieser Grundge- 
stalten : 
H, R, 
Du... 0, 0. A, 
0..=D. «DD, 0... »H. . «HH. 


— 139 — 


19. Versammlung, am 7. September. 


Wiener Zeitung vom 11. October 1846. 


Herr Dr. Moriz Hörnes erstattete Bericht über eine 
Excursion, welche er kürzlich längs der eben im Bau 
begriffenen Eisenbahn von Neustadt nach Oeden- 
burg unternommen hatte, um die bei diesem höchst merk- 
würdigen Bau bloss gelegten Gebirgsschichten zu stu- 
diren, und die allenfalls vorkommenden fossilen organischen 
Reste zu sammeln. Der 11 Klafter tiefe Einschnitt vor Mat- 
tersdorf bot hierzu die beste Gelegenheit. Es zeigte sich 
in den oberen Schichten ein graulich gelber, sandiger Thon 
(Lehm) unter welchem der blaulichgraue Thon (Tegel) 
folgte, der bis an den Grurd des Einschnittes fortdauert. 
In einer geringen Entfernung von dem Einschnitte, gegen 
Neustadt zu, befinden sich mächtige Sandablagerungen , 
welche unmittelbar auf dem Tegel zu liegen scheinen; die- 
selben zeichnen sich durch ihren ungemein Petrefactenreich- 
thum aus, es sind zwar nur wenige Species, dieselben aber 
in ungeheurer Anzahl vorbanden. Diese sind Buccinum 
baccalum. Bast. Murex sublavatus. Bast. Pleurotoma 
rustica. Broce. Cerithium pietum. Bast. , inconslans. 
Bast., plicalum. Lam. Trochus Bouei. Parisch, conifor- 
mis. Eichw., Poppelackü. Partsch. Solen vagina. Lin. 
Mactra inflata. Bronn. Crassatella dissita Eichw. Donax 
Brocchü. Defr. Venus gregaria. Partsch. Cardium plica- 
tum. Eichw., vindobonense. Parisch. und eine Modiolat. 
Hr. Dr. Hörnes zeigte Exemplare davon vor. Ganz ge- 
nau dieselbe Species, und auch nur diese kommen unter 
ganz gleichen Verhältnissen zu Billowitz in Mähren, zu 
Höflein, Hauskirchen, Pullendorf, Nexing, Gaunersdorf, 
Pirawart, Traufeld, Azelsdorf, Ebersdorf im V. U. M. B. 
ferner zu Mauer und Helles im V. U. W. W. und zu 
Oedenburg in Ungarn vor, während an den so artenreichen 
Fundörtern zu Baden, Möllersdorf, Gainfahrn, Enzesfeld, 
Pötzleinsdorf, Grinzing, Steinabrunn keine Spur dieser 


— 140 — 


Versteinerungen zu finden ist, oder dieselben nur als eine 
grosse Seltenheit vorkommen. 

Hr. Dr. Hörnes erwähnte zugleich, dass er die An- 
gabe der drei ersten höchst interessanten Fundorte, einer 
freundlichen Mittheilung des Herrn Joseph Poppelack, 
fürstlich Liechtensteinischen Architekten zu Feldsberg, 
eines eifrigen Sammlers verdanke. — Herr Custos 
Partsch hat bereits diese Sandschichten in den erläutern- 
den Bemerkungen zu seiner vortreffliehen geognostischen 
Karte des Beckens von Wien, als ein den Tegel bedecken- 
des Glied der tertiären Ablagerungen nachgewiesen, und 
nannte insbesondere die in diesen Sandlagern häufig vor- 
kommenden horizontalen Bänke eines sandigen Kalkes mit 
zahllosen Einschlüssen dieser Conchylien: Grobkalk. Auch 
Herr Franz Ritter von Hauer, Assistent des monta- 
nistischen Museums hat in seinem Aufsatze: „„Ueber die bei 
der Bohrung eines artesischen Brunnens am Bahnhofe der 
Wien-Raaber Eisenbahn durchfahrenen Gebirgsschichten“ 
(Wiener Zeitung vom 14. April 1546) nachgewiesen, dass 
dieselben Versteinerungen , ebenfalls vereint, in einer Tiefe 
von 77 Klafter sich vorfanden. Auch machte derselbe da- 
mals schon aufmerksam, dass die Vertheilung der Fossilien 
im Allgemeinen und die Sonderung der ganzen Formation in 
einzelne Gruppen, Gegenstand vielfältiger Untersuchun- 
gen sein dürfte. — Erwägt man, dass bis jetzt die fos- 
silen Reste von nahe 700 Species im Tertiärbecken von 
Wien aufgefunden wurden, so ist dieses locale Auftreten 
einiger weniger Species in so ungeheurer Anzahl immer 
höchst merkwürdig und dürfte in der Folge einen wichtigen 
Stützpunct zur Enthüllung der Geschichte des Wiener 
Beckens abgeben. 

Am südwestlichen Ende des Ortes Mattersdorf findet 
man ein Sandlager mit groben Geröllschichten, in welchen 
sehr gebrechliche Conchylien-Fragmente von Conus Mercati 
Brocc. , Conus fusco-cingulatus Bronn., Trochus palulus 
Broce., Lucina divaricata Lam., Uyprina islandicoides 
Lam., Venericardia Jouanneti. Bast., intermedia. Broce. 
Isocardia cor. Lam., Chama gryphina Lam; ferner die 
bis jetzt anderwärts im Wiener Becken noch nicht aufge- 


— 141 — 


fundenen Korallen: Porites Deshayesiana. Mich., Astraea 
polygonalis. Mich., awvertiaca. Mich. , hirlolamellata 
Mich., Gwueltardi Mich., microstella Mich. vorkommen , 
und welche daher mit den Ablagerungen von Pötzleinsdorf 
sich parallelisiren lassen und nach Partsch als unterstes 
Glied jener Sandschichten angenommen werden müssen. 

In einem Einschnitte bei Rohrbach endlich kamen in 
einem gelblich grauen Tegel jene Conchylien vor, welche 
den tiefsten Schichten anzugehören scheinen, und welche 
in zahlreichen Arten in den Ziegelöfen zwischen Baden und 
Vöslau und zu Möllersdorf vorkommen. Als besonders cha- 
rakteristisch wurden hervorgehoben: : Pleuroloma dubia Lam. 
Trochus Schreibersianus Partsch., Dentalium elephanti- 
num Broce., Bouei Desh. Turbinolia duodecim - costata 
Goldf., cuneata Goldf. und mullispina. Mich. Schliesslich 
sprach Hr. Dr. Hörnes noch den lebhaften Wunsch aus, 
es möchten diese Andeutungen ein allgemeineres Interesse 
an der Geschichte der Bildung unseres Bodens erregen, denn 
nur vereinten Kräften bleibt es vorbehalten die Frage: „Wie 
hat sich der Boden, den wir bewohnen, gebildet ?“ genü- 
gend zu beantworten. 

Herr Rumler, Custos-Adjunet am k. k. Hof-Minera- 
lien-Cabinete, lenkte die Aufmerksamkeit der Anwesenden 
auf eine von Herrn Peter Rittinger, k. k. prov. Poch- 
werks - Inspector in Schemnitz angegebene, auf dem Prin- 
cipe des Bader’schen Gebläses beruhende Saugpumpe 
ohne Kolben. Es wird nämlich bei ihr der luftverdünnte 
Raum und das Emporheben des Wassers dadurch bewirkt, 
dass ein eisernes, mit einem Stengel-Ventil und einem Aus- 
guss versehenes Rohr (das Saugrohr), indem es mit seinem 
unteren Ende in Quecksilber taucht, senkrecht auf - und ab- 
wärts bewegt wird. 

Das Quecksilber befindet sich in einem Raume, welchervon 
einem gleichfalls eisernen, an seinem oberen Ende durch ein 
Stengel-Ventil geschlossenen Rohre (dem Steigrohre), und 
von einem dieses umgebenden , etwas kürzeren, nach Oben 
sich erweiternden, nach Unten aber durch einen Boden mit dem- 
selben verbundenen Cylinder gebildet wird. Das Saugrohr ist 
über das Steigrohr so geschoben, dass mit seinem unteren Ende 


— 142 — 


in das zwischen diesem und den dasselbe umschliessenden 
Cylinder enthaltene Quecksilber reicht. 

Hr. Rumler zeigte auch ein sehr gut gearbeitetes 
Modell dieser Pumpe vor und beschrieb es in allen seinen 
Theilen. Unter den Vortheilen , welche eine solche Pumpe 
gewähren möchte, hob derselbe vorzügllich den heraus, 
dass sich mittelst derselben trübes Wasser, selbst dann, 
wenn es scharfen Sand mit sich führen sollte, ohne den 
geringsten Anstand heben lasse, indem hier die bei den 
Pumpen mit Kolben so schnell eintretende Abnützung des 
letzteren nicht eintreten könne, wie sich dieses an einer 
ähnlichen Pumpe , welche schon seit längerer Zeit in Schem- 
nitz zum Heben der Pochtrübe angewendet wird, hinlänglich 
bewährt haben dürfte. 

Hr. Franz Ritter v. Hauer theilte einige Nachrichten 
mit über das Vorkommen der Caprinen in den Gosau- 
bildungen der österreiehischen Alpeu. 

Eine sehr schöne Art dieses wenig bekannten Ge- 
schlechtes findet sich zu Adrigang, nördlich ven Grünbach 
am Fusse der Wand. Sedgwick und Murchison in ihrer 
Abhandlung On the structure of Ihe easlern alps etc. elc. 
gelesen in der geologischen Gesellschaft in England im 
Jahre 1829, machten zuerst von einer an diesem Orte vor- 
findlichen , aufgewachsenen Muschel Erwähnung, ohne je- 
doch über ihre Bestimmung, etwas weiteres bekannt zu ge= 
ben. Von demselben Fundorte brachte Herr Bergrath 
W. Haidinger im Sommer 1842 eine schöne Suite von 
Fossilien in das k. k. montanistische Museum und eben da- 
hin kam eine reiche Anzahl von Stücken, welche späterhin 
Hr. v. Hauer in Gesellschaft der Herren Dr. v. Ferstl 
und Adolph Patera gesammelt hatte. 

Diese reichen Vorräthe erlaubten eine genaue Untersu- 
chung dieser Anfangs für Diceras gehaltenen Bivalve, wel- 
che herausstellte, dass sie dem Geschlechte Caprina d’O r= 
bigny (Vater) angehöre. Die merkwürdige Structur der 
Deckelklappe, durch welche sich Caprina so auffallend von 
allen bisher bekanuten Muschel= Geschlechtern unterschei- 
det, ist an den Stücken, die den Anwesenden. vorgezeigt 
wurden , vollkommen deutlich zu erkennen. Es zeigen sich 


— 113 — 


zwei gesonderte Schichten: eine sehr feine, mit concentri- 
schen Zuwachsstreifen versehene, braun gefärbte Epider- 
mis, und eine innere dicke Lage von weissem Kalkspathe, 
die aus zahlreichen, verticalen, von Innen nach Aussen an 
Zahl zunehmenden Lamellen besteht. Ist die Epidermis 
zerstört, so erscheinen diese Lamellen als feine Radialstrei- 
fen. Die kegelförmig aufgewachsene, mit einer sehr dicken 
Schale versehene Unterklappe lässt nichts von dieser La- 
mellenstructur wahrnehmen. 

Das Schloss von Caprina ist bisher noch nirgends voll- 
ständig beschrieben oder abgebildet. Es zeigt sehr grosse 
Aehnlichkeit mit dem von Chama oder Diceras. An der 
Unterklappe findet sich ein sehr starker Zahn, an der 
Deckeiklappe sind zwei kleinere vorhanden. In jeder Klappe 


‘findet sich eine Längsleiste, welehe das Innere der Muschel 


unvollständig in zwei ungleiche Höhlungen theilt. 
Unter den bisher bekannten Caprina - Arten mag die 


-hier erwähnte Art am meisten Aehnlichkeit haben mit Cu- 


prina Anguilloni D’Orb., unterscheidet sich aber von ihr 
durch eine sehr verlängerte Unterklappe. Herr v. Hauer 
schlägt für sie den Namen €. Partschi vor. Sie findet 
sich auch in der Gosaäu selbst, jedoch, wie es scheint, sel- 
tener. Ein sehr schönes Exemplar von dieser Localität aus 
dem k. k. Hof- Mineralien - Cabinete wurde ebenfalls vor- 
gezeigt. 3 

Schliesslich erörterte Herr. v. Hauer noch die syste- 
matische Stellung des Geschlechtes Caprina. D’Orbigny 
betrachtet sie als den Hippuriten zunächst verwandt, und 


- vereinigt sie mit diesen den Brachiopoden. Deshayes 


zählt sie den Acephalen zu und stellt sie zunächst der Fa- 
milie der Chamidae, Nach den Stücken von Adrigang zu 
urtheilen hat die letztere Ansieht mehr Gründe für sich. 
Nieht nur hat das Schloss von Diceras mit dem von 
C. Partschi die grösste Aehnlichkeit, sondern auch die 


‚oben erwähnte Längsleiste im Innern der Schale findet sich 


an den Steinkernen von Diceras arielina aus Ernstbrunn als 
vertiefte Furche wieder. 

Eine ausführlichere Mittheilung über diese Gegenstände 
wird in den ‚„naturwissenschaftlichen Abhandlungen, gesam- 


—_ 144 — 


melt und durch Subseription herausgegeben von W. Hai- 
dinger,“ erscheinen. Die dazu gehörigen Abbildungen , 
theils von dem k. k. Berg-Practikanten Herın Paskal 
Ritter v. Ferro, theils von Herrn Sandler angefertigt, 
wurden gleichfalls vorgezeigt. 


20, Versammlung , am 14. September. 


Wiener Zeitung vom 25. October 1846, 


Herr Franz Ritter v. Hauer legte ein so eben in 
Paris in deutscher und französischer Sprache erschienenes 
Werk zur Ansicht vor, welches den Titel führt: 

„Die fossilen Foraminiferen des tertiären 
Beckens von Wien, entdecktvon Sr. Exec. Rit- 
ter Joseph v. Hauer und beschrieben von Alcide 
d’Orbigny. Veröffentlicht unter den Auspicien 
Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich,“ und 
erstattete Bericht über den wesentlichen Inhalt dieses 
Buches. 

Die Foraminiferen sind bekanntlich mikroskopisch-kleine 
Thierchen, äusserlich mit einer kalkigen Hülle bedeckt wie 
viele Mollusken, jedoch weit weniger hoch organisirt als 
diese. Ihr Körper besteht bisweilen aus einem, weit häufi- 
ger jedoch aus mehreren Lappen oder Segmenten von glu- 
tinöser Beschaffenheit, die in verschiedener Richtung an 
einander gereihet sind; die Schale schliesst sich genau die- 
sen Segmenten an und umhüllt sie gänzlich; sie hat häufig 
die grösste Aehnlichkeit mit der Schale gekammerter Cepha- 
lapoden, z. B. des Nautilus, ist jedoch ganz geschlossen ; 
nur die letzte Kammer zeigt eine oder mehrere sehr kleine 
Oeffnnngen , durch welche das 'Thier äusserst feine biswei- 
len verästelte Fäden (Füsse) hervorstreckt, die zur Orts- 
bewegung dienen. Auch die Ernährung muss durch diese 
Fäden bewirkt werden, da das Thier im Innern der Schale 
nur durch sie mit der Aussenwelt in Verbindung steht, doch 
fehlen hierüber bis jetzt directe Beobachtungen. Im Em- 
bryozustande bestehen alle Foraminiferen nur aus einem ein- 
zigen Lappen, beim Fortwachsen kommen immer neue Seg- 


-— 145 — 


mente zu den schon vorhandenen hinzu, und nach der Rich- 
tung, in welcher sie sich ansetzen, hat d’Orbigny die 
Foraminiferen in sechs Ordnungen getheilt; so z.B. liegen bei 
den Stichostegiern alle Segmente in einer geraden oder we- 
nig gebogenen Linie, bei den Helicostegiern in einer Spi- 
rale u. s.w. Die Foraminiferen sind, wie aus dem Gesagten 
erhellt, viel einfacher organisirt als die Echinodermen, die 
übrigens ähnliche Bewegungsorgane besitzen. Der Um- 
stand, dass sie Einzelwesen sind, stellt sie über die Poly- 
pen. D’Orbigny bildet daher aus ihnen eine eigene 
Thierklasse , die er zwischen die Stellata und Zoo- 
phyta stellt. 

Die Foraminiferen leben häufig im Sande an den See- 
küsten. Fossil hat man einzelne ihrer Schalen in der Koh- 
lenformation und im Jura, weit mehrere in der Kreide und 
in der Tertiärepoche gefunden. 

Der Hr. geheime Rath v. Hauer entdeckte vor etwa 
zehn Jahren in derNähe von Nussdorf bei Wien zufällig die 
Schalen einer solchen Foraminiferen- Art; er ward dadurch 
zu weiteren Forschungen veranlasst, welche nach und nach 
in beinahe allen Schichten des Wiener Beckens die verschie- 
densten Formen dieser Thierclasse erkennen liessen. Von 
den untersten Schichten des 96 Klafter tiefen artesischen 
Brunnens am Getreidemarkt in Wien, bis hinauf zu den 
höchsten Stellen, an welche die Tertiärablagerungen des 
Wiener Beckens an den dasselbe begrenzenden Höhen rei- 
chen, findet man sie in zahlloser Menge und Mannigfaltig- 
keit, so dass es zweifelhaft bleibt, soll man mehr die wun- 
derbaren Verschiedenheiten ihrer zierlichen Gestalten, oder 
mehr die unermessliche Zahl, in welcher sie sich vorfinden, 
bewundern. Am häufigsten sind sie in den zwischen und 
unter dem Leithakalk liegenden Mergelschichten beim so- 
genannten grünen Kreuze westlich von Nussdorf. An einer 
wenige Quadratklafter grossen Stelle findet man daselbst 
an 100 verschiedene Arten. Nicht wenigere finden sich im 
Tegel der Ziegelöfen bei Möllersdorf und Baden. Um sie 
darin zu entdecken, muss man den Tegel, in welchem man 
mit freiem Auge oft keine Spur von organischen Wesen 


erblickt, schlemmen. Es gehen dabei alle feinen Thonpar- 
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I. 10 


— 146 — 


tikelchen weg, und zuletzt bleibt ein sandiges Residuum 
zurück , welches sich unter der Loupe als eine Anhäufung 
der schönsten und mannigfaltigsten Foraminiferen-Formen 
zu erkennen gibt. 

Durch diese glänzenden Entdeckungen angespornt, ver- 
suchte nun der Herr geheime Rath v. Hauer, diese Thier- 
schalen zu sondern und zu bestimmen, und als sich in der 
Literatur die hierzu nöthigen Hilfsmittel nicht vorfanden, 
so wendete er sichfan Hrn. Alcide d’Orbigny in Paris, 
der sich schon seit einer langen Reihe von Jahren mit ähn- 
lichen Arbeiten beschäftigt hatte und nun mit der uneigen- 
nützigsten Bereitwilligkeit die mühevolle Untersuchung der 
Wiener Foraminiferen unternahm. Er erkannte sehr bald, 
dass die grosse Mehrzahl derselben ganz neu sei und dass 
eine Abbildung und Beschreibung derselben für die Wissen- 
schaft höchst wünschenswerth erscheine. 

Der Herr geheime Rath v. Hauer, nicht in der Lage, 
die bedeutenden Kosten, die die Herausgabe eines derarti- 
gen Werkes theils für das Lithographiren der kleinen Scha- 
len die alle unter dem Mikroskope gezeichnet werden müs- 
sen, theils für die Drucklegung der nöthigen Beschreibungen 
fordert, aus eigenen Mitteln aufzubringen, und besorgend 
die Früchte langjähriger mühevoller Forschungen wieder 
verloren gehen zu sehen, wendete sich nun an Se. Ma- 
jestät den Kaiser mit der Bitte um eine Unterstützung 
zu diesem Zwecke. Seine Hoffnungen wurden nicht ge- 
täuscht. Se. Majestät geruhten nicht nur in Berück- 
sichtigung des hohen Interesses , welches eine in der Re- 
sidenz selbst und ihrer nächsten Umgebung neu aufge- 
schlossene Welt von mikroskopischen Thierchen für die 
Wissenschaft bietet, die zur Herausgabe eines- solchen 
Werkes nöthigen Geldmittel aus dem Staatsschatze zu be- 
willigen, sondern nahmen dasselbe‘ unter ihren besonderen 
Schutz , indem Sie auf den Titel desselben „veröffentlicht 
unter den Auspicien Sr. Majestät des Kaisers von 
Oesterreich‘* zu setzen erlaubten, und überdiess die Ver- 
theilung von 100 Exemplaren, die von der Gesammt - Auf- 
lage für das hohe Aerar vorbehalten waren, an alle bedeu- 


— 1417 — 


tendere in- und ausländische wissenschaftliche Corporatio- 
nen, so wie an namhafte Privatgelehrte gestatteten. 

Hr. Alcide d’Orbigny übernahm die Redaction, und 
brachte nach zwei Jahren unausgesetzter mühevoller Arbeit 
ein Werk zu Stande, welches sicher Epoche in der Wis- 
senschaft machen wird. Er erkannte unter den Foramini- 
feren des Wiener Beckens 228 verschiedene Arten in 47 
Geschlechtern, eine Anzahl, wie er sie bisher noch an 
keiner Stelle der Erde weder lebend noch fossil vereinigt 
angetroffen hatte. So enthält z. B. die Fauna des adriati- 
schen Meeres 140, die der Antillen 118 Arten. Von diesen 
225 Arten finden sich 33 oder ungefähr 14 pCt. auch in der 
Subappenninen-Formation der Umgebung von Siena, und 
27 oder ungefähr 12 pCt. leben noch heute im adria- 
tischen! Meere. D’Orbigny schliesst daraus, dass die 
Schichten des Wiener Beckens, nicht wie Bronn und alle 
neueren Forscher nach der Untersuchung der grösseren 
Mollusken angenommen haben, miozen seien, sondern dass 
sie so wie die Subappenninen - Schichten den Pliozenbil- 
dungen zugerechnet werden müssen; eine Folgerung, die 
jedoch sehr problematisch erscheint, und zu ihrer Begrün- 
dung insbesondere noch eine Sonderung der einzelnen For- 
men nach ihrem Vorkommen in den Tegel- und Sandschich- 
ten, so wie in den verschiedenen Localitäten, erfordern 
würde. 

Alle diese 228 Arten sind auf21 Tafeln mit einer Schön- 
heit und Treue abgebildet, welche den hohen Standpunet 
erkennen! lassen, den die Lithographie in Paris in artisti- 
scher und technischer Hinsicht erreicht hat, 

Hr. Dr. S. Reissek zeigte einige auffallende, durch 
den Brand verursachte Missbildungen des Maises 
vor, und erläuterte die Entstehung des Brandes beim Maise. 
Dieselbe kommt im Wesen mit jener bei den übrigen Ce- 
realien überein, worüber er bereits bei einem früheren An- 
lasse das Wichtigste auseinandergesetzt hatte, 

Hierauf hielt Hr, Dr. Reissek einen Vortrag über die 
Analogien, Verwandtschaften und Uebergänge, welche 
zwischen der Zell- und Krystallbildung Statt finden. 
Der Gegenstand, einer der wichtigsten, welchen die physio- 

10* 


— 148 — 


logische Forschung zu beleuchten und zu erledigen hat, fand 
in den letzten Jahren eifrige Bearbeiter, ohne dass dieselben 
jedoch zu grösseren Resultaten gekommen wären. Herr 
Schwann hat zuerst eine Parallele zwischen Krystall- und 
Zellbildung zu ziehen gesucht in seinem berühmtenWerke über 
die Zellbildung und Zusammensetzung des Thier- und Pflan- 
zenkörpers aus Zellen. Das, was aus seinen Untersuchun- 
gen als Thatsache resultirte, besteht darin, dass Zelle und 
Krystall in ihren ersten Anfängen, wo sie sich in Form 
eines feinen Kornes aus der Mutterlauge differenziren, grosse 
Uebereinstimmung besitzen, doch freilich nur in ihren ersten 
Anfängen, später prägt sich einer Seits der Krystall in 
seiner mathematisch bestimmten Form als homogener, einen 
chemischen Stoffwechsel während seines Bestehens aus- 
schliessender Körper aus, anderer Seits die Zelle als ent- 
wieklungsfähige, einen chemischen Stoffwechsel bedingende 
und durch denselben lebende und wachsende Form. Nach 
Schwann hat Harting eine Zurückführung der Zellbil- 
dung auf die anorganische versucht, ‚Untersuchungen mit 
mineralischen Präeipitaten angestellt, und sich dahin aus- 
gesprochen, dass die Zellbildung nach denselben Gesetzen 
wie anorganische Niederschläge sich bilden , und die Zellen 
anfangs aus anorganischer Substanz bestehen. Es kann 
hier näher auf diesen Punct nicht eingegangen werden, so 
viel aber hat sich nach der Uebereinstimmung aller Physio- 
logen herausgestellt, dass man nicht wohl zu so gewag- 
ten Schlüssen aus den bezüglichen Untersuchungen berech- 
tigt sei. 

Wenn gleich die gegenwärtige Physiologie das Problem 
nicht gelöst, und die Zell- und Krystallbildung auf ein ge- 
meinschaftliches Urphänomen, dessen weitere Manifestation 
entweder nach der einen oder andern Richtung erfolgen 
kann, bisher nicht zurückgeführt und thatsächlich begrün- 
det hat, so hat sie doch bei comparativer Untersuchung 
des Pflanzen- und Thierkörpers rücksichtlich seiner Ele- 
mentartheile eine Reihe dieselben zusammensetzender fester 
Bestandtheile endeckt, welche nach ihrer Bildung, Ent- 
wicklung und Metamorphose in der Art aneinandergereiht 
werden müssen, dass das Endglied einer Seits der Kry- 


— 149 — 


stall, anderer Seits die Zelle ist. Diese Elementartheile 
sind: 1)Krystalle, überhaupt sogenannte anorganische Be- 
standtheile; 2) Elementarkörner (z.B. Fettkörner, Pig- 
mentkörner, Eiweisskörner, Amylum u. s. f.); 3) Bläs- 
chen ohne Entwicklung und Wachsthum (z. B. Milchkügel- 
chen): 4) Zellen mit Wachsthum und Vermehrung. Von 
diesen Körpern, die, wie bemerkt, so aneinander gereiht 
werden müssen, dass Krystall und Zelle die End-, die 
übrigen die Mittelglieder bilden, sind die Elementarkörner 
diejenigen, an welchen die Verwandtschaft und der Ueber- 
gang von Zelle zum Krystall vornämlich zu untersuchen 
sein wird. 

Hr. Dr. Reissek ging im Verlaufe auf seine eigenen 
Entdeckungen über den näheren Zusammenhang beider Ge- 
bilde über, welche wohl von der Art sein mögen, dass sie 
einen tiefern Einblick, als man bisher hatte, in diess schwie- 
rige Verhältniss gewähren, und die Frage, wenn auch nicht 
vollstäüdig lösen, doch der Lösung sehr nahe bringen, und 
was das Wichtigste, genauer als man es bisher wusste und 
bestimmen konnte, den Weg bezeichnen , um zu ihrer voll- 
ständigen Lösung zu gelangen. Wirft man einen Blick auf 
gewisse organische Stoffe, wieZucker und Amylum, so muss 
es höchlich auffallen, dass hier ein Stoff von derselben che- 
mischen Zusammensetzung unter Umständen einen Krystall 
bilde (Zucker) , unter andern ein solides homogenes Korn 
(Amylumkorn), unter noch andern eine Zelle (Amylum- 
zelle*). Es zeigt dieses Verhalten, dass man vorzugsweise 
bei diesem Stoffe eine nähere Kenntniss über den fraglichen 
Punct zu erlangen hoffen dürfe. Bei der vorgenommenen 
Untersuchung des Amylums während der Fäule verschiede- 
ner Vegetabilien ergab sich Folgendes: Das Amylumkorn 
wird bei der Fäule nach und nach aufgelöst. Hierbei zer- 
fällt das Korn häufig, nachdem es früher stellenweise rissig 
geworden, in mehrere Stücke, 


*) Die Natur des Amylumkornes als Zelle unter bestimmten Verhält- 
nissen und bei gewissen Pflanzen hat Hr. Dr, Reissek schon 
früher entwickelt, 


— 150 — 


Bei den gelegten Kartoffeln, welche während des Aus- 
treibens von innen nach aussen faulen, und endlich ganz 
zerstört werden, kann man diess sehr schön sehen, Hier 
bei den Kartoffeln geschieht es nın, dass, während solche 
Fragmente des Amylumkornes entweder später sich auflö- 
sen, oder verschiedentlich umändern, einige, und zwar in 
manchen Zellen sehr viele, allmälig eine bestimmtere eckige 
Gestalt annehmen und zuletzt tetraedrisch werden. Unter 
Umständen nimmt ein anderer Theil der Fragmente eine zu- 
gerundete Gestalt an, höhlt sich und wird zur Zelle. Wir 
sehen also hier denselben Körper nach einer Richtung zur 
Zelle, nach der andern zum Krystalle sich umändern, ohne 
dass derselbe früher aufgelöst wird. Es lässt 
sich eine ganze Reihe von Formen construiren und muss 
auch zur genaueren Einsicht construirt werden, deren End- 
glied einer Seits der Krystall, anderer Seits’ die Zelle ist. 

Eine zweite Beobachtung, die hier Bezug hat, be- 
steht in Folgendem: in den späteren Stadien der Kar- 
toffelfäule, welche während des Austreibens des Knol- 
lens eintritt, zeigen sich innerhalb und ausserhalb der Zel- 
len des faulenden Gewebes Fadenpilze. Diese enthalten 
wie überhaupt solche Gebilde, im Innern Fett - Tropfen. 
Wenn die Pilze, was später erfolgt, aufgelöst werden, so 
gelangen diese Fetit-Tropfen nach aussen , verfliessen, hier 
wo sie dichter sind, häufig in grössere Massen, erstarren 
nach und nach und gehen in einen festen wachsartigen 
Zustand über. Nachdem sie einige Zeit gelegen, runden 
sich hie und da einzelne dieser erhärteten Fettklümpchen 
ab, höhlen sich, die Höhlung vergrössert sich, zuletzt 
wird eine Zelle gebildet. Andere solcher Klümpchen run- 
den sich ebenfalls ab, werden später allmälig kantig und 
eckig, endlich ausgesprochen sechseckig, länglich und bil- 
den einen tafelförmigen Krystall. Hier geht also gleichfalls 
derselbe organische Körper einer Seits in die Krystall- 
anderer Seits in die Zellform direct über, und es kömmt 
bei der Zusammenfassung der Formen unter einen gemein- 
schaftlichen Gesichtspunct, wie ihn die comparative phy- 
siologische Forschung bestimmt , eine Reihe zu construiren , 


— 151 — 


deren Endglied einer Seits die Zelle, anderer Seits der 
Kıystall ist. — Die weiteren Consequenzen, die aus diesen 
Thatsachen fliessen, können hier nicht aufgenommen wer- 
den. Es wird diess an einem andern Orte geschehen kön- 
nen, nämlich: in Haidinger’s „Naturwissenschaftlichen 
Abhandlungen,‘ wo ein Aufsatz hierüber, durch Abbildun- 
gen erläutert, erscheinen wird. 
Wiener Zeitung vom 12. November 1846. 

Herr Franz Ritter v. Hauer vertheilte an die an- 
wesenden Subscribenten den Probedruck der „Naturwis- 
senschaftlichen Abhandlungen, gesammelt, 
und durch Subscription herausgegeben von 
W. Haidinger‘“ In Commission bei Braumüller 
und Seidel; enthaltend eine Abhandlung über den Pleo- 
chroismus des Amethysts vom Herausgeber. Herr v.Hauer 
erinnerte, dass diese bereits früher besprochene Subserip- 
tion in einer der vorhergehenden Versammlungen von 
Freunden der Naturwissenschaften am 22. Mai (Wiener- 
Zeitung vom 30. Mai 1846) angezeigt worden war. Später 
wurde den Theilnehmern ein Programm vertheilt, und nun 
enthält die diesen ersten Blättern beigegebene Liste bereits 
67 Subsceribenten, an deren Spitze wir Seine kaiserl. 
Hoheit den durchlauchtigsten Erzherzog Johann 
verehren. Diess Resultat ist um so erfreulicher, wenn man 
bedenkt, dass während der für derlei Unternehmungen un- 
günstigen Sommersaison, eine grosse Anzahl von Freun- 
den der Naturwissenschaften, deren Betheiligung dabeı 
mit Sicherheit erwartet werden darf, bisher noch nicht 
zur Theilnahme eingeladen werden konnte. Dieses ‚Unter- 
nehmen wurde durch die nunmehr seit beinahe einem Jahre 
in Wien Statt findenden wöchentlichen Zusammenkünfte von 
Freunden der Naturwissenschaften veranlasst. 
Auch ohne bisher feste gesellschaftliche Formen angenommen 
zu haben, wurde auf diese Art durch sie wieder einer der 
Zwecke von naturwissenschaftlichen Gesellschaften über- 
haupt erreicht. Bereits gaben sie Gelegenheit, neue Ent- 
deckungen im Gebiete der Naturwissenschaften durch 
mündliche Mittheilungen bekannt zu machen. Die Aufnahme 
von Auszügen der in denselben vorgetragenen Mittheilun- 


— 152 — 


gen in die k. k. priv. Wiener Zeitung seit dem 27. April 
ersetzt die sonst gewöhnlichen Sitzungsberichte. Sepa- 
ratabdrücke dieser Auszüge werden bereits bei jeder Zusam- 
menkunft unter die Anwesenden vertheilt. Die Herausgabe. 
der naturwissenschaftlichen Abhandlungen endlich gibt ein 
Mittel an die Hand, umfassendere wissenschaftliche Arbei- 
ten ins Publicum zu bringen und entspricht in dieser Hin- 
sicht den von eigentlichen Gesellschaften veröffentlichen A b- 
handlungen oder Memoiren. Sie sind den gesammten 
Fächern der Naturwissenschaften eröffnet, und zwar nach 
dem Programme, den Wissenschaften der Massen: Astro- 
nomie, Meteorologie, Geographie, Geologie, 
den Wissenschaften der Individuen , aus welchen jene zu- 
sammengesetzt sind: Mineralogie, Botanik, Zoo- 
logie, dazu Anatomie, Physiologie in ihrer gröss- 
ten Ausdehnung; den Wissenschaften der Materie: Phy- 
sik und Chemie, endlich der Wissenschaft des Raumes, 
innerhalb dessen alles Materielle beobachtet wird: der M a- 
thematik. 


21. Versammlung, am 21. September. - 


Wiener Zeitung vom 16. October 1846. 


Herr Anton Edler vv. Würth machte eine Mittheilung 
über die geognostischen Verhältnisse von Par- 
schlug in Steiermark , in einem Seitenthale der Mürz, das 
sich von der nördlichen Seite her zwischen Kindberg und 
Kapfenberg einmündet. 

Die dortige Braunkohlen - Formation ist muldenförmig 
eingelagert. Nördlich steht Glimmerschiefer, südlich Kalk 
mit etwas Glimmerschiefer an. 

Die Schichten der Kohlenformation selbst von oben nach 
unten sind folgende: 

1) Gerölle von Kalk und Glimmerschiefer. 

2) Lehm, der in Schieferthon übergeht, in dessen 
Schichten die vielen Pflanzenabdrücke vorkommen, die be- 
reits von Herrn Professor Unger bestimmt und beschrie- 


— 153 — 
ben wurden, und von denen Hr. v. Würth dem k. k. mon- 
tanistischen Museum eine Sammlung mitbrachte, die er auch 
vorzeigte. 

3) Eine dünne Schichte weisser Thon, der bei meh- 
reren Schmelzwerken als feuerfestes Material benützt wird. 

4) Braunkohle, die ohne Zweifel der mittleren Tertiär- 
Formation angehört, und endlich 

5) Sandstein, der selten fest, sondern mehr dem Schie- 
ferthon ähnlich, leicht zerreiblich ist, und daher eher san- 
diger Thon genannt werden könnte. 

Das am südlichen Gehänge der Mulde in Abbau ste- 
hende Kohlenflötz streicht gegen Nord und verflächt östlich 
unter etwa 40°. In der Tiefe zeigen die Kohlen immer ein 
mehr schwebendes Verflächen. 

Die Mächtigkeit des Kohlenflötzes wechselt von 2 bis 4 
Fuss mit. häufig vorkommenden sehr bedeutenden Ver- 
drückungen, die den Abbau sehr beschwerlich und kost- 
spielig machen. Auch ıst die Kohle sehr unrein, mit zahl- 
reichen Schichten von festem Schieferthon unterbrochen. 

Bei einem zu Parschlug geschlagenen Bohrloche wur- 
den, nachdem man das Kohlenflötz mit einer schwachen 
Lage von Sandstein durchsunken hatte, noch folgende 
Schichten unter einander angetroffen: 

1) Kalkgeschiebe, worauf nach einigen Fussen, 

2) wieder fester Schieferthon erbohrt wurde, nach 
dessen Durchsinkung man 

3) wieder auf Kalkgeschiebe kam. 

Hr. Prof. Dr. Kner aus Lemberg theilte hierauf einige 
Resultate seiner diessjährigen geognostischen Ex- 
eursion in die östlichen Kreise Galiziens mit, die 
ihn vornämlich in das interessante Gebiet der Grauwacken- 
formation führte. Er bemerkte zuerst, dass dieser Forma- 
tion jenes Landes bisher noch zu wenig Aufmerksamkeit ge- 
widmet worden ist, indem seit den Untersuchungen des ver- 
dienstvollen Hrn. v. Lill (nach dessen Tode von Hrn. Bo ue 
in den Verhandlungen der französischen geologischen Ge- 
sellschaft veröffentlicht und auch von Hrn. Pusch in des- 
sen Werke: „Geognosie und Palaeontologie von Polen“ 
benützt) keine neueren und ausführlicheren bekannt gewor- 


Be, 


den seien. Und selbst Hr. v. Lill habe diese Formation 
zu flüchtig behandelt und weder ihre Ausdehnung noch ihren 
Reichthum an Palaeozoen-Resten näher gekannt. Schon 
im Jahre 1844 gelangte Hr. Dr. Kner auf dem Rückwege 
von einer grösseren Reise , die ihn durch die Karpa- 
then bis Siebenbürgen führte, in die Gegend dieser Grau- 
wackenformation, ohne sich jedoch damals länger daselbst 
aufhalten zu können. Eine kleine Sendung von Petrefacten, 
welche er noch in jenem Jahre an Hrn. Prof. Bronn nach 
Heidelberg machte, überzeugte ihn jedoch schon, dass aus 
jenen Gegenden für die Wissenschaft noch manche Berei- 
cherung zu hoffen sei. Hierdurch angeregt, unternahm er 
im Juli dieses Jahres abermals eine Reise dahin. — Der Aus- 
gangspunct der diessjährigen Excursion war die Kreisstadt 
Zaleszczyk am Dniester gelegen. Was zuerst die Lage 
von Zaleszezyk betrifft, so schilderte er sie als eben so 
überraschend für Jeden, wie besonders interessant für den 
Geognosten. Man mag sich von Nord oder Süd der Stadt 
nähern, so kömmt man über eine Hochebene, die nicht 
ahnen lässt, dass das Bett des Dniesters so tief unter ihr 
liege. Ihr Abfall ist besonders von der Bukowiner Seite 
sehr steil und bildet stellenweise fast senkrechte Wände 
von 40—50 Klafter Höhe. Von der Thalsohle des Dniesters 
glaubt man daher, derselbe fliesse zwischen Bergen eng 
eingeschlossen, welche sich jedoch beiderseits nur als Hoch- 
ebene fortsetzen. Beide Ufer verändern aber ihr Ansehen 
abwechselnd bedeutend. So liegt z. B. eine halbe Stunde 
siromaufwärts von Zaleszezyk die steile Uferwand links, 
währehd das rechte Ufer ziemlich flach ist, unmittelbar vor 
der Stadt setzen hingegen die steilen Wände auf das 
rechte Ufer über, während sich das linke Ufer verflacht, 
und so wechseln beide Ufer bis zur russischen Gränze, so 
weit der Lauf des Dniesters verfolgt wurde, immerfort ab, 
nur selten fliesst der Strom beiderseits’ zwischen steilen 
Wänden eingeengt. — Die Uferwände bei Zaleszezyk zei- 
gen ihrer ganzen Höhe und Ausdehnung nach ausgezeich- 
nete horizontale Schichtung und liefern deutlich den Beweis, 
dass sie sich während einer Periode andauernder Ruhe ge- 
bildet haben. Die mineralogische Beschaffenheit derselben 


EEE 


— 155 — 


wurde schon nachHrn. v. Lill’s Beobachtungen vonPusch 
ausführlich beschrieben. Stets wechseln !Schichten von fe- 
stem Glimmer- und kalkhältigen Sandstein mit graulichen 
Kalksteinschichten ab, zwischen denen mehr oder minder 
dicke Lagen von blätterweise sich lösenden, leicht zer- 
bröckelnden, bläulichgrauen oder grünlichen Thonschiefern 
sich befinden. Diese, Grauwackeschichten werden stel- 
lenweise bald von korallenführendem Kalke überlagert , 
bald von dicken Schichten festen röthlichen Sandstei- 
nes, und über diesen liegt häufig krystallinischer Gyps 
in dicken Platten, so z. B. namentlich am rechten Ufer, 
der Stadt gegenüber, um das Dorf Krisczyatek und weiter 
östlich gegen Toutri, eben so um Bieleze, im Thale des 
Sered, woselbst die bekannte ausgedehnte Grotten- und 
Höhlenbildung im Selenite vorkommt, der hier unmittelbar 
zu Tage liegt. Nicht selten wird aber die Grauwacke von 
keinem dieser jüngern Gesteine überlagert, sondern reicht 
bis zum Gipfel und ist nur von Dammerde, oder selbst von 
dieser nicht bedeckt. Die Grauwackeschichten schliessen 
zahlreiche Petrefacte ein, jedoch ist die Zahl der bis jetzt 
aufgefundenen Gattungen und Arten um Zaleszcezyk selbst 
und längs des Dniesters bis Grodek ziemlich beschränkt, 
die Zahl der Individuen hingegen sehr gross. Die meisten 
und besterhaltenen Versteinerungen führen die kalkigen 
Schichten, auf den Thonschieferblättern finden sich nur 
häufige Abdrücke oder zwischen denselben leicht herausfal- 
lende Orthoceratiten. Letztere kammen überhaupt in über- 
wiegender Menge in dieser Dniestergegend vor, meist bei- 
läufig 1 Zoll im Durchmesser und mehrere Zoll lang, öfters 
aber auch 2—3 Zoll in der Dicke. Bisher wurden daselbst 
aufgefunden. Aus der Familie der Nautiliden: Orthoceras, 
zum Theil mit so wohlerhaltener Schale, dass selbe noch 
Perlmutterglanz und schönes Farbenspiel zeigt , Cyrio- 
ceras : ferners mehrere Bivalven, zahlreiche Terebruteln , 
Orthis, Spirifer, Tentaculites, Fungiten, Corallinen und 
endlich zahlreiche Fragmente jener Sepienschulpen, von 
welchen bei einer früheren Versammlung ein vollständiges 
Exemplar vorgezeigt wurde. — Von Zaleszezyk wurde der 
Weg zu Land eingeschlagen über Grodek , Kasperowce, 


— 156 — 


Szuparka in das Thal der Niezlawa. Die Hochebene ist 
daselbst überall durch tiefeingeschnittene Nebenflüsse und 
Bäche des Dniesters zerrissen und zeigt an allen Entblös- 
sungen und tiefern Einschvitten Grauwacke. Vor Filipkowee 
öffnet sich das Thal der Niezlawa, dem des Sered ziem- 
lich parallel laufend und ebenfalls sehr tief eingeschnitten 
und zerrissen. Hier stiess Hr. Dr. Kner unverhofft auf 
zahlreiche Trilobitenreste, die zwischeu zahllosen Terebra- 
teln, Orthis u. s. w. abgelagert sind. Wenn auch die Tri- 
lobitenreste, die er fand, kleinen Individuen angehörten 
und meist unvollständig waren, so ist doch das Auffinden 
dieses Lagers von grossem Interesse, da die Trilobiten-For- 
mation in Galizien bisher noch nirgends so bestimmt und in 
solcher Reichaltigkeit nachgewiesen war, und da sich hier- 
durch die Grauwacke dieser Gegend als ein Glied der Si- 
lurischen Periode herausstellt. Schon Hr. v. Lill gab zwar 
an, dass Trilobiten vorkommen, ohne jedoch den Ort noch 
die Gattungen näher zu bezeichnen; jeden Falls scheint er 
aber in dieses Thal nicht gelangt zu sein, da er diess 
sonst sicher angeführt hätte, er und mit ihm dann Pusch 
übergeht aber das ganze Niezlawathal mit Stillschweigen 
und zeichnete auch auf seiner Karte nicht das. Vorkommen 
der Grauwacke daselbst ein. Gleichwohl scheint diese For- 
mation im Niezlawa-'Thale ziemlich weit ausgebreitet zu 
sein, alle Berglehnen zeigen die gleichen unbedeckten Grau- 
wackeschichten bis zur Thalsohle. Die Ausbreitung und 
Begränzung dieser Trilobiten - Formation ist daher nun der 
nähern Untersuchung vorzüglich anzuempfehlen, der Reich- 
thum an Palaeozoen, die sich gleich bei der Entdeckung 
auf kleinem Raume und binnen wenigen Stunden darboten, 
berechtigt zur Hoffnung, hier eine üppige Quelle interes- 
santer Funde aufgeschlossen zu haben, die wohl selbst 
vereinten Bemühungen lange Zeit eine solche bleiben 
wird. — Bei Uscie Biskupie, wo die Niezlawa in den 
Dniester mündet, fängt die Formation des letztern wieder 
an, und nirgends fanden sich mehr Spuren von Trilobiten, 
Der Rückweg nach Zaleszezyk wurde über Samoszyn und 
Toutri auf der Bukowiner Seite genommen, und daselbst 
überall tertiäre Auflagerungen von Kalk und Gyps beobach- 


— 151 — 


tet. Von Zaleszezyk ging sodann die Excursion längs des 
Sered über Jagielnica und Czortkow. Auch hier dehnt sich 
die Grauwacke noch fort, wird aber im stark zerrissenen 
Thale von Czortkow von mächtigen Tertiärbildungen über- 
lagert, in denen sich auch Mammuthreste vorfinden. Von 
Czortkow bis Budzanow wurde noch überall Grauwacke 
beobachtet , nur verschwinden die Orthoceratiten allmählig, 
und neue Arten von Terebratula, Orthis u. s w. treten auf. 
— Vor Trembowla verschwindet endlich die Grauwacke, 
und es beginnt jener berühmte Sandstein, der in Platten 
gebrochen wird , von denen jährlich bei 400.000 nach Russ- 
land und angeblich bis China besonders zu Schleifsteinen 
verführt werden. Er erscheint offenbar jünger als Grau- 
wacke und älter als Kreide, und liegt auch als verbinden- 
des Glied an der Gränze zwischen beiden; Hr. v. Lill zählt 
ihn dem (alten) rothen Sandsteine bei; nie fanden sich 
bisher in selbem Petrefacte oder Abdrücke. — Um Miku- 
lince ist ein ausgezeichnetes (von Lill noch nicht gekann- 
tes) Lager jüngerer Kreide mit zahlreichen, schönen Pe- 
trefacten, erst unlängst aufgedeckt, das von nun an gleich- 
falls einer sorgfältigen Untersuchung unterworfen wird. — 
Bei Tarnopol beginnt die Tertiärformation, die gegen die 
russische Gränze besonders reich an Petrefacten wird, die 
denen des Wienerbeckens sehr ähnlich und eben so voll- 
kommen erhalten sind. Daselbst befindet sich auch ein 
mächtiges Lager von Foraminiferen, die, da sie ein zusam- 
mengebackenes Gestein bilden, seit lange zu Bausteinen 
verwendet werden. — Bei Zloczow herrschen ebenfalls 
tertiäre Bildungen. Interessant ist daselbst ein kleines 
Braunkohlenlager,, gerade auf dem Rücken des Höhenzu- 
ges, der die Wasserscheide zwischen der Ostsee und dem 
schwarzen Meere bildet. 

Schliesslich bemerkte Hr. Dr. Kner, dass nach seinen 
so eben mitgetheilten Erfahrungen einige Ergänzungen in 
der geognostischen Karte von Galizien vorzunehmen seien, 
deutete diese zugleich auf einer solchen an, und legte zu- 
letzt einige Proben der von ihm aufgefundenen Petrefacte 
vor, und zwar aus der Grauwacke: Oyrioceras, Avi- 
cula n. sp., mehrere Arten von Produclus, Terebratula, 


— 158 — 


Orthis, Spirifer, Tentaculites, 3—h Species erst näher zu 
untersuchender Trilobiten der Gattungen Calymeneund Asa- 
phus, eine grosse Cypris-Art und ‚mehrere Zoophyten; aus 
der Kreide bei Mikulince Arten der Gattungen: Ammoni- 
tes, Turrilites, Terebratula, Gryphaea, Pecten, nebst 
wohlerhaltenen Haifischzähnen, und endlich ein Probestück 
des Foraminiferen-Lagers bei Tarnopol. Für Freunde der 
Paläontologie fügte er noch die Bemerkung hinzu, dass 
eine bedeutend grössere Anzahl von Species und Exem- 
plaren, als die hier vorgezeigten, von ihm dem k. k. Hof- 
Mineralien-Cabinete eingesendet worden sei. 

Herr Adolph Patera theilte eine von Herrn Rein- 
hold Freiherrn v. Reichenbach übergebene Arbeit mit; 
über die Frage: „Ob der Stickstoff der atmosphäri- 
schen Luftinirgend einem Fall zur Bildungvon 
Ammoniak beitrage.“ 

Man hat schon mehrfältig die Beobachtung gemacht, 
dass beim Glühen von stickstoff-freien Substanzen, Holz- 
faser, Zucker, reiner Kohle mit Alkalien, Ammoniak entwi- 
ckelt werde, und es wurde zunächst die Meinung aufge- 
stellt, der Stickstoff der Luft verbinde sich mit dem bei 
dieser Gelegenheit frei werdenden Wasserstoff direct zu 
Ammoniak. | 

Indess blieb diese Ansicht sehr wenig begründet und 
ganz unwahrscheinlich desshalb, weil unter solchen Um- 
ständen der frei gewordene Wasserstoff der organischen 
Substanz sich immer viel eher mit dem Sauerstoff der Luft 
verbunden haben würde, als nit ihrem Stickstoff, zu wel- 
chem sie eine weit geringere Affinität besitzt. Auch war 
diese Erklärung für den Fall gar nicht anwendbar, wo 
reine Kohle mit Alcalien an der Luft geglüht, ebenfalls 
Ammoniak - Entwicklung wahrnehmen lässt, obwol hier aller 
Wasserstoff fehlt, der frei werden und mit Stickstoff Ver- 
bindung, eingehen konnte. 

Um alle Zweifel über diesen Gegenstand zu entfernen, 
wurden von Faraday eine Reihe von bezüglichen Ver- 
suchen angestellt, von welchen die wichtigsten mitgetheilt 
sind in Liebig’s Agricultur-Chemie 6te Auflage, in dem 
Abschnitte, der über die Quellen des Ammoniaks handelt; 


— 159 — 


Als das End -Resultat der Untersuchung wird dort ange- 
geben, dass fast alle geprüften Substanzen beim Glühen 
Ammoniak entwickelt hätten, jedoch nur kurze Zeit, indem 
bei fortgesetztem Glühen die Entwicklung von Ammoniak 
bald nachgelassen und aufgehört habe. Es sei daher in 
allen diesen Fällen, wo Ammoniak durch Glühen entwickelt 
werde, nirgends das Ammoniak erst aus seinen Elementen 
gebildet worden, sondern dasselbe sei nur in den Poren der 
geglühten organischen Substanzen, oder Alcalien conden- 
sirt, also bereits fertig vorhanden gewesen. 

Es gibt jedoch einen Fall der Ammoniak-Entwicklung, 
für welchen auch diese Erklärung keineswegs auszureichen 
scheint und der hier näher erörtert werden mag. 

Wenn in einem eisernen Rohr reine Holzkohle bei Zu- 
tritt von Luft möglichst stark geglüht wird, bemerkt man 
bei längerer Fortdauer des Glühens entweder keine Ent- 
wicklung von Ammoniak, oder doch nnr zweifelhafte Spu- 
ren davon. Ebenso hört bald alle Spur von freiwerdendem 
Ammoniak auf, wenn kohlensaures Kali durch längere Zeit 
fortgeglüht wird. Anders ist aber der Erfolg, "wenn das 
kohlensaure Kali mit der Kohle zusammengebracht 
und beide gemengt bei Luftzutritt geglüht werden. So 
lange in diesem Fall auch das Glühen dauern mag, eben 
so lange ist auch de Ammoniak- Entwicklung am 
Ende des Rohres auf das unzweideutigste wahrzunehmen 
und wird endlich die zutretende Luft durch Zuleitung von 
etwas Wasserdampf möglichst feucht gemacht, so gewinnt 
dieses Auftreten von freiem Ammoniak noch auffallend an 
Intensität, welche es unverändert beibehält, so lange Kohle, 
Kali und Luft zugegen sind und in höchster Glühhitze er- 
halten werden. 

Diese Beobachtungen müssen nun zu der Ansicht füh- 
ren, dass man es hier nicht wohl mit schon fertigem Am- 
moniak zu thun haben könne, welches nur durch Hitze aus- 
getrieben werde, sondern dass hier irgend ein chemischer 
Prozess vor sich gehen müsse, der das beständige Wieder- 
erscheinen des Ammoniaks veranlasst. 

Da alle stickstofffreien organischen Substanzen in der 
angeführten Temperatur in kurzer Zeit zu Kohle werden, 


— 160 — 


so hat man hier eigentlich nur das Verhalten der letzteren 
beim Glühen mit Kali zu betrachten; und es ist bekannt, 
dass unter diesen Umständen zunächst Kalium gebildet werden 
muss. Ebenso ist in neuererZeit vielfach nachgewiesen worden, 
dass Kalium und Kohle bei Gegenwart von Stickstoffgas 
in der Rothglühhitze zu Cyankalium zusammentreten, zu 
dessen Bildung also im fraglichen Falle alle Bedingungen 
gegeben sind. Allein das momentan und stellenweise so 
entstandene Cyankalium wird sich doch nirgends lange be- 
haupten können, da auch die Bedingung seiner Wiederzer- 
störung nahe ist. Solbald es in der Gluth mit einer Luft- 
schicht in Berührung kömmt, deren Sauerstoff nicht aller 
durch Kohle absorbirt ist, unterliegt es der Einwirkung 
dieses freien Sauerstoffes und verwandelt sich in cyansau- 
res Kali, Cyka; kommt Cyankalium aber unter denselben 
Umständen mit Wasserdampf in unmittelbare Berührung , 
so erfolgt Wasserzersetzung unter Bildung von kohlen- 
saurem Kali und NH Ammoniak, und dieses scheint also 
der Umweg zu seyn, auf welchem beim Zusammenglühen 
von Kali und organischen, stickstofffreien Substanzen der 
Stickstoff der atmosphärischen Luft wirklich unmittelbar zur 
Bildung von Ammoniak beitragen dürfte, wenn auch 
das Dasein von Ammoniak in der Luft aus einer solchen 
Entstehungsweise als Quelle nicht hergeleitet werden kann. 
Obige Ansicht wird aber noch wesentlich unterstützt durch 
das Verhalten des kohlensauren Kalı’s, das auf diese Weise 
längere Zeit mit Kohle geglüht worden ist, nach seiner 
Wiederauflösung im Wasser. So lange nämlich diese 
Lösung abgedunstet wird, entwickelt sich aus ihr ein pene- 
tranter Ammoniakgeruch , der seine Ursache nur in einer 
Zersetzung von gegenwärtigem cyansauren Kali haben 
kann. 

Hr. Franz Ritter v. Hauer sprach über das Vorkom- 
men des bekannten Muschelgeschlechtes Monolis in den 
österreichischen Alpen. Zwei bis drei Arten dieses am 
nächsten mit Avicula verwandten Geschlechtes hatte zuerst 
Herr Prof. Bronn in Heidelberg näher untersucht und be- 
schrieben, während man sie früher nach dem Vorgange 
von v. Schlotheim unter dem Namen Pecten salinarius 


— 161 -— 


in eine Art zusammengefasst hatte. Die Veranlassung zu 
dieser Benennung hatte das ungemein häufige Vorkommen 
dieser Bivalve in der unmittelbaren Nähe der Salzbildungen 
in den Alpen gezeben. Man findet sie daselbst in wenig 
mächtigen , bald weiss, bald röthlich gefärbten Kalkstein- 
schichten in so ausserordentlicherMenge, dass die erwähn- 
ten Schichten an vielen Stellen beinahe bloss aus ihren 
Schalen zusammengesetzt erscheinen. Unter solchen Ver- 
hältnissen trifft man sie beiHall in Tirol, bei Hallein, Hall- 
statt, Aussee; ja v. Lill sagt: „sie fehle keinem der 
Salzgebilde in den Alpen.‘ 

Durch eine Reihe von neueren Entdeckungen lässt sich 
aber gegenwärtig das Auftreten der merkwürdigen durch 
diese Muschel charakterisirten Schichten bis Jin die Nähe 
von Wien verfolgen. So findet man sie von Aussee gegen 
Osten vorschreitend zunächst bei Spital am Pyhrn, von wel- 
eher Localität Hr. v. Hauer einige Stücke weissen Kalk- 
steines ganz aus Bruchstücken ihrer Schale bestehend, in 
der Stiftssammlung in Kremsmünster antraf. 

In Neuberg wurden durch die gewaltigen Regengüsse, 
welche im Verlaufe des diessjährigen Sommers so vieles 
Unheil in den österreichischen Alpen anrichteten, grosse 
Blöcke eines grauen Kalksteines in das Thal herabgeführt, 
der sich bei näherer Betrachtung aus Schalen von Monotis 
zusammengesetzt zeigte. Die erste Nachricht darüber theilte 
Hr. von Morlot mit, dem ein Stück von Sr. k. k. Hoheit 
dem durchlauchtigsten Erzherzog Johann eingehändigt 
worden war. Herr Bergrath Hampe, dessen reger Wis- 
senschaftsliebe das k. k. montanistische Museum schon die 
schätzenswerthesten Beiträge verdankt, sendete auch hier- 
von sogleich Probestücke eın. 

Der am weitesten gegen Wien gelegene Punct endlich, 
an welchem die erwähnte Muschel bisher angetroffen wurde, 
ist Hörnstein bei Piesting. Ein Pracht-Exemplar von Mo- 
notiskalkstein, welcher am Felsen unmittelbar hinter dem 
Schlosse Hörnstein vorkömmt, verdankt das k. k. montani- 
stische Museum Sr. k. k. Hoheit dem durchlauchtigsten 


Erzherzog Rainer, Sohne Sr. k. k. Hoheit des durch? 
Freunde der Ratöchishenschaflen in Wien, I. 11 


— 16% — 


Jauchtigsten Erzherzogs Vice-König, dessen Eigen- 
ihum jene Herrschaft ist. 

Herr Dr. Richard Comfort machte verschiedene 
Bemerkungen in Hinsicht auf Systeme, deren Gegenstand 
die Mineralogie ist, die nach seinen Angaben noch 
nicht so weit ausgebildet sind, als die Systeme der Zoolo- 
gie und Botanik. 

Die Systeme von Haüy, Werner, Muhs, Berze- 
lius, Fuchs, Oken wurden erwähnt, der Ansichten und 
Arbeiten von Aristoteles, Newton, Davy, Klap- 
voth und Andern gedacht, und endlich als Resultat ge- 
fordert, man solle alle Systeme vereinen, ‚und philoso- 
phisch coordiniren, und dass ein solches Verfahren allein 
zum Ziele führen könne. 


22, Versammlung, am 28. September. 


Wiener Zeitung vom 1, November 1846. 


Herr J. Barrande aus Prag machte eine Mittheilung 
in Bezug auf seine geologischen und paläontologi- 
schen Forschungen im mittlern Theile von Böhmen. 

Die allerältesten Flötzformationen in Böhmen nehmen 
einen beträchtlichen Raum von ovaler Form ein, deren 
Hauptaxe, in der Richtung von Auwal nach Klattau, bei- 
nahe von Nord-Osten gegen Süd-Westen läuft. 

Diese Formationen liegen in einer sehr regelmässigen 
Reihe auf einander, so dass sie mehrere concentrische 
Becken bilden, die sich leicht erkennen lassen. 

Wenn man die Natur der Felsarten und die organi- 
schen Ueberreste, welche die meisten von ihnen führen, 
betrachtet, so zerfallen alle früher unter dem Namen Grau- 
wacke bekannten Bildungen in drei Abtheilungen, nämlich 
eine untere, eine mittlere und eine obere. 

Die untere Abtheilung besteht aus petrefactenleeren 
Gebilden , nämlich aus halbkrystallinischen Gebirgsarten , 
auf welchen mächtige Ablagerungen von Thonschiefer und 


— 163 — 


Grauwacke ruhen. Die wichtigsten Bergsiädte: Przibram 
und Mies liegen auf den einander entgegengesetzten Rän- 
dern dieser Formationen , welche reiche metallische Gänge 
führen. | 

Diese untere Abtheilung entspricht dem Azoic Sy- 
siem des Hrn. Professors Sedgwick, und bildet eine 
Art Uebergang zwischen Granit und Gneiss, auf welchen 
sie liegt, und den paläozoischen Formationen, von welchen 
sie überlagert wird. 

Die mittlere Abtheilung zerfälit in zwei Unterabtheilun- 
gen oder Etagen, welche sich von einander sowohl durch 
ihre mineralogischen, als durch die paläontographischen 
Charaktere leicht unterscheiden lassen. 

Die untere Etage C besteht aus thonartigen Schiefern 
von dunkler Farbe und sehr feinkörniger Structur, welche 
bei Ginetz und Skrey am Tage liegen, und zahlreiche Trilo- 
biten-Abdrücke liefern, unter welchen 23 Species schon er- 
kannt worden sind, die mit ein Paar Or/his - Arten die 
ganze Fauna dieser Unterabtheiläng ausmachen. 

Die obere Etage D zeichnet sich durch seine ungemein 
mächtigen kieselartigen Gebirgsarten aus, welche an der Ba- 
sis in der-Form von kieselarligen Conglomeraten; in den obe- 
ren’Theilen aber, als Quarziten und Grauwacken-Schiefer er- 
scheinen. Die letzten Formationen sind an Petrefacten reich, 
und haben schon ungefähr 30 Arten von Trilobiten geliefert, 
ganz verschieden von denen, welche dem unteren Stocke 
C eigenthümlich sind. Mit diesen Crustaceen kommen einige 
Cephalopoden und Brachiopoden vor. 

Die zwei Etagen Ü und D mineralogisch und paläonto- 
logisch betrachtet, entsprechen vollkommen den englischen 
Unterabtheilungen von Murchison, Liandeiloflags , und 
Caradoc Sandstone genannt, welche als ein Ganzes ge- 
nommen, das untere silurische System zusammen bilden. 
Die Uebereinstimmung dieser Formationen in England und 
Böhmen ist so auffallend, dass sie von jedem Geologen 
sehr leicht zu erkennen ist. 

Merkwürdiger Weise blieb das kalkiıge Element bei- 
nahe von der untern und mittlern Abtheilung des böhmischen 


paläozoischen Terrains ausgeschlossen, indem dasselbe im 
IE: 


— 164 — 


Gegentheile beinahe ‚ausschliesslich die ganze Masse der 
obern Abtheilung bildet. 

Diese Kalksteinmasse erscheint im Centrum von Böh- 
men in der Form einer länglichen Ellipse, welche von Prag 
bis gegen Zditz sich erstreckt, und wie eine Insel rund 
um, von den Quarziten und Grauwacken-Schiefern umge- 
ben wird. Beim ersten Anblick würde man leicht diese un- 
unterbrochene Kalkmasse als eine einzige Formation be- 
trachten. Wenn man aber die zahlreichen Fossilien, welche 
sie darbietet näher untersucht, so erkennt man unvermeid- 
lich, dass sie drei Unterabtheilungen oder Etagen enthält, 
weiche eben so vielen Zeitperioden der Seethier-Schöpfung 
entsprechen. 

Die unterste Etage E zeichnet sich aus durch 40 
verschiedene Arten von Trilobiten und durch eine verhält- 
nissmässig noch zahlreichere Menge von Polypen, von ein- 
schaligen und zweischaligen Mollusken, worunter die Ce- 
phalopoden die allermerkwürdigsten sind. Die Genera Or- 
Ihoceras, Phragmoceras, Cyrlocerus, Gyroceras, Cryplo- 
ceras, Lituites, Nautilus und Gomphoceras sind zusammen 
von mehr ais 125 Arten vertreten. 

Die mittlere Etage des Kalksteines F entsprieht mehr 
der Entwicklungs - Periode des Brachiopoden, und liefert 
sehr zahlreiche Arten von Teerebratula, Spirifer, Leptaena 
Orthis, Lingula elc., — mit welchen 27 Arten von Trilo- 
biten und verschiedene Cephalopoden, Polypen etc. gelebt 
haben. 

Es scheint, dass die meisten dieser Familien schon aus- 
gestorben waren zur Zeit, wo die Kalksteine der obern 
Etage G sich abgesetzt haben. In diesen findet man 
nur an 16 Trilobiten-Arten, nebst einigen ein- und zwei- 
schaligen Mollusken. 

Im Ganzen betrachtet, entspricht die böhmische Kalk- 
steinmasse dem obern silurischen Systeme von England. Ob- 
wohl einige Unterschiede in der Entwicklungsreihe der ver- 
schiedenen Thier-Familien in beiden Gegenden sich bemerken 
lassen, so ist die Uebereinstimmung doch für die Wissen- 
schaft ungemein befriedigend. 


— 165 — 


Der Reichthum der :paläozoischen Formationen in Böh- 
men ist grösser als in den übrigen bisher beschriebenen Ge- 
genden derselben Bildungs-Periode. Die Privat-Sammlung 
des Hrn. Barrande enthält sehon mehr als 600 Arten, 
wovon mehr als zwei Drittel Böhmen eigenthümlich sind, 
und von ihm in einem besonderen Werke beschrieben wer- 
den sollen. 

Eine gedrängte Uebersicht davon enthält die unlängst 
erschienene Broschüre: Notice preliminaire sur le Sy- 
steme Silurien et les trilobites de Boheme par J. Bar- 
rande. Leipzig 1846, bei Hirschfeld. 

Hr. A. Martin, Custos an der Bibliothek des k. k. po- 
Iytechnischen Institutes, beschäftigte sich in neuerer Zeit 
mit photographischen Versuchen auf Papier. Er sprach im 
Allgemeinen über die Vortheile und Schwierigkeiten dieser 
schönen Kunst. Um das Papier für den Lichteindruck em- 
pfindlich zu machen, bedient er sich einer vereinfachten 
Methode des Talbot’schen Kalotyp-Prozesses. Hr. Talbot 
überstreicht das Papier mit einer Lösung von salpetersau- 
rem Silberoxyd und legt es dann in eine ziemlich starke 
Jodkaliumlösung, lässt es trocknen und kurz vor dem Ge- 
brauche überstreicht er es mit Silbergallonitrat. Allein ge- 
rade die Gallussäure macht das Papier unempfindlich, und 
ein mit Jodsilber allein überzogenes Papier ist bei weitem 
empfindlicher, wenn Jodkalium und Silber nur im richtigen 
Verhältnisse angewendet werden, so zwar, dass nicht so 
wie bei Talbot Jodkalium im Ueberschuss vorhanden ist. 
Die Gallussäure dient dann bloss zum Hervorrufen des Bil- 
des. Für die positiven Copien hat er eine noch nirgends 
beschriebene Methode aufgefunden. Er bestreicht das Pa- 
pier bloss mit Silbergallonitrat oder auch salpetersaurem 
Silberoxyd und entwickelt das Bild wieder durch Ueber- 
streichen mit Silbergallonitrat. Seine Erfahrungen sind be- 
reits gedruckt und werden in den ersten Tagen des Mo- 
nats October bei Gerold unter dem Titel: ,„Reperto- 
rium der Photographie‘ veröffentlicht erscheinen. Er 
zeigte den Anwesenden einige von ihm angefertigte Bilder 
vor, welche bei allgemeinerer Verbreitung dieser Kunst 
wirklich zu den schönsten Hoffnungen berechtigen. Für 


— 166 — 


Aufname architektonischer Gegenstände leistet diese Pho- 
tographie Ausserordentliches, auch die Portraite haben ei- 
nen eigenen Reiz. Nur muss, wenn man sie vollendet nen- 
nen will, ein Maler Einzelheiten nachbessern. Die vorge- 
legten Portraits waren von Gaupmann nachgezeichnet und 
entsprachen allen Anforderungen. 

Hr. Dr. Moriz Hörnes zeigte Versteinerungen 
aus dem Grauwackenkalke der Gegend von Rittberg 
2 Meilen südwestlich von Olmütz vor. Dieselben stammen 
aus dem Nachlasse des k. k. General-Majors der Artillerie 
Hrn. Michael Keck von Keck, und wurden von dem 
k- k. Hof-Mineralien- Cabinet acquirirt. Hr. General von 
Keck, der während seines Aufenthaltes in Olmütz sich 
viel mit Geognosie beschäftigte, hatte diese Versteinerun- 
gen zuerst aufgefunden. Hr. Professor Glocker in Breslau 
machte in seiner Abhandlung über den Jurakalk von Kuro- 
witz in Mähren zuerst Erwähnung von dem Vorkommen 
dieses Grauwackenkalksteines und beschreibt ihn als herr- 
schend schwärzlich grau, bei Rittberg zum Theil auch 
schwarz, grau und roth gefleckt, beim Zerschlagen von 
auffallend ammonikalischem Geruche (als wahren Stink- 
stein). Die vorgewiesenen Stücke waren: Bellerophon cu- 
rinalus Murchison. B. striatus Goldf. Cyrloceratiles de- 
pressus Goldf. Euomphalus. Pleurolomaria. Murchisonia. 
Lueina proava Goldf. Terebratula pugnus Mart, Spirifer 
heteroclita. Leptaena depressa Sow. Trilobites (Phacops 
Enmrich oder Proetus Stein). Calamopora alveolaris Goldf. 
C. polymorpha Gold. C. spongites Goldf. Relepora. Astraea 
porosa Goldf. Cyalhophyllum Turbinatum Goldf. 

Da bis jetzt keine der charakteristischen Versteine- 
rungen aufgefunden wurde, so ist die Beurtheilung dieses 
Grauwackenkalksteines allerdings schwierig; und es wäre 
daher höchst wünschenswerth, wenn durch fleissiges Sam- 
meln der Umwohnenden und genaues Studium des Gesam- 
melten, ein Resultat in dieser Beziehung erlangt würde. 
Das Studium dieser Thiere gewährt jedech ein um so hö- 
heres Interesse, da dieselben nach den gesammelten Er- 
fahrungen als die ersten Bewohner unseres Erdballs ange- 


— 167 — 


sehen werden müssen und gegenwärtig gänzlich ausge- 
storben sind. 

Hr. Dr. Hammerschmidt erstattete einen gedräng- 
ten Bericht über die X. Versammlung Deutscher 
Land- und Forstwirthe, welche am 14 — 20 Sep- 
tember d. J. zu Gratz Statt fand. Derselbe bemerkt, wie 
diese Versammlung eine wahre Jubelfeier ihres zehnjähri- 
gen Bestandes zu nennen sei, wie aus allen Gauen 
Deutschiands Vorbilder Deutschen Wissens und thatkräf- 
tiger Wirksamkeit um einen erhabenen Hort sich sammel- 
ten, einen hell leuchtenden Sternenkranz bildend um_ jene 
fürstliche Sonne, deren milde Strahlen aller Herzen er- 
wärmen und zum Guten begeistern. Der erhabene Vorstand, 
der allgeliebte Erzherzog Johann, eröffnete die allge- 
meine Sitzung am 14. September mit einer ergreifenden 
Rede, worin Er besonders die Wichtigkeit heraushob , die- 
se Versammlung zum Centralpuncte der Mittheilung zwi- 
schen den einzelnen Deutscheu Landwirthschafts - Gesell- 
schaften zu erheben, um so den Zweck und das Wohl 
des gemeinsamen Dentschen Vaterlandes zu fördern und 
die Bande fester zu knüpfen, die Nord und Süd, Ost und 
West brüderlich verbinden sollen. Unter den in den allge- 
meinen Sitzungen besprochenen Gegenständen gewährte 
ferners ein hohes Interesse die Verhandlung über die Fol- 
gen der Korn - Gesetz- Aufhebung in England in Bezug 
auf Deutschland, in welcher Beziehung die Aufforderung 
für Deutschland die eigenen inneren Kräfte durch Vereini- 
gung der Industrie mit der- Landwirthschaft gebührend zu 
nützen hervorgehoben wurde; aus der zweiten allgemeinen 
Sitzung war der Vortrag über die Wichtigkeit der Spar- 
cassen und Credits-Anstalten zu Hebung der Landwirth- 
schaft besonders anziehend. Als nächster Versammlungsort 
wurde Kiel bestimmt und Ernst Graf von Reventlow 
aus Farve in Holstein zum ersten dann der k. Dänische 
Forst- und Jägermeister Hr. Ritter von Varnstedt 
zum zweiten Vorstand erwählt, für das Jahr 1848 aber 
Mainz als Versammlungsort in Vorschlag gebracht. 

In den gebildeten sechs Sectionen: a) Ackerbau, b) 
Viehzucht, e) Gewerbskunde, d) Forstwirthschaft, e) Obst- 


— 168 — 


und Weinbau, f) Naturwissenschaften, an denen zusammen 
1505 Mitglieder Antheil nahmen, waren die evörterten Ge- 
genstände von so grosser Mannigfaltigkeit, dass eine Auf- 
zählung der wichtigeren Verhandlungen unsere Zeit über 
die Gebühr in Anspruch nehmen würde, und da ohnehin eine 
allgemeine Angabe der wichtigsten Verhandlungen so wie 
die Beschreibung der Statt gehabten Feierlichkeit zum 
Theil in öffentlichen Blättern Platz fand, so verwies Hr. Dr. 
Hammerscehmidt auf eine umständliche Erörterung in 
seinem Berichte in der Allgemeinen Oesterreichischen Zeit- 
schrift für den Landwirth Nr. 35 und die folgenden Blätter, 
und theilte den Anwesenden nur über die Leistungen der 
naturwissenschaftlichen Section als für sie von nächstem 
Interesse , die wichtigsten Ergebnisse mit. In dieser Abthei- 
lung wurden zu Präsidenten die Herren Dr. und Prof. Un- 
ger aus Gratz, dann Dr. und Prof. Carl Fraas aus Schleiss- 
heim; und zu Secretären die HH. Dr. Carl Hammer- 
schmidt aus Wien und Dr. und Prof. Gintl aus Gratz er- 
wählt, die Sitzungen, an denen über -achtzig Mitglieder 
Theil nahmen, wurden täglich von 9 — 1! Uhr in der Real- 
schule abgehalten. 

Unter den wichtigeren Vorträgen und Erörterungen kom- 
men folgende zu bezeichnen: 1) Die Frage über die 
Kartoffelkrankheit. Es wurden in dieser Beziehung 
die Krankheitserscheinungen, die äussern und innern Verän- 
dernngen , die chemischen Umwandlungen , das Auftre- 
ten von drei verschiedenen Pilzarten und die geographische 
Verhreitung der Krankheit zu erheben gesucht, in welcher 
Beziehung die HH. Unger, Fraas, Zippe, Hammer- 
schmidt, v. Pittoni, Schmidt, v. Thielau, Walz, 
Duschek, Kopetzky, Hruschauer, Steer, Pless, 
Weitlof, Rainer, Gassner Mittheilungen machten, 
woraus sich als Endresultat ergibt, dass die Witterungs- 
verhältnisse im Allgemeinen, insbesonders aber ein beson- 
derer Genius epidemicus , die Extreme in den Witterungs- 
verhältnissen und schneller Wechsel von Hitze und Kälte 
als die Hauptursachen der Krankheit zu bezeichnen, das 
Auftreten der Pilze aber nur als secundäre Bildung zu be- 
trachten seien. 2, Hr. Prof. Ginti hielt einen Vortrag über 


— 169 — 


die Errichtung von Meteorologischen Obser- 
vatorien, welcher Gegenstand zur Begutachtung von 
der allgemeinen Versammlung dieser Section zugewiesen 
wurde, und worüber die betreffenden Anträge von dem 
gewählten Ausschusse entworfen und der allgemeinen Ver- 
sammlung in einem besonderen Aufsatze vorgelegt wurden. 
3. Hr. Dr. Hamerschmidt zeigte die Herausgabe 
eines populären Werkes: „Anleitung zur Kennt- 
niss der essbaren und schädlichen Schwämme 
Oesterreichs“ an, und legte die bereits durch Hrn. 
Hartinger vorbereiteten XIV Tafeln Abbildungen vor, 
welche in Farbendruck ausgeführt werden sollen. 4 Der- 
selbe hielt einen Vortrag über einige neue Ausser- 
Europäische Seidenraupen und die Wichtigkeit 
ihrer Einführung in Europa zur Hebung der 
Seiden-Cultur. 5. und 6. Hr. Dr. Fraas aus Schleiss- 
heim und Hr. Dr. Hirschfeld aus Holstein hielten Vor- 
träge über chemische Präparate, welche in neuester 
Zeit als Düngungsmittel angewendet wurden. Ersterer 
über den Liebig'schen Pateutdünger u. a. Letzterer 
über die Düngung mit Salpeter. 7. Hr. Prof. Fraas sprach 
über die Frage, ob das Gypsen des Klees auf die 
Wolle der Schafe einen Einfluss habe? S. Hr. 
Dr. Hammerschmidt legte der Section das Programm 
über die von Hrn. Bergrath Haidinger beab- 


- sichtigte Herausgabe von naturwissenschaft- 


lichen Abhandlungen vor und forderte zur Theilnahme 
auf. 9. Ueber die Frage: Wie das Vorkommen von 
Phosphor in Pflanzen und Thieren zu erklären 
sei, ungeachtet das Mineralreich nur wenige 
phosphorhaltige Steine enthalte: sprachen die Hrn. 
Dr. Unger, Fras, Zippe und Hirschfeld. 
Hr.Dr.Hammerschmidt ging nun in eine nähere Erör- 
terung der hier angedeuteten Vorträge ein und legte zum 
Schlusse das als Festgabe unter die Mitglieder der X. Ver- 
sammlung vertheilte Werk des Hrrn. Prof. Hlubek: „Die 
Landwirthschaft des Herzogthums Steier- 
mark‘, die von den Ständen Steiermarks zur Feyer der 
Versammlung geprägte, durch den Hrn. Münzgraveur Lange 


— 170 — 


in Wien ausgeführte Medaille, dann das Tagblatt der 
Versammlung, den Bericht über die IX. Versammlung und 
endlich die von Hern. Hartinger für das vom Berichter- 
statter vorbereitete Werk: Anleitung zur Kenntniss 
der Schwämme Oesterreichs angefertisten XIV. 
Tafeln Abbildungen zur Einsicht vor. (Wir beschränken 
uns hier auf diese gedrängte Uebersicht, da ohnehin ein 
umständlicher Rericht über die Leistungen der naturhistori- 
schen Section von Hrn. Dr. Hammerschmidt ehestens 
veröffentlicht werden wird.) 

Herr Dr. S. Reissek gab , aus Anlass des von Herrn 
Dr. Hammerschmidt erstatteten Berichtes in Betreff der 
Kartoffelkrankheit, einige Bemerkungen über denselben Ge- 
genstand, welche im Wesen auf das in früheren Versamm- 
lungen Vorgetragene sich gründen und für die Ansicht spra- 
chen, dass die Krankheit eine anomale, der Vegetations- 
fäule des gelegten Knollens verwandte und von derselben 
nicht specifisch verschiedene Fäule sei. 

Bei dem mehrfach ausgesprochenen Wunsche, von den 
naturwissenschaftlichen Erscheinungen im Gebiete der Li- 
teratur Kenntniss im grösseren Kreise zu nehmen, gab der- 
selbe eine Uebersicht des Inhaltes des kürzlich erschienenen 
2isten Bandes derAbhandlungen der kaiserlich Leo- 
poldinisch-Carolinischen Akademie der Natur- 
forscher. Inhalt und Ausstattung dieser Schriften reihen sich 
an das Beste, was wir in der naturhistorischen Literatur be- 
sitzen, würdig an. Herr Dr. Reissek bemerkte, dass wir, 
nachdem die Allerhöchste Gnade Sr. Majestät der Wis- 
senschaft und dem Staate eine Akademie zuschenken geru- 
het, nun auch in Wien Gelegenheit haben werden, Schrif- 
ten in ähnlicher und noch würdigerer Ausstattung erschei- 
nen zu sehen. Dieselben werden dann den hohen Einfluss, 
welchen man zu erwarten berechtigt ist, im vollen Masse 
ausüben, und anregend und fördernd auf die wissenschaft- 
liche Erforschung unseres theuren Vaterlandes einwirken. 
Es wäre nur zu wünschen, dass viele, besonders jüngere 
Kräfte sich der vaterländischen Erforschung zuwendeten, 
ein erhöheter geistiger und materieller Nutzen könnte dann 
nicht ausbleiben. Es wäre namentlich zu wünschen, dass 


—_ 171 — 


jüngere Leute, welche in Wien ihre Studien machen, 
durch Aneignung naturwissenschaftlicher Kenntnisse, durch 
Anleitung zur Erforschung von Seite erfahrener Männer, 
so wie durch gegenseitige Bekanntschaft und gegenseiti- 
gen Austausch des Erworbenen sich so weit heranzubilden 
im Stande seien; dass, wenn sie ihre Bestimmung in die 
Provinz ruft, sie dort mehr abgeschieden , dennoch die 
Wissenschaft und Erforschung des Vaterlandes mit gutem 
Erfolge zu pflegen vermöchten. Diesem Zwecke könnte nur 
ein naturwissenschaftlicher Verein Genüge leisten, 
wie wir auch dergleichen als wahres Bedürfniss an vielen 
Orten, wo Akademien bestehen, antreffen, man darf nur an 
die philomathische Gesellschaft zu Paris und an die natur- 
forschende Gesellschaft zu Berlin erinnern. Ein solcher 
Verein , dessen Hauptzweck es ist, gegenseitige Mitthei- 
lungen aus dem Gebiete der Wissenschaft, Vorträge, auch 
etwa Herausgabe von Denkschriften zu vermitteln, deren 
Tendenz hauptsächlich eine patriotische wäre, kann für 
wissenschaftliche Anregung, Belehrung und Forschung 
sowohl für jüngere Kräfte, als überhaupt für Alle, welche 
die naturwissenschaftlichen Studien nicht als Männer vom 
Fache betreiben, sich aber dennoch sehr für dieselben in- 
teressiren, nicht anders als höchst erspriesslich sein. 


23. Versammlung, am. 5. October. 


Wiener Zeitung vom 7. November 1846. 


Herr Graf v. Keyserling, kaıs. Russischer Kaumer- 
junker, legte das Werk: 

„Russia and Ihe Ural Mountains by R.J. Murchison, 
de Verneuil and Count Keyserling‘‘ und dessen Ergänzung: 

„Beobachtungen aufeiner Reise d urch das 
Petschora-Land von GrafKeyserling“ 

zur Ansicht vor und gab in einem eben so lehrreichen 
als ansprechenden Vortrage Nachricht von den wichtigsten 


— 112 — 


Resultaten, welche die geologischen Forschungen in Russ- 
land für die Kenntniss der Zusammensetzung der Erdrinde 
bisher ge’iefert haben. 

Sein Bericht, obschon so gedrängt, als es die ausser- 
ordentliche Menge von Thatsachen, die darin berührt wer- 
den mussten, zuliess, zu ausgedehnt für den Raum der 
Wiener Zeitung istin Schmid!'s Literatur-Zeitung 
ausführlich abgedruckt worden. 

Drei der ersten Gelehrten ihres Faches, der Engländer, 
Hr. Roderick Impey Murchison, der Franzose, Hr, 
de Verneuil, und der Deutsch-Russe, Herr Graf K ey- 
serling, theilen sich in der Ehre der Ausführung; die er- 
steren Beiden schon seit einer langen Reihe von Jahren 
durch ihre umfassenden geognostischen Arbeiten in ande- 
ren Ländern berühmt; der Letztere durch ausgebreitete 
theoretische Studien, so wie durch einen längeren Aufent- 
halt in England zur Untersuchung des- Vaterlandes vorbe- 
reitet. Durch fünf Jahre bereisten sie, theils gemeinschaft- 
lich, theils einzeln das Europäische Russland, um die nöthi- 
gen Daten zusammenzutragen, und ein übersichtliches Bild 
der bis dahin so gut wie unbekannten geognostischen Ver- 
hältnisse dieses Landes zu gewinnen. 

Allein selbst Männern von ihrer Erfahrung und ihren 
Kenntnissen wäre diese gigantische Aufgabe zu lösen nie 
möglich geworden, hätte nicht die kaiserlich Russische 
Regierung, im wohlverstandenen Interesse der materiellen 
Bedürfnisse des Landes, ıhr Unternehmen auf eine der Aus- 
dehnung und Kraft des Reiches entsprechende Weise ge- 
fördert. Wohl einsehend, dass die bergmännischen Unter- 
suchungsarbeiten, insbesondere bezüglich der so wichtigen 
Steinkohlen, um die es sich zunächst handelte, so lange 
einer rationellen Basis ermangeln, und unnütz die grössten 
Summen verschlingen, so lange die rein wissenschaftliche 
Kenntniss der geognostischen Verhältnisse fehlt, erleich- 
terte sie ihre Untersuchungen auf alle Weise. In den ent- 
legensten, unwirthbarsten Theilen des Reiches fanden die 
Reisenden stets alle Vorbereitungen getroffen, um unver- 
weilt ihre Untersuchungen beginnen zu können; überall 
waren Arbeitskräfte nach Bedürfniss zu ihrer Verfügung 


—- 173 — 


gestellt, und für Communicationsmittel gesorgt, die ihr 
schnelles Fortkommen sicherten. 

So gelang es, in der im Verhältnisse zur untersuchen- 
den Länderstrecke gewiss sehr kurzen Zeit von fünf Jahren 
eine allgemeine Uebersicht zu gewinnen, die nun in den 
oben genannten Werken, die auf Kosten der russischen 
Regierung in London und Paris auf das Prachtvollste ausge- 
stattet erschienen sind, dem Publicum vorliegt. An diese 
allgemeine Uebersicht können sich nun Detail-Untersuchun- 
gen aller Art anschliessen , von welchen unmittelbarer Ge- 
winn in Beziehung auf das Auffinden nutzbarer Fossilien 
zu erwarten steht. Schon jetzt kann man weite Länder- 
strecken bezeichnen, in welchen das Vorkommen der Stein- 
kohlen nicht erwartet werden darf, in denen demnach 
Schürfungen gänzlich zwecklos wären; andere dagegen, 
in denen das Vorkommen von Steinkohlen führenden Ge- 
birgsarten nachgewiesen wurde, können einer näheren Un- 
tersuchung anempfohlen werden. 

Hr. Dr. Hammerschmidt, machte mit Bezug auf die 
von Hrn. Custos A. Martin, am 23. September mitge- 
theilten photographischen Leistungen die Bemerkung , dass 
sowohl die Photographie, als auch die Daguerreo- 
typie, mehr zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet 
werden sollte und könnte, da hierdurch dem Naturforscher, 
welcher nicht selbst zeichnen kann, ein einfaches Mittel 
gegeben ist, von Naturgegenständen sich Abbildungen zu 
verschaffen und selbe zu vervielfältigen, anderer Seits 
aber selbst dem Zeichner durch Richtigstellung der Con- 
turen und eine genaue Darstellung der Grössen - Verhält- 
nisse einzelner Theile zu einander seine Arbeit sehr erleich- 
tert werde. Dass die Anwendung der Daguerreotypie und 
Photographie zur Erreichung von Abbildungen naturwissen- 
schaftlicher Gegenstände möglich und gegeben sei, erläu- 
terte derselbe durch die Vorlage einiger diessfälliger Ver- 
suche. Er legte den Anwesenden eine von ihm bei Re- 
genwetter durch Daguerreotypie erzeugte Abbildung eines 
Farrenkraut- Abdruckes , eines Ammonites Melternichit 
v. Hauer , und eines Blattabdruckes von Ulmus  bi- 
cornis Unger , dann eine mit Hülfe des Mikroskopes 


— 174 — 


mittelst seines bereits früher beschriebenen Apparates er- 
haltene Abbildung eines Dicotyledonen - Stängel - Durch- 
schnittes vor, endlich zeigte derselbe ein durch Hrn. Martin 
nach der von ihm am 28. September hier beschriebenen Me- 
thode erzeugtes negatives, photographisches Bild, nämlich 
eine Abbildung von Ammonites Melternichii und A. debilis, 
von Ulmus bicornis und einem Farrenkraut-Abdrucke. 

Hr. Dr. Hammerschmidt zeigte eine von ihm auf 
dem Wege der Galvanoplastik, von einem Daguerreo- 
typ erhaltene Platte, worauf das Daguerreotyp-Bild auf 
der, der Kupferplatte zugewendeten Fläche als Zeichnung, 
auf der Rückseite aber als Relief erkennbar ist, indem sich 
auf den mit Quecksilber bedeckten Stellen schneller und 
mehr Kupfer niederschlug, als an den andern Stellen. 

Hr. Franz Ritter v. Hauer zeigte eine Reihe von 
Versteinerungen aus dem opalisirenden Muschelmar- 
mor der Gegend von Bleiberg vor. Dieses Gestein ist 
seines prachtvollen Farbenspieles wegen seit langer Zeit 
ein Gegenstand der besonderen Aufmerksamkeit der Mine- 
ralien-Sammler. Er verdankt seinen Glanz zahlreichen Am- 
monitenschalen, die darin mit vielen anderen organischen 
Ueberresten zu einer Breccie vereinigt sind. Es hält sehr 
schwer einiger Maassen vollständige Exemplare aus diesem 
Trümmergesteine loszulösen, und diesem Umstande ist es 
wohl zuzuschreiben, dass seit Wulfen, der im Jahre 1793 
eine eigene „Abhandlung über den kärnthnerischen pfauen- 
schweifigen Helmintolith‘‘ schrieb, sich Niemand mit einer 
genaueren Untersuchung dieser Fossilien beschäftigte. 

Hr. v. Hauer hatte Gelegenheit, bei seiner Anwesen- 
heit in Bleiberg im Laufe des diessjährigen Sommers eine 
grosse Anzahl derselben für das k. k. montanistische Mu- 
seum zu sammeln, noch mehrere aber aus den dortigen 
Sammlungen zur Vergleichung auszuleihen. So wurden ihm 
in Klagenfurt alle Stücke aus der höchst interessanten geo- 
gnostischen Sammlung des Hrn. Franz v. Rosthorn, 
so wie ans der Sammlung des k. k. Oberbergamtes zur 
Untersuchung mitgetheilt; und in Bleiberg erhielt er die 
werthvollsten Beiträge von den Gewerken Hrn. Reichsritter 
von Jacomini, Mühlbacher und Sorger, dann ins- 


— 15 — 


besondere von den Herren k. k. Bergverwalter Berger, 
Pochwerks-, Hütten- und Zeugschaffer Sauper und Prak- 
tikanten Lipold. 

Nach der Untersuchung dieses reichhaltigen Materiales 
ergab sich, dass verhältnissmässig nur sehr wenige Arten 
von Cephalopoden zur Bildung des Bleiberger Muschel- 
marmors beitragen. Es fanden sich: 

Zwei Ammonitenarten und zwar: 

A. floridus, besonders merkwürdig durch die mannig- 
faltigen Formänderungen, welche die verschiedenen Alters- 
stufen dieser Art darbieten, und welche Wulfen veran- 
lassten, sie in vier Species zu sondern, die er Nautilus 
floridus, N. bisulcatus, N. nodulosus und N. redivivus 
nannte. Hierher gehört ohne Zweifel auch der von Phil- 
lips in einer sehr fleissigen uud verdienstvollen Arbeit über 
die Lagerungsverhältnisse in Bleiberg in dem Annales des 
mines 1845 p. 248 angeführte A. opalinus ; 

A. Johannis Austriae v. Klipstein, der sich auch zu 
St. Cassian in Tyrol und Aussce in Steiermark findet; 

Ein Nautilus. Er ist noch nicht beschrieben und er- 
hielt den Nahmen N. Sauperi v. Hauer, zur Erinnerung 
an Hın. Sauper, der seit einer langen Reihe von Jahren 
mit unermündlichem Eifer die geognostischen Verhältnisse 
von Bleiberg studiert hat; 

Zwei Arten von Orihoceras und ein Belemnit,, alle drei 
noch nicht vollständig genug, um die Arten sicher fest- 
zustellen. 

Aus der Untersuchung dieser Fossilien ergibt sich, 
dass der Bleiberger Muschelmarmor derselben Bildung an- 
gehöre, wie die Cephalopoden- Schichten der Gegend von 
Hallstatt, Aussee, Hallein (am Dürrenberg, nicht aber bei 
Adneth) an der Nordseite der Alpen u. s. w.; ein Resultat, 
welches auch durch die übrigen Lagerungsverhältnisse an 
beiden Orten vollkommen bestätigt wird. Eine ausführlichere 
Abhandlung über die hier angedeuteten Gegenstände mit 
den nöthigen Abbildungen wird in den „„Naturwissenschaft- 
lichen Abhandlungen, gesammelt und durch Subscription 
herausgegeben von W. Haidinger,‘“ erscheinen. 


24, Versammlung am 15. October. 


Wiener Zeitung vom 42. November 1846. 


Herr Dr. S. Reissek, Custos-Adjunet am k. k. Hof- 
Naturalien-Cabinete , machte einige Bemerkungen über die 
vor Kurzem in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung‘ be- 
richtete Entdeckung des Deutschen NaturforschersGesner, 
über zwei neue Kartoffelarten, welche derselbe in 
Neufundland wildwachsend angetroffen, und von denen er 
glaubt, dass sie die gemeine Kartoffel vollständig ersetzen und 
zugleich weniger der Ausartung und Fäule ausgesetzt sein 
dürften , als die letztere. Ans der kurzen beigefügten Beschrei- 
bung geht hervor, dass die erstere mit kleineren Knollen ver- 
sehene Art gar keine Kartoffel, sondern vielleicht eine Claylo- 
nia, eine in die Familie der Portulaceen gehörige krautige 
Pflanze, sei. Die zweite Art scheint der Beschreibung zu 
Folge wirklich die gemeine Kartoffel zu sein, ohne Zweifel 
ist sie jedoch in diesem Falle in Neufundland nur verwildert, 
wie überhaupt die Verwilderung und Erhaltung dieser Pflan- 
ze in einem Inselklima viel leichter erfolgt. Ist wirklich 
diese Pflanze unsere gemeine Kartoffel, so dürfte nach 
Herrn Dr. Reissek die Entdeckung derselben und der 
Anbau der davon entnommenen Knollen zur Regenerirung 
der Kartoffel im Allgemeinen und zur Verhütung der Wie- 
derkehr solcher Erscheinungen , wie die vorjährige und heu- 
rige Kartoffelfäule, sich kaum als unbedingtes Hülfsmittel 
bewähren. 

Hierauf wurden einem vor Kurzem in Wien erschie- 
nenen naturwissenschaftlichen Werke unter dem Titel: 
„Kleine Beiträge zur Naturgeschichte der In- 
fusions-Thierchen vonHrn.Dr. Ludwig Schmarda,“ 
von Herrn Dr. Reissek einige anerkennende Worte ge- 
widmet. 

Herr Dr. Hammerschmidt zeigte ein von Herrn 
Cusios Martin erzeugtes negatives und ein davon abge- 
nommenes positives photographisches Bild auf Papier 
eines versteinerten Fisches: Lichia prisca. Ag. vom Monte 


— 11 — 


Bolca, woran mit der Loupe die zartesten Detailzeichnun- 
gen erkennbar sind, daher sich zweifellos herausstellt , dass 
auf diese Weise nach der von Herrn Custos Martin ver- 
öffentlichten Methode, die Photographie mit Erfolg zur 
Darstellung naturwissenschaftlicher Gegenstände benützt 
werden könne. 

Herr Dr. Hammerschmidt legte ferner mit Bezug 
auf die von Herrn Schönbichler in der Wiener Zeitung 
Nr. 234 bekannt gemachte Rechnungsmaschine: ‚„‚Nepe- 
rische Rechnungsstäbe“ vor, welche durch ihre Ein- 
fachheit und durch den Umstand, dass sich Jedermann diese 
Vorrichtung leicht aus Streifen von Kartenpapier selbst 
machen kann, auszeichnen. Da man in der neueren Zeit 
den Rechnungsschiebern grössere Aufmerksamkeit schenkt, 
so dürften diese weniger beachteten Neperischen Rech- 
nungsstäbe bei sehr grossen Multiplicationen durch ihre 
Einfachheit vor manchen zusammengesetzteren Vorrichtun- 
gen sich anempfehlen, 

Herr Dr. Ludwig Schmarda sprach über die 
Adriatische Infusorien-Fauna. Ein in den Mona- 
ten Julius, August und September 1844 an die nördliche 
Küste des Adriatischen Meeres unternommener und 1846 
zur selben Jahreszeit wiederholter Ausflug machte ihn mit 
der Infusorien-Fauna mehrerer Küstenpuncte und einiger 
Stellen von Ober-Italien und Istrien bekannt. 

Im Jahre 1844 untersuchte Herr Dr. Schmarda die 
Umgebung von Triest und Capo d’Istria, die von Venedig 
und die Lagunen bis Chioggia und Brondolo. Die Gesammt- 
zahl der damals beobachteten Formen belief sich auf 113 
Gattungen, von denen 102 in 60 Geschlechtern zu den 
polygastrischen Infusorien, 11 Gattungen in neun Ge- 
schlechtern zu den Räderthieren gehören. 

Die meisten der damals beobachteten Thiere gehörten 
dem Seewasser an, die süssen Gewässer lieferten eine ge- 
ringe Ausbeute. Von den Erstern sind jedoch verhältniss- 
mässig nur wenige ausschliesslich dem Meere eigen, die 
meisten traten sowohl im süssen, als im salzigen Was- 
ser auf. 

Das Meer bot besonders reiche Fundorte au mehre- 

Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I. 12 


— 118 — 


ren Stellen des Hafens von Triest, in den Salinen von 
Capo d’Istria, den aufgelassenen Salinen bei Zaule, im 
Hafen und den Lagunen von Venedig und den Lagunen- 
gräben zwischen Chioggia und Brondolo. 

Von süssem Wasser wurden damals untersucht: Meh- 
rere kleine , zeitweise ganz vertrocknende und eine grös- 
sere Lache in dem an solchen Wasserbehältern sonst ar- 
men Karstgebirge ober St. Bortolo, eine Stunde von Triest, 
die Regenpfützen im Boschetto bei Triest und die bei Muja, 
das Wasser ın den botanischen Gärten zu Venedig und 
Padua, die Gräben zwischen Padua und Monte -Ortone, 
einige stehende Wässer am Fusse der Euganeen und der 
Badschlamm der heissen Quellen von Abano und Monte- 
Ortone. 

Im Sommer 1846 wurden die Untersuchungen an der 
östlichen Küste des Adriatischen Meeres wiederholt und 
erweitert. Es ergab sich -auch hier das interessante Re- 
sultat, zu dem Dr. Schmarda schon bei seinen Beobach- 
tungen in Wien gelangt war, dass gewisse Infusorien zu 
bestimmten Jahreszeiten an demselben Orte sich wieder- 
finden, dass es mithin für die Thierchen eben so Stand- 
orte gebe, wie für andere Thierclassen. 

Zum ersten Male untersucht wurden: Die Salinen von 
Pırano, die Lachen bei Rovigno, die Umgebung von Pola, 
Calisano, im Ungarischen Küstenlande das Wasser in den 
Pfützen des Grobniger Feldes bei Finme,, das von Dreno- 
va, Porto-Re u. dgl., auf den Quarnerischen Inseln die 
Süsswasserlachen zwischen Castel muschio und Veglia und 
das Wasser des Hafens von Cherso. 

Ausser auf den Inseln und an den Küsten wurden auch 
im Innern Istriens Beobachtungen angestellt. Dieses inter- 
essante und in vielen, ja in den meisten und grössten Be- 
ziehungen noch wenig bekannte Land ist für den Natur- 
forscher sehr wichtig. Mehr als Einer könnte hier Beschäfti- 
gung und reiches Materiale zu neuen Arbeiten finden. Das 
Land besteht fast durchgängig aus Berg- und Hügelland 
mit kümmerlicher Baumvegetation. Diess ist einer der Haupt- 
gründe seiner drückendea Wasserarmuth. Es gibt nur we- 
nige Küstenflüsse und kleine Bäche, welche im Sommer 


— 179 — 


fast ganz versiegen; Quellen gehen höchst selten zu Tage 
aus; denn in dem vielfach mit Höhlen durchzogenen und 
zerklüfteten Kalkstein sickern die Gewässer durch. — An 
vielen Orten, besonders in den armen slavischen Dörfern , 
wo nicht einmal Cisternen sind, bilden Regenpfützen von 
bald grösserem, bald kleinerem Umfange die einzigen Was- 
serbehälter. Sie entstehen in den muldenförmigen Vertiefun- 
gen und diese Vertiefungen finden sich in ganz Istrien, in 
ihnen ist die Dammerde durch Wind und Regen angehäuft, 
welche die Trägerin einer üppigen Vegetation ist, die einen 
erfreulichen Gegensatz zu der armen und oft ganz nack- 
ten Umgebung liefert. Diess gilt besonders vom Karste, 
wo diese Vertiefungen (Dollinen) oft die einzigen cul- 
turfähigen Stellen in dem unfruchtbaren Steinmeere sind. 
Sind solche mulden- oder trichterförmige Vertiefungen mit 
einer Lehmschichte bedeckt, dass das Wasser nicht durch- 
sickert, so sammelt es sich nach Regengüssen darin an und 
auf diese Art entstehen eine Menge Pfützen, von denen 
zwar viele im Sommer vertrocknen, diejenigen jedoch, in 
welchen ein grösserer Umkreis seine Abdachung hat, so dass 
die Zuflüsse an Regenwasser bedeutend sind, auch in der 
heissesten Jahreszeit nie ganz leer werden. 

Diese Pfützen liefern an vielen Orten für die Einwohner 
nicht nur das Wasser zum Reinigen der Wäsche und zum 
Bereiten der Speisen, sondern es wird auch zum Trinken 
verwendet und desshalb oft stundenweit herbeigeholt; die 
Noth zwingt dazu; deon in den Dörferu gibt es nirgends 
Brunnen und nicht einmal überall Cisternen. 

Dieses Wasch- und Trinkwasser ist aber nichts weni- 
ger als rein und zum Genusse einladend,, Polumogelon, Ra- 
nunculus aqualilis, Charen und Algen vegetiren sehr üp- 


-pig und ganze Heere von Fröschen, Tritonen, Anneliden, 


von mikroscopischen Crustaceen Di ungeheure Schwärme 
von Infusorien bevölkern dasselbe. Die letzteren besonders 
überwiegen oft in der Art, dass ihre Milliarden das Wasser in 
seinen Eigenschaften ändern und eigenthümliche Trübungen 
und Färbungen desselben bedingen. Am häufigsten wurde von 
Herrn Dr. Schmarda die grüne Färbung beobachtet; so im 
Julius bei Liprzza und Bosowizze, im August bei Pola, Ca- 
e* 


— 180 — 


lisano, Chacole im Grobniger Feld, Porto-Re, Veglia, im 
September bei Valle, Rovigno, Gimino, Pisino u. m. a. ©. 

In den meisten Fällen rührte die grüne Färbung von 
dem grünen Augenthierchen (Euglena viridis) her, einem 
Thierchen, das in ungeheurer Verbreitung und massenweise 
gefunden wird, und das eine bedeutende, aber noch immer 
nicht genug gewürdigte Stelle im Haushalte der Natur ein- 
nimmt. Die von diesem Thierchen bedingte Färbung cha- 
rakterisirt sich durch ein gesättigtes Grün, das Wasser färbt 
Leinwand und Papier grün, und ist oft mit einer grünen 
Haut bedeckt, die eine passive Bewegung hat (unter dem 
Einfiusse der Wärme sich hebt und senkt) und aus abge- 
storbenen Individuen besteht. Wenn sie das Wasser dicht 
erfüllen, theilen sie ihm einen moderigen Geruch mit und 
ändern sogar seine Consistenz, die dann mehr der des Oeh- 
les gleicht. 

Ausser dem grünen Augenthierchen ist auch noch das 
grüne Hüllenthierchen massenweise gefunden worden , doch 
seltener. 

Erwähnenswerth sind uoch die rasenartigen Bildungen 
von Bacillarien, die Herr Dr. Schmarda bei Pirano und 
Cherso beobachtete. Die von Pirano waren gelbgrau und 
schwammen als Inseln von 2 bis 18 Zoll in den Gräben, 
welche die Salinen umgeben. Die im Hafen von Cherso be- 
obachteten waren schwärzlichgrün. 

Die Zahl der im letzten Sommer beobachteten Formen 
beträgt 72 Gattungen Polygastrica in 48 Geschlechtern und 
22 Gattungen Räderthierchen in 15 Geschlechtern. 

Hr. Dr. F. Rossi überreichte eine von ihm verfasste 
Schrift „über neue Arten 'Spinnenthiere (Arach- 
nida) des k. k. Museums‘‘ und knüpfte hieran einige Be- 
merkungen, bezüglich der systematischen Eintheilung die- 
ser Thier - Classe. Vor Allem erklärte er sich gegen jene 
auch anderwärts übliche Methode, welche Gattungen und 
Arten nur nach den Merkmalen eines Geschlechtes (des 
männlichen gewöhnlich) charakterisirt, und sprach seine 
auf mehrfache Untersuchungen basirte Ansicht dahin aus, 
dass bei weitem in den meisten Fällen, in welchen zur 
Aufstellung systematischer Einheiten nur derlei Charaktere 


— 181 — 


angewendet worden sind, ein sorgfältiges Studium des hin- 


.tangesetzten Geschlechtes auch an diesem Merkmale 


entdeckt, welche zur Bezeichnung der betreffenden Gruppe 
tauglich gewesen wären. Er wünschte das gerügte Verfah- 
ren um so mehr beseitigt zu sehen, als die systematische 
Bestimmung weiblicher Thiere dadurch unmöglich, und so- 
mit der Physiologie, welche gerade an diesen Individuen 
die reichsten Beobachtungen macht, das Mittel zur Fixation 
ihrer Erfahrungen benommen wird. Weiterhin machte er 
auf den Einfluss aufmerksam, welchen die Entdeckungen 
von Leon Dufour, Duges und insbesondere jene von 
Monge in Danzig hinsichtlich des Athmungs- Systemes 
vieler echter Spinnen (Aruneida) auf die Systemisirung 
ihrer Classe nehmen müssen. Indem nämlich die genann- 
ten Forscher bei mehreren echten Spinnen-Gattungen aus- 
ser den längst bekannten Lungensäcken auch Tracheen 
aufgefunden haben, wird die bisherige Haupteintheilung der 
Spinnen-Thiere in Pulmonaria und Trachearia ganz 
unhaltbar, ja es dürfte sogar gerathen sein, diesen rein 
anatomischen Eintheilungsgrund , abgesehen von allen an- 
dern Unzukömmlichkeiten einer anatomischen Ulassifica- 
tion des Lebendigen, desshalb fallen zu lassen, weil die 
respiratorische Function jener sogenannten Lungensäcke 
eben durch neue Beobachtungen problematisch geworden 
ist. So werfen z. B., wie Herr Dr. Rossi selbst beobach- 
tet hat, die echten Spinnen ihre Lungensäcke bei jeder 
Häutung vollständig ab, und es erzeugen sich völlig 
neue von gleichem Baue, ein bei Respirations - Organen un- 
erhörter Fall, und taucht man solche Thiere unter Wasser, 
so treten aus den Mündungen dieser Säcke (den Stigmen) 
niemahls Luftblasen, was doch unter gleichen Umstän- 
den bei jedem anderen Luftathmungs- Organe Statt fiudet. 
Auch handelt es sich hier um Thiere, welche beständig in 
einem und demselben Medium — der Luft nämlich — ver- 
harren, und alle Fälle von zweierlei Athmung des Indivi- 
duums, welche das Thierreich aufweist, finden sich nur bei 
Formen, die der Luft und dem Wasser beinahe gleichmässig 
angehören: Eine direete Doppelathmung der Luft, 
wie sie nach der älteren Ansicht hier Statt haben müsste, 


— 182 — 


stellt sich von Seite der Theorie unnütz, von Seite der Er- 
fahrung ohne alle Analogie dar. 

Hr. Dr. Rossi zeigte der Versammlung einen ziemlich 
grossen afrikanischen Skorpion vor, welchen er gegen drei Mo- 
nate lebend beobachtet, deraber während dieser langen Zeit 
alles dargereichte Futter (Spinnen, Fliegen, Mehlwürmer 
u. 8. f.) verschmäht hatte; letzteres wahrscheinlich dess- 
halb, weil ihm die Spitze des Giftstachels im Kampfe mit 
fünf Individuen seiner Art abgekneipt, und er somit zur 
Tödtung der Beute in der Art, wie sie Thiere sei- 
ne r Gattin ausführen, unfähig geworden war. Die- 
ser Skorpion gehört übrigens jener minder giftigen Art an, 
welche der Araber wegen ihrer Vorliebe für salzhaltigen 
Boden Agrab el melch, d. . Salz-Skorpion nennt, 
und die in Ehrenb ers Reisen als Bewohnerin der liby- 
schen Wüste unter der Bezeichnung : ‚„‚Androctonus liby- 
cus“ erscheint. ee 

Schliesslich’ zeigten die Herren Joseph Natterer, 
Adolph Patera und Franz Markus explodirende 
Baumwolle, die sie nach der in den öffentlichen Blättern an- 
gegebenen Methode bereitet hatten, vor. Die Verpuffung 
bei Berührung mit einem glimmenden Holzspan oder durch 
den Schlag mit einem Hammer gelang vollkommen. 


25. Versammlung , am 22. Vetober. 


Wiener Zeitung vom 20. November 1846. 


Herr J. Czjzek gab neue Fundorte der fossi- 
len Fauna im ungarischen Becken an, die er bei 
seinen Begehungen im diessjährigen Sommer auffand, wo- 
bei er jedoch die Bemerkung machte, es mögen diese vor- 
läufigen Notizen einige Forscher veranlassen, die angege- 
benen Localitäten gründlich zu untersuchen und die Lage- 
rungsverhältnisse zu bestimmen, da er grössten Theils 
nicht in der Lage war, bei diesen Fundorten lange 
genug zu verweilen, um eine vollständige Ausbeute machen 
zu können. | 


—_— 153 — 


Von der östlichen Fortsetzung des Rosalien - Gebirgs- 
zuges, dessen Grundgestein aus Glimmerschiefer besteht, 
fliesst der Klein-Angerbach gegen das Dorf Loipersbach 
an der Oedenburger Eisenbahn. Ungefähr eine halbe Stunde 
westlich von Loipersbach brechen in diesem Thale jene 
Sand-, Sandstein- und Geröllschichten zu Tage, welche 
die ältere Braunkohle bedeken. Man sieht hier deutlich die 
von dem Urgebirge abfallenden nördlich verflächenden Sand- 
steinschichten in abwechselnder Lagerung mit Sand- und 
mächtigen Geröllschichten. 

In den Ersteren zeigen sich häufig Kohlentrümmer, und 
darunter konnte Hr. C2jzek einen ganz in Kohle verwan- 
delten Coniferen-Zapfen unterscheiden. 

Aehnliche Geröllschichten, in das Wiener Becken ab- 
fallend, fand er auch bei dem Kohlenbaue Schauerleiten, 
und da die ältere Braunkohle grössten Theils selbst auf dem 
Urgesteine, d. i. auf dem Glimmerschiefer dieses Gebirgs- 
zuges liegt, so dürften wohl diese meist aus Quarz- 
geschieben bestehenden losen Gerölle und die mit vielem 
Glimmer untermengten Sandschichten unter den Tegel fort- 
setzen und somit die untersten. Lagen des Wiener und we- 
nigstens eines Theils des ungarischen Tertiärbeckens ein- 
nehmen. 

Wenn man aus dem vorerwähnten 'Thale, worin der 
Klein-Angerbach fliesst, nördlich über die Höhe gegen 
Rohrbach schreitet, zeigen sich bald tiefe Einrisse, in de- 
nen bereits Tegel ansteht, der ebenfalls nördlich verflächt. 
In diesem etwas sandigen Tegel fand Hr. C2jZ2ek mehrere 
die Badner Tegelschichten charakterisirenden Versteinerun- 
sen, als: Nafica excimia Eichwald , Conus antediluvianus 
Deshayes, Milra elegans Partsch, Pleurofoma bracteata 
Brocchi , Pleurotoma rolata Brocchi, Pleurofloma dubia 
Jan‘, Buccinum badense Partsch, Fusus unbestimmt. 

In diesem Tegel fand er jedoch keine Foraminiferen. 
Schreitet man aber noch weiter nördlich vor bis zur Kirche 
von Rehrbach, so zeigen sich bereits in dem daselbst an- 
stehenden nordwestlich abfallenden Tegel Foraminiferen. 
Herr Czjzek fand darin Dentalina elegans d’Orbigny, 
Denlalina inornala d’Orbigny, Denlalina Adolphina 


— AB 


d’Orbigny, Robulina calcar d’Orbigny , Cristellaria cassis 
Lamarck, Bulimina und Robulina, neue Arten; ferner Ci- 
dariten-Stacheln und Murexdeckeln, wie in Baden, nicht 
aber wie in Nussdorf. 

Noch weiter nördlich an der Eisenbahn nächst Marz 
fand Hr. C2jzek den Tegel ebenfalls mit nordwestlichem 
Verflächen, hier aber so mit Foraminiferen angefüllt, dass 
das Stück , welches er hiervon zur Untersuchung mitnahm, 
fast den zehnten Theil seines Inhaltes an dieser mikrosko- 
pischen Fauna lieferte; er fand darin: Orbulina universa 
aOrbigny, Glandulina? Globulina? Globigerina bulloides, 
Nonionina Boueuna, und noch eine andere, Robulina cal- 
car, Uvigerina, drei Arten, darunter U. pygmea. Buli- 
mina, drei Arten, darunter B. ovala, Texlularia carinalta, 
deperdila, Triloculina consobrina, Quingueloculina® Den- 
talina Adolphina, Dentalina?, Cidariten-Stacheln. 

Noch weiter nördlich bei Mattersdorf im Durchschnitte 
der Eisenbahn, wo die Lagerungsverhältnisse des Tegels 
bereits undeutlich sind, kam eine dünne Tegellage vor, 
angefüllt mit kleinen Individuen von Crassatella dissila 
Eichwald, Donax longa Bronn, Trochus coniformis Eich- 
wald, Cardium. Darüber liegt Löss mit Helix und Suc- 
cinea. 

Weiter im Durchschnitte enthielt der blaue Tegel Car- 
dium, Mylilus,, darüber konnte man eine schwache Lage 
von bituminosem Holz und ober demselben Geröll und Sand- 
schichten mit Östreen bemerken. 

Südwestlich von Mattersdorf an den letzten Häusern 
dieses ausgedehnten Dorfes sind zwei Sandgruben eröffnet. 
Der Sand, durch ein kalkıges Cement theilweise verbunden, 
liefert einige Sandsteine zum Bauen, die höheren Schichten 
dieses Sandes sind mit Gerölle sehr urtermischt, was in der 
oberen kleineren Sandgrube sehr deutlich hervortritt. Diese 
obere ist reichhaltiger an Versteinerungen, obwohl diesel- 
ben grössten Theils nur in Bruchstücken zu finden sind. 
Herr Cz2jzek sammelte darin Turrilella aculangula 
Brocechi, T. Archimedis Brongniart, Nalica eximia Eich- 
wald, Trochus palulus Brocchi, Turbo rugosus Linne, 
Pleuroloma tlubercuwlosa Basterol, Buceinum reliculatum 


— 185 — 


Linne, Cerilhium, unbestimmt, Corbula nucleus Lamarck, 
Cytherea chione Lamarck, Venericardia Jouanelli Bast., 
Peclunculus oblusalus Partsch, Peclen, Ostrea unbestimmt. 

In der unteren Sandgrube sind selbst die Bruchstücke 
sehr gebrechlich; doch war deutlich zu erkennen Ancillaria 
obsolela Parisch, Peclunculus obtusalus Parlsch, Lueina, 
eine neue Art. 

Obschon dieser Fundort nur groben Sand und Gerölle 
enthält, so können doch die genannten Arten am füglich- 
sten mit den Badner Schichten parallelisirt werden; wie- 
wohl der angeführte Zrochus, Peclunculus, und die häufig 
vorkommende Cylherea auf jüngere Schichten deuten. 

Auch die Gegend von Forchtenau und Wiesen ist in 
paläontologischer Hinsicht interessant. Wenn von Forch- 
tenau der sogenannte obere Fahrweg gegen Wiesen, also 
nördlich , verfolgt wird, so gelangt man hinter dem Forst- 
hause bald auf Sandschichten, die mit Tegellagen abwech- 
seln und ein nördliches Verflächen zeigen. Daraus sam- 
melte Hr. Cz2jzek: 

Natica millepunctata Lamarck, Conus fuscocingu- 
latus Brocchi, anltediluvianus Deshayes, Pleurotama dubia 
Jan, Cerithium minulum Serres, Anomia, Aslraea, Am- 
phistegina. - 

Diese Schichten scheinen dem oberen Sande anzuge- 
hören, indem sie sich zwischen die Pötzleinsdorfer und 
Sieveringer Schichten stellen. 

Wenn der vorgenannte Weg bis in das Thal und wei- 
ter gegen Wiesen verfolgt wird, so gelangt man in einen 
Hohlweg, in welchem die Tegelschichten in Betreff der 
Versteinerungen eine auffallende Aehnlichkeit mit der Bad- 
nerFauna zeigen, es fand sich darin: Natica eximia Eich- 
wald, Ancillaria obsolela Partsch, Conus, Milra cupres- 
sina Brocchi, Pleurotoma calafracta Brocchi, lurricula 
Brocchi, Cassidaria echinophora Lamarck, Cancellaria 
conlorla Basierot, Cerithium Bronnü Partsch, Corbulu 
nucleus Lamarck, Venus rugosa Lamarck, Venericardia 
lumida Parisch, Pecten Macovü Dubois, Osirea unbe- 
stimmt, Zurbinolia duodecimcostala Goldfuss. 


— 186 — 


Von Wiesen nordöstlich am Wieserbache fand Herr 
Cijzek in dünnen Schichten Cerithium inconsltans Ba- 
sterot , piclum Basterol , Nerilina in sehr gebrechli- 
chen Exemplaren, weiter abwärts aber am Bache sind 
die nördlich verflächenden Sandschichten mächtiger und 
reich an den eben genannten Cerithien- Arten. Unmittelbar 
darüber, aber scharf getrennt, liegt eine Sandschichte 
ganz angefüllt mit Schalen von Trochus Bouei Partsch, 
coniformis Eichwald, Buccinum baccalum Basterot, Muc- 
ira podolica Eichwald , Crassatella dissila Kichwald, 
Donux longa Bronn, Solen vagina Linne, Venus gre- 
garia Partsch, Cardium vindobonense Partsch, Cardium 
plicatum Eichwald, Mylilus Brardi. 

Diese den Nexinger Schichten sich anreihende Sand- 
schichte ist interessant wegen der scharfen Trennung von 
der darunter liegenden Cerithien Schicht. 

Herr Dr. Moriz Heider sprach über eine besondere 
Eigenschaft der Zahlen. 

Wenn man eine beliebige Reihe von Ziffern nieder- 
schreibt, dann durch irgend eine Permutation derselben 
Ziffern eine andere Zahl bildet und die Differenz beider Zah- 
len sucht, so ist sie stets durch 9theilbar. Hr Dr. Heider 
wies nach, dass diese im ersten Augenblicke überra- 
schende Thatsache durch die Natur des dekadischen Zah- 
len-Sytems wesentlich begründet ist, und führte im Allgemei- 
nen den Beweis, dass in jedem Zahlen-Systeme die Diffe- 
renz zweier durch verschiedene Anordnung derselben Ziffern 
gebildeten Zahlen durch die höchste Ziffer des Systemes 
theilbar sein müsse. So im Fünfer Systeme deren Ziffern 
0, 1, 2,3, A, sind durch # u. s. f. 

Hr. Dr. Hammerschmidt machte äuf die neuesten 
Leistungen in Farbendruck des Herrn A. Hartinger 
aufmerksam, die in der neuesten Zeit in der k. k. Hof- 
undStaatsdruckerei ausgeführt würden, und zeigte den 
Anwesenden ein Bild vor, welches an demselben Tage bei 
Gelegenheit eines Besuches, womit Se.Exc. derk.k. Hr. Hof- 
kammer-Präsident Freiherr von Kübeck diese Anstalt 
beehrte, demselben gewidmet, und zum Beweise der neue- 
sten selungenen Leistungen in diesem Fache vorgelegt 


— 187 — 


wurde. Dasselbe stellt einen Blumenstrauss von Eriken 
und einigen Spielarten der grossen Viola Iricolor maxima 
vor, woran die anwesenden Botaniker vom Fache der na- 
turgetreuen Darstellung und lebendigen Farbenwahl volle 
Anerkennung gaben, während anderer Seits selbst Kunst- 
verständige den Farbendruck nicht erkannten, sondern das 
Bild für übermalt bielten, oder doch wenigstens eine Nach- 
hilfe voraussetzten. 

Hr. Dr. Hammerschmidt bemerkte, dass bei der 
Vorlage so gelungener Proben nach der von Hartinger 
angewendeten Methode die Anwendbarkeit des Farben- 
druckes für naturgeschichtliche Werke sohin ausser Zweifel 
gestellt sei, und legte am Schlusse noch eine Probe einer 
ausgezeichneten typographischen Leistung vor, welche 
aus der k. k. Staatsdruck erei am 22. October bei 
Gelegenheit des oben erwähnten Besuches herverging. Es 
ist diess ein Gross-Folioblatt, worauf in einem Gedichte mit 
Leitern gedruckt, die der Guttenberg-Bibel nachgeahmt 
sind, Empfindungen der innigsten Verehrung ausgedrückt 
sind, und der Wunsch, das Denkmal, welches hier errich- 
tet, sei so dauernd als der Himmel, eine T'ypenschau der 33 
bestehenden Sprachen gewährt. 


26. Versammlung, am 29. October. 


Wiener Zeitung vom 24. November 1846: 


Herr Franz Ritter v. Hauer zeigte Versteiner- 
ungen vor aus der Gegend von Dienten, südwest- 
lich von Werfen im Salzburgischen. Dieser Ort 
liegt äusserst romantisch am Fusse der steilen Wände des 
ewigen Schneeberges; dessen Gipfel von einem Gletscher 
gekrönt ist. Eisenstein-Bergbau macht ihn wichtig für die 
montanistische Welt. Der ewige Schneeberg und die an- 
deren höheren Gebirge gehören dem Alpenkalke an. Im 
Thale findet man Thonschiefer und Grauwacke, die am 
Nordabhange der Alpen als eine weit und mächtig entwi- 
ckelte Formation sich zunächst an die Urgebirge der Zen- 


—_ 188 — 


tralkette anreihen. Nirgends hatte man bisher in diesem 
Gebilde Versteinerungen aufgefunden, die eine sichere Be- 
stimmung zuliessen, und daher war keine Vergleichung mit 
den Uebergangsschichten anderer Länder möglich gewesen. 

Vor etwa zwei Jahren entdeckte der k. k. Hr. 
Bergverwalter J. v. Erlach in Dienten kleine Orthozerati- 
ten und Bivalven in diesen Schichten. Er sammelte sie 
sorgfältigst und theilte Herra v. Hauer, als dieser zur 
Untersuchung der Verhältnisse ihres Vorkommens im .diess- 
jährigen Sommer in die dortige Gegend kam, die interes- 
santesten zur Bestimmung mit. Sie finden sich am häufig- 
sten in der sogenannten Nagelschmidt-Grube, in einer 
durchschnittlich fünf bis sechs Zoll mächtigen Schichte 
eines schwarzen beinahe graphitähnlichen Thhonschiefers, 
der zwischen Spatheisenstein gelagert ist. Der Spatheisen- 
stein selbst bildet unregelmässige, gewöhnlich wenig aus- 
gedehnte Stöcke im Grauwackenschiefer und geht stellen- 
weise in diesen über. Unter ähnlichen Verhältnissen, aber 
seltener, sind sie in der Sommerhalsgrube anzutreffen. 

Die Untersuchung dieser Fossilien, die alle in Schwe- 
felkies verwandelt sind, ergab folgende Arten: Orlhoceras 
gregarium Murch., siyloideum Barrandi, siriatum Sow. 
Alle drei Arten des unvollkommenen Zustandes der Schale 
wegen nur sehr unsicher bestimmt. Cardiola interrupla 
Broderip. (Curdium cornucopiae Goldfuss.) Cardium gra- 
cile Münster, Cardium n. sp. Endlich eine vielleicht neue 
Bivalven-Gattung etwa mit Inoceramus verwandt. So gering 
auch die Zahl der Arten dieser Fossilien ist, so gestatten sie 
doch durch das Auftreten der so charakteristischen, mit voller 
Sicherheit bestimmten Cardiaceen interessante Vergleichun- 
gen. Dieselben Arten finden sich nämlich nach Murchison 
(Silurian System p. 617) in England in den unteren Abthei- 
lungen der sogenannten Ludlow-Schichten, die dem oberen 
silurischen Systeme angehören, nach Gf. Münster in der 
oberen Etage des Uebergangskalkes des Fichtelgebirges bei 
Elbersreuth, der nach den Untersuchungen dieses berühm- 
ten Paläontologen (Beiträge zur Petrefactenkunde IV. p. 
33) wohl auch dem silurischen Systeme angehört; endlich 
nach Barrande (Notice preliminaire sur le Systeme Silu- 


— 189 — 


rien el les Trilobites de Boheme)) in den unteren Schichten 
der obersten Abtheilung der Böhmischen Uebergangs - Ge- 
bilde, die von diesem Autor ebenfalls den oberen silurischen 
Schichten parallelisirt werden. 

Aus diesen Betrachtungen scheint hervorzugehen, dass 
wenigstens ein Theil der sogenannten Grauwäcke. Schich- 
ten der nördlichen Alpen, In zwar wahrscheinlich alle 
spatheisensteinführenden Lager derselben, dem oberen silu- 
rischen System angehören. Ein anderer Theil gehört wahr- 
scheinlich dem devonischen Systeme an. In Dienten selbst 
findet man näher gegen die Kalkwände des ewigen Schnee- 
berges rothgefärbte Schiefer und Sandsteine, und ein Glei- 
ches beobachtet man in der Seeau am Leopoldsteiner - See 
bei Eisenerz, wo in den rothen Schiefern undeutliche Bival- 
ven, darunter Avicula , vorkommen. 

Herr Dr. S. Reissek machte eine Mittheilung über 
die Entwickelungsgeschichte der Flachsfaser 
und ihre Verwandtschaft zu anderen Fasergeweben,, deren 
man sich zur Bereitung verschiedener Zeuge bedient, insbe- 
sondere der Hanf- und Baumwollenfaser. Die Flachs- 
faser ist bekarntlich das Bastgewebe des gemeinen Leines. 
Sie etwickelt sich in folgender Weise: Im sehr jungen Zu- 
stande des Stängels, wo sich die Zwischenknoten erst zu 
bilden beginnen , und die Blätter in der Entfaltung eben be- 
griffen sind, besteht der ganze Stängel aus ziemlich gleich- 
förmigen, mit Chlorophyll angefüllten Zellen, und die vier 
eharakteristischen und abweichend gebauten Schichten des 
ausgebildeten Stängels sind hier noch nicht von einander 
geschieden. Nach und nach tritt diese Scheidung und Aus- 
prägung der Schichten ein, es bildet sich Rinde, Bast, 
Holz und Mark. Der Bast besteht aus einer bis drei Laer 
sehr lang gestreckter röhrenförmiger der Stammrichtung 
parallel im Gewebe verlaufender Zellen, Diese sind anfangs 
dünnwandig und chlorophylihaltıg, nach und nach löst Sich 
das Chlorophyll auf, aus dem fhiseigen Inhalte schlägt sich 
eine feste secundäre Ablagerung an die Innenwand der 
Zelle nieder ,„ sofort eine zweite, dritte und vierte, so dass 
dadurch tdie Höhlung der Zelle fortwährend verkleinert wird, 
und zuletst nur mehr ein geringer, zur ursprünglichen Höh- 


— 190 — 


lung im Verhältnisse wie 1:10 stehender Raum zurückbleibt. 
In diesem Zustande ist die Bastzelle und mit ihr das ganze 
Bastgewebe des Stängels ausgebildet. Die Veränderungen, 
welche dasselbe bei der Röste und der darauf folgenden 
Trennung von den umgebenden Schichten des Holzes und 
der Rinde erleidet, so wie bei der Bereitung vonLinnen und 
Papier sind nur mechanische. 

Auf gleiche Weise, wie die Flachsfaser, entwickelt 
sich auch die Hanffaser. Auf eine wesentlich gleiche Weise 
wie dieselbe bildet sich auch, was die secundären Ablager- 
ungen an der Innenwand betrifft, die Baumwollenfaser aus. 
Diese ist bekanntlich ein Samenhaar der Baumwollsträucher. 
Die Unterscheidung zwischen Flachs - und Baumwollfaser 
ist durch das Mikroskop bei einiger Uebung nicht sehr 
schwierig. Die Flachsfaser hat einen gleichförmigeren Durch- 
messer, durch Reagentien leicht deutlich zu machende 
mehrfache secundäre Ablagerungen an der Innenwand der 
Bastzellen, und ein sehr geringes oft verschwindendes Lu- 
men zwischen diesen Ablagerungen. Die Baumwollfaser 
im Gegentheile zeigt eine einfache Ablagerung an der Innen- 
wand der Zelle und ein weiteres Lumen derselben. 

Herr Franz Ritter v. Hauer legte den Anwesen- 
den eine Mittheilung von Herrn Reinhold Freiherrn v. 
Reichenbach vor über den Ursprung des Ammo- 
niaks. 

Nothwendiger Weise müssen eher als alle Vegetation, 
überhaupt eher als alles organische Leben auf der Erdober- 
fläche die materiellen Bestendtheile vorhanden gewesen sein, 
welche als die räumlichen Träger dieses Lebens erscheinen, 
wozu bekanntlieh verschiedene Mineralsubstanzen gerechnet 
werden, ferner Kohlensäure, Wasser, endlich auch Ammoniak. 

Was nun das Ammoniak betrifft, so scheint es zwar 
noch nicht völlig ausgemacht, ob es unmittelbar und allein 
dazu dient, der Vegetation den erforderlichen Stickstoff zu 
liefern, oder ob es zuvor theilweise oder ganz in Salpeter- 
säure übergehen muss, um jene Function zu übernehmen. 
Wenigstens ist das letztere nieht gerade unwahrscheinlich , 
wenn man die so günstige Einwirkung betrachtet, welche 
der freie Zutritt von Sauerstoff zu den Gemengtheilen des 


— 191 — 


Bodens auf alles Wachsthum äussert. Hier aber genügt es 
vorläufig zu bemerken, dass der Pflanzenwelt ihr Stickstoff 
in vielen, vielleicht allen Fällen durch salpetersaure. Ver- 
bindungen eben sowohl zugeführt werden kann, als durch 
Ammoniaksalze. 

Man kennt kein natürliches Mineral an der äusseren 
Erdschicht , welches Ammmoniak enthält, es wäre denn der 
Salmiak, der aus einigen Vulkanen sublimirt wird. Allein 
von diesem ist wohl sehr zu bezweifeln, dass er ein ur- 
sprüglicher Bestandtheil der Erdrinde sei, da er mit Grund 
als ein neueres Product der vulkanischen Processe selbst 
in Anspruch genommen werden darf. Denn die Hitze der 
aus der Tiefe aufsteigenden Dämpfe, welche in Folge von 
Zersetzung des eingedrungenen Meerwassers bei Berüh- 
rung mit glühend flüssigen kieselhaltigen Mineralien immer 
salzsaure Gase mit sich führen werden, entwickelt noth- 
wendig auch etwas Ammoniak aus Kalkschichten, an wel- 
chen sie ihr Weg vorüberführt, und welchen organische 
Reste selten fehlen. So erklärt sich die Salmiakbildung 
auch in diesem Falle, ohne der Behauptung zu widerspre- 
chen, dass das Ammoniak nirgends als anorganischer, d.h. 
ursprünglicher Bestandtheil der festen Erdrinde angetroffen 
werde, sondern überall erst als Product der Zerstörung or- 
ganischer Wesen erscheine, dass das organische Leben 
selbst also seine eigentliche und einzige Quelle sei. 

Gehen wir nämlich zurück auf die frühesten Zustände 
der Erdoberfläche , so ergibt sich das Entstehen und Beste- 
hen des Ammoniaks in denselben überhaupt und durchaus als 
eine Unmöglichkeit, wenigstens in dem Falle, als man die 
Ansicht zulässt, welche wohl immer die entscheidendsten 
Gründe auf ihrer Seite behalten dürfte, dass die Erde, zu- 
mahl an ihrer Oberfläche, einst eine sehr hohe Temperatur 
besessen haben müsse, wovon die jetzigen Vulkane nur 
die letzten Ueberreste, jedoch sprechende Zeugen sein 
mögen. Bei einer solchen "Temperatur aber, welche den 
feurigen Fluss der schwerschmelzbarsten Mineralien bewirkt 
hat, konnten Wasserstoff und Stickstoff, wenn auch gleich- 
zeitig vorhanden, niemals zu Ammoniak zusammentreten, 
vielmehr ‚hätte solches allen Kenntnissen zu Folge, die wir 


—_- 192 — 


von seinen Eigenschaften besitzen, zuverlässig in diese 
seine Elemente wieder gänzlich zerfallen müssen, wäre es 
je vorher schon einmal gebildet vorhanden gewesen. Aber 
auch später während des nachfolgenden langsamen Abküh- 
lungs - Processes hatte es nie mehr Gelegenheit aus seinen 
Elementen unmittelbar sich zu bilden und erst in Folge 
des begonnenen organischen Lebens schen wir es auf- 
treten, obgleich für das letztere die Aufnahme von Stick- 
stoff eine Vorbedingung war, welcher die blosse Gegen- 
wart des freien athmosphärischen Stickstoffgases bekannt- 
lich nicht Genüge leisten kann. 

Somit sieht man sich offenbar gezwungen, für die Ent- 
wicklung der ersten Vegetation auf der Erdoberfläche eine 
andere Quelle des Stickstoffes aufzusuchen, als das Ammo- 
niak, welches vor ihr selbst nicht zugegen sein konnte, 
und wir finden sie, wenn wir mit obiger Ansicht vom Ur- 
zustande der Erdrinde einige andere Erfahrungen in Ver- 
bindung setzen, welche die Wissenschaft geliefert hat. 

Jene in der Urzeit muthmasslich sehr hohe Temperatur 
der Erdmasse und der obersten Schichten besonders muss 
eine Ursache gehabt haben, welche nicht wohl im Raume 
ausser ihr gelegen oder irgend mechanischer Art gewesen 
sein kann , sondern sie ist in ihrer eigenen inneren, d.h. 
chemischen, Thätigkeit zu suchen. Wir nehmen an, dass 
in Folge allmähliger Annäherung und Berührung heterogener 
Urelemente nach chemischen Gesetzen allgemeine Verbin- 
dungsprozesse eingeleitet wurden, welche die gegenwär- 
tige Zusammensetzung und Beschaffenheit der Erdoberfläche 
herbeigeführt haben. Unter den verschiedenen hier vorge- 
gangenen Bildungs-Thätigkeiten haben wir aber für das 
vorliegende Problem nur diejenige näher ins Auge zu fas- 
sen, welcher das Wasser seine Entstehung verdankt. In- 
dem nämlichen Wasserstoffgas und Sauerstoffgas, gemengt 
unter andern mit wenigem Stickstoffgas, unter grosser Wär- 
meentbindung zu Wasserdampf sich vereinigten, musste 
allen unsern Erfahrungen zu Folge eine zwar geringe, je- 
doch keineswegs verschwindende Menge von Salpeter- 
säure gleichzeitig mitgebildet werden, welche sofort spä- 
ter sammt dem Wasser niedergeschlagen, aber bald an 


— 193 — 


vorhandene Erdbasen des Bodens Kalk, Kali etc. gebunden 
wurde. 

In Folge dieses gesammten Hergangs musste also das 
Meerwasser der Urzeit zwar eine Spur kaum von salpeter- 
sauren Salzen gelöst enthalten, welche gleichwohl dazu 
gedient haben kann, einer beginnenden unterseeischen 
Thier- und Pflanzenwelt Jahrtausende lang allen zu ihrem 
Werden nöthigen Stickstoff zu liefern. Weil aber auf sol- 
che Weise die Entziehung der erwähnten Salze eben so 
lange ununterbrochen “fortdauerte, ohne dass irgend ein 
entsprechender Ersatz dafür geleistet worden wäre, so 
würde hieraus wohl begreiflich, wenn dem heutigen 
Meerwasser salpetersaure Verbindungen unter seinen lösli- 
chen Bestandtheilen gänzlich fehlen: denn die Wiederzer- 
setzung der gebildeten organischen Körper erzeugte im 
Wege von Fäulniss- und Verwesungs-Prozessen zunächst 
immer nur Ammoniak und seine Salze, denen somit ihr er- 
ster Ursprung gegeben ward, während deren Rückgang 
in Salpetersäure nur ausserhalb des Wassers in Berührung 
mit Erde und Luft vor sich gehen konnte. — Wenn nun 
sonst die Salpetersäure als letztes Product einer ünterge- 
gangenen Generation von Organismen sich darstellt, so 
erscheint sie hier zunächst dem Anfangspuncte einer neuen, 
im Einzelnen wie im grossen Ganzen; 

Herr Professor Dr. Schrötter theilte die Resultate 
einer chemischen Analyse eines Kalkspathes vom 
Rathhausberg in Salzburg mit, die einer seiner Schüler, 
Hr. v. Siemianovsky, im Laboratorio des k. k. polytech- 
nisches Institutes ausgeführt hatte. Es wurden gefunden: 

Kohlensaures Eisen-Oxydull Fe 0,C0, = 1. 10, 

„ Mangan-Oxydul Mn®, CO, = 13. 36, 
PR Kalkerde Ca0, CO, = 8. 83. 

Es ist dieselbe Varietät, welche in einer Art Granit 
eingewachsen, die deutlichen zwillingsartigen Zusammen- 
setzungen parallel den Flächen des nächstflacheren Rhom- 
boeders '/,R‘ der Kalkspathreihe zeigt, und eine grosse 
Aehnlichkeit mit dem steiermärkischen Ankerit besitzt. 

Herr Professor Dr. Schrötter knüpfte an die Betrach- 


tung dieser Zusammensetzung interessante Bemerkungen 
Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I. 13 


— 194 — 


über die chemischen Verschiedenheiten, die innerhalb den 
Grenzen einer nach äusseren Merkmalen abgeschlossenen 
Species möglich sind. 

Herr Dr. Hammerschmidt übergab eine Abhandlung: 
Beschreibung einiger Oxyuris-Arten, als Beitrag 
zu den von Herrn Bergrath Haidinger herauszugeben- 
den ‚‚naturwissenschaftlichen Abhandlungen.“ 


— 195 — 


II. Spezielle Mittheilungen. 


1. Ueber die Natur des kürzlich in Klein - Asien vom Himmel 
gefallenen Manna. 


Von Dı. S. Reissek. 


Wiener Zeituiig vom 7. März 1846. 


D.r Courier de Constanlinople vom 24, Jänner d. J. 
und nach ihm: die meisten Deutschen Zeitungen brachten die 
Nachricht von einem Mannaregen, welcher zu Anfang 
dieses Jahres in dem Distriete von Jenischehir in Klein- 
Asien, so wie in den benachbarten Bezirken , nachdem schon 
grosser Mangel an Lebensmitteln geherrscht hatte, niederfiel, 
Dieser Regen dauerte durch einige Tage, das Manna fiel 
in Stücken von der Grösse einer Haselnuss in bedeutender 
Menge. Es wurde vermahlen und zu Brot verbacken,, wel- 
ches dem Getreidebrote nichts nachgab. Nach dem Jour- 
nal de Constantlinople vom 26. Jänner, wurde dieses Phä- 
nomen auch im Frühjahre 1841 zu Wan unter gleichen Um- 
ständen beobachtet. Damals fiel die Substanz in einer stau- 
nenswerthen Menge, so dass der Boden 3bis4 Zoll hoch da- 
mit bedeckt wurde. Sie hatte die Grösse eines starken Ha- 
gelkornes, eine grauliche Farbe und ziemlich angenehmen 
Geschmack, Das daraus bereitete Mehl war sehr weiss, gab 
jedoch ein nur wenig schmackhaftes Brot. 

Wir sind in der Lage genügende Aufklärung über diese 
merkwürdıge Erscheinung zu geben, und den Schleier des 
Wunderbaren , welcher sie deckt, zu lüften. 

Dieser Mannafall ist nicht der erste und wird nicht der 
letzte sein, er wird sich, wie man mit Sicherheit schliessen 
darf, noch oft wiederholen. So weit bestimmte Nachrichten 

13* 


— 196 — 


reichen , wurde derselbe 1824 in Persien unter gleichen Ver- 
hältnissen wie heuer beobachtet. Im Jahre 1828 wurde dem 
Minister der auswärtigen Angelegeaheiten zu Paris von dem 
französischen Consul in Persien eine Substanz zugeschickt, 
mit der Bemerkung, dass selbe zu Anfang des Jahres 1828 
in Persien vom Himmel gefallen, und von den Eınwohnern 
für Manna oder Himmelsbrot gehalten worden sei. Diese 
Art Manna fand sich in so grosser Menge, dass der Boden 
eine grosse Strecke weit damit ganz bedeckt war. An eini- 
gen Orten lag sie 5—6 Zoll hoch. Die Herden, besonders 
die Schafe, haben sich reichlich ven diesem merk würdıgen 
Erzeugniss nähren können. Man hat Brot daraus bereitet, 
welches als Nahrung für die Menschen gebraucht werden 
konnte. Diese Substanz ist von Thenard der Akademie 
vorgelegt worden, und von Desfontaines für eine Art 
von Lichen erkannt worden. Man äusserte sich überein- 
stimmend, dass diese Flechte sich irgendwo in grossen 
Massen finden müsse, und wahrscheinlich vom Winde an 
den Ort geweht wurde, wo man ihr plötzliches Erscheinen 
bemerkte. (Froriep Notiz. 1828, no. 466, p. 55. — Vergl. 
auch Goeppert über Getreide- und Schwefelregen, p. 22.) 

In demselben Jahre beobachtete Parrot auf seiner 
Reise in Persien einen solchen Mannaregen. Er brachte 
Exemplare der Mannaflechte nach Europa, und sie wurde 
von Göbel chemisch untersucht. (Schweigg. Journ. f. 
Chem. u. Phys. 1830. Bd. III. Hft. 4.) Derselbe äussert 
sich darüber p. 393 folgender Massen: 

„Herr Collegienrath Parrot übergab mir diese Flech- 
ten zur Untersuchung mit der Bemerkung, er habe hier 
eine Substanz von seiner Reise zum Ararat mitgebracht, 
welche zum Anfange des Jahres 1825 in einigen Distrieten 
Persiens 5 — 6 Zoll hoch herabgeregnet, und von den 
dortigen Einwohnern gegessen worden sei, sie scheine ıhm 
organischen Ursprungs zu sein.‘ 

„Die Resultate der chemischen Untersuchung gaben mir 
die Ueberzeugung, dass ich entweder eine Flechte , oder 
sonst ein krankhaftes unvollkommenes Pflanzengebilde unter 
sucht hatte, welches vielleicht durch elektrische Winde seinem 
Standorte entführt, und an entfernten Orten wieder abge- 


— 197 — 


setzt war, so wie Parrot berichtete, sie sei herabgereg- 
net. Um nun darüber mehr Aufschluss zu erhalten, legte ich 
sie Herrn Professor Ledebour vor. Dieser erkannte sie für 
Purmelia esculenta, und sagte mir zugleich, dass er diese 
Flechte auch auf seiner Reise in der Kirgisensteppe und 
überhaupt im mittleren Asien häufig auf einem todten leh- 
migen Boden und auf nackten Felsenriffen angetroffen 
habe.‘ 

„Mag sie nun auf die eine oder andere Weise in Per- 
sien plötzlich sichtbar geworden sein, so bleibt sie immer- 
hin wegen ihres grossen Gehaltes an oxalsaurem Kalke 
und wegen Abwesenheit aller übrigen, sonst in diesen Ge- 
wächsen vorkommenden salzigen und erdigen Bestandtheile 
merk würdig:** 

Eben daselbst pag. 390 folgt die chemische Analyse 
dieser Flechte. „Die Purmelia esculenta enthält in 100 
Theilen: 

1,75 Chlorophyll haltendes Weichharz von kratzendem Ge- 
schmacke, 
1,75 geruch- und geschmackloses Weichharz , 
1,00 einer in Weingeist und Wasser löslichen,, bitter 
schmeckenden Substanz , 
2,50 Inulin, 
23,00 Gallerte, 


3,25 Flechtensäure , 
65,91 oxalsauren Kalk. 


99,16 

Diese Parmelia esculenta, wofür Ledebour das 
Manna erkannte, ist eine Flechte, welche wir zuerst durch 
die Reisen Pallas 1768 und 1769 unternommen, kennen 
lernten. Pallas fand sie in grosser Menge in den Tarta- 
rischen und Kirgisischen Steppen zwischen dem Caspi- 
schen und Aral - See. In Band III. pag. 760, Nr. 138 
tab. J. Fig. 4, gab er eine Beschreibung und Abbildung 
derselben. Sie wird von den dortigen Bewohnern geges- 
sen, worauf auch der Russische Name ‚‚Semijenoi Chleb“ 
hinweist, 

Später wurde diese Mannaflechte auf ihrem natürlichen 
Standorte von Ledebour, am genauesten aber von 


— 198 — 


"Eversmann, Professor zu Kasan, beobachtet. Letzte- 
rer unterscheidet in einer Abhandlung über diese Flechte 
(Nov. Act. Acad. nat. curios. 1831. vol. XV. ‚‚In Liche- 
nem esculentum Pallasü el species consimiles adversaria“) 
drei Arten, welche alle in den Steppen an der Ostseite 
des Caspischen Sees und weiterhin in Central-Asien wach- 
sen, und sich bis in das nördliche Persien ziehen. Die 
Flechte hat die Grösse einer Bohne, Haselnuss oder Wall- 
nuss, ist aber meist von unregelmässiger Gestalt, von 
bleigrauer oder weisslichgrauer Farbe, auf der Oberfläche 
lederartig und warzig, im Innen dicht und mehlig. Sie hat 
oft das Ansehen einer Himbeere oder Maulbeere, und viel 
Aehnlichkeit mit einer, auch bei uns wachsenden Flechte, 
woraus gegenwärtig der meiste Lackmus gewonnen wird 
(Parmelia tartarea), nur sind die Stücke mehr abgerundet 
und compact. 

Die Mannaflechie wächst auf trockenem, steinigem 
Boden, und hat die Eigenthümlichkeit, dass sie nicht wie 
andere Pflanzen an den Boden angeheftet ist, sondern ganz 
frei liegt, und mit ihrer Oberfläche die Nahrung aufsaugt. 
Sie wird desswegen vom Winde sehr leicht fortgeführt, und 
'in den Niederungen streckenweise oft schuhhoch . angehäuft. 
- Da aber der Wind oder Sturm in den ebenen Steppenge- 
genden, wo er über die Fläche. widerstandlos fortweht, eine 
_ weit grössere Stärke erlangt, als in Hügel- und Bergge- 
genden, wird es erklärlich, wie grosse Mengen dieser Flech- 
ten meilenweit fortgeführt und an Orten abgesetzt werden, 
wo die Flechte sonst nicht vorkommt. So entstehen . die 
Mannaregen.. So weit unsere Nachrichter über den Manna- 
fall reichen, hat sieh derselbe immer zu Anfange des Jahres 
gezeigt, so 1824, 1828, 1841, 1846, also zu einer Zeit wo 
die Stürme in jenen Gegenden mit verstärkter Kraft thätig 
‚sind, wo der Boden von "der Pflauzendecke entblöst ist, und 
daher die kleinen losen Flechten um desto leichter fortge- 
führt werden können. Ferner ist der Mannaregen nur in 
Klein-Asien und Persien bisher beobachtet worden , also in 
Landstrichen, welche jenen, we die Flechte wächst, zu- 
nächst liegen. 


— 19 — 


Aus Allem, was wir über das Vorkommen der Manna- 
flechte und die Beschaffenheit der Landstriche wissen, ist 
zu schliessen, dass sich die Mannaregen noch oft wieder- 
holen werden. Ja es wäre höchst auffallend , wenn sie sich 
nicht wiederholten, da doch verwandte Erscheinungen in 
unseren Gegenden fast jährlich wiederkehren, wie z. B. 
Schwefelregen, die durch den fortgewehten und später nie- 
dergeschlagenen Blüthenustaub der Fichten und Kiefern ent- 
stehen. 

Dass die Mannaflechte essbar und nahrhaft sei, kann 
nicht auffallen. Mehrere Fiechten, so z. B. das Isländische 
Moos (Kramperlthee) werden im Norden vermalen und 
'zu Brot verbacken. Die Geniessbarkeit und Nahrhaftigkeit 
der Mannaflechte erklärt sich aus der vorstehenden chemi- 
schen Analyse. Sie enthält nämlich 23 pCt. Gallerte und 
2'/, pCt. Inulin, also eine bemerkenswerthe Menge nahr- 
haften Stoffes. Was aber ihre Geniessbarkeit hauptsäch- 
lich bedingen mag, ist der geringe Gehalt an bitterem Ex- 
tractivstoff, 1 pCt., welcher Stoff sonst bei den Flechten 
reichlicher vorhanden, und die Hauptursache ihrer geringen 
„Anwendbarkeit zur Nahrung für den Menschen ist, indem 
die auf seine Entfernung verwendeten Kosten durch den 
Werth des rückbleibenden Nahrungsstoffes nicht gedeckt 
werden. 

-Ob das Manna der Israeliten. die Männaflechte gewe- 
sen sei, oder nicht, ist nicht mit Bestimmtheit zu entschei- 
den. Leicht möglich, dass eine spätere Zeit und eine fort- 
geschrittene Wissenschaft diesen Punct aufklären. Unwar- 
scheinlich wenigstens ist es nicht, dass die Mannaflechte 
durch Stärme bis in jene Gegenden gebracht werde, wel- 
che die Israeliten durchwanderten. Möglich auch, dass sie 
viel näher als in-den angeführten Steppengegenden wachse. 
Nach den Untersuchungen von Ehrenberg soll das 
Manna der Israeliten der erhärtete Saft einer Tamariske 
‚ (Tamarix gallica mannifera) sein, welcher durch den 
Stich eines Coccus aus den Aesten ausfliesst. Diess zu- 
gegeben, ist es jedoch mit der Beschreibung der Schrift, 
der zu Folge das Manna vom Boden, den es überdeckte, 
aufgelesen wurde, mit der Menge, in welcher selbes fiel, 


— 200 — 


und mit der Nahrhaftigkeit die es hatte, schwer vereinbar, 
dass dieselbe eine auf diese Weise abgesonderte Materie ge- 
wesen. Dieser Punct würde sich durch die Mannaflechte und 
die bisher beobachtete Art des Falles derselben hinreichend 
erklären. Anderer Seits spricht auch die Art ..des heuri- 
gen Mannafalles, welcher durch mehrere Tage anhielt, 
dafür. 


2, Ueber den Mannaregen. (Nachtrag) 
Von Dr. S. Reissek. 


Wiener Zeitung vom 5. April 1846. 


In der Wiener Zeitung vom 7. März wurde über die 
Natur des im Jänner d. J. in Klein-Asien gefallenen Manna, 
so wie über frühere historisch genauer hekannte Mannafälle 
Nachricht gegeben, und bemerkt, das Manna sei eine 
Flechte, welche in den caspischen und aral’schen Steppen 
wachse, und durch Stürme weithin fortgeführt und später 
niedergeschlag®n werde, was auch die Ursache ihres heuri- 
gen Falles in Klein-Asien sei. Zugleich wurde die Man- 
naflechte als eine längst bekannte Art, Parmelia esculenla, 
bezeichnet. Zur Zeit, als die Nachricht erschien, waren 
noch keine Proben des heuer gefallenen Manna nach Wien 
gelangt. Jetzt besitzen wir solche. Nach Vergleichung 
zahlreicher Stücke, welche ich durch Hrn. Prof. Endlicher 
erhielt, mit den vorhandenen Abbildungen und Beschrei- 
bungen der Purmelia esculenta, ist kein Zweifel mehr, 
dass das Manna wirklich diese Pflanze seı, und zwar eine 
Spielart mit mehr körniger Oberfläche, welche Hr. Evers- 
mann Lecanora affinis genannt, und 1831 in den Ab- 
handlungen der L. C. Akademie der Naturforscher vor- 
trefflich abgebildet hat. 

So weit die Thatsache. Ich kann nicht umhin, hier 
die Ansicht, welche zum Theil auch schon ein ausgezeich- 
neter Naturforscher ausgesprochen und die vielleicht Man- 


— 201 — 


chem gegründet schiene, zu berühren, dass nämlich die 
Mannaflechte innerhalb einer Nacht hervorschiessen könne, 
und dann des Morgens ausgebildet auf dem Tags zuvor 
nackten Boden zu treffen sei. Diese Ansicht ist durchaus 
falsch. Die Anatomie der Flechte gibt den klarsten Be- 
weis, dass sie wenigstens Monate zu ihrer Ausbildung be- 
dürfe. 

Weder zu Constantinopel noch an andern, der Gegend 
des Falles näher liegenden Orten scheint Jemand die Natur 
des Manna erkannt zu haben. Diess beweisen wenigstens 
‚wiederholte Correspondenzen. Es drängt sich bei dieser 
Wahrnehmung jedem Freunde der Wissenschaft und Bil- 
dung der Wunsch auf, es mögen, wenn schon nicht allge- 
‚mein, doch wenigstens die Orientalisten dortiger Gegend 
ihr Augenmerk mehr der Natur und ihren Erscheinungen zu- 
wenden, als es bisher geschehen zu sein scheint. Der 
Mensch, sein Streben und Wirken wurzelt in der Umge- 
bung. Wenn schon beim civilisirten, um wie viel mehr 
beim Naturmenschen bietet diese den Schlüssel zu seiner 
Geschichte! 


3. Ueber die bei der Bohrung des artesischen Brunnens im 
Bahnhofe der Wien-Raaber Eisenbahn in Wien durchfahrenen 
Tertiär-Schichten. 


Von Franz Ritter v Hauer. 
Wiener Zeitung vom 11. April 1846, 


Die geognostische Constitution des Wiener Beckens ist 
durch die umfassenden Arbeiten vieler Naturforscher in all- 
gemeinen Umrissen schon längst hekannt. So weiss man, 
dass die gesammten Thon-, Kalkstein - und Nandschichten, 
welche das Donauthal in unserer Gegend bis zu bedeutender 
Tiefe ausfüllen, und die auch bis zu einer ansehnlichen 
Höhe an den Abhängen der dasselbe begrenzenden Gebirge 
angetroffen werden, den Mittel-Tertiär, oder Miocen-Bil- 
dungen zugezählt werden müssen, und eben so ist eine be- 


— 202 — 


trächtliche Anzahl der in diesem Becken so häufig vorfindli- 
chen organischen Reste mit grosser Genauigkeit untersucht 
und bestimmt. Die Vertheilung der Fossilien jedoch und 
im Allgemeinen die Sonderung der ganzen Formation in 
einzelne Gruppen wird noch Gegenstand vielfältiger Un- 
tersuchungen sein, die, da wohl die Gliederung jedes Ter- 
tiär-Beckens eigenihümliche Verhältnisse darbietet, auch ein 
vorzugsweise locales Interesse haben. 

Die gegenwärtige Mittheilung hat die Resultate einer 
kleinen derartigen Untersuchung zum Gegenstand, die, 
wenn auch nur über einen Theil der gesammten Schichten- 
folge des gedachten Beckens ausgedehnt, doch vielleicht 
manche nicht unwichtige Beziehungen erkennen lässt. 

Unter der Leitung der Herren Ingenieure v. Halber- 
stadt und Müller, wurde von der Direction der k. k. 
privil. Wien-Raaber Eisenbahn-Gesellschaft in dem Bahn- 
hofe zu Wien ein artesischer Brunnen bis zur Tiefe von 
108 Klaftern niedergebracht, und dabei nicht nur ein ge- 
naues Bohr-Journal, welches die Mächtigkeit der einzel- 
nen durchfahrnen Gebirgsschichten ersichtlich macht ge- 
führt, sondern auch das aus den verschiedenen Tiefen em- 
pürgehiobene Bohrmehl sorgfältig aufbewahrt, nnd später- 
hin auf Ansuchen des k. k. Bergrathes W. Haidinger 
dem k. k. montanistischen Museo (samt allen bezüglichen 
Nachweisungen) zur‘ Untersuchung übergeben. 

Die Ergebnisse derselben lassen sich in zwei Abthei- 
lungen bringen: erstlich in Beziehung auf. die Gesteinsbe- 
schaffenheit, zweitens in Beziehung anf die üingeselhene- 
nen organischen Reste. 

Die ganze durchfahrene Schichtenfolge besteht aus ab- 
wechselnden Lagen von Thon (Tegel‘, Sand und Schotter, 
die in sehr ungleicher Mächtigkeit aufeinander folgen. Die 
grössten Massen bildet der Thon, er ist blau, bisweilen 
gelbgrau gefärbt und stets mit etwas Sand verunreinigt. 
Hauptsächlich von dieser Verunreinignng hängt es ab, ob 
er mehr oder weniger plastisch ist. Nicht selten finden 
sich in ihm Krystalle von Eisenkies eingewachsen. Be- 
sonders mächtig sind die Schichten sub Nr. 14 und 51 des 
Bohr-Journales, erstere beginnend in einer Tiefe von 26 


’ 


— 203 — 


Klaftern mit 12° die andere in der 83sten Klafter begin- 
nend mit 13°. 

In untergeordneten Lagen zwischen dem Tegel tritt 
Sand und Schotter auf. Ersterer besteht aus grössten- 
theils abgerundeten Quarzfragmenten von weisslich grauer 
Farbe, letzterer wird gebildet durch abgerundete Gerölle 
von Wiener-Sandstein; wenigstens bestehen alle mitge- 
theilten Stücke ohne Ausnahme aus diesem Gestein Auf 
diesem Wechsel von für Wasser undurchdringlichen Thon- 
‚lagen mit den lockeren Sand- und Schotterschichten be- 
ruht bekanntlich die Möglichkeit emporqnellendes Wasser 
zu erreichen, und bis zur Tiefe von 105° kam man in der 
That mehrere Male auf solches. Zum ersten Male kam man 
‚auf Wasser in der Tiefe von 26°, diess war jedoch blosses 
Seihewasser ohne Springkraft. Schon stark »ufsteizende 
Quellen wurden in 63° und 75° Tiefe erbohrt. In der Tiefe 
von 100 Klaftern endlich erreichte man eine Quelle, die 
bis zu Tage aufsteigendes Wasser lieferte. Zugleich mit 
dem Wasser entströmten dem Boden aus dieser Tiefe mit 
grosser Heftigkeit Gase, die an der Mündung des Bohrlo- 
ches angezündet, mit weisser an den Rändern blaulichter 
Flamme fortbrannten und nach Herrn Prof. Schrötter’s 
‚Untersuchung im wesentlichen aus Kohlenwasserstoffver- 
bindungen und Kohlensäure bestanden. Ob Kohlenoxydgas, 
‘auf welches die blane Färbung am Rande hinzudeuten 
schien, beigemengt war, konnte nicht mehr mit ebabeh 
ermittelt werden. 

. Die unterste Schichte, bis zu welcher man vordrang, 
besteht aus Schotter von Wiener Sandstein mit Lignit- 
Trümmern. Auch diese Schichte gehört noch zur Wie- 
ner - Tegel- Formation, deren Mächtigkeit also auch durch 
die inBede stehende Bohrung noch nicht ganz aufgeschlos- 
sen ist. 

Was nun die mit dem Bohrmehle eımporgebrachten Fos- 
silreste betrifft, so versteht sich wohl von selbst, dass bei 
der Bohrung nur die kleineren Gegenstände wohlerhalten 
bleiben konnten, alles grössere ist zerstört ‘und. daher oft 
nicht vollständig bestimmbar. Die Menge des zu untersu- 
chenden Materiales war bei den meisten Schichten schr 


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geringe, daher kann auch die Fauna jeder derselben 
keineswegs als vollständig ermittelt betrachtet werden, 
doch finden sich bei einer derartigen Untersuchung jeden- 
falls die häufigsten und eben darum wichtigsten Gegen- 
stände vor. 

Mit Ausnahme der Schotterschichten enthält beinahe 
jede der durchsunkenen Lagen organische Reste, jedoch 
in sehr ungleicher Menge, während einige wenig mäch- 
tige Schichten beinahe ganz davon angefüllt erscheinen, 
muss man bei anderen eine bedeutende Menge des Ma- 
teriales durchsuchen um auf ein einziges Individuum zu 
stossen. 

Obsechon in petrographischer Beziehung überall den glei- 
chen Charakter darbietend, lässt sich doch die ganze Folge 
der Schichten nach den darin enthaltenen Fossilien in 3 
bis 4 ziemlich scharf gesonderte Gruppen scheiden, deren 
jede ihre eigenthümlichen organischen Reste enthält. 

Die erste dieser Abtheilungen reicht bis zu einer Tiefe 
von etwa 25°. Sowohl die genauere Angabe dieser Tiefe, 
als auch ihre Beziehungen zur zweiten, zunächst unter ihr 
gelegenen Gruppe, von welcher sie vielleicht nicht scharf 
getrennt ist, konnten wegen der geringen Anzahl der aus 
diesen oberen Tiefen mitgetheilten Proben nicht mit Ge- 
nauigkeit ermittelt werden. Als charakteristisch für diese 
Gruppe können gelten Melanopsis Marliniana, Fer. Con- 
geria (Dreissena) subglobosa Partsch; Cong. spalhu- 
lata Parlsch, dann Cardium apertum Münst. Zahlreich sind 
die Schalen von Citherinen. Eben dieselben Fossilien fin- 
den sich allenthalben in den oberen Tegellagen in der Um- 
sebung von Wien. So zum Beispiele in den Ziegeleyen 
am Schaumburger-Grunde, an der Strasse nach Baden in 
den Ziegeleyen bei Neuderf und Brunn, einem von meinem 
Vater zuerst entdeckten Fundorte, an welchem insbeson- 
dere die Congerien sehr häufig und wohlerhalten angetroffen 
werden, und an vielen anderen Orten. Alle gegenwärtig 
lebenden Arten des Geschlechtes Melanopsis halten sich 
im süssen Wasser auf. Congeria sowohl, als Cardium, 
gehören vorzugsweise den sogenannten brakischen Gewäs- 


— 205 — 


sern an, d. i. jenen Stellen, wo wie z. B. an der Mündung 
von Flüssen süsses Wasser sich mit Meereswasser mischt. 

Die zweite Abtheilung reicht bis zu einer Tiefe von 
etwa 60 Klaftern. Sie enthält verhältnissmässig am we- 
nigsten Fossilien; es sind darunter Cardien, wegen des 
unvollkommenen Zustandes der Erhaltung nicht näher be- 
stimmbar, dann wirkliche Foraminiferen Rolalia und Ro- 
salina, welche zwei Geschlechter, da sie in allen Schich- 
ten dieser Abtheilung angetroffen wurden, als besonders 
bezeichnend gelten können, dann auch wieder Citherinen. 
Diese Fossilien weisen auf eine Salzwasserbildung hin. 

Die dritte Abtheilung reicht von 60° bis zu 80° Tiefe. 
Sie enthält die grösste Anzahl organischer Reste, insbe- 
sondere besteht eine wenig mächtige Schichte in der Tiefe 
von 77° 5° beinahe bloss aus Muschelfragmenten. Als be- 
sonders bezeichnend darunter hebe ich hervor: Cerilhium 
inconstans, Bast, Venus gregaria Partsch, Butlina Okeni 
Eiche. Prachtvol) erhalten ist die Farbenzeichnung einer 
kleinen Nerifina. Dieselben Arten, welche diese Schichte 
enthält, finden sich seltener an der Oberfläche des Wiener 
Beckens im Tegel, viel häufiger jedoch wohl schon auf se- 
eundärer Lagerstätte im Cerithienkalke, einem aus zusam- 
mengeschwemmten Conchylienschalen und Sand zusammen- 
gebackenem Gesteine, welches an mehreren Orten im Wie- 
ner-Becken Ablagerungen von bedeutender Mächtigkeit zu- 
sammengesetzt, wie z. B. bei Nexing und Gaunersdorf und 
an vielen anderen Orten. 

Die vierte und tiefste Abtheilung endlich ist charakteri- 
sirt durch das häufige Auftreten sehr kleiner Gasteropoden , 
als Rissoa, Paludina u. a., mit welchen zugleich sich ver- 
schiedene Foraminiferen in beträchtlicher Anzahl finden. An 
der Oberfläche wurden die Fossilien dieser Abtheilung. wohl 
noch nirgends im Wiener Becken im Tegel angetroffen, 
auch die meisten Bohrungen reichen nicht bis zu dsn Schich- 
ten, in welchen -sie sich vorfinden. Nur bei der Bohrung 
des artesischen Brunnens, welche die Landwirthschafts- 
Gesellschaft vor einigen Jahren am Getreidemarkt veran- 
lasste, erreichte man ebenfalls die Schichten dieser vierten 
Abtheilung. Damals erhielt mein Vater durch die Vermitt- 


— 206 


lung des verewigten Herrn Baron v. Jacquin denemporge- 
hobenen Sand zur Untersuchung , und entdeckte darin eben- 
falls zahlreiche Conchylien. Einer gefälligen Mittheilung 
des Herrn Dr. Hörnes verdanke ich eine grössere Menge 
dieses Sandes. Er wurde aus der Tiefe von 93° emporge- 
hoben, und enthält genau dieselben Arten wie die erwähnte 
vierte Gruppe. 

Gewiss wäre es für die genauere Kenntniss der geog- 
nostischen Beschaffenheit des Wiener Beckens von hohem 
Interesse, zu erforschen , ob eine ähnliche, durch die Art 
der organischen Einschlüsse auszumittelnde, Gliederung, 
wie sie hier für eine einzelne Stelle nachgewiesen wurde, 
allenthalben in der so mächtigen Tegelablagerung Statt 
finde, und es muss in dieser Hinsicht sehr bedauert werden, 
dass die schon vor einem Jahre von dem Nieder - Oester- 
reichischen Gewerbs-Vereine erlassene Aufforderung, von 
den gelegentlich der Brunnengrabungen u. s. w. durch- 
sunkenen Schichten Proben zur wissenschaftlichen Unter- 
suchung einzusenden, wie aus eilem vor wenig Tagen von 
Herrn Dr..-Hörnes dieser Geselischaft abgestatteten Be- 
richte erhellt, so wenig Anklang fand. 


4, Ueber einen neuen Fundort tertiärer Fischreste bei 
Poresesd in Siebenbürgen. 


Von Franz Ritter v. Hauer. 
Wiener Zeilung vom 1413. April 1816. 


Die letzte wissenschaftliche Arbeit, welche den ver- 
ewigten Grafen von Münster selbst noch auf seinem Kran- 
kenlager beschäftigte, war die Untersuchung und Bestim- 
mung; der tertiären Fischreste von Nieder-Oesterreich, ins- 
besondere der interessanten Vorkommnisse von -Neudörfel 
an der Oesterreichisch-Ungarischen Grenze. 

Die Ergebnisse seiner Untersuchungen, im siebenten 
Hefte seiner Beiträge zur Petrefactenkunde , welches erst 
nach seinem Tode von Hrn. Wilhelm Dunker in Bai- 


-— 207 — 


reuth herausgegeben wurde, veröffentlicht, haben für die 
Kenntniss der 'Tertiärbildungen im Oesterreichischen Kai- 
serstaate ein um so höheres Interesse, als in der neuesten 
Zeit bei Porcsesd in Siebenbürgen ein ganz ähnliches Vor- 
kommen von tertiären Fischresten entdeckt wurde, an wel- 
chem Orte, wie schon die ersten Proben zeigen, bei ge- 
naueren Nachforschungen sicherlich eine eben so grosse 
Menge und Mannigfaltigkeit von organischen Resten zu 
Tage gefördert werden wird wie in Neudörfl. 

Das Verdienst der Entdeckung dieses Fnndortes ge- 
bührt Hrn. Professor Neugeboren, Bibliothekar des Ba- 
ron v. Brukenthal’schen Museums in Hermannstadt. 
Eine Partie der dort aufgefundenen Fossilreste, so wie 
eine Notiz über die Art des Vorkommens daselbst erhielt 
das k. k. montanistische Museum in Wien von ihm durch 
die Güte des eifrigen und kenntnissreichen Samnlers, Hrn. 
Gabriel v. Blagoevich, königl. Siebenbürgischen Ober- 
Waldmeisters, dem das Museum auch aus früherer Zeit 
das Geripp einer Tatze des Ursus spelaeus und andere 
Knochen und Fossilien aus der Gegend von Eisenerz in 
Steiermark verdankt. 

Porcsesd liegt 2'/, Meile südöstlich von Hermannstadt 
am linken Ufer des Altilusses, nahe an der Grenze zwischen 
dem Glimmerschiefer, uud den denselben unmittelbar über- 
lagernden Tertiär - Bildungen. Das Gestein, in welchem 
sich die Fossilien vorfinden, ist Hrn. Neugeboren’s Be- 
richt zu Folge ein Muschel-, oder Nummuliten- (Leitha) 
Kalkstein, bei dessen Verwitterung die organischen Reste 
herausfallen und leicht aufgesammelt werden können. Er 
findet sich am Fusse der Berge, die nahe bis an das Ufer 
des Altflusses hervorragen. Häufig finden sich Stellen, wo 
durch ein Kalkcement zusammengebackene Kalkgeschiebe 
die Stelle der Schalthiere vertreten. Der Altfluss trennt 
diese Bildungen von den gegenüber liegenden Nagelfluhe- 
Schichten bei Talmäcs, mit welchen sie einst im Zusammen- 
hange gestanden haben mochten. Einzelne Stücke dieser 

Nagelfluhe von Hrn. Paul Partsch, k. k. Custos am Hof- 
Mineralien-Cabinete, zwischen Talmics und Sebes an der 
Alt gesammelt , finden sich im k. k. montanistischen Museo; 


— 208 — 


sie bestehen aus kleinen, abgerundeten Fragmenten von 
Quarz, Glimmerschiefer ete., und grösseren Stücken von 
Kalkstein, der beinahe ganz aus Nummuliten zusammenge- 
setzt ist. 

Unter den übersendeten organischen Resten wurden 
folgende Arten erkannt: 

A. Fische, 

Phylliodus Haueri? Münster. 

Pycnodus loliapicus Ag. 

Capitodus truncalus. Münst. 

Corax? n. sp.? 

Galeocerdo lalidens Ag. 

Curcharodon lurgidus Ag. 

19 helerodon? Ag. 

Oxyrhina haslalis Ag. 

sr xyphodon Ag: 
5. leplodon Ag. 
= Desoriü Ag. 
ee n. sp.? 
Lamna elegans Ag: 

Er cuspidala Ag. 

„ dubia Ag. 

Ei conlorlidens Ag. 

Dann mehrere vielleicht zum Theile neue Lamna- und 
Oxyrhina-Arten. 

B. Mollusken. 

Nerita eonoideu Lam? 

Helix. 

'alica. 

Cypraea. 

Alles blosse Steinkerne und daher wohl kaum näher be- 
stimmbar. 

Skizzirte Zeichnungen, welche der Sendung des Hrn. 
Neugeboren beiliegen, deuten fernerhin auf das Vor- 
kommen noch anderer grosser Carcharodon - Zähne, fer- 
ner auf eine Phyllodus-Art, die denen von der Insel Shep- 
pey an Grösse nichts nachgibt und verschiedener anderer 
Zähne, die ich nicht näher zu deuten vermag. 


u 


— 209 — 


Endlich finden sich der Mittheilung des Hrn. Neuge- 
boren zu Folge in Porcsesd noch: Nummuliten in zahllo- 
ser Menge von der Grösse einer Linse bis zu 1 Zoll Durch- 
messer, dann grosse Austern, Strombiten, Cerithien, und 
Tonabus- Arten, dann Eulermen und Korallen, end 
Zähne, Rippen und andere Knochen von grösseren Wir- 
belthieren. 

Jedenfalls dürften die Schichten von Porcsesd den 
Leithakalk-Bildungen zuzurechnen, nnd so wie diese gleich- 
zeitig mit den Sandschichten von Neudörfel abgesetzt sein. 
Uebrigens ist es auffallend, dass im Wiener Becken in 
den Bildungen dieser Periode die Nummuliten gänzlich 
fehlen, während sie in den mehr östlich und südöstlich ge- 
ar Gegenden darin allerwärts ungemein häufig vor- 
kommen, so z. B. in Zirez im Bakonyer Walde im Veszpri- 
mer Comitate, in Porcsesd, in Galizien, am Berge Mokat- 
tam bei Cairo. in Kleinasien und an vielen anderen Orten. 


5. Ueber Hrn. Friedrich Simony’s naturwissenschaftliche Aufnah- 
men und Untersuchungen in den Alpen des Salzkammerzutes. 


Von W. Haidinger. 
Wiener Zeitung vom 24. April 1846. 


Wer ;hat je unser Salzkammergut mit einem offenen 
Gefühle für Schönheit durchreist, und bewahrt nicht die 
angenehmsten Erinnerungen an jene grossen oder Jiebli- 
chen Bilder, die sich im steten Wechsel darbicten: wer 
wünschte nicht diese Bilder für immer in gleicher Frische 
zu erhalten. 

Aber während das künstlerische Interesse den Touri- 
sten festhält, fessein den Naturforscher andere Gegen- 
stände, die Gestaltung der Oberfläche als geographisches 
Problem , die Zusammensetzung des Innern als gceognosti- 
sches, dazu das Studium der Individuen der drei Natur- 


reiche. Hier liegen uns Bewohnern des Landes Aufgaben 
Freunde der Naturwissenschaften in Wien. I. 14 


— 210 — 


vor, deren Lösung nur von der Entwicklung von Kenniniss 
und Kraft/erwärtet werden kann. Es ist noch gar nicht 
sehr lange her, dass man sich überhaupt mit solelen Dingen 
beschäftigt, auch,ist nichtübcrall in gleichem Verhältnisse ge- 
arbeitet worden. Ist zum Beispiele in geognostischer Bezie- 
hung die Kenntniss der Alpen überhaupt noch ein ungelö- 
sites Problem, während England, Frankreich, Nord-Deutsch- 
land genau untersucht wurden, so sind doch auch in den 
westlichen Alpen schon weit mehrere Puncte erörtert wor- 
den, als auf unserem östlichen Alpengebiet. Leopold v. 
Buch, Buckland, Murchison, Keferstein, Bou& 
haben uns das Meiste mitgetheilt, Ausländer, wern wir 
nicht etwa den Letzteren ausnehmen wollen , den wir gerne 
als Oesterreicher, wenn auch nicht der Geburt nach , recla- 
miren, da schoen Keferstein seine Werke .‚wenn sie auch 
meist Französisch geschrieben sind“, der Deutschen Litera- 
tur beigezählt hat. v. Lill und letzthin vorzüglich Partsch 
in seiner schönen Karte, dem Resultate langjähriger, gründ- 
licher Untersuehungen, haben uns viel dankenswerthes ge- 
liefert. Aber wie uns die Pflicht obliegt, eben so ist es auch 
Bedürfniss, selbst abgesehen von dem nicht immer unmit- 
telbar klingenden Nutzen, den Grund zu kennen, auf dem 
wir leben. Daher bildeten sich in der letzten Zeit die 
montanistischen Vereine, erst in Tyrol, von dem wir schon 
manche lobeuswerthe Arbeit haben, nun der in Inner- 
Oesterreich. Ich freue mich dureh denselben Hın. v. Mor- 
lot für die Beantwortung einer grossen Frage gewonnen 
zu sehen. Für den vorgeschlagenen Verein in Böhmen hat 
Zippe das Wichtigste bereits vorgearbeitet. 

Im Salzkammergute hat seit einigen Jahren Herr 
Friedrich Simony mit jugendlicher 'Thatkraft das Stu- 
dium der Obertäche des Landes ın mancherlei Beziehun- 
gen unternommen, erst mit schmalen Mitteln, später von 
hochgestellten Gönnern von Jahr zu Jahr in seinen Unter- 
nehmungen gefördert. Eine Sammlung von Petrefacten , die 
er bildete, und die nun BEigenthum Seiner Durchlaucht des 
Fürsten von Metternich ist, gab Veranlassung zu einer 
Arbeit über die Cephalopoden des Salzkammergutes von 
Hın. Franz Ritter v. Hauer, die nun auf Kosten des 


— 211 — 


wissenschafiliebenden Besitzers der Sammlung unter der 
Presse ist. Der darin beschriebene Ammonites Metterni- 
chi v. Hauer , ist bei seiner Grösse durch die wundervolle 
Lobenzeichnung wohl die schönste Ammonitenspecies. Auch 
das k. k. montanistische Museum hät durch Simony viel 
Schönes und Merkwürdiges erhalten. 

Während er aber die Flora, die fossile Fauna nicht 
vernachlässigte, waren physikalische und künstlerische 
Studien der Oberfläche der eigentliche Gegenstand seiner 
Aufmerksamkeit. Er besitzt einen Atlas von mehr als 
zweihundert der mannigfaltigsten Darstellungen der Ge- 
birgsformen in den höheren und niedrigern Niveaux, vor- 
züglich aus den Umgebungen des Dachsteinstöcks, deren 
Bekanntmachung für künftige Forscher sehr wünschens- 
werth wäre, und der Zweck der gegenwärtigen Zeilen 
ist es, das Publikum schon vorläufig auf eine aus dem Vor- 
rathe ausgewählte Reihe von Lithographien aufmerksam zu 
machen, deren Veröffentlichung Simony beabsichtigt. 

Einige der Blätter mögen hier in Kürze erwähnt wer- 
den. Ihre Aufzählung nach der von ıhm selbst gemachten 
Eintheilung in Sectionen wird den Geist ’und die Ansich- 
ten ausdrücken, welche er den Aufnahmen zu Grunde ge- 
legt hat. 

I. Gletscher: Das Carls-Eisfeld auf dem Dachstein- 
gebirg in Oberösterreich im Jahre 1842. Eine Partie des 
Carls-Eisfeldes am hohen Gjaidstein. Dieses Blatt zeigt 
höchst interessante Structurverhältnisse des Gletschereises, 
dabei sonderbare, ungewöhnliche Eisschründe. 

I. Spuren vorgeschichtlicher Gletscheraus- 
dehnung. Ein Karrenfeld in der Wies auf dem Dach- 
steingebirge. — Eine Partie des vorweltlichen Gletscher- 
terrains auf dem Dachsteingebirge, die Umgebung des 
jetzigen Carls-Eisfeldes von der Ochsenwieshöhe aus aufge- 
nommen. Ein höchst lehrreiches Tableau mit Schliff- und 
Streifungsflächen, die man so selten auf Kalkfelsen erhalten 
antrifft, mit: Riesentöpfen und Moränen. Die Moräne in der 
Wies auf dem Dachsteingebirge. 

Ill Charakter der Hochgebirgsgipfel der 
seeundären Kalkformation. Die hohe Dachstein- 

tr* 


— 2112 — 


spitze (9400°) mit der Aussicht nach dem Thorstein (9230‘) 
und Mitterspitz (9100°). 

V. Eigenthümliche Oberflächenbildungen 
in den Hochgebirgen des secundären Kalkes. 
Umgegend des Schladminger Gletschers oder ,‚todten Schnees“ 
auf dem Dachsteingebirge. Eine Partie des todten Gebirges 
am hohen Priel, vom hohen Elm aus gezeichnet. 

VI. Physiognomie der Mittelgebirge (Höhe 
4500° — 70009) des seeundären Kalkes. Das Gosauer 
Steingebirge. Der Sarstein am Hallstädter See. 

VII. Alpen-Paneramen. Das Dachstein- und Go- 
saugebirge von der Traunwand aus gezeichnet. 

IX. Höhen - Tableaux. Höhen des Salzkammer- 
gutes und einiger Hochgebirge Salzburgs nach natürlichen 
Profilen der Gipfel entworfen. Hier sind alle namhaften 
Puncte des Salzkammergutes, nicht nur die Bergspitzen, 
sondern auch die sämmtlichen Ortschaften , Seen, Strassen 
und Wege nach ihrer Höhe über das dreifache Niveau 
des Mittelländischen Meeres, des Traunsees und des Traun- 
flusses, in natürlicher Anordnung zu einem schönen Gemälde 
zusammengefasst. Durch ein leichtes Colorit sind die Schnee- 
und Eisfelder, das kahle Gebirge, die Krummholz-Region, 
die Alpentriften, Wälder und Wiesen leicht erkenntlich ge- 
macht, so dass das Ganze mehr einem grossartigen Gebirgs- 
Panorama, als einer Höhenkarte gleicht. 

X. Höhlen im Alpenkalke. Die ,‚G’schlössl- 
kirch’n‘“ am Gosaugletscher, mit einem kleinen Eisberg ın 
ihrem Innern. Das Almberger Loch im Grundelseer Gebirge 
Das Eingangsportal der Koppenbrüller Höhle bei Obertraun. 

XII. Zerklüftungsformen der Kalkfels- 
schichten. Felspartie am Ochserkopf auf dem Dachstein- 
gebirge. 

XIV. Steinsalzlager im Alpenkalk. Zwei An- 
sichten vom Hallstätter Salzberg. 

XV. Thalformen. "Thal und Markt Ischl. Von die- 
ser höchst genauen malerischen Aufnahme ist eine gelungene 
Lithographie so eben vollendet worden. Sie wird den vielen 
Freunden dieses vıelbesuchten Kurortes eine willkommene Ga- 
be sein. Erscheint in Commission bei Bermann am Graben. 


— 213 — 


XV1l.VorweltlicheSeebecken. Das Go- 
sauthal. 

XV. Gebirgsseen. Die Gosauseen am Dachstein- 
gebirge. Zwei Ansichten des hinteren Gosausees. Die 
Lahngangseen 4600 hoch gelegen im Ausseer Gebirge. Der 
Brudersee im Ausseer Gebirge 5100’ hoch gelegen. Son- 
dirungskarte des Hallstätter Sees mit vierhundert Tiefen- 
puneten. Fünf und zwanzig Längen-und Querschnitte des 
Hallstätter Sees. Ansicht des Hallstätter Sees und seiner 
Umgebungen mit einer nach der Tiefenkarte entworfenen 
Zeichnung seines Beckens unter dem Wasserspiegel. 
Dieses Blatt gewährt in überraschender Weise die Ueber- 
sicht der landschaftlichen Umgebungen des Sees, und des 
Beckens, das ınan erblicken würde, wenn alles Wasser hin- 
weggenommen wäre. 

XVIN. Unterirdische Wasserbecken. Der Kes- 
sel und Hirschbrunn bei Hallstatt. 

XIX. Aushöhlungen der Felsmassen durch 
Wildwasser. Bett des Rettenbachs in der sogenannten 
Rettenbachwildniss bei Ischl. 

XX. Alluvialformen. Die terrassenförmigen Schutt- 
gebilde im 'Traunthal zwischen Laufen und Goisern im 
Salzkammergut. 

XXI. Vegetationsfor men. Aussterben des Baum- 
wuchses auf dem Plateau des Dachsteingebirges. Eine 
Gruppe von Zirbelkiefern un Krummholz zwischen dem 
niederen Gjaidstein und der Gjaidalpe. Standort 5500’. 

Auch die topographischen Sevtionen enthalten viele 
interessante Gegenstände. Kirchliche Bauten, technische 
Bauten, aufgefündene und ausgegrabene Alterthüner, fer- 
ner Ortschaften, Alpenwirthschaften,, Ruinen u. dgl. 

Die Ansichten sind mit bedeutendem künstlerischen Ta- 
lent entworfen, aber ich glaube hier den Gegensatz hervor- 
heben zu müssen, der sich so oft in den Stadien der Ent- 
wickelung der landschaftlichen Kunst bemerkbar macht, 
und den Goethe so treffend in den Erinnerungen an Phi- 
lipp Hackert darstellt. Es ist der entfernteste Punct 
von der Benützung landschaftlicher Studien zu einer künst- 
lerischen idealen Composition. Es ist die Anwendung 


— 214 — 


der Kunst auf die Darstellung der Natur. Portraitähn- 
lichkeit wurde beabsichtigt und mıt günstigem Erfolge er- 
reicht, um naturwissenschaftlichen Forschungen als Belege 
zu dienen. Simony hat auch die Lithographie selbst über- 
nommen, damit er um so gewisser den Charakter des Ge- 
genstandes festhalten könne, und um nicht gerade die 
letzte Ausführung vielleicht der Ungunst der Manier zu 
überlassen. 

Eine einzige Stimme genügt wohl nicht, um das Lo- 
benswerthe und Verdienstliche des Unternehmens heraus 
zu stellen. Wenn ich aber hier doch den geradesten Weg 
eingeschlagen habe, um zu jedem einzelnen Mitgliede 
eines theilnehmenden Publikums zu sprechen, so schien 
diess darum erforderlich, weil wir in Wien noch nicht die 
Vortheile besitzen, die ein Verein gewähren könnte, 
dessen Aufgabe es ist, die Erweiterung der Naturwis- 
senschaften ins Auge zu fassen. Diese kann nur in dem 
kleinsten Detail erfolgen, aber den einzelnen Beiträgen 
die Anerkennung zu geben, die sie verdienen, sie aufzu- 
muntern, zu unterstützen, sie mit dem Nachdrucke eines 
vollgültigen Urtheils ausgestattet dem Allgemeinen darzubie- 
ten, darauf kann nur ein wissenschaftlicher Verein 
Anspruch machen. In einer Lage indessen, wo sich die Wich- 
tigkeit genauer geognostisch- geographischer Forschuugen 
so leicht in den schon gewonnenen Rahmen des montanisti- 
schen Museums einreiht, mussten mir Simony’s Arbeiten 
das höchste Interesse erregen und den Wunsch, sie kräf- 
tig ausgedehnt zu sehen. Arbeit aber, gute gediegene Ar- 
beit ist es allein, die für ‚künftige Zeiten ihre Spur zu- 
rücklässt, 


— 215 — 


6. Ueber die Spuren der vorzeschichtlichen Eiszeit im Salz- 
kammergute, 


Von Friedrich Simony. 
Wiener Zeitung vom 3, Mai 1846, 


Noch immer findet die Hypothese, dass einst Europa, 
oder doch ein grosser Theil desselben, vorzüglich das Al- 
penland, unter grossen Gletschermeeren begraben lag, 
trotz „der mannigfaltigsten 'Thatsache, auf welche bereits 
die Geologen-Charpentier, Venetz, Agassiz, 
Hugi, Forbes u. a. ihre Ansichten begründet ha- 
ben; zahlreiche Widersacher. Die Untersuchungen über 
diesen Gegenstand sind auch noch keineswegs als geschlos- 
sen zu betrachten, das Sammeln neuer specieller Thatsa- 
chen, die darauf Bezug haben, und ihre naturtreue Darle- 
gung durch Wort und "Zeichnung, erscheinen noch immer 
unerlässlich, um die endliche Lösung einer Frage herbei- 
zuführen, die gegenwärtig das Interesse des gesammten 
wissenschaftlichen Publicums in Anspruch nimmt. Bei 
meinen Wanderungen und vielseitigen Untersuchungen im 
Salzkammer gute, habe ich auch in jener Beziehung manche 
Erscheinungen beobachtet, die mir in ihrer Vereinzelung 
anfangs räthselhaft erschienen, nach ihrer Zusammenord- 
nung und Vergleichung aber immer klarer wurden, und 
mich endlich ebenfalls zu der nothwendigen Annahme einer 
einstigen, weitverzweigten und mächtigen Ausdehnung der 
Gletscher in unseren Alpenländern hinführten. 


I. Das todte Gebirge. 


Mit diesem Namen bezeichnet der Aelpler jene Stein- 
wüsten, welche in oft stundenweiter Ersireckung sich um 
die zahlreichern Hochzinnen der mächtigen Alpenkalkstöcke 
in der nördlichen norischen Kette ausbreiten, als da sind, 
das steinerne Meer, der ewige Schneeberg, das 
Tänrnen-, Dachstein-, Priel-Gebirge; und welche 
den höhern (zwischen 6500-9000’ gelegenen) Theilen der 


— 216 — 


weitgedehnten Hochplateaux dieser Gebirge jenen eigen- 
thümlichen Charakter von Wildheit geben, den man verge- 
bens in den Urgebirgen suchen würde. Wenn uns Glet- 
scher das düster-grossartige Bild einer in Todesschlaf ver- 
sunkenen Natur darstellen, so zeigt uns das todte Ge- 
birge nichts, als ein schauerliches Golgotha, das blossge- 
legte, zerbröckelnde Riesenskelet eines abgelebten Erden- 
stückes. Versetzen wir uns einmal in die grosse Einöde 
des Ausseer todten Gebirges, zwischen dem Elm- 
und Hochpriel, dem Rabenstein und den Trageln;5 
oder auf dem Dachsteingebirge in das wüste Felsge- 
woge zwischen dem Krippenstein. Hirschberg und 
Speikberg, zwischen den Hochroms und Koppen- 
karstein, welch’ ein Gemälde von Abgestorbenheit und 
Zerstörung bietet sich da unserem Auge dar! — Fällt der 
Blick aus einiger Entfernung in diese Trümmerwelt hinein, 
so müht er sich vergebens, nur irgend eine Spur organi- 
schen Lebens in ıhr zu entdecken, und selbst wenn der 
Fuss des Wanderers bereits den Boden der Steinwüsten 
betreten hat, so entdeckt höchstens nur noch der Späher- 
blick des Botanikers da und dort eine kleine, zwischen 
Felsenspalten sich bergende oder eingeklemmte Gruppe sel- 
tener Pflanzenarten. 

Je mehr man, über die grauweissen, zerschründeten 
Felswogen hinschreitend, der Mitte dieser grauenvollen 
Einöden sich nähert, desto drückender wird das Gefühl der 
gänzlichen Abgeschiedenheit. Anfangs labt sich wohl noch 
das Auge im Zurückschauen an den dunklen Streifen Krumm- 
holzes, welches einzelne Steinköpfe überwuchert, oder es 
saugt Erquickung aus dem frischeren Grün eines grasbedeck- 
ten tiefen Kares,; (Kar heisst in den Alpen jede grössere 
Kessel — oder muldenfömige Vertiefung des höheren Ge- 
birgsterrains) welches zwischen den kahlen Wällen gleich 
einer Oase eingebettet ist. 

Aber der monotone Schmuck der Zwergsträuche auf 
dem bleichen Gesteine wird mit jedem Vorschritte krüppel- 
hafter und spärlicher, die sammtfärbigen Matten im Grunde 
der Kare schrumpfen zu einzelnen bräunlichen Rasenflecken 
zusammen ; endlich tritt gar nur wüstes Steingetrümmer an 


— 217 — u. 


der letztern Stelle, zwischen welchem noch vereinzelt der 
Alpenflora letzte Kinder entweder vor der Gluth der durch 
den weissen Steinboden verstärkten Sonnenstrahlen des 
Sommers oder vor dessen plötzlichen Schneestürmen einen 
dürftigen Schutz suchen. Die Hochzinnen des Gebirges 
tauchen nun als wachsende Kolosse immer höher aus dem 
welligen Terrain empor, und beengen den Horizont, wel- 
cher dem Auge schon nichts mehr bietet, als einzelne Gipfel 
ferner Bergzüge, die gleich steilen Inselgruppen da und 
dort aus dem Gewoge ides Felsenmeeres zu uns herüber- 
schauen und durch ihre reiehen duftigen Farbentöne mit 
der gespenstigen Farblosigkeit des Vordergrundes einen 
eigenthümlichen Gegensatz bilden. Nun klimmt der ermü- 
dende Fuss immer unsicherer, bald über fürchterliches Ge- 
klippe mit messerscharfen Graten, Spitzen , Zacken,, dunk- 
len Klüften und gezähnten Schlünden, die dem Alpenpilger 
grausig entgegenstarren, bald über gerundete und wieder 
huntertfach zerspaltene Felsenköpfe, die unordentlich über 
einander geschichteten, zerhackten Riesenschädeln glei- 
chen. Die Oberfläche alles Gesteins ist rauh und ausgefres- 
sen, als wären einst Säuren darauf herabgeregnet. 

Endlich hat das Pflanzenleben auch seine letzte Grenze 
gefunden. Die Grasflecke in den tiefen Mulden sind ver- 
schwunden, und an ihre Stelle treten nun bald kleinere, 
bald grössere Schneeflecke, die sich hie und da zu Feldern 
ausdehnen; aus jeder Höhle, aus jedem Felsenschrund, de- 
ren es unzählige gibt, glotzt neuer oder alter, halb ver- 
eister Schnee hervor. Schnee liegt auf den ansteigenden 
Schuttbergen der emporstarrenden Wände, Schnee hängt 
in den tiefern Furchen der letztern; unvergängliche Laui- 
nenmasssn thürmen sich an ihrem Fusse zu mächtigen 
Schneepyramiden auf. Eine Riesenklippe steht jetzt nahe 
vor uns, sie schliesst die Aussicht ab ; wir wenden uns 
zur Rechten, zur Linken, wir schauen zurück , überall 
dräuen uns plötzlich schwindelnd hohe Felsgebilde, wıe 
aus ihren Gräbern erstandene Titanen entgegen — Wwır 
sind im Herzen des todten Gebirges. Nichts gewahrt nun 
mehr der suchende Blick von der bewohnten Erde, Ebene, 
Thäler, Städte, Dörfer, Felder, Wiesen, Wälder, Alpen, 


— 218 — 


sie alle sind dem Aug’ entrückt, kein Glockenschall, nichts 
mahnt mehr an die fernen Sitze der Menschen. Vergebens 
lauscht das Ohr nach bekannten, wenn auch noch so lei- 
sen Tönen, die Fessel des Todes hält hier den Laut ge- 
fangen. Nur selten, wenn ein Rudel Gemsen vor dem 
rastlos sie verfolgenden Schützen bis in diese öde Wild- 
niss entflieht und auf unzugänglichen Felsenzacken die 
letzte Rettung sucht, mahnt das Prasseln abgebrochener 
Steine oder auch ein geilender Pfiff an das Dasein eines 
geängstigten Lebens; oder wenn ein in den Lüften kreisen- 
der Geier beutegierig sein Geschrei in die Hochwüste her- 
absendet, oder eine Schaar ziehender Raben plötzlich mit 
wildem Gekrächze auf eine vom Sturze oder tödtenden 
Blei verendende Gemse, oder auf ein verwesendes Aas 
niederschwirrt, bricht für Augenblicke das lastende Schwei- 
gen dieser erstarrten Natur. 

Hier befinden wir uns in den erschlossenen, abgedeck- 
ten Katakomben untergegangener Schöpfungen. Wir ste- 
hen über berghoch gelagerten Resten zahllos ernenerter 
Thierwelten und hoch über uns hinaus ragen noch Felsen- 
mauern und Pyramiden, deren, Hunderte von Schichten eben 
so wie die ungeheuren Massen unter uns im Laufe von 
Aeonen in des Urmeers ‚tiefem Schoosse abgelagert wur- 
den, bis sie Plutos rastlos wirksame Gewalien dem Schooss 
Neptuns entrissen und allmählig zu mächtigen Erdhäuptern 
aufwölbten, von denen wir jeizt nur noch Trümmer und 
Ruinen erblicken, welche des Baues ursprüngliche Grösse 
kaum mehr ahnen lassen. Wie schrumpfen die wenigen 
Jahrtausende der Menschengeschichte hier zur Spanne Zeit 
zusammen vor den unermesslichen Epochen der Erdge- 
schichte, welche als die erhabenste Offenbarung der ewig 
schafenden Allmacht mit deutungsvollen Zügen auf diesen 
grossen Baustätten des Planeten, wo jetzt keine Spur ephe- 
meren organischen Lebens an die kurze Gegenwart zu mah- 
nen vermag, verzeichnet ist. Vergebens müht sich hier der 
Geist, Halt an den iha umringenden Gegenständen zu ge- 
winnen, um den Schwindel zu gewältigen, welcher ihn im 
Schauen der unter ihm geöffneten ungehenern Vergangen- 
heit erfasst; Alles reisst ihn wirbelnd nur immer tiefer in den 


% 


— > 


bodenlosen Abgrund abgelaufener Zeiten. Welch’ eine Kette 
von Entstehungs-, Bildungs- und Umstaltungsphasen rollt 
vor ihm ab, wenn er sich die Geschichte der secundären 
Formation des Dachstein- oder Prielstockes von dem Zeit- 
raume der Ablagerung ihrer untersten Schichte im Meere 
bis zu der jüngsten Epoche ihrer jetzigen Oberflächengestal- 
tung denkt! Ja, welche Reihe von Jahrtausenden , welche 
Aenderung der klimatischen Verhältnisse ist der Forscher 
schon genöthigt anzunehmen, die nur zwischen der Periode, 
in welcher das todte Gebirge seine ihn jetzt so charakterisi- 
rende Verödung erfuhr, ‘und zwischeu der Gegenwart lie- 
gen! denn selbst dem Laien wird sich schon beim ersten 
Anblick des todten Gebirges der Gedanke aufdrängen, dass 
eine solche Verwüstung der Gebirgsoberlläche nicht als das 
langsame Ergebniss der gegenwärtig wirkenden äussern 
Einflüsse angesehen werden könne, da es viele andere Ge- 
birge derselben Formation und Höhenausdehnung gibt, die 
auch unter den gleichen klimatischen Verhälinissen stehen 
und dennoch keineswegs jene geschilderte Zerstörung der 
Oberfläche, jenen Mangel an Pflanzenleben wie das todte 
Gebirge zeigen, sondern dass diese so eigenthüm- 
liehe Verödung des genannten Terrains Ursa- 
‚chen zugeschrieben werden müsse, die jetz 
auf demselben nicht mehr wirksam sind. 

Die nähere Bestimmung dieser Ursachen, welche den 
Zweck dieses Aufsatzes bildet, wird aus der nachfolgenden 
speciellen Untersuchung jener Erscheinungen hervorgehen 
die entweder unmittelbar dem todten Gebirge angehören 
oder sich seinen so eigenthümlichen Gestaltungen anreihen. 
Die mögliche Zurückführung mancher dieser Erscheinan- 

genauf analoge Wirkungen in der Natur, deren Ursachen 
der unmittelbaren Beobachtung nahe liegen, wird jene Be- 
stimmung erleichtern. 


— 20 — 


ll. Die Abrundung der Gebirgstheile. 


Wiener Zeitung vom 5. Mai 1846. 


Eine eben so auffallende als interessante Erscheinung 
auf dem Dachsteingebirge, dem höchsten und zu- 
gleich mächtigsten Alpenkalkstocke Oesterreichs,, ist die 
Abrundung beinahe aller emporragenden Theile der Ober- 
fläche von den unbedeutendsten Felsköpfen, Wällen und 
Stufen bis zu den grossen Höhenmassen, die in oft impo- 
santen Formen aus dem welligen Hochplateau sich in zahl- 
reicher Menge erheben. Nur die höchsten Zinnen des Ge- 
birges und manche , schon ganz am Fusse desselben gele- 
gene, oder sehr grossen, steilen, nach der Aussenseite 
des Gebirges gekehrten Wänden angehörige Felspartien 
machen eine Ausnahme. In den tiefsten Theilen des Ge- 
birges ist die Abrundung der kleineren Erhöhungen ge- 
wöhnlich durch dichte Wälder verhüllt, an der obern Gränze 
der letztern tritt sie schon sichtbarer hervor, in der Region 
des Krummholzes und im todten Gebirge bis zur Höhe von 
7000° ist sie am vollständigsten ausgeprägt. Die Abrundung 
der Gebirgsgipfel wird desto deutlicher kennbar , je höher 
der Standpunct ist, von welchem aus die letztern überse- 
hen werden können; von der Sohle des Thales aus, wo 
man nur selten die eigentlichen Kuppen der Berge zu se- 
hen vermag, wird die Abrundung durch die sich dem 
Auge vorschiebenden verschiedengestaltigen Abhänge viel- 
fach verdeckt. 

Diese Erscheinungen der Abrundung sind auf dem 
Dachsteingebirge so allgemein verbreitet, dass sie 
schon bei der ersten Wanderung nach dessen Gletschern, 
noch mehr aber bei der Ersteigung seines höchsten Gipfels, 
des hohen Dachsteins, selbst dem Laien auffallen 
müssen. Wenn die Ersteigung dieses Bergkolosses von 
Hallstatt unternommen wird, so durchschreitet man zuerst 
das durch mächtige Schuttablagerungen geebnete, von ge- 
waltigen, wunderlich geschichteten Felsmauern eingeengte 
Echernthal. Den Hintergrund desselben bilden die ge- 
rundeten Höhenrücken der Mitterwand, der Hochau. 


— 221 — 


\ 
des Langthalkogels, des Blankensteins, des 
Grün- und Gamskogels. Ist der tosende Waldbach 
überschritten, beginnt das Steigen im Dunkel dichter Ge- 
hölze. Nach dreistündiger Wanderung hat man den soge- 
nannten Thiergarten (4500) und mit ihm die obere 
Grenze der Waldregion erreicht. Die Bäume treten in kleine 
Gruppen , oder ganz vereinzelt auseinander, und zwischen 
diesen breiten sich in üppiger Entwickelung das Krumm- 
holz und dıe Alpenrosen aus. Hier werden die Abrundun- 
gen der verschiedenen Erhabenheiten des Felsbodens zum 
erstenmale deutlich sichtbar. Hat man die Herrengasse, 
eine vom Witz der Sennerinnen so bezeichnete, mit ewigem 
Koth ausgefüllte, holperige Felsklamme hinter sich, so be- 
gegnen dem Auge schon überall abgerundete Felsköpfe, 
oder Rundhöcker, welche im Sommer, wenn aus ihren 
zahlreichen Spalten die üppig wuchernden Alpenrosen ihre 
reichen Blüthentrauben hervordrängen, durch den Farbencon- 
trast ihres schimmernden , beinahe weissen Gesteins , und 
des dasselbe überschlingenden, im saftigen Blattgrün und 
glühenden Blumenpurpur prangenden Strauchgewindes einen 
eigenthümlich schönen Anblick gewähren. Auch am Wege 
von der Wies zur Ochsenwies und von da nach der 
Ochsen wieshöhe findet man die gleichen Abrundungen des 
Bodens. Die Ochsenwieshöhe (6200 W. F.), welche 
gewöhnliche Bergsteiger von Hallstatt aus in fünf Stunden 
erreichen, gıbt die erste freie Uebersicht eines ziemlichen 
Theiles des ganzen Dachsteingebirges. Der grossartige An- 
blick des Hallstätter Gletschers und der densel- 
ben umschliesenden prachtvollen Felsgebilde überrascht 
plötzlich den Wanderer. Die Pyramiden des hohen und 
niedern Dachsteins thronen in Südwest majestätisch 
wie ein Königspaar auf der höchsten Firnstufe des krystall- 
nen Gletscherreiches. Im Osten ragen über die Rücken des 
Dachsteinplateaus die hundert Gipfel des Prielgebirges, 
die Berge von Admont und der mächtige Grimming 
empor; gegen Mitternacht bilden die stattlichen Höhen des 
nördlichen Salzkammerguts den Hintergrund. Von der 
Ochsenwieshöhe aus hat man auch zum ersten Male Gelegen- 
heit, in grösserer Ausdehnung die Stätickeit der Abrundung 


—_— 222 — 


an fast allen kleinen und grossen Erhabenheiten der vielfach 
ausgewühlten Oberfläche des Dachsteingebirges von dessen 
tiefsten Karen an bis zum Fusse seiner höchsten Zinnen zu 
beobachten. Wo das Auge nur immer in das weite Fels- 
Meer zu tauchen vermag, trifft es entweder auf weissgraue, 
runde Steinköpfe oder gerundete Wälle oder eigenthümlich 
abgeschliffene Stufen und Platten, zwischen welchen die 
höheren Massen wieder als gerundete Kuppen aufragen. 
Nur die pralligen Wände und zackigen Gipfel der Hauptzin- 
nen in Süd und Südwest zeichnen sich als auffallender Ge- 
gensatz der erstern in scharfeckigen Umrissen. 

Ist die Ersteigung des hohen Dachsteingipfels (welche 
durch verschiedene von mir getroffene Vorkehrungen zwar 
jetzt minder gefährlich wie ehedem ist, aber immer noch sehr 
beschwerlich und für dem Schwindel unterworfene Personen 
beinahe unausführbar bleibt), das Ziel der Wanderung, so 
führt der weitere Weg bald über kahle Rundhöcker und ab- 
geschliffene Felsstufen, bald über scharf zerklüftetes Ge- 
stein und Schneeflächen, in etwa zwei Stunden zum Fusse 
des Schöberls, eines schon dicht am Gletscher stehen- 
den, ganz isolirten, ringsum abgerundeten, spitz auslaufen- 
den, 80 Klafter hohen Felskegels; von da aus in gleicher 
Zeit über die Eis- und Firnberge des grossen Hallstätter 
Gletschers, dessen unterer Theil das Carls - Eisfeld 
genannt wird, zum Fusse des hohen Dachsteines, welcher 
aus der steilen, von einer mächtigen Querkluft, dem soge- 
nannten Bergschrund, durchrissenen Firnlehne als bei- 
nahe senkrechte , Spitz auslaufende Wand noch etwa 500° 
hoch emporragt. Ueber den Bergschrund geiangt man mit 
Hilfe einer mitgenommenen Leiter, bei dem Ersteigen der 
Wand dient ein durch viele Eisenringe geschlungenes Seil 
zur fortwährenden Handhabe. 

Der Zweck dieses Aufsatzes gestattet nicht, hier in 
eine ausgedehnte Darstellung des grossartigen Gemäldes 
einzugehen, welches den muthigen Ersteiger auf dieser er- 
habenen Firne umschliesst (darüber findet der Leser Schil- 
derungen in ‚dem Berichte über meine erste Bestei- 
gung des hohen Dachsteins, Wiener Zeitung, Jahr- 
gang 1842, Nr. 268. und in dem Aufsatze: „Zwei Sep- 


7 


—_— 223 — 


tembernächte auf der hohen Dachsteinspitze‘ 
in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur und Mode, 
Jahrgang 1844, Nr. 116 bis 125), nur die Formen der Ein- 
zelmassen des ganzen Dachsteinstockes, welchen man nun 
beinahe vollständig überblicken kann, sollen hier vorzugs- 
weise ins Auge gefasst werden. 

Die Details der Gestaltungen jener zahllosen Kare, 
Wälle, Rücken, Spitzen, welche das meilenweite Hochpla- 
teau zusammensetzen, sind nun. zwar durch weitgedehnte 
Gletscherfelder, welche sich um den König des Gebirges 
wie ein Silbermantel schmiegen , dem Auge fern gehalten, 
dafür treten jetzt die allgemeinen Umrisse der grössern Er- 
höhungen viel deutlicher hervor. Jene Abrundung, die wir 
früher an allen kleinern Aufragungen der Felsmassen so con- 
stant gefunden hatten, sehen wir hier nun auch im grössern 
Massstabe an den zahlreichen Gipfeln des riesigen Gebirgs- 
stockes, jedech nur bis zu einem gewissen Niveau, sich 
wiederholen. 

Wenn wir den 'Theil des Dachsteinplateaus zwischen 
Nordost und Südost überschauen, so haben wir Mühe, die 
5800 bis 6500 Fuss hohen, ganz abgerundeten Kuppen 
des Hierlaiz, Zwölferkogels, Krippensteins, 
Koppens, Hirsch - und Speikbergs, die sich vom 
Hailstätter See aus in so verschiedenen Umrissen darstellen, 
von einander sowohl, als auch ven den andern im Innern 
des Plateaus gelegenen Hochrücken zu unterscheiden. Der 
zwischen dem Hallstätter- und Schladminger- 
Gletscher (die beide von einer gemeinsamen Firnebene 
auslaufen) sich einschiebende Gjaidstein zeigt an seinem 
8650 Fuss hohen Gipfel, welcher die um ihn herum sich steil 
abstufenden Firn- und Gletscherflächen gegenwärtig 800 bis 
1500 Fuss hoch überragt, die gleiche Abrundung. (Auch 
von Aussee und Ischl sieht man die Rundung seiner 
Kuppe.) Dagegen stehen in einem grellen Kontrast zu 
den bisher genannten abgerundeten Gipfeln die, das Nı- 
veau der Gjaidsteinkuppe noch überragenden, 
scharfgezackten Zinnen des niedernDach- 
steins, des hohen Kreuzes, der DiendIn und des 


—_— 1334 —. 


hohen Koppenkarsteins und endlich der schmale Grat 
des hohen Dachsteins selbst. 

Kehren wir uns nach Nordwest, so schauen wir in den 
tiefen Gebirgsausriss der Go sau, dessen oberster, die 
Doppelscharte zwischen dem hohen Dachstein, 
Mitterspitz und Thorstein bildende Theil von diesen 
drei höchsten Spitzen des ganzen Stockes, dann noch von 
der Schneebergwand, dem niedern Dachstein und dem 
Hochkreuz umlagert ist, und dem Gosaugletscher 
zum Betie dient. Unterhalb des letztern bildet die breite 
Schlucht eine steile, 2500 Fuss hoch abfallende Stufe, hin- 
ter welcher sich in verschiedenen Höhenabständen die G o- 
sauseen und endlich das Gosauthal (ein bereits durch 
Schuttablagerungen trocken gelegtes Seebecken)) aneinan- 
der reihen. Die diesen tiefen Gebirgsausriss begrenzenden 
Felsmanern, die sich am Gosaugletscher 1200 bis 1800 Fuss 
über dessen Oberfläche, an den Seen 2500 bis 3800° über 
deren Spiegel erheben, zeigen — vorzüglich der sogenannte 
Gosaustein (7700 bis 6100 Fuss hoch) — äusserst scharf 
gezackte Formen, die mit den runden Kuppen des östlichen 
Gebirges auffallend contrastiren. Aber die klippige Form 
bricht plötzlich zur Linken der Gebirgsschlucht, mit dem 
kleinen Donverkogel (6100), zur Rechten mit dem 
hohen Hosswandkogel (8000° zum Hochkreuz gehö- 
rend) ab, und die 5000 bis 4600 Fuss hohen, das Gösauthal 
2700 bis 2300 Fuss überragenden Kuppen des Zwiesel- 
bergs, Hühnerkogels und Hornspitz (an den Gosau- 
stein sich anschliessend), so wie die zahlreichen vom Hoch- 
kreuz aus nach Norden sich absenkenden , 7500 bis 4500 
Fuss hohen unmittelbar zum Dachsteingebirge gehörigen 
Rücken und Kuppen zeigen alle wieder die vielfach er- 
wähnte Abrundung. 

Zwischen Südost und West ist das Gebirge unmittel- 
bar unter seinen höchsten Zinnen plötzlich abgerissen und 
bildet eine 2500 bis 4000 Fuss hohe, beinahe durchgängig 
senkrechte, Wand. An diese lehnen sich ungeheuere Schutt- 
gehänge, hinter welcher sich ein mehrfacher Wall zuerst 
von spärlich mit Bäumen besetzten Alpenrücken, dann von 
dicht bewaldeten Vorbergen ins Ensthal hinabsenkt. 


Me 


— 225 - 


Wenn nun nach den Erscheinungen, welche von mir 
nicht nur an den hier benannten Puncten, sondern auch an 
vielen anderen Orten nach der ganzen Ausdehnung des Ge- 
birges aufgesucht und verfolgt wurden, die Grenzen der 
Abrundung bestimmt werden sollen, so ergeben sich im 
Allgemeinen folgende Thatsachen: 1) Dass die Abrun- 
dung der verschiedenen Unebenheiten der Fels- 

oberfläche in der Region des Krummholzes 
sich schon allgemein verbreitet zeigt, von da 
stellenweise bis ins Thalhinabsteigt, eben so 
auch bis zum Fusse der höchsten Zune ob- 
wohl wieder im abnehmenden Verhältnisse 
sich verfolgen lässt; 2) dass die Abrundung 
der Felsmassen stetsin den vertieften Theilen 
des Gebirgsplateaus, in den sogenannten Ka- 
ren,stärkerist,alsauf den Höhen und an den 
Abhängen desselben, dass man sie häufigerin 
denabwärtsgehenden Schluchten, als auf den 
zwischenliegenden Rücken findet, ja dass sie 
auf den Letzteren, wenn sie sich hoch über 
die sie begrenzenden Schluchten heben, oft 
gänzlich fehlt; 3) dass die Abrundung der Ein- 
zelngipfel nur bis zu einer gewissen Höhe über 
das sie umgrenzende Plateau des Gebirges, 
oder über das vonihnen eingeschlossene Thal 
hinaufreicht, und dass Gipfel, welche jenes Ni- 
veau übersteigen, sich sogleich durch scharfe 
Umrisse kennbar machen. 

Aehnliche Abrundungen findet man, und zwar unter 
denselben Begrenzungs-Verhältnissen, wenn auch nicht im- 
mer so deutlich ausgesprochen , wie auf dem Dachsteinge- 
birge, auch auf dem Prielstocke, und Spuren derselben 
auf allen Gebirgen des Salzkammergutes von grösserer 
Oberfläche, z. B. auf dem Höllengebirge. 


Freunde der Naturwissenschaften in Wien. I. t5 


— 226 — 


1ll. Karrenfefider. 


Wiener Zeitung vom 9. Mai 1846. 


Innerhalb derselben Grenzen wo sich die Abrundung 
der Gebirgsmassen beobachten lässt, begegnen wir noch 
einer zweiten eben so allgemeinen Erscheinung von glei- 
chem Interesse, die mit der Abrundung, wie sich später 
zeigen wird, in einem innigen Zusammerhange steht; es 
sind diess die in unzähligen Formen sich darstellenden 
Aushöhlungen in der Oberfläche der dichten 
Gesteinsmassien, durch welche vorzüglich das höhere 
Gebirgs-Terrain zum "Theile eben jenes wilde Ansehen er- 
hält, welches das todte Gebirge charakterisirt. Es ist un- 
möglich, durch das Wort all die bizarren Gestaltungen des 
Bodens in einem Bilde darzustellen , wie man sie so oft, 
besonders in jener Region des Priel- und Dachstein- 
gebirges, wo das reiche Pflanzenleben plötzlich vor einer 
unwirthbaren Felsenwüste Stillstand hält, mit einem Blicke 
überschauen kann. Die verschiedenen Furchen und Rippen, 
Kegel und Zacken, Schneiden und Kämme, Kessel, Brun- 
nen und Schründe, die von Dämonenhänden geformt, oder 
in. das Gestein gegraben zu sein scheinen, in der That 
aber das gemeinsame Product von Auswaschungen durch 
ein einziges aber lange wirkendes Element sind, bilden da 
ein wunderliches Chaos , welches das Auge des Neulings 
eben so überrascht, als es den Fuss des Wanderers ermüdet. 

Wir werden hier nur die wesentlichsten dieser ver- 
schiedenen Aushöhlungsformen und zwar vorzugsweise sol- 
che betrachten , die vermöge ihres weit verbreiteten, und 
"häufigen Vorkommens auch mehrere und zugleich sichere 
Anhaltspuncte bei der Aufsuchung der Ursachen , die ihre 
Bildung veranlassten, bieten können. 

. Hierher gehören vor allen die eigenthümlichen Riunen, 
- welche die Oberfläche des Gesteins und zwar in der glei- 
chen Ausdehnung des Gebirges, in welcher die oben be- 
schriebenen Abrundungen beobachtet werden, mehr oder 
weniger dicht durchfurchen. Herr Agassiz hat sie in 


— 227 — 


seinem Werke über die Gletscher mit dem Namen Karren 
bezeichnet und die grösseren von ihnen überdeckten Fels- 
flächen Karrenfelder genannt. 

In der einfachsten Form finden sich diese Karren (nicht 
zu verwechseln mit Karen, den Vertiefungen des oberen 
Gebirgsterrains) in steil abfallenden Felsflächen. Da bilden 
sie oft dicht neben einander liegende; unter sich ünd mit 
der Falllinie der Fläche parallele, halbrund ausgehöhlte 
Rinnen von 1 bis 6 Zoll Tiefe und Breite, welche durch 
wieder abgerundete oder auch schneidige oder gekammte 
Zwischenerhöhungen von einander getrennt sind. Auf dem 
Dachsteingebirge z. B. in der Wies, Ochsenwies, im 
Wildkar, an der Hosswand, am Ochsenkopf, im 
Seekar, in der Hirschau und vielen anderen Orten er- 
scheinen ganze grosse Partien steiler Abfälle und Wände 
aus der Ferne bei einer bestimmten Beleuchtung zanz re- 
gelmässig parallel senkrecht gestreift, in der Nähe oder 
mittelst eines Fernrohres erkennt man diesen Streifen mehr 
oder minder breite und tiefe Rinnen. Auf Flächen von 5° 
bis 20° Neigung wird die Gestalt der Karren schon zusam- 
mengesetzter, die Rinnen sind meist schon mehrfach ge- 
wunden und ihre Dimensionen nehmen, vorzüglich der Tiefe 
. nach zu. Je mehr die Neigung der gefurchten Flächen sich 
der wagrechten Ebene nähert, ‘desto mehr nimmt die Man- 
nigfältiekeit der Formen zu, desto mehr wächst Tiefe und 
Breite er Rinnen, wobei die erstere jedoch immer überwie- 
gender wird. Auf. wenig geneigten Felsebenen findet man 
nicht selten Rinnen von 3 bis 4 Fuss Tiefe und 1 bis 3 Fuss 
Breite. So sehr aber auch Form und Raumerstreckung der 
Karren wechseln mögen, darin bleiben sich die letztern 
stets gleich, dass sie in ihrem Grunde immer regelmässig 
 ausgerundet sind: Die zwischen den Rinnen liegenden Er- 
höhungen — man könnte sie Karrenrippen nennen — 
deren ‚Breitedurchmesser eben so abnimmt, wie die Brei- 
tenerstreckung der Rinren ec zeigen sich dagegen 
‘oben entweder gerundet oder keilig, oft schneidig auslau- 
fend, dann nicht selten auch nahe in die Quere durehlird- 
en und in abenteuerliche Formen zertheilt. 

BET (=). 


—_— 228 — 

Die Binnen nehmen nicht stets ihren Anfang im höch- 
sten Theile der von ihnen durchschnittenen Felsfläche, sie 
beginnen auf wenig geneigten Ebenen oft gleich tief sich 
einsenkend in der Mitte derselben, verzweigen sich in 
ihrem Verlaufe oft vielfach unter einander und münden 
dann entweder in eine Spalte oder einen Kessel, einen 
Karrenbrunnen , in einen Absturz, eine Mulde, oder Ebene 
aus, oder schliessen eben so plötzlich mitten im dichten 
Gestein sackförmig wie sie sich eingesenkt haben. Auch 
sieht man wieder in frei aus der Umgebung aufragenden ge- 
neigten Platten deren höchste Kante von den Rinnen tief 
kamm- oder kerbenartig durchschnitten. 

Die Richtung der Binnen folgt in der Regel der Abda- 
chung desjenigen Felstheiles, welchen sie durchziehen. 
Oft bestimmte aber auch eine Zerklüftungsspalte, eine ur- 
sprünglich in. der Lagerungsfläche befindliche Vertiefung. 
oder in dem gemengten Gesteine enthaltene Flecken oder 
Streifen , Nester, Adern oder Gehänge leichter auflöslicher 
Massen den Verlauf der von der Falllinie abweichenden 
Furchen. 

Es wurde bereits gesagt, dass die Karren im Allgemei- 
nen innerhalb derselben Grenzen der Gebirgsoberflächen 
sich vorfinden, wo die Abrundung der Felsmassen beobach- 
tet werden kann; nun bleibt nur noch Einiges über das spe- 
cielle Vorkommen derselben zu erwähnen übrig. 

Am vollständigsten ausgebildet zeigen sich 
dieKarrenauf demDachstein- und Prielstocke 
in der Höhe zwisehen 5000 und 3000 Fuss über dem 
Meere, und da wieder vorzüglich in den grössern 
Vertiefungen, in den Karen und abwärtsführen- 
den thalförmigen Weitungen der Gebirgs- 
oberfläche. Hier sind besonders die weniger geneigten 
Felsebenen oft so enge von den gewundenen Rinnen durch- 
schnitten, dass der Flächenraum der sie trennenden Zwi- 
schenhöhungen übertrifft, wodurch die Karrenfelder ein 
höchst eigentbümliches Aussehen erhalten. Unter dem 
Niveau von 3000 lässt sich die gleiche Rinnenbildung 
stellenweise, vorzüglich in den absteigenden 
Gebirgseinschnitten bis ins Thal verfolgen, nur ist 


- 229 — 


da ihr Auffinden dadurch erschwert , dass sie zum grössten 
Theile durch Schutt, Erde und Wald-Vegetation verdeckt 
ist. Solche tief herabgehende Karren sieht man z. B. in 
vordern Gosauthale dicht zur Rechten des Weges, im hin- 
tern Gosauthale beim Schmidt und in den Brunngräben ; 
ferner im Echernthale bei Hallstatt am rechten Ufer des 
Waldbaches, dann am Kessel und Hirschbrunn, in der 
Hirschau; am Altausseer See u. s. f. Ueber dem Niveau 
von 5000° nehmen die Karrenrinnen in den Di- 
mensions-Verhältnissen wieder ab, inder Höhe 
von 6500° sind sieauch schon seltener geworden 
und in der Höhe von 750 verschwinden sie fast 
gänzlich (wenn auch die geognostischen und die Ter- 
rain-Verhältnisse sich in allen diesen Höhen gleich geblie- 
ben sind). Noch muss erwähnt werden, dass die oft 
am vollständigsteu ausgebildeten Karren auch 
auffreistehenden, erhöhten, von dem angren- 
zenden Terrain ganz unabhängigen Steinflä- 
chen, Köpfen oder Rücken, wie sie in den Mulden 
und thalförmigen Vertiefungen der Gebirgsoberfläche häufig 
genug vorkommen, beobachtet werden können, 

Wie sind nun diese Karren entstanden ? 

Bei einer oberflächigen Betrachtung oder bloss verein- 
zelten Beobachtung derselben wird man wohl leicht zu der 
Annahme verleitet, dass alle diese vieigestaltigen Felsen- 
furche nichis als die sich immer erweiternden Rinnsäle der 
Schmelzwässer des Frühlings und Regenwässer des Son- 
mers seien, und dass auch ihre erste Entstehung bloss die- 
sen langsam aber fortdauernd wirkenden Elementen zuge- 
schrieben werden könne, aber bei sorgfältiger Prüfung 
aller Erscheinungen dieser in so grossartigen Verhältnis- 
sen vorkommenden Erosionen wird sich bald ergeben, dass 
für die letzteren eine solche Erklärung nicht ausreiche , 
dass diese in anderen Ursachen als den gegenwärtigen at- 
mosphärischen Niederschlägen, deren Antheil selbst bei 
der Fortbildung der Karren nur als untergeordnet erscheint, 
gesucht werden müsse. 

Einmal schon, dass die Bildung der Karren 
überhaupt der vorgeschichtlichen Zeit angehört, 


— 230 — 


lässt sich aus folgenden 'Thatsachen mit Sicherheit entneh- 
men: Inden untern Regionen des Gebirges siud die Kar- 
ren meist mit dichter Vegetation, oft mit uralten Bäumen, 
deren Wurzeln sich durch die mit reicher Humuserde ganz 
ausgefüllten Felsrinnen winden, hoch überdeckt. Die Kar- 
ren mussten also bereits vorhanden gewesen sein, als das 
Pflanzenleben in und’über denselben Fuss fassen konnte, und 
dass zur Anhäufung hohe Dammerdelagen inGebirgen vorzüg- 
lich auf Abhängen sehr lange Zeit erforderlich sei, ist eine 
bekannte Thatsache. Ferner sieht man inallen Regionen des 
Karren-Terrains in verschiedenen Gräben, Sehluchten und 
Mulden die an deren felsigen Seiten herablaufenden Rinnen 
noch tief unter den Schutt, welcher die Sohle der letztern 
meist überdeckt, und zwar in gleichen Dimensions-Verhält- 
nissen hinabreichen. Diese Erscheinung nöthigt zu der An- 
nahme, dass die Furchen bereits in Br ganzen Mächtigkeit 
gebildet waren, ehe deren theilweise Veberlagerung mit 
Schutt geschah. Da aber auch noch in den meisten Fällen 
die Lage und Beschaffenheit der erwähnten Schuttmassen 
wieder der Art ist, dass man die Herbeiführung der letztern 
solchen Ursachen zuschreiben muss, die jetzt nicht mehr 
vorhanden sind, die nachweisbar der Vorwelt angehören , 
so darf mit Sicherheit geschlossen werden, dass noch um 
so mehr die Bildung der Karren bereits in die vorhistori- 
schen Zeiten falle. 

Noch eine andere Tlıatsache gibt uns einen nicht un- 
wichtigen Fingerzeig über das Alter der Karren. Im 
mittleren Gebirge, wo nicht selten noch perpetuirliche 
Quellen zu Tage treten, sieht man in einer Reihe von Kar- 
renfurchen eine oder die andere zur constanten Abfiussrinne 
des Quelwassers dienen, während alle übrigen trocken lie- 
gen. Trotz der fortwährenden Berührung des Gesteins mit 
stets neuem Auflösungsmittel in der zum Rinnsal dienen- 
den Furche und dem Trockenliegen der übrigen beobachtet 
man doch keinen wesentlichen Unterschied der Raumver- 
hältnisse zwischen der erstern und den letztern. Höchstens 
sieht man in den ausgerundeten Boden jener Karrenfurche, 
durch welche die Quelle abläuft, ein engeres, vertieftes 
Rinnsal eingeschnitten, dessen Dimensionen zu den Di- . 


— 331 — 


mensionen der ganzen Karrenfurche in einem höchst unter- 
. geordneten Verhältnisse oft wie 1 zu 50 stehen. Lehrreiche 
Beispiele solcher Art fand ich im sogenannten Schnalz 
nächst der Wiesalpe, dann zwischen dem Taubenkar 
und Karlseisfeld, am Krippenstein, in den Brunn- 
gräben u.a. O. Wenn nun solche perpetuirliche Quell- 
wässer, deren Wasserquantum stets das Gesammtergebniss 
des jährlichen atmosphärischen Niederschlages auf einem 
mehr oder minder ausgedehnten Gebirgsterrain ist, auf 
welchem sich jener zur einzigen Quellader gesammelt hat, 
wenn nun solche perpetuirliche Quellwässer in dem dichten 
Gestein durch eine ganze Beihe von Jahrhunderten nur 
Rinnen aushöhlen konnten, die oft kaum ein Fünfzigtheil 
des Volums der Karrenrinnen enthalten, welche letztere 
überdiess oft noch in weiter Erstreckung so dicht neben 
einander liegen, dass ihre Wassersammlungsfläche nicht 
grösser ist, als sie selbst und die nächstliegenden Karren- 
rippen, welche Zeit durfte nun wohl {erforderlich gewesen 
sein, um diese Karrenrinnen auszunagen, vorausgesetzt, 
das Erosionsmittel sei bloss reines Regen- oder Schnee- 
wasser gewesen ? 

Untersuchen wir nun aber genauer, welcher Ursache 
die Bildung der Karren zuzuschreiben sei, so ergibt sich 
schon einmal aus dem Umstande, dass dieselben immer 
nurinnerhalh gewisser Grenzen auf dem Terrain 
des Gebirges beobachtet werden, und keineswegs 
über die ganze Oberfläche desselben verbreitet sind, die 
Folgerung, dass weder Regenwasser noch die Schmelz- 
wässer des jährlichen Winterschnees sie hervorgebracht 
haben konnten, weil sonst dieselben Aushöhlungen bei glei- 
shem Gestein überall vorkommen müssten, wo Regen und 
Schnee in gleicher Menge niederfallen, was aber keineswegs 
der Fall ist, wie oben bereits ausführlich beschrieben wurde. 

Durch Quell- und andere zusammenfliessende Sammel- 
wässer können wir uns eben so wenig die Karren entstan- 
den vorstellen, weil die Letzteren sehr oft gerade auf sol- 
chen erhöhten und isolirten Felsflächen am vollständigsten 
ausgebildet beobachtet werden, auf welche weder Quell- 
noch sonstige Sammelwässer je gelangen möchten. 


Bei! Se 


Auch die Annahme von grösseren fliessenden Gebirgs- 
wässern reicht zur Erklärung bei weitem nicht aus, weil 
die Karren nur allzuhäufig da gefunden werden, wo un- 
ter keinen Verhältnissen solche Wässer, z. B. Zu- 
flüsseoder Abzüge vonHochgebirgsseen, Was- 
serfälle, Wilbäche oder dgl. m. vorkommen 
konnten. 

Durch stehende Wässer , durch Seen oder gar das 
Meer vermögen wir noch weniger die Answaschung der 
Karren zu erklären, denn dagegen spricht zu sehr wieder 
die Form und vorzugsweise die bestimmte Richtung 
der Rinnen, die stets der Abdachung her ausgewasche- 
nen Fläche folgt. 

Beobachten wir aber einmal die Vorgänge, die bei dem 
jährlichen Abschmelzen der jetzigen Gletscher Statt finden, 
so werden wir bald auf Analogien zwischen jenen Wirkun- 
gen, die dieses Abschmelzen auf die Unterlage der EBis- 
massen hervorbringt und zwischen den Gebilden der Kar- 
renfelder stossen, die uns nach Erwägung aller Umstände 
und Thatsachen zu der Annahme hinführen, dass die 
Karren als das Resultat der Wirkung von 
Schmelzwässern einstmaliger weitausge- 
dehnter Gletscher zu betrachten seien. 

Wenn wir zur Sommerszeit durch Eisgewölbe, wie 
solche manchmal an den Rändern der Gletscher zu treffen 
sind, unter die letztern gelangen können, so sehen wir, 
dass in den verschiedenen Höhlungen, die durch das Schmel- 
zen des Eises von der einwirkenden Erdwärme und zuströ- 
mender Luftwärme gebildet werden, sich mehr oder minder 
zahlreiche, entweder noch in der Masse des Eises sich aus- 
keilende oder schon bis an die Oberfläche des Gletschers rei- 
chende Klüfte befinden, durch welche bald grössere bald 
kleinere Strahlen Schmelzwassers auf den Felsboden her- 
abstürzen und denselben mit Hilfe des theils von ihnen mit- 
geführten, theils bereits unten befindlichen Schuttes mannig- 
faltig aushöhlen. Wir können ferner beobachten, dass die 
Schmelzwässer, welche aus dem höhern Gletscherterrain 
ankommen und unter dem Eise ihren weitern Verlauf suchen, 
eine Menge von kleinen Rollstücken, Sand und feinem 


—_— 2333 — 


Steinmehl mit sich führen , welche zusammen eif sehr wirk- 
sames Schleifmittel abgeben, die ersten Vertiefungen in 
dem Boden allmälig mehr und mehr zu erweitern und auszu- 
höhlen und zwar genau in solchen Formen, wie wir sie in 
den Karrenfeldern beobachten. Bedenken wir noch, dass 
vermöge der Gestaltung der Unterlage die Gletscher beinahe 
alljährlich über denselben Stellen und in gleicher Weise 
zerklüften, dass also die Schmelzwässer so ziemlich immer 
auf dieselben Punete wirken, und im Laufe einer längern 
Zeit also auch so grossartige Aushöhlungen, wie sie die 
Karrenfelder wirklich zeigen, hervorbringen können; so 
dürfen wir wohl auch mit Sicherheit annehmen, dass alle 
Karrenfelder ihre Entstehung der gleichen Ursache, den 
Schmelzwässern einstiger Gletscher, zu danken haben. 

Entscheidend für die so eben dargelegte Theorie über 
die Bildung der Karren überhaupt, spricht noch insbesondere 
das Vorkommen der sogenannten Riesentöpfe und Kar- 
renbrunnen. Diess sind kreisrunde oder ovale, manch- 
mal auch unregelmässig gestaltete 1 bis 6 Fuss im Durch- 
messer haltende meist senkrechte, oft klaftertiefe Löcher in- 
mitten des festen Gesteins, dessen Schichten sie in ver- 
schiedenen Winkeln durchsetzen. Sie finden sich gewöhn- 
lich in den tiefern Theilen eines grösseren Hochgebirgskes- 
sels oder Hochthales, auch in einer Hochebene, selten aber 
auf einem Gebirgskopf. (Auf dem Dachsteingebirge habe 
ich sie. nicht über die Höhe von 6000’ beobachtet.) Gleich 
den Karrenrinneu kommen die Riesentöpfe und 
Karrenbrunnen — ich bezeichne mit dem letztern 
Namen die grössern Aushöhlungen, die nicht selten ganz 
regelmässigen runden Cisternen gleichen, z. B. der herrliche 
Karrenbrunnen in der Wies, von welchem später in meinem 
geologischen Atlasse eine genaue Zeichnung sich finden 
wird — oft an solchen Stellen vor, die ganz aus- 
ser dem Bereich eines grössern Wasserzuflus- 
ses, eines gewöhnlichen Wassersturzes u. dgl- 
liegen, wie z. B. der eben erwähnte Karrenbrunnen iu 
der Wiesalpe. 

So räthselhaft dem Geologen diese letzterwähnten Arten 
von Aushöhlung in ihrer Vereinzelung erscheinen mögen, su 


—_ 234 — 


wird er sich dieselben doch leicht und vollständig erklären 
können, wenn nur eine jener in grossen Eisfeldern gar nicht 
seltenen Gletscherkatarakten gesehen hat, bei welchen das 
obere Schmelzwasser durch 100 bis 300 Fuss tiefe, die ganze 
Gletschermasse durchsetzende Klüfte oder Schlünde mit 
grosser Gewalt auf die Felsunterlage niederstürzt und .die- 
selbe mit Hülfe des mitgerissenen und bereits unten befindli- 
chen Moränenschuttes verschieden aushöhlt. Wenn er dabei 
noch in einer Reihe von Jahren die Beobachtung machen 
kann, dass die abwärts rückenden Gletscher alljährlich, wie 
bereits erwähnt wurde, so ziemlich über denselben Stellen 
sich immer Katarakten bilden können, und wenn er nun 
nochmals die ganze Oertlichkeit, wo Karrenbrunnen oder 
Riesentöpfe vorkommen, genau überblickt , so wird er leicht 
zu dem Schluss gelangen, dass diese bei den Aus- 
höhlungsformen ebenfalls nur durch solche 
mächtige Schmelzwasserstürze einst das Kar- 
ren-Terrain hoch überlagernder Gletscher ge- 
bildet worden sein mussten. 

Auch minder regelmässig gestaltete Schründe, Höhlen 
und Löcher tragen die Spuren einer ähnlichen Entstehung 
wie die Karrenbrunnen an sich, doch darf man nicht alle 
derselben von gleichen Ursprunge ableiten, da es auch viele 
oft sehr tiefe Höhlungen und Schlünde in den Kalkgebirgen 
gibt, die bloss durch Zerklüftung und Verwitterung des 
Gesteins und durch die langsame Einwirkung der Atmas- 
phärilien gebildet worden sind, auch noch gebildet werden. 
Hieher gehören z. B. die meisten sogenannten „Wind- 
löcher.* Ein geübtes Auge wird leicht die wirkenden 
oder einst wirksamen Ursachen dieser verschiedenen Formen 
auffinden und unterscheiden können. 


IV. Erratische Trümmer, Moränen. 
Wiener Zeitung vom 1413. Mai 1846, 


Wenn man das Dachsteingebirge von seinem Fusse an 
bis zu den höchsten Gipfeln, in welcher Richtung immer, 


“ 


—_— 235 — 


durchwandert, so findet man dessen Oberfläche mehr oder 
weniger mit grössern und kleinern Bruchstücken der Gebirgs- 
masse bedeckt. Ein Theil derselben, in den Mengungs- und 
Mischungsverhältnissen gleichartig mit dem angrenzenden 
festen Gesteine; liegt noch auf der ursprüglichen Vorkomm- 
nissstätte oder nahe derselben, und zwar entweder zer- 
streut oder als ungeordnetes Trümmerwerk den Felsboden 
überlagernd oder endlich zu Gehängen an Gebirgswänden 
aufgehäuft. Schuttmassen solcher Art sind das Resultat 
der langsamen Zerstörung der Gebirgsoberfläche durch die 
Atmosphärilien. Man findet aber eben so häufig Trümmer, 
welche sich in ihren Bestandtheilen von allen sie zu- 
nächst umgebenden Gebirgsschichten unterscheiden, also 
fremdartigaufihrem gegenwärtigen secundä- 
renVorkommnissorteerscheinen, deren muthmass- 
liche, oft auch noch nachweisliche primäre Lagerstätte 
zwar dem Dachsteingebirge angehörig, doch so entfernt 
von der jetzigen Fundstelle liegt; dass das gegenwär- 
tige Vorkommen durch keines der verschie- 
denen derzeit wirksamen Transportmittel 
(Wind, Regen, Wolkenbrüche, oder das Gesetz der Eigen- 
schwere), sondern nur durch die Annahme viel 
gewaltigerer, in einer fernen vorgeschichtli- 
chen Epoche wirkender Ursachen erklärt wer- 
den kann. Man hat diesen fremdartigen Trünmergebil- 
den den Namen der erratischen oder Findlingsge- 
steine gegeben. 

Die erratischen Gesteine finden sich, wie gesagt, über 
das ganze Dachsteingebirge verbreitet, und zwar unter 
Verhältnissen der Ablagerung, die uns wichtige Finger- 
zeige über das Transportmittel abgeben, welches die Find- 
lingsmassen einst über tiefe Kare und Schluchten, über 
hohe Rücken und Kämme tragen konnte. Schon in den 
Kesseln des todten Gebirges, welches die Dachsteinglet- 
scher umgrenzt, auf dessen Terrassen, Köpfen und Wäl- 
len, oft gerade auf den höchsten Theilen der beiden Letz- 
teren, gewahrt man bald einzelne, manchmal ganz wider- 
sinnig aufgestellte Blöcke (z. B. auf einem deutlich abge- 
rundeten, aus grauweissem Kalk bestehenden Walle in der 


—_— 236 — 


Linie zwischen dem Taubenkar und dem Schöberl 
und etwa 500 Klafter vom seitlichen Rande des Carls- 
Eisfeldes entfernt, sieht man einen isolirten, mehr als 
eine Kubikklafter grossen, ganz scharfeckigen Block von 
dichter, roth, grau und gelblicher Marmorbreecie, der ge- 
rade auf seinen untern Flächen Spuren karrenänlicher Ero- 
sion zeigt), bald in grösserer oder geringerer Menge an- 
gehäufte Trümmermassen, die theilweise dem oft noch 
stundenweit entfernten und viel höheren Gipfel des Gebir- 
ges angehören. Gewöhnlich können hier die erratischen 
Gesteine von den localen Trümmermassen meist erst dnrch 
eine genauere Untersuchung der inneren Mengungs- und 
Mischungsverhältnisse unterschieden werden, in der äusse- 
ren Form beider zeigt sich noch kein wesentlicher Unter- 
schied, höchstens dass einige der Ersteren einzelne Spu- 
ren von Reibung und Abrundung zeigen Je tiefer man 
von dem todten Gebirge herabsteigt, dests mehr häufen 
sich die erratischen Massen, desto leichter wırd auch ein 
Theil derselben erkennbar durch die auffallende Abrundung 
der Oberfläche. Am Fusse des Gebirges mengen sie sich 
mit den Alluvialgebilden und ihre Massen sind dann wieder 
schwieriger von den Letzteren zu trennen. 

Wer hat wohl je die Wanderung von Hallstatt nach 
dem Carls -Eisfeld gemacht, dem nicht die zahllosen, mehr 
oder minder abgerollten Blöcke und Geschiebe, welche auf 
dem ganzen Wege von dem Waldbachleithen an bis zum 
Rande des ewigen Eises hinauf überall hingestreut und stel- 
lenweise zu Wällen und Hügeln aufgehäuft sind, aufgefal- 
len wären (die fast noch häufigeren scharfeckigen Findlinge 
abgerechnet, die mehr nur dem Auge des Geologen erkenn- 
bar sind) und dem sich nicht die Frage aufgedrungen hätte, 
wie, wann und von wo diese Massen auf ihre 
jetzige Stelle gebracht wurden? 

Wenn bei der alleinigen Betrachtung der erratischen 
Trümmer diese Frage nur noch ungenügend lösbar erscheint, 
so wird sie doch vollständig beantwortet werden kön- 
nen, sobald wir neben dem Vorkommen der erstern noch 
eine zweite, verwandte Erscheinung näher untersuchen und 
in Berücksichtigug ziehen, nämlich das gleichzeitige 


= u 


Vorkommender vielen moränenartigen, mit Damm 
erde und Vegetation mehr oder minder koch bedeckteu 
Schuttmassen, die vorzüglich in der Karrenregion in 
ganz eigenthümlichen, streng umgrenzten Formen gefunden 
werden. Manche dieser Formen sprechen unwiderlegbar 
gegen jede Annahme einer entweder langsamen Anhänfung 
ihrer Schuttmassen durch Verwitterung der Nachbartheile, 
oder einer Ablagerung oder Zusammenschwemmung an Was- 
ser, z. B. die merkwürdigen Schuttgebilde in der Wies- 
alpe und im Taubenkar. Da über die Art des Mediums, 
durch welches einst der Transport des unter den beschrie- 
benen und ähnlichen Verhältnissen vorkommenden errati- 
schen Schuttes Statt gefunden hatte, noch immer ein lebhaf- 
ter Streit geführt wird, so dürfte hier eine nähere Beschrei- 
bung der Schnttgebilde in den zwei letztgenannten Puncten 
des Dachsteingebirges nicht am unrechten Orte sein. (Zwei 
möglichst treue Zeichnungen in meinen geologischen Skiz- 
zen werden später den Gegenstand noch anschaulicher ma- 
chen.) in der Wiesalpe sieht man über der wellig ge- 
stalteten, grasüberdeckten Schuttebene des Kares und un- 
mittelbar an der Einmündung der ziemlich weiten Schlucht 
der Greitgrube, eine etwa 2500 Quadrat-Klafter grosse 
und 10 bis 15‘ hoke, bei ihrem Anfange an den Abfall der 
erwähnten Schlucht angelehnte, von da halbkreisförmig aus- 
gebreitete Schutt- Terrasse sich erheben, welche an ihrer 
äussern ziemlich scharfen Abgränzung fast durchgängig in 
_ einem Winkel von 35 bis 45° abfällt. Vom obern Rande 
dieses Abfalles an steigt die Terrassenfläche nur sehr gering 
gegen ihren Anfangspunct hinauf. Sie ist von mehreren 
tiefen Gräben, welche radienförmig von dem letztern aus- 
laufen, und in die sich wieder kleinere seitliche Gräben 
einmünden, durchschnitten. Die zwischen den Gräben be- 
findlichen Höhentheile sind ganz mit kleinen 2 bis 4 Fuss 
tiefen und % bis 6 Fuss im Durchmesser haltenden runden 
oder länglichen Mulden bedeckt, die dicht neben einander 
liegen und der Terrasse ein vollkommen welliges Aussehen 
geben. Grössere und kleinere, mehr oder minder abgerollte 
Findlingsmassen liegen auf dem üppigen Grasteppiche ent- 
blösst herum, welcher die ganze Terrasse dicht überzieht. 


—_ 238 — 


Gräbt man an irgend einer Stelle in den Boden ein, so 
kommt man nach einer 3 bis 4 Zoll tiefen Schicht humusrei- 
cher Erde sogleich auf einen mit Geschieben verschiedener 
Dimensionen und auch eckigen Fragmenten gemengten fei- 
nen Schutt, welcher die vollendeteste Aehnlichkeit mit je- 
nem Schutt hat, den man unter den jetzigen Gletschern des 
Dachsteingebirges findet und der seine Entstehung dem Ab- 
wärtsrücken des Eises und dem dadurch hervorgebrach- 
ten Abreiben seiner Unterlage zu danken hat. Von glei- 
cher Beschaffenheit mit der Terrasse zeigen sich auch die 
Massen des sie unterlagernden Bodens der Alpe und der vor 
ihr liegenden, an die Herrengasse grenzenden tief wel- 
lig gestalteten Grastrift. Noch muss erwähnt werden , dass 
am Anfangspuncte der beschriebenen Terrasse gerade unter- 
halb der Einmündung der Greitgrube grosse scharfeckige 
Trümmermassen — Bruckstücke der zur Rechten liegenden 
Felswand in grosser Menge zerstreut umherliegen, welche 
an ihrer ganzen Oberfläche einen hohen Grad von Verwit- 
terung zeigen und sich auffallend in ihrem äussern Ansehen 
von den abgerundeten Findlingsmassen,, zwischen welchen 
sie ruhen, unterscheiden. Die Wand selbst trägt in einer 
grossartigen Aushöhlung, über welche jetzt höhere Stein- 
schichten dräuend hereinhängen‘, deutlich die. Spuren eines 
einst mächtig wirkenden Elementes an sich, welches erst in 
“ der Greitgrube zusammengedrängt, dann an ihrer Ausmün- 
dung in die Wies plötzlich breitere Bahn findend,. nun den 
untersten Theil der Wand gewalisam ausbrach. 

Noch auffallender sind die Formen des erratischen 
_Schuttes in dem 5500’ über dem Meere gelegenen und etwa 
Dreiviertel-Stunden vom Carls-Eisfelde entfernte Tauben- 
kar. Dieses bildet einen tiefen Gebirgskessel , nach  wel- 
chem sich von dem ihn östlich abgrenzenden Rü- 
cken, von dem untern Carls-Eisfeld, vom Wildkar 
und der Ochsenwieshöhe Gebirgseinschnitte als ver- 
schieden tiefe und breite Schluchten herabziehen. Von der 
Einmündung je einer solchen Schlucht sieht man ein abge- 
 schlossenes System bald paralleler, bald fächerig auseinan- 
der laufender, wenn auch wieder mehrfach üherschüllewer 
Schuttwälle nach der Mitte des Kares zu so weit sich aus- 


— 239 — 


breiten, dass die Endpuncte dieser verschiedenen Wälle bei- 
nahe alle ausser dem Bereiche der etwaigen Lavinen, die 
allerdings ähnliche Schuttbildungen veranlassen konnten, 
liegen. Fast in der Mitte zwischen den verschiedenen 
Wallfächern und zugleich im tiefsten Theile des Tauben- 
kars erhebt sich eine mächtige, unregelmässig kegelförmige, 
breit abgeplattete etwa 16 bis 20° hohe Schuttmasse mit 35 
bis 45° steil abfallenden Seiten und mit einer wellig gestal- 
teten, fast horizontalen Oberfläche. So weit ich die Masse 
dieses Schuttplateaus untersuchen konnte, zeigte sie sich 
identisch mit den übrigen Schuttmassen des Kares und diese 
identisch mit den Randmoränen des Car!s-Eisfeldes. 

Sollte man auch hier noch über den Ursprung der fäche- 
rigen Schuttwälle in Zweifel stehen, so muss der Anblick 
des mittleren Plateaus und eine nur oberflächliche Uebersicht 
der Umgebungen des Kares diesen Zweifel vollständig lösen, 
Vorläufig nur angenommen, dass grosse Gletschermassen 
das Terrain um das Taubenkar herum einst in unbestimmter 
Ausdehnung deckten, so mussten diese über dem grossen 
Kesselthale sich ebenfalls mehr oder minder zu einer gros- 
sen Gletschermulde zusammensenken, in deren tiefsten Stelle 
die sich begegnenden Gletscherströme durch wechselseitigen 
Druck einen entweder festsitzenden Eisstock, oder einen 
sich langsam bewegenden -Gletscherwirbel hervorbringen 
mussten. Die mitgeführten Moränen der verschiedenen, in 
das Kar sich mündenden Eisströme mussten daher auch sich 
in der tiefsten Stelle des grossen Gletscherkessels zu einer 
grossen Central-Moräne TR und der untere 
Reibungsschutt bis nach den tiefsten Stellen des Felskares 
geschoben werden. Sowohl die durch das Niederschmelzen 
durch die Eismasse endlich auf dem festen Boden angelangte 
obere Central-Moräne, als.auch der unten von allen Seiten 
zusammengeführte Heibungachuft mussten sich nothwendig- 
im Grunde des Kares zu einem mehr oder minder regelmäs- 
sigen Kegel aufhäufen, der durch den stets erneuerten Druck 
der immer wieder nachschiebenden und auflastenden Eismas- 

sen abgeplattet wurde. 
Nun finden. wir auch in.der That jene Se Schutt- 
ablagerung ganz in der Form im Taubenkar, wie sie 


c 


BE 


unter den angegebenen. Umständen nothwendig sich hätte 
bilden müssen , und wir können alse auch mit voller Sicher- 
heit diese mittlere Schutt-Terrasse und mit ihr die andern 
sie umgebenden analogen Gebilde als vvorweltliche Mo- 
ränen, als Gletscherschutt bezeichnen. Zahlreiche 
Beispiele ähnlicher Art liessen sich noch von dem Dachstein- 
gebirge aus den verschiedenen Niveaux aufzählen, da wie 
gesagt, vorzüglich eine grössere Vertiefung bis zu dessen 
Fuss und ins Hauptthal herab erratischen Schutt enthalten, 
doch werden die erwähnten zur Bekräftigung der ausge- 
sprochenen Theorie genügen. 

Die Verbreitung des Gebirgsschuttes und seine oft 
moränenähnlichen Gestaltungen in den angrenzenden Haupt- 
thälern geben uns keine hinlänglichen Anhaltspuncte für die 
unteren Grenzen der einstigen Gletscher, da in den tieferen 
Niveaux den verschiedenen Diluvien ebenfalls eine grosse 
Rolle eingeräumt werden muss, und sich hier also die Wir- 
kungen des wandernden Eises und der vorgeschichtlichen 
Ueberschwemmungs-Epochen begegnen. Wir werden da- 
her erst im Schlusse aus der Verbindung aller bisher be- 
zeichneten Erscheinungen die Grenzen des vorweltlichen 
Gletschergebietes annähernd zu bestimmen suchen. 


V. Gletscherschliffe. 


Wiener Zeitung vom 17. Mai 1846. 


Achnliche, bald glatte bald gestreifte Flächen von ver- 
schiedenen Dimensionen, wie sie von den Gletscherfor- 
schern in verschiedenen Niveaux über den gegenwärtigen 
Eis- und Firnfeldern, oft mehrere tausend Fuss hoch über 
der Sohle der Thäler, auf Felswänden und Gehängen der 
Alpen und anderer Gebirge beobachtet, und mit anderen 
Erscheinungen zugleich als Beweise einstiger Gletscheraus- 
dehnung benützt wurden, findet man im ganzen Salzkam- 
mergute auf der Oberfläche aller Gebirge und in allen Hö- 
hen derselben. Viele solcher Flächen wird der erste An- 


— 2411 — 


blick als Gletscherschliife oder als sonstige Wirkungen äus- 
serer gewaltsamer Ursachen anerkennen lassen, aber bei 
Senauerer Untersuchung werden die wenigsten davon äus- 
sern Einflüssen zugeschrieben werden können, sondern fast 
alle nur zuletzt als eine Eigenthümlichkeit der Formation 
erscheinen. 

Die geschichteten Kalkmassen aller Alpen des Salz- 
kammergutes sind von bald glatten, bald welligen, bald 
gestreiften Lagerungs-, Zerklüftungs-, Verschie- 
bungs-, ja sogar von krystallähnlichen Abson- 
derungsflächen in vielfachen Richtungen durchschnit- 
ten, welche durch die allmählige partielle Zerstörung der 
Gebirgsoberfläche verschiedentlich zu Tage kommen, und 
durch ihre Entblössung dem Terrain dann oft das Ansehen 
geben, als hätte irgend ein gewaltsam wirkendes Element 
einst die Felsen stellenweise geebnet oder geschliffen. In 
manchen Partien, wo die Schichtung des Kalkes durch eine 
nicht selten bedeutende Mächtigkeit ganz für das Auge 
verschwindet, tritt auf einmal wieder eine und die andere 
Schichtungsfläche ganz deutlich sichtbar hervor, und zwar 
manchmal in solcher Gestalt und unter solchen Umständen, 
dass man sie für Schliff- oder Rutschfläche ansehen muss, 
wenn man nicht Gelegenheit hat, die Structur der ganzen 
Partie höchst genau zu untersuchen. Im Altausseer und 
Grundelseer Gebirge sind solche Erscheinungen nicht selten. 

Wenn die Schichtungsflächen an und für sich schon 
mehr oder weniger eben und glatt sind, so werden sie es 
noch in höherem Grade, wenn bei einem starken Fall der 
Schichtung Abrutschungen höherer Straten über tiefere 
Statt finden; dadurch entstehen allerlei Schliffe, manchmal 
auch Streifungen , die den Gletscherschliffen vollkommen 
gleich sind. So fand ich im Ausseer Gebirge in der Ab- 
dachung eines grösseren Felsenwalles eine bedeutende Fels- 
fläche, stellenweise mit fest angeschlossenen Bruchstücken 
und auch ganzen Nieren von Hornstein bedeckt, welche 
eine dentliche von harten Körpern erzeugte, im Ganzen 
mit der Falllinie der Fläche parallele, nach unten zu aber 
von der letztern etwas abweichende Streifung erkennen 
liess. Alle localen Verhältnisse sprachen dafür, dass diese 

Freunde der Naturwissenschaften in Wien. I. 16 


Br? 


Streifung einem alten Gletscher zuzuschreiben sei , welcher 
einst über die Felsfläche niederging und sie mit seinem un- 
tern Moränenschutt ritzte, aber eine genaue Untersuchung 
des nächstliegenden tieferen Terrains belehrte mich bald, 
dass eben diese Streifung nur durch das Ablösen und Ab- 
rutschen einer mächtigen Felsmasse entstanden war, deren 
untere Berührungsfläche ebenfalls viele Hornsteine enthielt, 
die beim Abrutschen in der weicheren Kalkfäche der Un- 
terlage die ziemlich tiefe, jetzt noch deutlich erkennbare 
Ritzung hervorbrachten. Ich fand die Trümmer dieser ab- 
gerutschten Masse etwa 50 Klafter unterhalb der gestreif- 
ten Fläche. 

Auch Zerklüftungs- und Absonderungsflächen haben oft 
das Ansehen von Schliffllächen. In einer Partie der Hoss- 
wand (auf dem Dachsteingebirge) sah ich eine sehr grosse, 
ganz glatte, die Schichtung in einem Winkel von etwa 75° 
sehneidende Fläche, die ich lange bereit war, als einen 
Gleischerschliff zu betrachten, bis ich endlich bei genauerer 
Untersuchung des mächtigen Felsstockes gewahrte, dass 
diese vermeintliche Schlifflläche vollkommen parallel mit 
einer zweiten, die Masse der Hosswand selbst durehsetzen- 
den Zerklüftungs- oder Gebirgskrystallisationsfläche (wenn 
man diesen Ausdruck gebrauchen darf) und also wohl auch 
als eine bloss durch Abbruch entblösste Fläche gleicher Be- 
schaffenheit zu betrachten sei. 

Solcher Beispiele liessen sich noch viele aus den Alpen 
des Salzkammergutes anführen, doch die erwähnten dürften 
genügen, zu beweisen, welche Vorsicht bei der Erklärung 
einer Erscheinung zu beobachten sei, die man zur Begrün- 
dung einer Theorie benützt. Meine eigenen Erfahrungen 
haben mich gelehrt, auf das Vorkommen einzelner glatter 
oder auch gestreifter Flächen in den Kalkgebirgen als Be- 
weismittel für einst vorhandene Gletscher keinen grossen 
Werth zu legen. Nur die allgemeine Abglättung 
und Abrundung eines ganzen Terrains, wie die- 
selbe z. B. auf dem Dachsteingebirge innerhalb gewisser 
ziemlich scharf gezogener Grenzen sich beobachten lässt, 
kann man mit Sicherheit als die Wirkung von 
Gletscherschliffen erkennen. 


— 243 — 


VI. Schluss. 


Ueberschauen wir nun noch einmal alle bisher beschrie- 
benen 'TThatsachen und fassen wir die Erklärungen , die 
wir für sie bereits theilweise aufgesucht haben, zusammen, 
so ergibt sich, dass wir aus den verschiedenen Kar- 
rengebilden und aus dem erratischen Schutte, 
welche beide in bestimmter Ausdehnung vorzugsweise auf 
dem Dachsteinstocke, dann aber auch auf den übri- 
gen bedeuten deren Gebirgen des Salzkammer- 
gutes gefunden werden, mit Evidenz das einstige 
Vorhandensein weit ausgedehnter Gletscher, 
die sich, mindestens stellenweise, bisan den 
Fuss der genannten Alpen erstreckt hatten, 
nachweisen können. (Ob auch die Thäler einst ganz 
mit Eismassen ausgefüllt waren, ob die letztern sich viel- 
leicht, wie Charpentier, Agassiz und andere Natur- 
forscher bereits nachzuweisen bemüht waren, auch das 
Flachland überzogen, vermag ich nicht zu behaupten, da 
ich selbst noch keine ausreichenden Beweisgründe dafür 
aufgefunden habe.) 

Die Karrenfelder, welche sich, wie gesagt wurde, 
in der Region zwischen 5000 und 3000° am vollständigsten 
entwickelt zeigen, nach abwärts mehr oder minder durch 

‚alle tieferen Gebirgseinschnitte bis ins Thal verfolgen las- 
sen, nach aufwärts in einer Höhe von 6500° regelmässig 
aufhören, bezeichnen uns zugleich das einstige Terrain 
des eigentlichen Gletschereises; dürfen wir nun nicht viel- 
leicht die Grenzen der auf dem Dachsteingebirge so con- 
stanten Abrundung der Berggipfelund grössern 
Erhöhungen, so wie der kleinen Aufragungen 
des Felsbodens als die grossartigen Marken annehmen, bis 
zu welchen hınauf die wandernden, alles unter ihnen lie- 
sende Terrain abschleifenden und abgerundeten Eis- und 
Firnmeere reichten; dürfen wir endlich nicht auch die dü- 
stere Verödung des todten Gebirges als dıe nachhal- 
tige traurige Spur jenes tausendjährigen Gebirgswinters 
betrachten ? 

16* 


— 2144 — 


Welches Klima musste nun aber in unsern Gegenden 
geherrscht haben, dass die Gletscher die bezeichnete Aus- 
dehnung erlangen konnten ? 

Wenn wir den Nordpol zu irgend einer Zeit unsern 
Ländern um 10 Grade (also beiläufig nur um zwei Drittheile 
der Abweichung des magnetischen von dem geographischen 
Pole) uns genähert denken, so musste damals, vorausge- 
setzt, dass die summarischen Temperaturs-Verhältnisse und 
deren Vertheilung nach Pol und Aequator auf unserem Pla- 
neten mit den jetzigen gleich waren, die Linie des soge- 
nannten ewigen Schnees in unsern Alpen um etwa 2500‘ 
tiefer als gegenwärtig, also in einer Meereshöhe zwischen 
6000 und 5500’ liegen, mithin nicht nur alle Alpengipfel 
des Salzkammergutes von dieser Höhe, sondern vorzugs- 
weise die beiden Hochplatcaus des Priel- und Dachsteinge- 
birges nach ihrer ganzen Ausdehnung ,„ mit bleibendem 
Schnee bedeckt gewesen sein. Die Scheide'inie von Firn 
und Eis liegt gegenwärtig auf dem Dachsteingebirge in 
7500, die tiefste Erstreckung des Carls-Eisfeldes in 6000'. 
In jener kälteren Periode wird also, der tiefern Lage der 
Schneelinie entsprechend, die oberste Grenze des Glet- 
schereises in etwa 5000’ die untere aurchschnittlich in 3500 
bis 3000 gewesen sein. Wir wissen, dass in den Schwei- 
zer und Tiroler Gletschern, da wo Firn und Eis einen grös- 
sern Flächenraum einnehmen, die tiefsten Ausläufer der 
Gleischerströme bis zu 3500‘, also noch um 2500’ tiefer, als 
die jetzigen Dachsteingletscher , herabgedrängt werden. 
In jener Epoche der grössern Polnäherung hatten aber die 
Gletscher des Dachstein- und Prielgebirges eine bei weitem 
grössere Ausdehnung, als jetzt die mächtigsten Gletscher 
des Bernerlandes und Savoyens, da sie die ganzen unge- 
heuern Plateaux der beiden Gebirge inne haiten; sie waren 
also mächtig genug, durch ihr Anwachsen in den Höhen 
ansehnliche Gletscherströme nicht nur bis zu der bezeichne- 
ten Tiefe von 3500, sondern bis in das Niveau des Traun- 
thales hinabsenden zu können. 

Welche Physiognomie mochte nun wohl in jener Zeit 
das Salzkammergnt gehabt haben? Wenn die Linie des 
permanenten Schnees in. einer Höhe zwischen 6000 bis 5500° 


a RETTET WERTEN ZELDR 


_ 245 — 


lag, so mussten beinahe alle Kuppen mit Firn gekrönt ge- 
wesen sein, und dieser konnte in allen grössern Höhenter- 
rains, wie auch in allen tiefern Gebirgskesseln, z B. auf 
dem Höllengebirge, am Schafberg, auf der Schrott, an der 
Ziemnitz u. s. w. einzelne Gletschergruppen gebildet ha- 
ben, so dass wohl der grösste Theil der Gebirgsoherfläche, 
vielleicht auch der grössere Theil der Thaltiefen von den 
wandernden Eislasten überdeckt war, und somit das 
Salzkammergut beieinem Klima, wie dem Dä- 
nemwarks, etwa das Aussehen einer Hochge- 
birgslandschaft des äussersten Nordens hatte. 

Sind wir aber auch berechtigt , eine solehe veränderte 
Lage des Nordpols, eine Näherung desselben um 10 Grade 
gegen unsere Länder anzunehmen? Die in einem Verlaufe 
von 2000 Jahren gemachten astronomischen Beobachtungen 
sprechen nicht dafür, durch die Abplattung unserer Erde 
scheinen für immer die Pole fixirt zu sein, nnd alle petre- 
faktologischen Entdeckungen sprechen höchstens nur für 
eine in der Vorzeit herrschende allgemein verbreitete hö- 
here Temperatur auf unserer Erdoberfläche, für ein tropi- 
sches Klima, aber keineswegs für eine Eiszeit! 

Wenn wir das ganze Alter unserer Erde auf einige 
Jahrtausende beschränken, wenn wir das schöpferische 
Werde, das die losen Urstoffe im unbegränzten Raume 
zum Embryo eines neuen Weltkörpers sich gestalten liess, 
mit jenem Moment, wo der Geist des Alls mit seinem Odem 
den ersten Menschen auf dem vollendeten Planeten belebte, 
in die Spanne einiger Tage, Jahre oder Jahrtausende zu- 
sammenzwängen wollen, so wird allerdings die Annahme 
einer Veränderung in der Polstellung unserer Erde nicht 
zulässig sein, denn dann könnte nur ein gewaltsames Spiel 
des Zufalls an dem Planetensysteme gerüttelt, unsere Erde 
aus der ihr angewiesenen Stellung verrückt haben. In wel- 
chem Puncte des unbegrenzten Universums aber vermöchte 
der Zufall zu walten, wo eine höchste Weisheit dem un- 
sichtbaren Atom, wie dem grössten Himmelskörper, wie 
dem ganzen Weltensysteme ihre unveränderlichen Gesetze 
vorgezeichnet hat! 


— 246 — 


Wenn wir uns die Erde als einen starren Klumpen, 
ihre Rinde als eine unverschiebbare Kruste denken , wer- 
den wir eine Verrückung der Pole nicht annehmen können, 
da diese durch die Abplattung schon für alle Zeiten fixirt 
erscheinen. Wenn das (hypothetisch) einst allgemein auf 
unserer Erde herrschende tropische Klıma nur eine Folge 
der früheren viel höheren Centralwärme des Planeten war, 
die nun fortwährend im Abnehmen ist, in welche Epoche 
hätte wohl da das Interregnum der Eiszeit fallen sollen, 
die nur erst nach der vollen Auskühlung unseres Erdkör- 
pers in seinem letzten Lebensstadium, wo auch die letzten 
kümmerlichen Menschenreste als stumpfsinnige Lappländer 
endlich den Tod der Erstarrung werden sterben müssen, 
eintreten kann ? Werfen wir aber noch einmahl den unbe- 
fangenen Blick hinein in die von der Wissenschaft immer 
mehr entrollten Blätter des grossen Buches der Natur, fas- 
sen wir die unermesslichen Zeiträume ins Auge, deren 
Zahlen die Allmacht zum Zeichen ihres ewigen Waltens, 
als unvertilgbare Offenbarung, für den denkenden Menschen 
ins eherne Kleid der Erde gewebt hat, so werden wir nicht 
mehr nach Jahrtausenden, wir werden nach Millionen Jah- 
ren rechnen, die an unserem Planeten vorüber gezogen 
sind und wahrscheinlich noch vorüberziehen werden. Wir 
werden uns daun eine Reihe, einen Wechsel von Epochen 
denken können, deren Annahme für kürzere Zeiträume sich 
nicht rechtfertigen liesse. Haben z. B. die astronomischen 
Beobachtungen der letzten 1000 Jahre keine Veränderung 
der Polstellung unserer Erde nachgewiesen, so würden diess 
die Beobachtungen von 10.000 Jahren wahrscheinlich, die 
Beobachtungen von 100.000 Jahren gewiss thun. Ist es nicht 
denkbar, dass in dem ganzen Verlauf der ungeheuren 
Zeit, die wir, durch wissenschaftliche Erfahrungen und 
Thatsachen genöthigt, nur für alle die Ablagerungen der 
unzähligen Schichten unserer Erdrinde und für die eben 
so zahllosen Gestaltungs - und Umstaltungsepochen der 
Erdoberfläche annehmen müssen, die Pole unserer 
Erde in einer fortwährenden unmerklichen, 
nach einer uns unbekannten Richtung Statt 
findenden Rücknng, welche durch ausser unserer 


—_— 2141 — 


Beobachtung liegende Einwirkungen der umgebenden Him- 
melskörper bestimmt wurde und noch fortwährend bestimmt 
wird, sich befanden und noch befinden? Ist es 
nicht denkbar, dass in dem Verlaufe von Millionen Jahren 
unsereErdgegendein-und vielleicht auch schon 
mehreremahl abwechselnd dem Nordpol und 
wieder dem Aequator näher stand als gegen- 
wärtig? Die Abplattung unseres Planeten kann einer sol- 
chen Annahme nicht hinderlich sein, denn die ganze Struc- 
tur der Erdrinde, die noch immer Statt findenden vulkanı- 
schen Hebungen, die Wellenbewegungen der Erdoberfläche 
bei jedem grösseren Erdbeben geben uns einen hinlängli- 
chen Beweis, dass die starre Hülle unseres Planeten noch 
Verschiebbarkeit genug besitzt und immer besitzen wird, 
um bei veränderlicher Axenstellung die damit bedingte 
Umstaltung eingehen zu können. Zahlreiche geologische 
Erscheinungen würden durch die Begründung dieser An- 
nahme erklärbar werden, die jetzt noch dem Gebiete der 
Hypothesen anheimfallen, wir würden uns dann ohne An- 
nahme von allmähliger Erdabkühlung, von gewaltsamen 
Verrückungen der Erdaxe und von vielen andern oft aben- 
teuerlichen Erklärungen recht leicht vorstellen können, dass 
in einer Epoche um einen Punet Europa’s das nördliche Po- 
larmeer kreisete, dass seine Fluthen Treibeis mit errati- 
schen Blöcken über alles Land unseres Erdtheils jagten, 
dass auf unsern Alpenländern arktisches Klima lag; dass 
in einem andern Zeitraum wieder tropische Regen unsere 
Länder befruchteten, Palmen und riesige Farren sich auf 
unsern Felsen wiegten, und unabsehbare Prairien mit klaf- 
terhohem Grase dem Mammuth zum Aufenthalte dienten, 
ja wir würden uns zuletzt solche Wechsel vielleicht bereits 
öfter wiederholt denken können. 

Die grosse Bühne der menschlichen Entwickelung kann 
nicht vergehen, ehe das Menschengeschlecht nicht seine 
Bestimmung erreicht hat, aber die Erreichung der letztern 
liegt in einer unabsehbar fernen Zukunft. Die Natur, auf 
der wir leben, in der es kein Verharren geben kann, rollt 
unter unsern Füssen sich immer/neu gestaltend |fort, ohne 
dass wır es gewahren; wir durchreisen das Universum ohne 


— 248 — 


es zu achten, unser Planet hat, che wir waren, vielleicht 
schon unermessliche Welträume durchwandert , unzählige 
Veränderungen, von denen wir keine Ahnung haben, er- 
fahren, er wird vielleicht eben so viele von uns nicht wahr- 
genommene Veränderungen erfahren müssen, bis er seinen 
Lauf beschlossen — bis der Mensch sein Ziel surückgelegt, 
der Erdenscholle nicht mehr bedarf! 


7. Bemerkungen 


über das Werk Russia and the Ural Mountains by 
R. I. Murchison, de Verneul and Count 
Keyserling 


und dessen 
Ergänzung: 


„Beobachtung auf einer Reise in das Petschora - Land.“ 
Mitgetheilt in einer Versammlung von Freunden der Natur- 
wissenschaften in Wien am 5. October 1846. 


Oesterr. Blätter für Literatur und Kunst vom 20, October, 


Von 
A. A. Grafen v. Keyserling, 


kais. russ. Kammerjunker etc. 


Werke von einem Umfange wie das vorliegende, ein 
Monstrum, wie das Quarlerly Review es nennt, sind in 
den Händen Weniger, und von diesen hat nur ein Theil 
die Musse, sich die Resultate durch Studium zu vergegen- 
wärtigen. Es kann daher nicht unnütz erscheinen, wenn 
die Autoren selbst in solchen Fällen gelegentlich die Summe 


— 249 — 


aus ihren Beobachtungen mündlich mittheilen und in dieser 
Rücksicht würde ich mit Vergnügen den Aufforderungen 
dieser Gesellschaft nach Kräften zu entsprechen suchen. 
Würde sich aber diese Aufgabe in einer so kurzen Zeit, 
wie die gegenwärtige Gelegenheit sie verstattet, wirklich 
durchführen lassen, so wäre das eine zu schwere Anklage 
gegen die Korpulenz dieser Bände, als dass man sie einem 
der Autoren selbst zumuthen dürfte. Ich kann daher nur 
versuchen, durch einige Einzelheiten eine Vorstellung von 
der Tendenz des Werkes, von den Kräften, mit 
denen es ausgeführt ist, und von den Früchten solcher 
Arbeiten im Allgemeinen zu geben. 

„Das europäische Russland und das Ural- Gebirge!“ 
sind denn das verschiedene Theile, könnten diejenigen 
fragen, die unsere Erde vom politischen Gesichtspunete zu 
betrachten gewohnt sind — und deren Verwunderung müsste 
steigen, wenn der Geognost erwiedert: „Ja, weil in der 
breiten und sehr langen Zone des Urals das westeuro- 
päische Gepräge der Gesteine wieder auftaucht, während 
es im europäischen Russland ganz abweichend erscheint. 
Im Ural sind die Schichten des älteren Uebergangsgebirges 
wie in Westeuropa, steil, aufgerichtet, verworfen, die 
Kalksteine hart, krystallinisch, dunkelfarbig, die Sand- 
steine dicht, meist Quarzite, die Schiefer in 'Thonschiefer 
übergehend. — Die letzteren führen zu jenen Kalk - und 
Glimmerschiefern über, aus denen der lange, ununterhro- 
chene Hauptkamm des Urals besteht, von dem man nach 
Westen eine Reihe immer jünger und niedriger werdender 
Falten von Sediment-Gesteinen sieht, während man nach 
Osten eine mit einzelnen Bergen besetzte Zone eruptiver 
Gesteine überblickt, in der nur inselartig abgerissene Frag- 
mente von Uebergangsschichten erscheinen. Die Ueber- 
gangsgesteine des flachen Russland bestehen dagegen aus 
plastischen Thonen , weichen Mergeln, körnigen,, zerreibli- 
chen Sandsteinen, hellfarbigen, mürben Kalken — alle 
scheinbar horizontal. Ja sogar die Versteinerungen des 
Urals stimmen oft mehr mit denen in der Eifel und in Eng- 
land überein, als die im europäischen Russland. Was kann 
aber die Ursuche einer so auffallenden Erscheinung sein ? 


— 2350 — 


Es muss eine Eigenthümlichkeit sein, die das europäische 
Russland eben so sehr vom Ural als vom übrigen Europa 
unterscheidet. Eine solche fällt nun auf der vorliegenden 
geognostischen Karte leicht in die Augen. Es ist der völ- 
lige Mangel an eruptiven Gesteinen im zentralen Russland, 
und darin liegt zugleich einer der stärksten Beweise, dass 
wirklich diese eruptiven oder plutonischen Gesteine es sind, 
mit denen die Erscheinungen des Metamorphismus und der 
Schichtenaufrichtung im Kausal - Zusammenhange stehen. 
Welcher Art dieser Kausal- Zusammenhang ist, darüber 
scheint uns die Erkenntniss wenigersicher, als einige geglaubt 
haben, und gerade unsere Untersuchungen, in Uebereinstim- 
mung mit anderen neueren Erfahrungen, besonders in den 
Alpen, zeigen die Unzulänglichkeit der bisherigen Ansichten. 
Kann man die Secundär-Schichten der Alpen für eine blosse 
Fortsetzung der Schichten nördlich vorliegender Länder 
halten, die durch Vorgänge lange nach ihrer Bildungszeit 
ein abweichendes Ansehen gewonnen hätten? Setzte man 
sich über alle Schwierigkeiten der mineralogischen Zusam- 
mensetzung durch Metamorphismus und lokale Strömungen 
während der Ablagerungszeit hinweg, die Verschiedenhei- 
ten der Versteinerungen lassen sich nicht auf 'metamorphi- 
schem Wege erklären. So ist es auch im Ural, z. B. in 
den steilen Schichten seines harten krystallinischen, dun- 
kelfarbigen Bergkalkes, finden sich nicht dieselben vorherr- 
schenden Versteinerungen, die den oft kreideähnlichen 
Bergkalk des flachen Russlands, ich möchte sagen, fasst 
auf jedem Schritte auszeichnen. Chaeleles radians Fisch., 
Lithostrotion floriforme Flem., Spirifer mosquensis 
Fisch., oder Productus giganteus Marl. Das sind 'That- 
sachen, die zu dem Eingeständniss nöthigen, dass in den 
Zonen der grossen Gebirge eigenthünliche Verhältnisse 
sich fanden, lange vor der Zeit, die man gewöhnlich ihrer 
Entstehung anweiset. Die Gedanken, zu denen diese Thatsa- 
chen drängen, und die Ansichten über Gebirgsbildung, die 
sie unterstützen, haben wir in diesem Wsrke nicht weiter 
verfolgt, weil es sich von allen zu weit abliegenden Spe- 
kulationen fern zu halten gesucht hat, und so müssen wir 
auch, hier der Versuchung widerstehen, die uns weiter 


—_ 351 — 


lockt. Es sei genug, gezeigt zu haben, dass der Ural und 
das europäische Russland seit den ältesten Zeiten für den 
Geognosten ganz verschiedene Phänomene bieten. 

Aber noch andere Erhebungszonen, abgesehen von der 
finnländischen krystallinischen Grenzregion, lassen sich im 
europäischen Russland nachweisen, deren hohes Alter da- 
durch bezeugt wird, dass sie als Barrieren schon auf die 
Sedimente der Paläozoischen Zeit eingewirkt haben. Diese 
sind: 1. das Timan-Gebirge, 2. der Devonische Zentralzug, 
3. das Katharinoslawsche granitische Gebirge. Diese drei 
Zonen haben eine ziemlich parallele Richtung von N. W. 
nach S. ©. und zerfällen Russland in mehrere Becken. 
Zwischen den beiden ersten liegt das grosse russische 
Hauptbecken. Daneben liegt nördlich das kleine Petschora- 
Bassin, ausgezeichnet dadurch, dass die permischen Abla- 
gerungen nicht hineinreichen; es scheint schon den allge- 
meinen Typus der flachen. Küstenländer des sibirischen 
Eismeeres darzustellen. Auf der andern Seite, südlich vom 
Hauptbecken liegt das südrussische Bassin, ausgezeichnet 
durch die vorherrschenden Kreide - und Tertiär - Schichten. 
Um nicht von dem Stoffe unseres Vortrages so sehr über- 
wältigt zu werden, dass wir am Ende ein blosses Inhalts- 
verzeichniss zu geben gezwungen werden, lassen Sie uns 
diesmal besonders nur die Niederschlags - Formationen von 
den ältesten ab in dem Sinne durchgehen, dass wir einige 
der interessanteren Bemerkungen über jede einzelne an- 
deuten. 

Es ist ein wichtiger Erfolg der langjährigen, ange- 
strengten Forschungen besonders Murchison’s, der zu- 
erst in diesem Werke zum Vorschein gekommen ist, dass 
man erkannt hat, wie in den untern silurischen 
Schichten wirklich die Reste der ersten Thiergesell- 
schaft, die unsern Planeten bewohnt hat, begraben lie- 
gen. Eine ältere Gesellschaft hatte man einige Zeit in 
der Cambrischen Gruppe vermuthet; andere Schriftstel- 
ler, besonders Lyell, hatten den Glauben an eine un- 
endliche Reihe. von organischen Schöpfungen ohne Anfang 
und ohne Ende ausgesprochen. Nachdem aber die Unter- 
suchungen über ganz Europa, über halb Amerika, über 


— 252 — 


beträchtliche Regionen der andern Welttheile ausgedehnt 
worden sind und überall nur dasselbe Resultat gegeben 
haben, zu dem man in England gelangt war; nämlich dass 
die Reihe der Thiergesellschaften mit der unteren Siluri- 
schen abgeschlossen ist, so wird eine entgegenstehende 
Ansicht in das Gebiet der ganz unwahrscheinlichen Mög- 
lichkeit verwiesen. Ein zweiter, schlagender Beweis ge- 
gen die Uranfänglichkeit des organischen Lebens auf der 
Erde lässt sich durch die Paläontologie führen, und die Un- 
tersuchungen unseres 2. Bandes liefern dazu einen reichen 
Beitrag. Gehen wir nämlich von unserer gegenwärtigen 
Fauna zurück durch die lange Reihe von Schöpfangen, die 
uns die Geognosie enthüllt hat, so sehen wir selbst grosse 
Abtheilungen der Thierwelt mehr und mehr schwinden. Die 
letzten Reptilien finden sich in den permischen Schichten 
und mit den Fischen verlieren sich die letzten Wirbelthier- 
spuren, ehe man die unteren silurischen erreicht. So ent- 
faltet sich dem forschenden Blicke eine convergirende Reihe, 
die zur Null führen muss. Dieses Endglied der Reihe bilden 
‚die Gneisse Skandinaviens, die ungleichförmig unter den 
ältesten silurischen Schichten gelagert sind und die von 
Murchison daher Azoisch genannt worden sind. Zu den 
azoischen Schichten gehören nach den gründlichen Unter- 
suchungen des Herrn Barrande in Böhmen (deren bal- 
dige Veröffentlichung jeder Freund der Wissenschaft sehn- 
lichst wünschen muss) gewisse Grauwacken und Thonschie- 
fer. In Russland könnte man nach den bisherigen Untersu- 
chungen eben dahin die plastischen Thone von undurchsun- 
kener Mächtigkeit rechnen, auf denen jene untern siluri- 
schen Schichten liegen, die das ganze südliche Küstenland 
längs dem finnischen Meerbusen bilden. Dieser Thon, ob- 
gleich er den Bildhauern zum Modelliren dient, ist jedenfails 
älter als viele der härtesten Thonschiefer der Alpen. Ueber 
dem Thon liegt ein Sandstein, der in gewissen Schichten 
von’ den Schalen einer einzigen kleinen Muschelgattung, aus 
der Klasse der Brachiopoden, Obolus Eichw., so angefüllt 
ist, dass er auf dem Querbruch wie von Glimmerlagen ge- 
streift erscheint. Dieselbe Gattung ist zwar anderweitig 
nicht bekannt, aber die verwandten Lingulen, mit ihren 


—_— 253 — 


eben so hornglänzenden Schalen scheinen sie in den älte- 
sten Schichten Englands und Amerika’s zu vertreten. 

Jedenfalls gehören die Brachiopoden zu den erstge- 
schaffenen Muschelthieren und stehen auch ihrer Organisa- 
tion nach an der unteren Grenze, da z. B. an den Tere- 
brateln nur mit Mühe die geringen Spuren des Nervensy- 
stems haben nachgewiesen werden können. — Erst in den 
höher gelegenen Kalksteinen tritt die untere silurische 
Fauna reicher auf mit den kugelformigen Cystideen, den 
zahlreichen Orthideen (darunter einfach gefaltete) und Tri- 
lobiten. — Darüber liegen noch dolomitische Kalksteine, 
in denen glatte Pentameren und mehr Korallen sich finden. 
Diese sind merkwürdig, weil sie sich mit identischen Cha- 
rakteren am fernen Eismeergestade des Timangebirges wie- 
derfinden. Sie beweisen, dass diese alten Ablagerungen 
über das ganze Hauptbassin hin ihren Charakter behaupten. 
Tritt man aber in den Ural, so entsprechen den unteren 
silurischen Kalksteinen Grauwacken und Thonschiefer, wie 
es die am Fluss Ilytsch gefundenen einfach gefalteten Or- 
this beweisen. Dagegen finden sich dort mächtige obere 
silurische Kalkmassen mit faltigen Pentameren, die im 
Hauptbassin fehlen. Denn im letzteren liegen devoni- 
sche Kalksteine und Mergel unmittelbar auf dem unteren 
silurischen scheinbar in gleichförmiger Lagerung trotz der 
Lücke in der Formationenfolge. — 

In England hatten Murchison und Sedgwick ge- 
wisse Schichten mit Muschelversteinerungen für gleichzei- 
tig erklärt mit dem alten rothen Sandstein Schottlands, 
der nur Fischreste umschliesst und beide Gebilde als devo- 
nisches System zusammengefasst. Diese Verbindung war 
jedoch nicht so sicher zu beweisen, dass nicht Zweifel 
hätten aufkommen können, und Ferd. Römer hat sich 
2.B. in seinem trefflichen Werke über das rheinische Ueber- 
gangsgebirge dagegen erklärt. Erst die Untersuchung der 
devonischen Schichten Russlands hat nun alle Zweifel be- 
seitigt. Sie umgeben unser Hauptbassin ven drei Seiten, 
bestehen besonders aus rothen Mergel-Thonen, Sandstein 
und Kalk, in denen fast überall neben charakteristischen 
Muscheln so viele Fischreste eingeschlossen sind, dass man 


—_ 254 — 


hieher den Fischmarkt der Paläontologen verlegen könnte. — 
Ganz neu und interessant war es in Wien durch die Ver- 
sammlungen zu erfahren, dass der Hr. Prof. Kner aus Lem- 
berg in den oberen Dniester-Gegenden Galiziens Muscheln 
desselben Systems mit Cephalaspis Ag. *), vereinigt ge- 
funden und somit zum ersten Mal den Beweis geliefert 
hatte, dass auch dort eine Folge von silurischen zu devo- 
nischen Schichten zu erwarten steht. — Im Ural haben die 
devonischen Schichten noch keine Fischreste geliefert und 
erinnern durch ihre Versteinerungen z. B. Strigocephalus 
Burlini u. a. m. an die Eifelgegenden. 

Neu ist, dass unter einer mächtigen Decke von devo- 
nischen Schichten im Timangebirge Goniatiten mit einfa- 
chem Dorsallobus und Cardiolen vorkommen, identisch mit 
Arten in Westphalen, ven denen man bisher geglaubt hat, 
dass sie über dem Devonischen lägen. Sie kommen in dem 
sogenannten Domanik-Schiefer vor, — ein sehr feiner und 
milder kalkhaltiger Kieselschiefer, von Bergöl durchdrun- 
gen, so elastisch und so leicht zu schneiden, dass er in 
vielen Fällen das Ebenholz ersetzen könnte. — 

Während der Steinkohlenperiode bildeten sich in unse- 
rem Hauptbassin meist nur mächtige Kalksteinschichten. 
Diejenigen, die längs der devonischen Zentralaxe sich be- 
finden, sind dunkelfärbig und enthalten an der Basis einige 
Streifen wenig nutzbarer Kohlen; zugleich sind sie durch 
den Productus giganteus ausgezeichnet. Die andern sind 
bis auf die devonische Basis hinab kreideweiss, so dass 
aus ihnen Kreide für den Handel gewonnen wird, und füh- 
ren fast überall den Spirifer mosquensis. Zwischen beiden 
genannten Muscheln besteht ein so feindseliges Verhältniss, 
dass sie sich nie vereinigt gefunden haben. Diese Bemer- 
kung wurde zuerst in Russland gemacht, de Koninck 
fand sie in Belgien bestätigt und sie mag auch für andere 
Gegenden gelten. In den weissen Kalksteinen sind zum 
ersten Mal Foraminiferen (Fusalina Fisch.) der poläozoi- 
schen Zeit nachgewiesen worden. — Südlich von der de- 


*) Auf S. 134 als einer Sepie angehörig erwähnt, A, d. H. 


- 255 — 


vonischen Zentral-Axe sind die Ablagerungen der Kohlen- 
periode ganz anders zusammengesetzt; sie bieten eine 
Wechsellagerung von Quarziten , Schiefern , Bergkalk und 
Steinkohlen dar, genau wie in den Yorkdale series in Eng- 
land. Nur hier, in den Donetzgegenden, besitzt Russland 
bedeutendere Steinkohlenlager und besonders scheinen die 
Anthrazit- Schichten für die Industrie von Wichtigkeit. — 
Im Ural zeichnet sich die Kohlenformation auf der West- 
seite durch eine sehr bedeutende obere Sandsteinformation 
aus, die das Reich mit den besten Wetzsteinen versorgt 
und interessante Goniatiten mit sehr komplizirten Loben 
einschliesst. 

Unser Hauptbassin wird vorzugsweise von der permi- 
schen Formation ausgefüllt, für die ein neuer Name in 
Aufnahme gekommen ist, weil die entsprechenden Schich- 
ten in anderen Ländern z. B. in Deutschland, Roth-Todilie- 
gendes, Weissliegendes, Kupferschiefer, Zechstein keinen 
anwendbaren Kollektiv- Namen führten.. Die ungeheuren 
Gypsmassen, die an der Basis dieser Formation längs ihrem 
Rande hinziehen, und ihre vielen Salzlager, von denen 
eines südlich von Orenburg als ein weit offner Steinsalz- 
bruch abgebaut wird, sind hier zu bemerken. Die letzteren 
haben in einigen Fällen nachweisbar die kaspische Steppe 
mit Salz geschwängert; und man kann es nicht mit Hom= 
maire de Hell für einen Rückstand des Zurükgetretenen so 
wenig gesalzenen kaspischen Sees halten. Obgleich die 
permische Formation nicht in das höhere Uralgebirge tritt, 
so schliesst sie doch in gleichförmiger Lagerung an dessen 
ältere Schichten und’da zeigen ihre Sandsteine und Kon- 
glomerate die vielen eingesprengten Körnchen von Kupfer- 
erzen. Die Fauna dieser Formation haben erst die Beobach- 
tungen in Russland in einem solchen Umfange kennen ge- 
lehrt, dass man ihr allgemeines Verhalten hat richtiger be- 
urtheilen können. In Folge dessen hat jetzt de Koninck 
die interessante Bemerkung gemacht, dass auch in Spitz- 
bergen permische Schichten vorkommen. Sie schliessen 
sich durch die vorwaltenden Brachiopoden, besonders Pro- 
dukten so wie durch die Pflanzengattungen so eng an die 
Kohlenformation. dass sie für das oberste oder jüngste 


—_ 256 — 


Glied der paläozoeischen Reihe angesehen werden müssen. 
Die Greszen dieser Reihe sind daher jetzt viel vollständi- 
ger bekannt geworden. 

Wie unerwartet es auch ist in ganz regelmässig auf 
einander liegenden Schichten ungeheuere Unterbrechungen 
in den Ablagerungen zu finden, alles Suchen nach Reprä- 
sentanten der Triasgebilde und des Lias sind in unserem 
Gebiete vergebens gewesen. Nur in dem Abfall nach dem 
kaspischen See hin kann man es noch für möglich halten, 
dass gewisse Schichten dem bunten Sandstein entsprechen , 
da die Versteinerungen in einem kleinen darüber liegenden 
Kalkflötz auf dem isolirten Bogdoberge der inneren Kirgi- 
sensteppe für Muschelkalk sprechen. Aeltere Gesteine bil- 
den meist entschieden die Unterlage der weitverbreiteten 
'Thone mit oft schön irisirenden Ammoniten , die dem mittle- 
ren Jura oder den Oxfordschichten entsprechen. Dieses 
Glied des Jura ist überhaupt das verbreitetste. Weberra- 
scherd ist seine hochnordische Ausdehnung, z. B. bildet 
es den Untergrund im ganzen Flachlande des Petschora- 
beckens. Reste grosser Saurier sind darin jenseits des 
61. Gr. Br. an dem Flusse Syssolla gefunden worden; wie 
anders muss also das Klima jener Regionen gewesen sein. 

Am meisten bleibt noch zu thun in der Kreide- und 
Tertiärablagerung des südlicheren Russlands. Eine dünne 
Lage von Knollen phosphorsauren Kalkes an der Basis der 
weissen Kreide, die über 100 deutsche Meilen weit fort- 
setzt, wurde erst nach der Herausgabe unseres Werkes 
erkannt, weshalb ich diese merkwürdige Ersheinung hier 
nicht übergehen wollte. Die weisse Kreide am fernen Ural- 
flusse ist gerade so beschaffen wie in Frankreich, und be- 
weiset die wunderbare Konstanz und Verbreitung gewisser 
mineralogischer Vorgänge in bestimmten Perioden, die sich 
z. B. auch in der vorherrschend rothen Färbung der For- 
mationen unter und über den kohlenführenden Schichten 
zeigt. Dennoch kann der Zusammenhang entlegener For- 
mationen der Erdoberfläche nur durch die Versteinerungen 
mit Erfolg gesucht werden. 

Die Tertiärschichten Russlands lassen sich den herge- 
brachten Abtheilungen gemäss vertheilen. Eocene Schichten 


Br 


sind am Dniepr und an der Wolga durch Versteinerungen 
nachgewiesen; die pliocenen sind mit ihren oberen oolithi- 
schen Schichten bei Taganrog u. s. w. nachgewiesen. Aber 
die darüber liegenden Steppenkalke und Sand bieten ein 
zu auffallendes Phänomen, um darüber hinzugleiten. An- 
statt mit ihren Resten den gegenwärtigen Meeresbewoh- 
nern sich mehr und mehr anzuschliessen,, umschliessen sie 
nicht eine einzige Art, die den jetzt im Meere lebenden 
Muscheln identisch oder analog wäre. Dagegen stimmen 
sie. durch Mytilusarten und besonders durch die Carditiden 
mit obsoleten Schlosszähnen überein mit den Bewohnern 
des Sees von Ackerman und des Kaspisees. Dadurch 
wird bestimmt nachgewiesen, dass in der Vorzeit ein unge- 
henerer Landsee mit wenig gesalzenem Wasser über den 
ganzen Südrand Russlands sich ausbreitete, in dem sogar 
ein wallfischartiges Thier, das Cefotherium Brandt, lebte. 

Im Norden haben wir weit ins Land hinein an der Pet- 
schora und an der Dwina die jetzt im Eismeer lebenden Mu- 
scheln in Thonen gefunden, die am letzteren Orte über per- 
mische Schichten in vollkommen gleichförmiger Lagerung 
sich ausbreiten. Das sind auch die einzigen entschiedenen 
Meeresbildungen der jüngeren Zeit im nordischen Russland. 
Die Mammuthe sind dagegen meist in Thonen versunken, 
deren mariner Ursprung entweder ganz zweifelhaft oder 
vollkommen unwahrscheinlich ist. Durch genaue Untersu- 
chung ihres Zahnbaues hat Owen bewiesen, dass sie auf 
eine viel festere Nahrung als die Elephanten angewiesen 
waren. Junge Nadelbäume haben sie etwa mit demselben 
Vergnügen verspeisen können, als wir Spargel essen, und 
da sie einen buschigen Pelz trugen, so konnten sie nord- 
wärts bis an die Waldgrenze leben. Dann bedurfte es auch 
nur einer geringen Verschiedenheit vom gegenwärtigen 
Klima , um ihre Verbreitung bis an die Eismeerküste zu be- 
greifen, und wir sind der Anstrengungen ledig, mit denen 
man Theorien ersonnen hat, um entweder jene Länder aus 
tropischen Hitzen plötzlich in ewiges Polareis zu tauchen, 
oder um die Riesenthiere mit gewaltigen Fluthen aus heis- 
sen Zonen herzuschleppen, in denen jetzt nicht einmal ihre 
Reste sich finden. 


Freunde der Naturwissenschaften in Wien, I. 17 


_ 258 — 


- Das erratische Phänomen ist in diesem Werke ebenfalls 
ausführlich behandelt, und dürfen wir auch nicht hoffen, 
die Meinungen darüber fixirt zu haben, so sind doch wich- 
tige Thatsachen für die Beurtheilung gewonnen worden. 
Erstens ist die Kenntniss der Grenzen des nordischen erra- 
tischen Phänomens, man könnte sagen des erratischen 
Bassins, eine Frucht der neueren Untersuchungen Russ- 
lands. Im Allgemeinen verlaufen diese Grenzen in weitem 
Bogen um Finnland, um die krystallinische Heimat der 
Findlinge , doch beschreiben sie weite Buchten, dıe, wie 
es scheint, den Depressionen im Relief Russlands entspre- 
chen. Eine zweite Thatsache ist, dass die Blöcke bis an 
den fernen Rand des erratischen Bassins so ziemlich in ge- 
raden von Finnland aus divergirenden Strahlen getragen 
worden sind. Eine dritte Thatsache ist endlich, dass dem 
Ural bis zum 60. Gr. hinauf mit dem erratischen Phänomen 
zugleich die Schrammen feblen, die in den finnischen Re- 
gionen auffallend sind. 

Doch weiter dürfen wir unseren Gegenstand nicht ver- 
folgen und wir wollen schliesslich nur einige Resultate von 
allgemeinem wissenschaftlichen Werthe anführen, die wir 
in unseren bisherigen Bemerkungen zu berühren nicht Ge- 
legenheit fanden: 

1. In der Zone des Urals haben während mehrerer sehr 
entfernter und weit auseinander liegender Perioden Faltun- 
gen und Aufrichtungen der Erdrinde in ziemlich meridianer 
Richtung statt gefunden. 

2. Das flache Russland hat vielen mächtigen Oszillatio- 
nen unterlegen, ohne zu bersten und man hat oft die Wir- 
kung der hebeuden Kräfte zu sehr auf die Gebirge be- 
schränkt, weil man Schichtenaufrichtung und. Erhebung 
nicht scharf genug unterschied. 

3. Die Schichtenaufrichtung bedingte nicht die Verän- 
derungen in der organischen Welt, die zwischen den hori- 
zontalen, ruhigen Ablagerungen Russlands eben so scharf 
wie anderwärts eintreten. 

Diese Andeutungen nebst den vorliegenden Karten, 
Durchschnitten und Tafeln können von dem weiten Um- 
fange des besprochenen Werkes eine Vorstellung geben 


- 29 — 


und doch beruht es fast durchgängig auf originellen Be- 
obachtungen. Damit will ich nicht den vielen Verdiensten 
unserer Vorgänger zu nahe treten, deren Würdigung hier 
nicht am Orte wäre. Nur will ich sagen, dass auch das bereits 
bekannte wieder frisch aus der Natur genommen wurde, 
wie es gewöhnlich nothwendig wird, sobald man ein har- 
monisches Ganze herzustellen sucht. Wie konnte man ein 
solches Unternehmen in kurzer Zeit vollbringen, wird man 
trotz der nachtlosen Sommernächte unseres Nordens mit 
Verwunderung fragen, besonders wenn man bedenkt, wie 
viel von dem geognostisch bemalten Lande eine unweg- 
same Wildniss ist. Welcher Eifer auch die Verfasser be- 
seelte, durch ikre Privatkräfte hätten sie das nimmer errei- 
chen können. Dazu bedurfte es der grossmüthigen Unterstüt- 
zung desKaisers von Russland, dessen Regierung aus 
den Annalen der Wissenschaft durch die kommenden Jahr- 
hunderte mit so vielen Unternehmungen der Intelligenz 
entgegenstrahlen wird. Die Gründung der Sternwarte zu 
Pulkowa, der magnetischen Observatorien im ganzen Reiche, 
die neuliche Errichtung einer reich fundirten geographischen 
Gesellschaft, der beginnende Aufbau eines grossartigen 
physikalischen Observatoriums, wie es noch nie vorhanden 
gewesen ist, überhaupt das neue Emporblühen der Akade- 
mie der Wissenschaften fallen uns dabei sogleich unter den 
vielen Gegenständen bei. 

Aber wir haben nur von den Untersuchungen, die zum 
vorliegenden Werke führten, zu sprechen. Auf alle erdenk- 
liche Weise wurden sie durch die thätige Administration er- 
leichtert; in den Sandsteppen waren die Nomaden mit ihren 
Pferden längs den Wegen des Geognosten hinbestellt ,„ ın 
den einsamen Flüssen waren Böte zu seiner Aufnahme ge- 
fertigt, ja es entstand sogar einmal ihm zu Diensten ein 
Fluss, da wo keiner vorhanden war, durch das Ablassen 
eines Hüttenteiches. Die erste Reise wurde im Jahre 1840 
von Murchison und Verneuil auf eigenen Antrieb un- 
ternommen und sogleich wurde ihnen der russische Berg- 
offizier Kokscharoff zur Erleichterung beigegeben. Zu- 
gleich machten A. v. Meyendorff begleitet von Prof. 
Blasius eine offizielle Reise zur Kenntniss des Landes 

| Rt 17% 


— 260 — 


und förderten gleichfalls Beobachtungen herbei, die in die- 
sem Werke aufgenommen sind. Diesen beiden Reisege- 
sellschaften hatte ich das Glück mich wechselweise anzu- 
schliessen. Darauf trat ich für geognostische Zwecke in 
russischen Staatsdienst und durchforschte 18541 in Gemeiu- 
schaft mit Murchison und Verneuil den Ural und das 
südliche Russland. 

Im Jahre 18542 wurde fc nach Frankreich und England 
gesandt, um an der paläontologischen und geognostischen 
Bearbeituug dieses Werkes Theil zu nehmen; 1843 berei- 
sete ich mit Paul v. Krusenstern, der die geographi- 
schen Bestimmungen in der lerra incognita machen sollte, 
das Petschoraland, in das kein einziger Landweg führt. 
Auf der Tundra, der polaren Mooswüste, und auf den Hö- 
hen des arktischen Urals haben mitten im Sommer Renn- 
thier-bespannte Schlitten der Geognosie dienen müssen. 
Aber noch war eine für den Massstab der Gelehrten be- 
deutende Unterstützung nöthig, um die gewonnenen Resul- 
tate in gehöriger Form veröffentlichen zu können und -die 
ist den Verfassern wiederholt gewährt worden. Um in 
Werthen zu sprechen, denen die eindringlichste Beredsam- 
keit eigen ist: ich schlage die offiziellen Hilfsmittel für das 
besprochene Unternehmen in seinem ganzen Umfange mit 
S0,000 Franken gewiss zu gering an. 

Sind denn aber die Vortheile, die den Staaten und 
Menschen aus solchen Arbeiten erwachsen, gross genug, 
um solche Anstrengungen der Individuen und Regierungen 
zu rechtfertigen? Wir wollen es uns nicht leicht machen, 
durch Vergleichung mit viel kostbareren und oft vergäng- 
licheren Ehrendenkmalen', wir können zuversichtlich auf 
die Abwägung des positiven Gewinnes eingehen. Wie viel‘ 
grössere Summer sind verloren gegangen durch das Suchen 
nach Steinkohlen, Metallen oder unvorsichtigen Erdarbei- 
ien, wo die geognostische Erforschung es hätte verhindern 
können. Wie leicht dergleichen auch in Russland hätte 
vorkommen können, ersehen wir z. B., wenn der grosse 
Pallas bei Gelegenheit der wenig nutzbaren Steinkohlen 
im Waldai nur tiefer zu graben räth , um Besseres zu er- 
langen, gemäss der natürlichen Disposition des Menschen 


— 2% — 


zu glauben, was man so recht tief und mit saurem 
Schweisse herholt, müsste auch gut sein. Hier lehrt nun 
gerade die Geognosie mit Sicherheit: dass in der Tiefe nichts 
zu hoffen ist, als die Fischreste der devonischen Schich- 
ten. Eben so haben wiederholte Berichte zu vergeblichem 
Kohlenbau in den Juraschichten an der Wolga aufreizen 
wollen. Eine privilegirte Kompagnie wurde von einigen 
zur Exploitation des Petschora-Bassins projektirt und machte 
unter andern auf dortige Goldwäschen Hoffnung; nach ety- 
mologischen Gründen wurden auch dorthin die Höhlen ver- 
legt, in denen nach Herodot die Gryphen und Arimaspen 
Schätze bewachten, ein Mythus, den man auf Goldalluvi- 
onen bezogen hat. Dass die letzteren dort nicht zu finden 
wären, entschied eine leichte geognostische Rekognoszi- 
zung. — Aber ich mag nicht in diesem Sinne fortfahren, 
damit man nicht glaube, es sei die Wissenschaft nur von ei- 
nem untergeordneten Gesichtspuncte her gefördert worden. 
Ich meine jenen Gesichtspunet, von dem aus die Dinge für 
nützlich gelten, wenn sie die Sinne schützen , stärken oder 
ergötzen‘; aber für unütz, wenn sie dasselbe für die Seele 
leisten; von dem aus den Menschen die Entdeckung einer 
einzigen Bank lebender Austern ungleich wichtiger scheinen 
muss, als die Erkenntniss aller versteinerten Muschelbänke 
der Welt. Doch wie sollte man den Geist der Menschen be- 
achten, so lange sie ja selbst, ohne es zu wissen, ihren 
Geist für weniger beachtungswerth als ihre Geschmacks- 
werkzeuge erklären! Wie fern unsere Administration einer 
solchen Auffassung steht, beweiset z. B., dass ich mich er- 
innere, bei meiner Anstellung bestimmt erklärt zu haben, 
wie ich mich nicht anheischig machen könnte, irgend etwas 
sogenannt Nützliches zu leisten; worauf mir der dama- 
lige Chef des Bergkorps, General Tscheffkin, erwie- 
derte: der belebende, beeifernde und veredelnde Einfluss, 
den die wissenschaftliche -Erforchung auf praktische und 
technische Beamte hätte, sei schon ein hinreichender Gewinn 
derselben. Der moralische Gewinn der wissenschaftlichen 
Arbeiten muss dem Geiste immer bedeutend erscheinen. Ich 
will nicht Wahrheiten wiederholen, die von allgemeiner 
Geltung sind und bereits zu den Gemeinplätpen gehören. 


— 262 — 


Nur einiger Früchte lassen Sie uns gedenken, die der in 
Rede stehenden Art von Forschungen insbesondere eigen- 
thümlich sind. — Andere Naturwissenschaften offenbaren 
uns durch die beständige und gesetzmässige Wiederkehr 
der Erscheinungen harmonische Kreise, deren Betrachtung 
den Menschen durch das Gefühl abgeschlossener Vollendung 
und ewiger Dauer erhebt; aber alle Bewegung erscheint 
darin nur als ein Schwanken um denselben Punct ohne all- 
gemeinen Fortschritt. Nur die Geognosie begründet durch 
die Aufeinanderfolge der Organismen , die sie enthüllt, das 
lebendige Bewusstsein von einem Fortschritte, unendlich 
lange Zeiten hindurch, zu immer höserer Vollkommenheit.— 
Bei dem Zurücktreten ganzer Gesellschaften eigenthümli- 
cher lebender Wesen in ein ewiges Nichts mag uns das 
Gefühl der Vergänglichkeit verwirren, erschüttern; aber 
dann müssen wir uns erinnern, dass es Arten von Wesen 
waren, die dem Fortschritte widerstanden, da sie nicht 
gleich den Menschen durch die historische Entwickelung 
einer unbegrenzten Vervollkommnung der Kräfte ihrer Gat- 
tung fähig waren. — Philosophen haben gemeint, dass die 
Naturwissenschaften zu der Ahnung führten, wie aus den 
einfachen Kräften der kleinsten Theilchen und Zellchen sich 
die Organismen und Welten durch einen so stetigen Pro- 
zess fortbildeten, dass nirgends mehr ein Platz für Gorr, 
das Bingreifen einer höheren Intelligenz und Kraft üb- 
rig bleibe. Dagegen zeigen keine Forschungen entschie- 
dener die unbegreifliche Gewalt des schöpferischen „W erde‘ 
als die unsrigen; — denn mehr als einmal hat Sie unseren 
Schauplatz mit Tausenden von neuen Arten bedeckt, die 
keine Naturkraft hervorznzaubern im Stande ist. — Endlich . 
müssen wir vor allen Dingen des edlen Bandes gedenken, 
das unsere Wissenschaft von Menschen zu Menschen spinnt, 
indem sie vor allen anderen Wissenschaften ihre Zöglinge 
zu ewigen Wanderern erzieht. Hier sehen Sie einen Eng- 
länder, einen Franzosen, einen Deutschen und Russen in 
innigster Verbindung durch die Welt ziehen und denselben 
Zweck von demselben Geiste beseelt 5 Jahre lang unaus- 
gesetzt verfolgen. Ein solches Band ist nicht zerrissen, 
wenn gegenwärtig Murchison in England und Ver- 


—_— %63 — 


neuil in Amerika wirkt, während ich hier verweile; um 
so schneller nur tragen wir in die Welt hinaus und stärken 
die gewonnenen Gedanken, die uns gemeinsam geworden 
sind. Eben diesen verdanke ich es ja auch, wenn ich nicht 
als verlassener Fremder vor Ihnen stehe, sondern freudig 
um mich Männer erblicke, die mit meinen Bestrebungen ver- 
traut und befreundet sind und die mich herzlich wie einen 
der Ihrigen in ihre Mitte gerufen haben. — 


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